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Full text of "Archiv für Kulturgeschichte"

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Archiv 


für 


Kultur-Geschichte. 


BiraeiBi  Herausgegeben  von  euBtBtBt 

Dr.  Georg  Steinhausen 

eee  Stadtbibliothekar  und  Vorsteher  aeaa 
der  Murhard'schen  Bibhothek  der  Stadt  Cassel. 


Erster  Band. 


Berlin  •  Alexander  Duncker  Verlag  •  1903. 


Die  Wette.     Von  Richard  M.  Meyer ] 

Die  Entstehung  der   ncueuropSischcn   Formen  des   Lebens.     Von 

Kurt  Br^sig 18 

Das    Bcginenwesen    der   sächsisch -thöringischen    Lande    in    seiner 

sozialen  Bedeutung.    Von  Georg  Liebe 35 

Selbstbiographie  des  Stadtpfaircrs  Wolfganji  Amtnon  (t  1634)  von 

Marktbreit  I/III.    Mitgeteilt  von  Fr.  HüUner .   ...    50.  214,  264 

Zwei  Zeitungsprivilegien.     Mitgeteilt  von  Armin  Tiüe    ......     W 

Die  Anfänge  des  Handwerks  in  Lübeck.     Von  Jaküb  Höhler    .    ,    .    129 
Die  Klöster  im  wirtschaftlichen  Verkehr.    Von  Rudolf  Goette ...    195 

Die  Mystik  in  sozialer  Bedeutung.     Von  Th.  Achelis 203 

Neue  FestBlellungen  über  den  gescheiterten  Donau-Matti-Kanal  Karls 

des  Großen.    Von  Otto  Laaff» 257 

Von    der  Erziehung   und   Ausbildung    pommerscher    FDr&ten    Im 

Reformaltonszeitaller.     Von  Mariin  Wthrmann 2(!>5 

Augsburgs  Warenhandel  mitVenedig  und  Augsburger  Handelspolitik 

im  Zeitalter  des  SOjähhgen  Krieges.     Von  Johannes  Müller  .    326 
Eine  Liedethandschnft  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts 

I,  \\.    Von  Arthur  Kopp 348,  425 

Milteblterlichc  Notizen  für  die  Reise  nach  Jerusalem.    Von  Utrieh 

Sehmid 385 

Aus  alten  Kirdirechnungen.    Von  Vogä 387 

Des  italienischen  Priesters  Lfturcfid  Reise  durch   Deutschland,  die 

Niederlande  und  England  1613.  I.  Milgeteilt  von  W.Friedtns- 

bmrg 403 

Aus  dem  Kabinette  Friedrichs  des  Großen.     Von  Jatias  r.  Pflagk- 

Harttang 449 

Miszellen: 

Ober  Kinderselb&tmorde   im    Anfang   des    19.  Jahrhunderts.     Von 

Diaiäonn/ 357 

Kleinigkeiten.    Von  Th.  Disld 300 

Besprechungen: 

Seytcr,  Dnisusverschanzungen  \x^  Deisenhofen  (Liebe) 107 

V.  Amlra.   Die   Dresdener  Bilderhandschrift  des  Sachsenspiegels  1. 

(Lauffer) 108 

K{ppenbeT:g,  Die  Sage  vom  Henog  von  Luxemburg  (Ucbe) ....  110 


MüHer,  Beiträge  zur  Kullurgeschlchte  ller  Stadt  Demmin   (Ebstein)  112 

Meyers  Großes  Konversationslexikon  f  (Stetnhausen) ,  114 

B&uer,  Das  OeschSechtsleben  in  der  deutschen  Vei^ngenlieil  ^Uiuffer)  240 

Tille,  Die  Benediictincrabtci  5L  Martin  boi  Tdcr  tLiebO  .....  242 
SimonsIcLd ,  Mailänder  Briete  zur  bayerisohcn  und  .alLgcnieiaeo  Qe- 

scliichte  des  16.  Jxlirhimderts  (SIeinhaiisen) 243 

Schneider,  Der  Wetterhatm  auf  dem  Dom  zu  Mainz  u.  a.  ^Uäa- 

hausen) ,.»....  244 

V.  Qyöry,  Morbus  huagarious  CJIübaer) 245 

Lamprecbt,  Deutsche  QcscJuditc.    Ei^änziingsband  [,  II,  1.  fSteiD- 

hausen) 3bl 

Schönfeld,  Der  Jaländische  Baitcmhof  rm  Sagaceit  (Lawffer)  ....  367 

Oloth,  Das  Spiel  von  den  sieben  Farben  iSleüihuisen) .360 

Heinemann,  TeU-lconograpliic  (StdnhanscQ) ,    .  360 

f^estschrift    zum  f^^ieruqgsjubJläuin    des  Croßherzogs   von  Bades 

(Sl«tnhauseci) 370 

Specht,  Geschieht«;  do'eliiiiiialigeu  Umt^er&itatPiklinfen  (Steinii&uscu)  371 

DuLr,  Die  Jesuiten  an  4ea  ■deutscben  f^iUstenhöfei  (Liehe)    ....  372 

Qoldmaim,  Danriger  Vcriflssüajskämptc  (Liebe;    .   .  ^ 373 

Wolfr-Beckh,  Johann  friedrioh  Böttser  [Lauüeo 374 

Wdigeschichte.  Herausgegeben  von  H.  f^.  Helmoü  11  (Steinhausen)  477 
Oiesebratiiti    Die  alttcstacnen  (liehe   Schiltziuig   Ucs   Colteuiaiiiens 

(V.  Dobsctvtitz} 478 

KuDpere,  Alexander  der  Große  und  die  Idee  des  WelUmpedumfi 

(V.  Dobschütz) 4ä0 

Frdhecr   v.   d.  Gjsttz,    Ueschichle  der  deutschen    LaodwirtacbaÜ  1 

tSteinhausen) 484 

W'Cber,  Die  Iveinbildet  im  Htrssenhofe  zu  Sduiialkalden  (HainiieJ  .  ASb 

Rabcnlechncr.  Der  Baucmkricg  in  Steiermark  (Liebe) 487 

ClUnger,  Philipp  MeLanchthon  (Liebe) 48S 

Suida,  Die  OenredaräleUuneen  Dürers  (Hampe) 489 

Glagau,  Die  moderne  Selbstbiographie  (Steinhausen) 490 

Rühlmann,  Die  öffentliche  frtemung  in  Sachsen  1606-L2  (HölBch«)  4W 

Blodi,  Der  Ursprung  der  Syphilis  I  (fleiiuich)      A94 

Kkine  Mitteilungen  und  Referate 11«,  247,  376,497 

Bibliographisches 124.  253,  381,  504 


P 


Die  Wette. 

Von   RICHARD   M.  MEYER. 


Die  Wette  ist  in  ihrer  eigen tümilichen  Art,  wie  mir  scheint, 
noch  nicht  genügend  gewürdigt;  und  doch  scheinen  sogar  Hypo- 
thesen ober  ihren  Ursprung  nur  aus  ihrer  Eigenart  abzuleiten. 

Gewöhntich  fasst  man  die  Welle  einfadt  als  eine  Art  von 
Krieg  auf;  dahin  weist  ja  auch  die  Etymologie  des  Wortes  und 
Ausdrücke  wie  Wettkanipf  und  Wettlauf.  Gewiss  ist  es  auch  eine 
Art  von  Krieg,  d.  h.  Messen  zweier  Kräfte  um  eines  Siegespreises 
Villen.  Aber  von  den  übrigen  Formen  des  Kampfes  ist  die  Wette 
durch  fünf  tiefgehende  Verschiedenheilcn  getrennt: 

Erstens  wird  im  allgemeinen  bei  der  WettCj  in  schärfstem 
Unterschied  von  allen  anderen  Kampfformen,  vorausgesetzt,  dass 
die  Beteiligten  sich  in  keiner  Weise  um  Herbeiführung  des  Sieges 
bemühen.  Oft  ist  dies  geradezu  ausgeschlossen,  vor  altem  in  den- 
jenigen Fällen,  weiche  ich  als  Feststellungswetten  bezeichnen 
möchte.  So  wird  denn  auch  in  der  bekannten  Thölschen  Definition 
dcrWctte(vgl.z.B.  Holtzcndorffs  Rechtslexikon  3,  Z.  24)  diese 
gerade  dadurch  vom  »Spiel"  unterschieden ,  r.dass  beim  Spiel 
lediglich  die  Tätigkeil  der  Interessenten  das  Eintreten  oder  Nicht- 
eintreten des  (entscheidenden)  Tatbeslandes  herbeifahre,  während 
sidi  bei  der  Weite  die  Interessenten  passiv  verhalten".  Wenn 
ich  mit  jemandem  wettCj  dass  unser  Freund  X.  noch  nicht 
30  Jahre  alt  ist,  oder  dass  Taine  mit  Vornamen  Hippolyte 
heisst,  so  kann  weder  er  noch  ich  etwas  tun,  um  das  ihm 
oder  mir  genehme  Resultat  herbeizuführen.  Es  ist  eben  nur 
die  längst  vorhandene  Tatsache  festzustellen;  durch  wen  dies  ge- 
schieht, ist  völlig  gleichgültig.    Man  darf  deshalb  durchaus  nicht 

Archiv  föt  Kulmrcnchichte.    I.  1 


I 


2  R.  M.  Meyer. 

etwa  behaupten,  in  der  auf  die  Ermittelung  des  Tatbestandes  ge- 
rJclileten  Bemühung  stecke  die  Betätigung  am  Kampfe;  denn  diese 
(Qbrigens  meist  minimaJe)  Anstrengung  dient  der  Ermittelung  des 
Siegers,  nicht  der  Herbeiführung  des  Sieges.  In  Wirklichkeit  ist 
die  Feststellungswelte  in  dem  Augenblick,  da  sie  geschlossen  wird, 
bereits  entschieden. 

Aber  auch  bei  der  atidem  Omppe  von  Wetten,  die  man 
Erwartungswetten  nennen  könnte,  gilt  im  allgemeinen  die  Be- 
mühung um  den  Sieg  als  unzulässig.  Wenn  ich  mit  jemanden 
wette,  die  Verlobung  zwischen  Herrn  A.  und  Frt.  B.  werde  wieder 
auseinandergehen,  so  wird  es  nicht  als  fair  gelten,  wenn  ich  selbst 
die  Brautleute  auseinander  zu  bringen  versuche.  Und  zwar 
handelt  es  sich  hier  nur  um  die  Wettnioral,  nicht  um  die  all- 
gemeine. Formuliere  ich  die  Wette  anders,  so  ändert  sich  die 
Wettmoral  ebenfalls.  Ich  brauche  nur  zu  sagen:  in  14  Tagen 
werde  ich  die  beiden  auseinander  bringen,  um  nach  dem  Rechte 
der  allgemeinen  Wettanschauung  sogar  moralisch  recht  bedenkliche 
Mittel  zur  Anwendung  bringen  zu  dürfen.  In  diesem  letzteren 
Falle  liegt  nun  also  doch  eine  wirkliche  Bemühung  um  den  Sieg 
vor.  Ich  muss  die  beiden  Leutchen  studieren,  Mittel  ersinnen, 
immer  auf  der  Wacht  sein,  um  mit  meiner  Wette  recht  zu  be- 
halten. Hier  haben  wir  also  wirklich  eine  Art  Krieg,  sogar  in 
Fallen  wie  dem  angeführten  mit  der  dem  Krieg  eigentümlichen 
Verschiebung  der  Moralbegriffe  zu  gunsten  des  Endzwecks.  Doch 
ist  diese  Untergruppe  der  Erwartungswetten  wohl  in  der  Praxis 
erheblich  kleiner  als  die  der  reinen  Erwartiingswetten;  man 
könnte  sie  von  diesen  als  Herbeiführungswetten  unterscheiden. 

Indessen  gebe  ich  durchaus  zu,  erstens,  dass  dieser  Gesichts- 
punkt  nicht  so  durchgreifend  ist,  wie  die  weiterhin  anzuführenden 
und  zweitens,  dass  er  es  ursprünglich  in  noch  geringerem  Grade 
war.  Ich  bezweifle  gamicht,  dass  das  leidenschaftliche,  ungebSmdigte 
Naturell  früherer  Zeilen  einen  passiven  Wettkampf  gamicht  ertrug. 
Ganz  gewiss  wird  man  sich  damals  in  jeder  Hinsicht  bemüht 
haben,  irgendwie  das  als  Wettziel  gesetzte  Ergebnis  auch  tat- 
sächlich zu  erreichen.  Man  muss  ja  auch  bedenken,  dass  in  den 
weitaus  meisten  Fällen  die  Wette  selbst  heule  noch  vorzugsweise 
Dinge   betrifft,   die   für  die  Beteiligten   an   sich  ein  praktisches 


Die  Wette. 


■ 
I 


Interesse  haben.  Ob  Regen  fallen  wird  oder  nicht,  das  wird  bei 
den  Bauern  oder  doch  mindestens  denen,  die  eine  Landpartie 
machen  wollen,  zum  Gegenstand  einer  Welle  gemacht  und  so 
li^  es  den  Wetter- Wettern  (wenn  man  nns  die  scherzhafte  Wort- 
bildung durchgehen  lassen  will)  nahe,  so  gut  sie  es  eben  können, 
für  gutes  Wetter  zu  wirken,  da  sie  nicht  nur  die  Welle  gewinnen, 
sondern  auch  eine  gute  Ernte  heimbringen  oder  trocken  nach 
Hause  kommen  wollen.  Nur  eben  —  sie  können  nicht  viel  da- 
für tun,  und  so  müssen  sie  doch  grossenteils  zusehen,  was  wird. 

In  der  Gegenwart  ist  die  Wetle  nun  grossenteils,  besonders 
bei  den  angelsächsischen  Rassen  und  in  bestimmten  Kreisen,  ein 
Gegenstand  des  blossen  Sports  geworden,  bei  dem  die  Unfähig- 
keit, vor  dem  entscheidenden  Termin  irgend  etwas  zur  Entschei- 
dung beizutragen,  als  ein  pikantes,  den  Reiz  steigerndes  Moment 
tbre  selbständige  Bedeutung  hat  Die  Tendenz  gehl  also  dahin, 
die  blossen  Feststell ungs-  und  Erwartungswetten  Über  die  Herbei- 
führungswetten siegen  zu  lassen.  Aber  ich  wiederhole,  wir  dürfen 
In  diesem  Punkte  nicht  ausschliesslich  nach  der  Gegenwart  rechnen. 

Viel  durchgreifender  ist  schon  eine  zweite  Eigenart  der  Wette. 
Die  Wette  hat,  wie  schon  gesagt,  ihre  etymoEogische  Grund- 
bedeutung in  dem  Begriff  »Kampf".  Aber  nicht  nur  bei  den 
Ocrmancn  hatt  sie  statt  dessen  sehr  früh  eine  andre  Hauptbedeutung 
entwickelt,  nämlich  die  vom  Pfand,  Pfandsetzung  und  dergleichen, 
denn  die  Wette  ist  ein  Kampf,  der  durch  die  eigentümliche  Art 
dieser  Vorbereitung  ganz  besonders  charakterisiert  wird.  Sie  ist 
nämlich  ein  Wettkampf  mit  gleichen  Einsätzen.  Das  ist 
zwar  wieder  nicht  ausnahmslos  der  Fall:  Es  kommt  wohl  vor, 
dass  jemand,  der  seiner  Sache  ganz  besonders  sicher  zu  sein  glaubt, 
eins  gegen  sieben  wettet.  Aber  erstens  kommt  solche  Ausnahme 
bei  jedem  Spiel  vor;  auch  das  Schach  bleibt  ein  Spiet  von  zwölf 
gegen  zwölf  Figuren,  mag  auch  einmal  ein  gewiegter  Spieler 
einem  Anfänger  ein  paar  Figuren  vorgeben.  Und  zweitens  ge- 
hört oft  genug  diese  Ausnahme  schon  eigentlich  zu  den  Ent- 
artungen der  Wette,  wo  sie  in  die  wilde  Spekulation  oder  in  die 
gewinnsüchtige  Berechnung  übergeht  Die  eigentliche  Wette  aber 
ist  durchaus  basiert  auf  zwei  völlig  gleiche  Einsätze  zweier  Parteien. 
Am   deutlichsten    kommt  das  ja  noch   heule  bei    den   feierlich 

l" 


I 


4  R.  M.  Meyer. 

stipiilierten  Wetten  zur  Anschauung,  wo  eben  die  beiden  Parteien 
auch  tatsächlich  einen  und  denselben  Geldbetrag  deponieren.  — 
Eine  solche  Gleichheit  der  Einsalze  ist  nun  aber  sonst  dem  Kampfe 
völlig  fremd,  ja  man  kann  geradezu  sagen,  es  sei  die  Aufgabe  des 
Kampfes;  darzutun,  welche  Partei  den  höheren  Einsatz  ins  Spiel 
gebracht  habe.  Wenn  zwei  Völker  mit  einander  kämpfen,  so 
denken  sie  nicht  daran,  Ihre  Waffen  irgendwie  auf  das  gleiche 
Niveau  zu  bringen;  gerade  im  Gegenteil,  ein  jedes  suchte  seinen 
Einsatz  an  Mannschaften,  Tüchtigkeit  der  Führer,  Tapferkeit  der 
Soldaten,  Gunst  der  Umstände  möglichst  weit  über  die  ent- 
sprechenden Einsätze  der  Gegner  zu  steigern.  Wenn  ein  paar 
Pferde  Wettlaufen,  so  sorgt  man  mit  Eifer  dafür,  dass  alJes,  was 
durch  die  körperliche  Verschiedenheit  der  Jockeys  die  Verschieden- 
heit der  Pferde  etwa  ausgleichen  könnte,  beseitigt  wird.  Es  soll 
eben  der  verschiedene  Einsatz  an  Fähigkeit  des  schnellen  Laufens, 
den  die  Rennpferde  mit  sich  bringen,  so  rein  wie  irgend  möglich 
zum  Ausdruck  und  zum  Auslrag  kommen.  Etwas  anders  steht  es 
ja  allerdings  beim  Zweikampf.  Hier  werden  eine  Anzahl  von  Be- 
dingungen getroffen,  durch  die  scheinbar  der  Einsatz  der  beiden 
Beteiligten  ausgeglichen  werden  soll.  Aber  auch  nur  scheinbar. 
In  Wirklichkeit  wird  auch  hier  Sonne  und  Schatten  möglichst 
gleichmässig  verteilt,  damit  die  verschiedenen  Fähigkeilen  der 
Duellanten  ganz  klar  zum  Vorschein  kommen.  Sonst  hätte  ja  die 
Idee  des  Gottesgerichts  überhaupt  niemals  aufkommen  können. 

Bei  der  Wette  ist  aber  der  gleiche  Einsatz  die  wesentlichste 
aller  Spielregeln.  Es  hat  ja  keiner  der  Beteiligten  irgendwie 
nähere  Beziehungen  zu  dem  Faktor,  der  eigentlich  den  Sieg  be- 
stimmt, also  z.  B.  zu  dem  Wetter.  Der  eine  wie  der  andere  be- 
teiligt sich  eben,  zumal  bei  der  passiven  Wette,  lediglich  und  aus- 
schliesslich dadurch,  dass  er  ebenso  viel  wie  sein  Gegner  deponiert. 
Kraft,  Scharfsinn,  Übung  der  Wettenden  kommen  also  garnicht 
in  Frage;  diese  naturgemäss  individuell  verschiedenen  Faktoren 
scheiden  aus  und  lassen  lediglich  den  genau  zu  bestimmenden 
identischen  Einsatz  übrig.  Die  Wettenden  bezahlen  also  eigentlich 
nur  die  Zulassung  zu  einem  ohne  ihr  Zutun  sich  abspielenden 
Kampfe,  und  zwar  die  Zulassung  zu  denselben  Plätzen  und  Be- 
dingungen. 


Die  Weite.  5 

Hier  erinnern  wir  uns  nun,  bei  welchen  Gelegenheiten  eine 
derartige  Deposilion  ihre  Hauptrolle  spielte.  Noch  heute  ist  in 
vielen  Fällen  ein  gerichtliches  Depot  erforderiich,  um  bestimmte 
Leistungen  unter  eine  sichere  Bürgschaft  zu  stellen,  und  in  der- 
selben  Weise  haben  ältere  Zeilen  das  lebendige  Pfand,  die  Geisse!, 
als  Einsatz  für  eine  zu  erftillende  Bedingung  verlangt.  Die  beiden, 
die  eine  Wette  eingehen,  verpflichten  sich  gewissermassen  nicht 
nur  gegenseitig,  sondern  auch  vor  einer  höheren  dritten  Macht, 
sie  stellen  dieser  Bürgschaft  für  die  Erfülhmg  einer  zukünftigen 
Leistung.  Und  dass  diese  zukünftige  Leistung  tatsächlich  mit  dem 
Einsatz  oder  der  Bfirgscliaft  zusammenräMI,  ist  eben  nur  wieder 
eine  interessante  Einzelerscheinung  dieses  an  solchen  Dingen  so 
reichen  Problems. 

Wir  sind  damit  schon  an  einem  dritten  wichtigen  Merkmal 
der  Wette  angekommen.  Die  Passivität  deutele  schon  stark  darauf 
hin,  der  gemeinsciiaftliche  Einsatz  lut  das  Gleiche.  Es  ist  nämlich 
eine  dritte  Eigentümlichkeit  der  Wette,  dass  ihr  Ausgang  nicht 
von  den  Kämpfenden  selbst  abhängt,  sondern  dass  er  von  einer 
dritten  höheren  Instanz  bestimmt  wird.  In  vielen  Fällen  ist 
dieser  Schiedsrichter  freilich  so  unpersönlich  wie  irgend  möglich. 
Bei  den  Festslellungswetten  hat  eben  lediglich  die  Tatsächlichkeit 
selbst  über  den  Ausgang  der  Wette  zu  entscheiden.  Man  mag, 
wenn  man  will,  sagen,  dass  die  angerufene  entsdieidende  Instanz 
hier  bereits  früher  gesprochen  habe;  in  Wirklichkeit  wäre  das 
doch  nur  ein  Sophisma,  und  wir  müssen  wiederholen:  es  ist  eben 
in  diesen  Fällen  einfach  die  Wirklichkeit  selbst,  die  dem  einen 
oder  anderen  der  beiden  Ringer  Recht  gibt.  Es  hängt  weder 
von  dem  einen  noch  von  dem  anderen  ab,  ob  die  Schlacht  bei 
Kollin  in  diesem  oder  in  jenem  Jahre  geschlagen  worden  ist  Noch 
deutlicher  tritt  bei  den  Erwarlungswetten  dies  wichtige  Moment 
hervor.  Es  ist  eben  der  Gott,  der  über  Sonne  und  Wetter  bestimmt, 
von  dem   es  abhängt,   ob  morgen  Regen  fallen  wird  oder  nicht 

Abermals  müssen  wir  hier  an  merkwürdige  Analogien  aus 
scheinbar  weitab  liegenden  Gebieten  erinnern.  Das  Gelübde 
ruft  uns  die  beiden  zuletzt  besprochenen  Eigentümlichkeiten  ins 
Oedichtnis.  Das  Gelübde  ist  gewissem! assen  eine  «einseitige 
Wette*  —  wenn  eben  nicht  dieser  Ausdruck  einen  Widerspruch 


1 


6  R.  M.  Meyer. 

in  sich  selbst  bilden  würde.  Es  isl  eine  Wette,  bei  der  der 
andere  Partner  stillschweigend  zur  Einwilligung  aufgefordert  wird. 
Bei  dem  Gelübde  ist  nun  irgend  ein  besUmmter  Einsatz  die  selbst- 
verständliche Voraussetzung.  Und  nun  beachte  man  wohlj  dass 
mindestens  ursprünglich  dieser  Einsalz,  den  der  gelobende  Teil 
tatsächlich  einz^lt  oder  einzahlen  will,  gleich  ist  mit  demjenigen, 
der  von  dem  stillschweigenden  Teilnehmer  cre-artet  wird.  Noch 
heute  sieht  man  ja  die  katholischen  Kirchen  voll  von  Votiv- 
geschenken,  in  denen  symbolisch  irgend  ein  krankes  Glied  als 
Gegengabe  für  seine  Heilung  dargebracht  wurde.  Also:  Der 
fromme  Beter  verspricht  etwa  dem  Heiligen,  der  ihm  sein  krankes 
Bein  wiederherstellen  will,  dafür  ein  anderes  Bein  in  der  Form 
eines  silbernen  oder  wächsernen  Votivgeschenkes,  das  doch  eben 
selbst  ein  Bein  darstellt  und  vorsteilt.  Eine  der  beliebtesten 
Votivgaben  ist  ein  grosses  geschmücktes  Licht  —  seit  urältester 
Zeit  her  ein  Symbol  für  das  Leben  selbst  von  der  Meleager-Sage 
her  bis  zu  den  Lebenslichtchen  auf  dem  Geburtstagstische  unserer 
Kinder.  Im  Augenblick  des  Gelübdes  steht  also  die  Sache  so, 
dass  der  eine  Teil,  nämlich  der  Beter,  einen  bestimmten  Einsatz, 
wenigstens  in  Gedanken,  deponiert,  indem  er  sich  etwa  verpflichte!, 
im  Falle  seiner  Rettung  aus  g:efährlicher  Schiffahrt  ein  Lebenslicht 
diesem  oder  jenem  Heiligen  darzubringen,  und  er  dabei  voraus- 
sebrt,  dass  der  Wundertäter  seinerseits  nun  auf  die  Wette  ein- 
geht und  gewissermassen  das  Leben  des  Beters  seinerseits  als 
Gegengabe  ins  Spiel  bringt.  Gewinnt  der  Betende  die  Wette,  so 
hat  freilich  doch  er  selbst  zu  zahlen;  aber  er  weiss  wohl,  dass  er 
dennoch  der  Gewinnende  ist. 

Während  die  vorher  genannten  Eigentümlichkeiten  der  Wehe 
sich  wohl  leicht  dem  Beschauer  darstellen,  ist  auf  eine  vierte 
Eigentümlichkeil  wohl  noch  kaum  geachtet  worden.  Die  Wette 
ist  nämlich  fast  immer  ein  Messen  geistiger  Kräfte.  Bei  den 
Feststellungswetten  handelt  es  sich  ja  deutlich  um  ein  Vergleichen 
des  Wissens:  ob  der  oder  jener  genauer  bestimuTte  Jahreszahlen 
oder  die  Farbe  des  Haares  einer  bestimmten  Persönlichkeit  oder 
was  sonst  immer  von  dieser  Art  sein  kann,  im  Gedächtnisse  be- 
sitzt. Bei  den  Erwartungswetten  handelt  es  sich  um  ein  Prüfen 
der   Beurleilungskraft:   welcher  der   beiden   Wettenden  aus  ge- 


Die  Wette. 


wissen,  immerhin  unsicheren  Anzeichen  zuverlässiger  elwa  das 
Wetter  des  morgigen  Tages  zu  prophezeien  imstande  ist  Aber 
eine  derartige  Vergleichung  der  Urteilskraft  findet  talsächlich  selbst 
in  denjenigen  Wetten  statt,  in  denen,  rein  äusserlidi  betrachtet, 
ein  Messen  materieller  Kräfte  vorzuliegen  scheint.  Nehmen  wir 
die  allcrmatcriellslen:  jene  greulichen  Kress-  und  Saufwetten.  Wenn 
zwei  bayrische  Bauern  miteinander  die  Wette  eingehen,  wer  von 
ihnen  hintereinander  die  grössere  Zahl  von  Knödeln,  vertilgen 
kann,  so  scheint  es  freilich  von  vornherein  paradox,  hierbei  von 
einem  Messen  geistiger  Kräfte  reden  zu  wollen.  In  Wirklichkeit 
liegt  doch  nichts  anderes  vor  als  die  Frage,  welcher  von  den 
beiden  die  Kapazität  seines  eigenen  Bauches  richtiger  geschätzt 
hat,  und  es  wird  also  audt  hier  eine  Präge  der  Beurteilungskraft 
und  nicht  eine  Frage  der  rein  praJttischen  Leistungsfähigkeit  ent- 
schieden. Natürlich  hängt  dieser  Punkt  mit  anderen  eng  zusammen ; 
vor  allem  mit  jener  Tendenz  zur  Passivität,  aber  auch  —  wie  wir 
noch  genauer  sehen  werden  —  mit  jenem  Anhängigmachen  des 
Prozesses  vor  einer  entscheidenden  dritten  MachL 

Ohne  weiteres  ist  dagegen  die  fünfte  und  letzte  Eigentüm- 
lichkeit der  Wette  klar;  die  Wette  ist  ein  Kampf  auf  gegen- 
seitige Verabredung.  Dies  ist  die  selbstverständliche  und  un- 
umgängliche Voraussclziing  einer  jeden  Wette.  Eben  dadurch 
unterscheidet  sich  das  Gelübde  als  «einseilige  Wette"  von  der 
wirklichen  Wette,  dass  hier  die  Verabredung  keine  vollständige 
ist,  sondern  dass  der  eine  Teil  nur  als  einverstanden  vorauszusetzen 
ist  Bei  der  wirklichen  Wette  ist  nichts  notwendiger,  als  dass  die 
beiden  Teile  darüber  übereinkommen,  einen  bestimmten  Einsatz, 
eine  bestimmte  Aufgabe  und  einen  bestimmten  Termin  zu  ver- 
einbaren. Gelingt  dies  nicht,  so  ist  eben  keine  Wette  vorhanden. 
(>?ii.'nn  etwa  ausgemacht  wird,  dass  der  Preis  der  Wette  im  Be- 
lieben des  einen  Teiles  steht,  so  ändert  das  natürlich  nichts  in  der 
Natur  der  gegenseitigen  Verabredung).  Nun  ist  nichts  von  der 
Natur  des  gewöhnlichen  Kampfes  weiter  entfernt  als  eine  derartige 
Verabredung.  Wenn  zwei  Völker  auf  einander  losschlagen  wollen, 
so  werden  sie  sich  natürlich  wohl  hüten,  die  Bedingungen^  unter 
denen  sie  sich  bekämpfen,  oder  gar  den  Termin,  an  dem  der 
Kampf  eröffnet  und  geschlossen  werden  soll,  mit  einander  auszu- 


L 


8  R.  M.  M<yer. 

machen.  Allerdings  gibt  es  gewisse  Formen  des  Kampfes,  in 
denen  die  Verabredung  erscheint.  Vor  allem  gehört  dazu  der 
Zweikampf;  aber  auch  alle  Formen  des  eigenüichen  Wettkampfes 
(den  ja  schon  dieser  Ausdruck  der  Wette  annähert)  gehören  hier- 
her. In  solchen  Fällen  also  liegt  tatsächlich  eine  Verabredung 
der  beiden  Kämpfenden  vor,  und  doch  ist  die  Verabredung  von 
anderer  Art  als  bei  der  Wette.  Denn  bei  der  Wette  sind  es  eben 
die  Teilnehmer  selbst,  die  die  Verabredung  treffen,  während  bei 
den  Wettkämpfen  von  dritter  Seite  her  Bestimmungen  getroffen 
werden,  die  für  die  Ausfechlenden  geltend  sind. 

Rekapitulieren  wir  noch  einmal  die  fünf  Punkte,  die  wir  für 
die  Wette  als  eine  besondere  Art  des  Kampfes  charakteristisch  ge- 
funden haben.    Danach  ist  die  Wette 

1.  ein  Kampf,  der  eine  vorwiegende  Tendenz  zur  Passivität 
der  Teilnehmer  hat, 

2.  der  vor2ugs*'eisc  mit  geistigen  Waffen  ausgefochten  und 
dessen  Ausgang 

3.  von  einem  ausserhalb  des  Kampfes  stehenden  Dritten 
bestimmt  wird, 

4.  der  auf  Verabredung  und 

5.  mit  genau  gleichen  Einsätzen  der  beiden  Beteiligten  er- 
öffnet wird. 

Es  fragt  sich  nun:  Ist  auf  irgend  eine  Weise  für  diese  fünf 
charakteristischen  Eigentümlichkeiten  der  Wette  eine  gemein- 
schaftliche Ursache  zu  finden? 

Ich  glaube^  ja.  Icli  glaube,  wir  haben  die  Wette  als  eine 
der  ursprünglichsten  Formen  des  Kampfes  und  des  Spieles  zu- 
gleich aufzufassen,  und  wir  haben  manche  ihrer  Eigentümlich- 
keiten auf  ihr  hohes  Alter  und  ihre  Ursprünglichkeit  zurückzu- 
führen. Die  Wette,  scheint  mir,  ist  eine  Urform  des  Kampfes 
aus  einer  Zeit,  in  der  noch  die  Anschauung  herrschte,  dass  der 
Mensch  sich  selbst  gewissemiassen  in  mehrere  Wesen  zerspalten 
kann,  und  ihre  Uranschauung,  um  es  gleich  kurz  auszusprechen, 
beruht  meiner  Meinung  nach  darauf,  dass  nach  der  primitiven 
Idee  bei  der  Wette  nicht  eigentlich  die  beiden  Wettenden,  sondern, 
abgelöst  von  ihnen,  ihre  Geisteskräfte  einen  Kampf  mit  einander 
eingehen.    Wir  werden  darzutun  versuchen ,  wie  das  näher  zu 


* 


Die  Wette. 


verstehen  ist  und  inwiefern  wir  auf  diese  Hypothese  die  charakte- 
ristische Eigenheit  der  Wette  zu  basieren  versuchen. 

Wir  sprcclien  zunächst  davon,  wie  sehr  die  Wette  etwas 
Ursprüngliches,  ja  in  vielfachem  Sinne  etwas  unseren  modernen 
Kulturanschauungen  Zuwiderlaufendes  ist  Ein  Kampf  mit 
Passivität;  ein  Kampf,  dessen  Entscheidung  nicht  von  den  Kämpfern 
abhängt  (las  sind  Dinge,  die  uns  zunächst  befremdlich  anmuten 
und  vielleicht  nur  deshalb,  weil  die  Wette  trot^  ihrer  Ursprüng- 
lichkeit noch  in  so  hoher  Btüte  unter  uns  besteht,  uns  weniger 
auffällig  erscheint,  als  eigentlich  der  Faäl  sein  mösste. 

Nun  ist  aber  bereits  unter  den  Kindern  nichts  häufiger  und 
beliebter  als  der  geistige  Wettkampf.  Carl  Qroos  hat  in  seinem 
vortrefflichen  Werk  über  die  Spiele  der  Menschen  S-  254  ff.  aus- 
führlich über  diese  Neigung  schon  der  Kinder  gehandelt.  „Schon 
ehe  das  Kind  in  die  Schule  geht,  kann  man  beobachten  j  dass  es 
etwa  im  Zählen  mit  einem  anderen  wetteifert;  sobald  der  Kamerad 
fertig  ist,  ruft  es  aus:  Das  kann  ich  auch!  und  beg:innt  die 
Zahlenreihe  in  ergötzlicher  Weise  durcheinander  zu  werfen.  Die 
beste  Gelegenheit  zum  wetteifernden  Lernen  bietet  aber  natürlich 
die  Schule."  Was  den  Kindern  bei  derartigen  geistigen  Wett- 
kämpfen  vor  allem  Freude  macht,  ist  wohl  etwas,  das  auch  sonst, 
z-  B.  bei  der  Auswahl  des  Spielzeugs,  eine  so  sehr  grosse  Rolle 
spielt:  die  Freude  am  Automatischen.  Das  Kind  fühlt  sich  ge- 
wissermassen  selbst  als  ein  Automat,  und  sobald  es  aufgezogen 
ist,  spielt  es  gleichsam  ab,  was  es  von  dem  anderen  gehört  hat 
Es  ist  ein  ähnliches  Vergnügen,  wie  das  im  Grunde  genommen 
doch  auch  recht  kindliche  an  einem  Echo. 

Aber  auch  bei  den  Naturvölkern  finden  wir  die  Wette, 
und  zwar  in  der  speziellen  Form  des  geistigen  Wettkarapfes,  in 
grosser  Ausdehnung.  Sie  haben^  wie  Vierkandt  (Naturvölker  und 
Kulturvölker  S.  128)  sich  ausdrückt,  »das  Bedürfnis,  einen  an 
aller  Bildung  verarmten  Geist  wenigstens  spielend  zu  beschäftigen". 
Wie  tun  sie  das?  Vor  allem  ähnlich  wie  die  Kinder  durch 
Wettfragen.  Schon  Groos  (a.  a.  O.  S.  256)  stellt  derartige  Ver- 
standeskünstc  der  alten  Skandinavier  mit  den  geistigen  Wettkämpfen 
der  Kinder  zusammen.  Sie  spielen  allerdings  gerade  in  der  alt- 
nordischen Poesie  eine  auffallend  grosse,  oft  beachtete  Rolle.  Wir 


10  R.  M.  Meyer. 

haben  eine  ganze  Reihe  von  Gedichten,  in  denen  sich  zwei 
Wesen  mit  einander  messen  und  in  denen,  wie  bei  dem  Kampf 
zwischen  Apollo  ;md  Marsyas,  jeder  seinen  Kopf  zum  Pfände 
einsetzt.  Ein  charakteristisches  Beispiel  ist  das  Gedicht  Alvissma'l. 
Hier  kommt  der  Gott  Thor  zu  einem  Zwerg,  und  dessen  an- 
massUches  Begehren,  eine  Oöttertochter  zu  freien^  wird  zum  Aus- 
gangspunkt genommen  für  ein  pedantisches  Examen  über  allerlei 
krause  Ausdrücke  der  alten  Skaldensprache,  wobei  Alvjss,  der  sich 
mit  UnriCcht  den  Allwissenden  genannt  hat,  unterlieg!  und  mit 
seinem  Kopfe  bCissL  Solche  poetischen  Turniere  kommen  bei 
verhältnismässig  wenig  zivilisierten  Völkern  aber  überall  vor; 
Diercfa  hat  in  einer  kleinen  Schrift  über  poetische  Turniere  eine 
leicht  zu  vermehrende  Sammlung  von  Beispielen  dafür  gegeben. 
Eine  Hauptfonm  ist  diejenige,  die  wir  wieder  im  nordischen 
Altertum  In  geradezu  typischer  Weise  ausgeprägt  finden.  Es  ist 
das  Aufzählen  und  Abfragen  von  Fertigkeiten  (vgl.  Weitiholä, 
Altnordisches  Leben,  S.  463).  Zwei  wetten  etwa  mit  einander, 
wer  mehr  interessante  Dinge,  grosse  Talen  oder  auch  einfach  ge- 
sellschaftliche Talente  aufzählen  könne.  So  z.  B.  in  jenem 
charakteristischen  altnordischen  Gedicht  «Harbards  Lied",  in  dem 
zwei  grosse  Götter  -  atlerdings  ohne  feste  Verabredung  des 
Ausganges  —  sich  gegenseitig  in  Grund  und  Boden  zu  prahlen 
versuchen.  Wie  wichtig  diese  Kenntnis  ist,  das  zeigt  ein  Spruch 
des  grossen  eddisdien  Lehrgedichtes,  wo  es  heisst,  als  der  Spiel- 
niann  die  Sprüche  aufzählt,  durch  deren  Besitz  er  ein  mächtiger 
Mann  sein  will: 

■  Einen  vierzehnten  kenn  ich,  wenn  dem  Volke  der  Menschen 

Ich  die  Himmlischen  herzählen  soll; 

Die  Äsen  und  Eiben  kenn'  ich  all', 

Nur  ein  Weiser  weiss  das  so  gut" 

(Edda,  übersetzt  von  Gering,  S.  lOT,  Strophe  158), 
vobei  noch  besonders  darauf  aufmerksam  zu  machen  ist,  da$s 
der  Spruchdichter  schon  durch  das  Zahlen  seiner  Sprüche  selbst 
gewissermassen  zu  einem  solchen  geistigen  Wcltkampf  heraus- 
fordert Es  könnte  ihm  jeden  Augenblick  ein  anderer  gegcnüber- 
trelen,  der  ihn  dadurch  beschämt,  dass  er  eine  grössere  Anzahl 
derartiger  Weisheilsbüchsen  m  seinem  Vorrat  hat    Und  wie  hier 


Die  Wett«. 


11 


bei  den  alten  Oermanenj  so  treffen  wir  die  gleichen  Neigungen 
z.  B.  bei  den  alten  Indem,  wie  Zimmer  (Altindisches  Leben,  S.  173) 
sicherlich  mit  gutetn  Grunde  vermutet  Dass  man  sich  jener 
älteren  Anschauung  bewusst  blieb,  wonach  eigentlich  nicht  die 
Kämpfenden  selbst,  sondern  gevisserniassen  die  ihnen  inne- 
wohnenden Kräfte  miteinander  ringen,  dafür  zeugt  z.  B.  jener 
merkwflrdige  Mythus  von  Thors  Fahrt  zu  UtgardaloVi,  wobei 
Thor  mit  dem  Alter  ringt  und  sein  Begleiter  mit  dem  Gedanken 
um  die  Weite  läuft  (Wcinhoiä  a.  a.  O.  S.  305). 

Wenn  nun  aber  in  diesen  Fällen  der  geistige  Weltkampf 
klar  in  seiner  primitiven  Form  vor  Augen  liegt^  so  begegnet  man 
doch  in  noch  weiterem  Umfange  von  friihester  Zeit  her  seiner 
Verkleidung.  Nichts  anderes  als  ein  verkleideter  geistiger 
Wettkampf  ist  das  Glücksspiel,  vor  altem  in  seiner  am  meisten 
bezeichnenden  und  am  meisten  verbreiteten  Form:  das  WürfeU 
spiel.  Welche  ungeheure  Ausdehnung  diese  Leidenschaft  bei  den 
typischen  Urindogermanen  hatte,  das  ist  fOr  die  Inder  wie  für  die 
Germanen  ausreichend  bezeugt.  (Vgl.  für  die  erstcren  Zimmer 
a.  a.  O.,  S.  283  ff.,  für  die  Germanen  den  berühmten  Bericht  des 

Was  ist  nun  aber  ein  Würfelspiel? 

Zwei  sitzen  einander  gegenüber  und  kämpfen  mit  einander; 
und  doch  kämpfen  nicht  sie,  sondern  sie  lassen  kämpfen.  Sie 
haben  eine  bestimmte  Anzahl  von  Dienern,  die  durch  irgend 
welches  äussere  Zeichen  als  verschieden  an  Kraft  und  Stärke  ge- 
kennzeichnet sind.  Je  zwei  von  diesen  Dienern  ringen  mit  ein- 
ander, wenn  A  und  B  den  Würielbecher  leeren.  Ist  für  A  der 
Diener,  der  etwa  drei  Kräfte  besitzt,  eingetreten,  für  Fi  derjenige, 
der  fünf  Kräfte  hat,  so  hat  B  gewonnen,  weil  eben  sein  Diener 
der  Stärkcrc  war.  (Die  ganze  mythische  Vorstellung  von  Fünl- 
männerkräflen  u.  dgl.  könnte  von  den  Würfeln  herstammen!) 
Das  ist  also  ganz  dasselbe  Verfahren,  wie  wenn  in  mannigfaclien 
Sagen  und  wohl  auch  wirklich  in  der  Gesclnchte  der  Kampf 
zweier  Völker  durch  einen  Zweikampf  zwder  Vertreter  ent- 
schieden wird  oder  wenn  ein  Prozess  im  germanischen  wie  im 
allgnechischen  Rechte  durch  die  Zahl  der  Eideslielfcr  der  Prozess- 
Ehrenden   ausgemacht  wird.     Und   so   werden  denn  aucli  die 


12  R.  M.  Meyer. 

Würfel  ganz  direkl  als  derartige  Diener  und  selbständige  Kämpfer 
aufgefasst, 

In  dem  berühmJen  Spielerliede  des  Veda  heisst  es; 
«Es  tummelt  sich  die  Schar  der  Drei  und  fünfzig 
Mit  strenger  Regel,  um  Savilars  Schelten, 
Um  Zom  der  Grossen  sind  sie  unbekümmert, 
Sogar  ein  König  muss  sich  ihnen  beugen. 
Sie  rollen  nieder,  hüpfen  in  die  Höhe, 
Und  ohne  Hände  zwingen  sie  die  Fäuste. 
Die  zauberEiaflen  Kohlen  auf  dem  Plane 
Versengen  jedes  Herz,  obwohl  sie  tot  sind." 
(70  Lieder  des  Rigveda,  übersetzt  von  Qeldner  und  Kaegi, 
S.  159,  Strophe  8). 
Der  Kampf  mit  den  Würfeln  lässt  gewissennassen  ausser, 
licti  anschaulich  werden,  was  sich  sonst  bei  dem  geistigen  Wett- 
katnpf,  der  Weite,  unsichtbar  vollzieht.    Stall  der  Gedanken  oder 
der  Beurteilungskraftj  die  von  A  und  von  B  ausgeschickt  werden, 
werden   hier   ganz  greifbar  die  Würfel  mit  ihren  wechselnden 
Zahlen  oder  irgend  ein  ähnliches  Mittel  auf  den  Tisch  geschüttet 
Und  dabei  ist  noch  an  etwas  anderes  zu  erinnern ,   nämlich  an 
die  grosse  Ähnlichkeit   des   rein  passionsmässigen  Würfeins  mit 
dem  frommen  Loosen.  Die  Art,  wie  die  alten  Germanen  Stäbchen 
auf   ein   Tuch   schütten   und   danach    dann   einen  Götterspruch 
herauslesen,    ist   nicht  nur  für  unsere  Augen   ein   Glücksspiel, 
sondern  hat  auch  innerlich  die  allcrintimsten  Beziehungen  zu  dem 
allerweltliclisten  Würfelspiel,   wie  es  nur  irgend    leidenschaftliche 
Spieler  ausüben  können. 

Die  ursprüngliche  Anschauung  bei  der  Wette  scheint  uns 
also  diejenige  gewesen  zu  sein,  dass  Zwei  gewissermassen  ihre 
Geisler  zum  Kampfe  mit  einander  herausfordern.  Sie  selber 
sitzen  dabei  und  sehen  zu,  wie  die  beiden  Kampfhähne  mit  ein- 
ander fertig  werden.  Ganz  gewiss  werden  sie  dabei  erst  all- 
mählich die  PassivHtät  lernen,  die  das  Spielj  wenn  es  recht  fair 
sein  soll,  fordert.  Sie  werden  von  vornherein  durch  allerlei 
Kunstgriffe  und  allermindestens  durch  ein  Anstacheln  des  Ehr- 
geizes jeder  seinen  Kampfhahn  zum  Siege  anzuspornen  versuchen, 
wie  noch  für  die  Gegenwart  in  höchsl  ergötzlicher  Weise  Mark 


Die  Wette. 


13 


Tvain  ein  derartiges  -Mogeln"  bei  einem  sehr  primitiven  Wettespiel 
solcher  Art  in  der  köstlichen  Humoreske  »Der  grosse  Springfrosch 
von  Callaveras  County"  geschildert  hat.  Aber  immerhin,  im 
grossen  und  ganzen  sind  sie  von  vornherein  passiv.  Ferrer: 
weil  sie  nicht  selber  kämpfen,  sondern  veil  sie  kämpfen  lassen, 
ist  eine  Verabredung  nötig,  und  diese  Verabredung  wird  nach  der 
überall  geltenden  ältesten  Rechtsanschauung  erst  giltig  durch  das, 
was  das  germanische  Recht  die  Wadiatio  nennt,  durch  die  Ein- 
setzung eines  Pfandes,  wodurch  in  äusserÜch  greifbarer  Weise 
der  Wille  der  beiden  Beteiligten  festgelegt  wird.  Und  weiter: 
weil  eben  nicht  sie  selber  känipfen^  deshalb  ist  auch  in  den  ineisten 
Fällen  nötig,  einen  Schiedsrichter  oder  Preisrichter  zu  bestellen, 
eine  dritte  Instanz,  die  den  Ausgang  des  Kampfes  entscheidet 

Von  hier  aus  fällt  denn  auch  vielleicht  einiges  Licht  auf 
einige  merkwürdige  andere  Tatsachen  der  ältesten  Kutlurgeschichte. 

Bekannt  ist,  dass  die  sogenannte  Verknechtung,  d.  h.  der 
Übergang  eines  freien  Mannes  in  den  Besitz  eines  anderen,  vor- 
zugsweise zur  Schuldentilgung  erfolgt  und  zwar  ganz  besonders 
beim  Spiel.  Als  solchen  Hauptfall  führt  O.  Schröder  (Reallexikon 
der  indogermanischen  Altertumskunde  II,  742)  mit  vollem  Rechte 
jenes  Spielerlied  des  Veda  an.  Ebenso  zieht  Kphkr  (Shakespeare 
vor  dem  Forum  der  Jurisprudenz  I,  53)  gerade  den  Bericht  des 
Tadtus  als  Beleg  für  die  ursprüngliche  Schuldknechtschaft  heran, 
und  er  sagt  weiter:  »Wenn  das  im  Spiele  vorkam,  so  wird  es 
auch  vorgekommen  sein,  wenn  es  sich  um  reale  Geschäfte  han- 
delte'. Aul  jeden  Fall  ist  also  die  Verknechtung  nach  dem  Spiel 
der  bestbezeugte  urspriinglichc  Fall  für  diese  höchst  merkwürdige 
Erscheinung  überhaupt.  Nun  wird  es  niemandem  einfallen,  hier 
eine  Parallele  zu  ziehen  mit  unseren  modernen  «Ehrenschulden", 
die  ja  auch,  wenn  auch  in  ganz  anderer  Weise,  eine  eigentümliche 
Verkneclitung  des  freien  Mannes  zu  stände  bringen  können.  Die 
wunderliche  Anschauung,  dass  die  Ehre  des  Mannes  beim  Spiel 
stärker  als  sonst  engagiert  sei,  hat  sicherlich  dem  naiveren  Ehrgefühl 
|ener  ältesten  Zeiten  gänzlich  fern  gelegen.  Ich  erinnere  weiter 
daran,  was  von  Arnim  (Orundriss  der  germanischen  Philologie, 
2.  Aufl.  III,  Seite  183)  ausführt:  „Die  älteste  Art,  wie  freie  Leute 
haftbar  gemacht  wurden,  scheint  bei  Schulden  aus  reinen  Krcdit- 


1 


14  R.  M.  Meyer. 

geschäften  eine  prandarlige,  nämlich  die  von  Tacitus er- 
wähnte Geiselschaft,  wobei  an  die  Zeit  zu  erinnern  ist,  da  der 
VeriTlügensverkehr  nicht  sowohl  unter  Individuen,  als  unter  Sippen 
sich  abspielte".  Das  ist  ja  auch  beim  Würfelspiel  der  Fall;  es 
sind  Sippen,  die  mit  einander  kämpfen,  nämlich  die  Sippen  der 
WQrfel,  und  ihre  ursprünglichen  Herren  werden  eben  zu  Geiseln 
ftir  diese  kämpfenden  Geschlechter.  „Am  Ende  hängen  wir  doch 
ab  von  Kreaturen,  die  wir  machten".  Und  nicht  andere  wird  es 
eben  da  sein,  wo  sta!t  der  Würfel  die  Gedanken  oder  die  Geistes- 
kräfte gegeneinander  kämpfen. 

Der  Prozess  ist  ja  nichts  anderes  als  eine  geregelle  Wette. 
Meusster  (Instilulionen  des  deutschen  Privatrechts  II,  S.  247)  hat 
auf  das  Fortleben  ursprünglicher  Wettbegriffe  in  geregelten  Rechts- 
verfahren nacli  drück  lieh  hingewiesen.  Und  wenn  Maine  (Ancient 
law,  8.  Ausgabe  S.  304)  sagt!  «Die  Gesellschaft  unserer  Tage  unter- 
scheidet sich  von  der  der  Vorzeit  vor  allem  durch  die  Ausdehnung, 
die  der  Kontrakt  in  ihr  gewonnen  hat,"  so  mächte  man  beinahe 
hinzusetzen,  der  Kontrakt,  der  Vertrag  habe  eben  all  denjenigen 
Raum  sich  erobert,  den  ursprünglich  die  Wette  einnahm.  Was 
sollte  CS  denn  auch  in  den  ältesten  Zeilen  für  andere  Formen 
geben,  wenn  einer  das  Gut  des  anderen  für  sich  haben  wollte? 
Es  gab  ihrer  drei:  bitten,  nehmen  und  wetten.  Das  Nehmen, 
also  alles,  was  unter  den  Begriff  des  Krieges  fällt,  ist  selbstver- 
ständlich für  die  höchst  einfachen  Rechtsgefühle  der  Naturmenschen 
die  verbreitetste  Form,  zu  dem  Gute  des  anderen  zu  kommen. 
Das  Bitten  wird  auch  nicht  wenig  kultiviert  worden  sein,  aber  ich 
habe  schon  früher  (Zur  Geschichte  des  Schenkens,  Zeilschrift  für 
Kulturgeschichte  Bd.  V.  S.  18  ff.)  auszuführen  versucht,  wie  jung 
das  eigentliche  Schenken  ist,  sodass  das  Bitten  mindestens  unter 
den  Menschen  nicht  allzu  aussichtsreich  war.  -  Götter  sind  freilich 
allezeit  angebettelt  worden.  Bleibt  somit  als  dritte  Form  das 
Wetten.  Ein  eigentliches  Kaufen  gibt  es  noch  nicht,  weil  noch 
keine  geregelte  Ordnung  der  zivilen  Rechtsgeschäfte  existiert, 
ebenso  wenig  lässt  sich  bei  der  willkürlichen  Rechtsfolge  mit  Zu- 
versicht auf  die  Erbschaft  warten,  und  somit  sucht  man  irgend  ein 
Ziel  zu  erwetten,  wo  man  nicht  kämpfen  will,  d.  h.  wo  man  sich 
auf  ein  Messen  der  rein  geistigen  Kräfte  beschränken  will.    So 


* 
* 
% 


* 


also  etwa  in  jenen  aHnordtschen  Weisheitskämpfen,  wo  li^nd  eine 
Gattin  oder  ein  Schatz  oder  auch  bloss  der  Ruhm  erwettet 
werden  soll. 

Wir  möchten  also  die  Wette  als  eine  Urform  ansehen,  die 
dem  ger^;ellcn  Prozcss  und  erst  recht  dem  ordnuiigsmässtgen 
WetUcampf  vorangehL  In  ihr  sind  allerlei  Duige  vorgebildel,  die 
sich  in  dem  Prozess  selbst  keineswegs  notwendig  hätten  ent- 
wickeln müssen.  Und  so  spricht  Branner  (Deutsche  Rechts- 
geschichte I,  S.  264,  II,  36Ö)  noch  ganz  allgemein  von  der  Wette 
im  Rechtsgang:  »Sehr  tief  ragt  noch  indenverhältnismässiggeordneten 
Recht^ang  das  hinein,  wisLeist  (Att-arischcs  Jus  Gentium  S.  4&1) 
für  die  Urform  der  Durchsetzung  eines  Rechtes  hält,  nämlich  der 
Eigenzwang  seitens  des  Berechtigten".  (Vgl.  Post:  Die 
Grundlagen  des  Rechts,  S.  346  ff.)  Von  vornherein  wäre,  wie 
gesagt,  dieser  Eigenzwang  des  Berechtigten  keineswegs  eine 
Durchgangsform,  die  man  bei  der  Entwickelung  geordneter  Rechts- 
verhältnisse postulieren  müsste.  Es  wäre  sehr  wohl  denkbar,  dass 
jede  anhängige  Rechtsfrage  ohne  weiteres  unter  den  Schutz  der 
Sippe  gestellt  würde  und  dass  demnach  jede  Forderung  schon  in 
den  ältesten  Zeiten  zur  gewaltsamen  Entscheidung  von  selten  der 
Autoritäten  geführt  hätte.  Bei  der  Wette  aber  ist  das  nicht  mög- 
lich, denn  der  Dritte,  der  etwa  noch  zugegen  ist,  hat  lediglich  zu 
entscheiden,  wer  Recht  hat.  Er  ist  keineswegs  eine  Autorität,  die 
nun  auch  die  Erfflllung  des  Spruches  durchsetzen  dürfte.  Dazu 
sind  nur  die  beiden  Beteiligten  da,  und  dem  Sieger  liegt  nun 
hier  allerdings  durchaus  die  Pflicht  ob,  selbst  sein  Recht  zu 
wahren.  Nicht  aus  Not,  sondern  aus  moralischer  Verpflichtung, 
denn  seine  Sippe  hat  gesiegt,  seine  Würfel  oder  seine  Gedanken, 
und  somit  ist  er  verpflichtctj  wie  der  Häuptling  für  seine  Mannen, 
so  für  sie  einzutreten  und  dafür  zu  sorgen,  dass  der  Einsatz  dem 
Sieger  nun  auch  tatsächlich  werde. 

An  wen  soll  er  sich  nun  aber  hallen?  Zunächst  an  den 
Einsatz;  aber  die  eine  Wette  oder  der  eine  Gang  im  Spiel  zieht 
die  nächste  Wette  und  den  nächsten  Gang  nach  sich  und  der 
Einsatz  ist  erschöpft.  »Hat  man  kein  Pfand,  so  muss  man  selber 
Pfand  sein."  (Graf  und  Dietherr,  Deutsche  Rechtssprichwörter, 
S.  237  No.  96.)    Der  Gegner,  der  jetzt  kein  Pfand  mehr  besitzt. 


^ 


16  R.  M.  Meyer. 

wird  also  selbst  zum  Pfände,  er  gehl  selbst  in  den  Besitz  des 
Oegenparts  über. 

Ich  erinnere  hier  noch  an  etwas  anderes.  Die  Wette  in 
ihrer  ältesten  und  ursprünglichsten  Art  lebt  noch  vielfach  fort  in 
den  Pfänderspielen  der  Kinderstuben  und  unserer  Gesellschaften. 
Und  auch  hier  ist  namentlich  beim  Pfänderspiel  der  Kinder  die 
Form  nicht  selten,  dass  der,  der  selbst  kein  Pfand  mehr  zu  geben 
hat,  zum  Diener  des  Siegers  wird  und  etwa  eine  bestimmte  An- 
zahl von  Verrichtungen  auf  dessen  Befehl  vollstrecken  muss.  - 

Aus  alledem  scheint  sich  eine  ebenso  interessante  wie  im 
grossen  übersichtliche  Entwickelung  zu  ergeben.  Wir  haben  für 
die  älteste  Zeit  danach  zwei  Urformen  des  fordernden  Verkehrs 
zwischen  den  Menschen:  den  Krieg  und  —  die  Wette.  Von 
diesen  ist  der  Krieg  sidierlich  die  ursprünglichere  und  die  allge- 
meinere; und  die  Wette  ist  allerdings  eine  spezielle  Urform  des 
Krieges,  aber  eben  eine  solche,  die  sich  durch  ihre  Eigenart  ganz 
wesentlich  abgezweigt  hat.  Die  Wette  ist  danach  ein  verab- 
redeter Krieg  mit  geistigen  Waffen  vor  einem  Schieds- 
richter, und  au^  dieser  Urform  bilden  sich  dann  drei  vcr- 
schiedene  Dinge  allmählich  aus: 

1.  bei  gleichem  Einsatz  die  strenge,  sozusagen  off iziellc  Wette, 

2.  bei  verschiedenem  Einsatz  der  Wetlkampf,  eine  Mittelform 
zwischen  Wette  und  Kampf. 

3.  bei  einseitigem  Einsatz  der  Prozess,  bei  dem  der  andere 
Teil  erst  gezwungen  werden  muss,  seinerseits  den  gleichen  Einsatz 
zu  deponieren,  und  das  Otlübde,  bei  dem  ein  Einsatz  nur  voraus- 
gesetzt wird. 

Lässt  sich  diese  Hypothese  halten,  so  sehen  wir  hinein  in 
eine  Zeit,  in  der  mythologische  Anschauungen  noch  das  gesamte 
Leben  der  Völker  durchdringen.  Der  einzelne  Mensch  fühlt  sich 
als  eine  Gesamtheit  von  Kräften,  oder  mindestens  er  fühlt  seine 
»Seele»  oder  seinen  «Verstand«  als  etwas,  was  in  ihm  wohnt  und 
von  ihm  bis  zu  einem  gewissen  Grade  unabhängig  ist  Man 
kennt  ja  jene  Märchen,  in  denen  die  Seele  etwa  als  Maus  aus  dem 
Mund  des  Schlafenden  schlüpft,  oder  man  erinnert  sich  an  Wen- 
dungen, wie  wenn  der  Gott  Thor  in  einem  bestimmten  Moment 
»in  seinen  Götterzorn  fährt"  wie  in  eine  Rüstung  -  alles  Dinge, 


Die  Weite. 


17 


von  den«!  wir  nur  noch  spärliche  abgetragene  Spuren  in  unserer 
Sprache  besitzen,  wenn  wir  etwa  in  höflicher  Rede  sagen:  »ich 
gestatte  mir«  oder  «ich  erlaube  mir",  [n  jener  Zeil  nahm  man 
das  durchaus  «örtlich,  und  man  glaubte  zu  bestimmten  Zwecken 
über  diesen  inwohnenden  Dienerj  den  Geist  oder  die  Beurteilungs- 
kralt (mens),  wie  über  einen  Sklaven  oder  einen  Lohnfechter  ver- 
fügen zu  können.  Man  hatte  dann  die  doppelte  Freude  erstens 
der  eigenen  geistigen  Anstrcngting  und  zweitens  des  Zuschauens, 
indem  man  sich  selber  gewissermassen  zum  Zuschauer  wurde. 
Und  dann  mischen  sich  uralte  moralische  Anschauungen  in  diese 
Begriffe,  die  wir  heute  »mythologisch"  nennen,  die  aber  vom  Stand- 
punkt jener  Zeil  so  gut  «psychologisch"  sind  als  heutzutage  unsere 
wissenschaftliche  Lehre  vom  »Doppel-lch«  und  ähnliches  mehr. 
Der  Herr  tritt  für  den  Diener  ein  wie  der  Diener  für  den  Herrn, 
und  es  entwickelt  sich  ein  ganz  geregeltes  System  von  näheren 
Bestimmungen  für  diese  eigentümliche  Form  des  stellvertretenden 
Kampfes. 

Merkwürdig  genug  wäre  es  ja,  wenn  in  einer  Zcitj  in  der 
so  viele  Dinge,  die  sich  im  Verlauf  dieser  Entwicklung  selbständig 
gestaltet  haben,  nur  noch  in  geringem  Umfange  vorhanden  sind, 
in  der  Geiseln  nicht  mehr  gestellt  und  GelObde  nur  noch  von 
einer  wrhältnismässig  kleinen  Zahl  von  Personen  geleistet  werden, 
dennoch  die  alleralteste  Form,  aus  der  diese  Dinge  hervorgegangen 
wären,  die  Wette,  mit  voller  Kraft,  in  voller  Ausdehnung  und  in 
noch  täglich  zunehmender  Systematisierung  bestände! 


Ardiiv  »r  Kulturgncbldite.    t. 


18  Kurt  Breysig. 


Die  Entstehung  der 

neueuropäischen  Formen  des 

Lebens. 

Von  KURT  BREYSIQ. 


Wer  immerdar  in  der  Gegenwart  erstarrte  Vergangenheit  er- 
kennt, wer  in  allem  Bestehenden  nur  einen  kurzen  Ruhepuitkt 
ewigen  Werdens  und  Wechsels  zu  seilen  gewohnt  ist^*)  den  über- 
kommt In  der  Stille  der  Berge  in  der  Heimlichkeit  des  Waldes 
zuweilen  der  Gedanke,  dass  die  Jahrtausende  alte,  niemals  müde 
Unrast  der  Menschen  dieses  eine  nicht  vermocht  hat,  die  ewig 
ruhenden,  ewig  starken  Züge  des  edlen  Antlitzes  der  Erde  nach- 
haltig zu  ändern.  Einige  leise  Runen  und  Fältchen  hat  sie  ihm 
einzugraben  vermocht,  mehr  nicht.  Wenn  im  dunklen  Tann  der 
glührote  Schimmer  der  sinkenden  Sonne  zwischen  dem  Grün 
der  Bäume  Farben  malt,  vor  denen  alle  Märchenpracht  der  satten 
Riibinscheiben  gotischer  Dome  erblasst,  wenn  uns  die  leiden- 
schaftlichste Stunde  des  Tages  den  Wolkenhimmel  mit  dem  immer 
neuen  Spiel  der  vergänglichsten  und  zugleich  zartesten  Farben- 


')  Dictt  BUItcr  slnlt  einem  noch  unvctüfknllfchtcn  Binde  iln  wcllirgtl«{len 
KHchlctiUkhcn  Buchet  rntnomm«),  di«  Ich  Mit  clniecn  Ji^rcn  lu  vtcfitfcnlllclicn  besinn. 
Sie  (ind  aito  nui  iTi  Olitd  in  der  Kcttr,  tU  Bruchi*iick  elntrt  EuiamnirnfaHrndcn  und  nur 
hin  und  da  clernc  ronchungen  vcmnendtn  DanUlluns  anniwhen  und  «heben  nicht 
d*n  Annprwrh,  nrucn  Oniiid  lu  Irgen.  -  Die  D«m«llunij  d«r  ebcnlalU  irii  1150  o\ngv 
Irettnen  Umwiliung  in  dem  Verhältni«  von  Minn  und  Fna,  dir  drm  oben  ibsednickira 
Abuhnllt  vorsuictht  und  die  i\tti  im  Weientlfchen  tu!  den  icuIiarccKhichilich  mocli  nl«- 
intU  vrrvrrlden  odrr  tucti  nur  tKarliMeii  TtacUtut  Je  ainoie  et  «moii«  iruinlli«  lie« 
Knpluii  Andreu  aui  der  Zeil  um  1170  itaiit,  toll  auch  vcr6l(«it1icht  verden  (Zukunft 
Januar  1»». 


Die  Entstehung  d"  neiiciiropäischMi  Formen  d«  Lebens- 


19 


,rfize  schmückt,  wenn  uns  das  blauende  Dunkel  femer  Wald- 
ränder lockt  oder  wenn  wir  hinter  dem  nächsten  und  zugleich 
hinler  dem  fernsten  Hügel  sehnsüchtig  das  Land  der  Abendröte 
suchen,  so  raunt  uns  dieselbe  Stimme  zu^  all  diesen  Reichtum 
breitete  ich,  Natur,  schon  vor  den  ältesten  Geschlechtern  der 
Menschen  aus,  die  hier  gewandelt  sind,  und  manchen  Weltentag, 
bevor  es  Erdbewohner  gab,  auch  schon. 

Doch  ein  stiller  Platz  auf  dem  lauten  Markte  des  Lebens, 
ein  Ruhepunkt  im  wirbelnden  Kreislauf  der  Geschichte  ist  da, 
der  Ähnlichkeit  hat  mit  diesem  Frieden  der  Täler  und  der  Auen, 
das  ist  das  Verhalten  des  Menschen  zu  den  ihm  Nächsten;  der 
Frieden  desHerdes  und  des  umschränkten  Hauses.  Könige  herrschen, 
Heere  ziehen,  Schlachten  werden  geschlagen,  aber  die  Ruhe  der 
stillen  Kammer  stören  sie  nicht.  Reiche  stürzen,  neue  Staaten 
werden  gegründet  und  schwinden  wieder  dahin,  ja  Völker  kommen 
und  gehen,  aber  in  jedem  neuen  Frühling  lockt  der  Reigen  der 
Mädchen  die  Sehnsucht  des  reifenden  Jünglings,  nie  mag  auch 
der  rauheste  Mann  darauf  venichten,  die  Heimstätte  seines  sorgenden 
Haupt«,  den  Busen  seines  Weibes  aufzusuchen,  nie  hören  Mütter 
auf,  sich  an  den  ersten  Schritten  ihres  Kindes  zu  freuen.  Freilich, 
kdas  ist  bald  zu  erkennen,  der  reiche  Blülenkranz  von  Sitten  und 
rBräuchen,  den  die  Erfindungskraft  der  Menschen  und  Völker  um 
'diesen  Stamm  ihres  innersten  Lebens  schlingt,  wechselt  zuweilen 
Form  und  Farbe,  aber  ob  auch  das  Kernholz  des  Baumes  neue 
Jahrringe  ansetzt  oder  ob  sich  gar  auch  seine  Art  ändert,  wer  will 
es  sagen.  Sollte  es  in  Wahrheit  geschehen,  so  würde,  um  es 
nachzuweisen,  der  feinste  Spürsinn  des  Forschers  tätig  werden, 
sein  Weitblick  über  die  längsten  Strecken  des  Zeitenlaufes  hin- 
fliegen milssen.  Denn  wie  langsam  sich  auch  das  Recht  oder 
die  Sprache  wandeln  mögen,  unmerklicher  noch  vollzieht  sich  der 
Wechsel  in  den  Herzensgesinnungen  der  Menschen.    — 

Es  ist  kein  Zufall,  dass  der  erste  grosse  Schritt,  den  das 
Frauengeschlecht  von  dem  Zustand  vollkommener  Bindung  und 
Abtiängigkeit  fort  auf  dem  Wege  zur  Selbständigkeit  getan  hat, 
die  Form  des  Lebens  anging.  Er  scheint  zuweilen  mit  der  An- 
eignung eines  gewissen  Masses  geistiger  Bildung  verknüpft  ge- 
l'vesen  zu  sein:  die  CdeUrau  dieser  Zeiten  verstand  ihre  Ltebes- 

2* 


p 


30  Kurt  Breysig. 

briefe  zu  lesen  und  zu  schreiben,  ein  Vermögen,  das  ihrem  Lieb- 
haber sehr  oft  abgehen  mochte.  Aber  dass  die  Frau  zuerst  und 
zunächst  GeffihI  und  Gebärde  zu  vervollkonininen  strebte,  ist  in 
ihrem  innersten  Wesen  begründet.  Die  Bildung,  die  ihr  am 
nächsten  liegt,  ist  die  des  Herzens  und  der  Sinne.  Sie  war 
sicherlich  die  Lehrmeiälerin  der  Sänger  wie  der  Edeileute,  als  es  galt, 
den  Regungen  des  eigenen  Fühlens  den  Spiegel  des  Bewtisstsetns 
vorauhaiien  und  sie  dadurch  zu  mehren  und  zu  steigern,  Ebenso 
unzweifi-'lhaft  ist  aber  auch  die  allgemeine  Verfeinerung  der  Lebens- 
formen von  ihr  ausgegangen.  Der  Bereicherung  des  inneren  Er- 
lebens gesellte  sich  die  andere  der  äusseren  Haltung  zu:  Kunst 
war  beides,  Kunst  nicht  in  toten  Stein  oder  leblose  Farben  ge- 
prägt,  sondern  in  warme  Herzen  und  lebendige  Körper.  Weib, 
Kunst,  Empfinden  sind  einander  wahlvenpandL  Es  waren  die 
Frauen,  die  damals  dem  Leben  eine  Form  gaben,  es  zur  Kunst 
machten,  die  Gefühle  Leibes  und  der  Seele  erst  auszukosten,  dann 
zu  steigern  trachteten  und  am  letzten  Ende  über  alle  körperliche 
Darstellung  des  Ichs  die  gewollte  Anmut  wählender  Gebärden,  er- 
lesener Haltung  breiteten. 

Bei  sich  selbst  mögen  sie  angefangen  haben.  Und  so  ver- 
gänglich auch  der  Zauber  sein  mag,  der  von  edlem  Gang  und 
feiner  Handbewegiinj;  ausgeht,  untrügliche  Zeugnisse  kann  doch 
auch  er  der  Macliwctt  hinierlassen.  Wie  die  Dichter  die  ersten 
begeisterten  Herolde  der  frohen  Bolschaft  aus  Frauenmund  waren. 
so  haben  die  jünger  bildender  Kunst  diesen  feinsten  Hauch  der 
entstehenden  neuen  Kultur  aufzufangen  und  festzuhalten  gewusst. 
Zwar  die  Kleinmalerei  der  Handschriften  vermittelt  meist  zu  blasse 
und  kümmerh'che  Schilderungen:  der  Massstab  ist  klein  und, 
schlimmer  noch,  eine  allmächtige  Oberlieferung  herkömmlicher 
Formen  bannt  jede  tiefer  eingehende  Darstellung.  Man  kann 
diesen  Werken  in  der  Regel  nicht  mehr  entnehmen,  als  dass 
Haltung  und  Gebärde  der  abgebildeten  Menschen  eine  absichtlich, 
oft  zwangsvoll  zierliclie  ist  Mehr  verraten  schon  die  Werke  der 
frühen  Bildnerei:  Körperhaltung  und  Faltenwurf  der  vielleicht 
um  1240  geschaffenen  Synagoge  über  dem  FüRtenportal  des  Bam- 
berger Doms  mag  vornehmlich  ein  Werk  der  symbolischen  Linien- 
führung des  Künstlers  sein,  aber  soviel  hohe  und  hehre  Anmut 


Die  En(sleltin)e  der  neueuropliscben  Formen  des  Lebens.  21 


muss  sich  auch  dem  stärksten  Künstler  einmal  erst  ans  dem  Leben 
ins  Auge  gestohlen  haben,  ehe  er  sie  festzuhalten  vermochte. 
Man  betrachte  vollends  die  Standbilder  der  Stifterinnen  im  hohen 
Chor  des  Naumburger  Domes  aus  der  Zeit  um  1275,  und  man 
wird  innc  werden,  dass  in  diesen  Werken  des  Meisseis  die  echtesten 
und  in  Wahrheit  sprechenden  Urkunden  der  Sittengeschichte  aut- 
bewahrt sind.  Man  darf  sie  als  die  höchsten  Erzeugnisse  deutscher 
KIdnerei  in  diesen  Jahrhunderten,  ja  im  Mittelalter  überhaupt  an- 
sehen und  man  mag  ihrem  Urheber  das  höchste  Verdienst  zu- 
schreiben. Aber  er  hätte  nie  eine  so  unnachahmlich  vornehme 
Handhattung  wie  die  der  Adelheid,  einen  so  anmutigen  Faltenwurf 
»ie  den  der  schönen  Leserin  Regelindis  meisseln  können,  hätten 
ihm  nicht  lebendige  Vorbilder  so  edlen  Gepräges  vor  Augen  ge- 
standen. Die  Hände  aller  dieser  Frauen  sind  so  schön,  so  fein, 
dass  man  von  ihnen  schon  auf  ein  sehr  hohes  Mass  von  Kultur 
«chliessen  kann:  so  kraftvolle  und  dabei  so  zartgebaute  Frauen- 
hände  gehen  nicht  aus  der  Hand  der  Natur  hervor,  sie  zu  er- 
zeugen, ist  die  in  Wahrheit  bildende  Arbeit  einer  ganzen  Anzahl 
von  aufeinanderfolgenden  Geschlechtern  notwendig.  Und  liegt 
auch  auf  manchem  dieser  Frauengesichter  noch  einige  Enge  und 
Begrenztheit,  dn  hoher  Adel  züchtiger  Selbstbeherrschung  und 
s^lle  grosse  Weiblichkeit  spricht  aus  den  meisten.  Die  Schmerzens- 
mutter am  Kreuz  aber  zeigt  Züge  und  Gebärden  grosser  Leiden- 
schaft, die  auch  nur  dem  Leben  abgelauscht  sein  können, ')  Man 
wird  hier  inne,  dass  auch  das  Formen  von  Menschen  eine  Kunst, 
rine  bildende  Kunst  ist,  und  dass  solche  Lebenskunst  allen  anderen 
igegangen  sein  muss,  ihnen  die  Pfade  zu  ebnen. 
Für  solche  Bildung  aber  -  dies  Wort  trifft  das  Wesen  der 
:he  so  tief  und  fein  und  es  war  von  je  auf  die  Stilisierung  des 
änsseren  Lebens  zuerst  gemünzt  -  ist  damals  eine  ganze  Fülle 
einzelner  Vorschriften  ausgebildet  worden.  Eine  edle  Frau  soll 
langsam  und  kleinen  Schrittes  gehen,  F>g^lreichet  als  ein  velkelin, 
dem  sin  gefider  eben  lit",  sie  soll  den  Blick  gesenkt  halten,  soll 
sich  öffentlich  nur  in  den  Mantel  gehüllt  zeigen,  nicht  die  Arme 
schwenken,    ihre    Kleider  aufraffen.     Sie   soll    nicht   mit   über- 


■)    Baiib«rp.  Dam,  Oftporlnl ;    Naumburg,  Dam,  Oitdiar.    Ober  den  Kiii»l«tft 
dv  Nninbann  Wtrkc  «ergl.  meine  Kulturcnäilchlt  der  Ntvnll,  Bd.  II  3  S.  1393  If. 


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22  Kurt  Bpcysig. 

geschlagenen  Beinen  sitzen,  voh]  Ucheln,  aber  nicht  lachen,  nicht 
laut  sprechen.  Selbst  beim  Reiten  soll  sie  die  Hände  unter  dem 
Gevand  verbergen.  Sie  soll  einen  fremden  Mann  nicht  anreden, 
aber  &ie  soll  sich  erheben,  wenn  ein  Mann  in  das  Zimmer  tritt 
Die  jungen  Mädchen  schickte  man  wohl  an  den  Hof  einer  Grossen, 
einer  Fürstin,  damit  sie  dort  die  Herrin  dienend  begleiten,  aber 
in  aller  dieser  neuen  Zucht  auch  unterrichtet  wurden.  Man  ver- 
nachlässigte darüber  die  alten  Tugenden  der  Hausfrau  nicht:  die 
Edelfrau  musste  der  Heilkunde  Meisterin  sein,  und  es  galt  nicht 
als  unschicklich,  dass  sie  für  sich  und  ihren  Mann  die  Kleider 
anfertige.  Flachsbereitung,  Spinnen  und  Weben  überHess  man 
meist  den  Mägden,  aber  Borten,  Gürtet,  Hauben  anzufertigen, 
insbesondere  zu  siicken,  galt  als  die  hohe  Schule  für  ein  Fräulein. 
Wandteppiche  und  Tischtücher  für  den  eigenen  Gebrauch,  vor 
allem  Mes^ewander  und  Altardecken  für  Priester  und  Kirche  sind 
so  tausendfach  entstanden.  Die  Dichter  haben  in  ihren  Schilde- 
rungen des  ritterlichen  Lebens  von  allem  dem  treue  Meldung  ge- 
tan, aber  sie  stellten  sich  auch  geradezu  in  den  Dienst  der  Frauen- 
und  Mädchenuntcrweisung  und  traten  in  ihrem  Sinne  als  Lehr- 
meister auf;  so  ist  in  Frankreich  das  Chastkmftit  des  dames,  in 
Italien  des  Francesco  da  Ba/barino  Reggimento  dt  doana  und  in 
Deutschland  der  Winsbcke  und  dieWinsbekin  geschrieben  worden.') 
Nur  dass  freilich  alle  ihre  Anstandsregeln  ein  sehr  dürres  und 
blasses  Ilitd  von  einer  wundervoll  farbigen  und  anmutigen  Wirk- 
lichkeit geben. 

Auf  welche  Art  die  neue  Sitte,  das  zarte  Geschenk  der  Frauen 
an  die  Kutlur  ihrer  Zeit,  den  Männern  übermittelt  wurde,  davon 
war  schon  die  Rede:  die  gesteigerte  Form  der  Liebe  musste  am 
meisten  dazu  beitragen,  das  rauhere  Geschlecht  zu  dieser  in  Wahr- 
heit weiblicheren  Bildung  herüberzuziehen.  Doch  begann  man 
auch  sonst  schon  frühzeitig  dem  Leben  des  Mannes  Glatte  und 
Gesell m ei digkeit  zu  geben.  Bis  zum  zwölften  Jahre  blieb  der 
Knabe  ganz  in  Frauenhand;  wohl  Hess  man  ihn  auch  ein  wenig 
lesen  oder  gar  schreiben  lernen,  aber  er  rettete  von  diesen  Künsten 
meist  nicht  eben  viel  in  sein  späteres   Leben.    Die  Zucht  aber, 


<)   AI«.  Schuld.  HMiMlw»  LcbCB  1  S.  ISl  I..  tH  K. 


Die  Entstehung  der  neueuropäischen  Fonnen  ds  Lebens.         23 


* 

* 


$ 


die  gute  Sitte  und  alles,  was  wir  in  schönem  Sinne  Bilrfiing  nennen, 
umfasste,  war  das  Hauptziel  der  Erziehung  von  Anbeginn,  für 
die  man  wohl  auch  schon  Hofmeister  annalun.  In  grossen  Ver- 
hältnissen umschloss  sie  in  Deutschland  auch  schon  die  Erlernung 
des  Französischen  und  Lateinischen,  immer  die  Kenntnis  der  üb- 
lichen Spiele,  des  Schachs  und  woniil  man  sicJi  sonst  die  Ge- 
selligkeit zu  würzen  pflegte.  Er  lernt  in  seiner  kintheil  Tugent, 
gefüglichkait,  Singen  und  satttenspil  und  auch  ander  Hübsch- 
hait  vil,  so  berichtet  vom  Melden  ein  Sang  dieser  Zeilen. 
Das  erste  und  letzte  Ziel  aber  war  die  Schönheit  von  Haltung 
und  Gebärde.  Sie  lertenz  riten  unde  gän,  mit  Züchten  sprechen 
unde  stän,  heisst  es  von  der  Erziehung  eines  jungen  Heiden  im 
Wigalois.  Das  Verhalten  den  Frauen  gegenüber  ist  hauptsächlichste 
Pflicht  des  heranwachsenden  Ritters:  zu  den  Vrouwen  sal  er  gerne 
gin,  gezogentliche  vor  in  sün  und  auch  bi  in  sizzen,  wird  im 
Grafen  Rudolf  als  Aufgabe  der  Eraehung  bezeichnet,  und  der  un- 
übertrefflichste der  Frauen  Verehrer,  Ulricli  von  Liditenslein,  fasst 
die  Summe  aller  seiner  ritlerlichen  Erziehung  in  die  Worte  zu- 
sammen: er  lärl  mich  sprechen  wider  diu  wip! 

Auch  die  Erwachsenen  zähmt  jetzt  die  Sitte:  insonderheit 
für  die  Geselligkeit  werden  alle  einfachsten  An  Standsregeln  ge- 
funden. Noch  isst  man  wohl  mit  den  Händen  und  mit  dem  Nach- 
harn zusammen  aus  einer  Schüssel,  aber  man  erklärt  für  unschick- 
lich, mit  beiden  Händen  zugleich  ins  Essen  zu  fahren  und  dem 
Genossen  seinen  Anteil  vorweg  zu  nehmen.  Männern  wie  Frauen 
■werden  eine  ganze  Anzahl  von  Reinlichkeitsregeln  für  ihr  Ver- 
halten bei  Tisdie  eingeschärft,  den  Frauen  bezeichnenderweise  noch 
schärfere  als  den  Männern.  Nach  dem  Mahl  aber  bleiben  beide 
bei  einander,  und  den  jungen  Männern  war  nun  Gelegenheit  ge- 
boten, die  zahlreichen  Gebote  anständigen  Verhaltens,  die  man 
ihnen  gab,  in  Tanz,  Spiel  und  Unterhaltung  zu  befolgen. ') 

Vieles,  was  in  den  Hol-  und  Tischzuchten,  den  Anstands- 
büchlein  der  Zeit  empfohlen  wird,  mutet  uns  gröblich  an,  und 
das  meiste,  was  dort  als  Neues  gefordert  wird,  ist  heute  Besitz 
schon  fast  der  unteren  Mittelschichten  unserer  Völker.   Aber  eben 


9  AI«.  Sehaltt.  mntcbn  Lebtn  r  3.  120  ri    US  H. 


i 


24  Kurt  Breysig. 


(äaraiis  lässt  sich  erkennen,  dass  es  nichts  Kleines  war,  u-as  damals 
gefunden  wurde.  Am  merkwürdigsten  ist  doch  vielleicht,  dass 
nicht  nur  die  Geseliiglieit  der  Männer  so  ganz  von  der  neuen 
Form  des  Lebens  durchdrungen  wurde,  sondern  ebenso  auch  die 
Arbeit  ihres  Daseins  und  selbst  die  rauheste,  das  Handwerlt  der 
Waffen.  Die  Frauen  hätten  niemals  einen  so  grossen  Zuwachs 
ihrer  Macht  gewinnen  können,  wenn  sie  sich  dem  innersten 
Drange  der  Männer  ihrer  Zeit  und  ihres  Standes  halten  wider- 
setzen wollen.  Und  so  haben  sie  nicht  vom  Kampfe  abgeiiailent 
sondern  zu  ihm  angetrieben.  Und  ihr  Lohn  war  auch  hier  eine 
Umforniungr  eine  Verfeinerung  des  bestehenden  Zustandes  zum 
Zierlichen,  Absichtlich-Anmutigen  hin. 

Der  Kampf  wurde  Kunst,  wurde  Spiel.  Das  ist  die  Bedeutung 
des  Turniers.  Gewiss  es  gab  schon  ehedem  sehr  ernstliche  Leibes- 
übungen, aber  noch  kein  Schauspiel  des  Krieges,  wie  es  die 
Turniere  darstellten.  Man  führt  ihren  Ursprung,  wen  sollte  es 
wundem,  auf  Frankreich  zurück:  hier  soll  schon  der  im  Jahre  10&& 
gefallene  Ritter  Oeffroy  de  Prcuilly  die  Regeln  des  Turniers  er- 
funden haben,  immerhin  kommt  das  Wort  erst  im  zwölften,  Jahr- 
hundert vor,  und  erst  gegen  1 150  beginnt  die  Blütezeil  der  neuen 
Ritterspiele,  die  1127  zuerst  auf  deutschem,  1194  zuerst  auf  eng- 
lischem Boden  abgehalten  worden  sind.  Retterübungen  hatte  man 
schon  im  neunten  Jahrhundert  abgehalten,  jetzl  aber  wurden  sie 
mit  einem  Scheinkampf  verbunden  und  vor  allem  an  künstliche 
Regeln  geknüpft.  Es  war  eine  wundervolle  Verknüpfung  von 
Fechl-  und  Reitkunst,  um  die  es  sich  handelte,  und  man 
schied  eine  Anzahl  verschiedener  Stiche,  so  Puneiz,  Treviers  und 
Damensliche.  Es  kam  dabei  vor  allem  auf  zierliches  Reiten  an. 
Buhurdicrcn  und  Tjosticrcn  wurden  als  besondere  Kampfspiele 
vom  Turniere  unterschieden;  beim  Buhurd  rannten  ganze  Scharen 
gegeneinander,  beim  TjosI  traten  sich  nur  zwei  Kämpfer  gegen- 
über. Es  galt  als  unschicklich,  den  Gegner  ernsthaft  zu  verletzen; 
alle  Kampfregeln  Hefen  darauf  hinaus,  es  zu  vermeiden,  es  sollte 
nur  die  höchste  Gewandlheil  und  Leibesbeherrschung  entwickelt 
werden.  Das  Kampfziel  war  erreicht,  wenn  der  Gegner  zu  Boden 
geworfen  war;  Todesfälle  scheinen  doch  nur  die  seltene  Ausnahme 
gebildet  zu  haben.    Die  Anwesenheit  der  Frauen,  denen  zu  Ehren 


Die  Enlstehung  da  neueuroplischen  Formen  d«  Lebens.  25 


man  cigetie  Gänge  des  Kampfspiels  anordnete  und  zu  deren  Preis 
ganze  Turniere  veranstaltet  wurden,  die  Verbindung  des  heissen 
Kampfes  mit  froher  Lustbarlceit  und  süssem  Minnedienst  machten 
das  Turnier  zum  Gipfelpunkt  alles  hötisch-ritterlichen  Treibens.  *) 

Aber  selbst  über  die  ernstharten  Angelegenheiten  des  Standes 
breitete  sich  nun  der  Schleier  einer  anmutigen  Form.  Das  Lehcns- 
nesen  halte  von  seinen  Anfängen  an  mancherlei  sinnbildliche  Fest- 
tonnen ausgebildet,  man  hat  sie  jetzt  mit  besonderer  Freude  ge- 
pfleg;t  und  ausgestattet  Und  bei  dem  Eintritt  in  das  tälige  Leben 
eines  Edelmannes  fand  man  wieder  zuerst  in  Frankreich  eine  neue, 
nodi  schönere  Form:  die  Rltlerweihe.  Hatte  der  Jüngling  zuerst 
als  Page  einer  Schlosshenin  gedient,  war  er  dann  als  Knappe 
zum  Dienst  in  Feld  und  Fehde  tüchtig  gemacht  worden,  so  wurde 
ihm  in  der  Kapelle  des  Schlosses  in  Gegenwart  vieler  Damen  und 
Herren  der  Ritterschlag  erteilt,  nachdem  er  eine  Nacht  betend 
durchwacht,  durch  Bad  und  Abendmahl  sich  Leib  und  Seele  ge- 
reinigt hatte.  Selbst  die  Eide,  die  der  Neiiaufgenommene  zu  leisten 
hatte,  gedenken  in  diesem  galanten  Lande  der  Frauen:  Gott,  dem 
König  und  seiner  Dame  treu  zu  dienen  musste  er  schwören,  wenn 
ihm  durch  drei  feierliche  Handschläge  auf  den  Nacken  im  Namen 
Gottes,  des  heiligen  Michael  und  des  heiligen  Georg  die  Ritter- 
würde erteilt  werden  sollte.  Die  Umgürtung  mit  dem  Schwert 
galt  als  Höhepunkt  der  Feier,  die  man  auch  bald  in  Deutschland, 
nur  etwas  einfacher  nachgeahmt  hat.  ^ 

Aller  Schmuck  des  äusseren  Lebens  erfuhr  gleichzeitig  grosse 
Bereicherung:  man  machte  sehr  viel  mehr  Aufwand  für  die  Kleider 
der  Frauen,  für  Rüstung  und  Festgewand  der  Männer,  und  die 
Burgen  dieser  Zeit  waren  doch  nicht  nur  feste  Plätze,  die  alle 
Lande  zu  Schutz  und  Trutz  starker  Einzelner  bedeckten,  sondern 
sie  waren  auch  die  ersten  mit  einigem  Behagen  eingerichteten 
Wohngebäude  Privater.  Selbst  bis  zu  den  Freuden  der  Tafel 
herab  sind  damals  die  Ansprüche  zuerst  wesentlich  gesteigert 
worden;  was  Spiel  und  Tanz  und  alle  Freuden  der  Geselligkeit 


*)  N[edn«r,  Dm  deuUchC  Turnln'  Im  12,  trad  13.  JKhrhtindcrl  (1881)  S.  7  H.. 
J3  11,  36,  83  f.;  daiu  AI*.  SchuK»,  HörKh«  Üben  II  (ISBO)  S.  9t  t(.,  Ui  I. 

1  So  Rosiirt»,  tfisfotrt  tie  la  SOtUlf  /trancaise  aa  mayrn  äge  I  (1880)  S.  38S  tf., 
dkIi  civH  «pütm  Quellen,  und  A)v.  Schultz.  HCIItchn  l.ctcn  I  S.  113  tt..  141  f. 


.  i 


^ 


26  Kurt  Breysig. 


vom  harmlosen  Reigen  bis  zum  ernsthaften  Schach  für  Neuerungen 
erfahren  haben,  ist  nicht  zu  sagen,  Noch  aus  den  letzten  Über- 
resten heutiger  Rüstkammern  und  Gewerbesammlungenj  noch  von 
den  Burgruinen  herab,  die  von  Unteritalien  und  der  Provence 
bis  in  den  Norden  Deutschlands  Europa  durchziehen,  leuchtet 
der  Glanz  dieses  Zeilalters,  das  sich  zum  erstenmal  das  Leben 
aufzuheitern  verstand. 

Doch  wo  die  Berge  sich  heben,  da  müssen  die  Täler  zurück- 
bSeibcn.  Während  der  Herrenstand  sich  die  neue  Zier  des  Lebens 
schuf,  versank  die  Masse  des  Volkes  in  der  Roheit  älterer  Zeilen. 
Allerdings  auch  in  des  Kaplan  Andreas  gelehrtem  Liebesbrevier 
ist  der  Fall  vorgesehen,  dass  sich  ein  Plebejus  einer  Plebeja,  ja 
sogar  dass  ein  Niehtadeliger  einer  EdeUrau  sich  nähere.  Aber 
man  überzeugt  sich  schnell,  dass  derauf  die  mannigfaltigste  Kasuistik 
bedachte  Scholastiker  nur  an  eine  sehr  bevorzugte  Schicht  des 
Volkes  denkt,  etwa  reiche  Kaufleute,  oder,  was  näher  liegt^  der 
Plebejer,  von  dem  er  redet,  ist  in  seinen  Hintergedanken  der 
Geistliche  bürgerlichen  oder  bäuerlichen  Standes,  den  Amt  und 
Wissen  berechtigen,  in  den  höheren  Kreis  des  Adels  und  seine 
Lebensgewohnheiten  einzudringen.  Denn  das  Gespräch,  das  er 
Bürger  und  Bürgerin  miteinander  führen  lässl,  ist  in  allen  seinen 
gelehrten  Geschraubtheiten  und  seinen  unerhört  gewundenen  Satz- 
steliungen,  wenn  überhaupt  in  das  Leben  hineinzudenken,  dann 
doch  nur  in  eines,  dem  der  neue  Frauendienst  veriraui  war.  Auch 
dort  wird  man  sich  zwar  ganz  gewiss  nicht  in  dem  Tone  des 
Kaplans  unterhalten  haben,  der  aus  dem  Liebesgetändel  eine  ge- 
lehrte Disputation  über  Begriff,  Aufgabe  und  Wesen  der  Liebe 
macht,  wie  sie  allenfalls  in  Abälards  Hörsaal  hätte  geführt  werden 
können;  aber  für  diesen  Bereich  der  Gesellschaft  schrieb  Andreas 
wenigstens.  Immerhin  wird  in  Andreas'  Sammlung  von  Muster- 
gesprächen dem  aufwärts  strebenden  Nichtadeligen,  der  sich  um 
die  Huld  einer  Edelfrau  bemüht,  von  ihr  sehr  deutlich  zum  Be- 
wusstsein  gebracht,  dass  er  sich  kühner  und  im  Grunde  unstatt- 
hafter Dinge  unterfange,  wenn  er  sich  um  sie  bewerbe.  Schon  in 
die  Anrede  des  Bürgerlichen  ist  eine  vorübergehende  Anspielung 
eingeflochten,  dass  die  Allgewalt  der  Liebe  alle  Unterschiede, 
auch  die  des  Standes  ausgleiche.    Die  Dame  aber  erklärt  kurzab, 


Die  Entstehung  der  neueuropäischen  Formen  des  Lebens.         27 


I 


I 


dtss  ihr  Bewerber  in  die  Schranken  des  von  allers  bestehenden 
Adels  einbreche  und  dass  ihre  Liebe  zu  ihm  besonders  gross  sein 
müsse,  wolle  sie  an  seiner  Geburl  nkht  Anstoss  nehmeti. ')  Und 
für  den  ebenfalls  nicht  übersehenen  Fall,  dass  ein  Nichtadeliger 
sich  einer  Frau  des  hohen  Adels  nähere,  wird  von  Andreas  selbst 
mit  nüchternen  Worten  als  Voraussetzung  gefordert,  dass  er  ein 
unzählbar  grosses  Vermögen  besitze. ') 

Solche  Ausnahmen  aber  kommen  nicht  in  Betracht,  wo  es 
sich  um  Sitte  und  Lebensschinuck  der  grossen,  überwiegend  bäuer- 
lichen Masse  des  Volkes  handelt.  Heiratete  ein  deutscher  Bauer 
in  diesen  Zeiten,  so  Hess  der  Tisch  es  zwar  nicht  an  einer  Über- 
zahl von  Speisen  fehlen,  aber  die  Fröhlichkeit  der  Gesellschaft 
war  sehr  ungebunden:  den  jungen  Bräutigam  pflegten  die  Alters- 
genossen freundschafllich  durchzuprügeln,  und  beim  Tanze  springen 
die  Männer,  dass  ihnen  das  SIroh  aus  den  Schuhen  fällt.  Dabei 
aber  wahrt  das  Bauerntum  auch  die  alle  Sitte  besser  als  der 
modisch  gewordene  Adel.  Man  fügte  sich  dem  neuen  Anspruch 
der  Geistlichkeit,  dass  eine  rechte  Heirat  ihres  Segens  bedürfe, 
noch  nicht,  im  Kreise  der  Gefährten  fragt  ein  greiser  Alter  Braut 
und  Bräutigam  dreimal,  ob  sie  einander  zur  Ehe  begehrten,  und 
gab  sie  dann  zusammen.  Der  Ehemann  trat  der  fungen  Frau  auf 
den  Fuss,  ein  Sinnbild  alten  Rechtes,  dass  er  nun  Besitz  von  ihr 
ergreife,  und  unter  lautem  Gesang  beschloss  man  die  Feier. 

Eben  dies  Stehenbleiben  auf  einer  älteren,  niederen  Stufe 
rief  ganz  selbstverständlich  den  füohn  und  die  Verachtung  des 
höheren  Standes  hervor.  Sohald  der  Adel  nur  angefangen  hat, 
sich  durcli  die  neue  Form  des  Lebens  abzugrenzen,  beginnt  er 
auf  die  Aussenstehenden  zu  schelten.  Wie  der  Herrenhof  als 
die  Stätte  gepfählter  Sitte  für  diese  selbst  den  Namen  herleiht, 
wie  hö^-esch  und  coartois  ihren  Inbegriff  bedeutet,  so  wird  Dörpcr, 
viUain  zum  Schimpfwort  und  will  so  viel  wie  Flegel,  Tölpel  be- 
sagen.   Ja  im  Laufe  dieses  Zeitalters  gelangt  man  so  weit,  mit 


'1  Loqnimr  pletit]ut  td  ptcbejam,  loquilur  plcbejui  nobllt:  Andrctc  üc  uaan 
librt  ttts.   (M.  Tro^lcl  S   19  tf  ,  30  If.) 

*j  Nani  ul  plcbrjtii  nobillorit  ftminxe  dCgniu  invcniatuT  amorc,  innnraerabiltbut 
oporwl  tum  bonii  tbnadut  canirenliqut  ui  Inllitlu  Ipsam  becelacU  emoILiRl.  (Andtsi«- 
Trejcl  S.  S4 ) 


i 


28  Kurt  Breysig. 

dem  Begriff  der  äusseren  Unerzogenheit  auch  den  innerer  Un- 
tugend zu  verschmelzen.  Ein  französischer  Dichter  erklärt  zu 
Ausgang  des  dreizehnten  Jahrhunderts,  dass  nur  Menschen  edler 
Geburt  ehrenhaft,  treu  und  zur  Aufopferung  des  Lebens  im  fürst- 
lichen Dienste  bereit  seieHj  und  dass  die  Villains,  die  ohne  Ehr- 
gefühl und  von  feiger  Todesfurcht  erfüllt,  nur  auf  Gelderwerb 
ausgingen,  nicht  verdienten,  von  einem  Fürsten  seines  Verkehrs 
gewürdigt  zu  werden.  Das  Wort  vitlain  nimmt  den  Neben- 
sinn des  Ehrlosen,  des  Schurken  an,  und^  wie  man  aus  den 
Worten  des  Dichters  entnehmen  kannj  es  ist  nicht  nur  auf  die 
Bauern,  sondern  zum  Teil  schon  auf  die  Bürger  gemünzt') 

Das  Bürgertum,  das  aus  dem  Bauernstand  emporstieg,  mag 
sich  zuerst  wenig  von  dessen  Art  und  Lebensführung  unter- 
schieden haben.  Die  gewallige  Aufwärtsbewegung  der  neuen 
Schicht  hat  auch  hierin  Wandel  geschaffen.  Erfurt  war  im  drei- 
zehnten Jahrhundert  eine  ansehnliche  Stadt,  aber  nicht  eine  von 
den  ersten,  und  doch  haben  seine  Qefrunden,  wie  das  Gross- 
bürgertum  sich  hier  nannte,  schon  grossen  Aufwand  getrieben, 
und  ihre  Frauen  schritten  mit  silbernem  Gürtel  und  kostbarem 
Gewand  einher.  Zwar  sind  in  ihre  Reihen  einzelne  Rittersleute 
getreten  und  mögen  die  Lebenshaltung  des  Standes  gesteigert 
haben,  aber  in  der  Mehrzahl  sind  es  Kaufleiite  und  Gewerbe- 
treibende, die  ihr  grosses  Vermögen  zu  diesem  Aufwand  berech- 
tigt Zwischen  hinein  bricht  die  alte  Roheit  doch  durch:  in  der 
Schänke  sitzen  Ritter  in  glänzendem  Waffenrock,  Bürger  mit  dem 
Schwert,  Bauern  mit  der  Keule  in  buntem  Gemenge,  die  Frauen 
unter  ihnen,  und  wenn  der  Trunk  oder  das  Spiel  den  Feiernden 
das  Blut  zu  Kopf  treibt,  kommt  es  zu  blutigem,  selbst  tödlichem 
Streit.  Man  geht  mit  Faust  und  Beil,  Pflugschar  oder  Schwert 
gegeneinander  los;  die  Frauen  mischen  sich  unter  die  Kämpfen- 
den und  die  waffenlose  Frau,  die  das  Leben  ihres  Galten  be- 
droht sieht,  fasst  zuletzt  in  furchtbarem  Griff  dem  Gegner  ihres 
Mannes  ans  Gemachte,  um  ihn  so  kampfunfähig  zu  machen.') 


*t  AI*.  Schollt,  N6f(KhH  Lcbni  I  5.  518  ff.,  I». 

<)  KiTchhatI,  Elfurl  im  dKiiehnitn  Jitiihunden  II87Q)  S.  W  tf,  80  tl. 


[n  den  bedeutendsten  Städten  steigt  die  Lebenshaltung  gegen 
Ende  dieses  Zeitalters  noch  höher,  fast  bis  7-UT  Höhe  des  Adels. 
Die  goldene  Jugend  des  Strassburger  Grossbijrgertums  hatte  alle 
ritterlichen  Tugenden  und  Untugenden  ihrer  Zeit 

Und  selbst  das  Bauerntum  scheint  im  Laufe  dieser  andert- 
halb Jahrhunderte  gewisse  Forlschritte  in  der  Lebensführung  ge- 
macht ru  haben.  Sind  auch  in  Deutschland  während  dieser  Zeit 
schon  die  ersten  erfolgreichen  Übergriffe  des  Adels  in  seinen 
Rechts-  und  Besitzsland  unternommen  worden,  so  war  es  doch 
in  Deutschland  wie  in  Frankreich  eine  Zeit  starken  Wirtschafts- 
aufschwunges für  die  Bauern,  [n  Deutschland  war  es  ins- 
besondere die  frei  gebliebene  bestgestellte  Schicht  des  Bauern- 
standes, die  da  in  Betracht  kam  und  die  namentlich  in  Obcr- 
deutschland  zahlreich  und  vermögend  genug  gewesen  zu  sein 
scheint,  um  eine  merkliche  Veränderung  des  gesellschaftlichen 
Bildes  in  diesem  Stand  hervorzubringen.  Dass  der  grosse  Sitten- 
prediger des  ausgehenden  dreizehnten  Jahrhunderts^  Berlhold  von 
Regensburg,  auch  den  niederen  Ständen  ihre  Hoffart  vorwirft,  will 
nicht  allzuviel  sagen:  da;>  säuerliche  Eifern  gegen  alle  Erdenfreude 
hat  noch  jeden  Mann  dieses  Berufes  zu  einem  sehr  unzuverlässigen 
Zeugen  in  sittengeschichllichen  Dingen  gemacht  Berthold  ist  dort 
untrüglich,  wo  er  das  Selbsfbewusstsein  des  geistlichen  Standes 
offenbart  und  erklärt:  ob  ez  also  wäre,  daz  ein  Priester  zuo 
gienge,  da  nun  Frouwe  Sant  Maria  da  saeze  und  allez  himmlische 
Her,  die  stunden  alle  gegen  dem  einigen  Priester  uf,  da  von,  daz 
Ool  so  gröze  Ere  an  die  Priester  hat  geleit  Berlholds  Litaneien 
auch  gegen  den  Lebensaufwand  der  höheren  Stände  lassen  er- 
kennen, wie  griesgrämig  er  Harmloses  und  Schlimmes  durcheinander- 
mengt,  wie  er  gegen  die  buntscheckigen  Kleider  —  da  euch  der 
allmächtige  Gott  die  Walil  gelassen  hat,  ob  ihr  sie  braun,  rot, 
bUu,  wdss,  grün,  gelb,  schwarz  haben  wollt:  daran  genügt  euch 
nicht  -  ebenso  grimmig  eifert,  wie  gegen  Völlerei  und  Trunk- 
sucht Und  andererseits  redet  er  doch  auch  von  dem  Druck  und 
der  Last,  das  dem  Povelvolk  der  Bauern  durch  die  Grundherrn 
und  ihre  Frohndlenste  aufgebürdet  sei.  Dennoch  ist  seinem 
Predigen  so  viel  zu  entnehmen,  dass  die  höheren  Schichten  des 
Bauernstandes,  die  von  dieser  Abhängigkeit  nicht  gettoffen  wurden^ 


30  Kult  Bre>-sig. 

hier   und   da  dem   kleinen  Adel   es  an  Aufwand  gleich  zu  tun 
suchten.') 

Ganz  offensichtlich  ist  dieser  Talbestand,  durch  ein  viel  voll- 
gültigeres Zeugnis  gemacht  worden,  durch  die  höhnischen  An- 
griffe eines  adligen  Dichters,  der  sich  ganz  und  gar  zum  Anwalt 
der  Interessen  seines  Standes  gemacht  hat.  Wohl  hat  Neidhart 
von  Reiienthal,  der  am  bayrischen  und  österreichischen  Hofe  bis 
um  1240  lebtCj  als  ernster  Dichter,  der  er  war,  sein  persönliches 
Leben  und  Leiden  singen  wollen,  aber  es  verflicht  sich  ihm  mit 
der  Abneigung  des  Standes  gegen  das  aufstrebende  Bauerntum. 
Neidharts  Verachtung  gegen  die  Bauern  hatte  eine  Ausnahme: 
die  Liebe  zu  ihren  Töchtern,  aber  sie  war  nicht  immer  glücklich, 
und  der  Zorn  darüber  entlädt  sich  in  sehr  unholden  Schilderungen 
bäuerlichen  Lebens.  Er  schilt  die  jugendlichen  Liebhaber  des 
Dorfes,  seine  oft  glücklicheren  Nebenbuhler,  Schlemmer  und  Stutzer, 
Gecken  und  eitle  Narren.  Dabei  aber  bricht  aus  seinen  Strophen 
der  helle  Neid  als  Grundursache  seiner  Schmähsuchl:  es  steht 
der  arme  Junker  dem  reichen  Bauern  gegenüber.  Und  er  ers'cist 
den  Gehassten  doch  dann  Achtung,  wenn  er  von  ihren  starken 
Fäusten  und  ihrem  Mute  spricht,  vor  dem  er  öfter  den  kürzeren 
zieht.  Schwerer  ins  Gewicht  fällt  vielleicht  die  unbewusstc 
Huldigung,  die  er  den  Bauern  erweist,  indem  er  die  schönen 
Weisen  ihrer  Tänze,  die  Lieder,  die  sie  zu  ihren  Reigen  sangen, 
in  seine  Kunst  aufgenommen  hat.  Walther  von  der  Vogelweide 
selbst  hat  als  Hüter  des  strengen  Kunstgesanges  sich  über  diese 
Einschleppung  bäuerlichen  Quies  beklagt,  das  ihm  zu  roh  und 
natürlich  für  den  feineren  Brauch  der  Höfe  dünkt.  Es  hat  schon 
zu  den  Zeilen  Neidharts  selbst,  von  dem  langen  Trosse  seiner 
Nachfolger  in  den  folgenden  Jahrhunderten  zu  geschweigen,  nicht 
an  Stimmen  gefehlt,  die  ihm  zufielen.  Der  Schweizer  Ulrich  von 
Singenberg,  der  in  der  ersten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
Lieder  höfischen  Tons  sang,  hat  auf  die  Üppigkeit  der  sich  höfisch 


■}  Ober  du  «IrtKhaftllche  Vcrvtrtiltoiiimeii  der  drutKhm  und  tnniöslittira 
Bjwcrn  vergl .  KullTMireKhlcMe  U.  2.  S.  OST,  1 035 :  fib«r  Berthord  siehe O 4 r t  n  er ,  BerUiold  von 
Regmiburg  Aber  die  Zusündc  d«  (Jtiilschfti  Vatkn  im  11  Jlahthurdtrt  (Zilticier  Oytnn,- 
Pngr.  ]»t>l  S.  20  ff„  7  und  Olldcmciitcr,  Dis  dcuüchc  Volkilcben  im  13.  JihTh. 
nach  den  deuttchen  Ptcdigirn  BerthoUt  vcn  Rrgeniburg  (JmacT  Ditt.  IK90]  S    13  II.  n. 


» 


» 


I 


I 


gebärdenden  Bauern  ähnliche  Schmähverse  geschmiedet  wie 
Neidhard.  Und  auch  an  Urkunden  der  Gesetzgebung  fehlt  es 
nicht,  die  vom  gleichen  Hasse  des  hohen  Adels  gegen  die  Bauern 
zeugen.  Im  Jahre  1244  verbot  der  bayrische  Landfrieden  den 
Bauern,  ritterliche  Rüslstücke  und  Stahlwaffen  zu  tragen. 

Selbst  die  heulige  Geschichtsbetrachtung  hat  sich  von  der 
ständischen  Parteilichkeit  nicht  frei  gemacht,  die  sich  in  den 
Schilderungen  der  adligen  Feinde  des  Bauerntums  barg.  Wenn 
einstmals  die  Edelleule  auf  die  Dörper  ihrer  Plumpheit  wegen 
gescholten  hatten,  so  stand  ihnen  jetzt  übel  an^  über  den  Auf- 
schwung bäuerlicher  Sitte  zu  schmälen.  Oder  richtiger  gesagt, 
solche  Eifersucht  der  Stände  ist  menschlich  begreiflich,  aber  sie 
darf  das  Urteil  des  Geschichtsschreibers  nicht  trüben.  Natürlich 
fielen  die  ersten  Versuche  der  Bauern,  sich  den .  Kleidern ufwand 
und  die  wohtberechnete  Künstlichkeit  des  neuen  Ritterbrauches 
anzueignen,  oft  täppisch  und  unbeholfen  aus.  Aber  sie  waren 
doch  auch  zugleich  der  Beweis  eines  starken  Selbstbewusstselns 
und  eifrigen  Emporstreben s.  Oft  schlug  dieser  Drang  auch  die 
pxa  falsche  Bahn  eines  Ei  »dringen  wollens  in  den  höheren  Stand 
sdbst  ein:  die  so  einfach  erzählte  und  doch  so  wirksame 
Eraihlung  von  Meier  Helmbrechts  Sohne,  die  Wemher  der 
Gärtner  zwischen  1234  und  1250  in  dem  allbayrischen  Innviertel 
Oberftsterreichs  aufschrieb,  schildert,  wie  ein  junger  flauer  Ritter 
werden  will  und  als  Räuber  und  Landverderber  schmählcch  endet 
Sehr  oft  sind  damals  wohl  wirklich  Bauernsühne  zum  Vcrdruss 
der  Edelen  in  den  Ritterstand  emporgestiegen,  aber  der  Dichter 
des  Meier  Helmbrecht  selbst  hat  ein  lautes  Zeugnis  dafür  abgelegt, 
wie  töricht  der  tflchtiKC  Bauer  selbst  dieses  Unterfangen  fand. 
Aber  sein  Stand  hatte  in  seinen  Grenzen  bleiben  und  doch  stark 
werden  können.  Dass  seine  Nachahmung  des  neuen  Brauches 
nicht  nur  törichte  Narrelei  war,  wird  durch  nichts  besser  bewiesen, 
als  durch  das  Aufblühen  einer  bäuerlichen  Dichtung,  deren  tüch- 
tigster und  wahrlich  un  verächtlicher  Vertreter  eben  jcnrr  Wcmhcr  der 
Garlenäre  war.  Und  es  eröffnet  sich  von  diesem  Standpunkt  her 
ein  ganz  neuer  Ausblick  auf  die  Entwicklungsmöglichkeiten,  die 
damals  die  Zukunft  des  BauenisLmües  noch  allenfalls  hätte  in 
sich  bergen  können:  ein  Wiederauhs-ärtsklimmen  des  Standes,  dem 


I 


doch  bis  dahin  nur  die  ersten  Lasten  aufgebürdet  worden  waren, 
die  er  bei  stolzer  werdender  Haltung  vielleicht  noch  wieder 
hätte  abwerfen  können.  Es  ist,  als  halte  sich  noch  einmal  die 
Aussicht  eröffnet,  dass  ein  Stand  freier  Edelbauem  sich  erhoben 
und  nicht  unter,  sondern  neben  dem  Adel  seinen  schönen  Beruf 
und  stolze  erdwüchsige  Selbständigkeit  bewahrt  hätte,  im  Sinne 
der  köstlichen  Worte  des  Meiers  Helmbrecht,  die  noch  jüngst 
der  grosse  Denker  unserer  Tage  wieder  in  die  Erinnerung  ge- 
rufen und  geadelt  hat:  willst  du  mir  folgen,  so  baue  mit  dem 
Pfluge,  dann  gcniessen  deiner  viele,  dein  geniesst  sicherlich  der 
Arme  und  der  Reiche,  dein  geniesst  der  WoU  und  der  Aar  und 
durchaus  alle  Kreatur!*) 

Aber  so  sollte  es  nicht  kommen,  und  vielleicht  sind  die 
Gründe  dafür,  dass  der  Adel  in  den  nächsten  beiden  Jahrhunderten 
zwar  nicht  das  Bürgertum  -  das  erwies  sich  zu  stark  -,  wohl 
aber  den  Bauernstand,  dem  nun  erst  die  Stunde  seines  Schicksals 
schlug,  tief  herabdrücken  sollte,  nicht  zum  wenigsten  in  einer 
Wandlung  der  Adelssittc,  die  den  entscheidenden  Bestandteil  in 
der  Sittengeschichte  des  Zeitalters  darstellt,  und  die  für  die  Klassen- 
entvicktung  der  neueuropäisdien  Gesellschaft  aller  Folgezeiten  die 
höchste  Bedeutung  hat,  zu  suchen.  Denn  sie  war  nicht  eine  Begleit- 
erscheinung oder  gar  nur  eine  Wirkung  der  damals  erst  in  voller 
Schärfe  vollzogenen  Scheidung  der  Stände,  sondern  eher  eine 
ihrer  Ursachen.  Wie  ein  Adel  entsteht,  wird  erst  dann  recht  er- 
klärt, wenn  man  das  Emporkommen  einer  adligen  Sitte  nach- 
weist Jede  einzige  von  den  Verfeinerungen,  die  damals  die  Form 
des  Lebens  erfuhr,  wurde  eine  Schranke  zwischen  dem  immer 
höher  sich  emporhebenden  Herrenstande  und  den  zurückbleibenden 
Schichten  der  übrigen  Bevölkening.  Der  Kaplan  Andreas  legt 
der  Edeldame,  die  sich  wenigstens  zuerst  der  Werbung  ihres 
bürgerlichen  Liebhabers  widersetzt,  die  höchst  bezeichnenden 
Worte  in  den  Mund;  dass  von  Anfang  Adel  nur  aus  guten  Sitten, 


^  Manlllc,  Zum  Leben  und  Tidbcn  äti  oticrdeulichen  Bauern  im  13.,  14,  u&d 
15.  JahrhVBdat  lOymnu.-Prccr.  Landetkrone  In  B6hmen.  ISOZI  S.  8  ff.,  12;  H>tet- 
•  Unge,  SUdeiitKim  Biuectilcbcn  Im  Mittclittet  ilSfH)  5.  3S  ff.;  diiu  vergl.  Ptcjtltig, 
Bilder  II  {"  1887)  S.  47  H.,  51  lt.;  Scheret.  Ueuliclie  Lileritur  (»  I8M)  S,  313  f(.;  abtt 
du  Motto  der  Pllutidiu'  In  des  Veriatscn  Obmetruns  Lew  man  den  Kidiberidrt  is 
Nittiicfai«  Werken  Xi  <2.  Aug.  igOt  von  HonMfter)  S.  3«. 


aus  Tüchtigkeit  des  Mannes  -  im  Waffenhandwerk,  mag  der 
Hintergedanke  sein  -  und  seiner  höfischen  Art  entstanden  sei.') 
Und  man  möge  nicht  annehmen^  die  so  geschaffenen  Standes- 
unterschiede seien  die  unbedeutendsten  gewesen:  nichts  gräbt  sich 
so  tief  in  die  Gemüter,  als  die  täglich  und  stOndhch  hervor- 
tretende Trennung  in  Haltung  und  Gebärden,  nichts  gibt  den 
Herrschenden  so  viel  Sicherheit  wie  die  Handhabung  aller  klemen 
und  grossen  Künste  des  Lebens,  nichts  dem  Niedrigen  einen  so 
sUrken  Eindruck  seiner  geringeren  Stellung.  Gewiss  die  Formung 
der  Standessilte  kann  nie  der  Anfang  einer  Adetsbtidung  sein, 
und  schon  der  Abschluss  des  eigendich  frühen  Mittelalters  hinter- 
liess  der   um  3150  neu  anbrechenden  Zeit  eine  an  Macht  und 

^ Besitz  starke  herrsdiende  Klasse.  Aber  als  Bindemittel  für  den 
ni  seinen  Jahren  gekommenen  Adel  und  zugleich  als  Bollwerk 
der  AusschliessHchkeit  allen  in  die  Tiefe  Gedrängten  gegenüber 
Bitsste  der  neu  erworbene  Besitz  höherer  Lebenshaltung  aufs 
Mrkste  wirken. 
Empfindung,  Kunst  und  Frauenwerk  stehen  alle  drei  den 
gefühlsmässigcn  Tiefen  der  Seele  näher,  als  alle  Erzeugnisse  des 
Verstandes  und  selbst  des  Staaten-  und  ständebildenden  Willens. 
Sie  aber  waren  hier  vor  allem  mit  ihrer  triebhaften  Kraft  be- 
teiligt, und  eben  deshalb  war  auch  fQr  alle  folgenden  Jahrhunderte 
bis  auf  den  heutigen  Tag  die  ständescheidende  Wirkung  gerade 
dieser  Wandlung  so  gross.  Denn  noch  in  unseren  Tagen  müsste 
auch  eine  Gesellschaftsordnung,  die  jeden  anderen  Nutzen  des 
Adels  für  die  Gesamtheit  fort  zu  beweisen  vermöchte,  in  ihr  den 
treuen  Hüter  und  Bewahrer  gewählter  Lebensform  anerkennen. 
Und  wenn  irgendwo  eine  Rechtfertigung  für  die  mannigfachen 
Bevorzugungen  des  Adels  in  jenem  Zeilaller  selbst  zu  suchen 
tire,  so  müsste  es  auf  diesem  Felde  geschehen.  An  dem  Wert 
des  Kulturguts,  das  da  errungen  wurde,  wird  niemand  zweifeln 
dürfen.  Wer  würde  wünschen  wollen,  dass  unsere  Völker  in  der 
plumpen  Roheit  der  älteren  Zeiten  hätten  verharren  sollen. 
Andrerseits  steht  fest,  dass  nur  die  Sorglosigkeit  einer  besonders 
guten  wirtschaftlichen  Lage  und  mehr  noch  der  Herrenslolz  einer 


■)  Aadteie  De  imore  libri  Ire!  <ed   Trat*»  &  «5. 
Anbv  m  KuIlurEnchicbtt.    I. 


bevorzugten  Klasse  die  Voraussetzung  solchen  Gewinnes  sind. 
In  norwegischen  Bauernhütten  wäre  er  vielleicht  nie,  oder  erst 
nach  Jahrhunderten  eingeheimst  worden,  und  auch  die  Bürger- 
häuser des  späten  Mittelalters  oder  der  Neuzeit  würden  ihn  viel- 
leicht erst  dann  hervorgebracht  haben,  wenn  sich  innerhalb  der 
Städte  eine  irgendwie  ähnliche  Standesteilung,  eine  Adelsbildung 
vollzogen  hätte. 

Für  die  rückblickende  Betrachtung  aber  ergibt  sich  eine 
lelzle  sehr  tröstliche  Erwägung;  was  der  führende  Stand  damals 
crningen  und  nach  Menschen  Art  mit  grosser  Rücksichtslosiglceit 
lange  Zeit  sich  vorbehalten  und  gegen  Bauern  und  Bürger  aus- 
genützt hat,  wurde  schliesslich  doch  Gemeingut,  und  wird  in  einer 
heitreren  Zukunft  noch  viel  mehr  als  es  heute  der  Fall  ist,  Gemeingut 
werden.  Wollte  und  könnte  man  für  jeden  kleinsten  Bestandteil 
der  Formen  unserer  Geselligkeit  einen  geschichtischen  Stammbaum 
nachweisen,  er  würde  zuweilen  auf  die  Parketts  von  Versailles, 
zuweilen  zu  dem  düsler  starren  Zeremoniell  des  spanischen  Hofes 
oder  der  frischen  Anmut  italienischer  Renaissancesitten  führen. 
am  öftesten  aber  7.u  dem  Zeitalter  der  Ritter  und  Turniere,  des 
Minnesangs  und  des  ältesten  Frauenkultus  zurückleiten.  Und  so 
ist  schliesslich,  was  nur  von  einem  Stande  und  für  einen  Stand 
geschaffen  werden  konnte,  derOesamlheit  nutzbar  gemacht  worden. 


je  mehr  wir  gevohnt  sind,  die  soziale  Fürsoi^e  im  MilteU 
^ller  einzig  von  der  Kiiche  gepflegt,  alle  ilire  Massnahmen  auf 
W^Öse  Beweggründe  zurQckgefülirt  zu  sehen,  desto  l)emerkeijs- 
ml.tr  erscheinen  uns  Einrichtungen,  in  denen  einzig  das  Be- 
siitben,  einein  Notstande  abzuhelfen,  zweckmässige  Gestallung 
iiad.  Auch  bei  dem  Beginenwesen  pflegt  dein  religiösen  Element 
an  unverhältnismässiges  Oewicht  beigemessen  zu  werden:  in  der 
Tal  hat  CS  keine  grüissere  Rolle  dabei  gespielt  als  bei  allen  ge- 
nossenschaftlichen Bildungen  der  Zeit  wie  den  Bruderschaften 
der  Handwerker.  Ist  es  doch  ein  reines  Erzeugnis  der  städtischen 
Kultur,  die  von  der  Wurzel  an  antikirchlich  gewesen  ist  Fast 
immer  werden  die  Beginenhäuser  nach  den  Stiftern  genannt, 
iiaien  sie  ihre  Existenz  verdanken,  nicht  nach  Heiligen,  und  die 
StsJimagistratc  traten  einem  Übergreifen  der  geistlichen  Aufsicht 
*ie  bei  den  Hospitälern  stets  entgegen,  wie  denn  die  Beginen 
loch  bedepflichtig  waren. 

Der  Ausgangspunkt  der  weit  verbreiteten  Einrichtung  war 
tin  Notstand,  der  nur  auf  dem  Boden  der  Kultur,  besonders  der 
sfidtischen,  zu  wuchern  pflegt:  die  Unmöglichkeit,  die  weiblichen 
Mi^lieder  der  Gesellschaft  in  der  Ehe  zu  versorgen.  War  doch 
TO  Mittelalter  das  Missverhällnis  der  Geschlechter  weit  schreiender 
i!s  jetEl  wegen  der  zahlreichen  Bedrohungen,  denen  die  öffent- 
liche Unsicherheit  das  Leben  der  Männer  aussetzte,  und  des  Cöli- 
bals  der  zahlreichen  Geistlichkeit  Es  ist  anzunehmen,  dass  die 
starke  Verminderung  des  männlichen  Elements  durch  die  Kreuz- 
züge den   ersten  Anstoss  gegeben    hat    Die  erste  Organisation 

r 


vird  dem  Priester  Lambert  le  Begue  (Sianimler)  zugeschrieben, 
der  1184  zu  Lüttich  eine  Sliftuiig  zur  Versorgung  alleinstehender 
Frauen  ins  Leben  rief.  Durch  diese  Annahme  wfirde  sich  auch 
am  ungezwungensten  die  Entstellung  des  in  den  mannigfachsten 
Formen  auftretenden  Namens  erklären,  wobei  ein  schon  froheres 
Bestehen  derartiger  Institute  nicht  ausgeschlossen  ist.  Auch  später 
werden  nicht  seilen  noch  allgemeine  Bezeichnungen  \rie  Schwestern 
oder  Kinder  verwendet.  Die  besonders  reiche  Entfaltung  und 
zähe  Erhaltung  des  Beginenwesens  in  den  Niederlanden  spricht 
jedenfalls  für  ein  Entstehen  in  dieser  allen  Kulturlandschaft  Auch 
in  Deutschtand,  wo  es  Im  dreizehnten  und  vierzehnten  Jahr- 
hundert seine  reichste  Blüte  sah,  knüpft  es  sich  an  den  Gang  der 
städtischen  Kultur,  treibt  es  die  zahlreichsten  Sprossen  in  den  grossen 
Handclssitzen  des  Westens,  von  denen  Köln  ItDö^  Frankfun  54, 
Strassburg  60,  Basel  30  Beginenhäuser  in  seinen  Mauern  sah, 
und  nimmt  nach  Osten  und  Norden  mit  den  Städten  an  Be- 
deutung ab.  Unter  einer  zu  gesteigerter  Tätigkeit  und  Genuss- 
suchi  gedrängten  Bevölkerung  mussle  die  Unsicherheit  des  weib- 
lichen Geschlechts,  die  das  alte  Strafrecht  so  grell  beleuchtet,  am 
dringendsten  zu  Schutzmassregeln  mahnen. 

Bei  aller  weiten  Verbreitung  lässt  die  Organisation  des  Be- 
ginenwesens eine  grosse  Gleichmässiglceit  erkennen,  die  von  den 
sich  überall  gleich  bleibenden  Gründen  seiner  Entstehung  zeugt 
Stets  sind  es  Vereinigungen  von  Frauenspersonen,  die  sich  in 
einer  Zahl  von  meist  zwei  bis  fünfzehn  zusammengetan  haben, 
um  im  Zusammenleben  Schutz  und  leichtere  Existenzbedingungen 
zu  finden.  Die  Grundlage  dieser  als  Konvente,  Einungen,  Gottes- 
häuser, auch  blos  Häuser  bezeichneten  Vereinigungen  war  regel- 
mässig die  Stiftung  eines  Wohltäters,  doch  waren  besonders  in 
der  altem  Zeit  wohlhabende  Mitglieder  nicht  selten,  deren  Ver- 
mögen der  Gesamtheit  zu  gute  kam.  Machte  die  nach  aussen 
abgeschlossene  Gemeinsamkeit  des  Wohnens  unter  selbstgewählten 
Vorsteherinnen  die  Beginen  allerdings  den  Nonnen  ähnlich,  so 
hatten  sie  doch  ausser  ehrbarem  Wandel  keine  andern  religiösen 
Pflichten  als  jede  fromme  Frau.  Zur  Vermögensverwaltung  pflegte 
der  Rat  ihnen  wie  den  Hospitalern  Beislinde  aus  seiner  Mitte 
zu  verordnen. 


Neben  den  KheinlanJen  ist  das  Beginenwesen  in  den  alten 
siädlischen  Niederlassungen  Sachsen-Thöringens  wenn  auch  nicht 
zu  gleicher  Verbreitung,  so  doch  zu  reicher  Ausbildung  gelangt 
Jedenfalls  weist  es  schon  auf  die  gleiche  Einrichtünig  hin,    wenn 
1238  drei  Schwestern  nebst  der  Tochter  der  einen  und  einer  Magd 
in  Erfurt  als  convivae  und  deo  dscatae  bezeichnet  werden  gelegent- 
lich der  Schenkung  einer  Hufe  an  das  Predigerkloster  unter  Vor- 
behalt   der  Nutzniessung.     Oleicherweise   erscheinen    1257   z«'ci 
sorores  camales  et  habüu  spiriiaks  mit  der  Schenktfng  einer  halben 
Hufe  an  das  Marienslift,  erst  1272  kommt  die  Benennung  Begine 
vor  -  diese  Namensform  ist  die  in  der  Landschaft  gebräuchliche. 
Doch  wird  noch  1274,  1283,  1298  die  Bezeichnung  soror,  swesfer 
gebraucht,  ebenso  1281  zu  Hildesheim. ')    Erst  um  1300  wird  der 
Name  Begine  zur  Regel.     Die  rasch  wachsende  Zahl  der  Neu- 
gxündungen  zeigt,  wie  sehr  der  Gedanke  dem  Bedürfnis  der  Zeit 
«nlsprach.   Eine  poetische  Schilderung  Erfurts  um  1282  nennt  die 
<Iortigen   Beginen   sehr    zahlreich,    1303  erscheint    eine   Begine 
Rjchardis  als  Begründerin  eines  Konvents  im  S.  Paiils-Kirchspiel 
uud  1353  macht  Tile  von  der  Saclisa  dem  Konvent  am  Nunncn- 
sack  (nahe  dem  Predigerkloster]  ein  Vermächtnis.    Der  1281  in 
Hildesheim  genannte  Konvent  {im  hintern  Brühl)  wird  1352,  1356 
der  neue  genannt,  sodass  er  also  schon   bei   jener  ersten  lir- 
tibnung  einen  Vorgänger   gehabt   haben    muss,    in    Halberstadt 
Itel  1302   die  Bezeichnung    mahr  convenius   auf   das  Bestehen 
mehrerer  schtiessen,  und   in  Braunschweig  sind  dem   ersten  1290 
enrähnten  bis  1350  fünf  weitere  gefolgt') 

Ihrer  Herkunft  nach  müssen  die  Insassinnen  dieser  ersten 
Häuser  vielfach  den  höheren  Ständen  angehört  haben,  erscheinen 
sie  ja  gerade  in  den  ersten  Urkunden  als  Schenkerinnen  an  getst- 


^ 


>)  Urlnindaibuch  der  Sladi  Eriuri  ed.  Be>er  1  nr.  in.  16*.  2M,  «6;  Urkiinilen- 
IvcWfl  KlosWTt  l^arltcd.  BQtiiii«  nt.  13S;  Uikundcnbtich  dei  Stadt  KUciMhcim  cd.  Duclinar 
I  »'TTt;  aiu)i  in  Btctncn  »Ird  \Wb.  1268.  1300  santrts,  )27A  baehiita£  gt^braiuM  (tir- 
hridnfcBeh  td.  Efamc*  u.  v.  Bipp«n  I  nr.325,  137.  3SI.  536). 

^  Nimtai  4t  BJbra  carnieii  latirioim  cd.  l'itdict  v.  tUS;  ÜB.  v,  Hi  deilidtii  II 
**•  T%  IM;  ÜB.  V.  Eilurt  1  nr.  MO,  K  nr.  -4«:  Utt.  d.  SUdt  Halbcrslidl  ed.  Schmidt 
*>■  !*■:  Rehiniryct.  KirchenEochichtc  d.  Stiill  BnunichTelc  S.  Iti;  in  Wittnu-  tti  \1«J 
fHcvdHlnmn  dir  Rn)c  (MrldefibiirKitchn  I Irliutiiktibuch  Ul  nr.  1008>,  in  Franiduct  «.>M.. 
>•  tfh  cmm  neckincn  liSO  eeninnl  v^rdm,  ci»  c«  u")  die  Miltc  des  U.  Iihiliundnti 
■UtdoMw  16  KonvMtr.    (Kiiegh,  DcutKliM  Ba(i[crmni  I  S,  lOT,  1M,> 


liehe  Anstalten,  und  ähnliche  Beobachtungen  lassen  sich  auch 
fernerhin  machen.  In  Erfurt  erecheinen  aus  der  Gefrundeti- 
familte  von  Schwerstedt  1301  Margarete,  1308  Irmentrud  und  Oer- 
trud  als  Beginen,  erslere  verpfändet  die  Hälfte  ihres  ererbten  Hofes 
für  25  Pfund  dem  Marienstift,  letztere  kaufen  für  27  Pfund  eine 
Hufe,  1305  verschreibt  der  Pfarrer  der  Miehaeliskirche  setner 
Mutter  und  deren  Schwester,  einer  Begine,  die  Nut^niessung  einer 
halhen  Hufe,  1332  be)<ennt  sich  Markgraf  Günther  zu  Kindelbrück 
als  Schuldner  einer  Begine  Jutta  von  Nordhausen  für  einen  Hufen- 
zins von  sechs  Malter  Kom,  1350  konsentiert  die  Begine  Jutta, 
Tochter  eines  Ritters  Heinrich,  zu  einem  Verkauf  ihrer  Mutter.*) 
In  Halber^adt  überträgt  1306  Schwester  Zacharia  der  Martinikirche 
eine  Bude  gegen  bestimmte  Leistungen  an  ihren  Konvent,  I3I0 
ermahnt  der  Offizial  das  Kloster  Hecklingen,  seiner  Zinsverpflichtung 
gegen  die  Begine  MechthiEd  nachzukommen.*)  In  Mühlhausen  be- 
hält I30Q  die  Begine  Chrisline  von  Scliönstedt  die  Nutzniessunj; 
des  von  ihrem  Vater  dem  Predigerorden  geschenkten  Vermögens, 
ebenso  131 1  zwei  andre  von  Grundstücken,  die  nach  ihrem  Tode 
dem  Antoniusspital  zufallen  sollen,  und  I3I8  verkaufen  zwei  Be- 
ginen  aus  der  Patrizierfamilie  von  Ammern  eine  halbe  Hufe  dem 
Deutschordenshause. 'i  Vorzugsweise  diese  aus  günstigen  Ver- 
hältnissen stammenden  Mitglieder  werden  von  der  Erlaubnis  des 
Austritts  Gebrauch  gemacht  haben,  die  das  Beginenwesen  von  allen 
klösterlichen  Einrichtungen  grundsätzlich  schied.  1318  gestattet 
Er/bischof  Peter  von  Mainz  einer  Erfurter  Malrone,  das  von  ihr 
als  Begine  bewohnte,  jetzt  ihm  gehörige  Haus  weiter  zu  bewohnen, 
1319  schenkt  eine  frühere  Begine  der  dortigen  Barth olomäuskirche 
eine  Hufe  mit  Vorbehalt  einer  Rente,  1328  schenken  zwei  frühere 
Beginen  aus  der  Mühlhäuscr  Patrizierfamilie  von  Seebach  dem 
Deutschordenshaus  eine  halbe  Hufe,  1337  zwei  solche  aus  der 
Patrizierfamilic  von  Bolk&tedt  dem  Kloster  Volkcrodc  einen  Hof, 
1349  vertauschen  drei  leibliche  Schwestern  eine  Hufe.")   Auch  die 


•l   Ua.  V.  Eifurl  1  nr.  49S,  SW,  521,  U  m.  107:  34.1 
•l    L'B.  V.  Hilbmbidt  nr.  313,  Häfienunn,  Codex  difli.  AiOuUt.  111  nr,  221. 
*)    tJikcindrnhitch   ili>r   SUdt    M&hlhxuKn  rd    H«rqii*1  nr.  «0«,  Ö3«,  TM;    HIT  «|. 
«nbrn  in  Worm«  Kvei  Dreinm  Hnf  Hypothek  (UR.  d.  Sbdt  Worm«  m1.  E^xis  II  nr   IZS) 
')    tJR.  <fln  r'ifuil  I  iir    tiV).  tU;  ÜB.  von  MQhthiuKn  nr,  SIT,  SQ7.   \t)\f> 


nicht  seltenen  Beslimmungen  der  Statuten  über  den  völligen  oder 
leilwcisen  VermögensvcRJchl  einer  aiislretenden  Begine  zeigen, 
wie  man  mit  dem  Vorhandensein  von  Vermögen  rechnete. 

Haben  unter  solchen  Unisländen  besonders  in  der  altem 
Zeit  einzelne  Häuser  einen  exklusiven  Charakter  angenommen, 
«ovon  sieb  in  Strassburg,  Frankfurt,  Wesel  Spuren  finden,  so 
Kegf  es  doch  in  der  Natur  der  Sache,  dass  bei  den  Stiftungen 
mehr  und  mehr  mit  der  Armut  der  Aufnmehmenden  gerechnet 
wurde.  Es  war  dies  um  so  wesentlicher,  je  mehr  die  wachsenden 
Ansprüche  der  Klöster  diese  nur  den  Töchtern  der  Wohlhabenden 
2i:gängHch  machten;  riafiir  boten  aber  die  Beginenhäuser  nicht 
die  Aussicht  auf  ein  sorgenloses  Dasein,  sondern  legten  die  Ver- 
pfiiditung  zur  Arbeil  auf.  Die  oben  genannte  Erfurter  Urkunde 
von  1257,  wahrscheinlich  von  zwei  Begincn  ausgestellt,  bezeichnet 
die  von  ihnen  geschenkte  halbe  Hufe  als  durch  ihrer  Hände  Ar- 
beil erworben.  Allgemein  befolgte  man  den  Grundsatz,  den  die 
Statuten  eines  Konvents  zu  Wesel  1309  aussprechen:  Die  Auf- 
zunehmende solle  Vermögen  besitzen  oder  eine  Kunst  verstehen.  ^ 
Als  solche  bot  sich  am  naiürliciislen  die  von  Alters  her  eine  Do- 
mäne der  Krauen  bildende  Textilindustrie.  Wie  wir  Überall  im 
zAnftigcn  Weberhandwerk  Frauen  tätig  finden,  meist  als  Lohn- 
arbeiterinnen, nicht  seilen  aber  auch  selbständig,  so  tritt  das 
Spinnen  und  Weben  als  ständige  Beschäftigung  der  Beginen  auf. 
Konnte  ihnen  dieselbe  zum  eignen  Bedarf  nicht  verwehrt  werden, 
so  führte  dagegen  der  Handel,  den  sie  mit  dem  darüber  hinaus 
Produzierten  trieben,  frühzeitig  zu  Streitigkeiten  mit  der  Zunft 
gerechtsame,  ähnlich  wie  der  mii  eigenem  Gewächs  betriebene 
Weinschank  der  Geistlichkeit  fortdauernd  einen  Zankapfel  bildete. 
Mit  Rücksicht  auf  den  von  den  Beginen  betriebenen  Handel  mit 
U'otlenwaren  gestaltete  1282  Erzbischof  Werner  von  Mainz  dem 
Erfurter  Rat,  sie  zu  den  bürgerlichen  Lasten  heranzuziehen,  und 
die  erwähnte  gleichzeitige  Schilderung  des  Nikolaus  von  Bibra 
weiss  gleichfalls  davon  zu  sagen :  Jeiamtnt,  vigüant  et  lanm  stamina 
fiüuit.  Dieser  Handel  muss  eine  ziemliche  Ausdehnung  gewonnen 
haben,  denn  1332  wird  von  den  Tiichabfallen  der  Gewandschneider 

^    HtUtmanu,    Die   Tkgiilnwhliiwr  W«tcli    (Zichr.    d.    Bcrgliclm  Ondiiehtt- 
)»7  S.  94>. 


und  Beginen,  die  wieder  zur  Fabrikation  venrendet  werden,  ein 
Zoll  erhoben,  den  das  s.  g.  Bibrabüchlein  unter  die  main^ischen 
Gefälle  rechnet.  Den  Würzburger  Beginen  wurde  1293  der  Handel 
mit  selbstgewebten  Stoffen  vom  Bischof  freigegeben  und  in  dem- 
selben Jahre  bei  dem  Beginenhaus  in  Wismar  ein  Bleichplatz  er- 
wähnt, wie  er  bei  den  niederrheinischcn  Beginenhäusern  die  Regel 
bildet.  Dagegen  untersagle  1321  der  Rat  von  Zerbst  den  Bcgineo 
Tuchweberei  und  -ausschnitt ") 

Unbestrittener  als  diese  gewerbliche  Tätigkeit  blieb  das  Ge- 
biet der  Krankenpflege.  Sie  übten  diese  teils  den  Diakonissinnen 
vergleichbar  in  den  Häusern  aus,  wie  es  aus  Frankfurt  und  Worms 
überliefert  ist,  teils  bildeten  sie  das  ständige  Pflegepersonal  der 
Spitäler.  So  werden  in  Goslar  1274  und  1295  Beginen  als  wohn- 
haft im  Ludwigsspital  erwähnt,  und  das  gleiche  ist  anzunehmen, 
wenn  1309  ein  Freibcrger  Bürger  eine  Jahresrente  an  das  Spital 
und  eine  Beginc  schenkt.  Das  1351  za  Braunschweig  gegründete 
Spital  S.  Jodoci  hatte  Beginen  als  Pflegerinnen,  und  in  Hildesheim 
wird  später  als  eine  ihrer  Niederiassungen  das  Joliannisspital  ge- 
nannt Daneben  wird  auch,  z.  B.  in  Wesel,  erwähnt,  dass  sie  sich 
armer,  besonders  verwaister  Mädchen  angenommen  hätten.  ^) 

Da  den  Beginen  nur  sittliche,  keine  besondere  Ordens- 
pflichten  oblagen,  waren  ihre  Statuten,  besonders  in  früherer  Zeit« 
sehr  einfach.  Zu  den  ältesten  erhaltenen  gehören  die  des  von 
dem  Wormser  Bürger  Gudelmann  gestifteten  Hauses  von  1288, 
die  Braunschweiger  von  1290,  die  Halberstädter  von  1302  und  1316. 
die  Hildesheimer  von  1326,  die  Weseter  von  1309  und  1326.'^) 
Teils  von  den  Stiftern  unter  Konsens  der  Stadtbehörden,  teils  von 
den  geistlichen  Autoritäten,  vornehmlich  den  Bischöfen  erlassen, 
pflegen  sich  diese  altern  Ordnungen  kurz  über  die  Eigentums- 
verhältnisse und  das  Zusammenleben  der  Schwestern  zu  ver- 
breiten.   Strenge  Gemeinsamkeit  des  Besitzes,  die  sich  meist  auch 

'i  Un.  von  r.rlurt  I  nr.  325;  Cai-nun  uitiritttm  r.  1614;  Kixchlioff.  Die  ältcilen 
'VdMUaCT  der  Stadi  Erfun,  1170  5.  113;  Roit,  B«evincn  \m  FflnUnlum  WQT7bai|[,  18«1> 
S.3Z;   McklmliurB   ÜB.  lU  nr.  »17:  Pctn  BcchcrtChroiilk  von  Zcrbsl  cd.  KJiidKli«  S.IIO 

■)  Urkundcnbucb  il.  Stidl  Oo«lar  cd.  Bode  II  nr.  ^»3.  «ei;  Urknndcnbuch  d.  Sudt 
FrribCTS  «d.  EnniKh  iCod.  dipl.  $axoH.\  1  nr.  »:  Dfine.  Owdikhk  der  SUdt  Braun- 
tdiwrig  S.  S06,    Hcidcmann  a.  a.  Ü.  S.  87. 

»)  ÜB.  V.  WonitE  I,  X>üm  L  a.  O.  S.  5«,  ÜB.  vtn  HalbcnUdC  nr.  294,  W». 
ÜB.  VOB  KUdnheim  1  nt.  374,  771;  Heldcmvin  a.  i.  O,  S.  03,  91. 


Dm  ßegincnwcsen  der  siclisisch-tlifmngischen  Lande  elc.         41 

auf  das  Vermögen  der  Austretenden  erstreckt,  wird  eingeschärft, 
und  die  stets  wiederkehrende  Ermahnung  zur  Friedfertigkeit  nebst 
Androhung  der  Ausstossung  zeigt,  wie  deutlich  man  die  Gefahren 
des  gemeinsamen  Haushalts  erkannte.  Auch  auf  die  Abwendung 
sittlicher  Gefährdung  war  man  früh  bedacht,  wie  es  die  erwähnte 
Erfurter  Schilderung  ausspricht: 

DicUe  begine:  soror  esto  dornt,  quia  Dine 
Si  dam  sedisset,  noit  vis  iUata  fuisset 
Sed  nee  aähuc  ßerei,  quod  virginitate  carertt.  ") 
Die  Ausgänge  der  Schwestern  und  das  Betreten  des  Hauses 
durch  Männer   unterlagen  daher  strenger  Kontrolle.    Zur  HancJ- 
liabung   der    Disziplin    war    eine   Vorsteherin    unter    dem    Titel 
Meisterin  bestellt,  welche  die  Hausgenossinnen  in  der  Regel  selbst 
vählten,   wie  sie  sielt  auch  durch  Kooptation  ergänzten.    Trotz 
aller  Vorsichtsmassregeln  waren  ärgerliche  Vorgänge  nicht  zu  ver- 
hüten,  und  schon   1244  griff  eine  Synode  zu  Fritzlar  zu   dem 
drastischen  Mittel,    die  Aufnahme  von  Schwestern    unter  vierzig 
Jahren  zu  verbieten,   *ovon  der  Frzbischof  von  Mainz  12QI  die 
Frankfurter  Häuser  ausdrücklich  cnlband.    Die  Schilderung  frci- 
licb,  welche  der  Erfurter  Kleriker  Nikolaus  von  Bibra  von  den 
dortigen  Zuständen  entwirft,  entstammt  in  ihrem  pastosen  Farben- 
auftrag wohl  grossenteils  seiner  auch  sonst  bekannten  Neigung  zu 
behaglichem  Cynismus.  ")    Nachdem   er  das  eingezogene  Leben 
der  frommen  Beginen  gepriesen,  geisselt  er  die  andern,  die  sich 
iiinhertreiben,   auf  dem  Markte,    in  den  Klöstern   und   in  Gesell- 
schaft der  Schüler  zu  finden  sind : 

//«■  declinarr  discant  et  tnetm  pamre 
Sed  neqae  spondeam  curant  nee  habere  trocheum 
Tertias  anciUis  taniam  pes  congntit  Ulis. 
Hoc,  bene  si  recolo,  cudant  pede  carmina  soio. 
Wenn  er  des  weiteren  auch  vor  der  Ausmalung  der  Folgen 
-  Aussetzung  und  Kindesmord       nicht  zurückschreckt,  so  stand 
«■  mit  solchen  Anschauungen  keineswegs  vereinzelt  da,  denn  eine 
ileiehzeitige  Satire  bemerkt  mit  drastischer  Trockenheit: 


")    CarmtH  Utir.    t.  12M,    itOS,   Vomde   S- 21,    Ced.  ttipt.  Mte>i«Jhiitt^  ed. 
ßttwS.  »2, 


i 


Vix  eäam  quevis  steriUs  nperitur  m  Ulis 
Donec  eis  etas  taiia  passe  negat. 

Indessen  waren  es  keineswegs  diese  wie  es  scheint  doch  nur 
ausnahmsweise  hervortretenden  sittlichen  Mängel,  welche  im  vier- 
zehnten Jahrhundert  die  Obrigkeiten  zum  Vorgehen  gegen  die 
ßeginenhäu&er  veranlassten,  sondern  vielmehr  ihre  selbständige 
Stellung  gegenüBer  der  Kirche.  Von  Anbeginn  halten  ihre  An 
gehörigen  zwar  auf  strenge  Erfüllung  der  kirchlichen  Pflichten 
gehalten,  der  Gei&ttichkeit  gegenüber  aber  durchaus  ihre  Unab- 
hängigkeit gewahrt  und  dabei  die  Unterstützung  der  Kommunal- 
behörden gefunden.  Wurzelten  doch  diese  Anstalten  recht  eigent- 
lich in  städtischem  Boden,  von  reichen  Bürgern  gestiftet  und  7U 
Zufluchtsstätten  für  Stadtkinder  bestimmt  Es  findet  sich  daher 
auch  nirgends  eine  besondere  Ordenstracht  der  Bcgincn,  denen 
nur  die  äusserste  Einfachheit  geboten  war,  wie  sie  sich  bei  der 
häufigen  Verwendung  selbs^efertigter  Stoffe  von  selbst  verstand. 
Die  Bezeichnung  graue  oder  blaue  Schwestern  weist  auf  Bevor- 
zugung dunkler  Farben,  daneben  werden  weisse  Kopftöcher  er- 
xpähnL  Zunächst  fand  sich  die  Kirche  mit  dem  ab,  was  Ihr  ein- 
geräumt wurde.  Die  Magdeburger  Synodalstatuten  von  I26b 
fordern  von  den  Beginen  nur  Gehorsam  gegen  den  r*farrer  ihrer 
Parochie  gleich  den  übrigen  Pfarrkindern  —  ein  Beschluss,  auf 
welchen  noch  1295  Bischof  Bernhard  von  Meissen  die  Pfarrer 
seiner  Diözese  hinweist.  Bischof  Siegfried  II  von  Hildesheim 
nimmt  1281  'den  dortigen  Konvent  Meienberg  in  seinen  Schutz 
und  sein  Nachfolger  Otto  II,  nennt  dessen  lns;issen  1326  diledae 
in  Christo  fiUae. ") 

Der  innere  Grund  für  die  Verfolgungen,  denen  wir  die 
Beginen  kirchlicherseits  im  vierzehnten  Jahrhundert  wiederholt 
ausgesetzt  sehen,  war  wohl  die  Verschärfung  des  VerEiältnis&es 
zwischen  Klerus  und  Bürgerschaft,  deren  jeder  seine  Interessen- 
sphäre auf  Kosten  des  anderen  zu  erweitem  strebte.  Mit  zu- 
nehmender politischer  Reife  wollte  die  Stadigemeinde  nicht  mehr 
eine  Sonderexistenz  in  ihrer  Milte  dulden,  daher  die  Bemühungen, 
der  toten  Hand  zu  wehren,  den  Klerus  zum  Ungcld  heranzuziehen, 

»I  Lanl£.  Reictuarchiv  XX  S.  3»,  Urkurtdmbuc}i  dn  Hochniftt  Mducn  «I.  Ocn- 
dorl,  Cprf.  d^l.  Sa*.  1  »[.  317.  L'B.  *.  HlMetheim  I  nr.  r4,  771. 


äbrr  Kirchenvermflgen  und  Schule  sich  die  Kontrolle  zu  sichern. 
Oefien  die  ßeginenliäuser,  die  vom  Rat  geschützten  und  in  breiten 
Kreisen  volkstümlichen,  bot  eine  Handhabe  der  gefährliche  Vor- 
uiirf  der  Ketzerei.  Allerdings  mussten  in  Zeilen,  da  alles  geistige 
Letttn  nach  der  religiösen  Seite  gravitierte,  diese  abgesclilossenen 
VereinigJingen  religiös  gerichteter,  aber  durch  keine  Regel  ge- 
bundener Frauen  allen  Gefahren  des  Konvcntrkelwesens  ausgesetzt 
sein.  Die  schwärmerische  Mystik,  welche  damals  die  Gemüter 
beherrschte,  mussic  bei  der  geringen  Bildung  der  Mehrzahl  einen 
tmklaren  Charakter  annehmen  und  dem  Einfluss  von  allerlei  nicht 
immer  unbedenklichen  Sekten,  wie  der  Brüder  des  freien  Geistes, 
den  Boden  bereilcn.  Kaum  aber  hätten  bei  dem  zurückgezogenen 
Leben  der  Beginen  diese  Beobachtungen  zu  einem  so  schroffen 
Voi^hen  gegen  sie  geführt,  wenn  man  sie  nicht  mit  den  Be- 
^rden  zusammengeworfen  hütte,  die  weit  später  auftauchend  und 
ungleich  geringer  an  Zahl,  gleichgerichtete  Vereinigungen  von 
Männern  darstellten.  Keineswegs  in  dem  Masse  wie  die  Schwestern 
einem  sozialen  Bedürfnis  entsprechend,  sind  sie  weit  häufiger  auf 
Abwege  geraten;  wir  hören  Klagen,  dass  sie  im  Lande  umherzogen 
und  in  heimlichen  Versammlungen  ihre  Irrlehren  vortrugen,  so- 
dass man  Idrchlicherseits  dahin  gelangte,  sie  als  ketzerische  Sekte 
gleich  andern  zu  betrachten.  Von  dieser  Auffassung  geleitet  ver- 
dammte Papst  Klemens  V.  auf  dem  Konzil  zu  Vienne  die  Irrtümer 
der  Begarden  und  Beginen.  Danach  lehrten  sie,  dass  der  Mensch 
Khon  m  diesem  Leben  zu  solcher  VoElkommenheit  gelangen 
könne,  dass  er  nichl  mehr  zu  sündigen  vermöge  und  dem 
Körper  gestatten  dürfe,  was  ihm  gefiele;  der  Kuss  einer  Frau  sei 
Todsünde,  der  Geschlechtsakt  aber  nicht,  weil  zu  jenem  die  Natur 
nicht  neige,  wohl  aber  zu  diesem.'*)  Indessen  war  sich  die  Kurie 
*ohl  bewusst,  dass  solche  Ausartungen  einzelner  der  grossen 
.Mehrzahl  nicht  zum  Vorwurf  gemacht  werden  konnten,  und  Papst 
Klemens  V.  wie  Johann  XXII.,  als  er  I3I6  die  Konzilsbeschlüsse 
von  Vienne  verkündigte,  nahmen  ausdrücklich  diejenigen  Beginen 
die  ehrbar  lebten  und  der  Kirche  Achtung  erwiesen.  Es 
im  überall  darauf  an,  ob  sich  tn  den  einzelnen  Landschaften  die 


■n  1(1  Wits^,  UikundUche  MiMdluni[tn  Gbcr  die  Bt^hincn-  und  ScglurdtnhlaKr 
n  RMiacb.    18R. 


J 


r 


Neigung  und  die  Macht  und,  von  der  gebotenen  Waffe  Gebrauch 
zu  machen,  und  das  wird  naturgemäss  da  der  Fall  gewesen  sein, 
wo  eine  grössere  Anzahl  der  Angefeindelen  die  Opposition  heraus- 
forderte. Dies  war,  wie  wir  gesehen  haben,  in  Niedersachsen 
und  Thüringen  der  Fall,  und  es  sind  daher  auch  Verfolgungen 
bezeugt  Zum  Jahre  131Q  berichtet  die  Magdeburger  Schftffcn- 
chronik:  utn  dissem  jare  verbannede  man  die  beginen  iinde 
baggarde,  des  nenien  orer  vele  knechte  und  man,  de  vor  kusch- 
heit  hatten  gelovet.'*)  Man  scheint  sich  also  mit  der  Auflösung 
der  Konvente  begnügt  und  diese  nicht  sonderlich  nachhaltig  be- 
irieben zu  haben,  da  fünfzig  Jahre  später  der  Übereifer  eines 
Ketzerrichters  auf  demselben  Boden  neue  Nahning  fand.  Es  war 
der  Erfurter  Dominikaner  Walter  Kerlinger,  der,  vom  Papste  dazu 
besteiK,  in  seiner  Heimat  eine  erbitterte  Verfolgung  gegen  die 
vermeintlichen  Ketzer  ins  Werk  setzte.  Im  Jahre  I36S  liesscn 
sich  nach  der  Erzählung  in  Delmars  Chronik  von  den  vierhundert 
in  firfurt  lebenden  zweihundert  zum  Austritt  bewegen,  die  andern 
verfielen  dem  Bann  und  der  Vertreibung,  zwei  Begardcn  wurden 
verbrannt.  Mit  gleichem  Erfolge  setzte  der  Inquisilor  nebst  drei 
Ordensbrüdern  seine  Tätigkeit  in  der  magdeburgischen  und 
bremischen  Kirchen provinz,  den  thüringischen,  sächsischen  und 
hessischen  Landen  fori  In  Eisenach  verlieh  im  selben  Jahre  der 
Landgraf  Friedrich  Balthasar  und  Wilhelm  das  Haus  Tabernakel 
in  der  nach  ihnen  benannten  Nonnengasse,  »daraus  der  Konger 
-  offenbar  verderbt  aus  Kerlinger  ,  der  Kelzermeister  die 
Beginen  hat  vertrieben,"  einem  Pfeifer.  Das  Jahr  darauf  soll 
nach  Korners  Bericht  der  fanatische  Mönch  zu  Nordhausen  sieben 
Ketzer  haben  verbrennen  lassen  und  über  dreissig  Bussen  auferlegt 
haben.  Kaiser  Karl  IV.  war  mit  seiner  Wirksamkeit  so  zufrieden, 
dass  er  ihn  in  einer  am  10.  Juni  1369  zu  Lucca  ausgestellten 
Urkunde  ermächtigte,  die  Häuser  der  ßegarden  zu  Untei-suchungs- 
gefängnissen  zu  verwenden,  die  der  Beginen  lu  veräussern,  teils 
den  Inquisitoren,  teils  den  Armen  zum  Besten.")  Oanz  andeis 
als  die  höchste  kirchliche  und  staatliche  Autorität  war  aber  offen- 
bar die  Volksmeinung  gesonnen.    Sie  klingt  aus  der   Erfurter 

^  Mas^buratt  SchAfIciK-hronIk  ed.  I>mcfc«,  Seile  1T4. 

•)  I harinipwJie  Zcilichrifl  IV,  S.  327,  Wiager  ».  i.  O.  Anhang. 


Das  Beginenwesen  der  s3cfasisch-thiiritigische'n  Lande  etc.  45 


I 


S.  Peterschronik  wieder,  die  Pabst  Clemens  auf  seinem  Sterbe- 
bette 1314  sein  Vorgehen  bereuen  lässt,'*)  und  Detmar  bemerkt  an- 
iässÜch  der  Verfolgung  von  1368  gradezu:  »De  lüde  Heiden  mer 
von  en  dan  van  aller  geistÜken  achte;  des  wart  men  wol  war, 
Jo  men  se  vorhorde." 

An  ihrer  Volkstümlichkeit  fanden  die  Bcginenkonvente  den 
Rückhalt,  der  sie  die  Stüirme  der  Verfolgung  überdauern  liess. 
Der  sicherste  Beweis  dafür  ist,  dass  fortwährend  neue  Häuser 
stiftet  wurden;  aber  innerhalb  derselben  scheint  sich  eine  Ver- 
liebung  derart  vollzogen  zu  haben,  dass  sie  ausschliesslich  zu 
Armenversorgungsan stalten  wurden.  I3QQ  wurde  zu  Neustadt  a.  H. 
ein  Beginenhaus  ausdrücklich  für  arme  Schwestern  gestiftet,  die 
um  Brod  gehen  und  am  Rocken  spinnen  sollten/O  und  der 
Lübecker  Totentanz  von  1496  lässt  die  Regine  sprechen:  Do 
mtne  vrunde  my  nicht  konden  ryke  beraden,  do  niakeden  se  van 
my  eine  baghinen.  Durch  die  fortgesetzten  Zuwendungen  von 
Wohltätern  bei  festgelegter  Mitgliederzahl  gelangten  trotzdem  die 
Konvente  nicht  selten  zu  behaglichem  Wohlstande,  was  bei  dem 
Machlasscn  der  strengen  Lebensweise  zur  Entartung  führte,  sodass 
die  Reformation  ohne  besonderen  Widerstand  mit  ihnen  auf- 
räumen konnte. 

Zwar  hatte  man  es  päpstlicherseits  wie  nach  der  ersten  Ver- 
folgung für  nötig  befunden,  den  Übereifer  zu  zügeln,  und  in 
zwei  Bullen  von  1374  und  1377  nahm  Gregor  XI.  die  ..Armen 
beiderlei  Geschlechts™,  welche  durch  sittliche  und  religiöse  Führung 
keinen  Anstoss  erraten,  in  Schutz  und  beFahl  den  Bischöfen,  sie 
nicht  wegen  ihrer  Kleidung  belästigen  zu  lassen.")  Indessen 
scheint  doch  das  Vorgehen  des  Erfurter  Dominikaners  in  Sachsen 
und  Thüringen  dem  Institut  die  Wurzeln  abgegraben  zu  haben 
-  die  Nachrichten  werden  spärlicher,  vor  allem  in  Erfurt  selbst, 
und  nur  die  Hildesheimer  Häuser  scheinen  einigermassen  die 
frühere  Bedeutung  gewahrt  zu  haben.  Es  bestanden  dort  bis  jeden- 
falls Ende  des  fünfzehnten  Jahrhunderts  der  alte,  der  neue  Konvent 
und  der  im  johannesspita).  Sie  scheinen  sich  in  günstiger  Ver- 
mögenslage befunden  /.u  haben,  denn  in  allen  dreien  erwerben 

<^  Mmium.  Efpbr^fiui.  ed.  Holder-Eüxer. 

*^  RcBlInc,  Utknndcnbueh  der  BiKhüfc  tu  Speytt  1  nr.  CT9. 


■« 


F 


46  G«ocg  Liätc 


Mitglieder  Leibrenten,  1422  im  ersten,  1448  im  zweiten,  I4Ü4,  1419. 
1464  im  dritten.  Auch  mit  der  geistüchen  Oberbehörde  haben 
sie  sich  zu  stellen  gewusst,  1442  erteilt  Bischof  Magnus  Ablas» 
für  die  zur  Ausbesserung  ihres  Hauses  Beisteuernden.")  In 
Halbcrstadt  erwähnt  1442  ein  Vermächtnis  auch  Schwesteni,  ver- 
mutlich Beginen,  und  1465  verträgt  sich  das  HaulssUft  mit  dem 
Rat  und  den  Beginen  über  Wiesen  in  der  faulen  (jetzt  Pfahl-> 
Q&sse.  In  Magdeburg  wird  im  fünfzehnten  Jahrhundert  noch 
eines  Beginenhauses  in  der  Jakobsirasse  Erwähnung  getan,  von 
dem  sonst  nichts  bekannt  ist,  in  Halle  lag  ein  solches  1408  hinter 
dem  Predigerklostcr'") 

Soweit  die  spärlichen  Nachrichten  Schlüsse  zulassen,  scheinen 
die  Beginen  ihre  hergebrachten  Beschäftigungen  beibehalten  zu 
haben;  sie  werden  1408  in  Halle  Klunkemonnen  genannt,  weil 
sie  sich  dürftig  mit  äpinnen  nährten  und  eine  1465  von  den 
dortigen  Webern  erhobene  Beschwerde  wegen  Oewerbschmälerung 
nennt  zwar  die  Schwestern  von  der  dritten  Regel  des  heiligen 
Franziskus,  aber  eben  diese  haben  die  Beginen  vielfach  angenommen. 
Ahnliche  Beobachtungen  lassen  sich  anderswo  machen.  1527  be- 
stätigt Kardinal  Albrecht  die  Stiftung  eines  Beginenhauses  zu 
Aschaffenburg  mit  der  Erlaubnis  zwei  Webstühle  zu  halten,  da- 
gegen wurde  den  beiden  Beginen klausen  zu  Friedberg  das 
Weben  im  sechszehnten  Jahrhundert  untersagt*")  Ihre  Tätigkeit 
als  Krankenpflegerinnen  ist  ausdrücklich  bezeugt  im  Hildesheimer 
Johannisspital;  sie  sollen  über  vierzig  sein  und  gleiche,  nicht 
grüne  oder  rote  Kleidung  tragen.  In  den  eraähnten  Aschaffeu- 
burger  und  Friedberger  Ordnungen  ist  dafür  eine  bestimmte 
Taxe  vorgesehen:  12  Pfennige,  bezw.  ein  Turnos  für  Tag  und 
Nacht  In  Breslau  waren  dafür  3  Groschen  und  die  Kost  an- 
gesetzt Naturgemäss  schloss  sich  an  diese  Aufgabe  die  weitere, 
die  Verstorbenen  zu  geleilen,  mit  der  wir  die  Beginen  schon  früh 
betraut  finden.  Wohl  hierauf  bezieht  sich  die  drastische  Mit- 
teilung aus  Freiberg,  wonach  zwei  Büi^er  in  Strafe  genommen 


'^  ÜB.  von  HiMnlidm  lEI  nr.  102S  IV  nr.  695.  111  nr.  127,  6ST;  Slailunrhi« 
HuRDVET,  ÜomfUlt  hiltlnhirlm  UKW;  ÜB.  von  HlliloticJm  IV  itr.  »9. 

•^  ÜB.  von  H.ll«r»udl  m.  VU.  1017,  MajEiItburipi  OwchichWbläJt«  11  5,  26,  *6T. 

^  St.  A.  Mtetleburc  emtltl  A  II  150.  May,  Kaidiiul  Albmhl  1.  bcilact  iU, 
Vlnilhaiii  Kirche  und  Schul«  tu  FtiMiberg  (Ardiii  1.  hn*.  Oe*ch.  I8M.) 


* 


> 


I 
I 


werden,  weil  sie  die  Bcgiricn  «den  hunUlegern  (Schindern)  gc- 
glichel  haben.'")  Von  Euienspiegel  berichtet  das  Volksbuch  von 
1515,  dass  er  zu  Mölln  im  Spital  zum  heiligen  Geist  von  Begincn 
gepflegt  und  begraben  worden  sei,  vor  seinem  Ende  aber  noch 
eine  geärgert  und  befriedigt  gesagt  habe:  «Es  Ist  keine  Begine  so 
andächtig,  wenn  sie  zomig  wird,  so  Ist  sie  ärger  als  der  Teufel." 
Die  Neigung  der  Zeit  zu  derbem  Spott  hat  den  Gedanken- 
gang, der  im  Hlldcsheimer  Johannesspital  zu  der  Forderung 
vierzigjähriger  Pflegerinnen  führte,  mit  Vorhebe  weiter  ausgc- 
sponnen.  Geiler  von  Kaisersberg  meint:  es  ist  ein  misbrauch, 
das  die  jungen  beg^'ncn  zu  den  siechen  gond,  ja  der  siech  tut  inen 
not,  CS  ist  war,  ist  die  frau  siech,  der  man  ist  aber  nit  siech, 
ist  der  man  siech,  der  knecht  in  dem  hus  ist  nit  siech  oder  der 
Vetter,  der  zu  siechen  gat  und  kumpl  lugen,  wie  er  lebe,  eic  gond 
ouch  etwan  usz  essen,  es  were  besser,  du  schicktest  inen  heim, 
es  soll  den  slab  nieman  an  sich  nemen  under  den  frawen,  sie 
wer  denn  vierzig  jar  alt,  wicwol  ctlich  sprechen  sechzig  jar.  Noch 
deutlicher  ist  der  grobe  Mumcr  in  der  Narre nbeschwörung; 
noch  bLibi  sie  dannocht  ein  begin 
und  laszt  sich  schelten  junkfrow  drin. 
imd  im  Lutherisch  Narr: 

ich  kann  mich  weder  heben,  legen 
und  nit  ein  glid  am  leib  me  regen 
ach  bestel  mir  doch  ein  starke  begein, 
doch  üasz  sie  müsz  ein  junkfraw  sein. 
Dass  die  Ordnungen  der  Häuser  immer  eingehender  werden, 
ist  als  günstiges  Zeichen  für  die  Eni^ricklung  des  innem  Lebens 
nicht  anzusehen.    Gab  doch  1393  Bischof  Gerhard  von  Hildes- 
beim   dem   alten  Konvent  eine  solche  gradezu  zur  Beseitigung 
vieler  Zwietracht    Danach  war  es  schon  nötig,  die  Aufnahme  be- 
rüchtigter Frauen,  solcher  mit  kleinen  Kindern,  sowie  Aussätziger 
ZU  verbieten.    Wenn  in  der  Bestätigung  der  Satzungen  des  neuen 
Konvents  von  1401  durch  Bischof  Johann  III.  den  Ausgestossenen 
untersagt  wird,  Oeldforderungen  zu  erheben,  so  weist  das  auf  ein 
nicht  seltenes  Vorkommnis  hin.    Auch  sonst  kehrt  die  Ermächti- 

^  UB.   von  HHdcdi«iin  n*  nr.  391,  SchuU,  Topogniphic  Bmlut  (ZdbchrHt  f. 
wkln.  OcKk.  X),  UR.  «nn  Freibeit  HI. 


4S  aeoi:K  Liebe. 

giing  nir  Ausweisung  unfriedlicher  oder  unsittlicher  Elemente 
und  das  Verbot  heimlichen  Verkehrs  ausser  dem  Hause  regel- 
mässig wieder.  Auch  der  Tracht  schien  es  jetzt  rötig  Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden.  Des  Verbots  für  die  Beginen  des  Hüde»- 
heimcr  Johannisspitals,  rot  und  grün  zu  tragen,  war  schon  oben 
Erwähnung  getan,  die  Lübecker  von  143S  verbietet  das  Tragen 
von  Mänteln  mit  Kragen,  mit  denen  man  viel  Luxus  zu  treiben 
pflegte,  und  schrieb  dafür  Tücher  vor,  ebensolche  als  Kopfbe- 
deckung.'*) Was  die  Koketterie  auch  aus  der  Beginentracht 
machen  konnte,  darauf  deutet  Lauremberg  in  seinem  zweiten 
Scherzgedicht: 

De  Börgerk-inder  cvcn  in  sölker  minen 
Gehn  nu  als  de  verlopene  Kl  oster- Beginen. 
Auch  die  bei  dem  Zusammenleben  grossenleils  ungebildeter 
und   müssiger   hYauenspersonen    unvermeidliche    Ausartung   des 
Unterhaltimgslriebes    hat   frühzeitig   Würdigung   gefunden.     Der 
Lübecker  Totentanz  hält  der  Begine  vor: 

Krichstu  wat  to  weten  gystern  effte  huede 
Wo  drade  kumpt  dat  voert  niank  de  luede. 
«Begincntand  und  Altfrauenschnack"  ist  eine  Redensart  vom 
Ende  des  sechzehnten  Jahrhunderts,  und  eine  Weseler  Ordnung 
ging  sogar  soweit,  das  Schweigen  innerhalb  des  Hauses  vorzu- 
schreiben.*")    Das  bewog  wohl  auch  Braut  zu  dem  Wunsche: 
Ach  werent  sy  zu  Portugall 
Ach  werents  an  derselben  statt, 
Do  der  pfeffer  gewachsen  hat! 
Je  mehr  in  veränderten  Zeiten  das  Beginenwesen  überflüssig 
wurde,   desto  mehr   schärfte  sich   der  Bück  für  die  Mängel  der 
Einriditung,    und  die  Trägerin  des  einst  ehrwürdigen,   zeit«'eilig 
angefeindeten  Namens  wurde  zur  komischen  Figur  um  so  leichter, 
da  die  letzten  Beginenhäuser  als  Altersversorgungsanstalten  fort- 
dauerten.   So  wird  in  Halberstadt  noch  1794  ein  Hospital  zu  den 
blauen  Beginen  erwähnt,  gestiftet  für  zwölf  alle  Frauen,  die  blaue 
Kleidung  trugen.   Als  der  Kardinal  Lang,  Erzbischof  von  Salzburg 


"j  UB.  V.  Hildaheim  U  rr.  763,  lli  nr    13,  ÜB-  der  SUdt  Lübeck  IX, 
*i  Bnnt,  Bdinfc  mr  BorbtitiuiK  aller  HuidscIirKtcn  ff.  1802.    S.  350 1  H«ide- 
maus  ■.  a.  O. 


Das  B^nenwesen  der  sächsisch-thüringischen  Lande  etc         49 

und  vertrauter  Ratgeber  Maximilians  I.,  auf  der  Augsburger  Fast- 
nacht sich  als  Begine  verkleidet  unter  die  Tanzenden  mischte, 
var  es  ihm  gewiss  um  den  komischen  Eindruck  zu  tun,  und 
Pamphilus  Gengenbach  braucht  den  Ausdruck: 

Und  leit  nit  tag  und  nacht  beim  win, 

So  halt  man  in  für  ein  begin. 
Noch  1652  meint  der  biedere  kurbrandenburgische  Ingenieur 
Schildknecht: 

Es  hat  ein  jede  Begin  im  Spittel 

Ihren  eigen  Husten  und  ihr  Qual, 

Bis  sie  der  Tod  würgt  allzumal.**) 


»«)  Halbmtadter  Oemeinnütiiee  Blätter  17«  1,  S.  156,  P.  Oengenbich  ed.Oödeke 
S.  58,  ScfaiMkncdit  Harmoiüa  in  fortaliÜU,  S.  237. 

Archiv  fOr  Kulturgeschichte.    1.  4 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers 

Wolfgang  Ammon 

von  Marktbreit  (f  1634). 

Mifgeleilt  von  FRANZ  HÜTTNER. 


In  der  Würzburger  Universitätsbibliothek  befindet  sich  als 
M.  eh.  f.  440  eine  aus  dem  Jahre  1727  stammende  Abschrift  der 
Selbstbiographie  oder  Hauschroiiik  des  protestantischen  Pfarrers 
Wolfgang  Ammon  zu  Marktbreit,  einer  am  Main  im  bayerischen 
Bezirksamt  Kitzingen  gelegenen  Stadt,  deren  Geschichte  im  Jahre 
1864  Pfarrer  Plochniann  geschrieben  hat.  Das  Manuskript  be- 
steht aus  51  Folioblättern;  am  Rande  sind  die  Folien  des  Originals 
angegeben. 

Da  diese  Hauschronik  viele  kleine  interessante  Züge  ent- 
hält, dürfte  sie  sich  zur  Veröffentlichung  eignen.  Der  Verfasser 
schildert  in  derselben  das  Leben  seines  gleichnamigen  Vaters, 
welcher  1540  zu  Elsa  bei  Coburg  geboren  wurde  und  1589  als 
Pfarrer  in  Marktbreit  starb,  das  Leben  seiner  Mutter  und  übrigen 
Venrandlen,  sowie  seine  eigenen  Schicksale  bis  zum  Jahre  1633. 
Bei  der  Plünderung  und  Verwüstung  Marktbreils  durch  die  Soldaten 
Piccoloniinis  1634  wurde  ermisshandelt  und  starb  an  den  Folgen 
dieser  Misshandlimgen  kurae  Zeit  darauf,  am  22.  September  1634. 
Von  späterer  Hand  stammen  Zusätze,  welche  in  die  Abschrift 
aufgenommen  wurden. 


w 


I 


1]    Wolfgang  Amnions,  gewesenen  Caplans,  dann  Stadtpfarrers 
allhicr,  Hausschronica. 

Hauss  -  Chronica  oder  Geschichtbuch,  was  sich  im 
Amnionischen  Geschlecht  denkwürdiges  zugetragen,  von  etlichen 
Jahren  her,  sampt  andern  Verlauffungen^  so  viel  ich  notirt  hab; 
dann  ich  nicht  allemal  gleich  fleissig  gewesen.  Beschrieben 
nnd  renovirt  von  Wolfg&ng  Aminonio  dem  jüngernj  Mildienem 
am  Wort  Gottes  zu  Marktbrait,  der  damals  ins  54.  Jahr  gieng 
anno  domini  1625.  Psalm  119  vers.  9.  Ich  hab  alles  dings  ein 
Ende  gesehen,  aber  dein  Gebot  wAhreL 

[fol.3.1  ImNamen  dcsdrcycinigcn  meines  lieben  Gottes,  Vaters^ 
Sones  und  heiligen  Geistes,  hochgelobet  in  EwigkelL  Will  ich, 
der  Autor  oder  Schreiber  diess  Buchs  Anfang  machen  und  nehmen 
iron  meinem  lieben  Valtern,,  afs  von  deme  nächst  Gott  ich  das 
Leben  habe.  So  ist  nun  gemeldter  mein  Valer  <M.  Wolfg. 
Ammonius)  zu  Elsa  geboren,  welches  ein  Dorff  ist,  in  Coburgischer 
HcnrechaffI  gelegen,  ein  Viertelmeil  von  Rothach  oder  grosse  Mcil 
ron  Coburg  gelegen  im  Grabfcld,  Anno  1540.  Sein  Vater  hat 
geheissen  Jacob  Ammon,  sein  Anherr  Georg  Ammon,  sein  Aiifrau 
Cbristina,  der  Geburt  eine  Reumannin,  sein  Mutter  Catharina 
{deren  Vatier  Claus  Kob  und  Calharina  die  Mutler  eine  Blömingin 
von  Geschlecht),  wie  solches  alles  sein  Gcburtsbrlef  Anno  1587 
den  14.  Deccmbris  zu  gemelciten  Rotha  datirt,  ausweiset. 

(In  demselben  stehen  unter  andern  diese  Wort:  Er  habe 
von  seinen  4  Anherrn  hero  keinen  Schiffer,  Schinder,  SclioÜem, 
Schergen,  BDtel,  Pfeiffer,  Bader,  Badstwbcr).  In  der  h.  Tauff  ist 
ihm  der  Name  Wolfgangi  (fol.  3]  gegeben  worden. 

Als  er  nun  verständig  worden  oder  zur  Schulen  gehen 
kennen,  ist  er  täglich  gen  Rotha,  meines  BehaUens,  in  die  Schul 
gaagen,  uff  3  Jahr  lang,  niittags  drinnen  bheben  fBl,  2']  und  mit 
Eyero  sich  beholfen,  hernach  gen  Coburg  in  die  Kost  verliehen 
nd  da  shidirt  mit  Alatlhaeo  Hecklino,  so  mit  der  Zeit  Pfarrer 
ro  Domheim  worden.  In  seiner  Jugend  Anno  1560  hat  er  einen 
bösen  Schenkel  bekommen  und  von  einem  Bauersmann  sich  wieder 
enrircn  lassen  im  Dorf  Horb  (östlich  von  SonnenfeldJ,  der  einen 
gulen  Wundarzt  geben  und  ihm  die  Hüffl  eingerichtet.    Ist  deni- 

4- 


1 


33  famt  Hfittoer. 

nach  bc)-  der  Mutter  daheim  geblieben  und  2  Monat  vom  Studirn 
abgehalten  worden. 

Eben  in  diesem  1560.  Jahr  und  im  Monat  Alajo  ist  er, 
nach  verlassener  Coburgischcr  Schul  gen  Hof  ins  Voitland  kommen 
mit  Johanne  VC'olfio  und  |(ol.  4]  Andrea  ZTingero  und  an  M. 
Johannem  Streilbergcr').  zum  Hof-Pfarrern  und  Superintendenten 
[darüber  steht  Collegam  scholac  meines  U'issenspj  (so  hernach 
Dodor  worden  und  Superint  zu  Culmbach),  %'on  M.  Nicoiao 
Culrobacher  wrschrieben,  ein  armer  Schüler  gewesen,  umbs  Brod 
mitgesungen,  ein  Vettern  Ocorg  Helmut  da  gehabt. 

Seine  praeceptores  waren:  M.  Johann  Streilberger,  Jacob 
Schlemmer,  Laurentius  Codmann  (dcss  Salomoms  Codomanni  des 
allem  zu  Kitzingen,  weiland  Dccani  [er  war  dort  Dekan  1393-1622] 
Vatler),  welcher  hernach  ein  Pfarrer  und  lezlich  Superintendent 
zu  Sdiönfcld,  M.  Christoph  Cadesrculcr  (der  auch  mein  Rector 
gewesen).  Aber  er  hat  sich,  inmassen  ers  selbstcn  hernach  so 
schrirftlich  so  inöndlich  beklagt,  seine  Gesellschaft  lassen  bereden 
und  gen  Dressdcn  kommen  mit  obgcdachten  Oefehrden,  allda  er 
Tobiam  Möstehum  Rectorem  gehört,  und  ihm  wegen  der  Poeterey 
lieb  gewesen.  Anno  1561  am  andern  Ostertag  ist  er  mit  Zwingcro 
weggezogen  und  gen  Altenbiirg  kommen,  hernach  in  Böhmen 
zum  warmen  Bad  mit  Mezlcro,  Canjore  Aldenburgico,  gezogen, 
und  haben  4  Tag  gebadet.  Anno  1561  13.  Octobr.  gen  Witten- 
berg kommen  und  sich  deponiren»)  lassen  mit  seinem  Gesellen 
Mcdlero,  Johann  Talhamcr  Eicyrcn,  VC'oIfgang  Möstel  von  der 
Weiden  [Weiden,  Stadt  in  der  Oberpfalz],  des  Rectors  zu  Dressden 

'iVgl,  ithtt  thit  Drilrige  lur  tnycriKhm  KiKheti(eKhichle.  htr.  v.  [>.  Theodor 
Koldc},  N  Ann.  t. 

Mag  Joh  SltritbcracT  aut  Hof,  (tadi«r1c  in  Wlttnfbn-g  lintcrib.  Sommenem,  im, 
rOnlen.  tl«;  UiCMiturnit  IU8,  Käilliii  iU.  11.  wll  1 5JS  Ulilcon  an  St.  Vaiit)  in  K«ub- 
horj;,  tn  Mnticn  Kl'rbe.  iltwcn  Sdiwlcjfnahii  ^^  wurtr;  winde  0.  ftbr  15*1  In  Vitien- 
b^TE  Magister ;  IMS  folctr  n  wincm  Schwietciralcr  lufli  ßruimch'w>rie  unil  itub  tO.  April 
IdOI.  8S  iahn  alt,  aU  Ptimr  und  Ocn«al»uperiRteBdcni  in  Culmbach. 

')  V<l,frm«i4,  TI  Anm.  I  SiipfrlriWiidcnl  In  Mol  1553-l5JiT  Vgl.  nodi  riclenwliw, 
Od.  FAninii.  Balrant.  Bd.  IK.  89-4),  wDKibft  auch  dl«  k\«n  Litcnnir  btrsclaiclilicl 
in.  Dmu  d^p  HioKrapMc  Slftilbetfcn  von  tttgru  in  .Archi*  f.  0«tclg.  u.  AlinUimik.  v. 
Obertt.    V],  BJ,  2.  Mcft     t8W. 

*)  B«lli.  Kl,  3J8,  Anm.  S:  Die  Orposlllcn  hlw  die  Pdcrlichkeit.  durtli  vciche 
die  neu  HijtekQininnca  Sturfwi»«  unicr  «llerici,  luni  Tfll  lldierlltien  Certtuonlcit 
von  cinon  d»u  besldllcn  Depouitor  in  die  Würde  drr  aktüctnlKhcn  Bürger  utf- 
Kinonincn  viirden. 


Sdb6tbio{;raph[e  des  Stadlpfarrcn;  Wolfgang  Ammon  etc.        ^ 


1*= 


Brüdern.    Isl  ins  Studenlenbuch  oder  Matricul  eingeschrieben  von 

f  ^1,  3]  Herrn  Doctore  Georgio  Majore,  der  h.  Sclirlfft  Professore, 

v^rmOg  habenden   Zeugniss.     Diesser  damals  Redor  hat  Ihme, 

*m  «inem  Vattern  eingcraihen ,  er  soll  sich  nkhl  mehr  Ammoncni 

lenia  Deklinatione  schreiben,  sondern  Aninioniun]  in  secunda, 

d^m  ist  bissher  gefolget  worden. 

Anno  62  24.  Sept.,  dieuteil  er  die  Liifft  zu  Wittenberg  nit 
r^STtragen  können,  da  schwach  worden  und  clislirt  worden,  koninit 
e»-  gen  Jena,  mit  Johann  Veit,  Diacono  Ummerstadiensi,  wird 
ii.s».i3uf  in  die  Matricul  einverleibt,  den  25.  Sept.  von  Herrn  Doctor 
Jol-iann  Schröter,  Medico  und  Rectore.  Anno  1564  zeucht  er 
'>^m<derum  nach  Wittenberg  mit  Georgio  Fabro,  kommt  an  den 
2e>.  OcL 

Anno  1565  23.  Aug.  wird  er  Magister  zu  Wittenberg  und 
at  unter  21  den  13.  locum.    Caesius,  der  Calendennacher,   hat 

|d«:»i  12.  Besiehe  das  Testimonium,  so  schön  [fol.  7]. 
Die  Namen  deren,  so  mit  meinem  Vatter  Magistri  worden, 
ttnier  dem  Decano  M.  WoHgango  Zeisero  Fuldensi  Wittenbergae. 
1-  Andreas  Trankenberger  Memingensis.  2.  Joliaunes  Meischncr 
Vratislaviensis.  3.  Johannes  Bochmanniis  Jcnensis.  4.  Gcorgius 
Cunchius  Pomcranus.  5.  Jacobus  Söldner  ülauchensis.  6.  JacQbus 
Rolchius  Pc'irnensis,  7.  Reinerus  Rcincck  Steiriheniitis.  8.  üeorgius 
Spalatimis  Amstadensis.  Q.Johannes  Crato  Bcnconcnsis.  10.  Oolt- 
Wdus  Rechter  Hallensis.  II.  Caspar  Ludovicus  Hamnionensis. 
12.  Qcorgius  Caesius  Rolenburgensis.  13.  Wolfgangus  Ammonius 
Cohirgcnsis.  14.  Vitus  Soldin  Gcmingcnsls.  15.  Samuel  Winck- 
l*nis  Torgensis.  16.  Juslus  Mollcrus  Hamelensis.  17.  Johannes 
Nuberus  Hilpcrsteitiensis.  IS.  Paulus  Pcler  Albnrgcnsis.  19.  Rupcr- 
tiB  Wilsius  Cygneus.  20.  Philippus  Küngcr  Tuttcrstadicnsis. 
%  Andreas  Laborator  Caritithius. 
II.  y.]  Anno  1566  3.  Novembr.  wird  er  zur  Pfarr  Weidelbacli  [im 
Amtsgericlit  Dinkelsbühlj^  so  marggräfisch  worden^  als  der  1. 
evangelische  Pfarrer  daselbst,  zu  Onolzbach  ordinirt  von  nach- 
folgenden Kirchendienern:  Herrn  Georgio  Kargen,  Johanne  Baptisti 
Lechelio,  Johanne  Unfugio,  Georgio  Grcnner,  Georgio  Kellin, 
Johanne  Scojiio,  Woifg.  Früschei;  und  hat  der  Herr  Kargius  das 
Testimonium  eigenhändig  geschrieben. 


54  Franz  Hötner. 

(fol.  5]  Anno  1567  10.  Maitii,  Montags  nach  Mitfasted,  hält  er 
Verl^niss  mit  mdaer  Mutter  Maria,  Herrn  M.  Wolffgangi  Jangens, 
TCfonnirtcn  Stifftsdechants  (1563  dAs  Sdft  aufgehoben)  zu  Feucht- 
«angen  ledigen  Tochter;  copulin  sie  biss  auf  fernere  Priestershand 
M.  Balthasar  Hillenmeyr,  Prediger  und  Superintendens  zu  Feucht- 
vang: 

Anno  1567  224_Aprit.  Dienstag  nach  Jubilate,  haben  sie  ihr 
hochzeitlich  Fest  celebrirt  Brautführer  sind  gewesen  M.  Johann 
Tettclbach  und  M.  Johann  Götz,  hat  sie  zusammen  gegeben 
H.  Simon  Priester. 

F.pithatamium  oder  Hochzeitvers  hat  ihnen  geschrieben,  so 
ich  gedruckt  für»eiscn  kan.  M.  Johann  Schirmer,  derzeit  Pfarrer 
zu  Feuchtvangen,  so  hernach  gen  Kitzingen  kommen  und  im 
Wasser  ertrunken. 

Die  Jahrzahl  stehet  auch  in  diesen  Versen: 

VergILIIs  ortls  Christo  LVX  aVspICe  fVLsIt; 
JVnCta  Vbl  Volfgango  Vlrgo  Maria  Vlro. 

Anno  1567  2.  Dec  hat  er  die  Pfarr  Weidclbach,  weil  er 
gern  shidiren  wollen  und  im  Dorf  nit  Gelegenheit  gehabt,  mit 
Rath  seines  H.  Schwehers  selbsten  resignirt  und  den  7.  dilo  ein 
gut  Testimonium  bekommen  von  Friederich  Alexandem  von 
Seckendorff,  Marggräfischen  seinem  Araptmann,  und  Herrn  Bal- 
thasare Htlkmeyem,  seinem  Superintendenten,  den  30.  Dec  noch 
ein  Zeugniss  erhoben,  vom  tonisch  herrischen  Vogt  Jacob  Hartmann 
zu  Danckelsbühel,  der  ilmi  die  pfärrliche  Einkommen  gereicht 
binher.  Darauf  zu  DünkelsbQhcl  der  evangelischen  Kirchen 
Helfer  oder  Diaconus  worden  und  blieben  1 1  Jahr  6  Monat  bei 
H.  Johann  Knaucrn  und  M.  Thoma  Venatorio. 

Er  hat  mit  meiner  Mutter  gezeugt  nachfolgende  Kinder: 
Anno  1568  29.  April  Donnerstag  nrcne  Zwilling  gebom,  I.  das 
eine  Kind  Samuel  genannt  worden  und  aus  der  Tauff  gehoben 
von  besagtem  Herrn  M.  Johanne  K'iauer,  Neuburgischen  geliehenen 
Pfarrern  zu  Dinckctsbühl. 

II.  Das  ander  ist  Catharina,  nach  seiner  Frau  Doden  Catha- 
rina  Drechslin,  einer  Geschlechterin,  genannt.  Sind  von  Geoi^o 
Stifftenbergem,  Pfarrer  zu  Segering  (Segringen  im  Amtsgericht 
DinkelsbÜlil),  getaufft  und  beede  verschieden. 


III.  Anno  1570  IQ.  Jan.  Donnerstag  um  2  in  der  Nacht  isl 
Oiharina,  die  andere  diess  Namens  gcbom,  darauf  des  Tags  um 
7  hör  von  Herrn  S\.  Johanne  Knauer  getaufft,  von  vorbesagler 
Drechslin  gehoben.  Der  Schwehervatler,  als  thtn  solches  referirt. 
giebt  dem  Botten  über  den  Lohn  G  Xr  zum  Bottenbrod.  [fol.  6] 
Da  dicss  Kind  noch  nicht  zwey  Jahr  alt,  verscheidets  Anno  1571 
18.  Aug.  Abends  um  6  Hör.  Die  Jahrzahl  stehet  in  diesem  Vers: 
Nata  Mihi  LVDens  obllt  Katliarlna  sVaVIs. 

tV.  Anno  1572  7.  Jan.  bin  ich,  Wolfgangus  Ammonius  gc- 
born,  davon  an  seinem  Ort 

V.  Anno  1573  6.  Novemb.  Freilag  Daniel  nach  1  Uhr  in 
der  Nacht,  M.  Knauer  laufft  ihn,  Daniel  Teller,  ein  Kaufherr, 
hebt  ihn,  welcher  den  5.  Martü  Anno  74  verschieden,  Freitags, 
seines  Alters  in  der  17.  Wochen. 

VI.  Anno  1577  23.  April,  Dienstag  nach  Misericordias,  Maria 
Catharina  geborn,  Abends  zwischen  5  und  6.  Taufft  sie  Herr 
Stiffenberger,  Pfarrer  im  Closter  Roth.  Hebt  sie  aus  der  Tauff 
Frau  Catharina  Drechshn. 

VII.  Anno  1579  10.  Maji  Sonlag  Jubilale  frühe  ein  wenig 
nach  3  Her,  im  Zeichen  Scorpion,  Eupluosyna.  Taufft  sie  Johannes 
Salzer,  der  neue  Caplan  oder  Helfer,  hebt  sie  Frau  Sibylla,  Herrn 
Doctor  Lucae  Beckers,  Rechtsgelehrten  und  Beisitzers  im  Cammer- 
gericht,  Haussfrau.  Ist  verschieden  23.  Juüi  die-ss  Jahrs  zu  Mark- 
brait,  frühe  um  4  Em  Neumond  {als  sie  gelebt  10  Wochen 
3  Tag). 

VIII.  Anno  1581  I.  Julii  Samstags  Sophia  um  3  Hör  gegen 
Abend  zu  Markbreit  geborn,  durch  Adam  Angermann  Capelian 
(Plochmann,  Gesch.  v.  Marktbreit  S.  99]  getaufft,  hebt  sie  aus  der 
Tauff  Herrn  Johann  Orts,  Schuldheissens  Haussfrau,  verscheidet 
Anno  83  21.  Sept 

IBI.  4*1  IX.  Anno  15S3  Georg  Ludwig  den  27.  Jul.  Abends  zwischen 
10  und  II  Samstags  im  Zeichen  K-  Taufft  ihn  folgenden  Tags 
um  4  Adam  Angermann,  hebt  ihn  Matthes  Jahn,  Vogt  anstatt  des 
»olgebomen  Herrn  Georg  Ludwig  von  Seinssheim  Freyherms 
[geboren  26.  Jan.  1514,  in  den  Freiherrnstand  erhoben  15.  März 
1330].    Von  dicssem  Sohn  stehet  mehr  unten. 


56  Franz  Hattner. 


X.  Anno  15S&  26.  April  frühe  zwischen  4  und  5  Barbara, 
Dienstags  nach  Jubilate,  an  S-  Albertstag  (an  welchen  Tag  ebe» 
vor  19  Jahren  die  Ehern  Hochzeit  gemacht  zu  Feuchlwangeii). 
Ist  aus  der  Tauff  gehoben  von  wolehrn  gedachts  Herms  von 
Sainssheim  Gemahlin  Barbara  von  Hessberg  in  der  Person.  Von 
dieser  Tochter  stehet  mehr  unten. 

[fol.  8.]  So  ist  nun  mein  lieber  Vatter  Ammonius  ein  recht 
gelehrter  Manu  gewesen,  wie  er  von  vielen  Gelehrten  das  Zeug- 
niss  hat,  ist  ein  guter  Poet  [Plochmann,  Gesch.  v.  Marktbreit  S.  SSJ, 
wie  sein  lateinisches  Gesangbuch,  Odae  ecciesiaslicae  genannt, 
ausweiset  fwelches  er  Anno  1570  angefangen  zu  machen);  auch 
ein  trefflicher  Linguist  und  Sprachenkundig  gewesen,  deme  der 
alte  Herr  H.  Georg  Ludwig  von  Seinssheim  die  grosse  Künigliche 
Bibel  mit  vielen  Sprachen  zu  tliren  erkaufft  und  geliehen;  auch 
ist  ihm  die  Profession  der  hebraeischen  Sprach  zu  Jena  ange- 
boten worden,  welche  er  aber  abgeschlagen  wegen  seiner  ange- 
sponnenen Wassereucht  etc. 

Anno  1579  ist  er  den  10.  Julii  mit  seinen  Weib  und  Kindern 
gen  Marktbreit  als  Pfan-er  ufgezogen ,  nachdem  er  zuvor  seine 
Probpredigt  am  andern  Pfingsitag  da  gehalten  und  mit  vielen 
anschenlichcn  conunendalionibus  ausgcrijstet  gewesen,  die  beste 
aber  bey  sich  selbst  gehabt  im  Busen. 

Den  9.  Julii  uffgcbrochen  von  dem  Ort,  da  er  10  Jahr  und 
6  Monal  der  Kirche  gedienet.  Hat  sich  als  einen  eiferigen  Lehrer 
erwiesen,  aber  bey  vielen  seiner  Zuhörern  und  Collegis  schlechten 
Dank  verdient.  Doctor  Ruprechten,  der  bey  3  Jahren  nicht  hie 
communicirl,  nil  (BK  5]  wollen  zu  Gevatter  stehen  lassen  und 
darum  mit  ihm  rechten  müssen,  welches  die  alte  Frau  von  Seinss- 
heim [geb.  V.  Hessberg],  ein  Gevatterin,  verlegt,  doch  endlich 
gewonnen  und  gcmeldten  Doctor  aus  dem  Flecken  bracht. 

Anno  83    3.  April  ein  schön   Wappen,    wie   der  Brief  aus- 
weiset, erlanget,   von  Paulo  Melisso,   Gönnte  Palatino.    Darüber 
«r  mein  Valtcr  (seliger)  diese  Vers  weiland  gemacht: 
In  insignia  M.  Woifg.  AmmonÜ  Elsani. 
Prima  manus  nianui  juncia  et  quando,  auspice  Christa 
Adducia  est  prinio  teniina  prima  viro. 
Namquc  E'v-ac  dcxlrani  dextrac  commisit  Adami 


Selbstbiographie  des  Stadt pfarrers  U'olfgang  Ammon  etc         57 


)l.  9] 


Et  dextrae  sacrum  pondiis  habere  detlil. 

Haec  ait  et  fidti  servandae  tessera  firma 

Et  certum  veri  pignus  amorts  eriL 

Dextra  igilur  dextrae  connexa  antiqiia  parenlum 

In  paradisiaco  Signa  fuere  statu. 

Talia  et  Ammoniae  sunt  dara  insignia  gcntis, 

Niniirum  dextrae  dextera  juncta  manus. 

Que  rapta  sunt  firmae  fidei  monumcnta  tenendac 

Et  larga  gentis  de  pietate  monent 

Christe,  fidem  semper  pia  gens  tibi  servet;  alumnutn 

Alme  tua  dextra  prolege,  conde,  fove. 
Daraus  dann  sein  gottesfürchtiges  lieb-,  ehr-   und   lugcnd- 
reiches  Herz  zu  selten;  aber  mehr  nicht,  damit  ich  der  Sachen 
nicht  zu  viel  gethun  haben  scheine. 

Anno  68  26.  Jun.  hat  er  ihm  ein  Fontanell  an  dem  rechten 
Schenkel  sezen  lassen  und  alle  Tag  ein  Erbs  in  das  Loch  ge- 
legt Den  9.  Sept.  diess  Jahrs  noch  ein  Loch  in  den  andern 
Schenkel  machen  lassen,  weit  die  Geschwulst  und  Wassersucht 
ihm  heftig  zugesetzt. 

Anno  1589  26.  Januar  ist  er  in  wahrer  Anruffung  und  Bc- 
kenntniss  Jesu  Christi  entschlaffcn,  alt  49  Jahr.  M.  Nicol.  Bauch, 
sein  Coliega  [von  Eibelsladl,  Pfarrer  1589—1597),  hat  die  Leich- 
predigt gehalten.  Der  gar  alte  Herr  von  Seinssheini  [geboren 
1514,  1 15Q1)  ist  persönlich  dabei  gewesen  und  hat  geweint,  dass 
ihm  sein  sanimets  Häublein  vom  Haupt  herabgefallen,  hat  auch 
diese  Wort  verlauten  lassen:  Ich  hab  wol  Sorg,  ich  bekomme 
mein  Lebtag  keinen  solchen  Pfarrer  mehr. 
(Bl.  S',  fol.  10]  Es  wird  mehr  gemeldtes  meines  Valters  sc),  auch  ehrlich 
gedacht  in  vielen  Büchern,  sonderlich  in  vita  illustris  et  generosi 
herois  Doniini  Oeorgü  Ludovici  a  Seinsheim;  in  seinen  Odis  ge- 
denkt Trostius  binden  im  Appendice  auch  gar  herrlich  etc. 

Es  haben  seine  liebe  Eltern  Jacob  Amman  (der  ein  Bauer 
und  feines  Vermögens  gewesen)  und  Catharina,  seine  Mutter  (die 
über  100  Jahr  alt  worden,  ein  recht  gottselig  Weib  und  den  armen 
Leuten  viel  guls  gethan,  sie  jährlich  uff  der  Kirben  gespeist,  in 
der  Schcurcii,  ciliclt  Tisch  voll,  und  darum,  unter  anderer  Gefert- 
schafft,   von  ihnen  mit  HauEfen  begleitet  und  beweinet   als  eine 


i 


58  Franz  Höttncr. 


rechte  Tabea,  Anno  90  im  Januario),  diese  seine  liebe  Eltern 
haben  sonst  mehr  Kinder  gehabt;  meines  Vattern  sei.  Schwester 
hab  ich  gesehen,  da  sie  bey  60  Jahren  alt  gewesen.  Der  einesein 
Bruder  hat  gehcissen  Herr  Lorenz  Ammon,  Pfarrer  zu  Elsa  und 
Bauerstat^  dieses  sein  Weib,  meines  Vettern  Hanssen  Ammans 
{Burgermeisters  weiland  zu  Helpurg)  Mutter  ist  gestorben  Anno 
1560.  Der  zweite  sein  Bruder  Oeor^  Anno  68  7.  Jan.  Hochzeit 
gemacht.  Der  drittCj  Hanss,  der  Bauer,  hat  Anno  62  20.  Nov- 
Hochzeit  gehalten,  ist  päbstisch  gewesen  und  den  23.  Martii  ver- 
schieden Anno  71,  und  welches  meinem  Vatter  selig  sehr  zu 
Herzen  gangen,  sind  ihm  die  3  Brüder  in  einem  Jahr  verschieden^ 
wenig  Tag  nacheinander;  der  Herr  Lorenz  (welcher  viel  bey 
meinem  Vatter  setigen  gethan,  Qcld  hergehehen  zu  seinen  studiis^ 
ihn  an  Stöffelium,  Professoren!  zu  Jena,  verechrieben  etc.)  den 
27.  Jun.  Anno  157K  Er  hat  ihnen  auch  solches  Epitaphium  ge- 
macht, darinnen  die  Jahneahl  stehet; 

post  blnos  pastor  LaVrentlVsj  antea  fratres 

terrae  ManDaios  tertlVs  Ipse  obllL 

^Bl.6,  fol.  11.]  Meiner  Mutter  Leben. 

Sie  ist  gebohni  zu  Feuchtwangen  in  einer  marggrä fischen 
Brandenburgischen,  I  Meil  von  Dinkelsbühel  gelegenen  Stadt  (so 
weiiand  eine  Reichsstadt  gewesen)  Anno  1546  30.  Januar  Nach- 
mittag um  3  Hör.  Aus  der  h.  Tauff  gehoben  von  der  Edlen 
Frauen  Helena,  Jungkher  Adams  von  Elrichshausen  zum  Dürren- 
hof Hausehr,  die  eine  Tochter  Melchior  Senfls  gewesen,  eine 
erslgebohrne  Tochter  ihres  Vatlers.  Ihr  Vallcr  ist  gewesen  Herr 
M.  Wolfg.  Jung,  des  reformirten  Stiffts  daselbsten  lezter  Dechant, 
so  auch  geprediget,  doch  nicht  offL  Sein  Bruder  Herr  Martin 
Jung,  Hauptmann  im  Türkenkrieg,  unter  dem  Grafen  von  Serin, 
dessen  Wolfsbelz  er  bekommen  und  getragen,  auch  ein  Marschalk 
Herrn  Georg  Friderichen,  Marggrafens  zu  Brandenburg,  stirbt 
Anno  1575  23.  Oct  seines  Alters  im  64.  Jahr. 

Mein  Anherr  aber,  M.  Wolfg.  Jung,  ist  eines  Schreiners 
Sohn,  meines  Bchallens,  gewesen^  dessen  Vatter  in  der  Kirchen, 
Trenn  man  von  Rotenburg  hinein  zeucht,   nit  weit  vom  Feucht- 


Selbstbiographie  des  Südtpfarrers  U'olfgang  Ämraort  etc.         59 


vanger  Thor  viel  gearbeitet  Er  ist  zu  Onolzbach  bey  einem 
Domherrn  als  ein  Vetter  gar  hart  erzogen  worden. 

Ihre  Mutter  ist  gewesen  Sara,  Herrn  M.  Bernhard!  Wurzel- 
manns/) Pfarrers  zu  Dinkelsbühel  und  Weildingischen  [Weiltingen, 
Markt  im  B.  A.  Dinkelsbühl]  Capitels  Decani  Tochter.  (BKiehe 
die  Vorrede  meines  Vatters  seiigen  über  sein  publicirtcs  lateinisch 
und  teut&ches  Gesangbucli).  Sie  ist  gestorben  im  Januario 
Anno  1572.     (1.  potius,   ut  p.  15  legitur,  Anno  15S7  die  10.  Maji.) 

Ehe  ich  weiter  fortfahre,  will  ich  zuvor  dieser  Sarae,  meiner 
Anfrau,  ihre  Ankunfft  und  Geschlecht  weiter  beschreiben. 

[BI.  6,  fol.  12]    Oenealogia  familiae  ab  antiqua  stirpc  Wurzel mannorum. 

Der  alte  N.  Wurzelniann  ein  Beck  gewesen  zu  Heilbronn, 
einer  Reichsstadt  am  Neckar,  da  er  auch  begraben  liegt,  Catharina, 
seine  Hausäfrau,  hat  verlassen  3  Söhne  und  2  Töchter,  welcher 
Nahmen  samt  den  verlassenen  Kindern  sind  diese: 

Söhne: 

I.  M.  Bernhardt,  Pfarrer  zu  Dünkelsbühel,  seine  Haussfrau 
Margareta,  hat  verlassen: 

Philipp,  hat  zu  Strassburg  bey  Bucero')  studirt  und  ist 
ledig  gestorben. 

Sara,  M.  Wolfg.  Jungen,  Stifftsdechants  zu  Feuchtwangen 
Haussfrau,  hat  verlassen  4  Söhn:  Adam,  Abraham,  Philipp,  Paul 


^ 


*)  Vgl.  Dötr.  2,  301,  Anm.  Ritzuidcr.  Wum-Iniuin,  Sohn  des  Bflrcer- 
BWhlen  in  Wlmpfcn,  Schvacer  CrhiLTd  Sütnepifs.  deuen  OattJn  idne  Scliveit« 
w\T  (vgl.  lUninaiiii,  Scliiwpfl,  1970  S.  «),  «.if  ju«r»t  Kafioniku»  im  Slitt  zu  Wimpten, 
«Tldie  Stttlr  «  ibrf  iii(e>b,  vfil  er  dAs  p.vnnsHiuni  nitlir  pmlisrii  durllc;  rr  irtid  Jiciuf 
Pbna  in  Schnieetn  im  Knitheau  und  1S34,  van  Bni»  und  Adam  Wels»  In  Kraüiticim 
cmpluhlcn,  l'firtrr  lu  UiiikcMiiiliI  (vyl.  Bm^cn,  Bitcrc  und  Akiru  lur  Unch.  det  Jrink. 
Ktiotra.  in  Ttieol.  Studien  lui  wanirmbere  VU,  11  IT.).  Na>.-h  de«  Kaiitn  &ee  l>ei 
Giengen  IMÖ  mutite  Dinki-Ubüht  dai  Interim  innehitien  und  der  I^Uete  Mann  vurdt 
IMO  ICstecliiSl  in  BcnnlnK'n  in  Württfinbcri,  Bo»crt.  Inlerim  in  Württemb.  <SchriEtcn  de« 
V.  t.  RfjrwA.  No.  «  H.  40  S.  113). 

Beilr.  S,  IQT  Anm  BrrnhaTd  Wufzelmann,  der  Solri)  dei  BOrgrtincitkts  in 
Wlmpfoi,  kIb  Bruder  «ar  ]M3  SudiidircilKr  ici  Schritiisdi-HLlI,  ttudiette  Iti  hcldclbere 
vo  er  «ich  (in  rriLhjil>(  1512  den  MjKrttC'S"'^  trwaib.  Im  Dez,  1631  tnt  er  d!e 
ShIIc  th  Pfincr  tn  Dinicciibütil  ar  und  Kbafhc  am  5.  Jaruar  IS34  die  Mchc  in  dtr 
Orar{[iliirche  ob  (Stelchele,  D»  Biituia  Au£si)Uts3,  2CiOi,  der  Ihn  übrigsis  nitcliLicIi  Khon 
IHI  ucrtwn  \ua\). 

■)  VkI.  Bdlr.  I,  134  f.  ßaiut  biR«  In  Htidclben;  itudleR,  und  in  Stnii> 
bwg  UMcri  die  Studierenden  der  Ttieiilcigie  aus  dtr  P(alj  xii  »niied  fflt^en.  ef.  ROhdch, 
Oodi.  d.  Rrioimalion  des  Elws«^  II.  241];  Q<lbert,  ßader  2CM  ff.  Nach  Elntahruns  de» 
InUHnn  to%  er  ludi  Londun  und  tl.vb  durl  am  28.  Fcbtnar  15S3. 


60  Franz  HÜltner. 


und  5  Töchter:  Mariarrij  M.  Wolfg.  Ammonü  Weib;  Justinam, 
Mariain  Jacobi,  Mariam  Magdalenani,  Euphrosynam,  so  Anno  1570 
im  Majo  am  Stein  gestorben. 

Cathariua,  Herrn  Lorenzen,  Pfarrers  zu  Binningen  am 
Neckar,  Weib. 

Anna,  hat  Herrn  Michel  Bierdflmpfel,  Pfarrer  zu  Betsen- 
berg,  gehabt  und  1  Sohn,  Daniel,  verlassen. 

II.  Dieterich,  Goldschmiedl  und  Pfeningnieisler  im  Türken- 
krieg, hat  5  Töchter  verlassen. 

1.  Annaj  hat  M.Joh.  Mcrcklinum  von  Kauffbeuern,  Victorini 
Vettern. 

2.  Apolloniam,  hat  Herrn  Joh.  Faust,  Pfarrern  zu  Nchrcn 
im  Würlem  berg  i  sehen. 

3.  Catharinam,  M,  Georg  Wegtnanns,  Pfarrers  zu  Cassel 
in  der  obem  Pfalz,  hat  eine  Tochter  verlassen,  Susanna. 

4.  Christtnam,  Herrn,  Sebastian  Mokels,  Pfarrers  i:u 
Offterdingen,  und 

5.  Barbaram,  Herrn  Michel  Kiscrs,  Pfarrers  zu  Eiwngen 
im  Würletnbergischen,  Eheweiber. 

III,  Matern,  Stadlsclirciber  zu  Schwäbischen  Hall,  hat  ver- 
lassen: 

Matthes,  ein  Kriegsmann,  des  Planken  Mutler  Bruder. 

Anna,  Dieterich  Planken,  Spitalschreibers  zu  Hall,  Hauss- 
frau, hat  verlassen  2  Sohn: 

1.  Michel,  Vogt  zu  Mur  [AltenmuhrJ  bei  Qunzenh aussen. 

Z  Dieterich,  hat  sludirt  und  2  Töchter  a)  .Anna,  b)  Maria^ 
hat  einen  Capellan  zu  Cieilslieim  gehabt. 

Elisabeth,  Stadtschrei berin  zum  Hirschhorn  am  Neckar, 
ohne  Kinder  gestorben. 

Närrin  zu  Ingolstadt  im  Spital  gestorben. 
Töchter: 

Apollonia,  hat  2  Männer  gehabt:  I.  Son  Claus  zu  Wimpfen^ 
mit  dem  erzeugt: 

a)  Claus,  ein  Soldat. 

b)  Apollonia,  Wendel  Hiplcrs,  Doctors,  Haussfrau,  hat  ver- 
lassen 2  Söhne  a)  Wendel,  Doctor  juris  zu  Tübingen,  b)  Johann, 
Aniptniann  zum  Hirschhorn. 


Selbstbiographie  des  Sladtpfarrers  Wolfgang  Ammon  elc         ftl 


IVgl.  Harlmann,  Erhard  Schnepif,  1870.    S.  150.1 
2.  Dodor  Ehinger,   mit  dem  erzeugt  eine  Tochter  Maria, 
bat  einen  Wcingartner  zu  Heilbronn. 

Margarela,  Doctor  Erhard  Schnepfen,')  [jul.  Harlmann, 
Erhard  Schnepf,  Tob.  IS70],  Professors  und  Pfarrers  zu  Jena 
Haussfrau  [er  wurde  im  Sommer  1549  Professor  in  Jena  und 
dort  am  2.  November  1558  begraben],  bat  verlassen  4  Söhne  mit 
Nahmen: 

1.  Dieterich  (Theodoric)  Schnepf,  Doct.,  Prof.  und  Pfarrer 
zu  Tübingen  [vgl.  Hartinann  S.  73],  hat  einen  Sohn  zu  Clsenach, 
Doct  juris. 

2.  Joh.  Erhard,  Secretar  zu  Coburg. 

3.  finsebius,  Procurator  zu  Hcilbronn. 

4.  Daniel,  ein  sächsischer  Stipendiarius,  und  I  Tochter 
Blandina,  hat  2  Männer  gehabt:  1.  M.  Victorln  Slrigclium  [E'rofessor 
in  Jena,  cf.  Harlmann  S.  71],  ohne  Kinder;  2.  Johann  Fetscher, 
D.  Georg  Hambergers  Weibs  Bruder. 

[BI-7,  fol.  14]  Nun  wül  ich  von  meiner  Mutter  selig  üeschwistriglen  einen 
Iturren  Bericht  thun,  so  viel  ich  weiss,  darnach  ihr  Leben  fort- 
I.  machen. 

Adam  Jung  ist  Doctor  der  Arzney  worden  zu  Tübingen, 
18.  Febr.  Anno  I58I,  hat  meinem  scci.  Vatter  auf  seine  Hochzeit 
Vers  gemacht,  wie  auch  in  sein  Gesangbuch,  die  dabey  gedrukkt. 

Abraham  ist  ein  Pfarrer  zu  Dorf  Güting  lange  Zeit  ge- 
wesen, ßuter  Linguist  und  daselbst  (in  Dorfgutingen,  Amtsgerichts 
Feuchtwangenf  gestorben  Anno  1624;  sein  erstes  Weib  Magdalena 
starb  1582,  die  zweite  Ottilia,  meiner  ersten  Frauen  Stieffschwcster, 
Herr  Hansen  Cuppelichs  Tochter,  davon  unten  fol.  27. 

Philippus  ist  Magister  und  guter  Hebraeus,  Capellan  zu 
Unterschwan ingen  [im  Amtsgericht  Wassertrüdingcn],  Pfarrer  zu 
Lehngüting  [Lehengülingen  im  Amtsgericht  Dinkelsbühl]  und  lezlich 
Pfarrer  zu  Leuicrshaussen  [Stadt  Im  Amtsgericht  Ansbach]  worden. 

Dessen  erster  Sohn,  M.  Thomas  Jung,  Pfarrer  zu  Mönch- 
sondtheim  (im  Amtsgericht  Schclnfcldj  seiter  Anno  1614.  2.  Georg 


■)  Vsl.  Bettr.  3.   134,    Ann.  1.     Erli.  Sclintpf  nr  teil  1.  Febnitr  1M1    Pmldtor 
rf«t  Theolojiie  und  Phrrer  in  TQbinicen,  vul.  Hnncnann,  Schnept,  Tflb.  19TD,  S.  M. 


62  Franz  Hflttner. 


Friderich  jung,  Conrector  zu  Onolzbach,  dann  Reclor  und 
Adjiinctus  bey  der  Pfarrkirchen  seit  Anno  59. 

Paulus  hat  sich  der  ScJireiberey  beflissen  in  der  Jugend  im 
Closlcr  Lorch  zu  WArtenberg  und  anderswo,  lezljch  viel  Jahr  zu 
Onolzbach  Komschreiber  gewesen,  Anno  1593  10.  Jul.  mit  seiner 
Agatha  Hochzeit  gemacht  (sein  Aidain  ist  Herr  Stubenfal,  des  Raths 
zu  Onolzbacli,  wo  künsllictie  Dekk  machet).  Ich  bin  uff  der  Hoch- 
zeit gewesen  und  hab  ein  Epithalaniium  oder  Vers  gemacht. 

Justina  hat  Herrn  Gcorgium  Fischer,  Pfarrern  zu  Schopf- 
loch [im  Amtsgericht  Dinkelsbühl],  der  lezlicli  gen  Hammersheim 
[Hemmersheim  im  Amtsgericht  LJWenheim]  und  Qiilchsheim  (im 
Amtsgericht  Uffenheim]  zum  Pfarrer  promoviret  worden,  gehabt 

Maria  Jacobi  hat  einen  Handelsmann  zu  Kirch  an  der 
Teck  im  Würtenberger  Land  bekommen. 

Maria  Magdalena  Ist  uff  Beförderung  obgcdachten  Doctors 
stattlich  ankommen  und  hat  einen  Moser,  so  fast  ein  Edelmanns- 
gut und  höchsten  Dienst  zu  Göppingen  gehabt,  zur  Ehe  be- 
kommen. Hernach  einen  andern  Mann  gehabt,  welcher  ein  Soldat 
gewesen,  sie  nicht  gleich  dem  ersten  gehalten. 

Euphrosyna,  t  an"o  '570. 
[BL  8^  fol.  15]  So  sind  nun  meiner  Heben  Mutler  selig  Ellem,  M.  Wolfg. 
Jung  (welcher  Anno  1575  20.  Dec.  2  Monat  und  2  Tag  nach 
seinem  firudcr  Martino,  Hauptmann,  verschieden,  an  einem  vier- 
tägigen Eeber,  so  er  13  Wochen  gehabt,  seines  Alters  im  58.  Jahr) 
und  Sara,  vom  Geschlecht  eine  Wurzelmännin  (welche  Anno  1587 
10.  Maji  verschieden  an  der  Wassersucht)  und  haben  ein  ehrliches 
Vermögen  hinderlassen.  Vid.  Epitaph,  in  der  Stifftskirchen  zu 
Feuchttt-ang  im  Chor. 

Diese  Eltern  haben  ihre  Tochter,  meine  Mutter,  zum  Gate- 
chismo  und  allen  weiblichen  Tugenden  ganz  ernstlich  mit  Worten 
und  guten  Exempel  erzogen,  immassen  sie  dann  des  Kargii  Frag- 
slück  im  Catechismo,  die  damals  nicht  alt  gewesen,  von  Wort  zu 
Wort,  auch  im  Alter  erzehlen  können  guten  Theils. 

Ihre  Veriöbniss  betreffend  mit  meinem  sei.  Vatter  stehet 
oben  im  5.  Blat,  wie  auch  die  Hochzeit  und  Kinder  daselbst  und 
folgends  zu  befinden. 


* 


Als  sie  3  Tag  eine  verlobte  Braut  gewesen,  hat  sie  ein  Kind 
aus  der  h.  Tauff  gehoben,  Apollonia'genannt,  Herrn  Johann  Herpen, 
eines  Vicarii  Tochter,  so  vor  der  Zeit  Pfarrer  zum  Dendia  [Deiit- 
lein  am  Forst,  Pfarrdorf  im  Amtsgericht  Feuchtaangcn]  gewesen. 
Vier  Wochen  zuvor,  che  sie  mit  mir  genesen,  einen  Zahn  lassen 
ausbrechen. 

Ist  mit  meinem  Vatter  selig  I.  zti  Weidelbach,  2.  zu  Dinkcls- 
böhcl,  Ictzlich  zu  Markbrait  wohnhafft  gewesen,  wie  oben  nach 
einander  zu  sehen. 

Hat  viel  Crcutz  und  Ungemach  mit  meinem  kranken  Vatter, 
mit  unerzogenen  Kindern,  mit  groben  Leuten,  mit  langwierigen 
Witlwensland,  so  fast  21  Jahr  gewahrt  (dann  Anno  158Q  26.  Jan. 
gieng  er  an,  27.  Od.  Anno  160Q  frühe  nach  1  hör  höret  er  auf),, 
ist  in  ihrem  eigenen  Hauss,  darein  sie  Anno  1589  12.  Maji  nach 
Verlassung  des  Pfarrhausses  gezogen,  nachdem  sie  das  Nachtmahl 
des  Herrn  vorhin  empfangen,  sanfft  und  seelig,  als  wir  hoffen, 
verschieden,  in  meinen  Bcywcsen,  den  28.  Oct  an  Simonis  und 
Judae  Tag,  um  12  Hör,  ehrlich  begraben,  in  die  Kirch  getragen, 
vom  Herrn  fMarrer  Georg  Conradi  inil  einer  Leichpredigt  aus  dem 
6S.  Psalm,  von  den  Wittiben,  verabscheidet  worden. 

[BL8',  foLlS]       Mein  des  Schreibers  dieses  Buchs  Leben. 

^L  Ich,  im  Titel  dieses  Gescliichtbuchs  Benannter,  bin  gebohren 

"      in  der  heiligen  Rom.  Reichsstadt  Dinkelsbühel  in  einem  gemieteten 

dess  Lojens  genannten    Hauss   (dann  die  Kirchendiener  daselbst 

nicht   gewisse  Wohnhäuser    haben)    um   eiJff   hör   in    der  Nacht 

7.  Januar,  Anno  1572  an  einem  Montag. 

Aus  einem  Calender,  Rosae  meines  Bebaltens,  hab  ich  nach- 
folgende zween  Tage  mit  Willen  abgeschrieben: 

Anno  1572  7.  Jan.  9.  Consta.  Wag.  15.  3.<fJ'  Schnee  oder 
Wind.    8.  Jan.  Erhard.  Wag.  28.   Das  letzte  Viertel  o.  8.  n. 

Annus  1572  »-ar  ein  Schaltjahr,  vom  Anfang  der  Welt  5534, 
gdlden  Zahl  15,  Sonnenclrcul  13,  Römerzinsszahl  15. 

Den  folgenden  8.  Januar!  Erü  um  7  hör  bin  ich  von  Herrn 
M.  Johann  Knauem  (so  geliehener  Neuburgischcr  Pfarrer  zu 
DiDckelsbühel  gewesen  und  anno  75  gestorben)  getaufft  und  durch 
Herrn  Veit  Reinhard,  einen  alten  Greisen,  so  ein  Kirchcnpfleger 


^ 


( 


(derer  12  sind  nod  die  enagiSatbe  Kjnkmüeotr  annehnKn  und 
beridkn)  aad  Oastgfbtr  gncscs  voo  Hall,  aus  der  Taiiff  ge- 
haben «orden,  dessen  We3>  Anaa  Herrn  Dodor  Hanbergers 
zu  Tübingen  Schwcater  gevcsen.  hat  nur  einen  Viertels  Talers,  so 
72  dn.  goilen  und  rtamafcn  ein  grosses  gncsen,  eingebunden 
und  Wotf^ang  nennen  lassen. 

Mein  \'atcr  M.  Wottgßogas  Ammonios,  Mitdieoer  am  Worte 
Gottes  zu  mehrbesagtrni  Dmkeisbühel,  ist  aber  vom  3.  Blal  an, 
vie  auch  meine  MutKr  .Maria,  eine  Jungin,  vom  XL  Blat  an 
gnugsam  beschrieben.  Meine  Mutter  hat  eine  erscb reckliche  Krank- 
heit, da  sie  mit  mir  im  Knidbetl  gelegen,  ausgestanden  und  ist 
zu  End  des  AUji  anno  72  mit  der  rothen  Ruhr,  die  alten  und 
jungen  damahls  tödlich  gevesen,  (NB.  inseratur  hie  si  übet)  be- 
hafhei  gewesen.  Darum  mich  mein  Vatter  abnehmen  lassen  und 
gen  Feuchtwangen  zu  der  Anfrau  gelhan,  altda  ich  die  rothe  Ruhr 
auch  im  Anfang  des  Junü  bekommen,  von  meiner  Mutter  wieder 
geholct  auf  dem  Carren,  wie  mir  die  Ehern  gesagt,  wieder  an- 
gclcgct  worden  bin  und  gesiuget  In  dieser  Stadt  bin  ich  in  der 
Kindheit,  da  ich  kaum  rechl  reden  können;  es  hat  sich  aber  mit 
meinen  Reden  biss  in  3  Jahr  oder  drfibcr  verrogen,  darumen  et- 
liche gesagt  und  gerathen,  die  Wehemutter  habe  mir  die  Zunge 
nicht  recht  gelöscl,  man  muss  mirs  aufs  neue  lösen  und  aufrrissen, 
der  Medicus  Dodor  Pröbstcl  aber  (so  mich  fast  für  ein  monstrum 
naturac  und  Wundergeburl  ausgeben)  hat  gerathen,  man  soll  mir 
einen  Fisch  fOrslellen  und  mich  denselben  angreiffen  heissen,  so 
wcrds  geschehen,  wann  derselbe  schnappe  und  plezschere,  ich 
etxpas  herausslossen  werde,  inmasscn  auch  also  gangen,  und  ich 
Isch  oder  Fiscli  erstlich  soll  gesagt  haben. 

Als  ich  nun,  wie  gesagt,  kaum  recht  reden  können,  bin  ich 
in  einem  kleinen  Kinderröcklcin  zu  einen  deutschen  cvangcl. 
Schtilmeisler  Jodoco  Oablern  in  lüc  Schul,  weil  man  keinen  reinen 
evangelischen  lateinischen  geliabi,  gangen,  darauf  in  die  (foi.  17) 
lalcinische  paiKlische  zu  M.  Johann  Gerlacli  Rectar  neben  des 
Pfarrers  Knauers  Sohn  Tobia  eine  Zeit  lang  gcthan,  doch  dass 
ich  nicht  mit  den  andern  zur  Mess  und  in  ihre  Kirchen  gienge, 
zum  Taganipt.  Weilen  ich  aber  einmal  oder  ellich  als  ein  Kind, 
SO  die  Sache  nicht  verstanden,   mit  andern  meines  gleichen  Qe^ 


n 


seilen  und  Schülern  mil  zur  Mess  gangen  oder  Kerzen  getragen 
und  mit  Wecken  darzu  gelocket  worden,  daiiiit  nun  die  Ab- 
götterey  und  gleissnerische  Ceremonien,  so  mir  wohlgefielen,  mich 
nicht  bethörten,  hat  mich  mein  lieber  Vatter  (denie  ichs  all  mein 
Leben  lang  Danck  weiss)  gen  feuclitwang  zu  n3einer  Anfrau  in 
die  Kost  gelhan,  da  bin  ich  unier  M.  Johann  Hartmann  Sommer 
Rectore  in  die  |BI.  9]  Schul  gangen  und  hab  da  latein  und  tlc- 
cliniren  gelemet,  Vetter  Paul  Jung  hat  zu  Mauss  auch  Fleiss  ge- 
than  bey  mir.  Ich  bin  auch  darum  gar  zeitlich  gen  Feuchtwangcn. 
gethun  oder  geflöhet  worden,  weil  zu  Dinckelsbülil  peslis  grassir^ 
meine  Gesellen  und  nechsle  Nachbarn,  ßauernfein  d  genenn 
daran  geslorben,  und  mit  den  Trägern,  wo  mir  nur  der  Lufft 
werden  können,  ich  Sprach  gehalten,  und  wie  vieE  täglich  ge- 
storben, wissen  wollen. 

Anno  I57Q  10.  Juli,  bin  ich  mit  meinen  Üeben  Eltern  nach 
Markbrait  kommen,  folgends  da  in  die  Schule  gangen  und  in 
diesem  Jahr  schreiben,  auch  recht  decliniren  und  coniugiren  ge- 
lemet -Meine  Herrn  praecepforcs  sind  in  diesem  Markt  gewesen: 
Herr  Johannes  Remlein,  so  hernach  ein  Rathsherr  worden.  Philippus 
Köbcrcr,  so  I.  Cantor,  hernach  praeceptor  ward,  ein  gelehrt 
Männlcin  und  guter  graecus,  von  dem  ich  viel  gelernet;  sein 
Wittib,  nachdem  er  peste  geblieben,  hat  Herr  Rcmlein  genommen. 
Georg  Zizmann,  von  dem  ich  singen  gelernet.  Er  ist  uff  meines 
Vatcre  sei.  promotion  als  ein  Landsmann  hieher  kommen,  letzlich 
Sdiulmeister  zu  Segnitz  worden  und  da  gestorben.  Nicolaus 
Agricola  oder  Bauer  Cantor  von  Hclpurg.  Der  ist  hernach  Pfarrer 
zu  Krautostheim  |B.  A.  Scheinfeld]  und  Herbolzheim  [B.  A.  Uffen- 
heim)  worden.  Bartholomäus  Röder,  Qintor  und  hernach  Schul- 
meister, hat  mich  auch  in  miisicis  dapfer  gebraucht,  wie  ich  dann 
oft  unter  ihm  in  frembdc  Dörfrer  neben  andern  Discantisten  uff 
vcmchmer  Leuthc  Bitten  gehohlet  worden  zu  Hochzeiten.  Herr 
Joh.  Röschius  Praeceptor,  der  mich  in  vcrsibus  endlich  geübt, 

(t  18.]  Anno  1586  am  Tag  Martini  gen  Rotenburg  mit  meinen 
Vatter  selig  uff  der  Qutschen  gefahren,  der  mich  zu  Herrn  Johann 
Suevo  oder  Schwaben  praeceplore  in  der  Hl.  Class  in  die  Cost 
verstellet,  als  zu  seinen  Landsmann,  das  Jahr  um  32  fl.  Die  andere  5, 
so  lauter  Edele  und  palricü  waren  (unter  welchen  auch  die  zvvene 

Aidiiv  rar  KultutgMcbichtf.   I.  5 


66  Franz  Hüttner. 


Neurhat,  deren  einer  Amtmann  zum  Seehauss  {B.  A.  Scheinfeld] 
worden)  haben  ie  36  fl.  geben;  bin  aber  in  dieser  Cosl  nur  biss 
auf  den  23.  May  anno  87  blieben  aus  gewissen  Ursachen.  Diese 
Nacht  hat  mir  fast  ganz  durch  mein  Vater  seliger  fürgcprcdiget, 
zum  guten  crmahnet,  vom  bösen  abgevamet,  folgenden  Tags  den 
Rcctorem  scholae  zu  Gast  geladen  und  mich  ihme  befohlen,  darauf 
hat  es  nasse  Augen  und  Abschied  gesezt 

Anno  1587  23.  May  bin  ich  daselbst  be>'  Hanss  Geissendörffer, 
Nadicm  und  Cramcm,  in  der  Hafengassen  angestanden,  das  Jahr 
um  27  n.  und  1  fl.  Wascligeld,  da  hab  ichs  besser  gehabt. 

In  dieser  Stadt  Rotenburg  hab  ich  zu  Pracccptcren  gehabt 
in  secunda  Classe 

1.  Herrn  Simon  Hornung,  der  ein  Crämer  dameben» 
hat  mich  sehr  lieb  gehabt  und  geveissaget,  ich  werd  ein  HoFf- 
predigcr  mit  der  Zeit  werden;  hat  auch,  da  er  nach  Brait  verrücket 
und  die  Schwäbin  (so  hernach  von  Ihm  die  Hornungin  genannt) 
genommen,  gesagt,  weil  ich  zum  Seehauss  so  viel  geprediget 
meinem  gn.  Herrn,  da  sey  die  Weissagung  erfüllet  Ist  dieser 
Herr  zu  Markbrait  ein  Rathhcrr  gutes  Vermögens  gewesen,  hat 
Herr  Wunderleins  Haus  gebauet  und  ist  daselbst  cntschlaffen. 

2.  In  prima  Classe,  darein  ich  anno  87  6.  Jun.  Iransferiret 
und  gesezet,  ward  Herr  M.  Johannes  Schemel  mein  Rector  und 
günstiger  Förderer,  der  hat  |RI.  Q'I  mich  in  graecis  wohl  geObet, 
da  ich  grichische  Scripta  gemacht.  Denn  ich  Dcmoätlieniä  orationes 
Olyrnpiacas  neben  dem  Evangelio  gracco  gehört 

M.  Melchior  Neander,  Conrector,  der  hat  mich  in  poesi 
fein  informiert,  da  auch  Herr  Mmderlein,  unter  dem  ich  sonst 
nicht  gesessen,  viel  dabey  gelhan,  wenn  ich  privatim  in  der  Class 
für  mich  selbsten  an  der  Tafel  laboriret  nadi  der  Schul. 

Sie  haben  eine  vcnam  poeticam  an  mir  gesagt  seyn.  (fol.  19.] 
In  dieser  Stadt  hab  ich  anno  37  in  Weihnachten  uff  einwilligen 
meines  Vatters  um  mehrerer  Übung  willen  mit  den  armen  Schülern 
und  alumnis  umgesungen  und  1  fl.  bekommen,  bin  aber,  ob  wir 
wol  vicimal  eingelassen  und  im  Spital  gut  Sach  gehabt,  hefftig 
erfroren,  und  weil  ich  bey  einen  Schüler  gelegen,  kräzig  worden 
und  viel  Jahr  nit  wol  zurecht  kommen  können. 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc. 


Ich  hab  auch  in  dieser  Stadt  eine  Comoediam  latinam 
Frischlini,  Rcbcccam,  hcfffen  agiren  und,  »eil  ich  etwas  leibig, 
gastrodis  person  vertretten. 

Als  ich  aber,  weil  nur  4  Meil  heim  waren,  ein$ten  heim- 
kommen und  mich  etliche  Wochen  zu  Ffauss  uffgehahen,  und 
weilen  uffs  Examen  alles  hernach  zu  lernen  mir  zu  viel  werden 
wolte,  besonders  in  der  grossen  grichischen  Cousii  grammatica, 
bin  ich  der  Schulen  Rotenburg  nit  gut  worden.  Darauf  hat  mich 
mein  Vatter  seliger,  ■»■eil  ichs  in  der  Nähe  nicht  erleiden  können, 
in  die  Feme  geJhan,  mit  Herrn  Seactarii  Horns  und  seiner 
Commendation  gen  Hoff  ins  Voitland  geschickt  und  uff  die  arme 
Schul  daselbst,  mein  Brod  zu  ersingen  lassen  gemeint.  Aber  der 
Herr  Rector,  nachdem  er  aus  dem  Schreiben  und  meinem  Bericht 
vernommen,  ich  von  gnädiger  Herrschafft  Seinssheim  jährlich  eine 
Beyhülff  von  15  fl.  helle,  hat  mir  eine  Cost  darumben  ausgangen 
b«y  einem  allen  Büttner,  Claus  ZeiÜer  genannt.  So  bin  ich  nun 
den  10.  Augiisti  am  Tag  Laurentü  gen  Hoff  kommen,  da  eben 
die  Mcss  -raren,  und  Herr  Marggraff  Georg  Fricdcrich  von  Branden- 
burg samt  dem  Herni  Administralore  zu  Hall  mit  einer  grossen 
Anzat  Raisigen  in  der  Stadt  lagen.  Da  ist  man  8  Tag  (wie  in 
Messen  man  pflegt)  niclit  in  die  Schul  gangen. 

Anno  ]5S8  den  IQ.  Aug.  bin  ich  in  die  erste  Class  versehet 
worden  und  hab  allda  zu  Herrn  Praeceptoribus  gehabt,  wie  im 
folgenden  Blat  zu  sehen. 

(fol.  20.]  Der  Rector  war  M.  Christophorus  Cadesreuter 
senior,  an  den  ich  verschrieben  von  meinem  Vater  seelig  und 
Herrn  Secretario  Johann  Hörn,  dessen  ich  wohl  genossen,  und 
ist  er  Herr  Rector  mit  mir  persönlich  ausgangen,  in  der  Stadt 
eine  Cost  mir  auszugehen  und  zu  wegen  zu  bringen,  so  lang  biss 
er  einen  allen  Büllner,  Zeitler  genannt,  angetroffen  und  mich 
dahin  bracht  Dieser  selige  Rector  ist  anno  1589  6.  October 
verschieden. 

M.  Thomas  BlebcHus  Conreclor  hat  hernach  dem  vorigen 

succedirt  im  Redoral,  mich  in  hebraicis  und  astronomicis,  auch 

rhetoricis  unterwiesen,  da  er  auch  von  allen  der  (!)  unterschiedliche 

^Bücher  geschrieben    (wie   jener   M.    Cadesreuter    seine   graecam 

[grammaticam  tradirl),  auch  mich  an  meine  gnädige  Herrn  von 

5* 


0(.  Franz  Hüttner. 


Seinsheim  recommendirl,  neben  Herrn  Doctore  Theologiae  Aiirelio 
Streitbergern.  ') 
[BI.  [0,  f.  135]  Omnibus  lecturis  has  lileras  cum  debita  untcuique  honoris- 
mentione  s.  d. 

Cum  ipsa  per  se  lestimonia  magni  facienda  esse  arbitramur 
a  viris  literatis  et  iis,  qui  de  ingenüs  discenliiim  lileras  et  linguss 
Ecclesfae  Dei  et  communi  vitae  necessarias  iudicare  porsunt  pro- 
fecta:  tum  quia  ad  persequendas  laudcs  sludioso  homine  dignas, 
bonae  indolis  naturae   his   teslificationibus  excJtantur;  est  etiam 
bonae  conscientiae  Signum,  praeceplorum   de  se  existimationera: 
non  extimescerc  et  vcrecundiae  argumentum  Maiorum  iudicio  se 
reverenter  subÜcere-     Haque  el  hactenits  testimonia  concessimus 
scholae  nostrae  Curianae  alumnis,  pietatem  in  vera  Dei  invocationc,. 
modestiam  in  re^enüis  moribus,  diligenliam  in  urgendis  literarum 
studiis  et  obedienliam  suam  crga  praeceptores  nobis  approbantibus. 
Et    nunc    praesenti     honesto    adolescenli    Wolfgango    Ammonio 
Zeapolitano  (Zea,  der  Dinkel],  reverendi  et  doctissimi  viri  domini 
M.  Wolfgangi  Ammonü,  eius  loci  pastoris  pie  defuncti  filio,  elogiuni 
damus  pieiatis,  observantiae  crga  omncs  et  in  primarum  artium 
et  linguarum  studiis  assiduitatis.    His  enim  nominibus  hoc  Ferc 
quadriennio,  quo  in  schola  nostra  Oiriana  cum  laude  modestiae 
et  diiigentiae   versatus  est,    se  nobis  omnibus  approbavit,  Prae- 
eeptoribiis   et  quibus   cum    vixit   hospitibiis    cariis  et  gralus  fuit, 
spem  etiam  de  se  non  vulgarem  concitavit.    Cum  igitur  exislime- 
mus,  cum  allquando  (praecipue  si  studiorum  curricuJuni  felidter 
inceptum  auv  &tc  urgere  perrexeril)  patriae  suac  ulilcm  et  neces- 
sarium  dvem  futurum,  diligenler  ipsum  commendamus  Omnibus 
bonis  et  doctis  viris,    quibus  Ecdesiae  Dei  salus  et  res  literaria 
curae  est;   in  primis  vero  illustri  et  gcneroso  Domino  Georgio 
Ludovico  a  Seinsheim  in  Hohencoltenheim,  Seehaus  et  Sinchingen 
libero  Baroni,  studtorum  palrono  el  fautori  optimo,  domino  nostro, 
omni  reverentiac  cultu  dignissimo:  cuJiis  generositalem  revercntcr 
et  summisse  oramus,  ut  sua  libcrahtate  el  stipendii  beneficio  huius 
Wolfgangi  subditi  et  clientis  sui  pupÜli  egestalem  summam  sublevet, 
ne  felidter  incepta  studia  propter  inopiam  et  pauperlatem  abiicere 

>)   VeI.  Etitr,  2.  IM  Ann    1.   Aurclius  Strtübefser  w«  IS77  Inipeklor  ilf«  Q)-!!!- 
nttiumi  iD  >lül  und  lUib  tClZ,  M  Jahre  tiL 


Sdbsibiographte  des  Stadtprarrers  Wolfgang  Amnion  etc.         69 


cogatur,  sed  vestrae  [fol.  I36J  generositads  munificentia  et  auxilio 
Iiis  ad  prooptatam  nictam  Deo  iuvante  pcrductis  aliquaiido  ecclesiis 
aut  scholis  uliliter  inservire  queat.  Hoc  enim  beneficio  itnpetrato 
in  nos  recipimus  ipsum,  Uli  probum  Bcnefidariutn  decebit,  vJtam 
<runi  pietale,  honestale,  debita  in  studiis  gravioribus  diligentia  et 
animi  gratiludine  contunclam  impostenim  etiam  acturum  et  summis 
viribus  opcram  datunim,  nc  ciiismodi  liberalilalis  bcneficium  et 
sumtus  in  ipsum  frustra  collocentur. 

Hoc  et  Deo  gratuiii  et  Ecciesiac  utile  erit  et  liic  WoEffgangus 
discipulus  noster  vicissim  seduütate  in  studiis,  pia  precatione  pro 
communi  salute  et  omnibus  obsequüs  officÜs  debitam  animi  grati- 
tudlnem  vestrae  gcnerositati  toto  vilae  siiae  tempore  declarabit. 
Et  nos  quoque  hanc  cffusam  liberalitatem  et  iuvatidi  Studium 
apiid  omnes  celebrare  studebimus.  Bene  in  Christo  vale,  illustris 
■et  generöse  domine  Baro  a  Seinsheim  cum  plo  et  berevolo  Lectore 
■et  quos  semper  favore,  benignitate  et  liberalitalc  cum  auloritate 
coniuncta  literas  earumque  cuHores  prosecuti  esüs,  fovele  et  de- 
fendite.    [ßl.  !0.| 

Dat.  Curiac  Variscorum  ad  ripam  Salae  fluminis  12  Calcndas 
Mflji  Anno  gratiae  MDXCII. 

Aurclius  Slreilbergerus,  s-  theol.  D.,  Superintendens  scripsit 

M.  TJiom.  Blebelius  Budissinus,  sdiolae  Cur.  Rector  et  suo 
ei  collegorum  suorum  nomine  scripsit. 

(fol.  20)  M.  Enoch  Widmann  [Enodi  Widmann's  Chronicon 
Curiae  in  Menckes  Scriptores  Qermaniae,  Ups.  1730,  Tom.  III,  756. 
Deutsch  in  Hohenzollersche  Forschungen  IS93  S.  244),  der  hat 
mir  in  Poest  graeca  et  latina  wohl  gedienet  und  weil  er  mich  zu 
der  Löwin  in  die  Kost  verstellet,  allda  er  ein  Vetter  gewesen, 
privatim  mir  viel  untersagt  und  gewiesen,  ist  nach  meinem  Ab- 
schied Rector  worden. 

M.  Simson  Moncehus  hat  mir  auch  in  lateinischen  verscn 
wohl  geholffen  und  ist  ein  getreuer  Praeceptor  gewesen,  so  Anno  88 
23.  Decerabr.  ins  ministenum  kommen  uff  dein  Land,  hernach 
offt  und  viel  promovirt  worden,  ist  leztlich  Prediger  zu  Heilsbronn 
und  Decliant  zu  Neustadt  an  der  Aisch  worden. 

M.  Georg  Therius  oder  Deg  hat  mich  sehr  lieb  gehabt,  in 
grichischen   poeten   und  soluta  oralione   mir  wol   zugeschlagen. 


1 


70  Franz  Hliltner. 


Weinet  bitterlich  23.  Jun.  anno  Q2,  da  ich  ihn  valediciret  und  ge- 
segnet; soll  ein  Ralhsherr  worden  seyn. 

M.  Conradus  Humollerus  ab  anno  Ql  8.  Nov.  grammaticam 
lalinam  Iractirt.  sonderlich  doctrinani  de  accentibus  uns  fein  gewerset 

So  bin  ich  nun  in  dieser  Stadt  Hof  fast  4  Jahr  gespesen  und 
hsb  da  meine  beste  Sachen  gehabt  bey  obgenannter  Barbara 
Löwin,  die  eine  Cramerin  gewesen  und  einen  grossen  Sohn 
Hannsen  gehabt,  so  ihr  die  Haushaltung  und  Gram  versehen. 
Den  kleinem  Sohn  Philippum  hab  ich  privalim  singen  und  anders 
gelehret  3  Jahr. 

[fol.  21]  Hab  ihr,  dieser  Coslfrauen  (nachdem  ich  bey  dem 
Büttner  Zeitler  nur  V«  Jahr  geblieben,  um  des  argen  Weibes 
willen,  sanilgernessensahe)das  erste  Jahr  15f].  [gegebenj,  das  andere 
aber  12  fl.  und  noch  folgende  2  Jahr  dergleichen.  Doch  hab  ich 
dameben  arbeiten  und  schreiben  niiissen,  was  man  mich  gehcissen, 
und  gleich  wohl  meine  Ergözlichkeiten  darneben  gehabt  und  allen 
guten  Willen  verspühret. 

Anno  90  im  Majo,  weilen  die  Primani  fast  alle  im  Brett 
spielen  gekönnt,  es  auch  gelernt.  Item  Anno  eodem  27.  Maji  uffn 
Rücken  schwimmen  mit  den  Meelführer,  so  Icztlich  Abbt  zu 
Hellsbronn  worden. 

Anno  QO  I.  April  uff  der  Cithern  lernen  schlagen. 

Anno  1591  8.  Jan.  hab  ich  angefangen  graeca  carmina  zu 
schreiben,  wie  im  vorigen  90.  Jahr  ö.  Nov.  Phalaeaa  und  3.  Dec. 
Sapphica  Carmina  Laiina. 

Anno  91  22.  Jul.  das  höfische  Stat-Chronicon,  so  M.  Wid- 
mann [Enoch  Widnians  Chronik  der  Stadt  Hof.  Nach  der  Ort- 
ginalhandschrift  zum  erstenmal  herausgegeben  von  Christian 
Meyer  1393]  verfertiget,  neben  andern  (darunter  auch  Melfürer 
war)  alle  Tag  1  Stund  nach  der  Abendschiil  helffen  abschreiben 
selbfünfft.  Welches  anno  92  den  23.  Martii  fertig  worden,  darauf 
sind  wir  von  ihme  zu  Gast  geladen  und  herrlich  tractiret  worden. 

Anno  9!  16.  Sept.  den  Buchdruck  Pfeilschmids')  gest-hcn 
und  sobaldcn  in  mein  Stammbuch  etwas  lassen  drucken,  wie  auch 
den  29.  Dec.  in  Herbsls  Stammbuch.    [81.  11] 

■)  IBdlr.  4,  6S  Ann.  5|  M«nhJnis  PiniKhinIdl,  Stichdnicker  In  Hol,  Khricb  ItOt- 
ein  Octtnibnch. 


SelbstbiOEnphic  des  SUdtpfarren  WoUsaoG  Ammon  etc.         71 

Anno  92  31.  MarL  angefangen,  Partes  zu  schreiben,  welches 
(mir  hemach  zu  meinem  Canlorat  wohl  gedienet. 

Ch  ich  vom  Hof  weg  gezogen,  liab  icii  einem  Landsmann 
Arnolde  auch  ein  Buch  aus  dem  Virgilio  fürgelesen  und  explicireL 

Anno  Domini  1592  am  Tag  Pclri  Pauli  bin  ich  früh  Morgens 
lach  Jena  kommen  und  hab  noch  diesen  Tag  die  ßacchartteii- 
^hÖnier  lassen  abwerffen,  und  dagegen  einen  studiosum  im  Wirths- 
hauss  bey  der  gülden  Gans  angelegcL  Dodor  unius  Juris  Jacob 
Welser  war  mein  absolvens.  Paulus  Ludus  ward  aucb  mit  mir 
rdeponirt.  Johann  Hohndorff,  so  hernach  ein  Minister  Ecclesiae 
vorden,  war  Depositor,  und  ich  bin  der  1295-,  so  er  geliefelt; 
meine  Zeugen  waren  Johannes  Herbst  (der  hernach  in  Dociorem 
Juris  promovirt)  und  Johann  Cobmen  |foI.  22];  costet  mich  dieser 
actus  2  fl.  4  groschen  4  dl.  Anno  92  1.  Jul.  bin  ich  von  Herrn 
Dodore  Nicoiao  Reusnero,  dem  hochberühmten  Juristen,  der  viel 
Bücher  geschrieben  und  dissmal  Reclor  MagnÜicus  der  Universitaet 
Jena  war,  ins  Studentenbuch  immatricuhrt  und  einverleibet,  costel 
6  groschen.  Folgende  Tage  habe  ich  meine  commendationes  aus- 
getragen, so  mir  Herr  Matthaeus  Herbst,  Pfarrer  zu  Erlach  [im 
Amt^ericht  Ochsenfurt),  an  Herrn  Doctor  Müllern,  Theologum, 
Doctor  Johannem  Schrölem  den  ähern,  den  perpeluum  Acadcmiae 
Rectorcm,  und  M.  Hammern,  der  Hebräischen  Sprachen  profcssorem, 
ertheilel  hatte.  Welches  ich  dann  würklich  genossen  und  dem 
M.  Hämmern  sonderlich  lieb  gewesen  bin  und  viel  gutes  von  ihm 
Studiret  Er  hat  mich  auch  mit  ihm  zu  seinen  guten  Freunden 
und  Verwandten  umher  ausser  Jena  geführet,  zu  Apolla  und 
andcrslwo;  da  unter  andern  ein  Pfarrer,  als  er  meinen  Zunahmen 
gehöret,  gesagt:  magnum  nomen,  magnuG  vir,  uff  ein  grossen 
Nahmen  gehör  ein  dapferer  Mann. 

3.  Aug.  die  1.  Icction  gehört  von  M.  Haidero  und  D. 
Reudento. 

Uff  dieser  hohen  Schul  Jena  hab  ich  zu  Praeceptoribus  ge- 
3t  und  gehört  in  Theologia  Docior  Georg  Müller,  von  dem 
kh  die  augspurgtsche  Confession  hören  expUcJren  und  epistel  ad 
Romanos.  NB.  Er  fieng  den  9.  Jul.  I5Q4  an,  auswendig  zu 
pTofitiren,  und  dictirt  nichts. 

Doctor  Ambros  Reudemium,   der  gar  fidelis  war,   etliche 


Psalmen  explicirt  (114  ist  mein  anfang)  und  Isagogen  bibUcam 
gelesen,  auch  seine  privala  collegia  gehalten,  da  ich  auch  bcy. 
Doctor  Samuel  Fischern,  so  Superintendens,  und  Johantiem 
gelesen. 

II.  In  juridica  facuHatc,  welche  ich  erstlich  studiren  sollen 
•(vermög  habenden  schrifftlichen  Befehls)  Doctor  Libcrium  Hoff- 
mann gehört  in  regulis  Juris;  iteni  Ooclor  iinrus  Juris  Jacob 
"Welsen  (so  den  Raniiim  (Pierre  la  Ramee  f  1571]  selbst  gehört 
hat  zu  Paris)  iiber  die  2  erste  Bücher  in  instttutionibus  juris, 
daran  5.  Octobris  anno  "^2  angefangen;  in  hel>raica,  chaidaica  el 
syriaca  lingua  M.  Christoph.  Hammeruni,  sanctac  linguae  pro- 
fesBorem,  der  auch  Joehm  und  Jonani  gelesen,  [fol.  23) 
In  graecis  hab  ich  gehört  M.  Laureiilium  Rhodomannuni  (f  löOö 
in  Witlenberg],  der  ein  lumen  Qermaniae  gevresen  und  eine 
seizame  pronunciation  gehabt,  wie  die  heutige  Qridien,  Theo- 
goniam  Hesiodi  lass  er  und  weist  uns  frei  die  intitation. 
In  Mathcmaticis  von  M.  Qeorgio  Lymnaco  die  sphacram, 
Theorias  planetarum,  Calendar.  Ecciesiasticum,  tabulas  prutenicas, 
Arithmctic  de- 
in ptiysicis  und  übel),  de  ^ima  Doctor.  Zachariam  Brendel, 
der  ein  hcrrUchcrj  getreuer,  gotlsfiirchliger  Medicus  und  praea'ptor 
(ist  im  September  anno  26  verschieden). 

In  Ethicis  und  Logica  den  M.  Woiffgang  Haider,  der  ein 
Instiger  sehr  gelehrter  Mann.  Von  diesem  hab  ich  privatim  eine 
specialem  docirinani  de  virtunbus  studiret  {tr  ist  im  18.  Sept 
anno  1626  begraben). 

In  Poesi  Eliam  Rcusnenim  Licenliatum  gehöret. 
Bl.  IT]         23.  Sept  1592  die   erste   dispulation   zu  Jena,  aber  den 
2a  Nov.  anno  1588  zum  Hoff  gehöret.    2Ö.  Octob.  1592  ich  das 
ersle  mal  disputiri. 

Mcin  erster  Stubcngcscll  war  Johann  Herbst  {mein  Lands- 
mann und  höfischer  Schulgesell)  vom  29.  Jun.  Anno  02  an  bei 
M.  Lorenz  Evo  oder  Fröcauf,  der  professor  Arilhmetices  vof 
diesem  gewesen  und  schier  gar  crbiindL  Hernach  22.  Sept.  sind 
wir  zu  Nicol.  Müller,  Becker  in  der  Lculergassen,  gezogen,  das 
Jahr  um  6Vs  fl-  Stubenzins,  Mein  anderer  Stubengesell  und  aller- 
besten Freund  einer  (dann  den  Christoph  Jordan,  so  mit  der  Zeit 


SdbsU)iO|inphie  des  Stadtprarrers  Wolfgang  Ammon  etc.  73 


I 


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* 


N 

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Superintend.  zum  Hof  worden,  halt  ich  für  den  besten)  war  Jo- 
hannes Dressel  von  Neustat  an  der  Hayd  [sfldüch  von  Sonneberg], 
2  Meil  von  Coburg  gelegen,  der  hat  mich  Bett  und  Stuben  Erey 
.gehalten,  ich  ihn  dagegen  privatim  unterrichtet  an  gesagten  Ort. 
Vom  30.  April  Anno  94  aber  haben  wir  in  der  Bildschnizerin 
Hauss,  im  engen  (Jässiein  gewohnet. 

N'B.  anno  1593  hab  icli  vom  XL  Febr.  an  Logicam  Rami 
gelesen. 

Weil  ich  nun  auf  der  hohen  Schul  nit  lang  zu  bleiben  ge- 
habt, als  hab  ich  mich  bald   uff  eine  faciiltaet  begeben   müssen 
■und  demnach  gnädiger  Herrschaffl  Sainslieim  Herrn  Georg  Lud- 
wig   von  Sainsheim  [der  jüngere  1554 — 1599]   heimgestellet,  die 
•nir    erstlich  das  Studium  Juris  gnädig  anbefehlen  lassen,  wie  oben 
auch  gedacht,  ich  soll  mich  aber  mil  Büchern  [lol.  24]  und  Klei- 
dfrii  nit  überlegen  und  heut  oder  morgen  nit  abkaufen,  sondern 
«icincm    Herrn    verbunden    scyn    und    bleiben.     Nach    etlichen 
"Ochcn  ist  ein  anderer  Bescheid  kommen,  als  wenn  Ihre  Gnaden 
"icKts  von   vorigen   Schreiben   wüsten,   ich  soll  aber  zu  meinen 
Freianden  mich   lierausbegeben   und  von  ihnen  Bürgschafft  zum 
stuclic  Juris  ausbringen  oder  das  Studium  Thcologiae  ohne  Bürg- 
schafft  fürnehmen.    Als  ich  nun  anno  93  den  13,  und  14.  Jul. 
•Iwea  Raths  zu  Feuclituangen  gelebet,  rhieten  sie  einniflthig,  was 
raeir»  Vatter  sludiret  hätte,  da  sollt  icb  auch  mich  beyfindcn  lassen. 
Oerxi  hab  ich  auch  gefolgct  und  dank  Gott  dafür. 

Den  13.  Jul.  nechsten  Tags  hinnach  dem  Rath  hab  ich  zu 
Oorf  Oütingen  uff  meiner  Mutter  Bruders  als  Pfarrern  Erlaubniss 
früh  morgens  die  cpislcl  1.  Pel.  3  gelesen  in  der  Kirchen,  neben 
oflerrt  capiicl  aus  Lucae  4  und  die  collecten  gesungen,  abendsaus 
dw  Kinderpredig  das  dritte  Gebot  gelesen  und  ist  diss  gleichsam 
we»T)  erste  prub  in  Kirchen  aclibus. 

Als  ich  nun  wieder  nach  Jena  kommen,  hab  ich  den  26.  Au- 

pisti  anno  1593  (war  der  XI.  Sonn  lag  nach  Trinitatis)  meine  erste 

Ptttiigt  (welche  ich  voriges  Tags  25.  Aug.  in  eines  armen  freuleins 

Haus  vor  meinen  Slubengcsellen  und  guten  Freunden   privatim 

RCtban)  öffentlich  zu  Zwaitzen  [ZwätzenJ,  so  eine  halbe  Meil  von 

Jtna  gelegen,  in  der  Kirchen  gehalten,  in  Beyseyn  Herrn  Pfarrere 

und  5  Studenten.    D.i  hat  mir  nun  Gott  meine  Bitt  gcwärl,  und 


ich  ein  Gelübd  gethan,  welches  ich  gehalten.  Ist  auch  also  gangen, 
wie  ich  in  meines  Fräuleins  seligen  zu  Elsa  Garten  besonnen. 

9.  Sept.  anno  93  13.  Trinit.  hab  ich  zu  Lichienhan  (Licliien- 
hayn],  30.  diss.,  lö.Trin.  zu  Amerbach  [Ammerbagh]  geprediget 

9.  Decemb.  2  Pretiigt  gethan,  1)  zu  14  Heihgen  [7  Kilo- 
meter von  Jena,  gegen  Apolda],  ist  ein  Dorff  also  genannt,  2)  tu 
Rumslat,  und  sind  ich  und  mein  gut  Freund  Christoph  Korn, 
weils  eine  grosse  Meil  Wegs,  mit  der  Latem  in  der  Nacht  biss 
Tag  gangen^  in  grossen  Ungestüm. 

[fol.  25)  25.  Deccrnb.  Anno  93  zu  Liechteiihan  wiederum. 

26.  Decemb.  zu  Amerbach.  27.  Decemb.  abermal  zu  üeclilen- 
han  in  Beyseyn  M.  Melzers,  Jenisdien  Caplans  und  der  Seinen 
gepredigt,  hab  auch  ein  statüche  Malzeit  uff  des  heiigen  Caslen 
mit  ihnen  besessen. 

Anno    1594  27.  Jan.   zu    Liechtenhan    abermals  gepredigt. 

10.  Febr.  zu  14  Heiligen.    24.  Febr.  zu  Liechtenhan.    10.  Marl. 

zu  Ziegenhan.    24.  diss  zu  Ziegenhan  und  Prissniz  [Jenaprisnilz], 

[BI.  12]         31.  diss  3  Predigten  an  einem  Tag  gethan,  1)  zu  Jescha-iz, 

2)  zu  14  Heiligenj  3)  zu  Klein  Rumstal. 

1.  April  zu  Grossen  und  Kleinen  Rumstat  geprediget,  atich 
ein  Malzeit  zu  Grossen  Rumstatt  uffs  Fest  genossen. 

14.  diss  zu  Jeschwitz  mich  exercireL  9.  May  wieder  daselbst 
28.  Jiil.  zu  14  Heiligen  und  Rumstat  geprediget.  20.  Octob.zu  Amerbach. 

Ja  ich  hab  etliche  Exercitia  nicht  iiffgesch rieben,  dann  ihrer 
bey  30  gewesen.  Unter  andern  aber,  so  mir  wiedrig  zugestanden 
in  Jena,  ist  nicht  der  wenigsten  eins,  tlass  ich  gegen  meinem 
gnädige  Herrn  bin  versagt  und  angössen  worden;  hab  demnach 
5  Testimonia  und  Zeu^iss  als  Herrn  D.  Müllers,  D.  Brendels, 
M.  Hammers,  M.  Lymnaei  und  M.  Melzers  gen  Scehauss  geschickt 
und  der  falschen  Anklag  damit  gesteuert 

Woifgangum  Ammonium  quam  vis  consueludo  frcquens 
hactenus  non  familiarum  mihi  tradidlt:  Praeceptorum  tamen  testi- 
monia ita  commendant  et  annotata  ex  lectionum  mearum  aus- 
cultalionibus  consignaia,  Ita  officio  functiim  esse  probanl,  ui  tcmpus 
ab  dlo  minime  inutiliter  coHocalum  esse  iudicem:  Quod  ego  ro- 
galu  ipsius,  meo  hoc  autographo  testari  non  sum  gravatus.  Scripsi 
16.  Febr.  1594.    Jenae. 


Selbstbiographie  des  Stadlpfarrers  Wollgang  Ammon  etc.        75 

Georg  Mylius  D.  el  Professor  Theologus. 
Itlustris  el  generöse  Baro,  >X'olfgangus  Ammoniiis,  generosi- 
tatis  Tuae  Alumnus,  stuüiorum  suorum  testimonium  a  me  petüL 
Quia  vcro  hie  ante  biennium  ferne  a  viro  revcrcndo  domino 
Matthaeo  Üporino,  condiscipulo  meo  veteri,  mihi  commendatus 
fuit,  opcram  dedi  sedulo,  ipsius  ut  et  vitam  et  sludia  observarem 
et  sl  quae  corrigenda  (orent,  übere  corrigcrcm.  Quarc,  cum  lalem 
deprehenderimi  cui  cordiet  curae  litcrarum  oplimarum  stiidia  sint, 
non  modo  Joebeae  praelectioni  Audilorem  sese  mihi  quoque 
praebeat,  non  potiit  in  honesta  ipsius  petitione  hac  non  acqutcscere. 
Eum  ergo  cum  rcliquis  Reverendis  et  Clarissimis  Viris  CoUegis 
mets  de  noia  nicliort  generositati  tuae  conimendatum  esse  pcrciipio 
submisse  pctens,  »t  imposlenim  quoqiie  ipsius  studia  p.  A.  prove- 
bere  non  dedignelur,  quod  Dea  et  generositati  tuae  atque  Eccle&iae 
patris  stiit  viri  dociissimt,  p.  m.  insl^ir  commode  inservire  altquando 
possit,  non  dubito,  quin  daturus  sit  operani  quoque,  quo  animi 
grati  significalionem  gcncrositaü  luae  vicissim  effuse  probet.  Valc 
in  Christo  generöse  Baro,  et  huius  (gehöret  vieüeichi  noch  hinzu 
Acadcmtac)  [fol.  138]  discipulos  atque  Ministros,  ut  haclenus 
Uudabiliter  et  llberaliter  fecisli,  ita  in  poslcrum  eüam  Tibi  com- 

Iniendatos  esse  patcre.  Jcnae  16.  Febr.  anno  Christi  1594. 
Generositatem  tuam  submisse  colens  M.  Christophorus 
Hammerus  Linguae  sandae  professor. 
Dominum  Wolfgangiim  Ammonium  opcram  mihi  dcdisse 
sedulam  publice  docenll  physicen  et  librum  de  anima  lestor  Zacha- 
rias  Brendel  Med.  Doctor,  Professor  pubh'ais  in  Salona.  Actum 
Jcnac  16.  Febr.  1594.  Zacharias  Brendel  D.  S.  I.  C. 
Irni.  12"]  Peijit  a  mc  omatissimus  Juvenis  Wolfgangus  Ammonius 
studiorum  suorum  testimonium,  quod  Patronis  suis  exhibcret. 
Cum  autem  acquiim  non  sit  commendationes  denegari  iis,  qui 
merentur,  libenter  obsecutus  sum  huic  pelitioni,  et  quae  comperta 
habercm,  perscripsi.  Testor  igilur  nominalum  Amnionium  singulari 
diligentia  hactcnus  malhematicis  discipünis,  quarum  professio  ab 
fllusuissimis  Saxoniae  Principibus,  huius  nostrae  Salonae  Nutricis 
Domtnis  nostris  clementissimis  mihi  dcmandata  est,  operam  dedisse, 
ut  facile  coniiciam  reliqua  studia  non  minus  ipsi  curae  luisse,  cum 
diiigentius  gravioribus  insudarit,   spemque  concipiam  utile  eum 


76  Franr  Hüttticr. 


futurum  organon  Ecclesiae  et  scholae.  Ideoque  debila  animi  sub- 
missione  a  gcnerosis  Nobilissimisque  luiius  studiosi  Patronis  peto, 
ut  SLia  gratia  et  opc  ulterius  ipsi  adcssc  non  graventur.  Erit  hoc, 
ul  speramus  cl  ex  anhno  prccainur,  Ecciesiae  Christi  tarn  utile 
<]uani  quod  uiilissimum.  IG.  Febr.  anni  1594  jenae. 
Oeorgius  Lyninaeus  M. 

NB.  quintum  (eslimonium  deficit. 

ffol.  26-1  In  diesem  94.  Jahr  war  ich  gern  Magister  worden 
und  hab  altes,  was  darzu  gehöret,  in  Bereitschafft  gehabt,  allein  an 
Geld  fehlete  es,  muss  demnach  aus  Armulh  und  weil  mir  Niemand 
darzu  helffen  wolte,  mein  Vorsa/.  ändern. 

10.  Maji  diss  Jahrs  bin  ich  in  H.  Doctoris  Reudemü  Theo- 
logiciim  collegiuin  kotnmen. 

Anno  Christi  I5Ö5  14.  Marl,  bin  ich  von  Jena  abgefordert 
worden,  weil  der  Herr  Herbst,  Pfarrer  zu  Erlach,  gestorben,  ihme 
zu  succediren  (wie  es  erstlich  gerneinet  war)  oder  aber  im  Can- 
torat  an  Pfisters  stat  zu  kommen. 

Bin  am  Sontag  Laetare  oder  Mitfaslen  zu  Brait  ankommen. 

In  der  Charwochen  imd  Ostcriagen  hab  ich  die  Predigten 
zu  Eilach  und  Sundheim  [Kallensondheim  bei  Kitzingen)  uff  gnä- 
digen Befehl  verrichtet  anslat  des  von  Anipferach  [im  B.  A.  Feucht- 
wangen] herkommenden  Herrn  Schwagers  Schechsil,  welchem 
Johan  Pfister  mein  Anleccssor  succedirct  hat.  Darauf  die  Schul 
zu  Markbrail  an  Herrn  Pfistere  stat,  der  nach  Anipferach  zum 
Pfarr  erhoben  worden,  versehen  uff  gn.  Begem  der  Herrschafft 
vom  25.  April  an,  biss  Anno  1595  10.  May  mein  gn.  Herr  Herr 
Georg  Ludwig  von  Sainshetm  in  der  Person  mich  in  Beyseyn 
Herrn  Schuldheissen  Nicolai  Orohen  und  aller  seiner  Geistlichen 
zum  Brailer  Cantorat  eingeweisel  und  investiert. 

Den  13.  May  darauf  ins  Cantors  Heusslein  eingezogen,  da 
hernach  die  Kirchner  wohnen. 

In  diesem  95.  Jahr  hab  ich  geheiratet,  und  mein  l.  Verlöb- 
niss  in  Beyseyn  meiner  Mutter  2  Brßdern  Herrn  Abraham 
Jungen,  Pfarrers  zu  Dorf  Oütingen,  und  Herrn  Philipp  Jungen, 
Pfarrers  zu  Leutersliausen,  am  9.  Oclobr.  gegen  Abend  gehalten, 
[{o\.  27]  mit  Apollonia  Kuppe'ichen,  da  ihre  Mutter  auch  dabcy 
und  ihre  2  Brüder  Jacob   Kuppelich,  ein  Vogt  zu  Feuchtwang, 


I 


» 


und  Georg  Cuppelicb,  ein  Beck  daselbsi,  samt  ihren  beyden 
Weibern  und  dem  ledigen  Bruder  Abraham;  ist  alles  verrichtet 
worden  im  Dorff  QQtinger  Pfarrhaus. 

Geschlecht  und  Herkommen  meiner  lieben  Apollonien. 

Ihr  Vatter,  mein  lieber  Herr  Schweher  seliger,  hat  geheissen 
Johann  Kuppelich,  ist  zu  Feuchtwangen  bürtig  anno  1527;  sein 
Vatter,  meines  Weibs  Anherr,  hat  auch  Johann  Kuppelich  geheisen 
und  ist  ein  Schuster  gewesen,  hat  aber  das  Handwerck  nicht  ge- 
trieben, sondern  die  Wirthschaffl  auf  den  Marckl  in  dem  Hauss, 
so  iezt  Schwager  Friedrich  Alexand.  K"ppe!ich  besizet,  und  er 
durch  Heirat  bekommen,  ist  zue  Hardt  (Haardt)  bey  Weissenburg 
daheim  gewesen. 

Dieser  mein  gesagter  Schweher  hat  das  Beckenhand werck 
gelemet  und  eine  [El.  13]  Zelt  lang  getrieben,  ist  aber  ein  Rath&- 
herr  dabey  gewesen,  hat  lezlich  das  Statvogtampt  um  seines  Wohl- 
Verhaltens  willen  bekommen  und  das  Handwerk  aufgeben.  Sein 
erstes  Weib  hat  Magdalena  geheissen,  eine  Tochter  N.  Alberls^ 
und  anno  1547  2.  May  mit  Ihr  Hochzeit  gemacht,  in  die  ISJahr 
in  der  Ehe  mit  ihr  gelebet  und  10  Kinder  mit  ihr  erzeuget,  unter 
welchen  eine  todle  Leibesfrucht  gewesen.  Seine  erste  Tochter  ist 
gewesen  Margaretha,  so  zu  Ceorg  Funken,  einen  Bauern  in 
Wissath  (Wieseth  bei  Feuchtwangen)  geheurathet,  isl  ehe  ver- 
schieden, denn  der  Valter,  ungefehrlich  Anno  1583. 

Das  andere  Kind  Johannes  anno  1549  23.  Aug.  geboren,  ist 
zu  Crailsheim  an  der  Pest  gestorben  anno  lfil3,  der  ist  ein  Müller 
und  Rathsherr  zu  besagtem  Crailsheim  und  sehr  bertihmler  Mann; 
bat  mir  viel  guter  Räth  ertheilet,  durch  seine  Rechlshändel  aber  in 
grosse Ungelegenhelt  kommen.doch  sehr gottseelig  blieben,  [fol.28.1 

Das  dritte  Kind  hat  Laurentius  geheisen,  so  anno  1552 
2Ö.  Dccember  geborn,  hat  fein  studiret,  ist  ein  mächtiger  Historicus 
gewesen,  also  dass  er  sich  berühmen  können,  es  wer  kein  Ge- 
schichtschreiber zu  seiner  Zeit  herauskommen,  den  er  nicht  in 
seiner  Liberey  hätte.  Ist  erstlich  inflmus  scliolae  Feuchtwangensis 
Collega  worden,  hernacher  Vogt  zu  Wassertrühdingen,  ein  reicher 
ansefanlicher  Mann,  ist  daselbsten  verschieden  den  1 7.  Jan.  anno  Iö20. 

Das  vieric  Kind  Georgius,  so  ein  Beck  worden  zu  Feucht- 
wangen, ward  gebohren  anno  1554  24.  December,  ist  auf  seiner 


^ 


Schwester  Amaley  Hochzeit  anno  1598  7.  Nov.  von  seinen  Müller 
zu  Feuchtwangen,  der  Schön  Müller  genannt,  [confer  fol.  158]  da 
die  andern  getanzet,  erstochen  worden,  doch  ehrlich  begraben; 
ich  hab  ihm  vorgebett  in  Todesnölhen.  Desselben  MüIScrs  Sohn, 
ein  Studiosus,  ist  von  einer  Taiizbodenstiegen  herab  zu  Tod 
wiederum  gefallen. 

Das  fünfte,  Maria,  geborn  anno  1557  20.  Jan.,  ist  zu  Tieffen- 
bach  [B,  A.  Hilpoltstein],  als  ich  diess  geschrieben,  meines  Wissens, 
noch  am  Leben. 

Das  sechste  Kind  Jacob  ist  geborn  1558  27.  Octobr.,  ist  zu 
Feuchtwangen  Vogt  gewesen,  im  Jahr  1600  22.  Novemb.  ver- 
schieden, lang  wohl  discipüniret  zuvor. 

Das  Vit.  Oltilia,  so  meinen  Vettern  Herrn  Abraham  Jungen, 
Pfarrern  zu  Dorff  OOtingcn,  gehabt,  eine  lange  Zeit,  ist  anno 
1561   16.  October  gebohm. 

Das  Vni.  Abrahamus  I.  anno  1563  28.  Jan.  gebom,  den 
2.  Febr,  darauf  verschieden. 

Das  IX.  Magdalena^  die  Heinzen  Müllerin  genannt,  ward 
gebom  anno  1564  29.  Jiinü,  verschied  ums  Jahr  15W. 

(f.  29-1  Anno  Christi  1565  16.  Oclobr.  am  S.  Qallintag  hat 
mein  1.  Herr  Schweher  das  andere  Mal  Hochzeit  gehahen  mit 
meiner  lieben  Schwiegermutter  Apollonia  (so  ein  Tochter  Georg 
Jungens  gewesen),  mit  welcher  er  auch  durch  Gottes  Segen 
10  Kinder  erzeugetj  deren  das  erste  und  andere  im  Kindhaben  ge- 
storben (sie  aber  die  Schwieger  selig  selbsten  ist  anno  160^ 
II.  Jan.  im  Dorff  Aw  (NB.  in  der  Landkarten  heissts  Ah)  (AhaJ 
nit  weit  von  Ounzcnhausen  bey  ihrem  Sohn,  Herrn  Abraham, 
Pfarrern,  an  der  VX'assersucht  blieben. 

Ihr  drittes  Kind  war  eine  Tochter  Apollonia  prima,  gebom 
anno  1568  22.  Julii,  hat  nur  31  Wochen  1  Tag  12  Stund  gelebt. 
Das  IV.  Ihr  Kind  ist  Abraham  Kuppelich  anno  1570, 14.  Oc- 
ober  geboren,  am  Tag  Calixti,  der  hat  nun,  als  er  zu  Jahren 
kommen,  wohl  studirt  und  ist  Pfarrer  im  Fünstenthum  Branden- 
burg worden  zu  besagten  Aw,  auch  hernach  eine  lange  Zeit  Senior 
im  Capitel  Ounzenhausen  von  anno  12,  wie  ich  im  Auguste  er- 
fahren, auch  Pfarrer  zu  Samenheim  [im  Bezirksamt  Gunzenhausen), 
dero  Zeit  noch  am  Leben,  hat  Hochzeit  gehalten  bald  nach  uns. 


Selbstbiographie  des  Stadtpfairm  WoLfgang  Ammon  etc  79 


Das  V.  Apollonia  secunda,  meine  liebe  Haiissfrau,  nunmehr 
selig,  diese  war  gebom  anno  1572  5.  May  Montag  zwischen  10 
und  11  Ubr  in  der  Nacht;  ihr  Tod  stehet  unten. 

Das  VI.  Kind  Catharina  ward  anno  1574  27.  Mart  geboren, 
hat  einen  Mezger  Melchior  Gopelt  zu  Kraüsheim  zur  Ehe  gehabt, 
mit  dem  sie  anno  15Q7  12.  Jul.  Hochzeit  gehalten;  stirbt  am  Kind- 
haben, ohngefehrlich  ums  Jahr  lölS. 

Das  VII.  Kind  Barbara  hält  man  dafür,  sie  sey  anno  1576 
gebohm,  hat  einen  Becker  zu  üunzeii hausen,  bey  deren  Hochzeit 
wir  bcyde  Eheleiithe  gewesen  mit  grossen  Costen. 
JL  13")  Das  VIM.  Amaley  genannt  (so  erstlich  einen  Infimum  Scholae 
zu  Feucht«angen  Georg  Ziegelmüllem  gehabt,  der  hernach  zwo 
Pfarr  noch  bezogen  Grafen  stein  berg  (im  Amtsgericht  üunzen- 
haiisen]  und  Berolzheim  [im  Amtsgericht  Heidenheim),  aber  nach 
seinem  Absterben  hat  sie  einen  Wirlh  bekommen),  soll  ums  Jahr 
1573  gebohrcn  seyn.  Ihr  Herr  st^ltger  ist  verschieden  13,  SepL 
aiino  U,  hat  mit  ihr  Hochzeit  gemaclit  Anno  98  7.  Nov. 

[Fol.  30]  tX.  Kind  ist  Friderich  Alexander,  gebom  anno  79 
Montag  nach  Palmarum,  hat  das  Becker-  und  Barbiercr-Handwerck 
gclcmct,  Ist  zu  Fcuchtwangen  lang  Zeit  Umgcldcr  und  Wirt  ge- 
wesen, lebt  noch,  hat  Hochzeit  zu  Fcuchlwang  26.  Jan.  anno  1602. 

X.  Kind  hat  Anna  gehcissen  und  ist  anno  1583  gebohm, 
diess  Kind  hab  ich  nie  zu  sehen  bekommen, 

Mehr  besagter  mein  erster  Herr  Schweher  ist  anno  1585 
30.  Januar,  in  Gott  secliglieh  verschieden  mit  einem  statlichcn  Lob 
und  Betrauemus.  Docior  Adam  Jung,  meiner  Mutter  Bruder 
seeliger,  hat  ihm  das  Zeugniss  gegeben,  dass  in  ganz  Fcnchlwang, 
seinem  Vatterland,  ihm  niemand  grössere  Ehr  als  er  erzeiget  habe. 

Nun  komm  ich  wieder  auf  meine  erste  Ehrnfröllchkeit,  die 
hab  ich  zu  Feuchtwangen  gehalten  anno  Christi  1595.  Uns  hat 
in  der  Stifftskirchen  copuiirt  M.  Lorenz  .Mbrecht,  unser  Gefreundtcr, 
ein  anderer  Caplan  hat  die  Hochzeitpredigt  gehalten  aus  dem 
I.  Buch  Mose  2.  capilcl:  Es  ist  nicht  gut,  dass  der  Mensch  allein 
sey.    Ist  gewesen  Diensttags  den  18.  Novembr. 

Unter  andern   Hochzcitgäslen  waren    Herr   Geyer   der  alle 

^Vogt  von  Ampferaeh  wegen  des  wohlgebomen  meinen  gn.  Herrn 

ron  Sainshcim  Georg  Ludwig  etc.  ein  Legatus  (so  mir  3  Reichs- 


iO  Franz  Hüttner. 


laier  verehret).  Item  Herr  Philipp  Jung  [fol.  3IJ  M.,  Pfarrer  zu 
Lcutershausscn,  ein  Bruder  meiner  Mutler,  iiem  Herr  Abraham 
Jung,  Pfarrer  zu  Dorff  Gülingen,  auch  meiner  Mutter  Bruder,  mit 
seinem  Weib  Ottilia  und  Tochter  Evalein^  mehr  ein  anderer  Mutter 
Bruder  Paulus  Jung,  Kornschreiber  zu  Onolzbach.  Item  Vetter 
Herr  Hanns  Jung  Studiosus,  so  hernaclier  Registrator  zu  Weickcrs- 
heim  uordcn,  vorhin  aber  Herr  Johann  Erkingers  von  Sainsheim 
praeceptor  war,  etc. 

Auf  der  Braut  Seiten  waren  unter  andern  auch  Hochzeil- 
gäste der  Herr  Dechant  Eck^  ein  ganzer  erbarer  Rath  zu  Fench!- 
wang,  Herr  Lorenz  Albrecht,  der  uns  eingesegnet,  auch  die  Frau 
Amptmannen,  eine  Edle,  wie  atich  des  andern  Tags  ein  Jungkher 
von  Döna,  Herr  Abraham  Cuppelich,  ein  Studiosus,  und  Friedricli 
Alex.  Cuppelich,  ihre  rechte  Brüder,  etc. 

[fol.  32]  Darauf  sind  ich  und  meine  Apoilonia  heimgefahren 
mit  den  Unscm  und  haben  unser  eigen  Haiisswesen  angefangen. 
Und,  ob  mir  wohl  der  Anfang  zu  meinem  ehüchen   Leben  ziin- 
lich,  ja  sehr  sauer  ist  worden   (sinlemahl   ich  biss  gen  Jhena  hin 
und  her  gesprenget,  uff  48  Meli  aus  falscher  Nachred  und  Ver- 
dacht, deren  Gott  Lob  sich  keines  gefunden  und  sonst  zu  der 
Freyerey,  auch  Einladung  der  Gast  und  Ehrenfröhchkeit  widcrum 
auf  42   Meil  Wegs  in  Kurzen  raisen  müssen,  ohn  was  ich  gen 
Seehaus  hin  und  wieder  (darzu  mir  meine  vorgesezte  Geistüche 
dapffer  die  Brände  geschüret  und  doch  nichts  erweisen  können) 
getanzt.    Ob,  sag  ich  noch  einmahl,  der  Anfang  meines  Ehewesens 
mir  zimlich    sauer    gemacht  worden   und   ich   fast  100   Meilen 
herum  terminircn  müssen  mit  nit  geringen  Unkosten:  jedoch  ist 
meine  Unschuld  frey  am  Tag  kommen  und  hat  mir  mein  liebes 
Eheweib  hernach  wohl  zugeschlagen  und  mich  lieb  und  wert!» 
gehabt,    Und  über  das  ich  durch  Gottes  Seegen  zu  einer  feinen 
Nahrung  mit  ihr  kommen,  hat  sie  mir  12  gesunde  Kinderlein,  die 
alle  zur  heiligen  Tauff  gelanget,  uff  diese  Welt  gebom,  wie  folget. 

[Bl.  14J        Verzeichnus  meiner  in  der  ersten  Ehe  erzeugten  Kinder. 

I.  Den  4.  Decemb.  anno  lb9f>  ward  Nicolaiis  mein  erster  Sohn 
gebohrn,  Sambstags  früh  zwischen  4  und  5  Hören,  laufft  ihn 
Herr  Ceorgius  Conrad!,  damals  Capellan.    Gevatter  »-ard  Herr 


Selbstbiographie  des  Stadtpfvrers  Wolfgaag;  Ammon  etc.         81 


M.  Nicolaus  Bauch,  dazumahl  Pfarrer  zu  Brait  (band  ein  Oold- 
gnlden  ein  pro  20  Batzen  und  ein  Carmen).  Diss  Kind  ver- 
schied IZ  Jul.  anno  1M7. 

II.  [fol.  33.]  Den  23.  Febr.  1508  DonnersUgs  abends  vor 
Matthiae  um  5.  hör.  ward  unser  zweiter  Sohn  Johann  Wolffgang 
der  erste  dieses  Nahmens  gebom,  ist  aber  nur  5  Wochen  und 
3  Tag  alt  worden  (dann  er  2.  April  Todes  verfaren).  Sein  Tauff- 
dot  war  Herr  Johann  Hom,  freyherrl.  Sainsh.  Secretarius  und 
Jrayserl.  Notarius,  ein  herrlicher  hochgelehrter  Mann  und  treff- 
bclier  Redner,  Taufft  ihn  Herr  Valentin  Apel,  Pfarrer  zu  Nort- 
heim.    Band  ein  I  Ducaten  pro  2  fl. 

III.  Den  11.  Martii  Sonntags  Oculi  anno  Christi  15Q9  ward 
die  erste  Tochter  Apollonia,  die  erste  dieses  Nahmens,  abends 
zwischen  6  und  7  hören  geboren,  ihr  Dot  war  Gevatter  Anna 
Sieinmezin,  Müllerin  zu  Grassolzheim  (weilen  ich,  wie  folgen 
-vird,  unten  damahls  daselbsten  Pfairer  war).  Tauffts  vorbesagter 
Herr  Apel.  Sie  ist  3  Jahr  alt  worden  weniger  l  Monat  (dann  sie 
den  13.  Febr.  anno  1602  verschieden)  und  konte  überaus  herrlich 
zn  ihrem  Alter  beten  im  Catechismo  und  was  man  sonntüglich 
für  die  ganze  Noth  der  Christenheit  erhohlcL 

IV.  Den  25.  Oclobr.  Sambstags  früe  vor  Tags  um  2  hör 
jutno  1600  war  die  andere  Tochter  Anna  gebohm.  Ihre  Dot 
war  vorwohlemieltes  Herrn  Secretarii  Horns  eheliche  Haussfrau 
Anna  (welche  nach  seinem  Abslerben  hernach  Anno  1604  27.  Aug. 
mit  Herrn  Doctor  Eisen,  Vice-Canzler  zu  Onolzbach,  Hochzeit 
4darzu  ich  auch  geladen  worden)  gehalten). 

Tauffts  wiederum  der  Herr  Apelt.  20  Batzen  einbunden. 
/erschied  diese  Tochter  selig  5.  Decembr.  Anno  1611  Vormittag 
um  8  hör  an  der  Plag^  betet  stattlich  und  thut  zuvor  ein  schön 
Bekanlniss,  hat  auch  des  Herrn  Abendmahl  kurz  zuvor  in  der 
Kirchen  sampt  uns  empfangen.  Da  die  Wärterin  sie  in  währender 
Schwadiheit  tröstet,  sie  würde  wieder  aufkommen,  hat  sie  gesagt, 
nein;  sie  begers  nicht,  wann  etwa  der  Vater  stürbe,  würde  sie 
und  ihre  Mutter  arme  Witwen  und  Waisen. 

[fol.  34.]  V.  Den  2.  Aug.  1602  Abends  zwischen  8  und  9 
Hören  ist  die  dritte  Tochter  Eva  gebom  Montags.  Oevattcr  ward 
Hannscn  Stollen  Wirts  Hausfrau  Barbara  (welche  hcrnachcr  gen 

Anklv  (Ar  Kulturenchlchie.   I.  Q 


Ma rekschön feld  [Stadl  Scheinfeld]  geheiratet  zu  . . .  Göttelbrünnern  . .) 
I  n.  eingebunden.  Diss  Kind  ist  2  Jahr  alt  worden  weniger 
8  Wochen,  dann  es  ist  Anno  I&04  den  6.  Junti  ein  viertel  nach 

1  hör  gegen  Tag  verschieden. 

VI.  Den  Il.Junii  1004  Montags  um  3  hör  früe  ward  ge- 
bohrn  mein  dritter  Sohn,  abermahl  Johann  Wolffgang  II  genannt, 
sein  Dodt  war  Herr  Martinus  Nusshold  Cancellist  (so  hemachcr 
gräflicher  Castellischer  Secretaiius  und  wohl  beputtert)  anslat  und 
von  wegen  meines  gnädigen  Herrn  von  Sainsheimb,  Herrn  Johann 
Eirckingers  etc.  taufft  ihn  Herr  Aijcll,  wie  auch  voriges  Kind,  da 
dan  vier  Guldenstaler  eingebunden  worden.  Verschied  dieser 
Sohn  seliger  den  II.  Novembr.  Anno  1611  am  Tag  Martini  Im 
hohen  Mittag  an  der  Plag.  Er  ist  schon  in  die  Schul  gangen  ge- 
wesen und  hat  seine  declinationes  und  coniugationes  guter  massen 
gekonnt,  die  4  Coniugationes  allmal  zusammen  lernen  müssen, 
uff  mein  Verzeichnus,  Arno,  doceo,  lego,  audio,  amas,  doces,  legis, 
audjs  etc.  per  omnia  tempora  et  modos,  wie  man  in  [Bl.  14'] 
Schulen  redt:  hat  ein  statliches  Ingenium  gehabt,  und  wann  nian 
ihm  vas  von  essender  Speis  nach  übUchen  Brauch  zur  Schulen 
mit  geben,  hat  ers  den  armen  Kindern  geben,  mit  Fürwenden,  er 
seine  lectiones  nüchtern  lernen  müste. 

VII.  Den  25.  .^p^ilis  Freytags  zwo  Stunden  in  der  Nachl 
Anno  1606  ward  die  vierte  Tochter  Barbara  I  gebom.  Ihr  Tauff- 
dot  ward  Barbara  Valien  Hilprands,  eines  Limburgischen  Baurens 
(so  hernach  über  dieselben  Ampisbefohlenc  Schuldheiss  worden) 
eheliche  Haussfrau,  taiiffts  Herr  Barthol,  Hoch,  Ptarrer  zu  Dorff 
Cottenheim  [Kotlenheim],  2  fl.  2  bazen  eingebunden  worden  oder 

2  Ouldenstalcr.  Ist  nur  5  Wochen  und  2  Tag  all  worden,  I.Jun. 
im  Kindbett  (wieder  Verhoffen)  verschieden. 

[fol.  35.1  Vni.  Den  27.  Sept.  Sonntags  1607  ward  meine 
fünfte  Tochter  Eva  Barbara  kürzhch  nach  10  Hör  in  der  Nacht 
gebom.  Ihr  Dot  war  das  wohlgebome  Freyfräulcin,  Fräulein  Eva 
Barbara  von  Sainsheim  (so  hernach  zu  Henn  Philipps  Ludwig 
Herrn  zu  LJmpurg,  Herrn  Schencken  Eberhardts  zu  Limpurg  Sohn, 
sich  ehiichen  eingelassen).  Tauffts  M.  Johann  Postler,  Apells 
Nachfolger  zu  Nordheim.  Diss  Kind  verschied  den  7.  Decembris 
Sambstags  früe  in   puncto  3.  horae  anno  1611  in  höchster  Qe- 


SeU)Stbiographic  Jes  Stadlpfaircrs  Wolfgang  Ammon  etc. 


duld  urd  mit  inständigen  fleissigen  Gebet,  ein  recht  frommes 
Kind,  an  Plag  und  Blattern  und  meint  die  gute  Tochter  selig, 
weil  sie  asse  und  die  andern  Kinder  ausgeharret,  auch  eingenom- 
men   hatte,  sie  weite  diese  Plag  überwinden. 

INB.  Vergiss  nit  der  traurigen  Zeit,  da  mir  inner  Monats- 
frist 3  liebe  Kinder,  darauf  gute  Hoffnung  stunde,  an  der  Plag 
starben,  ja  in  3  Tagen  2  Töchter  begraben  worden  tmd  so  wenig 
Leuthe  mit  zu  Grabe  giengen,  ins  Haitss  aber  fast  niemand  woltc, 
da  doch  ich  im  Sterben  die  Leuth  fleissig  besucht,  das  meine  ge- 
than  und  natürlicher  weiss  davon  zu  reden,  das  contagium  davon 
ins  Haus  bracht:  wiewohl  mich  Gott  jederzeit  wiinderbarlich  er- 
halten, weil  mein  Stündiein  noch  nicht  vorhanden. 

IX.  Den  4.  August.  1600  Jahrs  ward  unsere  VI.  Tochter 
Barbara,  die  zweite  dieses  Nahmens  geboni,  Frey  tags  früe  nach 
8  Hören,  einen  Tag  vor  den  vollen  Mond.  Ihr  Dot  Barbara 
Hilprandin  vorgemelt  (doch  dazumahl  Georg  Zieglers,  auch  Lim- 
purg.  Schuldheisens  elilidie  Haussfrau}.    Tauffts  M.  Postler  abends. 

X.  Den  18.  Febr.  1611  Montags  frCihc  zwischen  2  imd  3 
Hören  ward  Apollonia,  dieses  Nahmens  die  andere  und  meine 
VII.  Toditer,  geborn.  Gevatterin  ward  Anna,  Hannsen  [fol.  36| 
öautercrs,  Wirths  zu  Grassolzheim  (Krassolsheim]  Haussfrau. 
Tauffts  mein  Bruder  Georg  Ludwig  Amnionius,  Pfarrer  zu  Jecken- 
Iifim,  in  Abwesen  M.  Postlers.  War  der  Mond  im  Zeichen  der 
lungfrau  und  ein  Tag  verflossen  nach  dem  Vollmond. 

XI.  Den  21.  Novembris  Sambstags  anno  löt2  wanl  meine 
aditc  Tochter  Anna,  auch  die  andere  dieses  Nahmens,  zu  Grassolz- 
JieJm(wic  dann  alle  meine  Kinder  ausser  dem  ersten  und  letzten) 

)m,  im  Zeichen  der  Fische,  einen  Tag  nach  dem  ersten  Viertel 
len  11  und  12  Uhr  in  der  Nacht    Ihr  Dot  war  Herr  Casijar 
leheleins,  Sainsh  ei  mischen  Haussvogts  und  Schuldheisens  zu  be- 
sagten Grassolzheim  eheliche  Hausfrau  Anna.    TauffI  diese  Tochter 
M.  Postier,  ist  den  27.  Sept.  anno  13  abgcwehnet  worden. 

XH.  Den  14.  Julii  anno  1615  zwischen  7  und  8  Hören 
Vormittags  an  einem  Freytag  unter  meiner  Predigt  ward  mein 
vicrdter  Sohn,  nochmahl  Johann  Wolfgang  genannt,  und  aEso  der 
III.  dieses  Nahmens  getrorn,  im  Zeichen  des  Krebs,  einen  Tag 
vor  dem  Neumond.    Sein  Tauffdot  war  Hzn  Hans  Georg  Wild 

6" 


BüiTier  und  des  RaÖis  tu  Marekbrait    Taufft  ihn  Herr  Pfarrer 

Georg  Conrad. 
[Bl.  15|  Ist  dtss  Kind  nur  */4  jalir  all  worden  und  den  14.  Octobr. 
anno  16  in  Beyseyn  meines  obgedachlen  Bruders,  der  ohngefehr 
darzukommcn^  (da  es  gegen  Tag  seiir  kranck  an  Zähnlein,  isset 
doch)  an  diesen  Tag  gar  sanfft  verschieden  jfol.  37],  folgenden 
Tags  begraben,  vom  Herrn  Sebastian  Lerleins  Schreibern  und 
Daniel  Kellers  Heimbecken  Sühn  hinaus  zu  Grab  getragen  worden. 
So  viel  sind  meiner  Kinder  10  zu  Qrassotzheim  und  2  zu  Marckbrail 
hurtig,  4  Söhne  und  &  Töchter. 

Anno  1597  hat  mein  Haussfrau  auch  einen  Bruch  getragen, 
darüber  sie  sehr  schwach  worden.  II.  Juni  Anno  14  auch  einen 
Bnich,  so  sich  M*  Jahr  verhalten,  sich  funden. 

Nun  komm  ich  wieder  auf  meine  erste  Hebe  Haussfrau  selig, 
Apolloniam.  Die  ist  zwar  auch,  wie  wir  alle  gewesen  eine  mangel- 
hafte oder  gebrechliche  Sünderin,  doch  hat  ihr  Gott  \sie  auch 
allen  Bussfertrgen  gläubigen  Menschen  um  Christi  Willen  aus 
Gnaden  verziehen,  ihre  Fehle  bedeckt,  vergeben  und  vergessen. 
Es  hat  aber  die  göttliche  Majestät  diss  Weibsbild  mit  so  herrlichen 
Gaben  und  Tugenden  gezieret,  dass  sie  ein  rechter  WeiberspiegeL 
gewesen. 

Sie  hat  von  fugend  auf  fertig  lesen  und  schreiben  gelernet, 
auch  bei  ihrem  teutschen  Schulmeister  etliche  Species  im  rechnen 
begriffen,  den  Catechismuni  aus  der  näassen  gekonnt,  OoH  recht 
erkannt  und  gefürchiei  und  geHebel,  streiff  Vertrauen  7.u  seiner 
göttlichen  Majestael  durch  Christum  gelragen,  demütig,  gedultig- 
gewesen,  im  Unglück  unverzagt,  gern  gebetet,  sonderlich  im  Haber- 
mann [föl.  38},  Gott  fleissig  angeruffen  und  wiederum  nach  er- 
langter Hülffc  gcdancki,  aller  Hexerey,  Zauberey,  Aberglauben 
von  Herzen  feind,  sich  vor  Fluchen  und  Läslern  gehütet,  Gottes 
Wort  gern  gehört  und  geehrt,  gefreuet,  dass  sie  einen  Geistlichen 
erheiratet,  das  Abendmalil  des  Herrn  offt  und  viel  genossen,  das 
Predigtampt  lieb  gehabt,  gern  nnd  fast  mit  allen  Leichen  gangen. 
Über  den  Papstthum,  da  sie  einsten  zu  Scgnitz  (B.-A.  Kitzingen) 
die  Wallfart  gesehen  und  die  Predigt  gehört,  sich  erschüttert 
und  ein  schrecklich  Missfallcn  ab  derselben,  wie  auch  anderer 
Scdcn  Lehr  getragen.    Dem  Nächsten   die  Werck  der  Lieb  er- 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarren  WoUgang  AnuuoD  etc.         96 

zeiget^  sich  der  nothkidenden  angenommen,  ihre  Obrigkeit 
respcctirt,  ihrer  Mutter  und  Freunclschafft  allen  gcbilhrlicben 
Willen  erwiesen;  i&l  aller  Leichtferlij^keit  und  gegebenen  hrgerniss 
von  Herzen  Feind  gewesen,  verträglich,  kein  Hass  noch  Neid  ge- 
tragen, freundlich  mit  jedermann,  so  viel  sich  leiden  vollen,  ge- 
halten, aufrichtig  denen  Leutlien  unter  Augen  gangen,  jedem  ge- 
sagt, was  ihm  zu  sagen,  er  sey  geisJlich  oder  weltlich,  unerschrocken, 
eine  reine  Jungfrau  zu  mir  kommen,  aller  Unzucht  und  Un- 
fläterey  von  Herzen  Feind.  Da  sie  einsten  meiner  Freund  einer 
unter  der  Vesper  in  meinem  Abwesen  geküsst,  hat  sie  mirs  gleich, 
als  ich  heimkommen,  eröffnet,  und  ist  der  Kerl  bald  darauf  ab- 
gereist Ich  hab  sie  nie  Irunken  gesehen,  sie  hat  sich  gar  massig 
gehalten,  ist  nicht  mit  losen  Leulhen  umgangen,  schamhafftig  ge- 
wesen, schlechte  scliwarze  erbare  Kleider  getragen,  jedennaiiii 
das  seine  gerne  gelassen,  nidits  entwandt,  gar  sehr  sparsam  ge- 
wesen, das  ihre  zu  Rath  gehalten,  da  ich  lediger  Weise  mit  meiner 
Cantoralbesoldung  (so  etwa  des  Jahrs  uff  &0  fl.  werd  in  allen) 
mich  allein  nit  betragen  konte,  ja  noch  etliche  Schüldkin  machte, 
hat  sie  mich  von  der  Gesellschaft  abgezogen  und  hernach  zu 
einem  feinen  Aufnehmen  bracht,  [fol.  39]  durch  Qottes  Seegen 
und  mit  ihrer  fleissigen  unverdrossenen  Arbeit,  dabcy  ich  auch 
das  meine  nit  gesparet,  was  ich  gekont,  thun  und  mir  angestanden. 
Sie  hat  auch  gerne  geflickt  und  fein  alles  zusammengelesen,  nichts 
vergehen  lassen.  Ist  dem  Borgen  und  entlehnen  sehr  fcind  ge- 
wesen, sie  hetl  keinen  Bissen  Fleisch  gessen  oder  Tropffen  (Bl.  lö'\ 
Wein  getruncken,  wann  er  geborget  were.  Viel  schöner  Reimen 
aus  der  Hausshaltung  Matthesii  und  sonsten  hergenonimcn,  zum 
rathsamen  Leben  dienstlich,  zu  erzehlen  pflegen,  sehr  genau  ge- 
wesen, doch  zu  ehren  sich  nichts  an  die  Hand  brennen  lassen, 
meine  Freund  ja  so  lieb  gehabt  als  die  ihre,  wann  ich  ihnen  mit 
Leihen  oder  raisen  gedient,  sich  nicht  verwent  gemacht.  Hat  sich 
genügen  lassen,  viel  an  ihr  Sterbstündlein  gedacht,  mich  herzlich 
geliebt  und  geehrt  und  hätte  lieber  seibsten  Schaden  und  Krank- 
heit ausgestanden,  als  mir  solches  zustehen  gesehen,  dem  Gesind 
und  Arbeitern  gern  essen  gegeben  und  vor  andern,  wann  sie 
Ehehallen  oder  Arbeiter  bedorfft,  bekonimen  können,  genau  ge- 
kauffl  tmd  redlich  bezali,  nit  viel  lecker  Bisslein  kochen   können, 


] 


doch  lezlich,  wie  wir  sonderlich  nach  Brail  kommen,  etwas  besser 
sich  angriffen,  Krebs  und  köstliche  Speise,  Hasen  etc.  nit  gent 
kaufft,  weilen  das  vie)  naschen  bringt  leere  Taschen.  Ist  der  Lügen 
Spinnen  Feind  gewesen,  war  nit  schwäzig.  loff  nit  viel  in  ander 
Leuth  Häuser,  hat  die  Kinder  und  Freund  zum  allerbesten  an- 
gewiesen und  ein  recht  Mutterherz  gehabt,  gern  genehet  und  ge- 
sponnen, und  was  in  Sprüchen  Salomonis  an  31  erfordert  wird 
von  Weibern,  in  der  Wahrheit  an  ihr  gehabt,  und  ich  wüst  nicht, 
an  welcher  Tugend  ihre  gemangelt. 

[fol.  40.]  Diss  hab  ich  also  etwas  weilläufftigter,  damll  die 
nachkommenden  Kinder  und  Freund  sehen  mögten,  ich  ihr  nit 
vergessen,  ob  ich  wo!  zum  anriernmahl  geheiratet,  einführen 
wollen.  Sie  ist  auch  sonst  erstlich  schön  und  sauber  gewesen 
und  fein  erbar  regalisch  anzusehen,  einer  feinen  Länge,  und  ist 
vom  alten  Herrn  Orohen  und  andern  verständigen  Leuthen  wohl 
gelobet  worden. 

Mit  dem  lieben  Creuz  ist  ihr  auch  nicht  verschonet,  sie  hat 
desselben  einen  guten  Theil  ausgestanden,  sonderlich  in  Kinds- 
nöthen  ist  sie  eine  harte  Kindhaberin  gewesen,  und  hätte  meine 
Schwester  Barbara  das  leztemal  (dann  je  länger,  je  strenger  heissets 
da)  nit  das  Beste  bey  der  Sach  gethan  nechst  Gott,  so  könnte  sie 
ihr  Kind  wohl  tod  gehabt  haben,  dann  sich  eben  die  Kräffte  sehr 
verlohren,  und  sie  in  ilu-en  Leben  nit  viel  Wein  gebraucht  und 
köstlicher  Krafft  gebender  Sachen  nit  geachtet,  hat  auch  das  Fieber 
quarlam  meines  Behallens  bey  einen  Jahr  angetrieben.  Ist  fein 
gedultig  in  ihrem  Creuz  gewesen  und  hat  gute  Mittel  zur  Kranck- 
heitzeit  nit  verachtet,  sonderlich  auf  Herrn  Apothekem  Matth.  Vi'erd- 
u'ein  viel  gehalten,  der  aus  dem  Urin  sehr  wohl  gelröstet,  aber 
das  Wieder&piel  hat  sich  im  Ausgang  befunden,  sonderlich  in  der 
Marterwochen  Anno  Christi  1617  (da  ich  ihr  Mitwochs  das  heilige 
Abendmahl  (weilen  mein  Herr  ColJega  kranck  war  und  sie  keinen 
frembden  Pfarrer  haben  wolte)  uff  Begehren  und  demOthige  vor- 
gehende Beicht  und  Olaubensbckännlniss  gereichet).  Darauf  ist 
sie  im  Haupt  etwas  irr  worden  und  doch  gleich  fein  wieder  zu 
ihr  selbst  kommen,  hat  Teissig  gebetet,  und  dass  ich  ihr  Im 
Glauben  dienen  hclffcn  wolte,  angehalten. 

(foL  41.)    Hat  darauf  ein  sanfft   secHges  Ende  genommen 


Sdbstbiognphie  des  Stadtpfarreit  Wolft^ang  Ammon  etc.  87 

(also  dass,  wo  nicht  das  Kleine  Humelein,  wie  mans  nennt,  mirs 
gesagt  hätte,  ich  ihren  Abschied  ganz  nicht  gewust)  actum  20.  April 
vorgedachtes  17.  Jahrs  am  heiligen  Oslertag,  da  es  6  gegen 
Abend  schlüge. 

Ist  folgenden  Dienstags  22.  April  ehrlich  und  solenniter  zur 
Erden  bestattet  von  M.  PosUem,  Pfarrern  zu  Ertach,  der  die 
Leichpredigt  aus  Rom.  14  gehalten  in  der  Kirchen.  Es  ist  auch 
ein  ganzer  erbarer  Rath  ausser  Herrn  Kummern  mit  zu  Grab  gangen. 
^  16{  Hat  also  meine  liebe  Haussfrau  selig,  immassen  sie  christ- 
lich gelebt,  also  auch  christlich  geschlossen  und  ein  gut  Lob  bei 
männiglich  hinterlassen,  [fol.  41,  42.]  Das  Heurath-  und  Erbgul, 
so  sie  bekommen,  belieff  sich  über  400  fl.    (foL  43.] 

Nach  verrichler  meiner  Apolloniae  seligen  Beschreibung 
komm  ich  nun  wieder  zu  meinem  Leben. 

Als  ich  dann  nun  Cantor  zu  Brait  gewesen  vom  10,  May 
anno  1505  an,  hab  ich  mich  so  viel  menschlich  und  mQglich, 
treulich  dienen  gebraucht,  dem  Reichen  gethan  wie  dem  Armen, 
hab  aber  schrecklichen  Undanck  und  viel  Triibsal  erfahren  und 
anqiestanden,  so  ich  nit  schreiben  mag. 

Anno  1597  18.  Jul.  ist  mir  die  Pfarr  Qrassolzheim,  so  3 
Stund  Wegs  von  Winssheim  (MVindsheim  im  B.-A.  Uffcnheim) 
)>^  angelragen  und  ins  Hauss  angeboten  vorden  aus  gn.  Herr- 
schalfl  Befehl  durch  Herrn  Nicolaum  Groben,  Schuldheiscn  zu 
Alarckbrait. 

Folgenden  Tags  bin  ich  zum  Seehaus  von  dem  wohlgebornen 
Herrn,  Herrn  Georg  Ludwig  von  Sainsshetm  etc.,  zum  Pfarr 
gesagtes  Orts  angenommen,  in  Beyscyn  Herrn  Valten  Apelts, 
Pfarrers  zu  Northeim,  deme  ich  recommendirt  worden,  und  hab 
50  balden   mein   Priesteriurament   ihrer  Gnaden  geleistet,   19.  Jul. 

In  diesem  1597.  Jahr  24.  Jul.  bin  ich  zu  Marekbrait  ordinirt 
IX.  Trinttatis  und  hab  Nachmittag  die  Epistel  zur  Probpredigt 
gelhan.  Darauf  folgenden  Tag  mit  meinen  Herrn  Collegis  mich 
gelezet,  den  26.  diss  mit  meiner  Apollonia  die  neu  Pfarr  besehen. 
^L  Den  28.  darauf  uFfgezogen  mit  mcinein  Schwägern  Weib,  Mutter 
^f  nnd  Oeschwistrigtcn  und  die  Pfarr  im  Nahmen  der  Heiligen 
Dreyeinigkelt  versehen,  von  der  Ver^töhrung  Jerusalem  erstes  mal 
geprediget.    DiewcH  aber  diese  Rarr  vierdtes  Theils  LImpurgisch, 


«dches  |fol.  44]  ich  anfangs  nicht  gevust,  und  die  Limpurger 
ihr  rcchl  zu  crliailen  mich  nicht  investircii  helff«n  weiten,  ick 
licss  mich  dann  zuvor  in  ihrer  Herrschafft  examiniren,  als  htb 
ich  nach  Obersund  heim  [Obersontheim  in  Württemberg]  deren- 
wfgen  verreysen  und  mich  ncaminiren  lassen  müssen  uff  meinen 
Costen.  Herr  Pacdianus  Pfarrer  daselbst  und  der  Pfarrer  zii 
Mitlclfischach  haben  mich  vorgenommen  in  Bt-yseyn  Herrn 
Secrctarii  und  allererst  von  der  Formula  Concordiac  und  stritigen 
Articuln  gehört  über  die  2  Stund.  Darauf  ein  gut  Testimonium 
nach  Speckfcld  |B.-A.  Schcinfeld)  zu  bringen  ausgefertigt  und 
mich  zur  Tafel  geladen,  da  ich  mit  Herrn  Schcncken  Atbetten 
und  seinem  Gemahl  unter  andern  gessen.  Vom  23.  Sept.  biss  27. 
hab  ich  die  Reise  verrichtet  und  ist  dennoch  die  invcstihir,  weilen 
die  roUie  Ruhr  zu  Grassolzheim  regiert  und  sonsten  die  Herr- 
schafft  andere  Geschafft  gehabt,  bis  uff  den  3len  Sonntag  nach 
Oberstag  anno  98  verschoben  worden  29.  Januar. 

Da  ich  dann  bcdcrseits  Bcamptcn,  Sainshci mischen  Henti 
Secretario  Johann  Hom  und  Herrn  Christoph  Hohenbergcrn^ 
Limpurg.  Amptmann,  «egen  becder  Herrschafften  noch  eine 
Pflicht  leisten  müssen,  darauf  die  Predigt  gehatten  und  ein  slalt- 
tiche  Iraclalion  mitgenossen;  dem  actui  haben  ihrer  viel  bej-- 
gcwohnet,  Herr  Valien  Apel,  Pfarrer  zu  Nordheim,  und  sein 
Schuhneister  Bürlein,  Heir  Rartholoiu.  Hoch.  Pfarrer  zu  Dorff 
Cotlcnheim,  [Knttenheim  im  B.  A.  Scheinfeld],  Herr  Doctor  juris 
ßurcard  von  Winssheini,  Jeremias  Juncklier,  Herr  Secret.  Schreiber, 
so  hernach  Pfarrer  zu  Deilenheim  (Deutenheim  bei  Scheirifdd| 
worden  etc. 

4.  Jun.  anno  1606  bin  ich,  weilen  Herr  Apelius,  voriger 
Winssheimischer  Decanus,  [fol.  45]  Todes  verfahren,  uff  vor- 
gehende mir  unbewuste  Deliberation  Herrn  Hofmanns,  Ober- 
nchlers  zu  Winssheim,  (der  über  den  ganzen  i^ath  daselbst  zu 
commcndiren  hat  »md  sein  Lehen  vom  Kayser  empfangen)  und 
Gutachten  Herrn  Andreae  Nagelii,  Pfarrers  zu  Winssheim,  und 
des  Ministcrii  daselbslen  einstimmen  von  meinen  Capitelsbriidern 
zum  Dccano  desselben  würdigen  Capitels  angenommen,  und  sind 
mir  ihre  lundationes,  privilegia  und  Einkommen  gewiesen,  auch 
eine  staÜichc  Malzeit  gehalten  worden. 


[Bl.  16')  Habe  darauf  wie  die  vorigen  Jahre,  also  auch  hinfort  jähr- 
lich uff  MitTOchen  vor  Pfin^ten  dis^^  CapItuI  zuweilen  mit 
Leibesgefahr  besucht  tind  einen  iocuni  oder  Stück  und  articul  der 
heiligen  Sdirifft  vorgenommen  nach  dem  andern. 

Anno  161 1  bin  ich  zu  ürassol/heim  in  mein  eigen  Hauss, 
so  Limpurgisch  Lehen,  uff  gn.  cinwilhgen  meines  gn.  Herrn  von 
Sainsheim  eingczc^en,  damit  der  Schulmeister  im  Pfarrhaus 
wohnen  künte. 

Anno  I6I4  II.  Januar,  da  mein  gnadiger  Herr,  Herr  Johann 
^rckinger  von  Sainsheim  zw  Grassolsheim  gejagt  und  meinen 
Vorfaren  Wilhelmuni  Wisneruni  [1610- 1614)  abzuschaffen  Willens, 
gevisser  Ursachen  halber,  beut  Er  mir,  in  Bej-seyn  Herrn  Philipp 
Ludwigs  von  Umpurg,  auch  Ocorgii  Kuiinncrs  und  Daniel  Ocrtels, 
Notarii  und  Schulmeisters  zu  Breit,  selbige  Caplaney  an,  wann  sie 
\*erlediget  Ob  ichs  nun  wohl  anno  t602  25.  Januar,  3.  und  1 1.  Febr. 
vorhin  abgeschlagen,  da  mirs  auch  durcJi  etliche  des  Kaths  und 
Predigampts  zu  Brait  [fol.  46|  angetragen  und  Mittel  gezeigel 
worden,  Jedoch  hab  ich  dissmal,  da  Wisnerus  erlassen  und  meiner 
begert  worden,  eiidlicli  aus  vielen  Ursachen  cingewilliget,  wie  aus 
wiciifolgender  Copia  zu  ersehen. 

Denen  Erbarn  und  Lhrsanien  unsern  lieben  getreuen  Bürgermeistern 
und  Rath  zu  Marckbrait. 

Jobann  Erkinger  von  Sainsheim,  zu   Hohen  Cottenheim,  Seehaus, 
Sinchingen  und  Erlach  etc.  Freyherr. 

Unsem  gn.  Oruss  zuvorn,  Erbar  und  Ehrsame  liebe  Getreue, 
«BS  wir  euch  in  ernstlichem  Befehl  *egen  Renovirung  und  Fort- 
schaffung eures  nunmehro  gewesenen  Caplans  Wilhelm  Wisers, 
sodann  auch  daneben  vertrösler  Praescntation  und  Verordnung 
cmc!  andern  mehr  qualilicinen  und  wirdigem  Person  neuüchsl 
überschrieben  und  uffgetragen,  dessen  habt  ihr  euch  guier  massen 
2u  erinnern.  Dabey  solchem  Beschaid  wir  nun  gewisser  erlicblidier 
Ursachen  willen  endlich  zu  behan-en  gedenken  und  entschlossen. 
Solchem  unsem  Zuschreiben  und  Beschaid  nun  gemess  thun  wir 
2u  obberegten  nunmehr  vacirenden  Diaconat  oder  Caplaney  Krafft 
habenden  Juris  Paironatus  supremi   praesentiren    gegenwertigen 


r 


90  fruu  HättBS. 

wirdigen  und  wolgeiertcn  unsem  Pfarrern  zu  Qrassolzheim 
Wolfg.  Ammonium,  als  welchem  wir  dieselbe  um  seiner  uns  be- 
wusten  genügsamen  qualitaet,  und  weilen  sein  Vater  sceJiger  des 
Orts  christlicher  gemein  und  Schulen  wohl  vorgestanden  und 
solcher  Er  auch  wohl  thun  kann  und  will,  |fol.  47]  wie  uns  ntt 
daran  zweifelt,  allbereit  würcklich  conferiret,  also  und  solcher  gestalt, 
dass  derselbe  zu  solchem  Oiaconat  und  Caplaney  inzwischen 
Ablauff  2  Monaten  der  christlichen  Geraein  und  Kirchen  zu 
Marckbrait  voi^estellt,  investirt  und  eingesezt,  immittelst  aber 
solcher  Zeit  die  zu  solcher  Caplaney  gehörige  Wohnung  geräumet 
und  dem  abgeschafften  Wiser  sein  Gelegenheit  anderstvo  zu 
suchen  von  Euch  angesagt  und  verfügt  werden  soll.  Das  zu 
geschehen  wir  uns  abermahls  verlassen,  denen  wir  sonsten  mit 
gn.  >X'it]en  wolgewogen  verbleiben.  Datum  Seehaus  den  S.  Febr. 
anno  1614.  Darauf  den  27.  Febr.  diss  14.  Jahrs  bin  ich  in 
Beyseyn  meines  Herrn  Collegae  und  M.  Johannis  Postleri,  damahls 
Pfarrern  zu  Norlheim,  auch  Herrn  Marci  Schcchsii,  Pfarrers  zu 
Erlach,  vom  Herrn  Secretario  investirt  worden,  da  von  eines 
erbam  Raths  wegen  Herr  Lerlein  und  Herr  Conrad  Härtung  bey, 
war  der  Sonntag  Sexagcsima,  M.  Postler  predigte  uff  gn.  Herrschafft 
|BI.  17]  Begem;  am  Tag  Matthiae  zuvor,  hab  ich  zu  Brait  meine 
Probpredigt  gelhan  aus  derselben  Historia  Aclorum  I.  Darauf 
eine  Malzeit  eingenommen  in  Ocorg  Wirthshauss. 

Man  hat  mir  aber  vorigen  Abends,  als  Herr  Pfarrer  und 
ich  in  gedachtem  Wirthshauss  die  Abendmahlzeit  gehalten,  vor 
essens  durch  Herrn  Secrelarium  Philipp  Schattemann  vorgehalten, 
ich  soltc  alle  Tag  ein  Stund  oder  2  Schul  halten  lielffen  und 
darinnen  laboriren,  aber  mein  Herr  Collega  hai  solches  wieder- 
sprochen  und  nicht  darzu  verstehen  wollen.    Gott  vergelt  ihm. 

ffol.  48)  Hernach  sind  mir  nachfolgende  Punclen,  darauf 
ich  folgendes  Tags  mein  HandgelObt  gethan,  in  der  Schul  (allda 
mir  auch  die  Praeceptores  Daniel  Oertel  und  Adamus  Rab  als 
Schulmeister  (wie  mans  damals  genennt)  und  Cantor  angelobt 
haben  vor  der  Predigt)  zu  Gemfith  geffihrct  worden  26.  Febr.  annoU. 

I)  Augspurgische  Confession  anno  1530  übergeben  und 
Lutheri  Schrifften  soll  ich  mir  lassen  befohlen  scyn  und  nichts  in 
Ceremonicn  ohne  der  Herrschafft  Wissen  ändern. 


Selbstbiogiiphle  des  Stadtpfurere  Wolfgang  Ammon  etc. 


i 


I 


2)  in  Schul   und  Kirchen   die  Jugend   fleissig  untcnicltten 
el  f  fcn. 

3)  uff  die  Schuldiener  Inspection  hallen. 

4)  Pfarrern  respectiren. 

5)  Heiligen  Wandels  mich  fleissigen. 

6)  gn.  Herrn  von  Sainsheim  etc.  für  den  einigen  CoUatoreiu 
halten. 

I  Von  dieser  Zeil  an  hab  ich  die  Caplaney  zu  Brait  mir,  wie 

billig,  lassen  angelegen  seyn.     14.  Mart  zu  Seehaus  valedircl  und 

gps«gnd   und  darauf   den  15.  Marl  diss  1614.  Jahrs  bin  ich  mit 

^U^n  den  meinen  gen  Marckbrail  von  Grassolzheim   ausgezogen 

mit   6  Fuhren   und  30  fl.  par  Geld  und  etlichen  dn.,   und  haben 

mich  meine  alte  Pfarrkindcr  ungern  verloren,  ja  alle  Männer  auf 

der    Porkirchen,   da   ich    meine  Lezpredigt  gelhan,    geweint    und 

kleinen   gewissen  Pfarrer  gehabt,   bi$s  uff  29.  May  Herr  Johann 

^■Uppelich  (wficher  ö.jul.  anno  74  unsers  Herrn  Pfarrers  Georgii 

Conrad!  Tochter  durch  den  [fol.  49)  gniädigen  Herrn    und    mich 

I    Werbende,  erfreyet)  allhie  in  Beyseyn  hocliwohlgedachtes  gn.  Herrn 

und  eines  Calvinischen  Herrn  von  Schwarzenbergs  [Im  B.  A.  Schein- 

WdJ  allhie  ordJnirt  worden,  so  an  mein  stat  kommen.    Jn  diesem 

Flecken  Brait    hab    ich    nun  seiler  gedachter  Investitur  nil  wenig 

ausgestanden  von   des  Wisers  Freunden   und  Grohischen,   dann 

iW   alte   Schuldhciss    Groh    damahls    sowohl    als    der    Wiser 

ibfgfSKZt    worden.     Er    ist   aber    hernach    in    sein    Ampi   wieder 

eingewiesen  und  restituirt,  und  hab  ich  durch  Gottes  Onad  über- 

wunden,  bin  in  meinem  Beruff  unerschrocken  gestanden  und  hab 

raeiner  Feind  etliche  sehen  das  Land  zeitMch  räumen. 

|fol.  107]  Als  mein  Collcga  Herr  Georg  Conrad  Pfarrer 
25.  Aug.  anno  31  verschieden,  und  ich  Ihne  solle  den  28.  diss 
beslatten  und  die  ordinari  Predigt  darzu  hatte,  kan  ich  tn  der 
Nacht  nit  schlaffen,  fällt  mir  ein,  ich  soll  gen  Scgniz  zu  Doctor 
Göring  gehen  und  seines  Raths  leben,  dass  ich  nicht  hinter  der 
Pfarr  hingehe.  Dann  ich  nit  gern  vor  Herrn  Pfarrers  Begräbniss 
»isuchen  wollen.  Uff  den  Tag  geh  ich  nach  Segniz,  uff  den  Weg 
rith  mir  Herr  Wildmeister,  ich  soll  ein  Supplic  an  gn.  Herrn 
stellen,  man  hab  von  einen  successore  allbereit  geredt,  der  morgen 
Sonntag  predigen  soll.    Herr  D.  Göring  liegt  im  Schwefss,   lest 


92  Frane  KQtbicr. 

mir  sagen,  er  iriss  nichts,  lest  mir  doch  sagen,  ja  schrcibts  auch, 
«•an  er  als  Ralh  gefragt  werd,  mein  Bestes  zu  befördern.  Im 
Heimweg  sprechen  mein  Herr  Wünderlein  und  Wildmeister  zu. 
Ich  soll  nit  verziehen  mit  meiner  Supplicalion  an  gn.  Herrn, 
Herr  Schuldheiss  lesst  mir  uff  Bitt  ein  E.  Rath  zusammen  fordern, 
die  bitten  für  mich;  ich  hab  an  Herrn  Sccretar.  Wolffium.  vcic 
audi  an  £.  E.  Rath  [Bl.  I7'|  und  Doclor  auch  geschrieben.  Gott 
der  allmächtige  hat  mein  Gebet  erhört.  Der  Bott  ist  eben  Ihrer 
Gnaden  in  die  Hand  kommen,  so  ausreiten  wollen,  und  mir  der 
Pfarrdienst  zugesagt  Torden,  obs  wohl  dem  M.  Salom.  Blech- 
schniidt  |aiis  Hof,  Caplan  1632J,  der  hernach  mein  Collega  worden, 
7weyniahl  versprochen  gewesen,  und  ist  mir  das  Decret.  als  idi 
von  Herrn  Pfarrers  seligen  Leichpredigt  inüd  und  matt  heim- 
kommen, von  Herrn  Johann  Merck,  Gerich tsschrcibem,  gebracht, 
der  dem  Herrn  Seiden  vorkommen;  darauf  langen  die  Glück- 
wünschungen  an  und  den  4.  Sept.  bin  ich  zur  Hfarr,  M.  Bledi- 
schmidl  zum  Diaconat  von  Herrn  Clemenle  Gundermann,  Pfarrern 
Zu  Norlheim  inveslirt,  und  als  ich  diesen  Collegam  etwa  "U  Jalir 
gehabt,  wird  nach  seinem  Absterben  M.  Johannes  Cranz,  Kosen- 
bcrgischcr  Pfarrer  zu  Waldmannshofen,  (im  O.  A.  Mergcntheira| 
mein  Collega.  [Capian  1632,  Pfarrer  m  Marktbreit  I&34  -  1645.] 
[fol.  49.]  Als  ich  nun  3  Jahr  und  etliche  Wochen  wiederum 
zu  Brail  gehauscl  und  gedienet,  stirbt  mir,  nadi  dem  zuvor  hin- 
gegebenen Kinde,  davon  oben  im  36.  Blal,  auch  mein  liebes  Weib 
(wie  im  41.  Blal  zu  ersehen),  welche  von  Mariae  Verkfindiguiig 
biss  uff  den  2.  Sonntag  nach  Ostern  gelegen,  eben  zu  der  Zeit, 
da  mein  Herr  Pfarrer  krank  und  die  Kirchenarbeit  in  der  Marter- 
wochen uff  mir  allein  lag  (immassen  ich  dann  inner  7  Tagen 
8  Predigt  gethan,  durch  Gottes  Qnaü,  und  sehr  viel  Beiclitklndcr, 
ja  am  Oslerlag  frße  noch  40  frembde  Personen  aus  dem  Pabst- 
Ihumb  Ehehallen  gehöret.  Hab  ich  also  eine  rechte  ^\arleTwochen 
gehabt  Gott  der  allmäditige  aber,  der  nach  dem  Ungewitter  die 
Sonne  wieder  scheinen  lasset  und  nach  dem  Heulen  im d  Weinen 
die  Seinen  mit  Freuden  überschüttet,  hat  meinen  Sack  ausgezogen, 
mich  mit  f^'rcudcn  gegürtet  und  mir  meine  Klage  [fol.  50]  in  einen 
Rcyen  verwandelt.  Wie  Tobiae  am  3.  und  Psalmo  31  geschrieben 
stehet,   das   ist,   Gott  der    Herr   hat   mich   nach   ausgestandenen 


Wittib  Stande  durdi  M.  Postiere  und  seines  \C^eibs  UntO'handtuiig 
■/»  der  andern  Ehe  befördert  und  anderweit  erfreuet. 

Dann  als  ich  meine  gewesene  Haussfrau  selig  alle  Tag  so- 
wohl über  essens  und  wann  ich  allein  war,  als  bei  den  Leuthen 
bewcinete  und  nirgend  auskam,  M.  Postlers  Weib  aber  zu  Ochsenfurt 
den  Schwager  Gabriel  Hailmann  angeredel,  Er  solle  mich  heissen 
je  zuweilen  ausspazieren  und  zu  Ihren  Herrn,  der  damahls  zu 
Erlach  !*farrer  war,  kommen,  hab  ich  der  Sachen  nachgedacht, 
dass  mit  Trauern  kein  Toder  hen^tjeder  zu  bringen  wäre  und 
ahne  das  mein  Herr  Collega  mit  einem  greinenden  Weib  allhie 
Schrcinerin  mich  verglich  etc.  Und  demnach  bald  darauf  der 
Tag  einen  mich  uffgemacht  nach  Erlach,  in  Willens,  gedachten 
Postler  zu  besuchen.  Da  nun  ich  eben  gegen  dem  Mittag  in 
gröstcr  Hiz  ausgangen,  und  der  Pfarrer  nit  zu  Haus  war,  sein 
Weib  aber  mir  alle  Ehr  thäle  mit  gutem  starcken  sechzehener  Wein, 
derselbe  mir  im  Durst  gelnincken  in  Kopff  schlug,  das  Weib  aber 
mich,  wann  meine  Zeit  aus  wäre,  woh!  zu  versorgen  getröstete 
Innd  mir  Herrn  Pfarrern  von  Sommerhausen  und  seine  Tochter 
'Reginam  in  bester  Form  mir  commendirte  und  sagte,  es  wäre  ein 
kleiner  Weg  dahin,  Icli  auch  vorhin  des  guten  Herrn  Person 
wohl  kante  von  Seehaus  her  und  sein  Kunst  wusste  und  M.  Postler 
'Ohne  dass  nit  zu  Hauss  und  mir  die  Weil  lang  dabey  war,  lasse 
'mich  bereden  und  spaziere  mit  nach  Sonnnerhausen,  vorn  Jungk- 
herm  Fronhöfem  [fol.  51 1  und  seinem  Weib,  auch  der  Pfarrerin 
begleilel,  da  mir  dann  alle  Ehre  wiederfahren,  auch,  als  ich  mich 
unversehens  geschnitten,  mit  gegebenen  Verbindung  uffs  schönest 
mit  mir  gebaret  worden.  Darauf  sind  wir  wieder  nach  Erlach  ge- 
reist und  bin  icli  die  Nacht  |B1.  I8J  daseibsl  blieben. 

Morgens,  als  mich  M.  Postlei-s  Haussfrau  fragt,  wie  mir  die 
Jungfrau  gefiele,  und  ich  sie  nit  verachten  könnt,  will  ihre 
l'V&scherin  mich  verliezen  und  Hundshaar  drein  hacken:  aber  von 
Oott  besehen,  bleibt  unverwehrt.  Ich  warte  meines  Dings  und 
lass  es  den  lieben  Gott  walten.  Uff  Johannis  Baplistae  Tag  hat 
ifemeldte  Tochter  Regina  einen  schönen  vcrguldten  Cranz  uff 
ihres  Vatters  Befehl  gemacht,  damit  mehrbesagter  Postler  ist  an- 
gebunden worden,  der  wird  mir  Sonntags  nach  Johannis  an 
nnsrm  Marckt  neben  der  Person  wiederum  trefflich  commendirt. 


94  Franz  Htittn«. 

Ist  mir  audi  noch  nh  ausgefallen,  dass  M.  Postlen  Weib  bey 
Ihrer  Seelen  Seeügkeit  beteuerte,  wann  ihr  Herr  ein  Wittxrer 
were,  sie  demselben  kein  ander  Weib  als  diese  Reginam,  wann 
sie  wolte,  wünschen  Ihele,  um  ihrer  vielen  Tugenden  und  gutens 
HausshaJlens  Willen.  Darauf  als  M.  Postler  sich  zu  lösen  ver- 
spricht lind  meiner  nach  etlichen  Tagen  darru  begehrt,  ich  auch 
seinem  Verheisen  nach  der  Jungfrauen  bcy  solchem  Convivio 
erwarte,  eheliche  Kundschafft  ^u  machen,  und  wann  meine  Zeit  zu 
traueren  aus  wäre,  mich  zu  bewerben,  kommt  sie  nicht,  sondern 
nur  ihre  Eltern,  und  hats  Postler  weiter  als  ich  begehrt  und  mit 
Ihm  abgeredl,  [fol.  52J  gespannet;  kommet  Herr  Slatvogt  Samuel 
Man,  von  Herrn  Pfarrern  zu  Sommerhausen  beschrieben,  darzu. 
M.  Postler,  von  mir  übel  angefahren,  dass  er  vor  der  Zeit  so  weit 
lossschlüge  und  mir  böse  Nachred  verursachte,  ändert  den  stylum 
und  bittet,  wenn  meine  Zeil  aus  wäre  und  ich  ansuchte,  keinen 
Korb  zu  geben.  Der  Regina  Herr  Vater  hat  etwas  Bedenkens, 
weil  ich  Kinder  hab  und  er  nit  viel  Heuratguts  hab  und  was  des 
Dings  mehr,  aber  Herr  Statvogi  redl  mein  Bestes,  mir  ist  atles 
wohl  zufrieden.  Als  wir  nun  über  der  Mahlzeit  unter  der  Linden 
sizen,  kommt  ein  erschrecklich  Wetter,  die  Pfarrerin  will  heim  zu 
ihrem  saugenden  Kind,  der  Herr  bleibt  zu  Erlach.  Ich  gedencke, 
ich  mögte  die  Person  wohl  noch  einmahl  sehen,  begehre  demnach 
gedachte  f-rau  Pfarrerin  heimzubegleiten  im  grossen  Wetter  und 
Regen.  Da  ist  mir  aller  guter  Will  wiederfahreii  und  hab  ich 
Gottes  Schickung  sonderlich  gespühret  und  demnach  dahin,  wo 
Herr  Schwager  Hübsch  mich  gern  gesehen  und  befördern  wollen, 
ni)  gelangen  können  noch  sollen.  Folgenden  Morgens  bin  ich 
wieder  von  Erlach  kommen,  hab  referirt,  und  sind  wir  uff  den 
Abend  (dann  ich  mich  bereden  lassen)  wieder  nach  Sommerhausen 
mii  gesamlelen  RaSh,  wie  man  sagt,  gelanget,  und  haben  derselh 
Herr  Pfarrer  und  ich  als  Vater  und  Sohn,  einander  angenommen 
gemeiner  Weise,  doch  l&t  etwas  mit  untergelauffen  von  Tradation, 
wann  meine  Zeit  aus  wäre,  und  wir  mein  Hausswesen  besehen 
hätten. 

Mittlerweil  als  ich  heimkommen  und  etliche  Tag  fürüber, 
stell  ich  auf  und  forsche  nach,  was  die  Jungfrau  für  ein  Lob  hab, 
Jedermann  aber  sagt  ihr  alles  gute  nach,  und  hat  sonderlich  ihre 


Sdbstbiognphie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc.         95 

liebe  Mutter  selig  (wie  aus  der  Leichpredigt  Herrn  Nagelü,  Pfarrers 
zu  Winderhausen,  zu  ersehen)  ein  [fol.  53]  stattlich  Lob  und 
Zeugniss  von  ihren  guten  Sitten. 

15.  Julii  diss  1617.  Jahrs  kommt  der  Herr  Pfarrer  von 
Sommerhausen  mit  seinen  beden  ältesten  Töchtern  und  Tochter- 
mann, und  besehen  mein  Hausswesen,  da  spüret  sich  die  Freund- 
schafft an,  sonderlich  des  folgenden  Tags  16.  Julii,  und  bin  ich 
weiterer  Heirats  Sorg  abkommen.  Diesen  Abend  Herr  Pfarrer 
hie  und  sein  Weib,  M.  Postler  und  sein  Weib,  Herr  Schweher 
samt  seinen  Oeferten,  ich  und  die  Braut  gen  Frickenhausen 
[6.  A.  Ochsenfurt]  zu  Wasser  gefahren,  1  fl.  verthan. 

Darauf  den  28.  Julii  diss  1617.  Jahrs  hab  ich  mich  mit 
meinen  Kindern  gesezt,  das  ist,  [Bl.  18']  ich  hab  in  Beyseyn  Herrn 
Sainsheimischen  Schuldheissens  Groben  von  Herrschafft  wegen, 
Herrn  Johann  Hübschens,  Pfarrers  zu  Sickershausen  {B.A. Kitzingen], 
von  der  Kinder  wegen  und  Freundschaffts  halber,  Herrn  Pfarrers 
Ceorgii  Conradi,  Herrn  Sebastian  Lerleins,  Notarii  und  Oericht- 
schreibers,  mich  verglichen,  was  ich  jedem  Kind  zum  Vorauss 
geben  solle  und  wolle,  wie  alles  in  Heiratsnotul  zu  finden.  Da 
daselb  vollendet,  hab  ich  in  Gottes  Nahmen  bey  Wesende  Ihres 
Vaters  Sie  zur  Ehe  genommen  und  biss  uff  fernerer  Priestershand 
durch  Herrn  Pfarrern  an  die  Hand  geben  lassen. 

Warum  ich  aber  so  balden  wieder  geheiratet,  sind  folgende 
Ursachen  zu  merken; 

1.  Die  Kinderzucht  war  mir,  der  nit  alle  mahl  zu  Hauss, 
allein  zu  schwer. 

2.  Das  Studiren  war  schlecht  um  der  Gesellschafft  willen, 
die  mich  anloffe. 

3.  Melanchoiey  war  gross  und  sonsten  Gefahr  Kranckheit 
halben,  darinnen  einen  niemand  besser  als  sein  Weib  warfen  kann. 

4.  Mein  Gut  kam  ins  abnehmen,  deren  sich  zuschl^enden 
Leuth  halben. 

5.  Die  Wärterin  (weilen  ich  kein  Magd  oder  Jungmensch, 
Argwohn  zu  verhüten,  leiden  kont)  costet  mich  wöchentlich  ein 
Ort,  ohn  essen  und  trincken  [fol.  54],  so  gut  ichs  genossen. 

6.  Hab  vorhin  schon  eine  Tragoediam  gesehen  am  kleinsten 
Kind,  als  ich  heim  kam  von  Sickershausen  [bei  Kitzingen]  von 


Herrn  Hühschen,  den  ich  an  Johannistag  angebunden,  dann  das 
Kind,  als  die  Wärterin  \trieder  meinen  Befehl  zu  den  Artwitcm  in 
die  Mainleiten  gangen,  war  daselbst  herab  vom  schmalen  Weg 
gekugelt  und  lauter  Blut  worden,  von  der  Scheuin  aufgefangen, 
dass  es  nit  gar  in  Main  gehei^lt,  und  von  der  Rectonn  Junii 
Weib  abgewaschen  worden. 

7.  Meine  Braut  hatt  mehr  Freyer,  wo  ich  nit  Zugriffe,  und 
sonderlich  einen  reichen  Weissgerber  von  Schweinfurt,  auch  einen 
Pfarrer  von  Hoheim  [bei  KilzingenJ,  und  war  ich  mit  den  dreyen 
Töchtern  Ihrer  Köpfe  halben  (darüber  die  Wärterin  offl  samt  den 
Kindern  weinete)  nit  jedermanns  Kunff. 

8.  Ein  Eheweib  haltet  eher  etwas  zu  Rath  dann  eine  Wärterin. 
Ich  will  jetzt  gescliweigen,  wie  ich  ungeachtet  fleissiges  Verspcrrens 
dennoch  viel  verlohrn  und  doch  niemand  nichts  zu  zeihen  nocit 
überweisen  weiss. 

Den  25.  Aug.  diss  1617.  Jahr^  sind  Herr  Balthasar  Held, 
des  Raths  allhier,  und  Adam  Rab  Cantor  mit  mir  nach  FricWen- 
hauscn  gefahren  und  haben  die  Braut  und  frembde  Hochzeit- 
leuthe  angenommen  und  empfangen,  die  Ochsenfurier  Schüzcn 
aber  haben  auch  viel  Freuden scliüss  vor  und  nach  gcthan  und 
derowegen  ihre  Ergeziichkeit  empfangen  vom  Hemii  Schwebervater. 

|fol.  55)  Darauf  folgenden  Tags,  Dienstags  nach  Bartholo- 
maei  2ö.  Aug.,  ich  meinen  andern  Kirchgang  und  hochzeitliches 
Freuden-  oder  Ehrenlest  gehalten  mit  meiner  lieben  Regina.  Es 
haben  aber  uns  neu  angehende  Eheleute  zu  unsem  hochzeitlichen 
Elirentag  gediencl  und;  ohne  wir  beede  zur  Kirchen  mitgangen 
67  Personen,  unter  welchen  die  merckwQrdigsten  sind  Herr  Nico- 
laus Grohe,  Sc-huldheiss  zu  Marckbrait,  und  als  meines  gnädigen 
Herrns  von  Sainsheim  Gesandter.  HerrM.  Hieronymus  Theodoricus 
Seh  wehe  rvater.  Herr  Georgius  Conradi,  Pfarrer  allhie  zu  Marck- 
brait. Herr  Sebastian  Lerlein,  Schwager  und  Gerichtschreiber  allhie. 
|Bl  19]  Herr  Matthias  Engelhardi,  Schwager  und  des  Raihs 
allhie.  Hen-  M.  Thomas  Jung,  Pfarrer  zu  Sundheini  (Mönchsond- 
heim  im  B.  A.  Scheinfeld],  Vetter. 

Herr  Gabriel  Hartmann,  Schwestermann  mir  1  zu  Kirchen 

Herr  Conrad  Härtung,  des  Raths  allhier        /  mitgangen. 


Setbstblognphie  des  Stadtpfarrere  Wotfgang  Xmmon  elc         97 


Herr  Johann  Hübsch,  Pfarrer  zu  Sickershausen,  Schvager. 
[fol.  56.) 

Herr  Georg  Hager,   des  Raths  zu  Kitzingen ,  der  jetzigen 
Schwi^er  Stieffvatter. 

Herr  M.  Johann  Postlerj  Pfarrer  zu  Erlach. 

Herr  Hanns  Georg  Wild,  des  Ralhs  allhier,  ein  Gevatter. 

Herr  Balthasar  Widmann,  Fürstlich  Brandenburgischer 
(Wein-1  Bergmeisier  zu  Sommerhausen,  ein  Schwager. 

Herr  Christoph  Hohenbei^er,  der  Braut  Schwester  Mann. 

Herr  Balthasar  Held,  des  Raths  aUhier. 

Herr  Adam  Rab,  Cantor  alihier. 

Herr  Peter  Planck,  teutscher  Schulmeister  alihie. 
Weiber  oder  Frauen: 

Frau  Dorothea  KörneriHj  Kellerin. 

Frau  Barbara  H chen bergen n,  Braut  Schwester. 

[fol.  57]     Frau  Margaretha  Conradin,  Pfarrerin  allhier. 

Frau  Margaretha  Gröhin,  Schuldheiain  allhier,  nur  zur 
Kirchen. 

Frau  Pfarrerin  von  Mönchsund  heim. 

Frau  Pfarrerin  von  Sickershausen. 

Frau  Pfarrerin  von  Erlach. 

Frau  Bergnieisterin  von  Sommerhausen. 

Frau  Schulmeisterin  von  Sommerhausen  [Margaretha  Gast, 
^I.  Caspari,  Der  Schulmeister  und  sein  Sohn,  1853|. 

(fol.  53)    Frau  Plänckin,  deutsche  Schulmeisterin,    [fol.  61.] 

Es  hat  mir  aber  mein  lieber  Herr  Schwchervater  fünfzig 
Gulden  an  guten  alten  herrlichen  Reichs  Talern,  deren  jeder 
21  Bazen  gölten,  zum  Heuratgut  vor  der  Hochzeit  erlegt,  da  ich 
mit  die  Hodizeit  verlegt  und  Kleider  zu  Kitzingen  erzeuget 

Ich  hab  auch  von  ihren  Anherrn  oder  AUvattern  Herrn 
Zacharia  Bechtem,  gewesenen  Pfarrern  zu  Feldsteten,  nach  seinen 
Tod  anno  20  im  Majo  bekommen  und  ererbet  [fol.  62]  ati 
Mobilien  über  meinen  Abgang  um  ein  rechtes  taxir^  so  gut 
als  30  n. 

Ifol.  67]     Das  Leben  meiner  andern  Hausehre  Reginae. 

Ihr  Valterland  ist  Sommerhausen,  3  Stund  Wegs  von  Würz- 
burg, der  Herzoglichen  Stadt  in  Francken  gelegen.    Sie   ist  aber 

Aidiiv  für  Kulluriinchlchte,    1.  7 


{ 


den  27.  Aprilis  anno  Christi  1597  ECbom.  Ihr  lieber  Herr  Vater 
ist  der  Ehrenwürdige  und  Hochgetarte  Herr  M.  Hieronymus 
Theodoricus,  Limputgischer  Pfarrer  zu  besagtem  Sommerhausen. 
ihre  Siebe  Mutter  (selig)  war  Frau  Regina  Bechlerm,  des  auch 
Ehrwürdigen  und  Wohlgelahrten  Herrn  Zachariae  Bechlers, 
Pfarrers  zu  Feldslcten  selig  (so  von  Augspurg  mit  Herrn  Doctor 
Georg  Müllern')  und  andern  Kirchendienern  vertrieben  und  ver- 
folget worden)  [vgl.  Paul  von  Stetlen,  Qesch.  der  Stadt  Augs- 
burg 1,  Ö96]  und  Apolloniae  vom  Geschlecht  einer  Dempflerin 
Tochter. 

Ist  von  Kindsheinen  an  und  in  der  zarten  Jugend  nach 
Pauli  Vemiahnung  zur  cliristlichen  Schul  gehalten,  unter  Herrn 
Johann  Weichselio,  welcher  hernach  zu  Lindelbach  [bei  Ochsen- 
furt] und  Westheim  [bei  Kiizingen]  Pfarrer  und  dess  Orts  ein 
Gevatter  worden,  meines  [Bl.  19']  Herrn  Schwehers,  nemlich  .... 

Die  Hausszucht  ist  auch  gut  gewesen,  welche  viel  bey  der 
Sachen  gethan,  darum  sie  dann  nicht  nur  das  gedrudde,  sondern 
auch  geschriebenes  fertig  lesen  und  wohl  schreiben  gelernet,  auch 
der  Gottesfurcht  sich  vor  allen  Dingen  geflissen  und  |fol.  68J 
viel  schöner  Psalmen  sampt  den  Feyer-  und  Sonntäglichen 
Evangelien,  auch  schöne  Gebet  allerhand  auswendig  recltiren 
können,  und  ist  dannoch  darneben  zur  Haussarbeil,  neen,  shncken 
und  andern  weiblichen  Verrichtungen  uffs  Beste  von  ihren  Eltern 
und  alten  Schuldhelsen  angewiesen,  auch  fleissig  im  Haus  be- 
halten und  wenig  ausgelassen  worden.  ßchiuis  foisi.) 


■]     Vgl.  Bciti.  T,  4.    Dt,  0«otfi  Mütter  (M>-1iut|  war  I14S  in  Aupb-uis  gtborat 
und  Mitne  den    Kithollkrn  luI  du  einichiednui«  Wid«rtund,  bis  er  bich  uidlidi  zur 


Zwei  Zeitungsprivilegien 

Mitgeteilt  von  AR  M I N  T 1 LLE. 


Di«  Oeschichle  der  Zeitung  tiedarf  noch  in  vieler  Beziehung 
öer-  Aufklirung,  und  die  Fürsorge  bezw.  Bevormundung,  die  ein- 
lelrs^n  Zeitungen  im  absoluten  Staate  zu  teil  wird,  verdient  auch 
abg-^^ehen  von  den  besonderen  zeilungsgeschichtlichen  Probfemen 
Bea.oJitung.  Deshalb  dürften  die  Privilegien  für  zwei  Zeitungen 
vor»  1784  und  1818,  die  hier  milgeteiU  werden,  wohl  ein  ge- 
Ti^scs  Interesse  beanspruchen.  Vielleicht  dienen  sie  auch  dazu, 
ancl  fe   zur    gelegentlichen  Veröffentlichung    derartigen    Materials 

•  »"Eia  regen. 
In   beiden  Fällen   kommt  das  hohe  staatliche  Interesse  an 
finer  Zeitung  zum  Ausdnick,  aber  während  wir  im  zweiten  Falle, 
d*!"    «Jas  Wochenblatt  zu  Rochlitz    in  Sachsen  betrifft,   von  einem 
LoWalblaite    hören,    welches   der   staatlichen    Leipziger    Zeitung 
B   iKinerlei  Konkurrenz  machen  darf,  wird  1784  im  Kurstaate  Köln 
gerade  eine  Slaalszeitung  gegründet,  die  wenn  auch  äusserlich 
«te  Privatunlcrnchmen   auftretend,   doch   von  der  Regierung   in 
_      ieder  Weise  unterstützt  wird,   und  zwar  bezieht  sich  die  Unter- 
setzung sowohl  auf  die  Lieferung  der  Nachrichten   als  auch  auf 
dw  Absatz,   insofern  jeder  Amtsverwalter   und   jeder  Stadtrat  im 
Kurfüretentum   von   Amtswegen   abonnieren   muss.      Der   dieses 
Privileg  ergänzende   Prospekt')    zeigt  wiederum,    wie  die  Ver- 
*>^lung5maschine   im  Kurstaate  funktioniert  und  wie   namentlich 


^  Der  im  Eingang  von  U.  ervihnte  •va/gtlcslt  PUn*  wird    «ohl  nichti  indem 
wia,  all  clHii  dlnn  untn  ilt  IIa.  viedciKcccbene  Protptlrt. 

7* 


i 


der  Statistik  in  jeglicher  Form  Interesse  entgegengebracht  wird. 
Andererseits  fehlt  gerade  dasjenige,  was  uns  als  wesentlicher  Teil 
einer  Zeitung  erscheint,  der  politische  Nachrichtendienst,  völlig, 
und  wenn  dies  auch  nicht  gerade  etwas  neues  ist,  so  bleibt  es 
doch  interessant,  aus  dem  Prospekt  von  vornherein  zu  ersehen, 
dass  derartige  Mitteilungen  überhaupt  gar  nicht  beabsichtigt  sind, 
dass  vielmehr  dem  Leser  rein  praktische  Nachrichten  übermittelt 
werden  sollen.  Dagegen  sehen  wir  das  Annoncenwesen')  schon 
einigcrmassen  ausgebildet 

Bei  dem  in  Rochlitz  zu  gründenden  Wochenblatte  handelt 
es  sich,  wie  schon  oben  angedeutet,  um  ein  Lokalblatt,  und  gerade 
über  solche  Organe  ist  bisher  wenig  bekannt,  weil  die  grossen 
und  alten  Zeitungen  auch  bei  den  zeitungsgeschichtlichen  Por- 
schungen  immer  In  den  Vordergrund  getreten  sind.  Besondre 
Beachtung  verdient  hier  der  Umstand,  dass  der  Superintendent 
der  Stadt   der  Redakteur   des  neuen  Wochenblattes    verden  will. 

Es  mögen  nun  die  Aktenstücke  selbst  reden. 

la.») 

Von  Cottes  Gnaden  Wir  Maximilian  Franz,  Eizbischof  zu 
Köln,  des  heiligen  römischen  Reiclis  durch  Haben  Erzkanzler  und 
Kurfürst  u.  s.  w. 

Aus  landesherrlicher  Fürsorgt  für  das  allgemeine  Beste 
Unserer  getreuen  Untcrlhancn  sind  Wir  inüdcst  bewogen  worden, 
einen,  zu  einem  neuen  Intelligcnzblatte  Uns  untcrthänigst  vorge- 
legten, Plan  zu  bestätigen,  und  dieses  Inlclligenzblatt  (welches  mit 
Anfange  künftigen  Jahrs,  in  Unserer  Residenzstadt  Bonn  wöchenihch 
einmal  erscheinen  wird)  für  Unser  rheinisches  Erzstift,  und  das 
Vest  Recklinghausen  gnädigst  zu  privilegiren. 

Um  dasselbe  für  das  Publikum  um  desto  gemeinnütziger 
2U  machen,  haben  Wir  gnädigst  gut  gefunden,  folgendes  gnädigst 
zu  verordnen. 

Erstens:  Befehlen  Wir  allen  Unjeren  Kurfürstlichen  so  wohl 
als    UnterherrUchcn    Cerichtcm,     die   bei    Ihnen    ausgefertigten 

'}  Vb;I.  cd  dlexr  Pnge  die  icitcrnunte  Artidl   von  Ludvlg  Munilnger,  Die 
LntvkkclunE  ük  Inseriltnvncni  In  den  clruticbea  ieitunetn  (Heidelberg:  E^rl  Winttf,  IMl). 
*)  Die  Votlige  in  I  ■.  und  I  b.  nilit  iin  Slaillsrchlv  lu   Bi>iiii. 


I 


I 


öffentlichen  Abladungen,  gerichtlichen  Verkaufsanzeigen,  und  der- 
gleichen jedesma!  frühzeitig,  so  wie  auch  die  Zahl  der,  in  jedem 
verflossenen  Jahre,  tintcr  ihren  Gerichlsbeztrken  Gebohrenen  und 
"Verstorbenen,  mit  Bemerkung  des  Geschlechts,  auch  der  Verehe- 
lichten Personen,  alle  Jahre  um  Ostern  an  das  Intcllij^cnzkonitoir 
^ur  Einrückung  unfehlbar  einzusenden.   Wobei  Wir  dann  zugleich 
«lensclbcn  die  genaueste  Befolgung  der,  unterm  27ten  Homung  1779, 
in  Betreff  der  Tauf-,   Kopulations-    und  Sterbbüchcr,  erlassenen 
"Verordnung  hiermit  schärfest  einbinden. 

Zweytcns:   Gebielhcn  Wir  allen  Pfarrern  Unserer  rheinischen 
"KurUndc,  und  des  Vestes  Recklinghausen,  welche  zu  auswärtigen 
Diözesen  gehören,   wie  auch  allen  Predigern  der  augsburgischen 
^(onfession  den,  von  dem  Gerichte  jedes  Orts  im  Jänner  jedes  Jahrs, 
"Slmen  zuzustellenden   Büchern   die  im   nächsiverflossenen  Jahre 
'Vorgegangen cn  Vereheüchungs-,   Tauf-    und  SterbJälle   aus   ihren 
■^Original bij ehern    inner   sechs  Wochen  Zeit  einzutragen,   und,  als 
■Äiit  letztern  gleichlautend,  durch  ihre  Unterschriften  zu  beurkunden; 
^äodann  bei  Zurücklieferung  dieser  zum  Gerichte  gehörigen  Bücher 
^welche  durch  vertraute  Bothen  geschehen  muss)  ihre  Urschriften 
zugleich   mitzuschicken,  damit  die  Oerkhtsschreiber  solche   ver- 
gleichen, und  die  zum  Gerichte  gehörigen  Bücher  ebenfalls,  als 
^ichlautcnd,   unterschreiben  können.    Indessen  sollen   die  Aus- 
züge oder  Zeugnisse  von  den  Pfarrern  und  Predigern  allein,  von 
den  Gerichtschreibern    aber    (wie   schon    durch    die  Verordnung 
vom  27ten  Hornung  1779  befohlen  ist)  nicmal,  als  nur  im  Falle 
des  verkommenen    Kirchenbuchs   ertheilet  werden,   welcher  Fall 
alsdann  dem  Auszuge  mit  beizusetzen  ist. 

Drittens:  Verordnen  Wir,  dass  alle  Amisvenrälter  gleichfalls 
die  bei  ihnen  ausgefertigten  öffentlichen  Abladungenj  gerichtlichen 
Verkaufsanzeigen  und  dergleichen,  jedesmal  friihzeitig,  Bürger- 
meister und  RiÜi  zu  Neuss,  Bonn  und  Linz  aber  den  Marktpreis 
der  Früchte,  und  die  Brod-  und  Fleischtaxc,  wie  auch  der  Meyer 
Unserer  Residenzstadt  Bonn  die  zu  bestimmen  ihm  obliegende 
Schwere  des  Weisbrods,  alle  Wochen  ohnfehibar  zu  obgedachlein 
bönnischen  Intelligcnzkomtoir  einschicken  sollen. 

Viertens  und  letztlich  befehlen  Wir  allen  und  jeden  Kur- 
fürstlichen sowohl,  als  Unter  he  rrtichen  Gerichtern,  allen  Unseren 


( 


102  Armin  TiDe. 

Amisvcppältem,  wie  auch  Bürgenneistem  und  Rath  aller  Stddte 
Unseres  rheinischen  Erzslifts  und  des  Vestes  Recklinghausen,  bis 
auf  Unsere  nähere  höchste  Verordnung,  ein  Exemplar  des  neuen 
Intelligenzblatlcs  für  den  festgesetzten  Preis  von  einem  Rlhlr.  spec. 
anzunehmen,  und  denselben,  sammt  den  Postgebühren  resp.  aus 
den,  unter  den  Gerichtsgh'edem  und  dem  Gerichtschreiber  [heil- 
baren Gebühren  herzunehmen,  in  die  Amtsrechnung  einzubringen, 
und  aus  dem  städtischen  Aerario  abzuführen.  Urkund  dieses. 
Gegeben  in  Unserer  Residenzstadt  Bonn  den  Qten  Weinmonds  I7S4. 

Ib. 

Gnädigst  phvüegirtes 
BÖnniEches  In  teil  igen  z-BIatt. 

Prospekt. 

In  diesem  Formal,')  mit  neuen  Lctlcrn.  auf  gutes  Papier 
gedruckt;  und  nach  folgendem  Plan  bearbeitet,  «ird  von  dem 
hiesigen  Intelligcnzblatte,  mit  Anfang  des  künftigen  1785tcn 
Jahres  alle  Dienstage  ein  halber  Bogen  (nach  Erforderniss  des 
Stoffes  aber  auch  mehr  oder  noch  ein  Extrablatt)  erscheinen. 

Istcns:  Werden  in  demselben  nicht  nur  alle  kurfürstliche 
gnädigste  Verordnungen  und  Edikte  wörtlich  abgedruckt,  sondern 
die  höchste  Behörde  wird  auch  in  Fällen,  »eiche  eine  schleunige 
Verfügimg  fordern,  oder  nicht  erheblich  genug  sind,  um  den 
gewöhnlichen  weitläufigen  Umweg  der  Circularschreiben  zuzu- 
lassen, sich  dieses  Intelügenzblaltes  bedienen,  um  jene  gnädigste 
Verfügungen  und  sonstige  heilsame  Anordnungen  zur  Wissenschaft 
der  Beamten  und  des  Publikums  geschwind,  sicher  und  ohne 
Kosten  zu  bringen. 

2tens;  Ist  dieses  von  den  Vorschriften,  Warnungen  und 
dergleichen  zu  vtMslelieu,  durch  deren  Bekarmtmachung,  bei 
herrschenden  Epidemien  oder  sonstigen  Veranlassungen  der  kur- 
fürstliche Medixiiialrath  das  Publikum  zu  belehren  nöthig  oder 
dienlich  finden  wird. 


'(  Otmdiii  I«  l*.  xvtttpftltiri  gedruckt,  -   Dm  hwr  Qc(p«tr(e  ht  in  dw  Vor- 
1*2«  trit  {«d  ruckt. 


3tens:  Werden  die  Entscheidungen  der,  sovol  bei  hiesigem 
Hofralhe  vorkommenden,  als  bei  den  höchsten  Reichsgerichten  in 
appellatorlo  hangenden,  erzstift-ktiln Ischen  Rechtssachen  genau 
und  nach  zuverlässigen  Angaben  geliefert. 

4tens:  Kömmt  hierher  eine  genaue  und  zuverlässige 
Anzeige  von  gnädigsten  Beförderungen  im  geistlichen,  Civil-  und 
Militairstande. 

Stens:  Werden  die  merkwürdigem  Vorfälle  der  hiesigen, 
kurfürsUidien  Akademie,  als  da  sind:  Vorlesungen,  Disputationen 
und  dergleichen  verzeichnet. 

btens:  Da  die  beiden  Städte  Köln  und  Frankfurt  gleich- 
falls die  Magazine  sind,  woher  der  erzstiflischc  Kaufmann  und 
Krämer  seine  meisten  Waaren  bezieht;  und  die  Niederlagen,  bis 
wohin  beinahe  nur  Natur- und  Kunstprodukte  von  hier  ausgehen; 
also  dass  uns  etwas  an  dem  Steigen  und  Fallen  der  daslgen 
Marktpreise  gelegen  ist:  so  werden  von  Zeit  zu  Zeit  die  Preis- 
kouranten  jener  Städte  (d.  i,  die  Zedel,  worauf  die  laufenden  Preise 
aller  daselbst  circulirendcr  Kaufmannsw-aaren  verzeichnet  sind) 
gegeben.  Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  diese  Zedel  hier  sehr 
enge  und  tabellarisch  zusammengedruckt,  oder  vielmehr  nur  die 
Artikel  daraus  jedesmal  hierhergebracht  werden,  deren  Preise  sich 
wirklich,  seit  der  nächstvorigen  Anzeige  davon,   geändert  haben. 

7tens:  Wird  eine  ähnliche  Preiskourante  der  vornehmsten 
Consumtibiiien  hiesiger  Residenzstadt.')  als  da  sind:  Früchten, 
Mehl,  Brod.  Fleiscii,  Oelj  Seife,  Thran,  Salz,  Brand  und  dergleichen 
hiehcr  gebracht 

Stcns:  Folget  sodann  ein  Verzeichniss  der  Früchte  und 
Mehlpreise  der  benachbarten  und  anderer  Städte,  mit  welchen  der 
erzsUftischc  Unterthan  hauptsächlich  in  jenen  Artikeln  handelt, 
z.  B.  Köln,  Neuss,  Linz,  Düsseldorf,  Jülich,  Achen,  Diären,  Koblenz, 
Mainz  u.  s.  w. 

9tens:  Kömmt  eine  Tabelle,  welche  die  Geburten,  Ehen 
und  Leichen   im  ganzen  Erzstifte,    und    zwar   die   aus   hiesiger 


I 


■)  Uncr  den  IS.  Dn.  IT»  fordert  dtr  Kurfüm  dtn  Rit  der  S»dt  Bonn  nocb- 
«al«  boonden  *vf,  dei  «Mientlichcn  rrQchfeprelt,  Brol-  nnJ  Fle<Kht>Ae  lu  lierem  und 
rmv  n  ■drttikm :    An  Jie  Kurfürsüichc  KAtniKhe  HafnllivIOiniüei  lu  Bunn 


i 


Residenzsiadi  namentlich,  die  übrigen  aber  nur  in  Zahlen  und 
einmal  im  Jahre  enthält.  Zu  diesem  Ende  sind  die  Pfarrer  des 
ganzen  Erzstiftes  angewiesen,  bei  Gelegenheit  ctcr,  durch  kur- 
iürstliche  gnädigste  Verordnung  vom  27sten  Hornung  1779  be- 
fohlenen Auflegung  der  Taufbücher,  die  Listen  der  Gebohrenen, 
Oestorbenen  und  Vereheüchten  an  die  Beamten  ihrer  Pfarrbezirke 
zu  überreichen. 

lOtens:  Werden  die  Einnahme  und  Ausgabe  des  hiesigen 
Armenhauses  und  alle  von  der  Armenkommission  zu  treffende, 
auch  gewöhnliche,  Verfügungungen  dem  Publike  vorgelegt,  wie 
nicht  weniger  die  Anzahl  der  Spinnenden  und  jener,  welche  aus 
der  Kollekte  ihren  Unterhalt  haben,  angezeigt. 

lltens:  Wird  wenigstens  einigemale  im  Jahre  Nachricht 
gegeben  a)  von  der  Abfahrt  und  Ankunft  des  hiesigen  Post- 
wagens und  Marktschifics  von  und  nach  Köln;  item  des  kaiserl. 
Wagens  von  und  nach  Koblenz;  b)  Von  dem  Abgang  und  der 
Ankunft  der  reitenden  Bnefposten;  c)  Von  der  Ankunft  und  dem 
Abgange  der  Achener,  CIcvischcn,  NImwegcr,  Düsseldorfer  u.  s,  w. 
Wagen  zu  und  von  Köln;  d)  Von  der  Ankunft,  dem  Abgange 
und  Absteigequartier  der  Adenauer,  Ahn»eiier  und  anderer 
Bothen  dahier. 

12tens:  Machen  den  Schluss  sogenannte  Avertissements. 
Diese  theilen  sich  in  1.  Gerichtliche,  als  da  sind:  Ediktalcila- 
tionen,  Steckbriefe,  Subhastalionsverkündigungen  und  dergleichen^ 
welche  alle  aus  kurfürstlichem  gnädigsten  Befehle  von  allen  erz- 
stiftischen  Oerichlern  hieher  gesandt  werden.  II.  Ausser- 
gerlchtliche,  deren  gewöhnlichere  Gattungen  sind:  Anzeigen 
a)  von  Sachen,  die  zu  verkaufen  oder  zu  vcrmiethen  sind  oder 
zu  jenem  Ende  gesudit  werden;  b)  Von  verlohrenen,  gefundenen 
und  gestohlenen  Sachen;  c)  Von  Geldern,  so  auszuleihen  sind 
oder  gesucht  werden;  d)  Von  Personen,  die  in  Dienste  und 
Arbeit  gesucht  werden  oder  Dienste  und  Arbeit  suchen;  c)  Buch- 
händler-, Künstler-  und  dergleichen  Nachrichten;  f)  Vermischte 
Anzeigen,  Anfragen  u.  s.  w. 

Dieselbe  werden,  wie  alle  das  Intelligenzblalt  betreffende 
Briefe,  unter  der  Oberschrift:  An  das  Intelligenzkomtoir 
zu  Bonn  franco   cingeschicket.    Für  die   Einrückung  derselbea 


* 


* 


•«röd  jede  gedruckte  Zeile  mit  2  Sib.')  bezahlt;  der  Preis  des 
ßlattes  selbst  aber  ist  für  das  Jahr  1  Rthir.  spec.  Auswärtige 
Liebhaber  machen  die  Bestellungen  an  das  hiesige  oder  ein  ihnen 
nihergelegcnes  löbhches  Postamt  und  finden  sich  der  Versendungs- 
kcsten  vegen  mit  demselben  ab. 

Wie  nützlich  übrigens,  ja  unentbehrlich  ein  solches  Blatt 
j&<icm  vateriändischen  Oeschäftsmanne  sei,  ist  klar;  mit  wie  viel 
gT'össerm  Vorthelle  aber,  als  der  gewöhnlichen  Zeitungen,  das 
F*iiblikum  sich  desselben  bedienen  könne,  um  allerhand  Nach- 
richten bekannt  zu  machen,  erhellet  auch  schon  daraus,  dass  durch 
einen  kurfürstl.  gnädigsten  Befehl  alle  Oerichter,  Städte  und  Amts- 
venacaltcr  des  rheinischen  Erzstifts  und  der  Grafschaft  Reckling- 
hausen, (das  Herzogthum  Westphalen  hat  sein  besonderes 
Intelligenzbla4t)  dasselbe  zu  halten  angewiesen  sind.  Obrigkeitliche 
Rersonen  sind  nämlich  vor  allen  die  Klasse  von  Bürgern,  denen 
Neuigkeiten  des  Vatertands  von  der  Art,  wie  sie  dieses  Intelligenz- 
t^^att  enthält,  nie  unbekannt  bleiben  sollten,  ungerechnet  des  Isten 
Artikels,  dessen  Inhalt  sie  zunächst  und  oft  einzig  angehet,  also 
dass  sie  denselben  von  Amtswegen  nicht  ignoriren  dörfen. 

Zum  Schlüsse  kann  man  das  Publikum  versichern,  dass  alle 
Anstalten  getroffen  sind,  um  nur  zuverlässige  Nachrichten,  wo- 
rauf sich  allerdings  verlassen  werden  kann,  zu  liefern. 

Bonn  aus  dem  Intelligenzkomloir  den  6ten  Oktober  1784. 


II. 

>)  Friedrich  August,  König  pp. 

Lieber  Getreuer!  Auf  deinen  alier unterthänigslen  Bericht 
voin  28.  V.  M.  können  Wir  geschehen  lassen,  dass  von  dem 
Superintendenten  D.  Thienemann  ein  Wochenblatt  herausgegeben 
Verden  möge,  jedoch  unter  den  Bedingungen,  dass  dabei  die 
besiehenden  Vorschriften  wegen  der  Censiir  sorgfältig  in  Obacht 


")  Slflbtt 

*)  Dfnn  Sdirdbcti  Itt  an  im  Amimanci  ni  Rochlllt  srndilct  und  in  (tieAnl«i}Tt 
Hdfiot  ran  ihm  itrmiHcItt  Eingabe.  —  AU  Vorixgr  hit  eine  in  StadUrctiiv  ib  Orinnia 
•Mknidi  AbKfcrtft  DU  dem  Endt  der  ivuizictr  Jihtt  etdient. 


1 


106  Armin  Tille. 


genomnien,  hiernächst  in  gedachtes  Wochenblatt  bei  10  r.  Strafe 
für  jedes  Stück  keine  politische  Nachrichten,  insofern  sich  nicht 
der  Herausgeber  darüber  mit  dem  Zeitungspachter  in  Leipzig 
einverstehet,  und  keine  inländische  gerichtliche  Avertissements, 
venn  sie  nicht  zuvörderst  in  die  Leipziger  Zeitungen  aufgenommen 
worden,  eingerückt  werden.  Demgemäss  wollest  du,  wie  Wir 
hiermit  begehren,  das  Weitere  verfügen.  Mochten's  dir  unter 
Remission  eines  Konvoluts  sub  o  nicht  bergen  und  geschieht  daran 
Unsre  Meinung.    Datum  Dresden,  am  IQ.  Mai  1818. 


Beprechimgen. 


Besprech  ungen. 


E,  Seyler.  Die  DnisusverschatizungMi  boi  Deisenhofen.  2.  A. 
Müficlwai  1900.  Selbstverlag,  in  Kommission  bei  Poessl.  (W  S.)  — Terra 
limitaneä.    München  1901.    Verlag  wie  obeit.    (82  S.) 

Bdde  Sdiriftcti  verfolgen  das  vom  Verfasser  in  seiner  ereteci  Schrift: 
Acrarien  und  Exkubien  angeschlagene  Thema  veiter,  nämlich  die  Bedeutung 
der  RÖmerkaslelle  als  Onindiage  der  spilercn  Biirycii.  Den  Gründe», 
irelche  —  am  entschiedensten  von  Cohausen  —  der  überlrieben  roma- 
nistbchen  Auffassung  entgegengeliaUen  werden,  sucht  er  den  Boden  /u 
entziehen  durch  die  Sclieidung  von  aslra  und  caslella.  van  denen  erstere, 
hinter  dem  Grcnzwall  gelegen,  als  Tnippenstandorle  dienten,  wahrend 
letztere  darüber  hinaus  vorgeschoben  den  Keim  der  Entwicklung  bwgcn. 
Durch  zusammenfassende  Betrachtung  der  historischen  Quellenstellen  und 
der  lopographisdien  Verhältnisse  gelangt  S.  zu  folgender  -Auffassung. 
Die  lortifikatortschc  Übung  der  Römer  setzte  sie  iti  stand,  im  Felde  neben 
den  Standhgem  kleinere  Werke  aufzuwerfen,  die  teils  der  Rekognoszierung 
dienten,  teils  dem  Schutze  der  für  die  Verpflegung  tätigen  Truppenteile. 
Als  Beispiel  dienen  die  bei  Deisenhofen  südlich  von  München  am  rechlcn 
lunifer  erhaltenen  Venchanzungcn,  die  5.  auf  den  von  Drusus  im 
Jahre  15  v.  Chr.  zur  Unterwerfung  Vindelikiens  iintanomniencn  Zug 
zurückführt.  Aus  dem  Inntal  heraus  auf  der  schon  vorhandenen  Römcr- 
ttrasse  Salzburg— Augsburg  vorrückend  hat  Drusus  am  Rande  des  Gleisen- 
tals  ein  Lager  errichtet,  um  Verstärkungen  abzuwarten,  wobei  eine  vor- 
geschobene Sdunzejigruppe  dem  Schutze  seiner  Frumeiilatoren  diente. 
Dieses  System  fand  weitere  Fortbildung  auch  für  Friedenszeiten:  aus  den 
Agrarien  als  Stauen  flüchtigen  Fouragierens  und  den  sie  schützenden 
Erdwerken  wurden  ständige  Einrichtungen,  durch  Höhenlage  gesicherte 
Verpfl^ungsstationcn  und  Zufluchtsorte,  durch  die  gemauerten  Exkubien- 
kastelie  gedeckt.  Den  Schluss  der  Entwickhing  bildete  die  Reservierung 
von  Staatsländcrcien  vor  dem  Limes  zum  Unterhalt  der  Veteranen,  die 
die  als  Aiissenwerke  dienenden  Kastelle  besetzt  hielten.  In  ihnen,  die 
sidi  durch  Lage  und  üestalt  durchaus  von  den  sonst  rilschlich  Kastelle 
genannten  Ijigcm  der  regulären  Truppen  hinter  dem  Limes  unterscheiden, 
ist  die  Wurzel  der  spätaen  Burgen  zu  suchen.  Wenn  S.  selbst  die 
Einzelbeweise  für  die  Richtigkeit  seiner  Thesen  der  Lokalforechung  zu- 
meist, so  erscheint  das  um  so  nötiger,  als  die  von  ihm  gegebenen  Ab- 
bildungen dne   sichere  Deutung  so  achwacher   Reste   kaum   zulassen. 


Jedenfalls  ist  durch  die  zahlreichen  Burganlagen  hohen  Allers  in  Ocgendcn, 
die  nie  eines  Körners  Fuss  betrat,  bewiesen,  dass  es  ihres  Einflusses  nicht 
bedurfle.  Wie  raannii.'facBie  Typen  sich  hier  auf  kleinstem  Raum  nach- 
«■eisen  lassen,  dafür  sei  nur  an  Brinckmanns  schöne  Arb«1  erinnert.*) 

0.  Liebe. 


Die     Dresdener     Bilderhandschrift    des    Sachsenspiegels. 

Herausgegeben    von    Karl    v.   Amira.     haksimilc-Band.     Erste    Hälfte. 
90  Tafeln  und  3  Ergänziingstafeln.    Leipzig,  Karl  W.  Hiersemann,  1902. 

Der  in  der  Zeil  zwischen  1215  und  1235  von  dem  Schöffen  Eilte 
von  Rcpgau  verfassle  „Spiegel  der  Saxen"  hat  sich,  wie  bekannt,  im, 
späteren  Mittelalter  des  allgemeinsten  Ansehens  in  Deut&cMand  zu  er- 
freuen gehabt.  Er  ist  dnfier  für  die  deutsche  Rechtsgcschichte  und  Wr 
die  Kulturgeschichte  überhaupt  ein  Stück  von  hervorragender  Wichtigkeit. 
und  eine  sorgfältige  Publikation  der  frühen  Handschriften,  zu  denen 
auch  die  aus  der  ersten  Hälfte  des  14.  Jahrh.  stammende  Handschrift  in 
der  königlichen  Bibliothek  tu  Dresden  zählt,  müsste  unter  allen  Um- 
ständen mil  Freuden  zu  begrüsaen  sein.  Umsomehr  müssen  wir  voll  des 
höchsten  Lobes  die  vorliegende  Ausgabe  anzeigen,  denn  dieselbe  bietet 
nicht  etwa  schlechthin  eine  Textpublikation,  vielmehr  wird  hier  eine 
grosse  Bilderhandschrift  in  ihrem  ganzen  Umfange  in  durchaus  vortreff- 
licher U'eisc  reproduziert. 

Wie  im  14.  Jahrh.  die  Kunst  der  Buchmalerei  sich  iJberhaiipt  mehr 
und  mehr  in  den  Dienst  der  Allgemeinheit  geslelll  halte,  so  wurden  auch 
die  grossen  Handschriflni  des  Sachsenspiegels  mit  langen  Bilderrdhen 
ansgeslattet,  die  den  Text  in  gleichem  Schritte  begleiten,  und  die  nicht 
SO  sehr  die  Aufgabe  haben,  als  Schmuck  der  Handschrift  zu  dienen,  wie 
sie  dem  Leser  das  Verständnis  des  Textes  erleichtern  und  vor  allem  denen, 
die  des  Lesens  unkundig  waren,  den  Inhalt  der  zugehörigen  Rechtssitze 
veranschaulichen  sollten,  wobei  man  die  Zusammengehörigkeit  von  Ab- 
bildung und  Text  in  höchst  einfacher  und  doch  deutlicher  Weise  dadurch 
2iim  Ausdruck  brachte,  dass  man  die  farbigen  Initialen,  mit  denen  die 
Einzelabschnitle  des  Textes  beginnen,  in  denselben  Farben  zu  den 
einzelnen  Abbitdungsgnippen  derselben  Seite  einfach  nochmals  dazu 
«We. 

Das  Wichtige  hierbei  ist,  dass  die  Bilder  nicht  auf  die  erklärende 
Sprache  des  nebenstehenden  Textes  rechnen  durften,  dass  sie  auch  in- 
haltlich ihren  selbständigen  Wert  haben  niussten.  Daher  betont  der 
Illustrator  überall  mit  besonderem  Nachdruck  das  Typische  der  Erschei- 
nung, und  so  erhalten  die  Abbildungen  eine  ganz  hen-orragende  kultur- 
geKhichthche  Bedeutung.     Durch  ihre  Veröffentlichung  ist  der  Wissen- 

*)  BBrcanlagcn  in  der  KU»  vmi  Zctti.    Progruia.    laM. 


Besprechungen. 


10» 


Schaft  eine  reiche  Fundgrube  an  Abbild unpsmaterial  erschlossen,  welches 
sich  wie  das  Recht,  das  es  zeichnerisch  umschreiben  sollte,  auf  alle  Ge- 
biete der  AÜertumswissensch-ift  gleichmässig  erstreckt.  So  ergibt  sich, 
um  irgend  eine  besliiniute  Seite  »ier  Alterlumskuiide  beliebig  heraus- 
zugreifen, fßr  die  HausattertÜmer  ein  reicher  Ertrag,  und  ich  kann  mich 
z.  B.  nur  an  ganz  wenig  bekannt  gewordene  mittelalterliche  Handschriften 
erinnern,  wo  wie  hier  eine  völlig  Ifickenlose  Reihe  von  Abbildungen  des 
Acker-  und  Fcldgerätcs  dargeboten  würde.  Da  sehen  wir  den  Pflug,  nur 
teicbthin  gezeichnet  und  doch  völlig  deutlich  mit  seinen  einzelnen  Teilen, 
dem  Grindel  mit  der  Säge,  dtr  Säule  mit  der  Pflugschar  und  dem 
Strrichbrett  und  endlich  den  beiden  Armen  mit  den  Pflugzwecken,  das 
Ganze  ruhend  auf  dem  zweirädrigen  Qestclä.  Wir  finden  den  Wagen 
und  die  Egge,  den  Spaten,  Kar&t  und  Hacke,  den  Rechen  und  die  Sichel, 
die  Mistgabel  und  die  Axt,  und  das  Qeschirr  der  Zugtiere  mit  Sattel  und 
Zaumzeug  wird  uns  durchaus  klar  abgebildet. 

An  diesem  einzelnen  Beispiele  mag  man  den  Reichtum  der  Zeich- 
nungen erkennen,  die  hier  mit  Unterstützung  der  kgl.  sächsischen  Kom- 
inission  für  Oeschichtc  und  der  Savigny-Stiftimg  in  sehr  guten  Nach- 
teldungen  veröffcTitüchl  sind,  Eine  nähere  Untersuchung  der  Bilder, 
veiche  die  darin  enthaltenen  allen  und  neuen  Elemente  sorgfältig  prüfen 
und  von  einander  scheidlen  soll,  wird  der  von  deiu  Herausgeber  Prof. 
Dr.  K.  V.  Amlra  in  Mönchen  verfasste  Textband  bringen.  Derselbe  wird 
für  alle  Gebiete  der  mittelalterlichen  Kultur  Deutschlands  reiches  Material 
lins  zugänglich  machen,  worfiber  dann  seinerzeit  zu  berichten  sein  wird. 
Einen  guten  Vorgeschmack  davon  hat  aber  der  Verfasser  selbst  uns  so- 
eben geboten  in  einer  eingehenden  Studie,  die  er  in  den  Abhandlungen 
der  K.  Bayer.  Akad.  d.  Wiss.  I.  Cl.  XXII  Bd.  11.  Abt.  München  1902, 
S.  327—385  unter  dem  Titel:  »Die  Genealogie  der  Bilderhand- 
schriften des  Sachsenspiegels*  veröffentlicht  hat. 

Es  handelt  sich  dabei  um  das  gegenseitige  Verhältnis  der  Hand- 
schriften «u  Heidelberg  (H-),  zu  Oldenburg  (O.),  zu  Dresden  (D.)  und 
m  WolfenbOttel  (W.),  und  bei  der  Wichtigkeil  des  Gegenstandes  dürfte 
es  nicht  unerwünscht  sein,  die  Resullatc  der  ungemein  sorgfälligen  Unter- 
aicfaung  kurz  mitzuteilen.  Die  Bilder  von  D.  uitd  W.  slitnnien  schon  in 
ihrer  räumlichen  Anordnung  genau  mitemander  überein,  und  die  Unter- 
Khiede  zwischen  beiden  falten  nur  soweit  ins  Gewicht,  als  sie  zeigen, 
dass  die  beiden  Hss,  nicht  aus  den  nämlichen  Händen  hervorgegangen 
lind.  Kostümlich  nimmt  W.  einen  Jungeren  Standpunkt  ein  als  D.,  und 
die  Bilder  bieten  selbst  eine  Reihe  von  Gründen  dar,  die  ein  Tochter- 
verhältnis von  W.  m  D.  wahrscheinlich  machen,  Da  nun  Ainira  auch 
noch  als  zweifellos  nachweiät,  dass  der  Text  von  W-  von  dem  in  D.  eine 
AbschriN  ist,  so  kommt  er  zu  dem  überzeugenden  Schluss,  dass  wir  auch 
den  illustrativen  Teil  von  W.  für  eine  Kopie  von  dem  in  D.  erachten 
müseen.  —  Die  Texte  von  H.  und  D.  sind  unabhängig  untereinander 


von  einer  dritten  Hendschrift  unmittelbar  abgcleit«t,  die  illustriert  und 
ebenso  eingerichtet  war  vie  H.  und  D.  Demnach  wird  die  hin  und 
wieder  geaiissene  Meinung  hinUÜig,  in  H.  Liege  das  Original  der  ge- 
samten Sachsenspiegel- lEtustratioii  vor;  vielmehr  spricht  die  Vermutung 
liafür,  dflss  H,  und  D.  wie  iliren  Text  so  auch  ihren  Bildervorrat  aus  dw 
Vorlage  bKOgen  haben,  welche  Amira  mit  V.  bezeichnet.  —  Von  dieser 
V-Qruppe  (M,  und  DW.)  nun  unterscheidet  sich  die  niedersächsische 
Handschrift  O.  in  mehrtadier  Hinsicht.  Ihre  anzunehmende  Vorlage 
nennt  Amira  N.  und  konstatiert,  dass  zurischen  den  Teveten  der  Y,-  und 
der  N.-Qruppe  nur  Seitenveracaiidtscliait  besieht,  doch  dürfte  der  nächste 
Ecmdnsame  Vorfahre  von  V-  und  N.  kaum  -»eit  hinter  beiden  zurüclt- 
li^en.  Audi  ein  Vergleich  der  Zeichnungen  von  O.,  die  in  höchst 
merkwArdigcr  Weise  mittels  Pausen  aus  derVorlajje  QbcrtrageTi  sind,  mit 
den  Illustrationen  der  Y- Gruppe  führt  zu  dem  gleichen  Resultat. 

Deiilüch  erkennt  man  ans  .^miras  Arbeit,  Teichen.  Wert  die  genaue 
Untersuchung  der  Bilder  zugleicli  für  die  Geschichte  der  Handschriften 
und  des  Textes  hat,  eijenso  aber  wird  daraus  auch  der  ganze  (teichtum 
der  publizierten  Handschrift  klar,  zumal  Amira  sich  hier  schon  als  treff- 
lichen Interpreten  cnciesen  hat.  Man  vergleiche  in  dieser  Beriehung 
z.  H.  nur,  wie  er  den  koslümüchen  Fortschritt  von  D-  gegen  H,  be- 
obachtet in  den  gekürzten  M5nnerröcken,  der  dreifach  belcrünten  Tiara, 
den  LappcnSrmeln,  dem  Kragenhersenicr  mit  Beckenhaubc,  dem  Faust- 
schild mit  spitzkcgeligem  Nabel,  dem  Judenhut  mit  öbcrhöhter  Spitze  uml 
Kugclknauf.  Umsomehr  dürfen  ^6■ir  auf  Amiras  Textband  gespannt  sein, 
der  hoffentlich  mit  einem  recht  genauen  Sachregister  versehen  und  damit 
unr»-eifelhafl  zu  einem  nnentbehrlichen  Nachschlagebiicbe  für  die  mittel* 
alterliche  Kulturgeschichte  erhoben  werden  wird. 

Otto  Lauffer. 

A.  Klppenher][.  Die  Sage  vom  Herzog  von  liixemburg  und 
die  historische  Pcreönlichkeil  Ihres  Trägers.  Mit  2  Vollbildern  und  II 
Abbildungen  im  Text.     Leipzig.     Engelmann.    1901.    (280  S.) 

Für  die  selbständige  Lebenskraft  der  Ideen,  die  unabhängig  von 
Persönlich  keilen,  von  Raum  und  Zdt  auftauchen,  wo  sich  ihnen  ein 
günstiger  Punkt  zur  Kristallisierung  bietet,  liefert  die  Sagengeschichte  Bei- 
spiele, die  um  so  bemerkenswerter  sind,  je  mehr  dieser  Vorgang  sich  an 
einer  Gestalt  von  festen  historischen  Umrissen  vollzieht.  Die  Vorstellung 
frevelhafter  Überhebiing,  die  die  Befriedigimg  ihrer  Gelöste  von  einem 
Bunde  mit  den  bösen  Mächten  erhofft,  hat  in  Deutschland  ihre  letzte 
volksmässige  Verkörperung  in  dem  Ma,rschal!  Ludwigs  XIV.  gefunden, 
der  in  seiner  Verbindung  von  skrupellosem  Strebertum  und  wüster  Oe- 
nussucht  durchaus  ein  Sohn  seiner  Zeil  ist.  Die  seltsam  verschlungenen 
Fäden  dieses  Gewebes  bloszulegen,  dieser  Aufgabe  folgt  der  Verfasser 
mit  Scharfsinn,    veenn    auch    oft   mit    ru   grosser   Ausführlichkeit.     Der 


Besprechungen. 


111 


I 


historische  Comte  de  fiouüeville,  der  seinen  spüiercn  Namen  nur  einer 
»n  praklischcn  Erwägungen  dikliertcn  Heirat  mit  einer  Erbtochlcr  ver- 
duikte.  war  ein  echter  Typus  jenes  fnnz&sisctien  Adels,  der  sich,  venn 
luch  erst  Paneiganger  der  Fronde,  sklavisch  vor  dem  aufsleigenden  Qe- 
ilim  des  Sonnenkönigs  beugte.     Als  Freund  Condes  wie  im  Dienste  des 
Königs  hatte  er  sich  froh  den  Ruhm  eine»  kühnen  Reiterführere  wie  eines 
ecTis&ea losen  WOstüngs  erwürben  —  beiden  Eigenschaften  tat  sein  Buckel 
liriiien    Eintrag.     Einen    Ansatz  für  die  von    alters    belichte  Sage  vom 
Teu/elsbOndnis  bot  seine  Peisöiiliclikeit  durch  die  grausame  Kriegführung 
in  den   Niederlanden,  die   ihm   nachgesagt  wurde  und  durch  die  Ver- 
»ickEung  in  die  verbrecherischen  Abscheulichkeiten  des  Kiesen prozesses, 
<ifr  sich  1679  an  den  Namen  der  Qiftmischerin  Voisin  kniipfte.    Die 
SliainiunK  aber,  solche  Anlässe  aufzugreiien,  war  in  weit  höherem  Masse 
in  Deutschland  vorhanden,  wo  durch  die  Hexenprozesse  der  Teuf  elsglanbe 
mit  schauerlicher  Konsequenz  ausgebildet  worden  war.    Sämtliche  Züge 
der  Sage,   deren    verscliiedenen  Versionen    K.  sorgfällig  nachspürt,  sind 
ailes  Out,  aber  sie  spiegeln  den  veränderten  Zeitgeist  wieder.     Während 
in    Paust  der  unersättliche  Forscherdrang  einer  grossen  Zeit  Verkörperung 
erfunden  hat,  wählt  sich  die  volbslümlictie  Vorstellung  den  Mar^hall  zu 
ihrem  Trlger  nur  aus  Mass  und   als  Typus  jener  schauerlidien  Vrr- 
einigung  von  Grausamkeit  und  Wollust,  die  in  die  tiefsten  Abgründe  der 
Mensdienseele  leitet.    Sehr  anziehend  ist  der  Nachweis,  wie  die  Beliebl- 
heil  der  Sage  sich  mit  dem   historischen  Entschwinden  ihres  Trägers, 
igert,  die  schemenhaft  werdende  Gestalt  ins  Ungeheure  wächst.    Den 
*rsten  Niederschlag  im  Druck  fand  sie  1680  noch  während  des  era-ähnten 
Prozesses;  die   Volksbücher,    in  denen    sie  sich  fortpflanzt,  häufen  sich 
<***w  wieder  beim  Tode  des  Herzogs  1695  und  wieder,   als  der  Tcufels- 
ela.abe  aus  dem    damals   unerklärten  Vorgang   neue  Nahrung  sog,  der 
'"^15  den  Tod  dreier  Teufelsbeschwörer  in  der  Nähe  von  Jena   hcrbei- 
^öHrte.   Je  mehr  die  geschichtliche  Persönlichkeit  verblasste,  desto  leicliter 
"köpften   altvertraule   Vorstellungen    an   sie  an;  der  verhasste  Vertreter 
^*icr  ebenso  rohen  wie  abergläubischen  Soldateska  lag  dem  von  Krir^s- 
"■^ngsalen  geängstigten  Volke  näher  als  der  Faust  der  Humanislenzeit 
^^it  Recht  weist  K-  mit  Rücksicht  auf  die  verschiedene  Ausgestaltung  der 
^*5en  darauf  hin,  wie  dem  Volke  der  Humor  verloren  gegangen  war. 
v*^lichen  tieferen  Gehaltes  bar  hat  sich  die  Sage  von  Luxemburg,  gestiilrt 
^tal  Volksbücher,    Puppenspieler  und  Bänkelsänger,  bis  ins   neunzehnte 
'•■hrhundert    zu    halten    vermocht.     So    anziehend    es   ist,   der  sicheren 
*^t*hnjng  des  Verfassers  durch  dieses  Labyrinth  zu  folgen  —  gewonnen 
'^tlen  seine  Ausführungen  sicher,  wenn  er  weniger  gewissenhaft  jeden 
^*itenpfad  berücksichtigt  oder  wenigstens  nicht  vom  Leser  dasselbe  ver- 
gingt hlttc.     Die  ausgezeichnete   Aiisstaituiig   muss  als  Seltenheit   bei 
*in«n  wissenschaftlichen  Werke  rühmend  hervorgehoben  werden. 

O.  Liebe 


"ers 


112  Besprechungen. 


Franz  MOIIer.  Beltrie«  zur  Kulturseachlclitc  der  St«dt 
Detnmln.     Oemmin,  W.  Gesellius,  IW2  (102  Seiten). 

Der  Verfasser,  der  vor  einigen  Jahren  seine  .Carmina  AcadeniKa« 

und  .Carmina  Varia- —  die  beliebteseen  deutschen  Kommtrv,  Sludentcn-, 
Volks-  und  andere  Lieder  in  amnuligcr  lateinischer  Übertragung  —  dem 
Publikum  dargeboten  hatte,  und  dessen  «Vaterland*-  und  Soldatenlieder' 
in  musikalischem  Gewände  recht  weite  Verbreitung  gefunden  haben,  hat 
jetzt  in  einem  eben  erschienenen,  prächtig  ausgestatteten  und  schmucken 
Büchlein  seiner  Vateretadt  Deminin  mit  diesen  Betträgen  ein  schönes 
Denkmal  gesetzt. 

Der  Inhalt  des  Büchetcbens  ist  so  vielseitig  und  interessant,  dass 
es  schwer  ist,  aus  der  Pülle  des  Gebotenen  zu  berichten.  Nach  einer 
Einleitung  —  statt  eines  Vorwortes  folgt  ein  Nachwort  —  erzählt  der 
Verfasser  von  den  berühmten  Männern  aus  Drmmins  Vergangenheit.  Be- 
sonders lehrreich  sind  die  drei  ersten,  der  Familie  Schimmelmana  ge- 
widmeten Kapitel.  Unter  ihnen  mag  hier  an  Jacob  Schimmelmann,  der 
1777  die  erste  deutsche  Übersetzung  der  Edda  herausgab,  und  an  den 
d;\i]ischen  Finanz-  und  HandeUminister  Keinrich  Ernst  Schimmelmann 
(I7-;7— 1831)  erinnert  werden,  den  Gönner  Schillers,  der  am  27.  No- 
vember 17Q1  ein  Schreiben  an  den  kranken  und  notleidenden  Dichter 
unterzeichnete,  in  welchem  Schiller  auf  drei  Jahre  ein  Gesdienk  von 
1000  Talern  zugesichert  wurde.  Johannes  Scherr  hat  dieses  Schreiben 
mit  Recht  -eines  der  schönsten  Dokumente  der  humanen  und  welibürgei- 
lichen  Tendenzen  des  18.  Jahrhunderts"  genannt.  Jedenfalls,  sagt  Mtiller. 
hat  »die  ehrenvolle  Unterstützung  dazu  beigetragen,  dass  der  von  Krank- 
heit und  Elend  gebeugte  Dichter  Lebensmut  und  Schaffensfreudigkeit 
w.icdcr  erlangte  und  seinem  Volk  als  Qeistesheros  nun  erst  recht  un- 
sterbliche Dienste  leisten  konnte".  Die  in  dänischer  Spradie  gedruckte 
Korrespondenz  und  Tagebuchliteratur,  in  der  Namen  \rie  Schiller,  Göthe, 
Stolberg,  Madame  de  Stael,  Klopstock,  Oehlensch läger,  Haugvitz. 
C.  A.  Böttiger,  Fichte,  J.  H.  Merck.  Nicbuhr,  Baggesen,  Lavater,  Thor- 
waldsen  u.  a.  anzutreffen  sind,  zeigt,  eines  wie  grossen  Ansehens  sich 
diese  Familie  scinenett  zu  erfreuen  halte.  Darauf  folgt  eine  Lcbcns- 
skizze  von  Peier  MichaHis  (1653—1719),  der  zwar  nicht  in  Denimin  ge- 
boren ist,  aber  41  Jahne  daselbst  in  grossem  Segen  als  QeJslltcher  gewirkt 
hat  Ebenfalls  Theologe  'vzr  Joachim  Lüthemann  (1&08— lö55),  dessen 
immer  wieder  neu  aufgelegte  Andachtbücher  bis  auf  den  heutigen  Tag 
in  Gebrauch  sind;  Müilcr  nennt  ihn  unter  allen  Deramineni  der  Vorzeit 
den  geistig  bedeutendsten  und  schlägt  vor,  ihm  ii^end  ein  Ehrenzeichen, 
etwa  eine  Gedenktafel  in  der  Art,  wie  es  in  Oöttingen  für  berühmte 
Männer  und  Studenten  zu  geschehen  pflegt,  zu  stiften.  In  seinem  kurzen 
Leben  —  er  starb  im  46.  Lebensjahre  an  einem  hitzigen  Fieber  —  hat 
er  als  Schriftsteller  eine  sehr  rege  Tiltigkeil  entfaltet;  ober  diesen  Gelehrten 
iit  soeben  auch   von  anderer  Sdte   ein  ausführliches  Buch  erschienen 


Doch  es  kann  unmCglich  auf  j«ie  einzelne  Pereönlichkeil  hier  näher  ein- 
gfS^ngtn  werden;  «  folgen  Aufsätze  ähcr die  Demmmer  Familie Döli'ng; 
iitter  Atoevias  Möi&chow,  aus  de^en  Schilderungen  wir  uns  ein  Stück 
inntiHt  Demminer  Lebens  rckonstniiercn  können,  über  Alexander 
Christiani,  den  Philosophen  Demmins,  und  ßber  VaUntin  Wadrian,  den 
ält^rrn  und  Jüngf reit;  \on  dem  jüngeren  «lammt  das  Kirchenlied  »Menäcti, 
tag'  sn,  was  ist  dein  Leben?*  —  An  den  ersten  Teil  schlieft  bicti  noch 
one  grosse  Anzahl  uon  Studien,  die  den  sog.  -Castellani",  alten  Demminer 
Borgern,  den  PräpositJ  und  Arcliidiaconi,  den  Plebani  u.  s.  vi.  gewidmet 
nnd;  dann  gibt  Müller  veiter  ein  Bild  von  den  Lehrern  an  der  Grossen 
Sdiule,  spricht  femer  über  Johannes  von  Demniin  und  den  Bischof  von 
Cammin  u.  s.  w. 

Der  zweite  Teil  bringt  ein  möglichsl  vollsländigcs  Verzeichnis  der 
Studenten  aus  Demmins  Vergangenheit  mit  Veröffentlichung  der  Uni- 
versitits-Matrikein,  eine  lieissige  ZusaiiimeTistdlung,  wie  sie  wohl  nur  für 
venige  Städte  gemacht  sein  dürfte;  aus  ihr  geht  jedenfalls  hervor,  dass 
»iie  Demminer  vornehmlich  in  Grcifswald  studieren,  von  wo  aus  überhaupt 
tui  Tohltitiger  Einfluss  auf  das  geistige  und  religiöse  Leben  Demmins 
'iSECSJngeti  zu  sein  scheint. 

Doch  hier  niuss  ich  Halt  machen!  Eritinem  wir  uns  nur  noch 
(lifan.  dass  in  Demmm  Julius  Cohnheim  das  Ucht  der  Welt  erblickte, 
und  dass  Reichardt,  der  Komponist  von  »Was  ist  des  Deutschen  Valer- 
lud»,  und  Fricdricli  des  Grossen  Freund,  Hans  von  Wmtcrfeidl,  jenem 
Demminer  Bezirke  entstammten. 

In  einem  alten  Licde  heissl  es:  «Demmin  ist  emsig  und  rege!* 
i^ranz  Müller  setzt  dazu  die  Bemerkung:  «Den  Eindruck  gewinnt  man 
«llerdings  aus  der  Betraclitung  seiner  Geschichte.  Je  wilder  die  Kriegcs- 
iJörtne  es  uinlosen,  desto  ruhiger  und  friedlicher  scheint  es  im  Innern 
'*'8eg"'g<^"  i^"  sein.  Je  öfter  und  härter  Verwüstung,  Brand  und  Un- 
S^üclc  die  Bürger  heimsuchten,  desto  fleissiger  und  eifriger,  wenn  audi 
tmllich  resigniert  bis  zur  Gefühllosigkeit,  scheinen  sie  immer  wieder  an 
lice  Aufbau  der  Stadt  und  die  Heilung  der  Schäden  herangetreten  zu 
«ia.'  Bekanntlich  brannte  Demmin  l'tÜV  zum  teil,  1495  ganz  nieder, 
^weUs  1523  ersdieint  sie  wieder  als  zehnte  poinmersche  Stadt!  Doch 
■Qo,  was  zur  Geschichte  und  Kulturgeschichte  Demmins  gehört,  findet 
^  Leser  in  dem  Büchelchen,  das  ich  geradezu  a.!s  Musterbuch  in  der 
^  empfehlen  m&chte;  es  war  ein  recht  glücklicher  Gedanke,  die 
^disale  und  das  innere  Leben  Demmins  in  den  Lebensgeschichten 
^ler  berühmten  MSnner  aufzurollen.  Hoffen  wir,  dass  dieses  Buch  die- 
telbe  Pfeude  denen  macht,  die  es  lesen,  als  dem  Demminer  Kinde,  das 
**  in  dankbarer  Erinnerung  an  die  Stätte  meiner  Geburt  geschrieben  hat! 

Erich  Ebstein. 


Aidkiv  fftt  Kultaricachichte.    I. 


Meyer*  Orosse»  Konvertetions-Lexikon.  Ein  Nachschlage- 
werk des  allgemeinen  Wissens.  6.  i;änzlich  ncubesrbeitete  und  vermehTle 
Auflage.  Mit  nietir  als  11000  Abbildungen  im  Text  und  auf  über  1400 
BildertaFeln  etc.  Bd.  I.  A— Astig:matismus.  Lefpzig  und  Wien,  Biblio- 
graphisches Instiim  iy02.    (903  S.) 

Den  Beginn  einer  trefnichen  Neiibearbeitirng  dieses  hervorragenden 
Untcmchmeiis  darf   man  mit  vollem  Recht  auch  in  einer  wissenschaft- 
lichL-n  Zeilschrifl   anzeigen,     Die  Zeit,  da  der  Oefehrte  den  Vorschlag, 
über  trfierid  eine  Frage  sich  im  Konversationslexikon  Belehrung  zu  ver- 
schaffen, als  Beleidigung  seiner  werten  Person  aufgefasst  halte  (heimlidl 
tat  er's  trotzdem    oft   genug  auch  früher),  ist  vorüber,  und  wenn  er  in 
einer  Publikation  auch  nicht  das  Kon  versatt  onstexikon  zitieren  wird,  tut 
Feststellung    von   allerlei     Einzelheiten,    die    ausserhalb    seines    Faches 
li^en,    braucht    es    auch    der    Gelehrte   bei    der    Arbeit    wie    bd    der 
Lektüre  immer  häuliger.     Der   Grund    Hegt    in   der  Zuverlässigkeit  der 
Einzelheiten,    in    der  gleich  massigen    Reichhalligkeit  des   beigebrachten 
Stoffes  und  in  der  fachmäistgen  Bearbeitung  der  einzelnen  Artikel.   Man 
braucht  die  älteren  Lexika  durchaus  nicht  zu  verachten:  die  weit  geringere 
Stoffmenge,  auch  der  geringere  Trieb,  übt^  alles  nur  denkbare  Auskunft 
zu  geben,    erlaubten    damals   noch   ein  wenig  ins  Breite  zu  gelten,  und 
namentlich  in  biographischer  und  literarischer  Hinsicht  gibt  es  in  jenen 
Werken  manch  lesenswerten  Artikel.    Auch  jener  im  hergebrachten  Titel 
ausgedrückte  Charakter  des  Werkes  als  Hilfsmittel  für  die  Unterhaltung  — 
d.  h.  jene  gebildete  Unterhaltung,  wie  sie   noch  die  Mitfe  des  vorigen 
Jahrhunderts  schätzte  und  pflegte  —  ist  nun  dahin.     Freilich  die  Halb- 
bildung mag  auch  heule  noch  oft  genug  ihre  mangelhafte  Weisheit  rasch 
aus  dem    Konversationslexikon   zusammenraffen.     Aber  der   Missbrauch 
hebt  die  ernsten  und  grossen  Ziele  dieses  Unternehmens  nicht  auf.     Ein 
Werk  wie  diese  neue  umgestaltete  Auflage  des  Meyerschen  Konversations- 
lexikons  ist   wirklich   ein  Dildungsmittel    im    besten    Sinne  des  Wortes. 
Verständig  benutzt,  kann  es  z.  B.  im  gebildeten  Hause  eine  Quelle  fort- 
wahrender  Belehrung  sein.    Aber  uns  inleressierl  hier  mehr  jene  andere 
Seile,  die  auch  nach  dem  Vorwort  ausdrücklich  von  dem  Hcransgebcr 
I  erstreb:  wird:   es  will  ein  Vertrauensmann    auch  der  Gelehrtenwelt  sein. 

'  Und  als  solchen  möchten  wir  es  hier  empfehlen. 

Ein  »Nachschlagewerk  des  allgemeinen  Wissens"  muss  naturgemäss 
mit  der  Zeit  mitgehen.  So  sind  denn  auch  gegenüber  dem  historisch- 
literarischen  Charakter  der  älteren  Werke  schon  früher  die  naturwissen- 
schaftlichen und  technischen  Disziplinen  weil  mehr  in  den  Vordergrund 
getreten,  und  in  neuester  Zeit  nehmen  die  wirtschaftlichen  imri  sozialen 
Dinge  immer  grösseren  Raum  ein.  Gerade  Meyers  Werk  erfüllt  diese 
'  Aufgabe,  den  tnleressen  der  eigenen  Zeit  zu  dienen,  in  hervorragendem 

Masse,  und  jiamentlich  zeigt  das  diese  neue  Auflage.    Aber  es  bewährt 
sich   ebenso  auf  den   übrigen   Gebieten.    Besonders  wird  ein  gelehrter 


Besprechungm.  115 


Benutzer  die  in  reichlichem  Masse  g^ebenen  Literatumacbweise  begrfissen, 
die  in  der  vorliegenden  Auflage  bis  auf  die  neueste  Zeit  —  natürlich  in 
gfigd>ener  Auswahl  —  fortgeführt  sind.  —  Trotz  der  «strebten  Kürze  er- 
weitem sich  nundie  Artikel,  ihrer  stofflichen  Bedeutung  entsprechend, 
zu  handbuchartigen  Orientierungen.  Gerade  der  erste  Band  ist  daran 
rdch  —  idi  enribne  Artikel  wie  Afrika,  Ägypten,  Amerika,  Asien, 
Architektur,  jene  durch  Karten,  ethnographische  Farbentafeln  u.  s.  w., 
letzterer  durch  12  Tafeln  mit  Baudenkmälern  trefflich  erläutert.  Oberhaupt 
bildet  die  in  der  neuen  Auflage  wieder  vermehrte  Ausstattung  mit  Bildern 
und  Karten  dnen  besonderen  Vorzug  des  Mcyersdien  Unternehmens; 
nä)en  der  durchweg  erstrebten  Zweckdienlichkeit  derselben  ist  die  vor- 
zügliche Art  der  Reproduktion  besonders  zu  toben. 

Qeorg  Steinitausen. 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 

In  der  «Zeitschrift  für  SozialTissensdiaff.  Jahrg.  IV,  Heft  II  und 
12  veröftentlicht  Ric/t:  Thamwatd  einen  trotz  seiner  Kürze  twmerkens- 
werten  Versuch  über  «Staat  und  Wirtschaft  im  alten  Ägypten«. 
Ganz  richtig  twtont  er,  dass  die  Gesetlschaflsw-issenscliatt  bei  den  Völkern 
unseres  engeren  KuUurkreises  nicht  stehen  bleiben  darf.  Cerade  Äg>-pten 
bietet  uns  aber  die  Reste  eines  gewaltigen  sozialen  Oebäud«,  des  ältesten 
uns  bekannten  grossen  Reiches  auf  Erden.  Die  Ergebnisse  sind  in  ütwr- 
sichtlicher  Weise  zusamntengcslelll. 

Wohl  als  Ausschnitt  aus  einem  grösseren  Werk  darf  dct  kurze 
Aufsatz  von/.  Belock:  «BiJdung  und  Bildungsstätten  im  helle- 
nistischen Alterlmii"  in  der  , Zeitschrift  für  Sozialwissenscliaft"  IV, 
Heft  S  angesehen  verxlen,  doch  verdient  derselbe  alle  Beaditung. 

In  SchmoHere  .Jahrbuch  für  Gesetzgebung  u.  s.  v."  26,  4  gibt  Kttrt 
Brrysig  eine  kurze  Enlwickdung  der  europäischen  Geschichte  im  Hinblick 
auf  das  ProbEem,  das  auch  seine  grosse  »Kulturgeschichte  der  Neuzeit" 
beherrschl.  närnüch  auf  das  Verhältnis  von  Persönlichkeit  und  Gesamt- 
heit {fleh  und  Welt  in  der  Geschichte").  Brey&ig  «ininit  dieses 
Verh2lltiis  als  überhaupt  wichUgstei  im  geschichtlichen  Verlauf  an;  er 
findet  den  Ausdnick  einer  von  ihm  als  notwendig  erachteten  letzt«! 
fonneUuflen  und  wenn  möglich  gcselzmlssigen  Vereinheitlichung  in  irei 
WurzclerschdnunKen,  in  nrei  OefOhlskräftcn  der  Seele,  eben  dem  Ge- 
rn einschaftstrieb  und  Persönlichkeitsdrang.  Wie  er  diese  Kräfte  wirken 
lässt,  wie  er  den  Verlauf  der  europäischen  Geschichte  auf  ein  everschiedcn 
beschleunigtes,  audi  woh!  verschieden  starkes,  in  der  Richtung  aber  völh'g 
stetiges  Auf  und  Nieder  zwischen  stolzer  Erhebung  und  rückhaltloser  Hin- 
nabe  des  Ichs"  zurückniführcn  sucht,  muss  itn  einzelnen  gelesen  werden. 
Man  wird  diesen  «Versuch  einer  gesclhichaf  Iswissenschaftlichen  Deutung  der 
curopäischeu  Geschichte",  wie  fibcrhau[>tdic  Arbeiten  Bre>-sigS,  doch  recht 
ernst  nehmen  müssen.  Das  Verhältnis  von  Individuum  und  Gesamtlicit  hat 
übrigens  auch  Gustav  Freytaft  immer  lebhaft  bcsdiüligl  (vergl.  darüber 
Stdnhausen  in  .Neue  Jahrbücher  für  das  klass.  Altertum,  Gesch.  etc.  18^8, 
S.448  ff.  BcziiglichgewaltigcrEinretmenschenstelltBrcysigdicAufgabege- 
wiss  richtig  so:  »zurret  die  ungeheure  Summe  von  Erbgul  und  Allgemein- 
gölligkeit.  von  Art  und  Gattung,  die  in  jedem  grössteii  und  um  so  mehr 
noch  in  den  Männern  der  zweiten  und  dritten  Reihe  wirksam  ist,  aitszu- 
schddcn",  erst  nach  dieser  Herstellung  von  Allgemeingrdttg keilen  (sie  isl 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


117 


n 


unseres  Erachictts  das  noch  immer  zu  weniß  beackerte  Hauplarbeilsgebiet 
eben  der  Kulturgeschichte)  ist  zur  Erkenntnis  des  wahrhaft  eigentümlichen 
der  Heiden  vonriischreilen,  des  -höchst  persönlichen  Rests,  der  die  feinste 
Blume  der  Mensclilithkeit,  ilen  zartesten,  flüchticttcn  und  doch  aroraa* 
ttschsten  Duft  des  Einzel-Ichs  ausmacht." 

Die  Frage,  ob  von  Asien,  überhaupl  von  der  alten  Welt  aus  die 
nierlcwürdigen  Kulturen  Mittelamerikas  beeinllusst  sind,  wird  in  einem 
j\iifsatz  von  £rf,  Selfr,  -Ober  den  Ursprung  der  millelaraerika- 
nischen  Kulturen",  Zeitschrift  für  Ethnologie  1902,  6  (vgl.  auch  Zcil- 
echrift  der  Oesclischafl  für  Erdkunde  1902.  6)  in  negativem  Sinne  be- 
antworte!, auch  ein  besonderes  Alter  dereelben  bestritten.  Die  Träijcr 
dieser  Kulturen  sollen  nach  S.  die  mexikanischen  Toltekcn  sein. 

Kurz  enrähnl  sei  ein  Aufsatz  von  F.  ßaisson,  oL'inÜuence  du 
^hristlanisme  sur  la  croyance  aux  miracles-  (Bulletin  des  sciences 
^conomiques  et  sociales  du  comit^  des  Iravauic  histor.     1901). 

Mit  Vergnijgen  «e'seti  wir  darauf  hin,  dass  in  den  Jahresberichten 
cJ«r  Oe«diichtswissenschaft"  jetzt  auch  ein  besonderes  Keferat  über 
»Deutsche  KullurgeschLchte"  eingerichtet  ist,  das  sich  auch  nicht 
nur  auf  das  Berichtsjahr  19'JO  erstreckt,  sondern  auch  auf  die  wichtigsten 
Erscheinungen  der  Jahre  1898  und  ISW.  Mit  der  Art  und  Weise,  wie 
sieh  der  Reierent  /?firffl// ^'<*/?srA*<?  seiner  Aufgabe  entledip[t,  können  wir 
uns  durchaus  einverstanden  erklären.  Auch  darf  die  Reichhaltigkeit  der 
Nachweise  lobend  anerkannt  werden. 

Von  Kari  I ampreehts    Deutscher  Oescliichtc  liegt  der  1.  Band 

^*crcits  in  3.  durchgeseltener  Auflage  vor  (Berlin,  R.  Oaertncr).    Die  von 

^hm  angenommenen  Kulturzeitall  er  treten  jetzt  auch  äusserlich  auf  dem 

ritel   hervor,   der    noch    den    Zusatz:     .Erste    Abteilung:    ürzeil    und 

"^'ttelallcr.    Zeitalter    des  symbolischen,    typischen    und    konventionellen 

^*dcnlebens"  trägt.  Auch  die  Vorrede  geht  auf  des  Verfassers  bekannte 

^ulfnwting   näher    ein.     Die    darauffolgende    Zusammcnstrllung  der  im 

^"schluss  an  Lamprechls  Werk  erschienenen  IJicratur  nimmt  übrigens 

■•manches   mit  Unrecht   in  Besdilag.    So  hat  Steinhausens    Aufsalz  über 

'''*ytag,  Burckhardl,  Riehl  gar  nicht  die  Absitht,  diese  Dinge  zu  berühren 

**nd  Ist  vielmehr  bemüht,  die  Verdienste  der  heule  oft  vornclim  ignorierten 

ötenen  Kullurhislorikcr  ins  rechte  Licht  zu  stellen.  —  Auf  den  Crgänzunjis 

"•nd  der  Deutschen  Oeschichle,  der  sich  die  Gegenwart  zum  Vorwurf 

Wioramen  hat,  wird  in  einer  Besprechung  ausführlicher  zu  kommen  sein. 

Über  die  gUnzcnd  verlaufene  Feier  des  SOjährigen  Bestehens 

fies   Germanischen     Nationalmuseums,    dieses  für   die    deutsche 

Kulturgeschichte  so  wichtigen  und   um  sie  so  verdienten    Instituts  wird 

m  N'o.  2  des  Anzeigers  d«  Museums  ausführlich   berichtet.    Zur  Feier 

*ll»t  ist  eine  trefflich  geschriebene  und   prächtig    ausgestattete    Fest- 

ichrift  von  dem  Konservator  des  Museums  Th.  Hampe  erschienen:  .Das 


F 


118  Kleine  Mitldlungtn  und  Referate. 


Oemianische  Natfonalmiiseum  von  I852  bis  1902"  (Leipzig,  J.  j.  Weber). 
Sic  wird  alle  Fieunde  des  Museums  lebhaft  interessieren  und  ihm  hoffenl- 
Jich  zu  den  alten  viele  neue  Freunde  errerben. 

Keclit  ansprechend  ist  die  als  Sonderdruck  aus  der  Beilage  zur 
Allgemeinen  Zeitung  No.  232J4  erschienene  Einldlunj;  zu  einem  kultur- 
gcKhichllich  grundierten  Vorlesungskursus  von  Aibreckt  Stauffer:  ,Die 
Wiedergeburt  des  deutschen  Volkes.  Eine  Einleitung  in  die 
deutsche  Gcsdiichte",  die  in  dncm  raschen  Oberblick  die  entscheidenden 
Momente  der  deutschen  Entwickelung  gut  hervorhebt. 

Der  15.  Jahrgang  der  uMansfelder  Blätter",  herausgegeben  von 
Herrn.  ÖrSssler,  enihilt  auch  mancherlei  kullurgeschichlliche  Mitieilutigen. 
So  kommt  dafür  die  Fortsetzung  des  Aufsatzes  von  M.  Könnecfce:  .Die 
evangelischen  Kirchen  Visitationen  des  lö.  Jahrhunderts  in  der  Grafschaft 
Mansfeld-  mehrfach  in  Betracht.  Der  Beitrag  von  H.  Grössler:  .Poetisch 
gestimmte  Seifensieder",  der  eine  Reihe  von  Denksprüdien  enthält,  die 
zuwandernde  Gesellen  in  das  Eislebencr  Gescllenbuch  zu  Anfang  des 
19.  Jahrhunderts  eintriij^en,  zeigt  (ebenso  wie  z.  B.  der  Stil  der  Staram- 
bficher,  auch  der  Zxitungsanzeigen  u.s.«.),  wie  die  literarisch-philosophische 
Strömung  der  Zelt  selbst  bei  den  nrederai  Ständen  abfärbt.  Erwähnt 
seien  noch  kleinere  Beiträge  von  H.  Grössler  über  ältere  Funde  und  über 
sechs  Messingdosen,  von  K.  Kuntze  über  allerlei  aus  Burgscheidungen, 
die  Mitteilung  eines  füi&tEichcu  Frauenbnefes  von  1570,  von  Haus- 
inschriftcn  und  so  fort. 

Die  »Beiträge  zur  Geschichte  Dortmunds  und  der  Graf- 
schaft MarJc"  cnlhalteii  in  ihrem  neuesten  (11.}  Heft  einiges  kultur- 
gcschtditlich  Intere^ierende,  su:  Das  Buch  der  Dortmunder  Junckiierren- 
gesellschalt  von  H.  ftelherl;  Amtliche  Nachrichl  über  den  Zustand  der 
Grafschalt  Mark  1770/1  von  K.  Rfibel;  Agrarisches  vom  HeUwege  und 
aus  der  Grafschaft  Mark  (Wcistümcr  etc.)  von  demselben,  u.  a. 

Aus  der  »Zeitschrift  des  Vereins  für  Geschichte  und 
Altertum  Schlesiens"  Bd.  36,  1.  Heft  seien  folgende  Aufsätze  ver- 
zeichnet: W.  Schulte,  Zur  Geschichte  des  mittelalterlichen  Schulwesens 
in  Breslau;  Max  Hippe,  Aus  dem  Tagebuchc  eines  Breslaucr  Schul- 
mannes im  17.  Jahrhundert;    Feil,  Brcslauer  Kausernamen. 

Aus  dem  77.  Band  des  »Neuen  Lausllzlschen  Magazins-  er- 
wähnen wir:  A.  Jechl,  Der  älteste  Über  vocationum  der  Stadt  Görlitz 
von  etwa  1390— UM;  Th.  Stock,  Frmfzchci  Schöppenböcher  aus  dem 
Kreise  Rothenburg;  Müller,  Beiträge  zur  Geschichte  der  SüdJausitzcr 
Schul  Verwaltung  im  19.  Jahrhundert;  H.  Knotlie,  Die  ObcrlaustCzer  auf 
der  Universität  Leipzig  von  M20— 1550;  P.  Arras,  Die  Bekenntnisse  des 
Jahres  1430  aus  dem  Baulzrncr  Gerichtsbuche  von  U30;  W.  v.  BöIlicUer, 
Hausrat  und  BiblLolhck  eines  oberlausitzischen  Geistlichen  zu  Ende  des 
16.  Jahrhunderts. 


I 


In  den  Beilagen  zu  den  Jahresberichten  der  Karlsruher  Realschule 
1S98,   I90O,   1901   hat  Ptt.  Pfefffr  .Beiträge  zur  Kenntnis  des  all- 
f  ranzösischen    Volkslebens-     meist    aufgrund    der  Fabliaux    ver- 
■^iffcntlicht,  die  sich  vor  allem  auf  die  nicht  höfischen  Kreise  riditen.    Die 
v%.rbcit  beschränltt  sich  daraiiT,  das  gewonnene  Material  nach  den  bezeich- 
neten Quellen,   die  sehr  sorgsam  und  flctssig  daraufhin  durchgearbeitet 
sind,  aufzuführen,  der  Verfasser  ist  über  auch  in  eine  kritische  PrQfung 
<larüber   eingetreten,    ob  die  betreffenden    Quellenslellen    durchweg;  für 
die  Zustände  beweiskräftig  sind.  Doch  betont  er,  dass  ..trotz  starker  Ober- 
Ueibungen-  die  Fabliaux  im  Kern  eine  wahre  Fundgrube  fflr  die  Kennt- 
nis des  realen  Lebens  bilden.    Der  1.  Teil  handelt  wesentlich  von  dem 
Glaubcnsleben  der  Zeit,  aber  auch  von  dem  lockeren  sittlichen  Leben 

Kder  Geistlichen,  der  zweite  noch  näher  von  der  Sitton  losig  keil  der  Zeit, 
Ton  den  Frauen  und  der  Schönheit  sowie  von  Ernehung  und  Bildung, 
ier  dritte  von  den  Fahrenden,  von  Bauern  und  Btärgern,  vom  häuslichen 
yben,  Essen,  Trinken  u.  s.  w.,  kurz  vom  Alltagsleben,  im  wesentlichen 
»erden  uns  freilich  Schattenseiten  dra-  Zeil  zum  Bewusstsetn  «ebrachL 
Sehr  verdienstlich  ist  die  Übersetzung,  die  Rieh.  Paileskt  von  dem 
Aufsatz  Valtyr  Gadmundsson's:  «Die  Fortschritte  Island«;  im  19. 
Jahrhundert"  in  der  Beilage  zum  31.  Jahresbericht  des  Katlowilzer 
Gymnasiums  (!<J02)  gegeben  hat.  Trotzdem  gerade  die  deutsche  Literatur 
an  aufklärenden  Schriften  über  Island  besonders  reich  ist,  kann  die  nähere 
Kenntnis  dieser  Schrift  nur  erwünscht  sein.  Denn  wir  werden  hier  in 
knapper  und  klarer  Form  über  den  grossen  Kultnrwandel,  der  sich  während 
des  neunzehnten  Jahrhunderts  in  Island  vollzt^en  hat  und  der  nach  dem 
VerfasBa-  im  wcscnlüchcn  erat  eingetreten  ist,  seitdem  Island  Verfassung, 
gesetzgebende  Gewalt  itnd  selbständige  Verwaltung  der  Finanzen  besitzt, 
vortrefflich  orientiert.  Am  kiJn'-csicn  ist  der  Abschnitt  über  die  Lebens- 
weise des  Volkes  behandelt,  am  interessantesten  ist  der  Wandel  auf  dem 
Gebiete  des  Verkehrswesens,  so  unvollkommen  dasselbe  auch  jetzt  noch  ist. 

In  der  Beilage  zur  .Allgemeinen  Zeitung"  No.  238  veröffentlicht 
Osk.  Brenner  einen  bemerkenswerten  Vortrag  Ober  .Aufgaben  der 
Volkskunde",  der  von  der  Stellung  der  Volkskunde  als  selbständiger 
Wissenschaft  ausgeht.  Wir  billigen  indessen  ebensowenig  wie  bei  dem 
neulich  erechieneiien  Büchlein  von  E.  Hoffmann-Krayer,  Die  Volkskunde 
ihWi!8enschaft,dieAuff.issnn2deiVerfassersvondcmVcrhäUnisse7.urKultur- 
gtscbichte.  Brenner  geht  sojjar  viel  weiter  ais  Hoffmann-Krayer,  indem 
n  die  Hauptaufgabe  der  Kultui^esdiichte  einfach  für  die  Volkskunde, 
die  unserer  Ansicht  nach  nichts  als  ein  Zweig  der  Kulturgeschichte  ist, 
in  Bracbing  nimmt.  Denn  als  .nächste-  Aufgabe  derselben  stellt  er  hin, 
•die  Äusserungen  der  Volteseele  im  Wandel  der  Zeiten  geschichtlich  und 
kriUsdi  ZM  verfolgen",  eine  Aufgabe,  die  schon  Burckhardt  wie  FreyUg 
»IC  Riefal  als  das  letzte  Ziel  eben  der  Kultui^eschichte  betrachtet  haben; 


I 


ludi  Lampr«ht  definfert  mit  seiner  Geschichte  der  sozialpsychischen 
Entvicklungsfaktoren  nicht  wesentlich  anders.  Kulturgeschichte  nur  als 
Geschichte  der  (.im  ganzen  unvolkstämlichen)  .höheren'  Kultur  zu  fassen, 
geht  nicht  a^n. 

Im  «Olobus"  |82  No,  7)  behandelt  Ritschif  die  .Zwerge  in  Ge- 
schichte und  Überlieferung".  Einen  veileren  Ekitrag  zur  Oescbichte 
des  Volksglaubens  liefert  W.  Srhläter  in  der  „Baltischen  Monatsschrift- 
{42,  II,):    wDic  Tierweit  in  Glauben,  Sitte  und  Sprache*. 

Den  äussedich  antikirchlidien  2ug  der  mittelalterlichen  Städte  be- 
handelt G.  Z-fcÄ^inden  »Neuen  Jahrbüchern  für  das  klassische  AÜertum,  Ge- 
schichte u.  s.  w."  VII,  I.  S.  214  ff.  in  einer  quellen  massigen,  aber  nur 
kurzen  Studie:  Die  Städte  des  Mittelalters  und  die  Kirche-. 
tr  betont  vor  allem  die  wirtschaftlichen  und  sozialen  Gründe  des  Gegen- 
satzes zwischen  den  Ansprüchen  der  Kirche  und  der  in  ganz  neue  Bahnen 
einmündenden  städtischen  Entwickhing. 

L.  Keiiers  Aufsatz:  Graf  Albrecht  Wolfgang  von  Schaum- 
hurg-Lippe  und  die  Anfänge  des  Maurerbundes  in  England, 
Holland  und  Deutschland  (Vorträge  und  Aufsätze  ans  derComenius- 
gesellschaft  IX,  3;  Berlin,  R.  Oaertner)  entreissl  das  Andenken  an  dnen 
sehr  bedeutenden  Fürsten  des  IS.  Jahrhunderts,  der  auch  tief  in  d,e 
deutsche  Geistesgeschichte  eingegriffen  hat,  der  Vergessenheit.  Die  Ab- 
handlung ist  aber  nanienilich  f£ir  die  Geschichte  der  Anfänge  der  Frei- 
maitrerbünde  und  die  Erkenntnis  ihrer  von  Keller  schon  wiederholt  ins 
Licht  gestellten  merkwürdigen  Zu&amnienhänge  mit  älteren  Sozietät^ 
bildungen  wichtig. 

Aus  den  ersten  drei  Heften  des  12.  Jahrganges  der  »Mitteilungen 
derGesellschaflfürdeutscheErzichungs- und  Schulgeschichte* 
(Hessen-,  Anhalt-,  Mecklenburg  lieft)  erwähnen  wir:  Zur  Geschichte  des 
Unterrichts  in  den  hcssen-darra stadtischen  deutschen  Schulen  zur  Zeit 
der  Landgrafen  Ludwig  VI.  und  Ernst  Ludwig  [1601 — 1739),  von  Wilhelm 
Dichl;  Vier  pädagogische  Empfehlungsbriefe  aus  dem  16.  Jahrhundert, 
von  Bernhard  Sdiädel;  Die  Deina- Kämpfe,  ein  Streit  um  das  Qiessener 
Gymnasium  in  der  beginnenden  Aufklaningszeit  17li9,  von  Ludwig  Schädel 
(Deina  war  die  Pseudonyme  Unterschrift  eines  gegen  jen«  Gymnasium 
gerichteten  Anklageschreibens);  Die  Merilenbücher  und  Meritentafeln  des 
Philanthropinums  zu  D^sau,  von  Lorenz;  Adolf  Werner  und  die  gym- 
nastische Akademie  zu  Dessau,  von  Enisl  Wickenhagen;  Der  akademische 
Geschichtsunterricht  im  Reformationszeitalter,  mit  besonderer  F-fucksicht 
auf  David  Chylraeus  in  Rostock,  von  O.  Kohfeldt  (aufgrund  eines 
Kollegheftes);  Geschichte  des  Schulwesens  derStadtiMalchow,  von  H.SehnelL 

Zur  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  trägt  ferner  eine 
Reihe  Leipziger  Dissertationen  bei:  J.  F.  Besster,  Unterricht  und  Übung 
in  der  Religion  am  f^ilanthropin  zu  Dessau;  H.  R.  E.  Möckel,  Die  Ent- 


* 


rklung  des  Vol («Schulwesens  i,  d.  ehern,  Diözes«  Zwickau  v,  Mitte  d. 

1S_     Jjhrh.   bis  1835;     C.  Müklmann,   Bedeulen   die    Bugenhagen 'sehen 

Scrlnulordnungcn  gegenfiber  dem  Unterricht  der  Visitaloren  an  die  Pfarr- 

he:r-Teti   im    Kurfürsten  tum    Sachsen  einen    Fortschritt?    B.  Puchta,   Das 

S€r>*ulwcscn  der  Leipziger  Landgemeinden  im   16.  und  17.  Jahrh.;  H.  Rfiti' 

'*».**,  Der  Wechsel  der  Anschauungen  über  S(of(  und  Form  der  sitttidien 

Uxiterweisung   bis  zum    Ende  des   18.  Jahrh.   unter  dem  Einflüsse  der 

^«=lttigsien  Wandlungen  und  Forlschrilte  auf  religiösem  und  moralischem 

^J^bietc;    W.  Rage,  Die  Blütezeit  der  deutschen  Schulen  Lübecks  in  der 

|2.     ÜiUted.  16.  jahrli. 

Fleissig  und  gründhclt  nach  archivaÜschen  QueUen  gearbeitet  sind 
*^"  .Lebensskizzen  der  Ijeiirer  des  Kgl.  Domgymnasiiims  zu  Magdeburg" 
'  C  1  «75—1700)  von  Oito  Laeger  (Magdeburg  19<'2),  die  in  einigen  Einzel- 
"*■«  ten  auch  spezielles  kullurgeschichtliches  Interesse  haben. 


» 


Mehr  sillen-  als  ttildurjßsgeschichtlich  interessant  ist  der  hübsclie 
^**Fatz  von  Wilhelm  Martin  lieeker,  Oiessener  Studentenlum  in 
*'^»-  Frühzeit  der  Universität  [IbOS— 1624]  (Mitteilungen  des  Obcr- 
''^^^«ischen  Qeschichtsvereins  XI).  Aufgrund  der  Akten  des  Universltäls- 
"■"^^iiivs  und  des  Darmslädf.  Staatsarchivs  wird  das  studentische  Leben  und 
'*~^jben  ira  einzelnen  geschildert:  das  Bild,  das  man  nach  den  bisherigen 
i^^cs-stellungen  von  den  damaligen  studentischen  ausländen  hat,  wird  im  a!l- 
8^*"»ieinfn  bestätigt.  Mit  Recht  betont  aber  der  Verfasser,  dass  man  die 
''^^■«neine  Entwickhing  nicht  für  jede  einzelne  Universität  voratissetzen 
"**~ff,  dass  ferner  meist  die  guten  Seiten,  das  Arbeiten,  vor  den  in  Akteit 
fe^t^legtcn  schlimmen  Zügen  übersehen  werden. 

Die   pTDgrammabhandlung  von  Hubert  Frrund:  Aus  der  deut- 

'Cr>icn  Gesellschaft  des  18.  Jahrhunderts  (Berlin.  R.  Gaertner)  gibt 

*^'fi™nd  eines  Stammbuches  uon  Johann  Heinrich  Soernians  aus  Daiiiiji 

ai»^  den  70er  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  einen  Eiitblick  in  die  Gelehrten- 

"■■«It   jener  Tage.     Denn    das  Stammbuch    ist  auf   einer   jener  gelehrten 

'^*iscn  geführt,  die  damals  als  höchst  M-ichlige  Bi!dunES-(uiid  Forlkommens-) 

"•ittel  galten.    Die  bekannten  oder  kulturgeschichtlich  wichtigen  Personen. 

■**«  sich  in  das  Stammbuch  eingezeichnet  haben,  werden  uns  vom  Ver- 

*»saer  näher  gebracht,  aus  Oöttingeti  Walch,   O.  U  Böhmer,  Schtözer, 

^^tterer,    Kästner.   Heyne,    Pütler  u.  a.,   aus    Halle  Semler,  Schütz,  aus 

I^^^sau  Basedow,  aus  Wittenberg  Schröckh.   aus  Leipzig  Chr.  F.  Weisse, 

^hme,  Schwabe,  Clodius,  J.  J.  Engel  u.  s.  w.  u.  s.  w. 

Aus  den  «Magdeburger  OeschichtsbUHem"  erwähnen  wir  einen 
Msatz  von  O.  Liebf,  Ein  Hailischer  Bürgerhaushalt  1548,  der 
*ich  auf  das  Testament  eines  Schoppen  Jakob  Wahl  gründet  und  nicht 
Wir  Wirtschaft*-,  sondern  auch  sitlengeschichtliche  Züge  enthält.  Liebe 
vcrtteht  die  trockenen  äusseren  Anführungen  gut  für  dos  innere  Leben 


( 


zu  verwerten.  Aus  ctvas  früherer  Zeil  (1483)  stammt  das  Nachtass- 
Inveiitar  der  Wilwe  Dorothea  Winter,  das  H,  Hetnvagen  unter  dem  Titel 
nAiis  einem  Nürnberger  Bürg  er  hause  zu  Ausgang  des  15.  Jahr- 
hunderts" im  Anzeiger  des  Germanischen  Museums  1902,  I  veröffentlicht, 

Dereclbe  Anzeiger  enthalt  mehrfach  Beiträge  zur  Geschichte  des 
Hausrats,  der  Geräte  und  Möbel.  In  No.  II  beginnt  H.  Sttgmann  eine 
gründliche  Abhandlung  über  ^die  Holzmöbel  des  Germanischen 
Museums",  in  No.  Hl  ichliesst  O.  iflö^fr  seine  ausführlichen  sltertum*« 
Icundlichen  Beiträge  über  MKcrd  und  Herd  gerate  in  den  Nümbergischen 
Küchen  der  Vorzeit",  die  sich  übrigens  keineswegs  nur  auf  Nürnberger 
ValiiltiiJsse  beschrinkeu;  ia  Heft  I  setzt  M.  Wingenroth  frühere  Studien 
über  »Kachelöfen  und  Ofenkacheln  des  16.,  17.  und  18.  Jahr- 
hunderts" fort 

tm  «Archivio  storico  Italiano"  1902,  2  setzt  Cl.  Lapt  se\ne  griind- 
iiche  Abhandlung  über  das  mittelalterliche  Haus  in  Piäa  (La  cas2  pisana 
c  i  SHoi  annessi  nel  mcdio  cvo}  fort. 

Zur  Geschichte  der  Tracht  und  Bewaffnung  trägt  ein  Aufsatz  von 
C  Barrihre- Flavy,  Le  costume  et  t'armement  du  Wisigoth  aus 
5'-et  6'-  iiccles  (Revue  des  Pyrcnees  14)  bei. 

G.  Liebf  gibt  in  der  «Zeitschrift  für  histonKhe  Waffenkunde-  If,  9 
eine  historische  Skizze  über  «Das  Recht  des  Waffentragens  in 
Deutschland",  das  sich  sdihesslich  nur  als  Vorrecht  der  oberen 
Stände  hieit. 

Der  Aufsalz  von  C.  G.Roland,  Le  castor  dans  Ia  toponymie 
^Aimales  du  ccrcte  archfologiquc  d'Enghien  VI,  1/2)  behandelt  die  Rolle 
des  Bibers  in  der  Benennung  belgischer  Wasserläufe  und  U'ohnorte. 

Eine  höchst  gründliche  Unlereuchung  veröffentlich l  Rob.  Omä- 
mann  in  den  «Württembergi&chen  Jahrbüchern  für  Statistik  und  Landes- 
kunde" Jahrg.  IQOl  über  „den  Dinkel  und  die  Alemannen*.  Da$ 
schon  von  bingetlial  behauptete  Zusammenfallen  des  Dinkelgebiets  mit 
dem  alten  Wohngebiet  de  schwaibisch-aleuiannischen  Stammes  wird  von 
ihm  durch  eingehendste  sprachliche,  geographische  und  historische  Fest- 
stellungen einleuchtend  erwiesen.  Der  Dinkel  ist  die  in  einem  bestmimten 
Gebiet  des  Südwestens  und  der  Schweiz  heute  wie  schon  im  Miit^ilalier 
übenriegendc  Brotfnicht,  auch  nicht  erst  von  den  Römern  eingeführt.  »Der 
wahrscheinliche  Verlauf  ist  vielmehr  der,  dass  diese  Oelreideart  ebenso 
wie  Roggen  und  Hafer  zuerst  von  nordalpinen  Itcllischen  und  germanischen 
Völkern  in  Kultur  genommen  und  erst  durch  die  Germanen  auch  den 
Römern  bekannt  geworden  ist  und  dass  speziell  in  Süddeittschland  und 
der  Schweiz  der  Dinkelbau  mit  den  Alemannen  eingewandert  ist,  sich  mit 
ihnen  weitcrverbrcilct  und  seither  innerhalb  ihre$  Stammgcbietes  dauernd 
behauptet  hat.' 


Kleine  Mitteilungen  und  Referile. 


123 


Zur  Geschichte  der  Gewerbe  sind  einige  Beitrage  für  die 
neuere  Zeit  211  erwähnen,  so  der  Aufsatz  von  F.  Dumas,  Ls&  corporations 
de  m^tiers  de  !a  \Hl!e  de  Toulouse  au  XVIII«  s.  lAnnales  du  Midi  12) 
und  der  von  O.  Merx,  Der  Aufstand  d«r  Handwerksgesellen  auf  der 
Oartlage  bei  Osnabrück  am  13.  Juli  ISOl  (Mitteilungen  des  Ver.  (.  Qesch. 
u.  Landcsk.  zu  Osnabrück,  20).  Doch  ist  der  letztere  mehr  ein  EJeitrag 
lUT  Lokalgeschi chle  Osnabrücks  (nach  gerichtlichen  Untersuchungsakten). 
Es  handelt  stcli  um  einen  gefährlichen  Twmiill,  der  aus  der  Frage  ent- 
itantJ,  ob  die  Schnhmachergesellcn  mit  offenem  oder  zugeknöpftem  Rock 
vor  ihrer  Gescllenlade  cischeinen  durften.  Für  den  Geist  der  Gesellen 
vic  der  Zeil  überhaupt  ist  aber  der  Verlauf  desselben  sehr  charakteristisch, 
und    mit  Recht  bezeichnet  M.  seine  Arbeit  als  «kulturhistorisch". 

Zur  Geschichte  des  Handels  und  Verkehrs  tragen  E.  R. 
öaertWf  (Verkehr  und  Verkehrswege  zwischen  Nord&ce  und  Ostsee  vom 
13-—  16.  Jahrijundert  in  «Der Lotse*  2,  34.),  C.  Faalhaber  (Über  Handel 
i^wl  C3cwerbc  der  beiden  Si.idte  Brandenburg  im  14.  und  IS.  Jahrhundert 
im  32,3.  Jahresbericht  des  Historischen  Vereins  lu  Brandenburg  a.  H.) 
"Od  v4.  Schulte  {Zur  Geschichte  der  Ravensbuiger  Gesellschaft  in  den 
^ürttemb.  Vierteljahrsheften  für  Undcsgcschichle  N.  F.  11  '/,)  bei. 
In  d«;  letztgenannten  Zeitschrift  beschliesst  auch  Haebter  seine  Unter- 
suchung iiber  .Das  Zollbuch  der  Deutschen  in  Barcelona  (1425-1440) 
und  Ocn  deutschen  Handel  mit  Catalonien".  Nicht  unwichtig  ist  der 
Beitrag  von  C.  Portal  im  Bulletin  historiquc  cl  phUol.  1901 :  Le  livre- 
journal  de  Jean  Sa^al,   marchand  drapier   ä  Carcassonne  (1340—1341). 


\ 


Bibliographisches. 


y.  Qoläfriedrich,  Die  histor.  Ideenlehre  in  Deutschland.    Ein  Betlrae 

2.  Gesch.  d-  Geisleswissciischaden,  vomehml.  d.  Oeschichtswiss.  u.  ihrer 
Methoden,  im  18.  u.  19.  Jahrh.  Berlin.  (XXII,  544  S.)  —  Helnea,  Wie 
lässt  sich  für  die  kulturhistorischen  Unlerweisungeti  im  Ocschichtsuntemcht 
der  m'ilige  Raum  gewiiinen?  Piogr.  Saarlouis  (14  S.).  —  W.  Geiger,  Die 
kulHirgeschichlLEiedeutuiig  des  indischen  Altertums.  Rede.  Erlangen.(22S.) 
~  F.  DeUtisch,  Babel  und  Bibel.  Ein  VortraR.  Leipzig.  1902,  <52  S.)  — 
E.  König,  Bibel  imd  Babel.  Eine  kuItiirRcsch.  Skizze.  Berlin.  (51  S.)  - 
N.  Winckler,  Die  babylonische  Kultur  in  Ihren  Beziehungen  zur  unsrigen. 
Leipzig;.  (54  S.)  -  O.  Jacob,  Östl.  Kulturelemente  im  Abendland. 
Berlin.  (24  S.)  —  E.  v.  DobschÜiz,  Die  urchristlichen  Gemeinden. 
Stftengeschichtl.  Bilder.  Leipzig.  (XIV,  300  S.)  —  J.  Asbach,  Zur 
Oeschiclite  und  Kultur  der  römischen  Rhtinlande.  Berlin.  (VII,  68  S.)  — 
CA.  r>iehl,  Justinien  et  la  rivilisalion  byzatitine  au  6*  siecle.  Paris. 
(XL,  696  p.) — C.  Roessler,  Les  induenc«  celtiquesavantelapr^Colomban. 
Paris.  (108  p.)  —   K  Lamprecht,  Deutsche  Geschichte  1.  Abt.    1.    Bd. 

3.  Aufl.  Berlin.  {XXXV.  368  S.)  -  H.  Boos,  Gesch.  d.  rheinisch. 
Städtekultur.  4.  (Schluss-l  Bd.  2.  Ausg.  Berlin.  (VIII,  741  S.)  — 
J.Joestm,   Kwlturbilder  aus  dem  Rheinlande.    Beiträge  z.  Gesch.  d.  geist. 

u.  sozisL  BeW'Cgungen  d.  IS.  u.  19.  Jahrh.  am  Rhein.  Bonn.  (X,  303  5.) 
—  H.  Freund,  Aus  d.  deutsch.  Gesellsch.  d.  18.  Jahrh.  Nach  Stamm- 
buchblättern.  Berlin.  (54  S.)  —  Tk.  Hampt,  Das  German.  NatJonal- 
museum  von  1852  bis  1902.  Festschrift.  Leipzig.  (150  S.  23  Taf.)  — 
Festschrift  der  Generalversamml.  des  Gesamt  Vereins,  dargebr.  vom  Aachener 
Geschieh  tsverei  n  (Aachen  in  Philipp  Mouskets  Reimchronik  von  Eduard 
Teichmann).  Aachen.  {100  S.)  -  O.  Brandt,  Studien  z.  WirtschaJls- 
II.  Verwallimgsgesch.  der  Stadt  Düsseldorf  im  19.  Jahrh.  Dflsseidorf  (XIII, 
436  S.)  "  Fr.  Malier,  Beiträge  zur  Kulturgesch.  d.  Stadt  Demmin. 
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^**Ier  Ratsmanclaies  gegen  die  Oilen  und  Lamen  sowie  das  Über  vaga- 
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TülMngen.  (VII.  67  S.>  —  /  C  Oftrroorde,  Ceschiedoits  \*a  bct  post- 
vezen  in  Nedcrland  \-ö6r  1795  met  de  voomaamste  ^"obindingen  met  bet 
tuitentand.  Laden.  ,12  +  524  bL  1  kt)  —  Hauy  Ck.  Moore,  Omni- 
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I'  HtkM,  KuhurpTianzen  u.  Hausthierc  i.  ihr.  Clxigang  ans  Asien  nach 
GnechenUnd  eic  7.  Aufi.  Neu  hng.  v.  O.  Schröder  m.  boun.  Bei- 
i:ä£cn  v.  .\.  E::g;Ier.    Benin.  ^X^V'!.  töl  S.> 


Die  Anftnge  des  Handverks  in  Lübeck.  129 


Die  Anfänge  des  Handwerks 
in  Lübeck. 

Von  JAKOB  HÖHLER. 


Dk  im  Jahre  1143  ßn  der  Mündung  der  Trave  gegründete 
Stadt  Lfibeck  var  infolge  ihrer  natürlichen  Lage  zur  Handels- 
stadt wie  geschaffen.  Obwohl  eine  Schöpfung  des  Grafen  Adolf 
von  Schauenburg,  wurde  die  Stadt  erst  durch  Heinrich  den 
Löwen  zu  ihrer  wahren  Bedeutung  erhoben.  Er  widmete 
ihr  die  größte  Sorgfalt,  erteilte  ihr  die  mannigfachsten 
Privilegien  und  knüpfte  Beziehungen  mit  dem  Auslande 
an.*)  Als  in  der  Folgezeit  im  Jahre  1226  der  Kaiser  Fried- 
rich II.  Lübeck  die  Reichsunmittelbarkeit  verlieh  und  so  das 
Maß  seiner  Selbständigkeit  vergrößerte,  konnte  es  eine  größere 
und  freiere  Interessenpolitik  ausüben.  Der  Handel  nahm 
dnen  bedeutenden  Aufschwung.  Mit  ihm  war  das  Handwerk 
eng  verknüpft")  Uns  wird  im  folgenden  dieser  letztere  Faktor, 
und  zwar  nur  in  seinen  Anfängen  beschäftigen.  Unter  den 
Anfängen  des  Handwerks  in  Lübeck  verstehen  wir  die  Zeit  von 
der  Gründung  der  Stadt  bis  zu  dem  Jahre  1384,  dem  Aufstande 
der  Knochenhauer. 

Erstes  Kapitel. 

Statistik  der  Handwerksarten. 

Die  im  folgenden  gegebene  statistische  Zusammenstellung 
sucht  zu  ermitteln,  welche  Handwerksarten  in  Lübeck  bis  zum 
Jahre  1384  vorkommen,  damit  wir  ein  Urteil  darüber  gewinnen, 

I)  Hdraoht,  Cbronla  Slivoram  S.  S.  XXI.  1.  Scp.  Abdr.  1««,  cap.  I.  Urkunden- 
bKfa  da  Sixlt  Lfibeck  (AbkfimintE  U.  B.)  I.  No.  3.  P.  Preiudorff,  d.  St«lt-  n.  Oerldrti- 
Rrf.  IMbtOa  In  12.  und  13.  Jahrb.    Lfibeck  1861.    S.  15. 

■)  WehtnaBi),  CHe  Uteren  IBbcddtdieD  Znnftrollen.    1872.    S.  4. 

Ardd*  fBr  KoItnrgeK^ldite.    I,  2.  9 


F 


130 


Jakob  Hohler. 


\  Hopfengärtner. 


inwieweit  die  gewerbliche  Tätigkeit  der  Handwerker  im  allge- 
meinen entwickelt  war.  Wenn  wir  dabei  die  Zeit  des  ersten 
Auftretens  der  einzeinen  Hand  wer  ksarten  in  den  Quellen  an- 
geben, so  wollen  wir  bei  der  Lückenhaftigkeit  geschichtlicher 
Überlieferung  keineswegs  behaupten,  daß  das  betreffende  Ge- 
werbe vorher  noch  nicht  existiert  habe.  Immerhin  sind  der- 
artige Angaben  in  mehrfacher  Hinsicht  von  Nutzen-  Nehmen 
wir  ein  konkretes  Beispiel,  so  gibt  uns  bei  den  Worten  fibulas 
facientes  und  fibularii  gerade  die  Zeitangabe  den  Schlüssel  zum 
besseren  Verständnis. 

I.  Urproduktion. 

1.  gherdener  Wehrm.  S.  207  anno  1370) 
hortulanus  U.  B.  II  S.  24  a.  1259      /  warmer. 

2.  hoppener  Mantels')  a.  1317-55 
humularius  U.  B.  II  S.  923  a.  1300-1350 

U.  Industrie  der  Steine  und  Erden. 

3.  groper  U.  B.  II  S.  1027  a.  1283—98»  _.   , 
r  «1-     I  i  Topfer. 
lufafigulus    V        .       i.      »          .      J 

4.  spegheler  Mantels  a.  1317-55 
speghelmaker  «      »  i 

5.  stenhover  Mantels  a.  1317-55  1 
lapiscida  Rehme^  S.  279  a.  1288/ 

6.  torfsteker  U.  B  II  S.  150  a.  1302-03  Torfgräber. 

III.  Metallverarbeitung. 

7.  apengeter  Mantels  a.  1317-55  Rotgießer. 

8.  beckenslager  U.  B.  11  S.  1025  a.  1283-98 
beckenwerchte  U.  B.  IV  S.  252  a.  1374 
missingslager  Mantels  a.  1317-55 

9.  nigros  cingulos  facientes  U.  B.  I  S.  248  a.  1262 
ruffos  cingulos  facientes  U.  B.  1  S.  251  a.  1262 
missingslager  Mantels  a.  1317—55 

10.  clocghiler  U.  B.  III  S.  146  a.  1352  Glockengießer.') 

■j  W.  Minteli,  Bfitritee  rat  lablKh-tuiuiicheii  0«$cbichK,  Ja»  1881.  AnfHB: 
Ober  die  ixiaen  lllnlen  lübnklichcn  Bürgrmiliila^lii  S.  S9  ft. 

■l  P*ul  Rehmc.  Ou  Lübctltcr  ObenUdtbuch.  iittmaya  1SQ5. 

1  Merkvilnligcnrcise  bctiUen  <*ir  ton  drn  OltKlccnEicCcni  Mlbst  keine  Nadvlcbt 
«fabm  aber    gtoc  xalllltg  von    einer  OtockenjfieHcrsfntBc  (docxbitertltBte  U.  B.  III. 

s.  IM  Ulm  nay 


!•  Spiegelmacher. 


Steinhauer. 


Beckenschljlger, 


Gürtler. 


Die  An^£e  des  Handverks  in  Lübeck. 


I» 


11. 


12. 


IS. 


19. 


20. 


craterarius  U.  B.  II  S.  1027  a.  1283—981   „    ^ 
craterator  Mantels  a.  1317-55  I 


Spangenmacher.') 


I  Ringmacher. 


fibulas  facicntes  U.  B  t  S.  248  a.  I2Ö2 
fibularii  U.  B.  U  S.  1023  a.  1283—98 
fibulator  Mantels  a.  1317—55 
bresscnmakcr  h      »  > 

13.  fingermakcr  Mantels  a.  I3I7 — 55 
ringvürc  *       » 

14.  fusor  Manlels  a.  1317—55 
ollifusor  Wchrm.  S.  226  a.  1326 
cuprifaber  U.  B.  II  S.  1021  a.  1283—98 
gropengeter  Wchrm.  S.  226  a.  1376 

15.  galeator  Mantels  a.  1317-55        |   ^  ,  , 

t  1     11.      XX    ,  ,        f2i-7    CK  I  Helmmacher. 
helmslegner  Mantels  a.  1317-55J 

lö.     gladiator  Mantels  a.  1317-55  1  ^  ^     ^ 

J  Schwertieeer. 

swertfeger    «        <,        «        j  ^ 

17.     kannengeler  Mantels  a.  1317-55  1 


Orapengießer. 


Zinngießer. 


kannenmaker 

tingheter  «       .  » 

ketelboter  Mantels  a.  1317—55 

ketelbute       »       »         <> 

lucernifex  U.  B.  11  S.  1053  a  1316-38       ),  . 

luchtenmaker  U  B.  II  S.  1020  a.  1283-98r"'P'""'^*'"- 


Kesselflicker. 


Nädler. 


natcier  U.  B.  II  S-  1020  a.  1283 

acufex  U.  B.  II  S.  1024  a.  1283- 

negeler  Mantels  a.  1317-55  Nagclschmied 

platenslegher  U.  B.  II  S-  920  a.  1300—50 

platenmaker  Mantels  a.  1317-55 

lorifex  .        u  u 

sagittarius  U.  B.  I[  S.  933  a  1290  Pfeilschmied. 

sarworle   U.   B.   il   S.    1025  a.    1283-98  Verfertiger   von 

Rüstungen. 


Harnisch  machen 


>)  Bei  den  Sptnstniaachem  tlndtn  *lr  Im  Jidre  IM2  nod»  nidil  den  «plwr  gt- 
brincUidien  lemilnui  tKhnlcu^  angevvidl.  Dilndcr  war  der  Vcrfi^scr  dci  lat.  Urlninde 
ntiinchiclct.  oder  u  lil  aniunehnien,  dtß  dioe  Hindarrkun  noch  nicht  Un^e  exj«ierle, 
md  di6  dADtal«  die  Spanj;cnniK^h«r  nocli  ciic'il  «o  uihircich  wirrn  «'le  tpller,  vo  dal 
MItK  Vorkornmea  dlnn  AusiImckM  rine  künere  Beuichnunc  nötle  machic. 


132 


Jakob  Höhler. 


25.  Schilder  U.  B.  II  S.  1025  a.  1283—98 
clippearius  U.  B.  III  S.  6  a.  1243 
dipeator  U.  B.  II  S.  1039  a.  1305-07      Schildmacher. 
dipifex  U.  a  I  5.  248  a.  1262 
dipificus  Mantels  a.  1317-55. 

26.  pidor  U.  B.  II  S.  1025  a.  1283--98  Sdiildvappenmaler. 

27.  smed  Hadi  S.  375  a.  1294    \  . 
faber  U.B.  Ill  S.  4  a.  1243  J  ^'""'"*- 

28.  cultellifex  Mantels  a.  1317—55  Messeredimied. 

29.  drattemed  Wehrm.  S.  341  a.  1356  Drahtsdimied. 

30.  goldsmed  Wehrm.  S.  221  a.  1371 
goldslegher  Mantels  a.  1317-55 
aurifaber  U.  B.  II  S.  1023  a.  1283-98     Qoldsdimied 
sulverbemer  U.  B.  IV  S.  254  a.  1374 
tastberner  Mantels  a.  1317-55 

31.  hofslegher  U-  B.  IV  S.  79  a.  1361  Hufedimied. 

32.  Wensmed  Mantels  a.  1317-55  Sdilosser. 

33.  toradfex  U.  B.  1  S.  248  a.  1262  Panzermadier. 

34.  tnisalifex  Mantels  a.  1317—55  Doldimadier. 

IV.  Instrumente,  Apparate. 

35.  balistarius  U.  a  11  S.  1079  a.  1316-38  Armbrustmadier, 

36.  orlogifex  Mantels  a,  1317-55  Uhrmadier. 

37.  pluchmeker  Mantels  a.  1317—55  Pflugmadier. 

38.  rademeker  Mantels  a.  1317—55  Radmacher,  Stellmacher. 

39.  wagener  U.  B.  II  S.  1029  a.  1283-98  Wagener. 

V.  Leuchtstoffe,  Fette,  Öle. 

40.  candelarius  U.  B.  d.  Bist  Lüb.  S.  831  a.  1341 
candelator  Pauli')  S.  205  a.  1370.  Kerzen- 
candelifex  Rehme  a.  1294  S.  283.                            macher. 
kercengetere  U.  B.  II  S.  1020  a.  1283-98 

VI.  Textilindustrie. 

41.  hannaker  U.  B.  II  S.  151  a.  1302—03  Haardeckenmacher. 

42.  lakenmaker  U.  B.  IV  S.  252  a.  1374  Tuchmacher. 

43.  reeper  U.  B.  II  S.  1021  a.  1283-98 
funifex  Rehme  S.  326  a.  1374 


Seiler. 


1)  Pinli,  LObedriidie  ZniOiuk  nt  Anfang  d.   14.  Jahrh.  Lfib.  1t47. 


Die  Anfinge  des  Handwerks  in  Lübeck. 


133 


Leinenweber. 


Tuchscherer 


Färber. 


44.  salunmaker  U.  B.  II  S.  1052  a.  1316-38  Bettdeckenmacher. 

45.  wewer  Mantels  a.  1317-55     \ 
textor  U.  B.  1.  S.  252  a.  1262  / 

46.  lanifex  Mantels  a.  1317-55  \       .,        . 
wullenwewer  U.  B.  11  S.  1025  a.  1283-98  /  woiicnweDer. 

47.  lineus  textor  Mantels  a.  1317-55 
linifex  Rehme  S.  307  a.  1350 
lynenweber  Wehrm.  S.  320.  14.  Jahrb. 

48.  hennepsspinner  Mantels  a.  1317-55  Hanfspinner. 

49.  kemmer  Mantels  a.  1317-55  Kämmer. 

50.  scherer  Mantels  a.  1317-55 
wantscherer  Mantels  a.  1317 — 55 
rasor  pannorum  Mantels  a.  1317-55 

51.  verwer  Mantels  a.  1317-55    1 
colorator  Mantels  a.  1317-55/ 

52.  walger  Mantels  a.  1317-55  Walker. 

VII.  Leder. 

53.  cerdo  U.  B.  11  S.  1022  a.  1283-98 
gherwer  U.  B.  JV  S.  252  a.  1374 
loder  Mantels  a.  1317-55 
lore  U.  B.  II  S.  1027  a.  1283-98 
illi  cum  rx)tlasch  U-  B.  II  S.  1046  a.  1316-38 

54.  cenio  albus  U.  B.  II  S.  23  a.  1259 
albus  lore  Mantels  a.  1317-55 
erchwerker  Mantels  a.  1317—55 
wi^rver  U.  B.  II  S.  1022  a.  1283-98 

55.  budelmaker  Wehrm.  S.  376  a.  1359 
porsler  Mantels  a.  1317-55 
taschenmaker  Mantels  a.  1317-55 
buTsas  fadentes  U.  B.  I  S.  250  a.  1262 
bursarius  U.  B.  III  S.  341  a.  1359 
bursifex  U.  B.  II  S.  1023  a.  1283-98 
perator  U.  B.  II  S.  1048  a.  1316-38 

56.  penninter  Wehrm.  S.  363  a.  1330 
pergamentarius  U.  B.  II  S.  24  a.  1259 
pergamentator  Mantels  a.  1317-55 


Gerber, 
Lohgerber. 


Weißgerber. 


Beutelmacher. 


Pergamentmacher. 


5a 


59. 


60. 

61. 
62. 
63. 
64. 

65. 

66. 

67. 
68. 
69. 

70. 
71. 

72. 

73. 

74. 
75. 


Riemer. 


Jakob  Höhler. 


remenmaker  U.  B.  III  S.  8  a.  1243 
remensnider  Rehme  S.  273  a.  1290 
corialor  U.  B.  II  S.  151  a.  1302-03 
corrigiarius  U.  B.  11  S.  823  a.  1347 
corrigicida  U-  B.  Kl  S.  341  a,  1359 
corriscida  Wehrra.  S.  313  a  1350-70 

sellalor  Mantels  a.  1317-55      } 
sellifex  U.  B.  I  S.  395  a.  1282  |  " 

VIII.  Holz,  Horn. 

bodeker  U.  B.  II  S.  1020  a.  1283-98 

doleator  U.  B.  d.  Bist.  LQb.  I  S.  831  a.  I34I       Böttcher 

dolifex  U.  B.  HI  S.  4  a.  1243 

dreyer  U.  B.  U  S.  768  a.  1348    \ 

lornator  U,  B.  11  S.  768  a.  1348/  "'■^^"^'" 

boltendreier  Mantels  a.  1317-55  Bolzendrechsler. 

bussendreier  Mantels  a.  1317-55  Büchsendredisler. 

ringdreier  Manids  a.  1317-55  Ringdrechsler. 

spükndreier  Mantels  a.  1317-55  Spindeldrechsler. 

illi  qui  faciunt  hastas  U.  B.  II  S.  768  a.  13481     Schacht- 

schachtsnidcr  U.  B.  11  S.  768  a.  134Ö  j   Schneider. 

kislenmaker  Mantels  a.  1317-551  ,,.  .  . 

..,      .,       ,        .r,.^    ..         f  Kistenmacher. 
cisÜIex  Mantels  a.  1317-55         J 

patcmostermaker  Wehrm.  S.  350  a.  1360  Bernstein dreher. 

sagher  Mantels  a.  1315-55  Holzsäger. 

schulptor  imaginum  Rehme  S.  273  a.  1290) 

beldesnider  Mantels  a.  1317-55  j 

sevenmaker  Mantels  a.  1317-55  Siebmacher. 

stolmeker  Mantels  a.  1317-551 

sellator  Mantels  a.  1317-55    | 

winscroder  U.  B.  II  U.  1056  a.  1316-38  Weinküfer. 


Bildschnitzer 


Stuhlmacher. 


IX.  Nahrungsmittel. 
becker  Hach  S.  355  a.  1294     1 

pislor  U.  B.  I  S.  205  a.  1255  J 
havcrbecker  Mantels  a.  1351  Kaferbrotbäcker. 
Oblatenbecker  Mantels  a.  1317-55  Oblalcnbäcker. 


Bäcker 


Die  Anfänge  des  Hvidverks  in  Lübeck. 


135 


•77. 
"79. 


si. 


82. 


83. 


84. 


85. 


86. 
87. 
88. 
89. 


ulenbrcker  U.  B.  11  S.  24  a.  1259  Figiirenbäcker? 

pistor  pastillorum  Mantels  a.  1327  Wegyenbäcker. 

torlalor  U.  B.  II  S.  1029  a.  1286»  „    ^    ^,  , 
.  _4  I  .      u    .  I        toi-T    =K      f  Kuchenbäcker. 
torlulator  Mantels  a.  1 3 1 7  -  55     j 


Brauer. 


Oarkoch. 


Fü  tierer. 


bnjwcr  Wehrm.  S.  178  a.  1363         1 
braxator  U.  B.  11  S.  923  a.  1300-50! 
garbrader  Wehrm.  S.  203  a.  1376 
cocus  U.  B.  II  S.  26  a.  1259 
koc  Mantels  a.  1317-55 

graminalor  U.  B.  11  S  25  a.  1259 

papularius  U.  B.  11  S  1054  a.  1316-38 

pubulator  U-  B.  II  S.  1054  a.  1316-38 

harincwescher  U.  B.  IV  S.  130  a.  1360-70  \     Herings- 

lotor  allccium  U.  B.  II  S.  1054  a.  1316-38  J     Wäscher. 

knockenhouwcr  Wehrm.  S.  206  a.  1369  1  ^      ^    ^ 

carnifex  U.  B.  U  S.  23  a.  1259  |  Knochenhauer. 

kuter  U.  B.  II  S.  1023  a.  1283-98  \,„.      „,     .       ^ 

r^  L       ^   -.r.^       ,«..  jKüter,  Wurstmacher, 

fartor  Rehme  S-  303  a.  1341  /  ' 

fleschouwer  Chronik  d.  disch.  Städte: 

Üb.  II  S.  349  a.  1384 
mactator  U.  B.  II  S.  25  a.  1259 
spccsnidcr  Mantels  a.  1317-55  Fettwarenhändlcr. 
molendinarius  U.  B.  II  S.  23  a.  1259  Müller, 
piscator  U.  B.  II  S.  23  a.  1259  Fischer,  Fischhfindler. 
pultifcx  U.  B.  II  S.  1028  a.  I2S3-98  Orützemacher. 

X.  Bekleidung  und  Reinigung, 
badstover  Wehrm.  S.  162  a.  1350 
stover  Mantels  a.  1317-55 
balneator  U.  B.  li  S.  1025  a.  1283-98 
stupanalor  U.  B.  II  S.  1076  a.;;l316-38 
stuparius  Mantels  a.  1317-55 
barbelonsor  U.  B.  II  S.  23  a.  1259 
barbirasor  U.  B.  II  S.  150  a.  1302    03 
rasor  U.  B.  II  S.  1052  a.  1316-38 
scherer  Mantels  a.  1317  -55 


Schlachter. 


Bader. 


Bartschcrer. 


r 


136 


Jakob  Hohler. 


Buntfütterer. 


Pelzer, 
Kürschner. 


Hutmacher. 


92.  buntmaker  Chr.  d.  dtsch.  SL: 

Lüb.  [[  S.  346  a-  1384 
varifex  Chr.  d.  dtsch.  Städte: 

Lüb.  11  S.  346  a.  1384 
illi  cum  opere  pulchro  U-  B.  I 

S.  249  a.  1262 

93.  coreenwerchle  U.  B.  IV  3.  252  a.  1374 
pellifex  U.  B.  III  S.  5  a.  1243 
pelliparii  U-  B.  M  S,  1053  a.  1316-38 
illi  cum  opere  agnino  U.  B.  1  S.  249  a.  1262 

94.  tzabelsnider  U.  B.  II  S.  27  a.  1259  Zobelpelzschneidcr. 

95.  craghenmeker  Mantels  a.  1349  Kragenmacher. 

96.  filtrarius  Mantels  a.  1317-55 
vilter  U  a  11  S.  1022  a.  1283-98 
hodwalker  U.  B.  il  S.  1025  a.  1283-98 
pilleores  U.  B.  I.  S.  249  a.  1262 

97.  colorator  piliorum  U.  B.  IV  S.  17  Anf.  d.  14  Jahrb.  Hut- 
flrbcr. 

98.  schowerte  U.  B.  IV  S.  252  a.  1374 
cordewaner  U.  B.  II  S.  1048  a.  1316-38 
alotaricus  U.  B.  II  S.  1025  a.  12S3-98 
alotarius  U.  B.  II  S.  4t  a.  1300 
sutor  U.  B.  11  S.  23  a.  1259 

99.  solemeker  Mantels  a.  1317-55  Pantoffel machcr. 

100.  oltmakcnie  U.  B.  II  S.  1023  a.  1283-98  fHickschuster. 

101.  handschomeker  Rehme  S.  283  a.  1297  )„     ,    .    .        . 

.,   «   ..  r.   «.,       .«,-«       I Handschuhmacher. 
cyrotecarius  U.  B.  II  S.  27  a.  1259       ( 

102.  Schröder  Wehrm.  S.  421  a.  1370 
sartor  U.  B.  II  S.  23  a.  1259 

103.  ollboter  Wehrm.  S.  425  a.  1384  Flickschneider. 

XI.  Baugewerbe. 

104.  faciens  aquedudum  U.  B.  11  S.  1038  a.  1305-07  Wasser^ 
leitungsbauer. 

105.  bruggemaker  U.  B.  III  S.  580  a.  1365 
brugger  Mantels  a.  1317-55  Pflasterer, 
pavimentator  U.  B.  II  S.  1050  a.  1316-38 


Schuhmacher. 


Schneider. 


H 


Die  Anfänge  d«  Handwerks  in  Lübeck. 


106.  stendeckcr  Mantels  a.  1317-55  l  r\    i,^    l 
laterarius  U.  B.  II  S.  1023  a.  1283- 98  i  Dachdecker. 

107.  fencstrarius  U.  B.  II  S.  28  a.  1259 
vitrarius  Mantels  a.  1317-55  Glaser, 
vitrifex  U.  a  II  S.  27  a.  1259 

108.  magistri  operis  U.  B.  d.  Bist  Lüb.  I 

S.  837  a.  1341  .    „  ■-.„ 

.    .  „        _  >  Baumeister. 

magistn  stnictwrae  U.  B.  d.  Bist.  Lüb.  I 

S.  837  a.  1341 

109.  operarius  U.  B.  III  S.  150  a.  1353  Maurer 

110.  Ümmermann  Mantels  a.  1317-55 
K  carpentarius  U.  B.  III  S.  4  a.  1243 

r 


\  Zimmermann. 


Z  Kapitel. 

Das  Bürgerrecht  in  seinen  Beziehungen  zu  dem 

H  and  Werkerstande. 

§  1.    Erwerb  des  Bürger  reell  tcs. 

Schon  bald  nach  der  Gründung  Lübecks  erfahren  wir  aus 
Privilegien  sporadisch  einiges  über  rechtliche  und  politische  Ver- 
hältnisse der  Bürger  im  allgemeinen,  indes  erst  um  die  Mitte 
des  dreizehnten  Jahrhunderts  finden  wir  Nachrichten,  die  uns 
aus  bestimmten  konkreten  Fällen  Rückschlüsse  auf  die  Hand- 
werker im  besonderen  ermöglichen. 

Wie  für  die  meisten  Städte  des  Mittelalters,  galt  auch  für 
Lübeck  der  bekannte  Rechtsgrundsatz:  „Stadtluft  macht  frei". 
In  diesem  Sinne  sagt  schon  das  Privileg')  Kaiser  Friedrichs  des 
Ersten  aus  dem  Jahre  1188,  daß  jeder,  der  sich  Jahr  und  Tag 
unangefochten  in  der  Stadt  aufgehalten  habe,  frei  sein  solle. 
Die  Freiheit  der  Einwohner  wurde  in  erhöhtem  Maße  garantiert 
durch  die  Gewinnung  des  Bürgerrechtes.  Ober  die  Art  und 
Weise  Bürger  zu  werden,  finden  wir  im  Sladtrechte  aus  dem  Jahre 
1294  folgenden  Aufschluß:')  So  weihe  man  cumpt  in  unse  stat  mit 
sineme  viwe  ofte  mit  sinen  kindercn,  dhe  dar  inne  wesen  dre 


1  U.  B.  I.  &  11 

^  HkIi.  Du  ilte  IflibJtdi«  Recht,  im  Cpdu  tt.  S  3» 


m 


IM  Jakob  Höhler. 


manede,  blift  he  dar  leng  inne,  he  schal  aver  stan  in  den 
ratmannen,  weder  he  eme  de  burschap  giinnen  ofte  nicht  Binnen 
drei  Monaten  also  muß  jeder  sich  bei  dem  Rate  das  Bürgerrecht 
enrorben  haben,  falls  er  Anspruch  darauf  macht,  länger  in  der 
Stadt  zu  verweilen ;  außerdem  muß  der  Bewerber  mindestens 
zwölf  Jahre  alt,  also  mündig  sein,  und  dje  Absicht  hegen,  sich 
in  der  Stadt  ernähren  zu  wollen.^)  Für  den  Erwerb  des 
Bürgerrechtes  selbst  hat  man  eine  im  allgemeinen  nicht  fest 
normierte  Summe  Geldes  zu  entrichten,  das  sogenannte  Bürger- 
geldr  und  für  einen  Zeitraum  von  meist  fünf  Jahren,  soweit 
wir  aus  der  ältesten  Bürgermatrikel  schließen  können,  einen  Bür- 
gen zu  stellen.  Das  sind  die  Normen  und  Vorbedingungen  allge- 
meiner Natur,  die  selbstverständlich  auch  für  den  Handwerker 
Geltung  haben.  Über  weitere  Voraussetzungen  geben  uns  die 
Quellen  keinen  Aufschluß,  besonders  nicht  darüber,  ob  etwa 
noch  der  Besitz  eines  Grundstückes  zur  Bedingung  der  Ge- 
meindemitgliedschaft gemacht,  oder  ob  der  Nachweis  einer  Rente 
von  bestimmler  Höhe  verlangt  wurde.  Über  die  Bedeutung 
des  Geburtsstandes  bei  Erwerbung  des  Bürgerrechtes  finden 
wir  zwar  keine  direkten  Nachrichten,  indes  die  praktischen  Fälle 
zeigen  uns,  welches  die  Haltung  des  Rates  bei  derartigen  Ange- 
legenheilen war.  Ganz  abgesehen  davon,  daß  die  bereits  zitierten 
Worte,  he  schal  aver  stan  in  den  ratmannen,  weder  he  eme 
de  burschap  gunnen  ofte  nicht,  immerhin  eine  gewisse  Kon- 
trolle über  persönliche  Verhältnisse  des  Bewerber  vermuten 
lassen,  so  suchte  der  Rat  gegenüber  etwa  vorkommenden  Ver- 
wicklungen durch  Bürgen  sich  schadlos  zu  halten.  Kam  nun 
der  Fall  vor,  daß  ein  neu  aufgenommener  Bürger  vor  Jahr  und 
Tag  als  Unfreier  beansprucht  wurde,  so  fanden  folgende  Sätze 
des  Stadtrechles *)  vom  Jahre  II88  Anwendung:  Si  aliquisde  ipsa 
civitate  alicuba  pulsatus  fuerit  de  sua  liberlate:  ubicunque  pulse- 
tur,  ibl  sola  manu  libcrtatem  suam  obtineat.  Si  quisquam  extra- 
neonim  superveniens  aliquem  civium  de  sua  tibertate  pulsaverit, 
civis  vicinior  est  ad  obtinendum  suam  übertatem  sola  manu. 


■)  Hidi  11.  S.  366. 
9  U.  B.  L  s.  n. 


quam  extraneus  ad  ipsum  convincendutn.  Si  vero  quisquam 
de  terra  ipsorum  aliquem  dt:  libcrtate  pulsaverit  et  pulsatus  pro- 
bare polerit,  quod  anno  et  die  in  civitate  sine  pulsatione  substiterit, 
pulsatus  evadit.  Demnach  sind  drei  Falle  zu  unterscheiden.  Wird 
ein  Bürger  Lübecks  auswärts  um  seine  Freiheit  angesprochen, 
so  schützt  er  dieselbe  durch  eigenen  Eid  (sola  manu).  Wenn  da- 
gegen die  Klage  in  Lübeck  erhoben  wird,  so  ist  das  Ver- 
ehren je  nach  der  Person  des  Anklägers  ein  verschiedenes. 
Wird  die  Freiheit  des  Bürgers  von  einem  auswärtigen  Herrn  ange- 
fochten, so  stehen  ihm  Vorteile  im  Prozeß  zur  Seite  (vicinior 
ad  obtincndum  suam  libertatem).  Er  sichert  sich  seine  Freiheit 
Tiedcrum  sola  manu^  d.  h.  durch  eigenen  Od.  Onem  Lands- 
manne  gegenüber  (de  terra  ipsorum)  hat  er  nachzuweisen,  daß 
er  sich  Jahr  und  Tag  unangefochten  in  der  Stadt  aufgehalten 
Inbe.*)  Der  Bürge  hingegen  trug  der  Stadt  gegenüber  die  Ver- 
antwortung und  mußte  vorkommenden  Falles  eine  Strafe  bezahlen. 
Letzteres  ist  für  Bremen ')  verhCirgi,   für  Lübeck  wahrscheinlich.*) 

Fassen  wir  das  Gesagte  kurz  zusammen,  so  ist  rarar  dem 
Unfreien  das  Bürgerrecht  direkt  nicht  versagt  worden,  vielleicht 
aber  war  es  für  denselben  nicht  leicht,  einen  Bürgen  zu  finden. 
Selbst  den  Wenden,  die  sonst  als  den  Deutschen  unebenbürtig 
erachtet  wurden,  versagte  das  Stadtrecht  das  Bürgerrecht  nicht, 
wenn  sie  »des  werdich  weren".*) 

Bürgerssöhne  bewarben  sich  nach  erlangter  iWündigkeit  um 

das  Bürgerrecht,')   hatten   hingegen,  nicht  eine  so  hohe  Summe'O 

Bürgergeldes  zu  entrichten  wie  Fremde.    Daß  auch  sie  haben 

Bürgen  stellen  müssen,  wird  durch  das  Vorkommen  des  Vaters 

.  als  Fidetussor  bewiesen. ') 


>)  V.  Bclov.    ürepninK    1    dfutubcn  Sudlv«rfu«unK,    1N3,    &  IM. 
Octrtictic  StKJtiRhtullMlunier,  ErlRn£tii,  1833.  S.  41U     rrcitidorM  S.  47. 
■)  Ölricht.  bitm.  Sumen,  S.  H  i.  13Crx 
*i  rrtn»dorif  S.  103. 
«)  Hach  IL  No.  110.    Pauli  S.  57. 

^  rraitdorff  S.  192-    Kraul.  VormuncUchafl.  Oätt.  IS35,  1.  S.  12). 
*)  BanmeisWr,  Hamb.  PrivaUeclit  1.  S.  37.    frensdoHf  S.  193. 
^  Maotcls  S.  71. 


Onglcr, 


140  Jakob  Höhler. 


Ober  die  Erlangung  des  Bürgerrechtes  durch  die  Handwerker 
im  besonderen  finden  wir  in  den  Quellen  nur  einige  Nach- 
richten t>ezQgIich  der  Höhe  des  Bürgergeldes.  Am  klarsten  liegen 
in  dieser  Beziehung  die  Verhältnisse  bei  den  Bäckern  und  Fleisch- 
hauern. Jene  bezahlen  achtzehn  Schillinge  pro  dvilitate  et 
opere,>)  während  bei  diesen  nur  angegeben  ist,  daß  sie  zwölf 
Schillinge  pro  opere  bezahlen.  Wieviel  Bürger^eld  die  Fleisch- 
hauer entrichten,  darüber  erfahren  wir  Näheres  in  dem  Ver- 
zeichnisse der  Einkünfte  vom  Jahre  1262*)  und  in  dem  Kämmerd- 
buche  vom  Jahre  1316  bis  1338.*)  In  jenem  heisst  es  ganz  am 
Schlüsse:  Notum  sit,  quod  cum  aliquis  pistorum  acquirit  dvili- 
tatem,  dabit  pro  opere  et  dvilitate  XVllI  solides,  si  non  est 
incola  dvitatis;  sed  si  est  incola,  dabit  pro  opere  suo  XII  solidos 
tantum.  Idem  fadunt  camifices;  dant  Xll  solidos  pro  opere^ 
sed  pro  dvilitate  secundum  quod  divites  sunt  et  habere  possunt 
in  gratia.  Diese  billige  Auffassung  erfuhr  später  1316  bis  1338 
noch  eine  nähere  Modifikation.  Si  dvis  aut  filius  dvis,  dabit 
pro  opere  acquirendo  Xll  solides;  si  vero  non  est  dvis,  dabit 
pro  dvilitate  et  opere  XVIII  solidos.  Demnach  müssen  von  nun 
an  Bäcker  wie  Fleischhauer  die  gleiche  Summe  von  sechs 
Schillingen  für  die  Erlangung  des  Bürgerrechtes  bezahlen,  wenn 
sie  vorher  nicht  in  der  Stadt  gewohnt  haben.  Bei  allen  anderen 
Handwerkern,  selbst  wenn  sie  in  größerer  Anzahl  vorkommen, 
sind  wir  nicht  imstande,  eine  bestimmte  Ordnung  aus  den 
Quellen  herauszulesen,  am  ehesten  noch  bd  den  Böttchern.*) 
Die  meisten  derselben  bezahlen  sechs  Schillinge,  einer  vier,  ein 
anderer  sogar  acht  Sonst  finden  wir  ein  buntes  Durcheinander. 
Im  Allgemeinen  wird  das  Bürgergeld  der  Handwerker  wohl 
kaum  die  Höhe  von  acht  Schillingen  überschritten  haben.  Viel- 
leicht hat  auch  hier,  wie  bei  den  Fleischhauern  ursprünglich,  die 
Bestimmung,  secundum  quod  divites  sunt  et  habere  possunt  in 
gratia,  gegolten. 


')  U.  B.  II.  S.  22  H. 

»)  U.  B.  1.  S.  252. 

■)  U.  B.  II.  S.  1046  Anm^fauig. 

t)  U.  B.  IL  S.  22  ff. 


D>e  Anfänge  des  Handwerks  in  Lübeck. 


141 


I 


I 


E$  erübrigt  mir  noch  zu  erwähnen,  daß  auch  Frauen  das 
Bürgerrecht  nicht  versagt  wurde.  Die  beiden  ältesten  Bürger- 
matrikeln  nennen  hundert  Frauen,  welche  sich  das  Bürgerrecht 
erwarben.  Die  meisten  derselben,  soweit  wir  Angaben  haben, 
Taren  Händlerinnen,  einige  auch  Handwerkcrswitwcn,')  welche 
wahrscheinlich  das  Geschäft  ihres  verstorbenen  Galten  weiter 
führen  wollten. 

§  2.  Die  praktische  Bedeutung  des  Bürgerrechtes. 
Erst  im  Verlaufe  des  dreizehnten  Jahrhunderte  finden  wir 
in  den  Quellen  Nachrichten,  die  eine  ziemlich  genaue  Rekon- 
struktion der  bürgerlichen  Pflichten  und  Rechte  des  Handwerkers 
als  Qlied  der  städtischen  Gemeinschaft  ermöglichen.  Die  älteste 
Nachricht^  in  dieser  Beziehung  ist  in  dem  Stadtrechte  aus  dem 
Jahre  1188  verzeichnet  und  lautet:  Cives  vero  nullam  expeditio- 
nem  tbunt,  scd  dvitatem  suam  defensabunt,  d.  h.  die  Bürger 
können  nicht  zum  Heerbanne  aufgeboten  werden,  sondern  sie 
sind  nur  gehalten,  ihre  Stadt  zu  verteidigen.  Aber  dieses  von 
Friedrich  I.  verliehene  Vorrecht  hatte  nur  solange  Gültigkeit,  als 
die  Stadt  einen  Herrn  besaß.  Als  im  Jahre  122Ö  Lübeck  reiche 
unmittelbar  wurde,  trat  dieses  Privileg  von  selbst  außer  Kraft 
Daher  können  wir  aus  ziemlich  früher  Zeit  konstatieren,  daß  die 
Bürger  Lübecks  zu  persönlichen  und  anderen  steuerähnlichen 
Leistungen  herangezogen  wurden  und  selbst  über  die  Grenzen 
des  städtischen  Weichbildes  hinaus  verpflichtet  wurden.')  So 
besitzen  wir  aus  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts  eine  Urkunde/) 
in  welcher  der  Vogt  und  die  Ratmänner  zu  Heüigenhafen  den 
Rat  zu  Lübeck  ersuchen,  einen  gewissen  Tidcmann  Lange  von  der 
schuldigen  Reise  nach  Norwegen  (reysam  Norvegie  est  ascrij>- 
tus)  ZM  dispensieren.  In  dem  Jahre  1292  waren  siebzig  lübeckische 
Bürger  verpflichtet,*)  Slrcttrosse  und  Bewaffnete  zur  Disposition 
des  Vogtes  bereit  zu  halten.  Unter  den  genannten  Bürgern  finden 


t)  M«a(eb  S.  68.    Ebmda  wird  t.  B   dne  palemoKermcIttre  cnriUinl. 
*)  U,  B.  1.  S.  IIa.  1IS8. 

•I  D.  SrhUcr,   Die  HanKitldlc  und  K&nig  WaJderiiu-  von  tlitveniark.   Jen«  IS79, 
S.M6rt. 

«)  U.  B.  I.  S.  ATO  So.  740,  Ende  da  13.  jahHi 
•)  U.  B.  n.  Na.  tClä  n.  lOtT  S.  939. 


wir  auch  einen  Marquart  Haverbeckere  und  einen  Bcmardus 
Schüdere.  Am  deutlichsten  und  bestimmtesten  erhellt  die  Tat- 
sache der  Wehrpflicht  der  Bürger,  speziell  der  Handwerker, 
aus  einer  Beschwerdeschrift ')  aus  dem  Jahre  1373.  In  derselben 
beklagten  sich  die  Ämter  über  allzu  hohe  Abgaben  und  erklärten 
schliesslich:  wente  gy  dal  wol  weten,  dat  vy  iv  vyllich  hebbet 
ghe  wezen  to  lande  unde  to  watere  myt  lywe  und  myt  gude, 
unde  noch  gherne  don  wyllen  to  allen  tyden,  wan  gy  des  van 
uns  begherende  zynt,  unde  wy  wolden  alle  sterven  umme  iuwen 
wyllen  er  wy  iv  zeghen  vor  unrechten.  Die  Ämter  wollen  also 
bereit  sein,  zu  Wasser  und  zu  Lande,  mit  Leib  und  Cut  der 
Vaterstadt  zu  dienen  und  selbst  den  Tod  dafür  zu  erleiden. 

Auch  in  Friedenszeilen  waren  die  Bürger  unter  Androhung 
von  Strafe  verpflichtet,  waghte'}  zu  leisten. 

Unter  den  bürgerlichen  Pflichten  ist  an  zweiter  Stelle  der 
Schoß  zu  nennen,  die  einzige  direkte  Steuer  Lübecks.  Derselbe 
wurde  lange  Zeit  nur  von  unbewegiichem  Eigentum  entrichtet  Das 
Organ,  mittels  dessen  der  Rat  verkündete,  wie  groß  der  Schoß 
sei,  war  die  Bursprake.')  Alle  ohne  Ausnahme  (iewelic  borghere 
van  lubeke)  mußten  sich  selbst  einschätzen  und  den  Schoß  nicht 
nur  vom  eigenen  Gute  entrichten,  sondern  auch  sines  wiwes  unde 
Sinei"  kindere  unde  vor  ghut,  dat  he  under  sie  hevet  van  vormunt- 
schap  weghene.*)  Unredlichkeit  bet  der  Einschätzung  ahndete 
der  Rat  mit  harten  Strafen.*)  Im  Laufe  der  Zeit  forderte  man 
auch  von  den  Gewerbetreibenden,  die  keine  unbewegliche  Habe 
besaßen,  einen  Schoß,  in  der  Meinung,  daß  die  Fähigkeit,  ein 
Gewerbe  ausüben  zu  können,  den  Wert  eines  Vermögens  reprä- 
sentiere. «) 

Außer  diesem  gewöhnlichen  Schosse  besteuerte  der  lübeckische 
Rat  seine  Bürger  zuweilen  auch  bei  besonderen  Anlässen.  Wegen 


')  U.  ü.  rV.  S.  3S7  Ann. 

»)  Pauli,  Zwchr.  f.  lob,  Owch.,  i  113 

■)  rrmviotn  S.  100. 

•)  Hteb  5.  304. 

')  «bcnda 

*)  HiniiKhc  OnchichUbl.  /«hrging  18M,  S.  »- 


drückender  Steuern  nach  dem  dänischen  Kriege  entstanden  im 
Jahre  1376,  wie  der  Chronist  Detmar  berichtet,  de  erste  misbe- 
hcgelichcit  und  wrank  der  menheit  gegen  den  rat. ')  Der  Rat 
hatte  nämlich  den  Ämtern  befohlen,  sunderlik  schot  to  ghevende, 
to  vorechoie  ene  mark  unde  ok  de  matten  wat  groter  makeL 
Aber  die  Zeiten  waren  schlecht  und  der  Verdienst  gering;  daher 
beschlossen  die  Ämter  auf  dem  Wege  der  Bitte,  die  Zurück- 
nahme dieser  Maßregel  zu  bewirken.  So  sah  sich  der  Rat  ge- 
von  dem  Vorschoß  und  der  Erhöhung  der  Mahlgebühr 
stehen.  Den  Schoß  dagegen  mußten  die  Ämter  entnchten. 
Nach  einer  anderen  Aufzeichnung*)  aus  demselben  Jahre  be- 
zahlten an  Beitrag  zu  dem  Schosse: 
Piscatorum :     XXX     marc.  minus  V 

CXXIII  marc  minus 

CXXIV  marc 

LXII*      marc. 

XL         marc 

XLIX 


Camificum: 
Pistorum: 
Sutorum: 
Fabrorum : 
Sartorum: 


IV 
IV 


sol. 

sol. 

sol. 


marc 


VIII  sol. 
Ilt     sol. 


IV  den. 
XIII  den. 

V  den. 


Aurifabronim:  XXXVI  marc  minus   I 


sol. 

sol. 


V  den. 


LXXXV  soL  IX  den. 


Pellificum;       XIX        marc 

Summa  llllc        marc. 

^         Am  Schlüsse  derselben  Urkunde  findet  steh  der  Zusatz: 

Ista  fuit  tallia,  quando  dabantur  quattuor  denarii  de  marca  argenti. 

IDies  war  für  die  damalige  Zeit  ein  ungewöhnlich  hoher  Schoß. 
Alle  Bürger  unterlagen  im  wesentlichen  gleichen  Pflichter, 
besaßen  aber  nicht  gleiche  Rechtsfähigkeit  Dieselbe  war  an  den 
größeren  oder  geringeren  Besitz  des  einzelnen  geknüpft.  Die 
Qualifikation,  als  Zeuge  auftreten  zu  dürfen,  bedingte  Erbein- 
gesessenheit  Zeugnisse  jeglicher  Art  konnten  nur  solche  leisten, 
welche  sich  im  Besitze  eines  torfach  eghen  ^  befanden.  Aller- 
dings dürfte  gerade  diese  Vorbedingung  weniger  eine  prinzipielle 
Zurücksetzung  des  Nicht-Erbe  in  gesessenen  bedeuten  als  vielmehr 
eine  Garantie.  Fast  für  alle  Arten  von  Zeugenleistung  ist  Grund- 


')  OiTonlk  d.  dltdi.  Stidt«,  LQbcck  I.  S.  SST. 
tU.B.lV.S.  M7. 
*)  KkIi  M.  3.  301. 


p 


144  >lcob  Köhler. 


eigentum  ausdrücklich  vorgesehen,  ausgenommen  bei  Bruch  des 
Gottesfriedens  und  bei  Körperverletzung.^)  In  diesen  Fällen 
konnte  jeder  unbeschotlene  Mann  Zeugnis  ablegen.  Daß  die 
Handwerker  keineswegs  aus  der  Klasse  der  Erbeingesessenen 
ausgeschlossen  waren,  beweist  indirekt  eine  Urkunde*)  aus  dem 
Jahre  1243.  Hier  treten  mehrere  Handwerker  teils  als  Zeugen, 
teils  als  Oerichtsum stand  auf.  Als  Zeugen  werden  hier  ein 
Bäcker,  ein  Riemer,  ein  Böttcher  und  ein  Gerber  genannt,  unter 
dem  Gerichtsumstande  befanden  sich  drei  Pelzer  und  ein  Schild- 
macher.  Da  es  in  Lübeck  keine  Schöffen  gegeben  hat,*)  so  hatten 
anwesende  Bürger,  der  Umstand  (adstartes),  das  Recht,  das 
vorgeschlagene  Urteil,  bevor  es  die  Voübort  erlangt  hatte,  zu 
schellen  und  ein  Qegenurteil  zu  finden.')  Leider  vermögen  wir 
nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden,  welche  Vorbedingungen  die 
den  Oerichtsum  stand  bildenden  Bürger  zu  erfüllen  hatten.*) 

Mit  den  Fragen  von  allgemeinem  Interesse  vennochtc  noch 
am  ehesten  das  Echtding  die  Bürger  Lübecks  bekanntzu  machen. 
Das  lübische  Fragment")  aus  dem  Jahre  1227  berichlet  darüber 
folgendes:  Tribus  vicibus  anni  conventus  erit  legitimi  pladti. 
Omnis,  qui  est  possessor  proprii  caumatis,  aderit,  si  fuerit  intra 
muros  civitatis.  Dreimal  im  Jahre  also,  am  Montag  nach  Ostern, 
am  Montag  nach  Pfingsten  und  am  Montag  nach  hl.  drei  Köni- 
gen^ fand  unter  dem  Vorsitze  des  Vogtes  das  legitimum  plad- 
lum  statt.  Die  Teilnahme  an  dem  Echtding  setzte  den  Besitz 
eines  Hauses  voraus  und  war  obligatorisch  (aderit).  Die  Frage, 
ob  auch  Handwerker  in  l-öbeck  possessores  caumatum  d.  h. 
Hausbesitzer  gewesen  sind,  ist  nicht  schwer  zu  lösen.  Das  Ober- 
sUdtbudi  gibt  uns  genug  Beispiele  zum  Beweise  dafür.    Um 


I 


')  Vgl.  f  rensdor»  S.  1«. 

»)  U.  B.  UI.  S.  S  n. 

■)  V^l,  J.  W.  Pluick,  Dai  dnitiche  Ocrlchlsveriihrrn  Im  M.-A.,  Bnunfchvrlq; 
\Wn.  S.  M,  6S,  und  IK^.  K.  Kfx«l,  Ocsdi.  der  ScldlEverfutnne  In  ItBlior,  Lnpilg  1S47, 
ir    S.  461 

•)  SchrMer,  DUch.  RechtiBacb,  19)6,  S.  »4. 

»)  Frenidorif,  S.  t74. 

*)  V.  B.  I.  5.  3a. 

')  Bunge,  Die  Quellen  da  Revater  SladlrMbb,  Dorpxt  ^M  I-     frrntdoiff  S.  S3 

Anitierlcung  31 


[nur  eins  von  den  nelcn  zu  erwähnen,  so  finden  wir  daselbst:') 
Notum  sit  quod  Johannes  Wole  emit  quandam  domum  in  fossa 
Thanquardi  de  Willckino  Candelifice,  quam  coram  consulibus 
resignavit  eis.  Die  pralctische  Bedeutung  des  Echtdinges*)  trat 
im     Laufe   der  Zeit   in    den   Hintergrund,")   ja   es   verschwand 

^schließlich  ganz,  während  seine  Befugnisse  unstreitig  von  dem 

U^te  absorbiert  wurden.*) 

■  Von  der  alten  Teilnahme  der  Gesamtheit  an  der  Beliandlung 
Hhrer  Angelegenheiten  hat  sich  nur  noch  ein  mehr  summarisches 

■  Verfahren  erhalten,  bei  dem  man  bei  Gegenständen,  welche  das 
Wohl  des  ganzen  Volkes  betrafen,  die  Bürgerschaft  per  sonum 
eampanae  ad    civiloqulni,  d.    h.   zur  Bursprake,    berief.*)      Die 

»Anteilnahme  des  Vollies  beschränkte  sich  nur  auf  die  Zustimmung 
oder  Ablehnung  eines  Antrages,  während  die  eigentliche  Ent- 
scheidung tatsächlich  in  den  Händen  weniger  ruhte. '^  Jedenfalls 
findet  sich  in  den  Quellen  kein  Anhalt  dafür,  daß  hier  auch 
Grundeigentümer  direkten  Anteil  daran  genommen  hätten.^  Die 
Bursprake  trug  mehr  den  Charakter  einer  Publikation  als  den 
einer  Beschlussfassung.    Das  beweisen   die  Worte  :^   Et  ut  pre- 

tdicta  omnia  et  singula  firma  et  rata  inviolabiliter  permanerent, 
pro  maiori  bono  pacis  et  concordia  dicti  advocatus  et  consules 
per  sonum  campanae,  prout  moris  est,  convocaverunt  populura 
civitatis  prediclae  et  ibidem  predictam  compositionem  in  eorum 
civiloquio  publicaverunt  .  .  .  eam  ratam  et  gratam  haben- 
_  les  staluerunt.  In  einer  anderen  Urkunde")  aus  derselben  Zeit 
finden  wir:  Consules  pro  maiori  bono  el  securitate  in  communi 
ipsorum  civiloquio  pronunciavcrunt  et  mandaverunt. 
Jm    Laufe    der    Zeit    ist    denn  auch    der  Name    »Bursprake' 


*t  Rehme  S.  373  a.  1385 
't  Daxltat  vurde  verliandclt  Qbcr  Crbachallen,  Onandclgmluni  und  &ba  drincEndt 
Aafrictaibdtni  d«  Slidl  (U,  B.  I.  S.  38). 
•)  PUncJi  S.  M. 
•>  PrerudorfT  S.  86. 

*1  U.  B.  d.  Btitacnt  LQbcck,  I.  S.  543  BRd  541. 
^  rreiwdorft  S.  WT. 

>  Oegcn  Jul.  Wdler,    ZurOodi.  des  Himb.  Zunthroni,  Bcrl.  DiM.  IS03,  &  69. 
1  U.  B.  d.  Bist.  Lflb.,  ].  S.  H3  lud  SM  a.  1314. 
*>  U.  B.  d.  Biit.  Üb.,  I.  S.  H7  1.  I3M. 

Arddv  Hr  Kulniretsüifdite.    r.  3.  20 


,^uf  die  in  solchen  Sprachen  festgestellten  Bestimmungen  über- 
tragen worden  und  bedeutete  eine  Sammlung  von  Vorschriften, 
meist  polizeilichen  Inhaltes,  welche  öffentlich  zu  bestimmten 
Zeit  des  Jahres  verlesen  wurden".') 

Ein  Blick  auf  das  Vorhergehende  lehrt,  wie  der  Rat  in 
Lübeck  ein  Recht  nach  dem  andern  sich  atizueignen  wuQte  und 
so  seine  Kompetenz  auf  Kosten  derjenigen  des  Vogtes  wie  der 
Bürgerschaft  bedeutend  erweiterte.  Bei  einem  derartigen  Resul- 
tate drängt  sich  sehr  leicht  die  Frage  auf,  sollten  nicht  auch 
noch  in  anderer  Beziehung  die  Verhältnisse  von  Anfang  an 
andere  gewesen  sein,  als  sie  im  U.  Jahrhundert  waren,  in  anderen 
Worten,  sollte  nicht  die  Ratsunfähigkeit  der  Handwerker  ein 
Produkt  der  im  Laufe  der  Zeit  geschaffenen  Verhältnisse  sein? 
AlJerdings,  einen  direkten  Beweis  dafür  können  wir  nicht  antreten, 
aber  ebensowenig  vermag  man  zu  beweisen,  da&  die  Handwerker 
in  Lübeck  von  Beginn  der  Stadt  an  nicht  Ratsmitglieder  gewesen 
sind.  Sehen  wir  uns  einmal  die  Gründe  an.  welche  die  Rats- 
unfähigkeit  der  Handwerker  beweisen  sollen.  Als  ersten  Grund! 
führt  man*)  die  Heinrich  dem  Löwen  zugeschriebene  Ratsord- 
nung ins  Feldj  welche  bestimmte,^  daß  nymant,  de  van  openbare 
hanlwcrke  hebben  gewonnen  er  goet,  scal  sitten  In  demc  rade. 
Aber  dieselbe  ist,  wie  Frensdorff^)  treffend  nachgewiesen  hat, 
ein  Kind  späterer  Zeit  und  ,,ein  aus  der  städtischen  Autonomie 
erwachsenes  Statut,  dessen  Entstehung  man  nicht  früher  wird 
ansetzen  können  als  in  die  beiden  letzten  Dezennien  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts".  Freilich  nahmen  gleich  von  Anfang  an 
die  Kaufleule  eine  bedeutende  Stellung  ein,  denn  dafür  war 
Lübeck  vorzugsweise  Handelsstadt;  wenn  aber  der  Chronist  Hel- 
mold^)  nur  von  mercatores  atque  cetert  habitalores  spricht,  und 
man'^  daraus  schon  allein  die  soziale  Inferiorität  des  Hand- 
werkerstandes von  Beginn  der  Stadt  an  beweisen  will,  so  ist 


l)  FfHiMlChrff  S-  ifa. 

)}  Wchnn.  S.  35  u.  Jul.  WtUtr  S.  17. 

1  Chr.  d.  iltKli.  Sud»,  LQbKk  t.  S.  27. 

*)  Hni».  Godifal,,     |ib(S.   I8T6  S.  III. 

*i  Chraniicoii  Slivemim  I.  Si,  I. 

•)  So  Vfthrjp.  S.  i 


Die  Anfänge  des  Handverks  in  Lübeck. 


147 


* 


ZU  beachten,  daß  gerade  der  Begriff  des  Wortes  Kaufmann  >) 
im  Mittelalter  sehr  dehnbar  war,  daB  mercator  oft  identisch  mit 
dvis  war,')  und  daß  man  femer  den  Handwerker  insofern  sehr 
gut  als  Kaufmann  bezeicimen  konnte,  als  er  seine  Waren  auf 
dem  Markte  verkaufte  und  so  für  denselben  arbeitete.*)  Sch«n 
WTT  von  der  Ratsordnung  Heinrichs  des  Löwen  ab,  so  finden  wir 
keine  Vorbedingung,  die  der  Handwerker  nicht  zu  erfüllen  ver- 
mochte. Derselbe  ist  aller  bürgerlichen  Ehren  und  Rechte  teil- 
haftig, d.  h.  soweit  er  gewisse  Vorbedingungen  erfüllen  kann, 
Über  alle  Rechte  und  Pflichten  geben  uns  die  Quellen  Auskunft, 
warum  sollte  gerade  ein  so  wichtiges  Vorrecht  verschwiegen 
werden?  Sehen  wir  uns  einmal  nach  Analogien  um,  so  hat 
Crull*)  bei  seiner  Untereuchung  der  Rals Verfassung  Wismars, 
einer  Tochterstadt  Lübecks,  gefunden,  daß  hier  während  des 
dreizehnten  Jahrhunderts  Handwerker  dem  Rate  angehört  haben. 
In  Goslar  kommen  ebenfalls  in  der  zweiten  Hälfte  des  drei- 
zehnten Jahrhunderts  unter  den  Ratsmitgliedern  Handwerker 
vor.*)  Wenn  daher  einige  Handwerker  in  Lübeck  im  Rate  ge- 
sessen haben,  dann  wäre  ein  solcher  Fall  fürwahr  keine  so  große 
Anomalie  gewesen !  Finden  wir  aber  im  Anfange  keine  Nach- 
richten vor,  so  berechtigt  dies  uns  eher  zu  der  Annahme,  daö 
vorläufig  keine  so  scharfen  Gegensätze  herrschten.  Schon  aus 
den  hervorgehobenen  Gesichtspunkten  kann  man  es  als  durch- 
aus innerhalb  der  Grenzen  der  Möglichkeit  liegend  bezeichnen, 
da6  Handwerker  einmal  im  Rate  gesessen  haben,  wenn  auch  in 
frühester  Zeit.  Diese  Annahme  wird  einigermaßen  gestützt  durch 
das  Zeugnis  einer  Urkunde*)  aus  dem  Jahre  1340,  welche  von 
dem  Rate  zu  Lübeck  ausgestellt  und  mit  dem  Siegel  der  Staut 
verschen  wurde.  In  derselben  bezeugen  die  Ratmänner  zu  Lübeck, 
wie  nach  altem  Herkommen  in  Hamburg,  Lübeck  und  anderen 
benachbarten  Städten  es  sich  mit  den  Gerechtsamen  der  Bürger- 


>)  HcccI.  CnUlrhc.  d   «Itvh.  Stidt»«9eiu,  S.  IM. 

'»  T.  Briov,  UnUlrliE.  d.  diwli.  StadlKemrIndF,  S,  30. 

■}  Mollwa,  Die  lltotcn  lAIi   ZotlroUnt,  Lclpi     Disi.  1904.  S.  U 

*)  HUK.  Ocscb.  Qu.  2  S.  XVni. 

■)  Htm.  Ortdibl,  Jahre.  »*S  S-  33. 

■]  U.  B.  11.  S.  664. 


10' 


I 


146  Jakob  H5h)er. 


meister  den  Ratmännem,  und  des  Rates  der  Büi^erschaft  gegen- 
über verhalte,  tn  Bezug  auf  die  Gerechtsamen  des  Rates  gegen- 
über der  Bürgerschaft  versichert  die  Urkunde:  Item  quod,  quo- 
tiens  et  quando  aliqua  negotia  ardua  et  magna  predicto  opido  et 
Universität!  Hamburgensi  incumbebant,  utpote  super  iure  aliquo 
ipsius  opidj  et  universitatis  preiudiciaü  seu  ius  vel  stätum  aliqualJtcr 
tangente  vel  similia  oportebat  et  oportet  necessario  proconsules 
et  consules  Hambiirgenses,  si  cxpeditio  huiusce  modi  negotiorum 
robur  firmitatis  habere  debebat,  super  hoc  requirere  et  obtinere 
specialiter  consilium  et  consensum  magistrorum  officiorum 
mcchatiicorum  ac  universitatis  dicti  populi  et  de  eorum  consitio 
et  consensu  ea  expedire.  Bei  allen  wichtigen  Angelegenheiten, 
welche  das  Wohl  der  Gesamtheit  betrafen,  wurde  also  der  E^t 
und  die  Zustimmung  der  Älterleute  und  des  ganzen  Volkes  er- 
heischt. Dieses  geschah  unzweifelhaft  in  der  Bürgerschaftsver- 
sammlung  (civiloquium).  Man  berief  dazu  die  universitas,  d.  h. 
die  gesamte  Einwohnerschaft,  also  nicht  eine  bevorzugte  Klasse 
allein,  wie  etwa  die  Erbeingesessenen.  Daß  aber  in  der  Bürger- 
schaftsversammlung der  Anteil  der  Menge  sich  nur  auf  die  Zu- 
stimmung oder  Ablehnung  eines  Antrages  beschränkte,  haben 
wir  bereits  an  einer  anderen  Stelle  erfahren.')  Die  AUerteute  der 
Amter  nahmen  auf  jeden  Fall  aktiven  Anteil  an  der  Beratung. 
Würde  die  genannte  Urkunde  sich  nur  auf  Lübeck  beziehen,  so 
wäre  dieselbe  geeignet,  einen  schroffen  üegensatz  zwischen  den 
Handwerkern  und  den  Katäfähigen  2u  beweisen.  Gleich  am  An- 
fange der  Urkunde  bezeugt  der  Ratj  daß  die  Sitte,  Älterleute 
zu  Rate  zu  ziehen,  schon  länger  als  sechzig  Jahre  bestehe,  also 
etwa  seit  der  zweiten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts.  Femer 
wird  darauf  hingewiesen,  daß  es  ganz  genau  so  in  Hamburg 
und  anderen  umliegenden  Städten  gehalten  werde.  In  Ham- 
burg und  den  umliegenden  Städten  iiieQen  diejenigen,  welche 
zu  wichtigen  Verhandlungen  hinzugezogen  wurden,  die  Wittig- 
sten (sapientiores,  pnidentiores). ")  Schon  der  Zusammenhang, 
in  dem  diese  Wittigsten  in  den  Quellen  früherer  Zeit  genannt 


')  sieh«  S.  HS. 

t  Cberwo  in  Bremen,  OotUi,  Rottock  und  H&xler. 


Die  Anfänge  de?  Handverks  in  LÜbedc- 


149 


werden,  pbl  zu  raten  auf.  So  heißt  es  in  dem  Hamburgischen 
Stadtrechie  •)  vom  Jahre  1270:  desse  ordeie  smt  bescreven  van 
<ier  menen  stad  willen  undt  van  den  wittegesten  rade  van  Ham- 
fcorch,")  öder  an  einer  anderen  Stelle»):  dat  hcbbet  de  wittigesten 
Jovet  unde  willekoret  Bereits  Frensdorff'l  und  andere  vor 
ihm  haben  mit  Recht  die  Vermutung  ausgesprochen,  daß  diese 
Erwähnung  der  \»'ittigsten  allein  als  Urheber  einer  städtischen 
'Willkür  auf  eine  andere  Bedeutung  oder  auch  eine  Entstehung 
in  früherer  Zeit  hinweise,  da  der  Rat  selbst  mit  unter  jenem 
Namen  b^riffen  wurde.  In  späterer  Zeit  sind  jedenfalls  die 
Begriffe  scharf  voneinander  geschieden.  Doch  wenden  wir 
lins  wieder  zunächst  zu  Lübeck  zurück.  Jetzt  verstehen  wir 
«her  die  Worte  des  Chronisten  Detmar'^):  dal  men  scolde  mit 
rade  wiser  lüde  in  der  stat  kesen  ses  ratmannen  van  goden 
j;hcruchte.  Die  Wahl  sollte  also  mit  dem  Beirat  wiser  lüde 
in  der  stat  getroffen  werden.  Diese  weisen  Leute  erinnern  un- 
streitig an  die  Wittigslen.'^}  In  den  Urkunden  der  zweiten  Hälfte 
<ies  dreizehnten  Jahrhunderts  finden  wir  Ausdrücke  wie:  nomine 
consulum  et  maiorum  seniorumO  oder  eonsules  et  iurati*  s«u 
maiores.'^  Zwar  sind  hier  nicht  dieselben  Bezeichnungen  ange- 
■wandt  wie  in  Hamburg,  aber  die  Institution  ist  sicher  dieselbe. 
'Wir  haben  es  ohne  Zweifel  auch  hier  mit  den  Wittigsten  zu 
tun.")  Die  Mehrzahl  der  in  diesen  Urkunden  namhaft  gemachten 
maiores  lassen  sich  aus  anderen  Urkunden  als  Mitglieder  des 
Hatskollegiums  nachweisen.'")  In  Bremen  existierte  ein  Kollegium 
ausgetretener    Ratsniannen    unter    dem    Namen   Wtlticheit. ")    In 


■)  J.  M.  Uppenberg,  Hamb,  RHhlsaJtUtöinei,  HuDb.  1846. 

>)  Ebenda  S.  I. 

■>  Ebmdi  5.  3,  I.  3. 

■>}  Frcntdortr  S.  202. 

•)  Chi.  d.  dbdi.  Stldte,  Üb.  I.  S.  11. 

•)  Ptell,  Lbk.  Zatt.  S.  T9,  PrenidorH  S.  3B  Ann.  9. 

1)  U,  B.  I.  5,  37«  ».  1165. 

•>  V.  B.  A.  Bist.  Lflb.  l.  S.  373  ■.  1280. 

•>  Pwmdoill  5.  7», 

i^  EbcmU  S.  3(11  Anm.  54 

")  Obtt.  Unprung  n.  Entv.  d,  Hunb.  Raliverl,    Bai.    Di».  18t0.    S.  73. 


Hamburg  waren  nach  Koppmann»)  und  Mönckeberg")  die 
Wittigsten  ausgeschiedene  Mitglieder  des  Rates,  welche  zu  wich* 
tigen  hallen  herangezogen  wurden.  Daselbst  sind  in  frühester 
Z«it  die  Handwerker  ratsfähig  gcw'esen,  int  Laufe  der  Zeit  aber 
gezwungen  worden,  aus  dem  Ratskollegium  auszutreten,  um  für- 
derhin  nur  noch  die  Rolle  von  Wittigslen  zu  spielen.')  Das  Selbst- 
ergänzungsrecht und  das  materielte  Obergewicht  des  Kaufmannes 
waren  der  Grund  für  die  Ausschließung  des  Handwerkers  aus 
dem  Rate.*) 

Nach  dem  Worllaut  der  Urkunde*)  vom  Jahre  1340  datiert 
die  Sitte,  die  Älterleute  der  Ämter  zu  Rate  zu  ziehen,  schon 
aus  alter  Zeit  (a  X  XX  XXX  XL  L  et  LX  annis  citra  et  ultra 
et  a  tempore  et  per  tempiis,  cuius  contrarii  seu  principii  memo- 
ria hominum  non  existit),  aber  es  ist  doch  nicht  immer  so  gewesen. 
Wittigste  (wise  lüde)  scheinen  schon  von  Beginn  der  Stadt  an  in 
Lübeck  gewesen  zu  sein.  Auch  in  Lübeck  befanden  sich  unter 
den  Wittigsten  aufler  den  Handwerksmeistern  ratsfähige  Per- 
sonen. Sollte  da  der  Schluß  zu  kühn  sein,  daO  es  mit  einer  ge- 
wissen Wahrscheinlichkeit  in  Lübeck  ebenso  wie  in  Hamburg 
gewesen  ist.  zumal  da  doch  in  der  Urkunde  ausdrücklich  auf 
Hamburg  verwiesen  wird?  Leider  verbietet  uns  das  äußerst 
lückenhafte  Quellenmalerial,  bestimmte  Schlüsse  zu  ziehen.  Immer- 
hin aber  ist,  wie  bereits  gesagt,  die  Wahrscheinlichkeit  sehr  nahe- 
liegend. 

Wchrmann**)  betrachtet  die  Sitte,  Älterleute  der  Ämter 
zu  Rate  zu  ziehen,  als  einen  Fortschritt.  Wir  halten  dieselbe 
nicht  für  ein  Produkt  progressiver  Entwicklung,  vielmehr  für 
den  Rest  ehemaliger  Oleichberechtigung.  Schuld  an  dieser  seiner 
Auffassung  trägt  erstens  natürlich  die  Annahme,  daß  die  Rats- 
ordnung von  Heinrich  dem  Löwen  stamme,  in  gewisser  Hinsicht 
auch  seine  allgemeine  irrige  Anschauung,  daß  ,jdie  Handwerker 


■)  Himb.  Kormpondrnt,  M,  A.  laso,  t.  Srpl. 

«)  K   MfinckrtN:r£,  Onrh    d.  (r.  n    HinKStndt  Hjttnb..  Hamb.  I»»,  S.  304 

•)  Jiil,  Weiter,  S.  »,  Obiil  S.  80  B-  81. 

*l  Kappminti,  lOmintTtirectiiiunee"  ü.  Sudt  Huaburs  I.  Qnl.  S.  19w 

*)Va.  U.  S   «4. 

•)  Vchtm.  S.  V. 


* 


sich  nur  allmählich  und  muhäatn  aus  dem  Zustande  der  Un- 
freiheit cmporrangen." ')  Wenn  er  auch  letzteres  nicht  bei  Lübeck 
speziell  annimmt,  so  trägt  eine  derartige  Ansicht  wohl  dazu  bei, 
<]en  Handwerkerstand  als  solchen  unter  einem  ganz  anderen 
^iesichtspunkte  zu  betrachten. 

Es  waltete  somit  von  Anfang  der  Stadt  an  allem  Anscheine 
-«lach  ttein  politisches  Standesvorrecht,  erst  die  Zeit  schuf  ein 
^solches.  Ein  Vorrecht  hat  insoweit  bestanden,  als  nur  der  Grund- 
eigentümer Träger  aller  politischen  Rechte  gewesen  ist.   Mit  dem 
>landel  hielt  das  Gewerbe  nicht  gleichen  Schritt.  Dem  materiellen 
Xlbergewichie  des  Kaufmanns  folgte  auch  bald  das  soziale.    Die 
liuldvolle  Behandlung,  welche  Karl  IV.  während   seiner  zehn- 
•«ägigen    Anwesenheit   im   Jahre   1375   den    Geschlechtern   ange- 
^eihen  ließ,  erhöhte  ihr  Selbstgefühl  nur  noch  mehr.   Im  Jahre 
1379  stifteten  sie  die  Zirkel brüderschaft  (sodetas  portans  circulum). 
^uch  der  Handwerkerstand  erstarkte,  imd  damit  wuchs  das  Selbst- 
l>e\('u6tsein.  in  noch  höherem  Maße  aber  der  Groll  über  die  Vor- 
lierrschaft  der  Patrizier.   Schon  lange  gährle  es  unter  den  Hand- 
■werkem.  Darauf  deutet  hin  die  Bemerkung  des  Chronisten  ütwr 
den  Haupträdelsführer  in  dem  Knochen  ha  ueraufs  lande,  Hinrik 
Paternostermaker,  de  hadde  da*  14  jaar  ghehandelt') 


Drittes  Kapilel. 

Das  Zunftwesen  in  Lübeck. 

§  1.  Erstes  Auftreten  der  Ämter. 
In  Lübeck  hießen  diejenigen  gewerblichen  Verbände  der 
Handwerker,  welche  staatsbürgerliche  Rechte  besaßen,  gewöhn- 
lich Amier *)  (ammet,  ampt,*)  amhacht*).  Die  entsprechende 
lateinische  Bezeichnung  lautet  officium.*)  Beide  Worte,  Amt 
sowie    officium,    bezeichnen  außerdem  das  Geschäft    des   ein- 


1)  Wrfirm.  S,  M. 

*)  a.T.  d    dtK-h.  St.    Lüb.  ]    S.  SA1. 

1  Vgl.  Wdirm.  S.  73  II.  Dit  kautmirniichcn  Kotporalioncn  hldVcn  Niclm.  d,  h. 
Nalinom.  ««i  lie  Ihre  Nitneii  »ön  <Jcn  ün«n  twlci  Llndmi  oitleliril  halicii,  mil  dnwn 
»i<  hmpUäehHch  Hindri  Kicben  iWcliitn.  S.  25). 

•)  Wflirm.  S  IM  ».  13»,  R.  d,  B»dCT.  Wdirm.  &  176  ■.  13»  R.  d.  Bölldier. 

»I  Wdirai.  S  205  «.  137«,  R.  dtr  0«rt>rito. 

•)  U.  B.  II  S.  357  a.  1321. 


r.  1 


zelnen.')  Nebw  der  Bezeichnung  Amt  (officium)  finden  sich  die 
synonymen  Ausdrücke  consortium")  und  kumpanie')  in  den 
Quellen. 

Nicht  alle  Handwerksar ten^  welche  wir  in  der  statistischen 
Zusammenstellung  aufzählen  lionnten,  besaßen  gewerbliche  Ver- 
bände. Erst  verhältnismäßig  spät  für  eine  so  rasch  entwickelte 
Stadt  wie  Lübeck  berichten  uns  die  Quellen  über  das  Bestehen 
von  Ämtern,  was  natürlich  nicht  gegen  eine  ältere  Existenz  der- 
selben spricht.  Zur  Zeit,  da  die  ersten  Nachrichten  darüber  auf- 
tauchen, sind  sie  bereits  eine  fertige  Institution.  Als  ältestes,  'Brenn 
auch  indirektes  Zeugnis  für  das  Bestehen  von  Ämtern  in  Lübeck 
dürfte  wohl  eine  Urkunde')  aus  dem  Jahre  1225  zu  betrachten 
sein,  [n  derselben  verleiht  der  Eörst  Borwtn  von  Meklenburg  der 
Stadt  Oadebusch  mehrere  Freiheiten  der  Stadt  Lübeck,  worunter 
auch  diejenigen  der  pistores  et  cariiifices  erwähnt  werden.  In 
ähnlicher  Weise  sind  um  die  Mitte  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
im  Sladlrechte")  von  Wismar  die  Rechte  der  Bäcker  von  Lübeck 
verzeichnet,  während  uns  solche  in  den  Quellen  Lübecks  selbst 
nicht  begegnen. 

Erst  in  der  zweiten  Hälfte  des  dreizehnten  Jahrhunderts 
fließen  die  Quellen  der  Stadt  Lübeck  reichlicher.  Jetzt  erfahren 
wir,  daß  die  Handwerker  je  eines  besonderen  Gewerbes  gemein- 
same Verkaufsstätlen ")  haben,  ja  wir  hören  sogar  von  einer 
domus  pelUficum  et  domus  kuterorum.  Die  ersten  direkten  und 
bestimmten  Nachrichten  über  das  Bestehen  von  Amtern  geben 
uns  eine  Urkunde-)  aus  dem  Jahre  1232  und  das  von  dem 
Kanzler  Albrecht  von  Bardewich  im  Jahre  1294  verfaßte  Stadt- 


')  Wdinti.  S.  M.  In  unserer  Zdt  »ird  du  QcKliltl  des  Einidneo  meist  im  Li- 
IdnlKfeen  ntll  oinis  benichnft  (U,  8.  IE  S.  ZI  H.  a  12S9). 

*i  V.  B.  11  S.  1046  AniD.  7  a.  131(1—38,  nur  einmal  ron  dem  Amte  äa  Knochen- 
hin  er  auieetaeL 

>)  Wehrtn.  S.  301  iL  IST6,  Rolle  d.  OarbnUei  und  S.  207  i.  ISTD,  R.  d.  airtntr. 

')  M«iilenburaiwh«  Urkundetibuch.    I    S,  303, 

*)  Biinnci»er,  Altertümer  du  Wliraartctien  Sttdlrcchla  &  S8. 

•)  V.  D.  I  S.  34a  tf.  ■  i2&r 

n  U.  B.  I.  S.  J95. 


Die  Anßnge  des  Handwerks  In  Lübeck.  153 

recht')  Dieses  enthält  eine  Sammlung  lübeckischer  Rechtssätze, 
die  im  einzelnen  schon  viele  Jahrzehnte  vorher  entstanden  sein 
dürften. 

Was  die  Zahl  der  Amter  anbetrifft,  so  können  wir  dieselbe 
nicht  mehr  genau  fixieren,  da  wir  nur  sporadische  Nachrichten 
darüber  besitzen.  In  den  Jahren  1471  und  1474  wurden  fünfzig 
Amter  festgestellt*)  Nicht  soviele  können  wir  natürlich  für  unsere 
Periode  annehmen.  Bis  zum  Jahre  1384  begegnen  uns  in  den 
Quellen  folgende  Ämter  zum  ersten  Male  :■) 

1.  apengeter  Rotgießer  (Wehrm.  S.  _157  a.  1432). 

2.  armborsterer  Armbrustmacher  (Wehrm.  S.  160  a.  1425)   ? 
S.badstover  Bader  (Wehrm.  S.  162,  Mitte  d.  14.  Jahrh.)- 

4.  becker  Bäcker  (Hach  S.  355  a.  1294). 

5.  budelmakere  Beutler  (Wehrm.  S.376  a.  135Q). 

6.  paternostermaker  Bemsteindreher  (Wehrm.  S.  350  a.  1360). 

7.  bodeker  Böttcher  (Wehrm.  S.  176  a.  1321). 
S.bruwer  Brauer  (Wehrm.  S.  178  a.  1363). 
O.buntmaker  Buntffltterer  (Wehrm.  S.  190  a.  1386). 

lO.dr^yer  Drechsler  (Wehrm.  S.  201  a.  1345). 

n.piscatores  Fischer  (U.  B.  IV  S.  357  a.  1376). 

12.  garbradere  Qarbräter  (Wehrm.  S.  203  a.  1376). 

13.gherdener  Gärtner  (Wehrm.  S.  207  a.  1370). 

14.  cerdones  Gerber  (U.  B.  II  S.  761  a.  1345). 

IS.goldsmede  Goldschmiede  (U.  B.  II  S.  1045  Anra.  a.  1334). 

16.  grapengeter  Grapengießer  (Wehrm.  S.  225  a.  1354). 

17.  heringwaschere  Heringswascher  (U.  B.  IV  S.  129  a.  1360-70). 
18.filtrarii  Hutmacher  (U.  B.  11  S.  357  a.  1321). 

19.  kannengeter  Zinngießer  (Wehrm.  S.  248  a.  1421). 

20.  knokenhowere  Knochenhauer  (U.  B.  II  S.  1046  a.  1316-38). 
21.1ynenwevere  Leinweber  (Wehrm.  S.  320  14.  Jahrh.). 

■)  Hadi  S.  349  nnd  K5.  Der  Codex  WestphileiH  stunmt  nicht  ■«  dem  Jahre 
1240b  KifKieni  ans  ipttem-  Zdl  (x^en  Tdirm.  S.  13  nnd  Jnl.  Welter  S.  39).  Vgl.  Preiu- 
dorff,  d.  lab.  Redit  nach  tdncn  Utettea  Fonnen  tSJi. 

■)  Wehnn,  S.  15. 

■)  BofickilditiKimK  flndcn  aadn  diejenigen  Ämter,  von  denen  «Ir  munlttelbar 
mcb  muercr  Periode  hören,  oder  deren  Rollen  auf  da  hohes  Alter  dea  betr.  Amtes 
•dUieBen  la«en.  In  letzteren  Falle  gäten  die  antentrichenoi  2Uilcn  an,  vo  lich  dcr- 
anige  Aadentm^eD  flnden. 


154  J>kob  Höhler. 


22.  makr  unde  glasewerler  Maler  und  Glaser  (Wehrm.  S.  326 
vor  1425). 

23.  auricaicifabri  Messingschläger  (U.  B.  II  S.  474  a.  1330). 
24.neteler  Nädler  {Wehrm.  S.  339  a.  1356). 

25.  pellifices  Pelzer  {U.  B.  IV  S.  357  a.  1376). 

26.  perminter   Pergamentmacher   (Wehrm.    S.  363  a.  1330). 

27.  platensleghcre  Platenschläger  (Wehrm.  S.  365  a.  1370). 
28.corrigiarii  Riemer  (Wehrm.  S.  370  a.  1347). 

29.  remenslegher  Gürtler  (Wehrm.  S.  370  a.  1414). 

30.  clipeatores  Schildmacher  (U.  B.  1  S.  395  a.  1282). 
31.fabri  Schmiede  (U.  B.  IV  S.  337  a.  1376). 
32.sartores  Schneider  (U.  B.  IV  S.  357  a.  1376). 
33.sutores  Schuhmacher  (U.  B.  IV  S.  357  a.  1376). 
34.schacht&nider  Schachtschneider  (Wehrm.  S.  201  a.  1364). 
35.reper  Seiler  (Wehrm.  S.  "^80  a.  1390). 

36.  tymmerlude  Zimmerleute  (Wehrm.  S.  457  u.  460  a.  1428). 
§  2.  Rechtliche  Stellung  und  Einftuss  der  Ämter 
„Die  mittelalterliche  Zunft  ist  ein  unter  obrigkeitlicher  Sank- 
tion errichteter  Zwangsverband,  dessen  Mitgliedschaft  die  Voraus- 
setzung für  die  Ausübung  eines  bestimmten  Gewerbes  innerhalb 
der  Gemeinde  bildet."')  Das  allgemeine  Motiv  für  die  Ent- 
stehung der  Zünfte  ist  der  lebhafte  Assoziationstrieb  des  Mittel- 
alters, das  spezielle  Motiv  die  Ausübung  des  Zunftzwanges.') 
Der  Zunftzwang  diente  dem  Schutze  der  gemeinsamen  Ziele,  er 
bildet  demnach  das  Wesen  der  Zunft  Er  kann  aber  nur  mit 
Hilfe  der  Macht  der  städtischen  Obrigkeit  ausgeübt  werden, 
hängt  mithin  von  ihrem  Willen  ab;  demnach  gehört  die  Öffent- 
liche Bestätigung  zum  Wesen  der  Zunft*)  Die  Zunft  war  erstens 
um  der  Stadt  willen  und  npcitcns  um  ihrer  selbst  willen  da 
(dat  sc  vorderen  des  Stades  nut  unde  de  mestere).*!  War  sie 
nun  in  erster  Linie  der  Stadt  wegen  da,  also  Trägerin  eines  ihr 
von  der  Stadt  anvertrauten  Amtes,  so  ergab  sich  naturgemäß 


>)  *.  Belo«,  EnblrhuDK  d.  dttch.  Stadttrcindndc     S.  1\. 

>>  V.  Bclo»,  WÖrtcTbiich  für  VolliiviHM-hati,  Arlllwl  ZOnftC. 

*i  O.  Croon,  Zur  Enitteliuns  dn  ZunItweKru,    Mart.  DiM.    1001,    &  10. 

•)  H«di  S.  M«. 


Die  Anfing«  des  Hätidwerte  in  Lübeck. 


ein  gewisses  Abhängigkeitsverhältnis.  Das  Abhängigkeitsverhältnis 
der  Amter  in  Lübeck  gegenüber  dem  Rate  soll  uns  im  folgenden 
beschäftigen. 

Wie  die  städtische  Obrigkeit  dem  einzelnen  die  Erlaubnis 
zur  Ausübung  seines  Gewerbes  erteilte,  so  konnte  auch  nur 
allein  sie  das  neugebildete  Amt  bestätigen.  Freilich  übernahm  das 
Amt  damit  Pflichten,  aber  andererseits  erlangte  es  auch  dadurch 
bedeutende  Rechte.  Identisch  mit  der  Erlaubnis,  sich  gewerb- 
lich einen  zu  dürfen,  war  vermutlich  in  alter  Zeit  diejenige, 
Morgensprachc  halten  zu  dürfen.  Unter  dem  Worte  Morgen- 
sprachc  im  allgemeinen  verstehen  wir  Amtsversammlungen.') 

Schon  bevor  sich  Nachrichten  über  die  Amter  finden,  exi- 
stieren solche  über  die  Morgensprache.  Das  älteste  uns  er- 
haltene niederdeutsche  Recht  der  Stadt  Lübeck  berichtet  uns  über 
die  Morgensprache  folgendes:')  Dar  Sude  sint  in  der  slat,  den 
de  rat  gcgheven  heft  morghensprake,  dat  se  dar  inne  vorderen 
des  Stades  nut  unde  de  mestere,  dar  to  gesworen  hebben,  dat 
se  dat  truweliken  don.  maket  se  dar  boven  en  andere  morghen- 
spralce,  de  weder  de  stat  si,  dar  umme  scholeii  wedden  de 
mestere  alier  lic  dre  mark  sulvers  unde  moten  unberen  des 
States  woninghe  unde  er  iewelic,  de  over  der  morghensprake 
was,  schal  wcddcn  die  mark  sulvers  unde  scholen  cnbcrcn  der 
morghensprake  undtr  dat  lieh  in  den  ratmannen,  wat  se  des  nemcn. 
In  mancherlei  Hinsicht  gibt  uns  diese  Bestimmung  Auskunft. 
Die  Erlaubnis,  Morgensprache  halten  zu  dürfen,  wurde  anfäng- 
lich summarisch  erteilt,  d.  h.  sie  wurde  ein  für  alle  Mal  gegeben. 
Den  Vorsitz  über  die  Morgensprache  führten  die  Älterleute 
(mestere].  Sie  schworen  dem  Rate  bei  ihrem  Amtsantritte  einen 
Eid,  dafür  zu  sorgen,  dafl  in  der  Morgensprache  nichts  Feind- 
liches gegen  die  Stadt  beschlossen  würde.  Wurde  diese  Vor- 
schrift nicht  gehallen,  so  übte  der  Rat  das  Recht  der  Strafbe- 
stimmung aus.  Die  härteste  Strafe  traf  die  ÄlterJeute  als  den 
verantwortlichen  Teil.  Sie  bezahlen  drei  Mark  Silbers  und  werden 
aus  der  Stadt  verwiesen.   Die  Handwerker  (iude)  bezahlen  cbcn- 


«t  Wrtnn.  S.  T3. 
*)  tUeh  S.  »g. 


156  Jakob  Höhler 


falls  drei  Mark  Silbers  und  vertieren  das  Recht  Morgensprache 
halten  zu  dürfen.  U'as  das  Stadtrecht  über  die  Identität  der 
Konstituierung  eines  Amtes  mit  der  Erlaubnis,  Mcrgensprachc 
halten  zu  dürfen,  nur  vermuten  läßt,  drückt  in  spezieller  Form 
die  Rolle  der  Bader')  mit  folgenden  Worten  deutlicher  aus: 
Witlik  zy  juw  gnedigen  heren,  alse  wy  unsc  morgcnsprake  hebben 
van  gode  unde  juwert  gnaden,  unde  we  de  morgensprake  vor- 
sumet  van  den  sulvesheren,  de  schal  dat  wedden  mit  enemc 
halven  punde  wasses  na  unser  heren  gnade.  Demnach  war  der 
Besuch  der  Morgensprache  für  alle  Amtsgenossen  obligatorisch. 
Somit  traf  die  Strafe,  welche  im  Stadtrechte  angedroht  wurde,  alle 
Mitglieder  des  Amtes.  Dieselbe  war  ferner  fast  identisch  mit 
einer  zeitweiligen  Auflösung  des  Amtes.  Denn  gerade  in  der 
Margensprache  fand  das  genossenschaftliche  Leben  eines  Amtes 
seinen  vorzfiglichsten  Ausdruck.  Dafi  mit  dem  Verbote,  Morgen- 
sprache halten  zu  dürfen,  zugleich  auch  die  Ausübung  des  Ge- 
werbes den  Meistern  untersagt  wurde,  ist  aus  dem  Artikel  über 
die  Morgensprache  nicht  zu  entnehmen.')  Nur  von  zwei  Ämtern 
wissen  wir,  daÜ  sie  ohne  die  Anwesenheit  von  Ratsherrn  keine 
Morgensprache  hallen  durften.  Es  waren  die  Plalenschläger») 
und  die  Knochenhauer.*)  Bei  letzteren  finden  wir  eine  derartige 
Abhängigkeit  und  Unselbständigkeit  begreiflich,  weil  sie  sich  in 
hervorragendem  Maße  an  dem  Aufstande  vom  Jahre  1384  bt- 
teiligten,  bei  den  Platenschtägern  dagegen  kennen  wir  nicht  den 
Grund.  Im  allgemeinen  dürfen  wir  annehmen,  daß  die  Selb- 
ständigkeit und  Autonomie  der  Ämter  in  früherer  Zeit  größer 
gewesen  ist  als  später,  wo  sich  die  Gegensätze  immer  melir  zu- 
spitzten. 

Bei  der  Trennung  oder  Vereinigung  der  Ämter  lag  die 
definitive  Entscheidung  ganz  in  den  Händen  des  Rates.  Dies 
beweist  folgende  Stelle;  Wittlic  sy,  dat  unse  ampte  der  remen- 
snidere  unde  der  budelmakerc  gescheden  synd  van  den  erbaren 


')  Wthrri.  S.  IM  k.  tJSO. 

»J  Ocgüi  ;ul  Well«  S.  37. 

*)  WthTm.  S,  3(*.  R.  d.  PUlenichllcer  i.  1370. 

•)  Wehrin.  S.  2W.  R.  d.  Kjioch«ih«uer  i  IMS. 


Die  Anfänge  des  Handvo-ks  in  Lübeck.  157 

unsen  heren  dem  gantzen  rade  to  Lubeke.')  Freilich  klingt  eine 
derartige  Sprache  sehr  selbstherrlich,  immerhin  aber  ist  anzu- 
nehmen, daß  in  erster  Linie  die  Mitglieder  des  betreffenden 
Amtes  selbst  auf  die  Notwendigkeit  der  Sache  hinwiesen,  von  dem 
Rate  dagegen  die  Trennung  sanktioniert  wurde. 

Die  Wirksamkeit  des  Rates  gegenüber  den  Amtern  offen- 
barte sich  namentlich  bei  der  Gewerbegesetzgebung  und  bei 
der  GeweriÄgerichtsbarkeit  In  Bezug  auf  die  Oewerbegesetz- 
gdiung  sind  die  Anfangs-  und  Schlußformeln  der  einzelnen 
Statuten  am  besten  dazu  geeignet,  uns  ein  richtiges  Bild  von  dem 
Ataße  der  Autonomie  der  Amter  gegenüber  der  Stadtobrigkeit 
zu  zeichnen: 

1.  Anno  1321,  quod  magistri  filtrariorum  et  communiter 
omnes  de  officio  fecerunt  inter  se  statutum  et  arbitrium . . . 
Istud  statutum  et  arbitrium  domini  consules  in  consistorio 
sedentes  confirmaverunt.') 

2.  Anno  Domini  1330  Nicolai  consules  decreverunt  cum 
auricaicifabris  hoc  statuentes.') 

3.  a.  1330.  Notum  sit,  quod  pergamentarii  in  Lubeke  unani- 
miter  concordaverunt  .... 

Ad  ista  omnia  domini  consules  sedentes  in  consistorio 
consensum  dederunt*) 

4.  Anno  Domini  1347  domini  consules  decreverunt') 

5.  a.  1355.  Domini  consules  cum  operarüs  seu  operum  ma- 
gistris  ordinavenint  et  statuerunt.*) 

6.  a.  1361.  den  kutheren  hebbet  desse  heren  vor  eyn  recht 
g^heven.») 

7.  a.  1350 — 70.  Notum  sit,  quod  honorabiles  viri  domini 
consules  Lubicenses  officio  cerdonum  ab  antiquo  istam 
Constitutionen  iuris  assignavenint*) 


I)  Wdinn.  S.  376. 

*)  U.  B.  II  S  357. 

t  U.  B.  II  S.  474. 

<)  Wdinn.  S.  364  n.  S.  365. 

*)  Wehrn.  S.  376. 

•)  U.  B.  III  S.  150. 

*)  U.  B.  111.  s.  4n. 

•)  Wdinn.  S.  317. 


15S  Jakob  H5h]£r. 

8.  In  dem  jare  godes  1369  xrart  m>-t  der  hercn  vulbort 
gematcet  trischen  den  knokenhoweren  unde  den  gar- 
brcdem  desse  wilkore  unde  upsat ') 

9.  i.  1370.  der  pUtensleghere  ambetti  scal  men  holden  in 
der  wise  alse  hir  nabescreven  steyt,  van  vulbort  unde 
willen  der  heren,  der  ralmanne.'} 

10-  a.  1371.  Wy  radmanne  der  sUdt  to  Lubekc  hcbben  dor 
mener  nut  unde  vromen  Tillen  unde  vaa  bede  ireghene 
der  goldsmede  user  Stadt  gheorlovet  unde  ghesat  desse 
stucke  unde  artikele.') 

11.  a.  1376.  Wy  garbradere  hebben  van  gode  und  van  juven 
vorvahren  und  darnegest  van  juver  vulbort  dat  .  .  .  Unde 
dit  ts  gevulbordet  myt  der  mestere  rade  unde  der  gantzen 
kumpanyc.*) 

12.  In  dem  iare  godes  1385  do  wart  de  rat  des  ens.') 
Schon  aus  dem   Vorhergehenden  geht  mit  hinreichender 

Sicherheit  hervor,  daS  es  verschiedene,  m  unserem  Falle  drei 
Arten  von  Statuten  gegeben  hat,  nämlich  Rollen,*)  Willküren  und 
Ordnungen.  Line  Rolle  ist  das  gesamte  niedergeschriebene  Recht 
eines  Amtes,  welches  meist  von  diesem  verfaßt  und  von  dem 
Rate  bestätigt  rurdc.  Die  Abfassung  geschah  meist  von  selten 
des  Amtes.  Daraufhin  weist  zunächst  der  Umstand,  daß  der 
Rat  der  nötigen  Sach-  und  Fachkenntnis  entbehrte,  daraufhin 
deutet  ferner  das  ganze  Gepräge,  die  Sprache  und  mangelhafte 
Abfassung,  schließlich  auch  noch  die  häuHge  Anwendung  der 
ersten  Person  tfwyj)  Den  Anfang  von  Rollen  bezeichnen  Nr.  3, 
7,  8,  0,  lOj  11  und  12.  Eine  Witiküre  ist  ein  einzelnes  aus  dem 
Willen  eines  Amtes  hervorgegangenes  und  vom  Rate  bwLitigtes 
Statut  (Nr.  I).  Eine  Verordnung  schließlich  ist  ein  einzelnes  vom 
Rate  meist  eigenmächtig  erlassenes  Statut  (Nr.  2,  4,  5,  6). 

'■<  Wchini.  S.  206. 
»I  Wehrui.  S.  3M. 
»,  Wcbtm.  S,  Kl. 

•}  wthra.  s  303  n.  aas. 

*)  W*hnn.  S.  MO. 

*)  Wchtm.  S    IS.     nincltim    wurden    dnhalh    M)  bounnt,   vdl    «Ic    urlpninctich 
■nr  dn  CMvunenitiUn  endihclMn  und  auffreroUt  wurden. 

0  Welitm.  S.  142,  R.  iJ    Badrr,  a   203.  R.  d.  Oi/JirKcr. 


Die  Anfinge  des  Handverlcs  in  Lübeck. 


* 
* 


Freilich  sind  diese  drei  Unterschiede  von  Statuten  praktisch 
nicht  immer  so  scharf  durchgeführt  worden,  aber  theoretisch 
■mind  prinzipiell  bestanden  sie. ')    Wenn  also  eine   Rolle  das  ge- 
samte Recht  eines  Amtes  repräsentierte,  so  umfaßte  sie  meist 
•«las  gekorene  und  gegebene  Recht  zusammen,  bedeutete  daher 
^ne  Kodifiimtian  aller  Rechte  eines  Amtes.   Stand  es  auch  dem 
I^ate  zu,  eigenmächtig  Statuten  zu  erlassen,  so  zog  er  doch  recht 
«ft  das  betreffende  Amt  zu  Rate,  vielleicht  aus  Wohlwollen,  viel- 
Jleicht  auch,  weil  ihm  nicht  die  praktische  Erfahrung  zur  Seite 
stand.     Bei    den    Willküren    ging    die    Initiative    immer    von 
«lern  Amte  aus.    Dasselbe  verfaßte  das  Statut  und  unterbreitete 
«s  der  Genehmigung  der  Obrigkeit.   Waren  die  Beschlüsse  von 
<lem  Rate  sanktioniert,  so  besaßen  sie  rechtsverbindliche  Kraft. 
JHanche  Amter  bestanden  sicherEich  schon  sehr  lange,  ohne  ein 
X'esch riebe nes  Recht  zu  besitzen.    Daher  bedeuteten  die  Rollen 
oft  nur  die  Fixierung  des  Gewohnheitsrechtes,  das  sich  im  Laufe 
der  Zeit  herausgebildet  hatte,  inetät  verdankten  sie  ihre  Ent- 
stehung wohl  irgend  einem  besonderen  Anlasse.    Erachtete  der 
Rat  eine  Änderung  für  ratsam  und  nötig,  so  stand  ihm  das  Recht 
zu,  ein  neues  Statut  zu  erlassen.    Daraufhin  deuten  die  fast  in 
jeder    Rolle  vorkommenden    Ausdrücke   wie   quamdiu    domlnis 
placuerit;  immerhin  aber  dürfen  wir  daraus  nicht  allzu  scharfe 
Konsequenzen  ziehen.    Wenn  wir  uns  vergegenwärtigen,  daß  in 
diesen  Worten  dem  Rate  als  allgemeiner  slüdlischer  Obrigkeit  die 
Achtung  und   Ehrfurcht  der  Amter  versichert   werden  sollte, 
und  wenn  wir  uns  andererseits  erinnern,  daß  der  Rat  doch  recht 
oft  die  Handwerker  zu  Rate  gezogen,  selbst  wenn  es  verfassungs- 
gcmäb  nicht  erforderlich  war,  so  werden  wir  zu  dem  Schlüsse 
gelangen,  daß  die  Harmonie  zwischen  den  Ämtern  und  dem 
Rate  in  früherer  Zeit  eine  ziemlich  große  gewesen  sein  muß. 
Wenigstens  erfahren  wir  nicht,  daß  irgend  ein  Mißton  das  gute 
Verhältnis  zwischen  beiden  gestört  hätte.  Daher  finden  wir  die 
Annahme  Wehrmanns, ')  dali  «die  Selbstbestimmung  der  Amier 

*)  In  «wai  tfütttt  Zell  tlndng  vir  uHkrdrtn  noch  tJ«llcbiin|icn.  vdcht,  nll 
ihnen  dir  Bnlillgung  de*  Rxl«>  tdilk,  kdnir  RrchJiIciiifl  l>ci»vn  iWrhmi.  S.  135,  R  d. 
ScUb  i.  ISMt  dll  heb'bcii  vnic  implbnKl«-  b«1evei  rin  oldin£n  htr|. 

*)  Wdum.  S  «I, 


( 


immer  in  dem  Willen  des  Rates  eine  Grenze  fand,  nicht  aber 
umgekehrt  der  >X''ille  des  Rates  eine  Grenze  in  der  Selbstbe- 
stimmung der  Amter",  nicht  ganz  berechtigt  Schon  Qierke') 
hat  in  seinem  Oenossensc haftsrechte  mit  Recht  betont,  „daß  eine 
derartige  Annahme  doch  zu  weit  gehe".  Dagegen  spricht  denn 
auch  die  Praxis.  Allerdings  dürfen  wir  nicht  die  Rolle  der 
Kncchenhauer  als  Beispiel  anführen;  aber  dieselbe  hat  ja  auch 
einen  politischen  Hintergrund  und  dürfte  eher  als  Anomalie 
zu  betrachten  sein.  Dafi  zwischen  der  Obrigkeit  und  einem 
Amte,  welches  kurz  vorher  noch  sich  mit  revolutionären  Ideen 
und  Hoffnungen  schmeichelte,  kein  gutes  Verhältnis  bestand,  ist 
nicht  zu  verwundern. 

Bereits  aus  den  Tatsachen,  daß  die  stidtische  Obrigkeit 
die  Aufsicht  über  Handel  und  Gewerbe  übte,  daß  sie  femer 
das  Recht  hatte,  den  Ämtern  Gesetze  zu  diktieren  oder  die 
Rechtskraft  der  Amtsstatuten  von  ihrer  Bestätigung  abhängig  zu 
machen,  folgt,  daß  die  Ämter  überhaupt  keine  Gerichtsbarkeit 
in  Gewerbesachen  besaßen.  Bei  allen  wichtigen  Amtsangelegen- 
heiten finden  wir  die  Autorität  des  Rates  vertreten,  bei  allen 
Fragen  und  Streitigkeiten  in  Gewerbesachen  war  und  blieb  der 
Rat  die  erste  und  höchste  Instanz.')  Das  spezielle  Organ,  die 
infolge  der  Übertretung  der  Statuten  sich  ergebenden  Bußen  zu 
erheben,  die  Streitigkeiten  zu  schlichten  und  die  Oewerbegerichts- 
barkeit  auszuüben,  waren  zwei  jährlich  ernannte  „weddemestere". 
Die  Älterleute  waren  in  dieser  Hinsicht  nur  eine  Aufsichtsbehörde 
im  Dienste  der  städtischen  Obrigkeit;  die  eigentliche  Gerichts- 
barkeit und  Qewerbepollzei  atrer  wurde  von  den  Wetteherren 
ausgeübt 

An  der  Spitze  der  Ämter  standen  die  Älterleute  (mestere, 
magistri  officiorum  mechanicorum),  welche  bei  ihrem  Amtsan- 
tritte vereidigt  wurden.  Die  Wah!  der  Älterleute  ist  aller  Wahr- 
scheinlichkeil nach  von  dem  Amte  selbst  getroffen  worden,*)  be- 


■)  O.  Oinkf.  Du  dtich.  OenouciiKhiHirechl  l  S.  381  Anin.  03. 

1  K.  Hcg«1,  Sadte  tnidOitücD  der  t!n-maiiiKh«i  Völker  Im  MitlclallM  II.  S.  457. 
fromm,  Archiv  für  Ftankfum  Onch.  ii.  Kumt,  3.  Fol^e,  B>d.  VI,  AufMU:  FnoUviti 
Tatll8r*erb«  itn  M.-A.    S.  3$  und  ». 

•>  So  »uth  Wehrm.  5.  68. 


Die  Anfänge  des  Handwerks  in  Lübeck. 


161 


I 


durfte  aber  einer  Bestätigung  der  Obrigkeit.    Leider  berichten 
uns  die  QueÜen  darüber  nichts  Bestimmtes.    Aber  gerade  der 
Umstand,  daß  den  Knochenhauern  seit  1384  das  Recht  genommen 
wurde,')    eigenmächtig    Genossen    in    ihr  Amt  aufzunehmen  und 
Alterleute  zu  wählen,  spricht  dafür,  daß  der  Rat  im  aJlgenieinen 
den  Ämtern  selbst  die  Wahl  ihrer  Älterleule  überließ.    Dieses 
Recht  verblieb  denn  auch  den  Ämtern  noch  einige  Jahrhundertc 
Jang.'J     Die   Formel  bei  der  Vereidigung    der  Älterieute    lautete 
nach  Wehrmann:')    „dat  Ik  dat  ampt  truweliken  vorstan  wil   na 
alk  myner  macht,  dat  my  god  so  hclpe  unde  alle  syne  hylghen". 
Durch  ihre  Vereidigung  und  infolge  der  allgemeinen  Abhängig- 
keit der  Ämter  waren  die  Älterleute  ganz  und  gar  Beamte  des 
J<ates.   Sie  waren  Organe  im  Dienste  der  städtischen  Obrigkeit. 
Durch  sie  wurden  die  Beziehungen  zwischen  Rat  und  Ämtern 
-vermittelt  Sie  hatten  die  Aufsicht  in  den  Morgensprachen  und 
in  der  Hauptsache  die  Verantwortung,  daß  nichts  Feindliches 
in  derselben  gegen  die  Stadt  unternommen   werde,  sie   hatten 
schließlich  auch  die  Arbeit  ihrer  Amtsbrüder  zu  überwachen. 
Außer  der  Leitung  der  inneren  Angelegenheiten  hatten  die  Älter- 
ieute die  Aufgabe,  das  Amt  nach  außen  zu  vertreten.    Als  Vor- 
steher der  Amter  wurden  die  Altericute  schließlich  noch  bei 
allen  wichtigen  Angelegenheiten  der  Stadt  von  der  Obrigkeit 
zu  Rate  gezogen. 

In  ähnlicher  Weise  wie  bei  der  Wahl  ihrer  Alterleute  waren 
auch  die  Knochenhauer  in  bezugauf  die  Aufnahme  neuer  Amts- 
genofisen  ganz  und  gar  von  dem  Willen  der  Obrigkeit  abhängig. 
Nach  jenem  bekannten  Ereignisse  gestattete  der  Rat  nur  noch 
fünfzig  Knoclienhauem  die  Ausübung  ihres  Handwerks.  Erst 
wenn  eine  Stelle  frei  wurde,  erteilte  er  einem  anderen  das  Recht, 
die  vakant  gewordene  Stelle  einzunehmen.*)  Sonst  war  es  ganz 
dem  Ermessen  der  Amter  anheimgestellt,  selbst  über  die  Auf- 
nahme neuer  Genossen  zu  bestimmen.   Trotzdem  verblieb  dem 


«)  Wdmn.  S.  360,  R.  d,  KnochciUiancr. 

>    Wdim.  S.  68  a.  W. 

•)  W«tirm.  S.  ». 

•3  Wehnn.  S.  3M,  R.  d.  Knothaihinrr  i.  13«, 

Aicbi*  fdt  Kulluntochkhlt.    I,  2. 


u 


Rate  das  Recht,  eigenmächtig  auch  solchen  das  Meisterrecht  zu 
erteilen,  welche  nicht  allen  Pflichten  und  Voraussetzungen  eines 
Amtes  nachkommen  konnten.') 

Das  Amt  war  eine  juristische  Person ;  es  hatte  sein  eigenes 
Recht,  seine  Statuten,  einen  Vorstand  und  sein  eigenes  Ver- 
mögen. In  dieser  Eigenschaft  konnte  es,  wenn  auch  nur  mit 
Erlaubnis  des  Rates,  Beschlüsse  fassen  und  Vertrage  schließen. 
Kraft  solchen  Rechtes  wurde  im  Jahre  1365  myt  der  herrcn  viil- 
bort  gemakct  twischen  den  knocken howcren  unde  den  garbredem 
desse  willkore  unde  upsat.*)  Garbräter  und  Knochenhauer, 
welche  sich  in  ihren  Gewerbebefugnissen  eng  berührten,  schlössen 
mit  der  Genehmigung  des  Rates  ein  Übereinkommen,  in  dem  sie 
gegenseitig  das  Gebiet  ihrer  gewerblichen  Tätigkeit  fest  nor- 
mierten. Analoge  Fälle  dieser  Art  sind  die  Verträge  zwischen 
den  Drechslern  und  Schachtschneidem,')  den  Riemern  und  den 
Beutelmachern,*)  den  Neu-  und  den  Altschneidem^  usw. 

Die  Autonomie  und  Selbständigkeit  der  Ämter  in  Lübeck 
war  also  doch  recht  gering.  Keine  Aktion  von  Bedeutung,  kein 
Gesetz,  kein  Beschluß  geschah  ohne  den  Willen  des  Rates.  Wenn 
wir  daher  in  dem  Aufstande  vom  Jahre  1384  auch  hauptsächlich 
das  Streben  nach  Gleichberechtigung  erbticken,  so  dürfte  doch 
nicht  in  letzter  Linie  auch  die  schon  genannte  geringe  Selb- 
ständigkeit und  andererseits  die  zu  selbstherrliche  Stellung  des 
Rates  als  wesentlicher  Faktor  hinzuzufügen  sein.  Schon  im  Jahre 
1380^  fand  der  Aufstand  von  1384  ein  gewisses  Vorspiel.  Die 
Ämter,  an  Ihrer  Spitze  die  Knochenhauer,  verlangten  ohne  Erfolg 
größere  Freiheit  in  ihren  Amtsangelegenheiten,  und  außerdem 
wolden  se  ere  rechticheit  unde  vryheit  schrivcn  laten  in  des 
Stades  book. 


>)  Wthnn.  S.  W,  R.  d.  Lohenber  ■-  l»0-70;  S.  »1,   R.  <t.  benuteiodreher 

•)  Wdim.  S.  J06.  . 

»1  Wdirm,  S  301  u.  S.  201. 

•)  Wdim.  S.  m. 

*}  Wfhnn.  S.  42).    Vcrgl.  uach  Wchns.  S.  ITO,  R.  d.  BMcbcr  l  1321;   Wekrm. 

&  2»  A.  nn. 

*)  Chr.  d.  <lt«:h.  St.  LAb.  1  S.  SW 


te. 


Die  Anfinge  des  Handwerks  in  Lübeck. 


163 


§3.  Innere  Organisation  der  Ämter. 
1.  Das  Lehrlings  Wesen. 

In  Lübeck  wurden  die  Begriffe  „Lehrling"  und  „Geselle" 
bereits  im  14.  Jahrhundert  scharf  auseinander  gehalten.  In  der 
Rolle  der  Lohgerber')  wird  der  Lehrling  iuvenis,  der  Geselle 
famulus  genannt,  in  der  Rolle  der  Nädler')  begegnen  wir  den 
Bezeichnungen  „junge"  und  „geselle".  Die  Rolle  der  Neu- 
schneider') nennt  den  Lehrling  nterejunge"  und  den  Gesellen 
■knechl",  ebenso  die  Rolle  der  Goldschmiede*)  den  Lehrling 
„jungen"  und  den  Gesellen  „knecht".  In  der  lateinischen  Rolle 
der  Pergamentmachcr/)  welche  schon  aus  dem  Jahre  1330 
stammt,  finden  wir  für  Lehrling  iuvenis  servus  und  für  Geselle 
den  Ausdruck  servus.  Bei  den  Bernsteindrehem*}  wird  schließ- 
lich der  Geselle  „knecht",  „denstknecht",  der  Lehrling  „lere- 
junghe"  genannt. 

Bereits  der  Lehrling  bedurfte  einer  förmlichen  Aufnahme 
in  das  Amt  und  hatte  natürlich  dabei  gewisse  Bedingungen  und 
Voraussetzungen  zu  erfüllen.  Die  Rolle  der  Lohgerber^)  schreibt 
vor,  daß  der  aufzunehmende  Lehrling  nicht  jünger  als  zwölf 
Jahre  alt  sein  dürfe  und  sechs  Jahre  lernen  müsse.  Der  Meister 
hatte  die  Pflicht,  ihn  vorerst  den  Alterleuten  vorzustellen,  worauf 
Mine  Aufnahme  stattfand.  Bei  den  Nädlem*)  war  eine  vier- 
jährige Lehrzelt  und  ein  Jahr  Nachdienst  erforderlich.  Während 
dieser  Zeit  mußte  der  Lehrlingsich  so  viele  Kenntnisse  und  Tüch- 
tigkeit angeeignet  haben,  dat  he  sin  brat  vordenen  mach.  Wer 
das  Schneiderhandwerk ")  erlernen  wollte,  mußte  den  Nachweis 
erbringen,  dat  he  echte  und  recht  geboren  sy,  d.  h.  daß  er  freier 
Herkunft  und  ehelicher  Geburt  sei.  Wenn  wir  auch  nicht  der- 
selben Forderung  für  den  Lehrling  in  anderen  Rollen  begegnen, 

")  Wthmi.  S.  317  t  1350-70. 

*]  Wehrm.  S.  340  i.  1356. 

•)  WekrTD.  S.  412  a.  1370. 

*)  Wdirm.  S.  121  ».  13TI. 

»)  Wdmn.  S.  363  i-  1330. 

•)  Wdirm.  S.  350  «.  13M. 

")  Wehnn.  S.  3IT  «.  njO-70. 

•)  Weknn.  S.  339  R.  d.  Nidltr  >.  1350. 

•)  Wehnn.  S   433  R.  d.  Ncuuhndd»  j.  IITO 

u 


( 


so  ist  doch  anzunehmfn,  daß  dieselbe  von  den  anderen  Ämtern 
ebenfalls  gestellt  worden  ist.  Der  Schneiderlehrling  hatte  femer 
bei  setner  Aufnahme  dem  Amte  eine  Tonne  Bier  2U  schenken. 
Mehr  Angaben  enthalten  die  Rollen  über  die  Anzahl  der  Lehr- 
linge, die  ein  Meister  halten  durfte.  Nur  einen  Lehrling  ru  halten 
war  erlaubt  den  Qoldsch mieden/)  den  Nädlern»)  und  den  Per- 
gamentmachem,^  zwei  den  Bemsteindrehem*)  und  Grapen- 
gießem.*) 

Leider  sind  die  Nachrichten  in  Lübeck  über  das  Lehrlings- 
wcsen  spärlich.  Aus  dem  13.  Jahrhundert  besitzen  wir  darüber 
gar  keine  Nachrichten,  im  M.  Jahrhundert  tauchen  dieselben 
erst  um  1330*}  zum  ersten  Male  auf.  Weil  wir  so  wenige  und 
SD  späte  Mitteilungen  über  das  Lehrlingswesen  besitzen,  vermögen 
wir  hier  nicht  festzustellen,  ob  von  jeher  zwischen  Lehrlingen 
und  Gesellen  ein  Unterschied  bestanden  hat,  oder  seit  wann 
derselbe  zum  ersten  Male  gemacht  worden  istO 
2.  Das  Gesel  len  wesen. 

Hatte  der  Lehrling  seine  Zeit  beendet,  so  trat  er  in  den 
Gesellenstand  ein,  er  wurde  Geselle  (geselle,  knecht,  denstknecht, 
bode,  servus,  famulus).  Leider  finden  wir  in  den  Rollen  keine 
Angaben,  ob  derselbe  vorher  eine  Prüfung  zu  bestehen  halte, 
noch  ob  ihm  ein  Lehrbrief  ausgestellt  wurde. '^  Auf  alle  Fälle 
mußte  jeder  Geselle,  welcher  bei  einem  Meister  einer  anderen  Stadt 
in  den  Dienst  treten  wollte,  einen  Lehrbrief  besitzen.  So  stellten  Bür- 
germeister und  Ratmänncr  der  Stadt  Wartberg*)  einem  nach  Lübeck 
wandernden  Gesellen  einen  Lehrbrief  aus,  in  welchem  versichert 
wird,  daß  der  Geselle  neben  dem  Besitze  der  nötigen  Fach- 
kenntnisse sich  auch  eines  guten  Rufes  erfreue. 


1}  Wcfann,  S.  221  R.  d.  GolrischnilHle  i.  1311. 
<)  Wrhnn.  S^  »0  i.  HSb  R.  d.  Nid1«T, 
*)  Wehnii.  S  303  R.  d.  Peixunentmich«  a.  IJ30. 
•)  Wehnti,  S   3»  R.  d    (kinilcinriiftier  a.  1360. 
»)  W«hnn.  S.  237  R,  d.  Onip«n£ictkr  nicl)  1376. 
•)  Vgl-  Anmctliiina  3. 

>)  ViLlmatleoB.  daru  von  Bttov,  Wlbch.  d.  VotktvIrlKhatt  II.  Art.  Zünfte  S.  079. 
■)  Nadi  Techoi.  Ham.  OacliiüiUbUcicr.  Jahr.f.  IM?   S.  43  Ott  ein  Produkt  dta 
16.  JahrhandtTtt. 

•)  U.  B.  n  &  761  L  1345. 


Lehrling  und  GeseUe  hatten,  weil  sie  unverheiratet  waren,') 
beide  Wohnung  und  Kost  in  dem  Hause  ihres  Meisters  und 
galten  gewissermaßen  als  FamiÜenmitgUeder.  Streng  wurde  Ihr 
sittliches  Betragen  kontrollierL  Fast  in  jeder  Rolle  finden  wir 
Vorschriften  über  das  sittliche  Verhalten  der  Gesellen  und  Lehr- 
linge. Wer  bei  den  Badern*)  hoch  spielte,  würfelte  oder  wettete, 
bezahlte  zur  Strafe  ein  halbes  Pfund.  Bei  den  Oarbrätem^ 
vurden  über  nächtliches  und  unerlaubtes  Ausbleiben  (utslapen), 
ebenso  Würfelspiel  und  Kegeln  streng  geahndet  Die  Gesellen 
der  Knochenhauer*)  bül3ten  Schlägerei  und  üble  Reden  gegen 
Frauen  mit  einem  halben  Pfunde.  Ebensoviel  entrichteten  der 
Knecht  für  übernächtlkhes  Ausbleiben  und  der  Meister,  welcher 
dasselbe  verschwieg.  Worfelte  der  Herr  mit  seinem  Knechte 
höher  als  um  sechs  Pfennige,  so  bezahlten  beide  drei  Mark. 
Die  Gesellen  der  Gerber,*)  Bernsteindreher')  und  Riemer^) 
wurden  für  das  „utslapen"  mit  zehn  Schillingen  bestraft.  Meister 
und  Geselle  liei  den  Perganientmachern^)  entrichteten,,  wenn 
sie  zusammen  würfelten,  zehn  Schillinge.  Stahl  gar  ein  Geselle 
sdnem  Meister  irgend  etwas  im  Werte  von  sechs  Pfennigen,  so 
durfte  ihn  kein  Meister  mehr  in  den  Dienst  nehmen.  Dieselbe  Rolle 
drohte  Knechten,  welche  bei  Tage  dem  Müßiggange  huldigten, 
die  strengste  Strafe  an.  In  keiner  der  fünf  wendischen  Städte 
bnd  derjenige  Böttcher*)  Aufnahme,  welcher  zweimal  heimlich 
und  unerlaubtausdem  Dienste  seines  Herrn  blieb.  Dem  Schneidcr- 
gesellen,*")  »de  utesleptofle  speien  geit-,  durfte  sein  Meister  sechs 
Pfennige  von  seinem  Lohne  abziehen.  Außerdem  war  derselbe 
verpflichtet,  den  Gesellen  vor  die  Wette  zu  bringen.  Versamm- 
lungen und  Gelage  waren  strengstens  untersagt.    Am  St.  Wal- 


t)  Wrtnn 

S.  «22  ■ 

I3T0 

R.  d 

Neuschneider. 

»)  Wdiim. 

S.  163  L 

13», 

R  ä 

Bad«. 

^  Wdinn. 

S.  H»  L 

I37fr. 

R.  d 

CUrbrlier. 

*t  Wdtns. 

S.  IftS  a. 

1385. 

R-rf, 

Knachrnlmuer. 

■)  Wclinn. 

S.  330  i. 

1350 

-7U,  R.  d.  Lohgerher. 

•>  Wtfcnn.  S  550  ■ 

1360, 

R.  d-  Bernstein drEher. 

*>  WthnD. 

S.  376  1, 

13*7, 

Statut  der  Rlonc^r 

^  Wdtnn. 

S.  3U  L 

1330, 

W.  d. 

Perei  Tnenuniehcr. 

t  Wdinn. 

s.  nt  a. 

1321, 

R  d 

Bötlcher   . 

*)  Wchra. 

S.  (21  1. 

1370, 

R.  d. 

NeuKbneidet. 

purgistage,  einem  besonderen  Feste  der  Schneidergesellen,  war  die 
Anwesenheit  weiblicher  Personen   verboten. 

Um  eine  gewisse  Gleiclimäßigkeit  unter  den  Anitsbrüdem 
zu  erhalten  und  dem  Großbetriebe  entgegenzuwirken,  war  die 
Zahl  der  Gesellen,  welche  jeder  Meister  halten  durfte,  fest  nor- 
miert. Zwei  Gesellen  durften  hallen  die  Messingschläger,')  die 
Goldschmiede')  und  die  Grapengießer.')  Neben  einem  Lehr- 
ling durften  die  Pergamentmacher')  zwei  Gesellen  in  ihren 
Dienst  nehmen,  drei  Gesellen  nur  dann,  wenn  es  ihnen  nicht 
gelang,  einen  Lehrling  zu.  bekommen. 

Sehr  sorgfällig  war  das  Verhältnis  zwischen  Meister  und  Ge- 
sellen geregelt-  Kein  Meister  durfte  einen  dem  Dienste  eines  an- 
deren entlaufenen  Knecht  mieten.^,)  Nur  wer  in  gutem  Einver- 
nehmen und  in  Freundschaft  seinen  früheren  Herrn  verlassen  hatte, 
konnte  auf  Annahme  bei  einem  anderen  Meisler  rechnen.«)  Kam 
sogar  der  Fall  vor,  daß  ein  Geselle  seinen  Meister  bcstahl  und 
heimlich  verließ  oder  beleidigte  und  schlug,  so  wurde  derselbe 
aus  dem  Amte  ausgestoßen.  Es  stand  weder  in  dem  ßeJiebcn 
des  Meisters  noch  des  Gesellen,  das  Dienstverhältnis  jederzeit 
zu  lösen,  vielmehr  war  die  Zeit,  meist  waren  es  sechs  Monate,  ge- 
nau festgesetzt')  Nur  an  einem  bestimmten  Termine,  gewöhnlich 
vierzehn  Tage  vor  Ostern  und  vierzehn  Tage  vor  Michaelis,  konnte 
der  Knecht  seine  neue  Stelle  antreten.')  Bei  den  Pergameiit- 
machern")  allein  war  der  übliche  Kündigungstermin  das  Fest 
Maria  Geburt  Garbräter'")  und  Böttcher")  stiessen  jeden  Ge- 
sellen aus  dem  Amte  aus,  welcher  zur  Zelt  der  Schonenfahrt 
seinen  Meister  im   Stiche  ließ.    Müßiggänger  fanden  außerhalb 


»)  U,  B.  II  S,  tu  :  1330. 

V  Wehrai.  5.  2il  A.  1371,  R.  d.  Qwlöiclimitdr 

•)  Wehrm.  S.  2M  a.  13M,  H.  d.  OnpfiiBicWci. 

•)  Wehnn.  S.  303  ■.  1330,  R.  d.  Ptreiment muher. 

■)  Wdirm.  5.  163  a  13»,  R.  d.  Badrr. 

0)  Wchnn.  S.  2«  a.  137<!>,  R.  d.  Oartriter. 

f>  Wdinn.  S.  341  i.  iVX.  R.  d.  NUI<t;  S   KU  &.  I3H,  R.  d.  Badu. 

•>  Wrhrm.  S-  1*2  *.  1356,  R.  d.  Nidkr;  S,  3»  a.    1370,  R.  d    Plal«iKbll(C( ;  S. 
421  1.  1370.  R.  d.  KcnschneldHl,  S  227  nach  137fr.  R.  d.  OnpentieBer. 

»)  Wdiftn.  S.  303  a.  UM.  R.  d,  Peteamwimwh«. 
•B)  Wehnn,  S.  305  a.  IJlb.  R.  4.  Oarbillcr. 
"J  Wehnn.  5-  176  a.  Uli,  R.  d.  Bfttlchw. 


» 


der  gewöhnlichen  Zeit  bei  den  Böttchern  nirgends  Aufnahme. 
Wer  sich  bei  den  Gärtnern  zwei  Meistern  zugleich  verpflichtete, 
•rurde  aus  dem  Amte  aiisgesloüen.^)  Die  Neuschncider  durften 
keinen  Gesellen  mieten,  der  bei  einem  Altschneider  gedient 
hatte.») 

Wenn  die  mittelalterliche  Zunft  die  Tendenz  hatte,  die  Löhne 
überall  gleichzustellen,  so  wollte  sie  dadurch  den  Reichen  ver- 
hindern, durch  höhere  Löhne  die  besten  Gesellen  an  sich  zu 
fesseln  und  so  seinen  Amtsbrüdern  eine  unliebsame  Konkurrenz 
zu  eröffnen.  Strengstens  war  es  auch  untersagt,  den  Gesellen 
eine  Vormede,  d.  h.  ein  Geschenk  zu  geben.*)  Die  Löhne  selbst 
»aren  teils  Zeitlohn  teils  Stücklohn.  Die  Gärtner*}  bezahlten 
ihren  Gesellen  acht  Pfennige  Tagelohn.  Bei  den  Bemsteindrehem*) 
erhielt  der  Geselle  für  das  Tausend  Steine  zu  bohren  vier 
Pfennige,  zu  schneiden  acht  Pfennige,  zu  drehen  neun  Pfennige. 
War  derselbe  bereits  so  befähigt,  daß  ereiner  Werkstätte  vorstehen 
konnte,  so  durfte  ihm  mit  Zustimmung  der  Älterleute  auch  Tage- 
lohn zugestanden  werden.  PDr  fe  einen  Centner  Pergament  er- 
hielten die  Gesellen  der  Pergamentm acher ^)  acht  Schillinge.  In 
derselben  Rolle  wurde  es  auch  strengstens  untersagt,  „Vormede" 
2u  geben.  Wer  bei  den  Böttchern')  seinem  Gesellen  mehr  als 
Kht  Schillinge  lieh,  büßte  mit  drei  Mark  Silbers  und  wurde  ein 
Jahr  lang  aus  dem  Amte  ausgestoßen.  Die  Bemsteindrehcr") 
durften  ihrem  Gesellen  nur  zwei  Gulden  leihen,  die  Nädler") 
und  Neuschneider  ^'')  dagegen  nicht  mehr  als  zehn  Schillinge, 
abgesehen  von  Krankheit  oder  sonstiger  schlimmer  l-age. 

Bevor  der  Geselle  sich  sein  eigenes  Heim  und  Geschäft 
gründete,  ergriff  er  oft  nach  einmal  den  Wanderstab.    Gerade 


•)  Wrhnn    S.  «S  a.  1370,   R.  d.  OtMncr. 
*)  WctaniL  S.  122  a.  1370,  R,  d.  Nrauhticidef. 

n  Wchnn.  Sl  161  a.  13».  R,  d.  ßadcr;  S.  127  nidi  I3T6,  R,  ä.  QnpcngIeßrT 
*i  Wtiinn.  S.  208  I.  1370,  H.  d.  Oirtner. 
f)  Wriim.  S.  350  u.  3S1  ».  1365,  R.  d.  Bem«(F[Ddj-diei.  | 
•l  Wehrm.  S,  3ä3  ».  13M,  R,  d.  rergimcnlmach«. 
*>  Wchm.  S.  HD  a.  133],  R.  d.  B^ttcha. 
•>  Wfhfin    S.  350  «,  1365,  R  d-  B«rr»tdndreher. 
^  Wäinn.  S.  341  a.  135A.  R.  d.  NlAitt, 
*i  WAm.  S.  413  1.  1370,  R.  d.  Nnitchnejder. 


( 


die  Hansestädte,  namentlich  aber  die  fünf  wendischen  Städte, 
hatten  gegenseitig  durch  Verträge  ihren  wandernden  Gesellen 
bedeutende  Vergünstiglangen  geschaffen.')  Dadurch  gingen  die- 
selben nicht  einer  unsicheren  Zukunft  entgegen,  sondern  be- 
gegneten bekannten  Verliältnissen.  Rechnete  aber  der  Geselle 
auf  Aufnahme,  so  mußte  er  sich  im  Besitze  eines  Lehrbriefes  t>e- 
finden,  in  welchem  nicht  nur  über  seine  Fachkenntnisse,  sondern 
auch  über  seine  Herkunft  und  sein  vergangenes  sittliches  Leben 
Auskunft  erteilt  wurde.  Wanderzwang  hat  im  14.  Jahrhundert 
noch  nicht  existiert,")  sondern  derselbe  ist  erst  ein  Produkt  des 
sechzehnten  Jahrhunderts.') 

3.  Das   Meisterrecht 

Während  Lehrling  und  Geselle  im  wesentlichen  nur  Schutz- 
genossen des  Amtes  waren,  waren  die  Meister  (sutvesherren)  die 
Vollgcnosscn.  Nicht  jeden  nahmen  die  Amlsbrüder  in  ihren  Kreis 
auf,  sondern  nur  derjenige  fand  Aufnahme,  welcher  allen  An- 
fordcnmgen  des  Amtes  entsprach.  Manche  Amter  konnten  des- 
halb keinen  mehr  zum  Meisterrecht  gelangen  lassen^  weil  der 
Rat  die  Zahl  der  Mitglieder  des  Amtes  bestimmt  hatte  wie  bei 
den  Knochenhauern  oder  das  Absatzgebiet  nicht  groß  genug 
war,*)  oder  aiich  weil  dem  Amte  nur  eine  bestimmte  Anzahl 
Verkaufsstätten  zur  Verfügung  stand.*) 

Unerläßliche  Vorbedingungen  für  den  zukünftigen  Meister 
waren  freie  deutsche  Abstammung,^  eheliche  Geburt  und  guter 
Ruf.*)  Doppelzünftigkeit  finden  wir  nur  in  der  Rolle  der  Gärtner*) 
verboten.  Bevor  der  Geselle  sich  um  das  Meisterrecht  bewerben 
durfte,  mußte  er  eine  bestimmte  Zeit  lang  bei  dem  Amte  ge- 
dient haben.    Ein  Jahr  Dienst  verlangten  die  Grapengießer")  und 


'>  Wehrm.  S.  176  ■.  1331,  R.  d.  HSitdirr:  S.  136  4.  I37ä,  R.  <t.  OTapcnelrK«. 
>y  Vgl,  Wehrm.   S.    32Q,    R.   d.   Onpcnjptfler    ».    UM:    veIIc   knedil   uiden   wtK 
denen  wyll. 

1  Kun.QcKhbl.  Jahrg.  1397,  S.  43. 

*)  Vleltdclil  bei  (Im  MMilnsM!hli([cm:  U.  B   IT,  S.  4T4  ■.  1390. 

*\  Wehnn.  S.  33V  >.  13».  R.  d.  NUla. 

*|  Wdirm.  S.  227  nach  13^6.  R.  d.  OnpcnEi«6er;  S.  431  r.  1170,    R.  d.  Schneider. 

0  Wdirra.  S   aw  ».  1370.  H.  d.  üirtner. 

■>  Etxndi. 

•)  Wchrm.  S.  3ZT  nidi  ir6,  R.  d.  GrapencieB«. 


Die  Anlange  des  Handwerks  in  Lübeck. 


I 


die  Böttcher,')  drei  Jahre  hingegen  waren  bei  den  Schneidern") 
und  Lohgerbern^  erforderlich.  Etwas  ganz  anderes  als  die  Dienst- 
zeit vsj-  die  sogenannte  Mutzeit,  welche  der  Geselle  bei  dem- 
selben Meister  verbringen  mußte.  Während  dieser  Zeit  mußte 
er  das  Amt  in  verschiedenen  Morgensprachen  eschen^  d.  h.  for- 
dern. Dreimaliges  Eschen  war  erforderlich  bei  den  Gärtnern,*) 
Bemsteindrehem^  und  den  Schneidern.*)  Die  Qrapengieöer^ 
verlangten  ein  Jahr  Probedienst  und  wihrend  desselben  ein  zwei- 
maliges Eschen.  Fremde  eingewanderte  Gesellen  mußten  unter 
allen  Umständen  ein  Leumundszeugnis*)  oder  einen  Lehrbrief  be- 
sitzen.*) Konnte  der  Geselle  dieselben  nicht  nachweisen,  so  wurde 
ihm  ohne  weiteres  das  Meisterrecht  versagt. 

Waren  alle  genannten  Vorbedingungen  erfüllt,  so  mußte 
sich  der  Bewerber  einer  Meisterprüfung  unterziehen.  Dieselbe 
bestand  im  wesentlichen  in  der  Anfertigung  des  Meisterstückes. 
Eine  Erwähnung  des  Meisterstückes  geschieht  in  den  Rollen 
der  Orapengießer,'")  der  Platenschläger")  und  der  Schneider.") 
Die  Grapengieüer  mußten  anfertigen  können  einen  Tiegel,  eine 
Pfanne  und  einen  Mörser,  die  Platenschläger  einen  Brustharnisch 
und  einen  Waffenhandschuh,  die  Schneider  schließlich  ein  Ge- 
wand. Genügte  der  Schneidergeselle  den  Anforderungen  des 
Amtes  nicht,  so  mußte  er  noch  ein  ganzes  Jahr  dienen. 

Mit  dem  Erwerb  des  Meisterrecht«  war  zugleich  derjenige 
des  Bürgerrechtes'*)  obligatorisch  verknüpft.  Auüerdem  mußte 
der  Bewerber  eine  bestimmte  Summe  eigenen  Vermögens  nach- 
»wsen.  Dafür  sollten  zwei  „eghen  erve  hebbende  vrome  manne" 


'>  Wdinn,  S,  ITT  ■.  1360,  R.  rf,  Böticlier, 

•)  Wrtra,  S.  411  a.  1370.  R.  d.  Sdineido. 

^  Wehtm.  S.  317  i.  1350-70,  R.  d.  Lohgerber. 

*>  Wchna.  S.  21»  a.  13TD,  R.  ä.  Cirtncr. 

>>  Wehem.  S.  3SI  s.  1305,   R.  d  Benideindrdier 

*i  Wehnn.  S.  n\  ».  1370,  R-  d.  Neutchneid«. 

•>  Vthno.  &  J27  nicA  1376,  R,  d-  Or«pnii£ießw. 

*>  U.  [)   1  S.  3QS  a.  1382.    U.  B.  Ell  S.  HD  u.  tll  Milte  d.  U.  Jihrhunderli. 

*>  V.  &.  ir  S.  701  JL  1345. 

"i  WArm   S.  337  nach  1776,  R.  d.  OripoiKießer. 

■■)  Wclind.  S.  MS  :  1370.  R,  d.  PkltnKhliKCr, 

^  Wdinn.  S.  431  t.  1370,  H.  d.  Neusclincider. 

•^  Wchim.  S  227  II.  Jahrh..  R.  d.  OTapcncicOcr. 


bürgen.  Diese  Summe  betrug  zwanzig  Mark  bei  den  Bemstein- 
drehem,')  Lohgerbern*)  und  Knochenhauern,')  zehn  Mark  bei 
den  Qärtnem,*)  Böttchern,»)  Grapengießem,»)  Sclineidem')  und 
bei  den  Plalensch lagern,")  sechs  Mark  bei  den  Ooldschmieden,*) 
nur  vier  Mark  bei  den  Kädlern.'")  Durch  dieses  Anlagekapital 
sollte  offenbar  einer  ungleichmäßigen  Grundlage  des  Betriebes 
entgegengesteuert,  andererseits  auch  verhindert  werden,  daö  der 
Betrieb  mit  unzureichenden  Mitteln  eröffnet  und  der  so  kaum 
begründete  Haushalt  mit  Schulden  begonnen  würde.  Ganz  ver- 
schieden von  diesem  Anlagekapital  war  das  Meistergeld.  Das- 
selbe wurde  pro  opere,  d.  h.  für  die  Erlaubnis,  ein  Gewerbe 
ausüben  zu  dürfen,  dem  Rate  entrichtet.  Nur  von  den  Bäckern 
und  Fleischhauern  wissen  wir,  daß  sie  zwölf  Schillinge  pro  operc 
bezahlen  mußten.") 

Zu  all  dem  kamen  noch  einige  Abgaben  an  das  Amt  selbst 
Die  Gärtner")  mußten  zwei  Pfund  Wachs  to  den  lichten  ent- 
richten, die  Grapengießer")  vier  Pfund  Wachs  für  den  Altar 
der  St.  JakobikJrche,  dem  Amte  selbst  eine  halbe  Mark  und 
eine  Tonne  Bieres.  Bei  den  Knochenliauern")  mußte  man  fünf 
Schillinge  für  die  Unterhattung  ihres  Altares  und  einen  Pfennig 
für  den  Priester  desselben  bezahlen,  FesÜichkeilen  und  Gelage 
waren  strengstens  untersagt.  Beim  ersten  Eschen  gaben  die 
Schneider")  vier  Schillinge  dem    Rate")  und  vier  Schillinge  für 


■)  Wchrm.  S.  350  i.  1W>,  R.  d   Benutetnürcher. 

»)  Wfhira-  S,  na  a.  1350-70,  R.  d.  Lihgcrbcr. 

*)  W«hrm.  S.  20O  iL  1365,  It  (1.  Knochenhiuer. 

•)  Wrhrm,  S,  It»  •.  137n,   R.  J.  Olrtnrr, 

*t  Wthnn.  S.  177  a.  I3M.  R.  ct.  Bälldier. 

•)  Wdvm.  S.  227  14.  Jahdi..   R,  d.  ampengieBer. 

^)  Wchrm.  S.  43]  a.  137D,  R.  d.  Schneider. 

1  Wehtim.  S-  »5  «.  1370,  R.  d.  PUltnichlljtr. 

•)  U.  B.  li  5-  l(M&  fl.  i.  1316-38. 

»I  Wdum.  S.  340  >.  13)6,  R.  d.  Nldl«. 

>■]  Siehe  S.  140. 

w)  Wdirto.  S.  209  1.  1370,  R,  d.  Oirtner. 

>*)  Welirm,  S,  337  :*.  Jahrü.,  R.  d.  OT»pen£iefl«r. 

",  Wdinu,  S.  265  a.  I38S.   R.  d.  Knuchcnhann. 

>*)  Wdinn,  S.  «I  a.  IJTO,  R.  4.  Schneider. 

")  Vielldchl  wurden  dioe  »ier  SdtilltRji«  pro  opere  entrichlet. 


Die  AnOnge  des  Handwerks  in  Lübeck.  I7l 

Wachs.  Erst  nach  erlangter  Meisterschaft  durfte  der  junge  Meister 
seine  Amtsbrüder  zu  einem  Oelage  einladen. 

Wesentliche  Vergünstigungen  sichert  die  Rolle  der  Loh- 
gerber*) dem  Sohne  eines  Meisters  und  demjenigen  zu,  welcher 
eine  Meisterstochter  heiratete.  Beide  waren  abgabenfrei  bei  der 
Erlangung  des  Meisterrechtes.  Der  Meisterssohn  konnte  schon 
im  Alter  von  zwanzig  Jahren  selbständig  werden.  Starb  der 
Vater  frühzeitig,  so  durfte  er  mit  Erlaubnis  des  Rates  und  des 
Amtes  schon  in  jüngerem  Alter  das  väterliche  Geschäft  über- 
nehmen. 

Der  in  dem  Besitze  des  Meisterrechts  befindliche  Hand- 
werker genoß  alle  diejenigen  Vorteile,  welche  dem  Amte  als 
solchem  zukamen.  Zwei  Grundrechte  sicherte  das  Amt  seinen 
Mitgliedem,  erstens  absolute  Gleichheit  der  Genossen  unterein- 
ander, zweitens  Ausschluß  jeglicher  Konkurrenz  von  außen  und 
den  daraus  sich  ergebenden  alleinigen  Anspruch  auf  Arbeit  und 
Absatz  der  Erzeugnisse.  Der  Inhalt  der  Gleichheit  bedeutete 
^iche  Produktionsbedingungen.  Dadurch  setzte  einerseits  das 
Amt  der  Arbeitskraft  der  einzelnen  Genossen  ein  festes  Ziel, 
woraus  andererseits  sich  die  Gleichheit  des  Einkommens  ergab; 
denn  es  lag  bei  der  Verschiedenheit  individueller  Anlagen  die 
Gefahr  nahe,  daß  der  eine  oder  der  andere  seinen  Amtsgenossen 
eine  unliebsame  Konkurrenz  eröffnete.  So  wurde  der  Großbetrieb 
unterdrückt  und  ein  Unternehmertum  im  modernen  Sinne  gänz- 
lich ausgeschlossen.  Weil  die  Mittelstandspolitik  in  ausgeprägtem 
Maße  herrschte,  finden  wir  Wohlhabenheit  unter  den  Aratsge- 
nossen  in  gleicher  Weise  verteilt  Der  Gleichheit  innerhalb  der 
Ämter  entsprach  die  Geschlossenheit  nach  außen  hin.  Nach  zwei 
verschiedenen  Richtungen  äußerte  sich  diese,  einmal  gegenüber 
jeder  unzünftigen  Arbeit,  sodann  den  Konsumenten  gegenüber. 
Der  Zunftzwang  als  Konkurrenzkampf  richtete  seine  Spitze  nicht 
nur  gegen  die  einheimischen  Produzenten,  sondern  auch  gegen 
die  von  außen  kommenden  Gäste.  Während  wir  in  unserer 
Periode  von  unzünftigen  Handwerkern  in  Lübeck  nur  ein  Mal 


•)  Wdimi.  S.  317  ■.  1350-70,  R.  d.  Lohgerter. 


172  Jakob  Höhler. 


berichtet  finde»,  ist  um  so  scharfer  das  GästereclU  zugunsten 
der  Amter  fixiert.  Die  Amtsgenossen  besaßen  ein  anerkanntes 
Recht  auf  Arbeit,  die  Bürger  dagegen  die  Verpflichtung,  nur  bei 
ihnen  zu  kaufen  und  arbeiten  zu  lassen. 

Nach  dem  Zeugnisse  der  Rollen ')  und  nach  den  Aufzeich- 
nungen der  Kämmereibücher")  wurde  selbst  Frauen  die  Mit- 
gliedschaft des  Amtes  nicht  verwehrt.  Dieselben  durften  sogar 
selbständig  ein  Geschäft  betreiben.  Zu  diesem  Zwecke  mußten 
sie  sich  zuerst  in  den  Besitz  des  Bürgerrechtes  setzen.*)  Die 
beiden  ältesten  Bürgermatrikeln  nennen  nicht  weniger  als  hundert 
Namen  von  Frauen,  welche  sich  das  Bürgerrecht  erwarben.*) 
Wahrscheinlich  fanden  meist  nur  Witwen  Aufnahme  in  einem 
Amte.  Nach  den  lübeckischen  Rechtssätzen  und  den  Mitteilungen 
der  Stadtbücher  hat  schon  zu  Lebzeiten  ihres  Mannes  die  Frau 
an  dem  Geschäfte  tätigen  Anteil  genommen,*)  indem  sie  ihren 
abwesenden  Gemahl  vertrat  oder  den  Verkauf  der  Ware  über- 
nahm. So  wird  es  ihnen  wohl  auch  gestattet  worden  sein,  nach 
dem  Tode  ihres  Mannes,  für  und  im  Interesse  ihrer  Kinder  das 
Geschäft  weiterzuführen. 

4.  Die  Alterleute. 

Den  Vorstand  der  Ämter  bildeten  die  Altericute  (mestere,") 
olderlude,^)  mesterlude,')  niagislri.")  Die  Walil  derselben  ge- 
schah wahrscheinlich  von  den  AmIsbrQdcm  In  der  Morgen- 
sprache. Nur  die  Knochenhauer  allein  besaßen  seit  dem  Jahre 
1384  nicht  das  Recht,  selbst  ihre  Älterleute  wählen  zu  dürfen, 
vielmehr  gab  der  Rat  sie  ihnen.  Hatte  man  die  Alterleute  gewählt, 
so  war  vermutlich  eine  Bestätigung  der  Wahl  von  Seiten  des 
Rates  nötig-  Zu  gleicher  Zeit  mußten  sie  vor  demselben  den 
Schwur  leisten,  ihre  Amtspflichten  getreulich  zu  erfüllen.    Die 


')  t.  B.  R.  d.  Oimcr.    S.  »T  a.  I3T0. 

*)  U.  5.  El  S.  1030,  lOa  u.  ICS3. 

1  Manwii  S.  66. 

«)  Ebenda. 

'I  Wehnn.  S.  I3S  u,  136 

•)  Hscfa  n  S.  349. 

^  Wehnn.  S.  216.  R.  d.  Onpengiefin  (ucli  1376. 

•J  Wehm.  5.  341.  R.  d.  Nidler  t.  I3M:  S.  221.  R.  d   Ool  dich  miede  a.  1371. 

*)  U.  B.  11  S,  «M  ■.  1)40 


Die  Anfiüige  des  Handwerks  in  Lübeclc 


m 


Zahl  der  Älterleute  ist  nirgends  in  den  Rollen  bestimmt  ange- 
geben, nur  soviel  ist  daraus  2u  ersehen,  daß  es  immer  ihrer 
mehrere  gewesen  sind.  Ganz  zufällig  erfahren  wir  in  den  Sta- 
tuten der  Lefchnamsbrüdcrschaft  der  Goldschmiede,  daß  dieselben 
vier  Älterleute  besaßen,'! 

Als  eine  der  vichtigsten  Funktionen  der  Älterleutc  ist  ohne 
Zweifel  ihr  VorsJU  in  der  Morgensprache  zu  bezeichnen.  In 
derselben  kamen  alle  wichtigeren  Amtsangelegenheiten  zur 
Sprache.  Pflicht  der  Älterleute  war  es,  Ordnung  aufrecht  zu 
erhalten  und  dafür  zu  sorgen,  daß  darin  nictits  der  Stadt  Feind- 
liches beschlossen  werde.  Wie  bereits  erwähnt,  waren  die 
Knochenhauer  und  die  Piatenschläger  die  einzigen,  welche  keine 
Morgensprache  abhalten  durften  ohne  die  Anwesenheit  zweier 
Morgen  Sprachsherren. 

Die  Ältcrleute  übten  femer  das  Aufsich fsrecht  über  die 
Arbeit  ihrer  Amtsbrüder.  Da  die  QewerbepoHzci  in  Liibeck  sich 
ganz  in  den  Händen  des  Rates  befand,  so  waren  die  Alterleute 
in  dieser  Eigenschaft  nur  Beamte  der  Obrigkeit.  Sie  besuchten 
die  Arl)eitsstätten  der  einzelnen  Meister  und  vcrgewisstrrten  sich, 
ob  dieselben  vorschriftsmäßig  gutes  Material  verarbeiteten  und 
solide  Arbeit  anfertigten.')  Fanden  sie  dieselbe  fehlerhaft  gear- 
beitet, so  mußten  sie  die  Arbeit  in  Beschlag  nehmen  und  vor 
die  Wette  bringen.*)  Zuweilen  kam  es  vor,  daß  die  Älterleute 
bei  derartigen  Untersuchungen  nicht  gerade  die  freundlichste 
Aufnahme  fanden,  daß  sie  vielmehr  mancherlei  Unannehmlich- 
keiten ausgesetzt  waren.  Daher  sah  sich  der  Rat  genötigt,  die- 
selben durch  Strafmittel  zu  schützen.*)  Schließlich  fand  unter 
der  Aufsicht  der  Älterleute  die  Meisterprüfung  statt.*) 

Für  ihre  Mühe  sind  die  Älterleute  wahrscheinlich  entschädigt 
worden.    Bei  den  Knochenhauern  wenigstens  finden  wir  darüber 


•}  Vdinn,  S.  »Ok.  IM. 

*)  Wrtina    S.  204,  R.  d.  OirtirltcT;  S   231,    R.  d.   QaldKh miede:    S  3T6.  R.  d. 
IHcner  «.  Btsltl midier. 
*t  Wcfaim.  S.  366. 

*)  Wtfarm.  S.  3U  a.  1356,  R.  d.  Nldlu. 
■)  Wcbm.  S.  2»,  R.  d.  Onp«n2JeB«r  nacb  137«. 


folgendes;')  Vorimer  van  alle  desse  broke  (Strafe),  de  ha  vor- 
screven  steit,  moghen  de  mestere  hebben  sees  lubische  pcnningtic, 
also  van  isüken  manne,  de  van  den  hues  gheit,  de  dessc  vor- 
screven  stucke  gheweddet  hefL  Von  jeder  Strafe  also  erhielten 
die  Älterleute  der  Knochenhauer  sechs  Pfennige.  Außerdem 
hatten  dieselben  die  Vergünstigimg,  daO  sie  nicht  an  der  jähr- 
lichen Verlosung  der  Verkaufsstätten  teilzunehmen  brauchten, 
vielmehr  daß  sie  moghen  to  vorne  hebben  dat  dorde  let  (die 
dritte  Verkaufsstätte)  van  je'relken  orde  unbelotet.  Von  sonstigen 
lünkünften   der  Alterleute  anderer  Amter  erfahren  wir  nichts. 

Leider  ist  es  uns  nicht  möglich,  genau  den  Umfang  der 
Amtsführung  der  Älterleute  anzugeben.  Im  allgemeinen  hatten 
sie  als  Beamte  des  Rates  für  die  Beobachtung  der  in  den  Anita* 
Statuten  enthaltenen  Gesetze  zu  sorgen. 

Erinnern  vir  uns  noch  schließlich,  daß  die  Alterleute  in 
den  Bürgcrschaftsversammlungen  eine  Rolle  spielten,  so  gelangen 
wir  zu  folgendem  Oesaratresultale.  Die  Älterleute  waren  in  erster 
Linie  Beamte  und  Vertreter  der  städtischen  Behörde,  in  zweiter 
Linie  Vorsteher  und  Leiter  des  Amtes.  Sie  waren  das  Mittel, 
durch  welches  die  Beziehungen  zwischen  Rat  und  Amt  unter- 
halten wurden.  Die  Kompetenz  der  ÄUerleute  und  die  recht- 
liche Stellung  der  Amter  im  allgemeinen  waren  korrclate  Be- 
griffe; denn  wie  das  Amt  in  erster  Linie  um  der  Stadt  willen 
da  war  und  erst  in  zweiter  Linie  um  seiner  selbst  willen,  ganz 
genau  so  war  es  auch  bei  den  Alterieuten  der  Fall. 

g  4.    Die  Regelung  der  gewerblichen  Arbeit 

und  des  Verkaufs. 

I.  Die  Regelung  der  Arbeit. 

a.  Gleiche  Produktionsbedingungeii  für  alte  Amtsbrüder. 

Wenn  wir  im  Mittelalter  den  Großbetrieb  so  gut  wie  aus- 
geschlossen finden,  so  lag  dies  hauptsächlich  in  dem  Wesen  der 
in  sich  abgeschlossenen  Stadtwirtschafl ')  und  der  Tendenz  der 
Zünfte,  alle  Mitglieder  in  jeder  Weise  gleichzustellen.  Die  Zunft 

«(  Wdtrtn,  S.  266,  R.  d,  Knochenhiua  «.  13B. 

>j  K.  Bactiet.   Entttehune  d,   VelksvinxhaH   1901,  5.   101:  rit.  duu  iie   Re- 
letiiian  von  Bclavi,    lilit  Zbchi.  Bd  66:  Ober  die  TheoKw   d,  wirtKhjftL   EntwItUunc 

der  Välirfr. 


I 


Die  Anfinge  des  Handwerks  in  Lübeck. 


175 


N 


I 


erstrebte  die  Mittelstandspolitik.  Sie  sah  es  als  ihre  Aufgabe 
an,  allen  Mitgliedern  ohne  Ausnalime  gleiche  Produktionsbe- 
"dingungen  und  daher  gleiches  Einkommen  zu  verschaffen.  Dieses 
Prinzip  haben  die  Ämter  in  Lübeck  mit  aller  Strenge  verfochten 
und  durchzuführen  gesucht 

1.  Wie  wir  bereits  vorher  sahen,  fand  das  Lehrlings-  und 
Gesellenwesen  in  Lübeck  eine  eingehende  Regelung  hinsichJlicli 
der  Zahl  der  Gesellen,  welche  jeder  Meister  halten  durfte,  und 
hinsichtlich  der  Löhne,  um  nicht  dem  reicheren  und  intelligen- 
teren Meister  zu  ermöglichen,  eine  größere  Anzahl  tüchtiger  Ge- 
sdlen  an  sich  zu  ziehen  und  auf  diese  Weise  seine  Amtsbrüder 
zu   benachteiligen. 

2.  Jeder  Meister  besaß  nut  eine  Arbeitsstätte,  Filialgeschäfte 
traren  demnach  verboten,')  Im  allgemeinen  war  die  Arbeit  der 
Handwerker  zu  Hause  in  eigener  Werkstätte  Regel.  EJei  manchen 
Handwerksbetrieben  brachte  es  die  Natur  der  Sache  mit  sich, 
daB  man  einen  Teil  der  Hantierungen  auf  offener  Straße  vor 
dem  liause  erledigte,  wie  et%a  der  Schmied  das  Beschlagen  der 
Pferde  oder  der  Böttcher  das  Ausbrennen  der  Fässer.  Sonst 
verrichteten  die  Handwerker  gewöhnlich  ihre  t^liche  Arbeit  zu 
Hause  in  ihrer  Werkstätte.  Nur  die  Goldschmiede*)  arbeiteten 
in  den  boden  under  dem  radhuse,  also  auf  dem  Marktplätze. 
Als  Grund  dafür  führt  die  Rolle  derselben  an,  dat  men  openbare 
zeen  unde  weten  moghe,  wo  unde  wat  he  werke.  In  dem 
Känunerei buche  vom  Jahre  1316  bis  1338*)  erfahren  wir,  daß 
das  Amt  der  Goldschmiede  24  Buden  besaß.  Die  jälirliche  Ab- 
gabe für  jede  Bude  l>etiug  vier  oder  fünf  Mark,  je  nach  dem 
sie  der  Straße  oder  dem  Markte  zugewandt  lag.  Auch  die  Arbeits- 
zeit der  Goldschmiede  wurde  von  der  städtischen  Obrigkeit  genau 
festgesetzt  Auf  alle  fälle  war  es  untersagt  nachts  zu  arbeiten. 
Am  hl.  Abend  mußte  schon  zur  Vesperzeit  (nachtsangö  tid)  die 
Arbeit  ruhen.  Sonst  finden  wir  wenig  Nachrichten  über  Ort 
und  Zeit  der  Arbeit  Der  Bäcker  durfte  kein  Backhaus,  der  Bader 


^ 


'J  Wehfm.  S.  M5  «- 1370,  R.d.  PUltn«chlIgM  □.  a«9t,  R.d.  Ooldsch miede  •.I3TI. 
■)  Wdmn.  S.  331,  H.  d.  Oeldschinlcde  l  13TI. 
»i  U,  B,  n  S,  1M7. 


m  Jakob  Hohler. 


keine  Badstube  ohne  die  Genehmigung  des  Rates  bauen.') 
Die  Knochenhauer  schlachteten  ihr  Vieh  in  einem  gemeinsamen 
Schlachthause,  wofür  sie  jährlich  zehn  Mark  entrichten  mußten.*) 
Ganz  der  Natur  der  Sache  gemäß  übte  die  städtische  Obrigkeit 
gerade  bei  den  Gewerben  der  Nahrungs-  und  Oenußmittrlbe- 
reitung  allein  aus  sanitären  Riicitsichten  eine  schärfere  Kontrolle 
als  bei  jedem  anderen  Gewerbe. 

3.  Die  Forderung  der  gleichen  Berechtigung  aller  Amts- 
brüder verlangte  auch  schon  gleich  beim  Ankaufe  des  Arbeits- 
materials, daß  das  Amt  hierbei  allen  gleich  günstige  Bedingungen 
sicherte.  Orientieren  wir  uns  vorerst  an  der  Hand  der  Quellen, 
um  daraus  ein  genaueres  Resultat  zu  gewinnen. 

Die  Rolle  der  Böttcher'O  verbietet  den  Mitgliedern  des 
Amtes,  Reife  (bende)  zu  kaufen,  welche  buten  der  stad  rint 
gemaket  unde  hirbmnen  van  buten  werden  gebracht  Bei  den 
Qarbrätem*)  wurden  die  Matcrialeinkäufe  van  der  gantzen  kum- 
panyc  weghene  gemacht  Von  diesen  gemeinschafdictien  Ein- 
käufen erhielt  jeder  sein  twelffte  deel.  Gesalzenen  Stör,  Lachs 
und  Aal,  dat  over  zec  kumpt,  dat  en  schal  nemand  kopen,  idt  en 
sy,  dat  se  dre  daghe  hebbet  gelegen  dorch  behuff  willen  der 
gemeinen  borgere.  Der  Rat  hatte  ein  Vorrecht  auf  Wildpret- 
In  der  Rolle  der  Gärtner")  wird  folgendes  bestimmt  Vortmer  en 
schal  neman  saad  kopen,  wen  de  nyen  unde  de  olden  mestere 
to  nut  des  menen  ammetes.  Ausführlichere  Nachrichten  giebt  die 
Rolle  der  Knochenhauer.*)  Jeder  Borger,  der  einen  Knochen- 
hauer beim  Kaufe  von  Vieh  traf,  konnte  dasselbe  von  dem 
Knochenhauer  gegen  eine  feste  Entschädigung  für  sich  bean- 
spruchen. Die  Orte,  wo  die  Knochenhauer  Vieh  einkaufen  durf- 
ten, waren  genau  bestimmt.  Es  befand  sich  nämlich  vor  allen 
doren  eyn  merke,  innerhalb  deren  sie  sich  das  angetriebene  Vieh 
kaufen  und  teilen  mochten.  Zänkereien  bei  dem  Einkaufe  wurden 


1  Hoch  n  S.  366  Nr.  IST. 

*)  U.  B.  II  5.  1046  a.  1316-38. 

*i  Wdirm,  S.  177  ■.  1360,  R,  d.  Mndier. 

■q  Wehtm.  S.  203  ..  1J76,  R.  tl.  Owbriier, 

•)  Wxihnn.  S.  308.  R,  d.  Oirtn«  t.  137(1 

<}  Wthnn,  S.  263,  »d,  M4,  R.  d.  KnochnliiiKr  ■■  13». 


I 


Die  Anfinge  des  Handwerks  in  Lübeck- 


ITT 


bestraft  Kam  der  Fall  vor,  daß  Knochenhauer  von  Lübeck  und 
anderen  Orten  zusammenkamen,  um  Vieh  einzukaufen,  so  sollten 
sie  sich  den  Kauf  sofort  teilen.  Taten  sie  dies  nicht,  sondern  ver- 
kauften sie  das  Vieh  wiederum  auf  dem  Markte  zu  Lübeck,  so 
.sollte  jeder,  der  sich  bei  dem  Kaufe  beteiligt  hatte,  ein  Jahr 
lang  aus  dem  Amte  ausgestoßen  werden.  Unter  Androhung 
schwerer  Strafe  war  es  verboten,  krankes  Vieh  zu  kaufen.  Die 
Schweine  wurden  beschaut.  Bezahlte  ein  Knochenhauer  das  ge- 
kaufte Vieh  nicht  trotz  wiederholter  Mahnungen,  so  wurde  er 
für  ein  Jahr  aus  dem  Amte  ausgestoLien.  Kein  Bernsleindreher') 
durfte  sich  von  einem  Arbeitgeber  das  Material  stellen  lassen, 
vielmehr  sollte  der  Meister  nur  eigenen  Stein  verarbeiten.  Bei 
den  Nädlem')  wurde  das  Arl>eitsniaterial  gemeinsam  eingekauft, 
damit  Arme  und  Reiche  in  gleicher  Weise  daran  teil  hätten. 
Fremde  Haken  und  Ösen  (ogenwcrk)  zu  kaufen,  war  verboten. 
In  der  Rolle  der  Lohgerber*}  finden  sich  folgende  Bestimmungen. 
Treffen  sich  Lohgerber  und  Häutckäufer  (eraptorcs  cudum)  bei 
dem  Einkaufe  von  Häuten  und  Fellen,  so  müssen  sie  sich  in  den 
Kauf  teilen.  Kauf  aus  zweiter  Hand  ist  verboten.  Man  darf 
nur  für  steh  selbst  und  nicht  für  andere  Material  einkaufen. 
Ort  (loca  debita)  und  Zeit  für  den  Materialeinkauf  sind  genau  be- 
fttimmt.  Streng  wurde  die  Güte  des  Materials  kontrotliert.  Nur 
,$elbst  gegerbtes  Leder  darf  verarbeitet  werden.  Das  Amt  der 
Brauer*)  wachte  streng  darüber,  daß  alle  Amtsgenossen  vor- 
schriftsgemäü  gutes  Material  tiätten,  dal  nicht  brandlch  sy  unde 
nicht  kymich  sy,  d.  h.  welches  nicht  angebrannt  und  schimme- 
lig sei 

Aus  dem  Gesagten  ergiebt  sich  kurz  folgendes.  Das  Arbeits- 
matcrial  stellte  der  Produzent  selbst.  Die  Materialbeschaffung 
geschali  teils  gemeinschaftlich,  teils  durch  besonders  dazu  erkorene 
Personen,  oft  durch  die  Alterleute,  teils  auch  im  einzelnen  auf 
dem  offenen  Markte  oder  offener  Straße  zu  einer  festgesetzten 


1  VAniu  S.  350,  B.  d.  Bmisfdndjcher  «.  130a 
*)  Vchnn.  S.  340  u.  »1,  RoUc  d.  Nidicr  l  13eo. 
t  Vdirm,  S.  318  u.  310.   R.  d.    Lohgabcr  ■.  IU0-7a 
«i  Vdum.  S.  178.  R.  d.  Bnucr  a.  13M). 
Aidii*  fSr  KuHurBOchichte.    I,  2. 


12 


r 


178  Jakob  Höhler. 


Zeit.  Vorkauf  und  Zwischenkauf  waren  strengstens  untersagt, 
well  sie  unnötiger  Weise  die  Ware  verleuerten  und  so  mit  der 
clirisUich-ethischen  Anschauung  des  Mittelalters  im  Widerspruche' 
standen.  Das  Material  wurde  gleichmäßig'  und  gerecht  verteilt. 
Oft  wurde  auch  der  Vorteil  der  Bürger  wahrgenommen.  Wenn 
möglich,  mußte  einheimisches  Material  gekaiift  werden.  Streng 
wurde  auf  die  Oute  desselben  gesehen. 

Mit  derselben  Strenge,  mit  der  die  Amter  das  Arbeits- 
material kontrollierten,  sorgten  sie  auch  dafür,  daR  ihre  Mitglieder 
gute  und  solide  Arbeit  lieferten  und  ferner  nicht  über  ein  bc- 
stimmtcs  Maß  hinaus  produzierten.  Die  Aufsicht  über  die  Arbeit 
der  einzelnen  führten  die  Älterleute  der  Amter.  Fanden  sie 
eine  Arbeit  „wandelbar",  d.  h.  fehlerhaft  gearbeitet,  so  brachten 
sie  dieselbe  vor  den  Rat'),  oder  es  wurde  der  Verkauf  derselben 
verboten.*)  Die  Brauer*)  durften  nur  einmal  in  der  Woche 
brauen  und  zvar  nicht  mehr  als  achtzehn  Tonnen  Bier.  Zugleich 
wurde  bestimmt,  wieviel  Malz,  Qerste  und  Hafer  zu  jeder  Tonne 
verbraucht  werden  sollten.  Jede  Tonne  mußte  mit  einem  Stempel 
des  Produzenten  versehen  sein,  um  später  eine  Kontrolle  zu 
erleichtern.  Bei  den  Qrapengießem')  wurde  durch  Beschluß 
der  fünf  wendischen  Städte  im  Jahre  1354  und  137&  das  Ver- 
hälbiis  der  Mischung  von  Kupfer  und  Zinn  bei  Herstellung  der 
Orapen  festgesetzt  Jeder  Meister  mußte  seine  Arbeit  mit  seinem 
eigenen  und  seiner  Stadt  Stempel  versehen.  Außerdem  vzr  jede 
Stadt  verpflichtet,  zwei  Ratmänner  und  zwei  Bürger  auszuwählen, 
welche  zusammen  mit  den  Älterleuten  des  Amtes  die  Arbeit 
kontrollierten.  Die  Platensch  läger*)  sollten  die  Platten  der 
Panzer  nicht  auf  Schaf Icder  befestigen-  In  derselben  Rolle 
wird  vorgeschrieben,  welches  Leder  zur  AnlerÜgung  von 
Waffen  Handschuhen  angewandt  werden  müsse.  Die  Riemen- 
schneider,«)     welche     sich     im     Jahre      1359     von    den      Bcu- 


J 


■I  Wehrui.  5.  321  u.  221.  R.  d.  noldKhmied«  i.  mi, 

■)  Wehrm.  S.  20*.   R.  d  Oarbriler  i.  1376, 

»>  Wdirm.  S.  IM,  R.  il   Biauet  »,  1363. 

t  W«hnn.  S.  22S  u.  226,  R,  d.  0«p«igießer. 

»)  Wdinn.  S.  3«S5,  R.  d.  PlilenschlijEer  a.  13T0. 

*)  Wriinn,  S.  Ttt,  R   d.  Rii^ntmicfinniS«  und  Beuicimacher  i.  I3SQ. 


I 


Die  Anfang«  des  Handwerks  in  Lübeck 


telmachem  trennten,  hatten  das  Recht,  die  Arbeit  der  Beutel- 
macher  kontrollieren  zu  dürfen.  Bei  den  Gerbern')  war  das 
jährliche  Produktionsquantum  genau  fixiert 

Eines  großen  Rufes  scheint  sich  die  Arbeit  der  Lübecker 
Goldschmiede  erfreut  zu  haben.  In  dem  Jahre  1209  gab  der 
Bischof  von  Münster  einem  Goldschmiede  von  Lübeck  den  Auf- 
iing,  ihm  ein  neues  Siegel  anzufertigen.*)  Das  einzige  Zeugnis 
für  unsere  Periode,  daß  nicht  alle  Handwerker,  deren  Gewerbe 
.zünftlerisch  organisiert  war,  dem  Amte  ihres  betr.  Gewerbes 
angehörten,  gibt  uns  die  Rolle  der  Nädler.^)  In  dieser  wird  den 
Alterleuten  der  Nädler  das  Recht  zuerkannt,  jederzeit  die  un- 
zünftige Artieit  kontrollieren  zu  dürfen. 

b.  Strenge  Abgrenzung  des  Arbeitsfeldes. 

Schon  die  im  ersten  Kapitel  gegebene  Statistik  der  Hand- 
werksarten zeigt  uns  einigermaßen,  in  welchem  Grade  in  Lübeck 
,  Berufsteilung  vorherrschte.   Doch  auch  die  Rollen  berichten  uns 
einiges  darüber.   Folgen  wir  vorerst  ihnen,  um  daraus  und  aus 
der  Statistik  ein  Gesamturteil  zu  gewinnen. 

In  dem  Jahre  1345  wurde  über  die  Ürechsler  und  Schacht- 
Schneider  folgend cmiaßen  entschieden:*)  de  dreyere  scholen  vor- 
kopen  alle  dreyet  werk,  uthgheiiommen  vate  (Gefäße)  unde 
schoten  (Schüsseln),  unde  de  schachtsnydere  scholen  neen  dreyet 
werk  vorkopen.  Die  Drechsler  dürfen  keine  Schäfte  verkaufen, 
oder  Dinge  anfertigen,  welche  dem  Arbeitskreise  der  Schacht- 
schneider angehören.  In  dem  Jahre  1364  wurde  folgendes  be- 
stimmt:*) Die  Drechsler  und  Schachtschneider  dürfen  nur  ver- 
kaufen, wes  sc  maken  to  crem  ampte  und  anders  nicht.  Erstcre 
dürfen  keine  gotländisclien  Eimer,  Mulden,  Pfannen,  Schaufelt! 
und  Kesselhaken  verkaufen,  überhaupt  Waren,  de  de  schachlsnider 
anroren,  de  van  deme  rade  darmede  vorlent  sin.  Der  Vertrag 
zwischen   den    Neuschneidern    und    Altschneidern')    beginnt   in 


'1  Wehrm.  S.  310,  R.  d,  Uhg«rber  ».  13»- 70. 

'I  U.  B.  d.  BUI.  Lüb.  I  S.  437  1.  I»9. 

*i  Wehrm.  S.  Ml,  R.  d.  NWlw  >.  13». 

'I  Wftiim.  &  Ml  ..  IMS 

*)  Wchrn.  S.  203  i.  13M. 

•)  Wehtm.  S.  4U  ■.  1334. 


12- 


HO  Ja^ob  Hohl«-. 


folgender  Weise:  WiHik  zy,  dat  wy  mestere  van  dem  ampte 
der  schrodere  weren  vor  unsen  heren  van  Lubeke,  alse  mit  den 
oltbotern  der  schrodere,  des  deleden  uns  unse  Ueren.  Die  Alt- 
schneider durften  keine  neuen  Kleider  anfertigen.  Ihre  Haupt- 
beschäftigung wird  wohl  in  dem  Ausbessern  alter  Kleider  be- 
standen haben.  Den  Nädicrn')  sind  vom  Rate  die  Drahtschtniede 
gegeben  worden;  dat  se  scholen  smeden,  wenner  wie  behofen. 
Die  Weißgerber'')  unterschieden  sich  von  den  Lohgerbern  darin, 
daß  sie  keine  Häute  aufler  SchafsfeUen  mit  Lohe  gerben  durften, 
quas  cerdones  nullatenus  büctrire  (gerben)  debent,  in  quo  separat! 
existunl  Die  Schuhmacher 3}  dürfen  nur  soviel  gerben,  als  sie 
zu  ihrer  eigenen  Verwendung  gebrauchen.  In  dem  Jahre  1359 
teihen  sich  Riemenschneider  und  Beutelmacher 0  in  ihren 
Gewerbebefugnissen  folgendermaDen :  Die  Beutelmacher  dürfen 
hauptsächUch  Hirsch-  und  Rehleder  verarbeiten,  während  es  den 
Riemenschneidem  gestattet  war,  alle  Sorten  Leder  zu  verarbeiten» 
ausgenommen  Hirsch-  und  Rehleder.  Zwischen  den  Garbrätem 
und  Knochenhauem")  bestand  folgendes  Verhältnis:  Während  die 
Knochenhauer  im  wesentlichen  das  Vieh  einkauften,  schlachteten 
und  es  teilweise  verarbeiteten,  war  es  die  Aufgabe  der  Oarbräter» 
das  Fleisch  zu  kochen,  eßbar  zu  machen  oder  metworste  to  maken. 
Die  Oarbräter  waren  gehalten,  ihr  Fleisch,  wenn  möglich,  bei 
den  Knochenhauern  zu  kaufcn- 

Aus  dem  Gesagten  ziehen  wir  folgendes  Resultat  im  Mittel- 
alter wie  in  der  Neuzeit  finden  wir  Arbeitsteilung.')  Jedoch  be- 
steht ein  wesentlicher  Unterschied  zwischen  mittelalterlicher  und 
moderner  Arbeitsteilung.  Diejenige  der  Neuzeit  ist  Arbcitszer- 
legung,  die  mittelalterliche  Arbeitsteilung  dagegen  war  Bcruf&- 
teilung.     Während  bei  der  modernen    Arbeitszerlegung  mehr 


1}  Wriinn.  S.  341  R.  d.  Nidlcr  a.  I3S6 
*i  Wdmn.  S.  JIS  R.  d.  LoUeabcr  i.  niO—lO. 
■)  ebenda. 

•)  Wehia.  S.  376  t.  1350. 
•)  WcHrm.  S.  206  ■.  ]3M. 

*}  VgU  KjitI  BQch«,  EntilebK.  d.  Volksw.    Aulutt:    ArMUtdlons. 
vcfbc  In  WUKh.  d.  VolkswlrUcliAa    Ebenda  van  Belov:  Artikel  Zünfte. 


ArtilKl:  0^.  I 


Die  Anränge  des  Handwerks  in  Lübeck. 


Hände  an  der  Fertigstellung  des  gleichen  Produktes  arbeiten 
und  so  eine  Verfrrößerung  der  einzelnen  Betriebe  beding;!  wird, 
beruhte  die  mittelalterlidie  Arbeitsteilung  darauf,  daä  aus  einem 
umfangreicheren  Produktionsgebiete  einzelne  Teile  ausgeschieden 
lUnd  so  neue  Berufsarten  gebildet  wurden.  So  fanden  wir  einen 
Schmied,  Nagelschmied,  Pfeilscfimied,  Messerschmied,  Draht- 
schmied, Goldschmied,  Hufschmied  und  klensmed  (Schlosser), 
ferner  Drechsler,  Büchsendrechsler,  Ringdrechsler  und  Spindel- 
drechsler, einen  Bäcker,  Haferbrotbäcker,  Oblatenbäcker,  Figuren- 
bäcker, Weggenbäcker  und  Kuchenbäcker,  einen  Schuhmacher, 
Pantoffelmacher  und  Flickschuster,  einen  Pelzer  (Uli  cum  opere 
agnino),  Buntfutterer  (Uli  cum  opere  pulchro)  und  Zobelpelz- 
schneider usw.  Die  Zahl  der  Berufe  war  zwar  groß,  aber  der 
Geschäftskreis  des  einzelnen  beschränkt  und  die  Zahl  der  Pro- 
dukte, die  jeder  anfertigte,  gering.  Kompagniegeschäfte  zu  trei- 
ben, war  strengstens  untersagt')  Nur  bei  den  Webern  und  bei 
den  Nädlem  und  Drahtschmieden  finden  wir  etwas  der  modernen 
Arbeitsteilung  Ahnliches.  Wie  es  sich  bei  den  Nädlem  und  Draht- 
schmicden  verhielt,  haben  wir  bereits  erfahren,  bei  den  Webern 
ersehen  wir  es  aus  der  Statistik.  Hier  finden  wir  nach  dem  Weber 
einen  Hanfspinner,  Kämmer,  Färber,  Walker  und  Tuchscherer  ver- 
zeichnet Nachdem  der  Weber  die  Wolle  gekauft  hatte,  wurde 
sie  gewaschen  und  geschlagen.  Hierauf  kam  sie  zum  Kämmer, 
Spinner,  Färber,  Walker  und  schließlich  zum  Weber  zurück. 
Abgesehen  von  derartigen  Ausnahmefällen  finden  wir  im  übrigen 
Berufsteilung.  Nachdem  der  Handwerker  das  Rohmaterial  sich 
erworben  hatte,  durchlief  dasselbe,  womöglich  in  derselben  Werk- 
slätie,  alle  Stufen  der  Entwickelung.*)  Dem  Schuhmacher  war  es, 
wie  wir  ersahen,  erlaubt,  für  eigenen  Bedarf  Häute  zu  gerben. 
So  war  derselbe  nach  dem  Ankaufe  der  Häute  ganz  auf  seine 
eigene  Tätigkeit  beschränkt  und  betrieb  neben  dem  Schuh- 
macherhandwerk auch  das  der  Gerber.  Aus  dieser  Betriebsweise 
entsprangen  zwei  Vorteile:  1)  Einschränkung  des  Kapitalerforder- 


I)  W«hnn.  S.  330  R.  d.  Lohecrber  a,  135D— Ta 

*)  Bfclier,  Wamrbucta  d.  Volksv,  I  Art  0«wcrbe  S.  3S7  V.  as& 


182  Jakob  Höhler. 


und  2)  Vermeidung  der  Gewinnzuschläge  und  die  daraus 
sich  ergebende  Verbitligung  der  Ware  für  den  Konsumenten.') 

2.    Die  Marktordnung. 
a.  Verkauf  der   Handixerksgegenstande. 

Der  ganze  städtische  Handel  und  Verkehr  Lübecks  zentrali- 
sierte sich  auf  dem  Marktplätze;  dei;n  jeder,  der  offenen  Laden 
hielt,  muttle  ihn  auf  dem  Marktehalten.')  Hier  befand  sich  außer 
dem  Rathause  das  Gewandhaus^)  (donius  paniiorum);  das  Loh- 
haus (lohus)*),  das  Heringshaus  (harinchus)*)  und  schließlich 
Verkaufsstande  aller  Art.  Die  einzelnen  Ämter  hatten  ihre  Ver- 
kaufsstände neben  einander.  Dies  erfahren  wir  teils  aus  den  Amls- 
rollcn  teils  aus  den  Kam merelbü ehem.  Autkr  dem  Hauptmarkte 
gab  es  noch  kleinere  Handelszentren,  Nebenmärkte,  wie  der 
Fischmarkl/)  Salxmarkt,')  Rindermarkt*)  und  der  Markt  an  der 
Trave.") 

Bevor  wir  über  den  Verkauf  der  VX^aren  sprechen,  wollen 
wir  uns  an  der  Hand  der  Quellen  (über  die  Verkaufsställen  orien- 
tieren. Die  einfachste  Art  derselben  waren  die  Verkaufstische 
(mensae).  Solche  Verkaufs  tische  benutzten  z.  B.  die  Altflicker") 
und  ein  Teil  der  Heringswäscher.")  Ober  die  Gröik  derselben 
und  die  Abgaben  für  dieselben  gibt  uns  Folgende  Stelle  Aus- 
kunft:"} ümncs  homines  aliqua  bona  vel  res  aliquas  vendcntes 
in  foro  in  mensis  dant  quivis  IV  solides  de  Integra  mensa  serael 
in  anno,  de  dimidia  vero  mensa  dat  quivis  H  solidos.  Integra 
mensa  habebit  in  longitudinc  octo  pcdes.  Mit  den  Verkaufstischen 
nahe   verwandt  waren   die   Fleischscharren   der  Knochenhauer. ") 

>)eb«ida. 

*]  Ptuli  S.  48, 

>]  U.  B   I  S.  »S  ■.  1361  u.  U.  B.  II  S.  1046  «.  I316-3& 

*)  ü.  B.  I.  S.  149  L  \»Z 

^  U.  B.  I  »0  1.  ITSL 

*)  U.  S.  IV  S.  1»  ff.  a.  1360—70:  uppe  den  vmclien  mirkcde. 

*)  riofnd» :  uppe  den  tollen  ntukede. 

•)  Wehnii.  S.  261  R.  d.  Knoeh*nhjiirer :  uppe  dem  rindere  niiTiKdc 

1  Wehnn.  S    JOS  «.  !»*■  »elleboderi  W  dti  Trii»en. 

"j  U.  B-  IT  S.  1023  «.  1283-08. 

")  U.  B,  n  S.  1054  a.  I1I6-3B. 

")  U.  n,  II  S   1051  a.  1316-38, 

«1  U.  B.  n,S.  1046  ä.  1316- 3R 


Dieselben  waren  kurzfüßigc,  leicht  ausgehöhlte  Rohklötze  zur 
Schaulegung  von  Fleisch  waren ')  Anderer  Beschaffenheit  waren 
die  Brolschrangen  der  EJiäcker.')  Dieselben  waren  eine 
Bänkehalle  mit  darin  vereinigten,  aber  genau  abgeteilten  Tisch- 
und  Sitzplätzen.*)  Der  einzelne  Tischplatz  wurde  let,  die  jähr- 
Kche  Abgabe  an  die  Stadt  für  ein  let  lethure  genannt.  Vor 
Ostern  jährlich  warfen  die  Bäckermeister  sowie  auch  die  Fleisch- 
hauer das  Los  um  ihre  Verkaufsplätze.*)  Für  jeden  Ptatz  be- 
zahlten die  Bäcker  um  Ostern  den  Kam merei Herren  sechs 
Schillinge  und  sechs  Pfennige  für  Wein,  zu  Michaelis  nur  sechs 
Schillinge  (sex  solidos  slmpltciter);  die  Knochenhauer  entrichteten 
jährlich  zu  Ostern  den  Kämmereiherren  für  jeden  Platz  eine 
Mark  und  auüerdem  sechs  Pfennige  für  Wein.*)  Unmittelbar 
an  die  Knochenhauer  reihten  sich  diejenigen,  welche  Speck  und 
Eingeweide  verkauften  (qui  lardum  et  intestina  pecorum  vendunt). 
Dieselben  bezahlten  zwölf  Schillinge  für  den  Verkaufsplatz  und 
den  AUerleiiten  des  Knochenhaueramtes  sechs  Pfennige  für  Wein. 
In  der  Rolle  vom  Jahre  1385  wurde  folgendes  über  die  Vcr- 
fcaufsslättcn  der  Knochenhauer  bestimmt : ")  Die  Älterleute 
sollen  in  jeder  Reihe  den  dritten  Laden  haben,  ohne  darum  zu 
losen.  Von  jedem  Verkaufsstande  hat  jeder  einen  Schilling  Löse- 
geld (lothcgeld)  und  drei  Mark  jährliche  Miete  zu  entrichten. 
Die  Abgaben  waren  also  im  Gegensätze  zu  der  früheren  Zeit 
bedeutend  erhöht  worden. 

Weitaus  am  meisten  fand  der  Warenverkauf  in  den  Buden 
(bcdae,  tabernae,  boden,  selleboden)  statt.  Die  Buden  waren 
kleine  einstöckige  Häuschen.  Ausserdem  finden  wir  auch  in 
Lübeck  Budenhäuser,')  d.  h.  Einrichtungen  einer  Anzahl  an- 
einander gereihter  kramartiger  Verkaufskammem.  Solche  Buden- 
bfiuser    waren   z.  B.   das   Gewandhaus  (dnmus  pannorum),  das 


*)  Oeitgl«  S.  137. 

*]  U.  B.  U  S.  1047  s.  I3]«-3S. 

*)  Ocnsln  5.  1». 

•)  U.  B.  I  S,  251  ».  13M. 

*)  U.  B.  II  S.  lOM  I.  1310-38  Ann.  0. 

*)  Wehr»,  S.  J6fl  i.  1385. 

^  Ontgla  S.  142. 


IM  Jakob  Höhler. 


Lohaus,  das  Heringshaus  und  das  Haus  der  Pelzen.  In  dem 
Lohause  hatten  nicht  allein  die  Lohgerber  ihre  Verkaufsstätten, 
sondern  auch  die  Wollenweber, ')  welche  einheimische  Tücher 
verkauften.  Die  fremden  Tücher  wurden  von  den  Oewand- 
schneidem  auf  dem  Gewandhause  ausgeschnitten.*)  Beide, 
Lohgerber  und  Wollcnweber,  warfen  das  Los  um  ihre  Plälze  in 
Gegenwart  der  Kämmerer.  Die  Lohgerber  bezahlten  für  ihre 
Plälze  jährlich  acht  Schillinge  in  zwei  Raten,  ^ler  Schillinge  um 
Ostern  und  vier  Schillinge  zu  Michaelis"),  Die  Wollenweber 
bezahllen  'jährlich  nur  vier  Schillinge.  In  dem  Hcringshause 
(harinchus)  befanden  sich  neun  Buden,  wofür  jeder  Herings- 
wäscher zu  Michaelis  nach  der  Verlosung  der  Plätze  sofort  zwei 
Mark  entrichten  mußte').  In  dem  Hause  der  Pelzer  (domus 
pellißcum)  hielten  die  Buntfutterer  (iUi  cum  opere  pulchro)  und 
die  Pelzer  (iUi  cum  opere  agnino)  ihre  Waren  feil.  Beide  zu- 
sammen entrichteten  für  jährliche  Miete  des  ganzen  Hauses 
zwanzig  Mark;  davon  bezahlten  die  Pelzer  vierzehn  Mark  und 
die  Buntfutterer  sechs  Mark.*) 

Jedes  Amt  liatle  eine  bestimmte  Anzahl  Buden  auf  dem 
Markte  und  seinen  bestimmten  Ort.  In  manchen  Ämtern  war 
oft  die  geringe  Anzahl  von  Buden  ein  Hindernis  für  die  Auf- 
nahme von  neuen  Milgliedern.  Dies  drückt  deutlich  die  Rolle 
der  Nüdler  in  folgenden  Worten  aus:")  Wittlik  sy,  dal  de  heren 
tho  Lübeck  buwel  hebben  vertein  (14)  stede  to  behoff  der  natteler, 
de  dar  sitten  in  der  heren  winne,  unde  nemant  schal  sicn  sulves 
werden  in  den  swibagen,  dar  in  sterve  ein  udt  den  vertein  steden. 
Erst  wenn  ein  Nädler  starb,  konnte  ein  anderer  an  seine  Stelle 
tr^eiL  Die  Knochcnhaiier  hatten  vor  dem  Jahre  13S4  wahr- 
scheinlich hundert  Fleischscharren,  denn  nach  dem  Aufstande 
hatte  der  Rat  von  den  vier  Budenreihen  zwei  abbrechen  lassen.^ 


I 


')  U-  B.  I  S.  240a.  1162  n    U.  B.  }\  S,  IWfta.  13I6-J8. 

t  V.  a.  II  S.  ICH5  u.  IMM.  13ie-3l. 

•i  U.  B.  n  S.  10461.  t3lä-3B. 

<)  U.  B.  1  S.  250  a.  I2fi2. 

*)  U.  B.  I  S.  340».  12U. 

•)  Wdim.  S.  SWfc.  135S. 

T)  Chr.  d.  diKh.  St.  Llb.  II  5.  3M  n.  350. 


Die  AnßLnge  des  Kaiidverks  in  Lübeck. 


Gleich  am  Anfange  der  Rolle  vom  Jahre  1385  heißt  es,  dass  von 
nun  an  nur  noch  fünfzig  Knochenhauer  in  dem  Amte  sein 
dürften*).  Das  Gewerbe  der  Bechermadier  erlange  im  Laufe 
der  Zeit  eine  solche  Blüte,  daß  sich  der  Rat  genötigt  sah,  neun 
neue  Buden  zu  den  vorhandenen  hinzuzubauen*), 

jedes  Amt  hatte  ferner  seinen  bestimmten  Ort  für  die  Ver- 
kaufisstände.  So  befanden  sich  z.  B.,  wie  bereits  enrähnl,  die 
vierundzwanzig  Verkaufs-  und  Arbeilsbuden  der  Goldschmiede 
unter  dem  Ralhause/)  die  Verkaufsplätze  der  Gärtner  an  den 
Ecken  des  Kirchhofes,')  die  Nädler')  hatten  ihre  Buden  unter 
einem  Schwibbogen  am  Markte,  die  Grapengießer')  bei  der  Wage 
and  die  Heringswäscher  teils  auf  dem  Fischmarkte,  teils  auf  dem 
Salzmarkte.  0  Die  Drechsler  hatten  ausser  ihren  Buden  auf 
dem  Markte  auch  noch  .-selleboden  bi  der  Traven",*)  wo  sie 
verkauften,  «wes  ene  aver  see  gekamen  is."  Innerhalb  der  Amier 
selbst  verloste  man  die  Vcrlcaufsstände,  soweit  dieselben  von 
Amtes  wegen  gemietet  wurden,  damit  die  Verkaiifsstände  wechselten 
und    nicht   immer   dieselben  Personen  die  guten  oder  schlechten 

■  Buden  hätten*). 
Was  schließlich  noch  das  Budeneigentum  anbetrifft,  so  ge- 
borten wohl  anKnglich  alle  Buden  der  Stadt.  Im  Laufe  der 
Zdt  wurden  sie  auch  von  Privatleuten  käuflich  erworben.  Im 
vierzehnten  Jahrhundert  besaß  nach  Pauli'")  Lübeck  ausser  den 
Buden  der  Goldschmiede  kaum  mehr  wie  dreißig  Buden  als 
H  volles  Eigentum.  Ein  Teil  derselben  wurde  jähriich  oder  auf 
eine  Reihe  von  Jahren  vermietet,  ein  anderer  Teil  auch  auf  Lebens- 
zeit") Die  meisten  anderen  Buden  waren,  wie  bereits  gesagt, 
Privateigentum. 


■}  Wchnn.  S.  150. 

^  U.  0.  II  S.  tDS3  U.  lOM  1.  I3ID-3S, 

^  Vthrm.  S.  311   R.  d.  aoldtchmlidc  ».   1ITI . 

i  Ttfcnu.  S.  a»  H.  cl.  Oärlntr  i,  1370. 

•J  Vrtinn.  S.  339  R.  d.  NHW  ».  13». 

^  Webmi.  S-  22S  R.  <L  OnpeiLgicKct  a.  t3S4. 

0  U.  B.  IV  S,  lig  1,,  13Ö0-T0. 

^  Wdirm.  203  •.  1164, 

n  Vtbm.  S.  341  R.  d.  NUler  a.  l3Se. 

■^  Ptnll  S.  U  u.  M. 

■*)  U.  B.  n  S.  1048  m.  ni6-38:  bibeblt  bodtiin  «d  tomp«»  vitu. 


186  jakob  Höhler. 


Über  den  Warenverkauf  berichten  die  Quellen  folgendes: 
Wer  bei  den  Nädicm')  einen  Käufer  zu  ach  herbeiwinkte, 
wurde  mit  drei  Mark  bestraft.  Die  einzelnen  Arbeiten,  Nadeln, 
Fischangeln  usw.  sollen  wohlgeordnet  und  sortiert  sein.  Von 
Haus  zu  Haus,  von  Straße  zu  Straße,  an  der  Travc  oder  bei 
den  Schiflen  seine  Waren  feil  zu  halten,  also  Hausierhandel,  war 
verboten.  Ungebührliches  Benehmen  bei  dem  Verkaufe  wurde 
mit  einem  halben  Pfunde  gebüßt.  Wollte  ein  Nädler  Waren 
auswärts  versenden  (udl  fhoren),  so  hatte  er  die  Verpflichtung, 
dieselben  erst  den  Älterleuten  zu  zeigen.  Strenge  wurde  der- 
jenige Pcrgamenlmacher')  bestraft,  der  gute  Ware  mit  schlechter 
vermischte.  Die  Schneider")  durften  niemand  um  Arbeit  an- 
sprechen; ebenso  dürfen  die  Bader'j  nicht  eines  anderen  Bade- 
gast zu  sich  bitten.  In  der  Rolle  der  Qrapen gießet ')  wurde 
verboten,  den  Ketelbotem  d.  h.  solchen,  welche  mit  alten  Kesseln 
handelten,  etwas  zu  verkaufen.  Die  Knochen  hau  er*)  durften 
nicht  die  Käufer  zu  sich  bitten.  Die  Verkaufszeit  derselben  war 
genau  bestimmt.  Verkaufte  ein  Lohgerber')  einem  Schuhmacher 
schlechtes  Leder  und  verschwiegen  beide  es,  so  mußten  sie  von 
jedem  Stücke  Leder  ein  halbes  Pfund  Strafe  bezahlen.  Schuldete 
ein  Schuhmacher  einem  Gerber  Geld  für  gekauftes  Leder,  so 
durfte  dieser  dem  Schuhmacher  erst  dann  wieder  Leder  verkaufen, 
wenn  derselbe  seine  Schuld  abgetragen  halte.  Die  Lohgerber 
durften^  abgesehen  von  den  einheimischen,  nur  überseeische  Felle 
und  Häute  verkaufen,  ebenso  wie  sie  nur  überseeischen  Handel 
treiben  durften,  falls  sie  Waren  auch  auswärts  versandten  (nullus 
cerdo  debet  coreum  ad  aiiqua  loca  niitlere  nisc  ad  mare).  Die 
Rolle  der  Qarbräter*)  verbietet  »scheldeword  unde  ungcvoch" 
bei  dem  Verkaufe.     Die  Drechsler")  hatten  auch  an  der   Trave 


•)  Wehrra.  S.  33Q,  R.  d.  Nidlrt  >.  13Sti. 
*)  Wchna.  S.  363,  R.  d.  Persimentiiudier  ■.  \330. 
>)  Weliim.  S.  42%  R,  d    Sclineiiln  a.  1370. 
*i  WrhiTO.  S.  1B2.  R.  d.  Bider  i,  I3i0. 
*)  Wehrm.  5.  I2S,  R.  d.  OmpwiKieß«  a,  1354. 
*)  Wetarai.  S.  261  D.  305,  K.  0.  KnocheniMun  i.  1365. 
^  Wduin.  S.  319,  R.  d.  LAtifcrbcr  a.  J350-TO. 
*)  V«4inn.  &  205,  R.  d.  Qju-briln  a.  1374. 
WdmD.  S.  303  s.  13M. 


Verkaufsbuden  (selleboden),  wo  sie  nur  solche  Waren  verkaufen 
durften,  wes  ene  aver  see  gekamen  is.  Desse  scolen  up  dem 
marked  nicht  utstan  bi  dren  marken  sulvers.  In  der  ältesten 
LübeckJschen  Brotlaxe')  aus  dem  Jahre  1255  werden  die  Brot- 
preise von  der  städtischen  Obrigkeit  entsprechend  den  jeweiHgen 
Oetreidepreisen  genau  fixiert.  Das  Stadtrecht  aus  dem  Jahre  1294 
droht  strenge  Strafe  denjenigen  Bäckern'),  welche  zu  kleines 
imd  schlechtes  Brot  zum  Verkaufe  ausstelllen.  Eine  Ordnung  über 
den  Hopfenverkauf  enthält  fotgende  interessante  Nachrichten.^) 
Kein  Hopfengärtner  darf  die  Preise  steigern  beim  Verkauf  der- 
selben Sorte,  wohl  aber  darf  er  den  Preis  herabsetzen  (sed  bene 
darc  potent  pro  minori).  Verkauft  ein  Gast  einem  Lübeckischen 
Bürger,  offenbar  einem  Hopfengärtner,  einen  halben  Sack  voll 
Hopfen,  so  darf  der  Käufer  die  Ware  nicht  teuerer  verkaufen,  als 
sie  sein  Verkäufer  schon  verkauft  hatte  (Üle  emptor  iiiodium  non 
dabit  carius,  sicut  venditor  prius  dedit).  Jeder  Bürger  durfte 
nicht  mehr  als  einen  Sack  Hopfen  auf  einmal  kaufen.  Vielleicht 
vollte  man  dadurch  verhindern,  daß  die  Bürger  heimlich  Bier 
brauten  oder  unbefugt  mit  dem  Hopfen  Handel  trieben.  Der 
Hopfen  durfte  nicht  ohne  besondere  Erlaubnis  in  den  fiäusern 
scheffelweise  verkauft  werden  sondern  nur  auf  dem  Markle.  Der 
slavischc,  märkische  und  thüringische  Hopfen  mußten  gehörig 
sortiert  sein.  Hopfen  auswärts  zu  versenden,  war  untersagt.  Über 
den  Verkauf  gesalzener  Heringe*)  wurde  folgende  Verordnung 
erlassen:  Die  städtische  Obrigkeit  bestimmte,  wieviel  Heringe  die 
Heringswäscher  für  einen  Pfennig  geben  sollten.  Der  Preis  der 
Heringe,  welche  auf  dem  Fischmarkte  und  derjenigen,  welche 
auf  dem  Salzmarkte  verkauft  wurden,  war  einheitlich.  Derselbe 
richtete  sich  «dar  na,  dat  God  de  tyt  ghift."  Auf  dem  Fischmarkte 
wurden  frische  ungesalzene  Heringe  verkauft,  während  auf  dem 
-soltcn  markcdc"  gesalzene  Heringe  zum  Verkauf  ausgestellt 
wurden.  Die  Älterleute  der  Heringswäscher  auf  dem  «solten 
markede   scholen   mestcre  wesen  over  al  sollen  ghut",  d.  h.,  sie 


>)  U.  B.  I  S.  205. 

*i  Hwdi  11  s,  i». 

•)  U.  B.  II  S  9M  *.  1)00-1350. 

^  U.  B.  IV.  S.  139  I    1340-70, 


188  Jakob  Höhler. 


haben  das  Recht,  Kontrolle  auszuüben  über  alle  gesalzenen  Fische, 
die  auf  dem  markede  to  Lubeke  edder  in  Straten  edder  binnen 
Liibeke  verkauft  wurden.  Die  Brauer')  durften  eine  Tonne 
guten  Bieres  (ghudes  enparlghes  beres)  nicht  teuerer  verkaufen 
als  umme  XII  schillinghe.  Irgend  welche  Beigabe  zu  schenken, 
offenbar  um  Kunden  anzulocken,  war  untersagt  Kein  Brauer 
durfte  Buden  halten  und  daselbst  Bier  verzapfen.  Fremdes*)  Bier 
durfte  nur  auf  dem  Lohause  verzapft  werden.  Wohl  aber  war 
es  gestattet,  sich  von  auswärts  Bier  zu  eigenem  Gebrauche  schicken 
zu  lassen. 

Wir  ziehen  aus  dem  Gesagten  folgendes  Resultat:  Ent- 
sprechend der  mittelalterlichen  kanonistischen  Wirtschaftstheorte^ 
sollte  Handel  und  Wandel  von  christlich-ethischem  Geiste  durch- 
drungen sein,  d.  h.,  es  sollten  alle  Produzenten,  in  unserem  Falle 
alle  Amisbrüder,  unter  sich  beim  Verkaufe  der  Waren  gleich- 
gestellt sein  und  den  Käufern  gute  und  preiswürdige  Ware  liefern. 
Einerseits  sollte  demnach  der  Handwerker  nicht  durch  unerlaubte 
Mitld  seinen  Wohlsland  auf  Kosten  anderer  Amisbrüder  erhöhen, 
anderseits  der  Käufer  einen  gerechten  Preis,  das  pretium  justum, 
bezahlen.  Der  Handwerker  durfte  nicht  den  Käufer  herbeilocken. 
Um  eine  Kontrolle  um  so  genauer  ausüben  zu  könneOf  war  oft 
die  Verkaufszeit  bestimmt  und  der  Hausierhandel  verboten.  Da- 
mit der  Käufer  nicht  betrogen  wurde^  mußte  die  Ware  sortiert 
sein.  Fand  ein  unreeller  Kauf  mit  Wissen  des  Käufers  und  Ver- 
käufers statt,  so  unterlagen  beide  einer  Strafe.  Besonders  strenge 
Aufsicht  hinsichflich  der  Güte  der  Waren  wurde  bei  den  Lebens- 
mitteln ausgeübt,  zumal  wenn  dieselben  von  auswärts  kamen. 
Der  außersläd tische  Handel  war  zwar  nicht  immer  verboten, 
wurde  aber  streng  beaufsichtigt.  Den  Preis  zu  bestimmen  lag 
keineswegs  in  dem  Ermessen  und  Belieben  des  Verkäufer?  sondern 
der  ÜbrigkeiL  Infolgedessen  erhielt  jeder  Handwerker  seinen 
gerechten  und  gebührenden  Lohn  für  seine  Arbeit  und  der  Käufer 


I 


1 


>>  Wehitn.  S.  170  R.  A-  Dniier  t.  1M3. 
•)  Wehnn.  S.  18S  a.  1380. 

■)  VctkI.  W.  Cndrnuiii),  Studien  tn  d.  romuiisdi-kanoniit  WlrtitbafU- u.   Rfchti- 
Win.    3  Bde.  Berlin  l&aj,    v.  Below,  Artikel  Zänf»  und  PrtUUxcn  im  Wlbch.  i.  VoEkiw. 


I 


bezahlte  den  gebührenden  Preis  (pretium  iustum).  Der  Preis  war 
also  erstens  einheitlich  und  zweitens  gerecht.  Schlechte  und  un- 
pünktliche Bezahler  fanden  keinen  Verkäufer  mehr, 
b)  Das  Oäälerecht  und  die  Ämter. 
Der  Zunftzwang  als  Konkurrenzkampf  richtete  sich  nicht 
allein  gegen  die  einheimischen  unzQnftigen  Produzenten  sondern 
auch  gegen  die  Fremdenj  die  Gaste.  Unter  dem  Oästerccht  ver- 
stand man  »das  Recht  der  fremden  Kautleute  und  Handwerker, 
die  in  die  Stadt  kamen,  um  ihre  Waren  daselbst  zu  verkaufen".*) 
Es  unterviarf  die  Gäste  gewissen  Beschränkungen  gegenüber  den 
einheimischen  Gewerbetreibenden,  in  unserem  Falle  gegeniJber 
den  zünftigen  Handwerkern.  Über  das  Gästerecht  geben  uns 
die  Quellen  Lübecks  folgende  Nachrichten.  Die  Rolle  der  Nädler*) 
bestimmt:  Vortmehr  queme  ein  gast  tho  Lubeckj  de  schal 
dar  mcdc  sthan  alß  eines  gaste«  recht  is,  dre  dage  in  dem 
jähre,  men  sochte  he  koplüde  van  huse  Iho  huse,  van  stratten 
Iho  stratten,  de  scheide  den  heren  wedden  dre  mark  sulvers, 
Vcrc  idt  avcrst  falsch,  meti  scholde  darmede  varen,  alse  der  heren 
recht  tho  sede;  were  idt  aver  wandelbaer,  so  schall  he  wedden 
also  mennig  half  pundt,  als  dar  duscnt  is;  werct  dat  dat  jemand 
koffte  van  unserm  ample,  de  scholde  wedden  ein  halff  pundl, 
also  dicke  idt  under  eme  wurde  ghevunden.  Vortmehr  schal 
nein  man  ofte  fruwe  in  unserm  ampte  kopen  fromcdt  ogenwerk; 
also  mennig  dusent,  als  he  koffte,  also  mennig  dre  mark  sulvers 
schal  he  wedden.  Die  Gäste  durften  also  nur  an  ganz  beslimmlen 
Tagen  ihre  Waren  zum  Verkaufe  ausseben.  Es  war  ihnen  nur 
erlaubt,  auf  dem  Markte  zu  verkaufen,  der  Hausierhandel  war 
verboten.  Die  Qüte  ihrer  Ware  wurde  kontrolliert.  Wer  schlechte 
Ware  feilhielt,  wurde  bestraft.  Den  Nädlern  selbst  war  es  bei 
Strafe  verboten,  von  den  Gästen  Waren  zu  kaufen.  In  der  Rolle 
der  Knochenhauer  finden  wir  folgendes*);  Den  Gästen  ist  es 
erlaubt,  zwischen  Ostern  und  Pfingsten  Lammfleisch  und  vom  St. 
Lambertstage  (17.  Sept.)  bis  zum  St.  KatharinenLige  (25.  Nov.)  Rind- 

■)  V.  Bclov,   An.  Qiaimchl  u.  Zfinlle  im  Wtbch.  d.  Volla*.  n.   lli.SioUe,  Die 
Cii1*täi(.  d   03(ic[cvht),  MRib.  Dlw.  IWl  S.  T. 
t  Wdinn.  S.  340  >.  1156. 
*>  Wchnn.  S.  261  a.  13«^ 


S 


190  Jakob  Hohler. 


fleisch  und  Hammelfleisch  zu  verkaufen,  abernur  in  ganz  bestimmten 
größeren  Quantitäten.  Wollen  sie  mehr  verkaufen,  dat  moghen  se 
don,  men  nicht  myn,  unde  scholen  gheven  unser  stad  van  dem  rynde 
XVI  penninghe  unde  van  dem  schape  ver  pennenghe.  Was  die  Gäste 
zum  Verkaufe  auf  den  Markt  bringen  und  nicht  verkaufen,  dat 
scholen  se  des  anderen  daghes  nicht  veder  bringen  to  vor- 
kope.  Vergesellschaftung  mit  den  Gästen  ist  sowohl  den  Knochen- 
hauem  wie  den  Garbrätem  *)  verboten.  Die  Lohgerber*) 
dürfen  den  Gästen  durchnäßte  Felle  nur  cum  sdtu  duorum  pro- 
borum  virorum  in  officio,  quod  bonum  esset  et  perfectum,  ver- 
kaufen. Eine  Ordnung  über  den  Hopfenverltauf)  schreibt 
folgendes  vor:  Hospites  stabunt  in  una  linea  cum  humulo  suo 
et  nostri  bui^nses  simul  stabunt  in  alia  linea  ex  opposito  in 
eodem  vico  nee  in  stadonibus  suis  debent  pariter  commisceri. 
Außerdem  wird  den  Bürgern  verboten,  mit  den  Gästen  Kompagnie- 
geschäfte zu  treiben. 

Fassen  wir  das  Gesagte  kurz  zusammen,  so  o^ebt  sich 
im  allgemeinen  folgendes.  Die  Gäste  durften  in  Lübeck  nur 
an  ganz  bestimmten  Tagen  verkaufen.  Sie  hatten  ihren  be- 
stimmten Platz  auf  dem  Markte,  gesondert  von  den  ein- 
heimischen Verkäufern.  Der  Hausierhandel  war  ihnen  unter- 
sagt Ihre  Ware  unterlag  der  Kontrolle.  Meist  verkauften  sie 
en  gros.  Kompagniegeschäfte  der  Gäste  mit  Lübeckischen  Bürgern 
und  umgekehrt  waren  verboten.  Die  Nädier  durften  mit  den 
Gästen  keine  Kaufgeschäfte  abschließen,  die  Lohgerber  nur  mit 
Wissen  von  zwei  rechtschaffenen  Männern. 

Schon  früh  hatte  Lübeck  einen  bedeutenden  Markt,  da 
seine  günstige  Lage  eine  Menge  fremder  Kaufleute  anzog.  Be- 
reits Heinrich  der  Löwe  gab  der  Stadt  das  Privileg,*)  mene 
markede  to  hebbende  2  dagc  in  der  wekene,  des  mandages  unde 
des  donderdages;  darmede  vorgingen  de  jarmarkede.  Friedrich  I. 
sicherte  fremden  Kaufleuten  die  günstigsten  Handelsbedingungen'), 

>)  Wdirm.  S.  2M  R.  d.  Oaibriter  ■.  I37ä. 

»)  Wehrm.  S.  320  R.  d.  Lohgerber  «.  1350-70. 

^  U.  B.  II  S.  923  1.  1300—1350. 

*)  Chr.  d.  dtsch.  Slidte,  Lüb.  I  S.  20  i.  1363. 

^)  U.  B.  I  S.  10  a.  11  1.  1188,  SUdtKcht  Friedridii  [. 


Die  Anfänge  des  Handwerks  in  Liibeck 


und  sein  Enkel  Friedrich  II  scKließlkh  erteilte  der  Stadl  das 
Recht,  jährlich  von  Pfingsten  bis  Jacobi  eine  Reichsniesse 
abhalten  zu  dürfen').  Möglicherweise  sind  durch  die  günstigen 
Gelegenheiten  und  Bedingungen  für  fremde  Kaufleute  die  ein- 
heimischen Produzcnlcn  geschädigt  worden.  En  diesem  Falle 
dürfte  die  Annahme  Th.  Stolzes  nicht  unberechtigt  sein,  daß  i.dic 
Errichtung  der  Zünfte  als  eine  Maliregel  anzusehen  sei,  die  zu 
den  Beslrebiingen  des  Gäslerechts   in  engster  Beziehung  stehe")." 

•  5.  Kirchliche  Zwecke  der  Ämter. 

Vergegenwärtigen  wir  uns  die  allgemeine  mittelalterliche 
religiöse  Anschauung,  so  finden  wir  eine  besondere  Betonung 
des   religiös-sittlichen    Momentes  innerhalb  der  Amter  sehr  wohl 

»verständlich.  Nicht  so  früh  wie  in  anderen  Städten  berichten 
uns  die  Quellen  von  Lübeck  über  derartige  Strömungen  inner- 
halb der  Ämter.  Die  älteste  kirchliche  Bruderschaft  in  Lübeck') 
Oberhaupt  ist  in  dem  Jahre  1342  von  den  armen  Prieslern  und 
Schullchrcm  der  SL  Jakobikirche  gestiftet  worden.  Auf  Hand- 
f  werker  wird  hier  nicht  Bezug  genommen,  was  natürlich  eine 
Mitgliedschaft  derselben  nicht  unbedingt  ausschließt.  Da  wir 
erst  so  spät  von  Bruderechaften  hören  und  auch  in  den  Zunft- 
roilen  das  religiös-sitthche  Mamenl  nur  so  ganz  beiläufig  erwähnt 
finden,  so  können  wir  bei  Lübeck  die  Ansicht,  daß  die  Amter 
aus  kirchlichen  Bruderschaften  entstanden  seien,  wohl  ganz  ab- 
weisen.*) Wohl  haben  die  Amter  ihren  Mitgliedern  auch  religiöse 
Pflichten  auferlegt  und  einen  Schutzheiligen  erwählt,  aber  es  läßt 
sich  keineswegs  eine  Bruderschaft  als  Wurzel  des  spezifisch  ge- 
werblichen Verbandes  nachweisen.  Mit  Unrecht  bezeichnet  Julian 
Welter,')  der  sich  hierbei  im  wesentlichen  auf  die  durchaus 
veraltete  Ansicht  von  Nitzsch*)  stützt,  die  Bruderschaft  in    Harn- 

V"  "  — -'~  - -"- 

H  q  U.  B.  1  S.  83  a.  1Z3>. 

H  •)  »dH  &  44 

^  t  V.  B.  III  s.  4a 

t  TOcI.  a  Cnwn  S.  54  u.  ».   v.  BtU>v.  Art  Zflalte,   VftrtcA.  d  Votbv.  11, 

s.  flnu. 

•)&  24. 

^  Sltaglbcr.  d.  Bcri.  Akidirvle  18Tg  S.  13  ff 


192  Jakob  Höhler. 


der  Ämter  war  und  blieb,  in  erster  Linie  eine  geverblidte 
Einung  zu  schaffen.  Die  mittelalterliche  Zunft  verehrte  einen 
Heiligen  als  Schutzpatron,  unterhielt  einen  eigenen  Altar,  ver- 
sammelte ihre  Mitglieder  zu  gemeinschaftlichen  Gebeten,  ließ  für 
die  verstorbenen  Mitglieder  Messen  lesen  und  verfolgte  mild- 
tätige Zwecke.  Derartige  religiöse  Strömungen  dürften  wohl  in 
jedem  Amte  vorhanden  gewesen  sein,  selbst  wenn  wir  keine 
direkten  Nachrichten  darüber  besäßen. 

In  Lübeck  hatten  die  Grapengießer*)  ihren  eigenen  Altar 
in  der  St  Jakobskirche,  die  Knochenhauer*)  in  der  St  Marien- 
kirche, die  Goldschmiede*)  in  der  hl.  Geistkirche.  Zur  Unter- 
haltung des  Altares  wurden  Straf-  und  EintrittsgebOhren,  zum 
Teil  auch  obligatorische  Abgaben  in  Wachs  verwandt  Die 
Knochenhauer*)  bestritten  die  Abgaben  für  ihren  Altar  aus  den 
Eintrittsgeldern  der  Meister  und  den  Einkünften  der  Kaven.*) 
Welk  man  de  synes  sulves  werden  wil  in  erem  ampte,  de  schal 
gheven  unser  leven  vrowen  aise  to  den  knokenhowere  altare» 
to  den  lichten  unde  to  anderen  stucken,  der  me  dar  to  bedarf, 
vif  schillinghe  lubesch  unde  eynen  penningh,  de  schal  men  anf- 
werden  den  jenen,  de  dat  altar  vorstaet")  Sie  hatten  also  einen 
eigenen  Priester  und  Küster,  deren  Besoldung  hauptsächlich  von 
den  Intraden  der  Kaven  und  speziell  von  wöchentlichen  mild- 
tätigen Spenden  bestritten  wurde.')  Sie  hörten  femer  gemeinschaft- 
lich die  Messe,  weil  sie  während  der  gewöhnlichen  Gottesdienstzeit 
in  ihren  Verkaufsbuden  weilen  mußten  dorch  bequemicheit  willen 
der  borghere  unde  der  ganteen  menheit*) 

Nur  von  einer  Bruderschaft  innerhalb  eines  Amtes  ver- 
nehmen wir  in  unserer  Periode;  es  ist  die  der  Goldschmiede.*) 
Acht  Stifter  nennt  die  Urkunde,  de  de  broderschop  gemaket  unde 


')  Wchrai.  S.  227. 

^  Wehrm.  S.  263. 

•)  Wfhnn.  S.  4M. 

*)  Wehnn.  S.  "AS. 

»)  lt»ve  =  kl.  Schlichtlutii. 

•)  Wehrm.  S.  265. 

»)  Wehrm.  S.  2*3. 

■>  ebenda. 

•)  Wehnn.  S.  4«  H. 


Die  Anßnged«  mndva-ks  in  LQbeck. 


I 


I 


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gestichtet.    Darunter  befindet  sich  auch  ein  Johannes  Oldenborch, 
cte   schriver.    Die  Bruderschaft  beschränkte  sich  also  nidit  allein 
auf    die   Ooldschmiede,    sondern   auch    Leute  anderen    Standes 
■wurden  aufgenommen.    Über  den  Zweck  der  Brüderschaft  be- 
richtet dieselbe  Urkunde  weiter:   «To  ewyghen  lyden  dach  undc 
flacht'  soll  brennen  vor  dem  heiligen  Leichname  ein  Wachslicht, 
uppe   dal   de    hillige  Lycham  sy  unse  lesle  spyse,  1o  hulpe  unde 
lo    tröste   den    seien,   de  in    desser  bioderschop  sind,  unde  allen 
Christenen  seien.    Auch  Frauen  haben  Aufnahme  gefunden,  denn 
«s  heißt  am  Anfange  der  Statuten:  we  desser  brodcrschop  begheret 
unde   dar   broder   ofle   suster   inne   werden    will  .  .    Vielleicht 
dürfen  wir  in  den   «Schweslem"    großenteils    Angehörige  oder 
Vervandte   der    ubroder",    also   der    Goldschmiede,    vermuten. 
Diejenigen    Mitglieder,    welche    nicht    dem    Amte    der    Qold- 
schmiedeangehörten,  bildeten  die  Ausnahme.  Jeder,  der  aufgenommen 
zu  werden  wünschte,  muOte  zwei  Pfund  Wachs  oder  acht  Schillinge 
entrichten.    Die  Aufnahme   fand  statt  am  Montage  nach  Frohn- 
leichnam,  am  Tage   der  jährlichen   Zusammenkunft    Diese  war 
fiir  alle  Mitglieder  obligatorisch.    An   diesem  Tage  mußte  jedes 
Mitglied   veer  Schillinge  uthgheven  in  de  bussen  to  dem  liclite. 
Erst  wenn  die  Bruderschaft  so  reich  ist,    um  Renten  kaufen  zu 
können,    soSl    der    Beilrag    vermindert    werden.      Den    Vorstand 
bildeten  twe  schaffere,  welche  das  Geld   und  Gut  der  Bruder- 
schaft in  drei  Kisten,  mit  drei  verschiedenen  Schlössern  versehen, 
verwahrten.     Beide  Schaffer  muGten  anwesend  sein,  wenn  eine 
Kiste   geöffnet  wurde,   einer  allein  durfte  sie  nicht  öffnen.    Jedes 
Jahr  wählte  die  Bruderschaft  einen  neuen  Schaffer,  einer  verblieb 
im   Amte,  also   dat  dat  jar  zo  schal  wesen  en  olt  schaffer  unde 
en  nye.    Bei  wichtigeren   Angelegenheiten  durfte  der  Vorstand 
die  Älterleute  zu  Rate   ziehen   und  außerdem   nocli  vier  andere 
Mitgheder  der  Bruderschaft.    Wer  die  Bruderschaft  um  Oeld  be- 
trog, wurde  aus  derselben  ausgestoßen.    Bei   Zusammenkünften 
wurde  ein  gesittetes  Benehmen  verlangt,  unbescheidenes  Betragen 
wurde  mit  einem  halben  Pfunde  Wachs  geahndet.  Jedes  MitgHed  war 
gehalten,    für  seine  verstorbenen   Mitbrüder  ein  Vaterunser  und 
ein  Ave  Maria  zu   beteUj  ebenso  ein  Vaterunser  und   ein  Ave 

Arebi«  fär  KulnirgeKlilclite.  1,3.  13 


194  Jakob  HObkr. 

Maria  für  alle  lebenden  Mitbriider,  dat  se  God  tröste  unde  starke 
in  einem  guden  ievende. 

Erst  allmählich  bildeten  sich  in  Lübeck  aus  den  Ämtern 
geistliche  Bruderschaften '),  welche  ihre  eigene  Rechtssphäre, 
ihren  eigenen  Verwaltungskörper  und  ihr  eigenes  Vermögen  be- 
saßen. Das  Vermögen  gehörte  nicht  der  Bruderschaft  als  solcher, 
sondern  dem  Heiligen,  dem  zu  Ehren  die  Bruderschaft  gestiftet 
worden  war.*) 


>)  Wehmi.  Sl  ISO. 

■)  WdiTiD,  S.  265  a.  1385  R.  d.   KBoehcnhioer:  de  schtl  g^even  luuer  lerai  rrovcn. 


Die  Klöster  des  Mittelalto^  im  virtschaftlichen  Verkehr.        195 


Die  Klöster  des  Mittelalters  im 
wirtschaftlichen  Verkehr. 

Von  RUDOLF  GOETTE. 


Zu  aJIen  Ständen  haben  die  Klöster  in  den  mannigfachsten 
^rtschaftlichen  Beziehungen  gestanden.  Ihre  Bedeutung  für  das 
■staatliche  Leben,  für  Bildung,  Kunst,  Ackerbau,  Handel  und  Wandel 
Tcicht  in  den  vielfältigsten  Verästelungen  nach  allen  Richtungen 
liin;  wollte  man  sie  aus  dem  mittelalterlichen  Leben  herausgelöst 
■denken,  so  blieben  an  Stelle  des  reichausgestatteten  Domes  nur 
lialtlose  Mauertheile  zurück. 

Die  klösterliche  Wirtschaftspolitik  strebte  stetig  und  erfolg- 
TCich  nach  Vergrößerung  des  Besitzes,  und  die  Weltanschauung 
jenes  Zeitalters  kam  diesem  Streben  villig  entgegen.  Den  Grund 
zu  ihrem  Reichtum  legten  Kirche  und  Klöster  unter  den  Karolingern. 
Keiche  Landschenkungen  und  die  Verleihung  von  Einkünften  und 
l^echten  ließen  schnell  gewaltige  mönchische  Grundherrschaften 
entstehen,  die  indes  zum  großen  Teil  dem  Einfluß  und  der  Aus- 
nutzung des  Reiches  unterworfen  blieben.  Einen  Begriff  von 
der  Ausdehnung  solcher  Gebiete  geben  folgende  Zahlen :  Bamberg 
in  Ostfranken  gebietet  um  1160  über  gegen  600  Hufen,  zu 
"Weife  VI.  Zeiten  sind  es  wenig  über  1000.  Trier  besitzt  im  An- 
lang des  13.  Jahrhunderts  etwa  620  Hufen,  das  Kloster  Metlach 
im  10.  und  11.  Jahrhundert  ca.  300,  St  Marien  bei  Trier  um 
1030  etwas  über  200;  St  Maximin  bei  Trier  hat  im  12.  Jahr- 
hundert nach  der  großen  Säkularisation  noch  über  1000  Hufen, 
beinahe  ebensoviel  das  St  Liutgerkloster  bei  Helmstedt 
St  Emmeran  hat  um  1031  850  Hufen,  St  Ulrich  in  Augsburg 
in  der  2.  Hälfte  des   12.  Jahrhunderts  500,  Nienburg  zu  Anfang 

13* 


des  13.  Jahrhunderts  1650  Hufen  in  155  Ortschaften,  Gernrode 
400  in  mehr  als  60  Orten.  Altenzeil  erhält  1 1 62  von 
Friedrich  I.  SÜO  reichslehnbare  Hufen  in  Daleminzicn.  Hieran 
mögen  sich  sogleich  Angaben  über  die  Forderungen  reihen, 
die  nach  einem  Anschlag  für  die  italienische  Fahrt  Otto's  II.  an 
die  kirchlichen  Herrschaften.,  Bistümer  und  KlOstcr  gestellt  wurden; 
Mainz,  Köln,  Straßburg,  Augsburg  stellen  je  100  Panzerreiter, 
Trier,  Salzburg,  Regensbui^  70,  Verdun,  Lüttich,  Würzburg, 
Fulda,  Reichenau  öO,  Eichsladt,  Lorsch,  Weißenburg  50,  Constanz, 
Chur,  Wonns,  Freising,  Prüm,  Hersfeld,  Cllwangen  40,  Kempten  30, 
Kambrai  12,  in  Summa  1462  schwere  Reiter*).  Die  Refchsabteien 
hatten  außerdem  regelrechte  Abgaben  zu  liefern.  Der  Schweine- 
zins von  Niedermönsler  betrug  zu  Heinrichs  IV.  Zeilen  70,  der  von 
Obermünster  60  Stück*).  Dem  starken  Gebietszuwachs  des  geist- 
lichen Besitzes  wirken  allerdings  auch  bedeutende  Verluste,  nament- 
lich der  Klöster  entgegen.  So  wurden  schon  im  Anfang  des 
10.  Jahrhunderts  die  bayrischen  Klöster  durch  Arnulfs  Säkulari- 
sationen stark  gemindert,  und  ähnlich  verfuhr  damals  Herzog 
Burkard  in  Schwaben,  auch  Otto  der  Große  hat  bayrische  Klöster 
beraubt  Im  Laufe  der  ^Ceit  sind  die  Reichsklöster  mehr  und 
mehr  zusammengeschmolzen;  unter  Duldung  Heinrichs  IV.  er- 
fühlen sie  durch  Adalbcrt  von  Bremen  bedeutende  Einbuße. 
Auch  die  Reformbewegung  des  11.  Jahrhunderts  wirkte  darauf 
hin,  des  Reiches  Einfluß  auf  den  geistlichen  Besitz  zu  schmälern; 
die  Klöster  der  gregorianischen  Richtung  wollten  sich  jeder  Be- 
teiligung am  Staalsleben  möglichst  enthalten.  DieSiHe  verbreitet  sich 
Klöster  dem  heiligen  Petrus  zu  übergeben  mit  dem  Jahreszins 
von  einer  Goldmünze  an  den  Papst,  wodurch  sie  etwaigen  An- 
sprüchen des  Reiches  entzogen  wurden.  Die  Schenkungen  der 
Kaiser  an  die  Kirche  hörten  seit  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts 
mehr  und  mehr  aul,  wurden  aber,  was  die  Klöster  betrifft,  durch 
Überweisungen  seitens  der  Bischöfe  und  durch  Schenkungen 
von  Privatleuten  ersetzt,  die  während  des  11.  Jahrhunderts  in 
großem   Umfange  stattfinden,  an  der  Wende  des  Jahrhundc 


>)  Iiuma  —  ShratEE.  Dnitichc  Wlrtsdufneacb.  11,  IM  I. 
^  lädier,   OcKhlchlf  Biytiiii  1,  737  i. 


Die  Klösler  des  Mittelalters  im  wirtschaftlichen  Verkehr. 


nachlassen,  um  dann  während  des  12.  den  Klöstern  wieder  be- 
deutende Reichtümer  zuzuführen.  Die  treibende  Ursache  ist  in 
dem  wachsenden  Einfluß  der  kirchlichen  Ideen  zur  Zeit  der 
Kreuzzüge  zu  suchen.  Während  im  Zeitalter  der  sächsischen 
und  fränkischen  Könige  die  Schenkungen,  dem  wirtschaftlichen 
Gepräge  der  Zeil  gemäß,  meist  in  Landbesitz  bestanden,  werden 
mit  dem  12.  Jahrhundert  die  Einflüsse  der  Geldwirtschaft  bemerk- 
bar'); an  Stelle  liegender  Güter  treten  oft  schon  Zuwendungen 
an  Barvermögen.  Die  große  Masse  der  Landschenkungen  be- 
steht in  einzelnen  Hufen,  daneben  kommen  auch  gröHere  Höfe 
und  Gruppen  von  Höfen  vor.  Der  treibende  Beweggrund  liegt 
in  der  Regel  in  der  Sorge  für  das  Seelenheil.  Solche  Seelgeräte 
sollen  dem  Schenker  oder  seinen  verblichenen  Verwandten  un- 
mittelbar zu  gute  kommen;  das  Mittelalter  erkannte  nun  einmal 
in  ihnen  das  beste  Mittel,  um  das  Wohlergehen  in  einer  andern 
Welt  sicher  zu  stellen.  In  sehr  vielen  Fällen  werden  daher  die 
Verleihungen  an  bestimmte  Bedingungen  geknüpft:  Es  sollen 
Messen  für  den  Geber  gelesen,  die  Brüder  oder  auch  Arme 
an  bestimmten  Tagen  in  genau  vorgeschriebener  Weise  gespeist 
werden,  oder  es  wird  wohl  auch  ein  Erbbegräbnis  durch  die 
Schenkung  erworben.  So  vermag  ein  Ministeriale  des  Klosters 
Obemburg  mit  Erlaubnis  seines  Lehnsherrn  zwei  Hufen  für  Über- 
weisung eines  solchen  hinzugeben").  Oft  ist  die  Schenkung  in 
Wirklichkeit  ein  Verkauf,  wie  ja  die  alte  Zeit  die  bedingungslose 
Hingabe,  die  wir  danmter  verstehen,  noch  nicht  kennt^.  So 
muß  das  Kloster  Rcichersberg  ein  als  Geschenk  überwiesenes  Out 
mit  120  Pfund  Wiener  Pfennigen  freikaufen,  woneben  der  alte 
Eigentflmer  noch  10  Pfund  erhält*).  In  vielen  fallen  ist  ftlr 
jede  Vernachlässigung  der  Verpflichtungen,  die  an  die  Schenkung 
geknüpft  sind,  deren  Röckfall  vertragsmäßig  festgesetzt.  Viele 
Zuweisungen  treten  auch  erst  für  spätere  Zeit  In  Kraft;  entweder 
der  Spender  vermacht  sein  Gut  ausdrücklich   erst  nacti  seinem 


*)  LampncM,   D.  WirtKhjJUIrten  t,  3    S.  670  f. 

'I  Sldf.  Utinindcnbuch  It,  No.  3Tg  {um  IZ30). 

^  Veitf.  R.  M.  Meyer  in  ZeftKhr.  (Cr  KulttiTgKch.  V,  S.  laf. 

^  A.  1.  O.  II  N.  320. 


Ableben,  oder  er  empfängt  es  vom  Kloster  sogleich  als  Lehen 
wieder,  aber  nur  für  die  Zeil  seines  Lebens —  (Prekarienvertrag)  -, 
oftmals  noch  durch  Klostergut  bedeutend  vermehrt;  oder  der 
übcrlri^ene  Besitz  wird  ihm  und  seinen  Erben  gegen  einen  be- 
stinamten  Zins  -  meist  1  oder  5  Denare,  oft  auch  ein  Pfund 
Wachs  -  verliehen.  Im  allgemeinen  waren  diese  Schenkungen 
an  die  Kirche  unanfechtbar;  nur  unter  besonderen  Umständen 
wurden  sie  von  den  nächst  berechtigten  Erben  mit  Erfolg  bestritten.  In 
einem  Falle  machte  Kaiser  Friedrich  I.  eine  solche  Schenkung  an 
das  Kloster  Seckau  rückgängig,  da  der  Verleiher  widerrechtlich 
die  Güter  aus  der  Mitgift  seiner  von  ihm  geschiedenen  Gattin 
vergeben  hatte,  und  die  Geschädigte  vor  ihm  klagte'), 

Bei  der  hier  besprochenen  Art  von  Verträgen  ist  vor  allem 
der  höhere  Zweck  des  ewigen  Heiles  bestimmend;  daneben  be- 
finden sich  aber  sehr  zahlreiche  Abmachungen,  die  von  beiden  Seiten 
als  ein  reines  Geschäft  angesehen  werden.  Die  Klöster  sind  auch 
im  weltlichen  Sinne  Versicherungsanstalten:  sie  gewährleisten  oft- 
mals den  Verleihern  von  Landgütern  eine  Leibrente,  eine  Ein- 
richtung, die  von  alleinstehenden  Frauen  häufig  benutzt  wurde. 
Das  Kloster  Tegemsee  entrichtet  in  einem  Falle  von  einem  über- 
gebenen  Landgutc  10  Schlachltiere,  10  Scheffel  Spelt,  10  Scheffel 
Roggen  und  10  Scheffel  Hafer;  in  einem  andern  von  einer  halben 
Hufe  2  Rinder  oder  Kühe,  5  Scheffel  Weizen,  2  Scheffel  Roggen, 
3  Scheffel  Hafer;  in  beiden  Fällen  zeigt  sich  der  wirtschaftliche 
Charakter  der  Leibrente  klar  ausgeprägt*).  Andere  sichern  sich 
durch  Schenkung  einer  Manse  Absteigequartier  und  Verpflegung 
im  Kloster.  Auch  derartige  Abmachungen  dienten  in  der  R^cl 
wohl  einer  langsamen  Vermehnmg  des  klösterlichen  Eigens. 
Allerdings  mußte  die  bunte  Masse  von  Leistungen,  welche  die 
Klöster  übernahmen,  die  Einheitlichkeit  der  Wirtschaft  nicht  wenig 
stören :  die  Schwerfälligkeit  und  Buntscheckigkeit  des  Betriebes 
hat  eine  volle  Ausnutzung  ihrer  Güter  selten  erlaubt  Dazu 
kamen  die  Übergriffe  und  Bedrückungen  der  Vögte.    Das  MitteU 


']  Sltlr.  Urkundenbuth-  I.  No.  »S. 

*)    MonumtRU    Bolca    II.    Mon,    TcgeratcenM:      ClEIni^    Abbu    101T— lOMi 
1031  -  UMO, 


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alter  hallt  von  Klagen  über  deren  Anmaßungen  wieder.  Mit 
<ler  Gerichtshoheil  (Immunität)  war  den  Klöstern  nicht  zugleich 
die  eigene  Ausübung  der  Rechtspflege  verliehen  worden.  Der 
König  bestellte  vielmehr  für  den  Immunitälsbezirk  einen  welt- 
lichen Vogl,  da  ein  Pfalfe  nach  allem  Rechtsgrundsatz  nicht 
Blutrichtcr  sein  kann.  Diese  Vögte  übernahmen  zugleich  den 
militärischen  Schutz  Ihrer  Bezirke.  Ihnen  fiel  ein  Drittel  der 
Bußen  zu,  und  außerdem  halten  sie  das  Recht  der  Einquartierung 
an  Oerichtstagen.  Bei  dem  Einflüsse,  den  ihre  Stellung  gewährte, 
konnten  sie  erfolgreichen  Druck  auf  die  EIngevogteten  ausüben. 
Bald  werden  regelmälüge  Abgaben  erhoben,  die  sie  immer  mehr 
zu  steigern  trachten.  Zahlreiche  Verordnungen  der  Kaiser  und 
Landesherrn  suchen  dem  ein  Ziel  zu  setzen. 

Besonders  bedeutungsvoll  ist  hierdasPrivilegiumamplissimum 
iedrichs  1.  für  Tegernsee  von  1157.  Die  Vogtei  soll  nicht  erb- 
sein, der  Abt  vielmehr  eine  geeignete  Person  wählen.  Unter 
Berufung  auf  ein  Gesetz  Heinrichs  IV.  werden  dann  als  jähr- 
liche Einkünfte  des  Vogtes  (außer  seinem  gesetzmäßigen  Anteil 
an  den  Bußen)  festgesetzt:  2  Scheffel  Weizen,  3  Schweine^ 
3  Krug  Meth  oder  Wein,  10  Krug  Bier,  5  Scheffel  Hafer, 
30  Scheffel  Pferdefutter.  Die  Erhebungen  an  Getreide  bei  den 
einzelnen  Klerikern,  Meiern,  Mansionariern  hatte  der  Kaiser  schon 
zuvor  untersagt,  ebenso  Eingriffe  in  die  Verwaltung  des  Kloster- 
gutes  sowie  Versuche,  die  Abtwahl  zu  beeinflussen.  Die  Ver- 
letzung des  Privileg  wird  mit  100  Pfund  Buße  bedroht'). 
Heinrich  VI.  hat  1 IQS  die  Urkunde  erneuert. 

Aus  gleichen  Ursachen  bestimmt  1237  der  Patriarch  zu 
Aquileja,  ats  er  die  Patronatsreclite  der  Pfarre  Freslau  neu  ver- 
leiht, jede  Manse  innerhalb  der  Vogtei  solle  als  Servitium  dem 
Vogt  nicht  mehr  als  eine  Metze  gemeinen  Hafers,  2  Brote  und 
2  Hühner  liefern,  außerdem  gemäß  dem  Gebrauche  2  Tage 
Feldarbeit  auf  dem  Vogtlande  für  jeden  Bauern^. 

Die  Tradition  von  Unfreien  an  die  Klöster  zur  Zinspflicht 
ist  eine    ungemein    häufige    Erscheinung.     Sie   läßt    durch    ihr 


*>  MoniuDenta  Boica  H;  Diplomitirium  MitctU.  S  IT]  f. 
^  Sttir.  Cikundoibiia  I],  Nr.  3». 


massenhaftes  Vorkommen  in  allen  Urkundensammhingcn  bis  über 
das  12.  Jahrhundert  hinaus  erkennen,  daß  es  für  die  eigenen 
Leute  nicht  allzuschwer  war,  ihren  Stand  zu  verbessern.  Die 
Knechtschaft  ist  im  ganzen  milde  gewesen,  was  ja  auch  Tacitus 
von  der  Urzeit  berichtet  Bei  Eigentums-  und  Erbschaftsstreitig- 
keiten werden  die  eigenen  Leute  der  Parteien  als  Zeugen  hinzu- 
gezogen, Die  zur  Zinspflicht  überwiesenen  zahlen  meist  jährlich 
einen  oder  fünf  Denare,  selten  mehr.  Im  allgemeinen  gilt  als 
Grundsatz,  daß  bei  dreimaligem  Ausbleiben  des  festgesetzten 
Zinses  Verkncchtiing  eintritt;  oftmals  ist  dies  besondere  festgesetzt, 
bisweilen  auch  der  tJbergebene  vertragsmäßig  gegen  jede  Ver- 
schlechterung seines  Standes  geschützt  Dem  Ade!  diente  die 
Einrichtung  ais  bequeme  Art,  seine  Kebsweiber  und  unehelichen 
Kinder  unterzubringen,  die  nach  dem  größeren  oder  geringeren 
Grade  der  Zärtlichkeit  der  Vcrknechtung  überlassen  oder  durch 
Ausstattung  mit  einer  Mause  als  Unterpfand  des  Ziuses  geschützt 
wurden.  Die  Übei^be  bezog  sich  naturgemäß  immer  auch  auf 
die  Nachkommenschaft;  nicht  immer  ist  der  festgesetzte  Zins  als 
Kopfzins  gedacht;  es  wird  mehrfach  besonders  bestimmt,  daß  die 
Nachkommen  insgesamt  niemals  mehr  als  die  einmal  festgesetzte 
Abgabe  entrichten  sollen.  Im  allgemeinen  herrscht  großes  Ver- 
trauen zur  Gerechtigkeit  und  Milde  der  geistlichen  Herrschaft 
Auch  Frauen  edlen  Standes  ergeben  sich,  um  Schutz  und  Sicher- 
heit zu  finden,  mit  einer  jährlichen  Abgabe  von  5  Denaren  in 
die  Zinspflicht  und  unterziehen  sich  der  Bestimmung,  daß  sie  bei 
mehrmaligem  Ausbleiben  der  Abgabe  der  Knechtschaft  verfallen. ') 
Eine  höchst  bemerkenswerte  Erscheinung  ist  die  Aufnahme 
von  Laien  in  die  Brüderschaften  der  Mönche.  Vereinzelt  hat 
dergleichen  schon  unter  den  Sachsenkaisem  staltgefunden,  aber 
erst  die  alles  umwühlende  kirchliche  Reformbewegung  des  1 1.  Jahr- 
hunderts bewirkt  es,  daß  sich  die  Mauern  der  Klöster  mit  Kon- 
versen freien  Standes  erfüllen.  Zu  einer  Zeit,  wo  die  Land- 
sclienkungen  vorübergehend  beinahe  gänzlich  aufhörten,  während 
des  Bürgerkrieges  unter  Heinrich  IV.,  erachteten  es  nach  Bemolds 
Bericht  (zu   1083).  die,  welche  einst  in  der  Welt  Grafen  und 

>)  MonumcnU  Boin  U.    Cod.  Trad.  TegemM«.    Abt  Raodpcrtut  1154—1180. 


I 


Aiarkgrafen   gneescn,   für  das  größte  Vergnügen,   in  der  Küche 
oder   in   der  Mühle  den  Brüdern  zu  dienen  oder  ihre  Schweine 
zu    hüten.    Um    1091  entstanden  nach  demselben  Chronisten  be- 
sonders in  Allemannien  ganze  Laiengenossenschaften,  die  sich  an 
<Jie  Mönche  anschlössen,  nach  ihrer  Weise  lebten  und  ihr  Vermögen 
den    Klöstern   übergaben.     Die  Bedeutung   dieser  Brüderschaften 
irar   während   des  12.  Jahrhunderts  im  Wachsen;  es  werden  ver- 
schiedene Grade  unterschieden,  Laienbrüder,  welche  in  die  plenaria 
fraternitas   eintraten,    übernahmen    damit   sämtliche  Pflichten   der 
/Wönche.  Nachtwachen,  Gebete,  Kasteiungen,  Fasten,  Armenpflege') 
usw.,     während    andere    sich    mit   der  GebetsgemeinschafI  be- 
gtiügten    und  sich  besonders  dem  äußern  Dienst  zuwandten.    So 
strömten  den  Stiftern   neben   dem  Gewinn  an  beweglichem  Out 
■^wertvolle  Arbeitskräfte  zu;  dem  Konvent  der  iVlönche  gesellte  sich 
«n  Laienkonwnt  zu,  und  die  Laien  erlangten  bald  in  der  klöster- 
lichen Wirtschaft  wci^ehenden  Einfluß;  sie  zeigten  sich  naturge- 
tmiß  in  der  Führung  weltlicher  Geschäfte  den  Mönchen  überlegen, 
und  mehrfach  kam  die  Verwalhmg  vorzugsweise  in  ihre  Hände.*) 
Die   zahlreichen    gescliäft liehen    Akte  der  klösterlichen  Ver- 
'V^ltung,  welche  den  Menschen  als  Ware  betreffen,  geben  ein  Bild 
■von  der  Wertung  der  nicht  vollfreien  Persönlichkeit  im  Mittelalter. 
Eigene  Leute,  die  einem  geistlichen  Stift  gesclienkweise  in  gleicher 
Eigenschaft  übergeben  wurden,  durften  dies  wohl  in  den  meisten 
Fällen  als  eine  Verbesserung  ihrer  Lage  begrüßen;  solche  Übertrag- 
ungen sind  neben  der  Übergabe  zur  Zinspflichl  sehr  häufig.   Leute 
unfreien  Standes  waren  nicht  nur  in  der  Eheschließung  gebunden, 
-wie  sich  das  ja  auch  in  den  Verhältnissen  der  Ministerialen  bis 
zum    Ende  des   13.  Jahrhunderts  zeigt,   ihre  Verbindungen  ge- 
wannen  überhaupt    keine   eigentliche  Rechtskraft.    Die  Hörigen 
verschiedener  Herren   durften  sich  nicht    ohne  deren  Erlaubnis 
heiraten;  milde  Gebieter  ermöglichten  bisweilen   die  Ehe  durch 


*1  Stdr.  Urkundenbuch  1,    N.  236  lum  1150].    Cln  In  die  LafcnefnaumictiAn  da 

l'RlMtn»  Scckau  elnl7«lmdcs  Ehepuir  rdkr  Herkunft  «Ird  VTTpflichlrt :    ul  vigiliai,    tcpol- 

'  teup,  inJ«ui,  pulmi,  dominic».  oratton«,  cleinA*lciin  30  di'miTn,  carperalem  ditciplitikm, 

'  «^liinriinn.  irimurium.  uiDivenarium  et  niftsionci  brcvium  ti  >11)l  daustn  ds  uhibert 

MVtrinl  111  cnilibM  cuionlco  et  fnlil  in  Srccoe  coiunvicDU- 

■)  Lupnchl,  •.  ■.  O.  I,  :  S.  690  1 


Obergabe  des  einen  Teils  an  den  Besitzer  des  andern.  Manchmal 
ward  der  Hörige  zu  diesem  Zwecke  dem  Herrn  mit  Geld  abge- 
kauft; derart  erwirbt  eine  Frau  aus  der  familia  des  Klosters 
Tegemsee  ihren  Gatten  von  seinem  Senior  und  übergiebt  ihn 
ihrem  Kloster  zur  Zinspflicht;  die  Herstellung  der  Slandesgleich- 
heit  mußte  erst  die  Ehe  ermöglichen.')  Kommt  ein  eheliches 
Zusammenleben  zwischen  den  Hörigen  verschiedener  Senioren 
zustande,  so  werden  die  Kinder  geteilt  Ein  fidelis  von  Benedikt- 
beuren,  der  sich  außerhalb  der  Genossenschaft  der  Klosterleute 
verheiratet  hat,  kauft  deshalb  seine  beiden  Knaben  um  2  Schillinge 
zurflck  (Mitte  des  13.  Jahrhunderts),»)  In  einem  andern  Falle 
erlangt  es  ein  Mann,  der  in  die  Familie  des  Klosters  Oberaltaich 
aufgenommen  zu  werden  wünscht,  aber  eine  Frau  anderswoher 
genommen  hat,  daß  seine  Gattin  von  sdneni  Stift  gegen  ein  zu 
gleichem  Satze  (5  Denare)  tribuJpflichtigesWeib  eingetauscht  wird.^ 
Der  kirchliche  Großgrundbesitz  hatte  dasselbe  Schicksal 
wie  überhaupt  die  mittelalterliche  Grundherrsdiaft  Er  verfiel 
schon  seit  dem  1 1 .  Jahrhundert  einer  verhängnisvollen  Zer- 
splitterung, die  schließlich  in  völlige  Zersetzung  überging.  Die 
mittelalterliche  Wirtschaft  litt  in  größeren  Besitztümern  an  schwerer 
Unbehilflichkeit;  die  Herrschaft  erwies  sich  mehr  oder  weniger 
zur  vollen  Ausnutzung  ihres  Eigentums  unfähig,  und  dadurch 
zeigt  sich  immer  wieder  ein  Zurückstreben  zum  Bau  in  einzelnen 
wirtschaftlich  selbständigen  Hufen.  Die  Kirche  hatte  einen  nicht 
geringen  Teil  des  herrenlosen  Landes,  über  welches  das  König- 
luni  verfügte,  aufgesaugt.  In  den  Zeiten  der  sächsischen  und 
fränkischen  Kaiser  genoß  das  Königtum  die  Zinsen  dieser  Auf- 
wendung; mit  dem  hierarchischen  Streit  tritt  aber  eine  allmähliche 
Entfremdung  ein.  Friedrich  I.  war  der  letzte  Kaiser,  der  den 
kirchlichen  Besitz  kraftvoll  für  den  Reichsdienst  auszunutzen  ver- 
stand. Im  13.  Jahrhundert  hört  die  Verfügung  über  ihn  fast  völlig 
auf,  das  Kaisertum  wird  auch  von  dieser  Seite  schwer  geschädigt 

<)  Moti.  Buica  VI.    11    Jahrhundert 

*l  Man.  Bold  VII. 

*)  Mon.  Bolea  XII,  Oxlu  traditlDnum  N.  XVtl. 


Die  Mystik  in  sozialer  Bedeutung. 


Die  Mystik  in  sozialer  Bedeutung. 

VON  TH.  ACHELIS. 


Der  {raurige  Irrtum  der  Aufklärung,  die  Religion  sei  eine 
zveckmäßige  Erfindung  schlauer,  herrschsüchtiger  Priester,  um 
die  brutalen  Instinkte  der  Menschen  zu  zügeln,  ist  freilich  längst 
überholt;  hu  deutlich  reden  die  Tatsachen  einer  unbefangenen 
Erfahrung,  wie  sie  seitdem  die  exakte,  vergleichende  IForschung 
auf  allen  Gebieten  des  religiösen  Lebens  zu  Tage  gefördert  hat, 
als  daß,  wenigstens  in  der  kritischen  Betrachtung,  sich  ein  solcher 
Wahn  noch  länger  hätte  halten  können.  Um  so  trauriger  sieht 
es  aber  in  dieser  Beziehung  in  den  breiten  Schichten  der  ge- 
bildeten Gesellschaft  aus,  die  wie  Emerson  mit  Recht  sagt,  ent- 
weder gedankenlos  an  den  überlieferten  Formeln  festhält,  wobei 
denn  ein  pfauenartiges  Zurschautragen  von  Kirchengebräuchen 
and  gottesdienstlichen  Verrichtungenj  verbunden  mit  Rückfällen  in 
den  römischen  Papisitius,  hervortritt,  oder  umgekehrt  sei  es  in 
einem  konsequenten  Radikalismus  schwelgt,  sei  es  in  einem  stumpfen 
Indifferentismus  erstarrt  Das  unausbleibliche  Ergebnis  ist  eine 
mehr  oder  minder  allgemeine  Religionslosigkeit  und  ein  immer 
fesler  wurzelnder  Materialismus.  Nur  an  einzelnen  und  zwar 
kräftigen  Symptomen  merkt  man  jetzt  eine  verheißungsvolle 
energische  Reaktion,  die  wieder  gegenüber  altem  hergebrachten 
Trödel  nach  persönlicherVerinneriichung  fragt  und  damit  uns  das 
große  Problem  vom  Sinn  des  Lebeng  nahe  rückt 

Man  mag  sich  dogmatisch  stellen,  wie  man  will,  und  Gott 
sei  Dank  bildet  sieh  allem  Anschein  nach  in  dieser  Hinsicht  eine 
immer  freiere  Anschauung  und  Duldung  abweichender  Ansichten 
heraus,  soviel  ist  für  jeden  unbefangenen  Beurieiler  der  ganzen 
Frage  klar,  ja  selbstverständlich,  daß  Religion  in  ihrem  Ursprung 


nicht  das  zufällige  Produkt  irgend  eines  subjektiven  Gedanken- 
ganges, sondern  im  Oegenleil  ihrer  ganzen  Anlage  nach  das 
organische  AbbÜd  einer  großen,  umfassenden  sozialen  Bewegung 
ist  Es  wäre  töricht,  uns  gleich  im  Beginn  unserer  Untersuchung 
den  richtigen  Einblick  in  diese  Entwicklung  religiöser  und 
mystischer  Gefühle  zu  verbauen  durch  elwaige  Diskussionen  über 
den  Begriff  der  Religion  und  durch  die  damit  meist  verknöpfte, 
recht  verfehlte  Frage  über  religionslose  Völker.  Hier  hat  offen- 
bar mehr  als  die  bloße  psychologische  Erwägung  das  Studium 
der  Völkerkunde  Wandel  geschaffen  und  die  richtige  Perspektive 
erschlossen,  so  daß  wir  von  diesem  Punkt  aus  mit  unserer  Dar- 
stellung beginnen  werden.  Vorweg  sei  dann  gleich  bemerk-t,  daß 
für  den  Ethnologen,  der  sich  ohne  vorgefaßte  Meinung  und  den 
Zwang  der  Theorie  lediglich  an  das  vorliegende  Material  hält, 
Religion,  Mythologie  und  Kultus  ein  untrennbares,  in  einander 
fließendes  Ganze  bilden,  so  daß  auch  wir  in  dieser  Beziehung 
keine  scharfen  Grenzen  beachten  werden.  Auch  die  Mystik,  so 
sehr  sie  ursprünglich  nur  eine  Qefühlserregung  ist,  strebt  in 
ihrer  äußeren  Wirksamkeit  und  Ausbreitung  nach  einem  System 
und  nach  einer,  sei  es  auch  noch  so  schwachen  Organisation.  Sei 
es  im  Priestertum,  sei  es  in  loseren  Genossenschaften,  sei  es  end- 
lich in  gewissen  mehr  oder  minder  tiefgreifenden  kulturgeschicht- 
lichen Einflüssen  bricht  die  bis  dahin  verhüllte  soziale  Natur 
der  Mystik,  wie  wir  uns  noch  weiter  fiberzeugen  werden,  zu 
Tage.  Suchen  wir  uns  zunächst  durch  eine  flüchtige  Umschau 
Ober  die  Entstehung  derselben  bei  verschiedenen  Völkern  zu 
orientieren,  um  uns  dann  einer  psychologischen  Prüfung  ihres 
Wesens  zuzuwenden. 

Bei  dem  äußerst  fein  organisierten  liellentschen  Volk  ist 
es  der  Dionysoskult  mit  seinen  wilden  aufregenden  Tänzen,  die 
zu  einer  völligen  Raserei  führten  und  anderseits  zu  bedeutsamen 
Enthüllungen  der  Zukunft  den  von  der  GotUieit  Begeisterten  be- 
fähigten, was  zunächst  unsere  Aufmerksamkeil  fesselt.  Alle  Einzel- 
heiten dieses  Vorganges  und  die  höchst  bedeutsamen  Parallelen 
bei  den  Naturvölkern  (dahin  gehört  u.  a.  audi  die  dabei  er- 
folgende  Heilung  von   Krankheiten)    beweisen   för  einen  unbe- 


Die  Mystik  in  sozialer  Bedeutung. 


* 


tangcncn  Beobachter,  daß  wir  es  hier  nicht  etwa  mit  berechnender 
Willkür,  ja  auch  nicht  einmal  ausschließHch  mit  lediglich  per- 
sönlichen Dispositionen  einzelner  zu  tun  haben,  sondern  mit 
«iner  großen  weitx'erbreitcten,  unwiderstehlichen  religiösen  An- 
schauung, die  in  dieser  Ekstase  ihren  konkreten  Ausdruck  findet. 
Aus  unerforschten  Tiefcnj  schreibt  Rohde,  muß  die  Bewegung 
rdigiösen  Verlangens  mit  Macht  hervorgebrochen  sein,  die  mitten 
im  Herzen  der  griechischen  Religion  in  der  ekstalischen  Weis- 
agung  der  Delphischen  Seherin  einen  mystischen  Keim  einpflanzen 
Itonnte.  Die  Einführung  der  Ekstase  in  den  geordneten  Bestand 
des  delphischen  Religionswesens  ist  selbst  nur  ein  Symptom  einer 
solchen  Bewegung,  nicht  ihre  Ursache.  Nun  aber,  bestätigt  durch  den 
Ootl  selbst  und  die  Erfahrungen,  welche  die  delphische  Mantik 
vor  Augen  zu  rücken  schien,  mutWe,  wie  längst  im  dionysischen 
Glauben  und  Kult,  auch  in  echt  und  ursprünglicher  griechischer 
Religion  der  dieser  von  Anfang  an  fremde  Glaube  sich  vollends 
befestigen,  daü  ein  Zustand  der  aufs  höchste  gespannten  Em- 
pfindung den  Menschen  Qber  den  eingeschränkten  Horizont 
seines  gewöhnlichen  Bewußtseins  zu  der  Höhe  unbegrenzten 
Schauens  und  Wissens  emporreißen  könne,  daß  menschlichen 
Seelen  die  Kraft,  auf  Momente  wirklidi  und  ohne  Wahn  mit  dem 
Leben  der  Gottheil  zu  leben,  nicht  versagt  sei.  Dieser  Glaube 
ht  der  Quellpunkt  aller  Mystik.  (Psyche,  Seelenkult  und  Un- 
slerblichkeitsglaube  der  Griechen  11,  62.)  Nachträglich  bemächtigte 
sich  dieser  unbewußten  Regungen  und  Affekte  der  menschlichen 
Seele  freilich  die  kluge  Spchilation  der  Priester,  die  mit  dieser 
Inspiration  und  Vision  ihr  Spiel  trieb  und  an  der  Leichtgläubigkeit 
der  wundersüchtigen  Menge  ihre  starke  Stütze  fand.  Selbst  die 
eigentliche  Mystik,  der  es  zunächst  nur  auf  die  Verinncriichung 
des  Gefühls  und  auf  eine  damit  verknüpfte  Erneuerung  des 
ganzen  Lebens  in  der  Vereinigung  mit  der  Gottheit  ankommt 
(vermöge  der  bekannten  unio  mystica)  hat  sich  trotzdem  nicht 
ganz  sozialer  Beziehungen  entschlagen  können,  sei  es  durch  die 
in  der  Form  der  Wiedergeburt  gegebenen  Vorbilder  für  andere, 
sei  es  durch  bestimmte  Orakel  oder  Offenbarungen  oder  auch  nur 
durch  Erteilung  bestimmter  Maßregeln  für  das  praktische  Leben, 


-  die  Geschichte  der  chrisJlichen  Kirche  lieferl  in  dieser  Be- 
ziehuTig  von  den  Gnostikem  an  bis  auf  Jac  Böhme  dafür  die 
mannigfaltigslen  Belege.  Viel  augenfälliger  sind  die  in  Zeiten 
religiöser  Erregungj  unterslülzt  durch  anderweitige  allgemeinere 
Ursachen,  wie  verheerende  Seuclien  und  andere  Erschütterungen 
der  Gesellschaft,  auftretenden  Erkrankungen  des  Volksorganismus, 
die  mit  unwiderstehlicher  Wucht  alle  Schichten  der  Bevölkerung 
ergreifen  und  sich  in  furchtbaren  Expansionen  Luft  machen. 
Hier  läßt  sich  die  unheimliche  Maclit  eines  psychischen  Contagiums, 
das  letzten  Endes  rein  mystisch  ist,  aus  den  unberührten  Tiefen  der 
menschlichen  Seele  emporgestiegen,  anschaulich  beobachten.  Dahin 
gehört  z.  B.  die  am  Ende  des  14.  und  Anfang  des  1  S.Jahrhunderts  in 
Deutschland  und  den  angrenzenden  Niederlanden  ausbrechende 
Tanzwut,  deren  hier  nach  der  gründlichen  Untersuchung  Heck«s 
mit  einigen  Worten  gedacht  sein  möge.  Noch  waren 
die  Nachwehen  des  schwarzen  Todes  nicht  verwunden 
und  die  Gräber  so  vieler  Millionen  kaum  eingesunken,  als  in 
Deutschland  ein  seltsamer  Wahn  die  Gemüter  ergriff,  und  der 
göttlichen  Natur  des  Menschen  hohnsprechend,  Leib  und  Seele 
in  den  Zauberkreis  höllischen  Aberglaubens  zog.  Es  war  eine 
Ver7ückungf  welche  den  Körper  wunderbar  durchraste  und  länger 
als  zweihundert  Jahre  das  Staunen  der  Zeitgenossen  erregte,  seit- 
dem aber  nicht  wiedergesehen  worden  isL  Man  nannte  sie  den 
Tanz  des  heiligen  Johannes  oder  des  heiligen  Veit,  bacchantischer 
Sprünge  wegen,  mit  denen  die  Kranken  im  wilden  Reigen 
schreiend  und  wutschäumend  den  Anblick  von  Besessenen  dar- 
boten. Sie  blieb  nicht  auf  einzelne  Orte  beschränkt,  sondern 
verbreitete  sich,  vorbereitet  durch  die  herrschende  Sinnesart,  über 
ganz  Deutschland  und  die  nordwestlich  angrenzenden  Länder 
durch  den  Anblick  der  Leidenden  wie  eine  dämonische  Volks- 
Krankheit.  Zuletzt  verjagte  man  diese  unheimlichen  Gäste,  die  den 
Beschwörungen  der  Priester  wie  den  Heilmitteln  der  Arzte  gleich 
unzugänglich  waren  (die  Tanzwut,  eine  Volkskran khett  im  Mittel- 
alter, Berlin  1832  S.  171).  In  denselben  Rahmen  gehört  die  bei 
den  Abessinicm  ausbrechende  Tanzwui,  genau  mit  denselben  Er- 
scheinungen, oder  der  am  Ende  des  15.  Jahrhunderts  in  Apulien 


p 
p 

* 


auftretende  Tarantismus   (die  Furcht  vor  dem  Bisse  der  giftigen 
Spinne,    begleitet   von    rasenden  Tänzen),    die    Geisslerbüfiungen 
und  Prozessionen,  die  Konvulsionärs  in  Frankreich  (am  Anfang 
des  18.  Jahrhunderts),  die  sogar  die  französische  Revolution  über- 
dauerten, die  Sekte  der  englischen  Jumpers  oder  Springer,  bei  denen 
die  durch  den  exaltierten  Prediger  den  Gläubigen  auf  dem  Wege 
der  Suggestion  mitgeteilte  Erregung  alle  Anwesenden  ergriff,  so 
dass    kein  Aller  und  Geschlecht  vom  Übel  verschont  blieb,  da- 
hin gehört  endlich,  um  noch  ein  bekanntes  Beispiel  epidemischer 
Massensuggestion  namhaft  zu  machen,   die  hochgesteigerte  Sensi- 
bilität,  welche  den  Kreuzfahrern  zu  ungeahnten  Erfolgen  verhalf. 
Besonders   drastisch   ist  die  Szene  der  Auffindung   der  heiligen 
Lanze   in  Anliochia,  wo  bei  äußerster  Spannung  und  Erwartung 
der  Gemüter  gegen  Anbruch  der  Nacht  noch  einmal  der  Versuch 
erneuert   wurde.     Während   nun,  vie  Stoll  erzählt,   die  Zeugen 
betend  am  Rande  der  bereits  über  12  Fuß  tiefen  Grube  knieten, 
sprang  Barth^lemi   in   dieselbe  hinab  und  kam  nach  kurzer  Zeit, 
die    heilige   Lanze  in  der  Hand  haltend,  wieder  zum  Vorschein. 
Ein  Freudengeschrei  erhob  sich   unter  den  Zuschauem^  und  die 
Begeisterung  teilte  sich  dem  ganzen  Kreuzheere  mit,  so  daß  auch 
die   vorher  Zaghaftesten   wider  den   Feind   geführt    zu    werden 
verlangten.     Und  derart  war  die  von   diesem  mystischen  Eifer 
bewirkte  Begeisterung,  daß  die  Christen,  die  unter  den  mißlichsten 
Umständen   fochten,  einen  glänzenden  Sieg  über  die  Sarazenen 
davontrugen.    So  erstaunlich  erschien  selbst  den  Muhamedanern 
der  Sieg  von  Anliochia,  daß  ihrer  mehrere  Hundert  den  Islam 
verließen   und   zum  Chrislenhim    übertraten,  weil  sie  fortan  den 
Gott  der  Christen   für  den  wahren  Gott  hielten  (Suggestion  und 
Hypnotismus    in    der  Völkerpsychologie    Leipzig    1894    S.  287). 
Diese    Massensuggestion    trat   auch    in  den  wunderbaren  Kinder- 
icreuzzügcn    hervor,  wo  keine  Drohung  und  Abmahnung,   keine 
Gewaltmaßregeln   und   Zwang   die    unheimliche    Bewegung   be- 
meistem  konnlen:  umgekehrt,  wie  meist,  gewann  die  Erregung  und 
Begeisterung  nur  noch  mehr  an  Umfang  und  Tiefe.    Demselben 
mystischen  Boden  sind,   um  auch  diese  unheimliche  Erscheinung 
noch  anzuführen,  die  Hexenideen  entsprossen,  bei  denen  vollends 


wie  alle  zeitgenössischen  Schrifteteller  berichten,  sich  eine  un- 
widerstehliche Ansteckung  beobachten  läßt  Wir  beziehen  uns 
hier  auf  das  kompetente  Urteil  Bastians,  der  vom  vergleichend 
psychologischen  Standpunkt  aus  sich  folgendermaßen  darüber 
ausläßt:  Die  Reisenden,  die  diese  Verirrungen  der  Naturvölker 
beklagen  (es  handelt  sich  um  afrikanische  Zauberpricslcr),  die 
ihnen  oft  die  Bruderhand  reichen  möchten,  vergessen  gewöhn- 
Hdi  zu  erwähnen,  daß  wir  uns  kaum  der  Herrschaft  derselben 
Prinzipien  entwöhnt  haben  und  daß  sie  nie  zu  entsctzh'chercn 
Greueln  führten  als  im  gesitteten  Europa.  Wohl  mag  ein  unheim- 
hches  Grauen  den  Leser  beschleichen,  wenn  er  die  Geschichte  der 
Hexenprozesse  aufschlägt,  wenn  ihn  die  mephittschen  Dünste  jenes 
Höllenpfuhies  der  abstrusesten  Wirrheiten,  der  widrigsten  Mon- 
strositäten betäuben,  wohl  mag  es  ihm  grausen,  wenn  er  bedenkt, 
wie  wenige  Generationen  verflossen  sind,  seit  ihre  dicke,  schwüle 
Atmosphäre  den  normalen  Horizont  der  Gesellschaft  bildete. 
Daß  noch  heute  in  der  Masse  des  Volkes  die  bei  den  Wilden 
als  Fetischdienst  bezeichneten  Ideen  Verbindungen  fortwirken,  davon 
kann  sich  jeder  aus  Gerichtsverhandlungen  katholischer  wie 
protestantischer  Länder  zur  Genüge  überzeugen,  aber  bis  zur 
neueren  Zeit  war  es  die  Klasse  der  Gebildeten  selbst,  die  von 
ihnen  beherrscht  wurde,  und  gerade  beim  Anbruch  der  auf- 
klärenden Morgenröte  tauchte  die  europäische  Civilisation,  das 
seit  dem  Altertum  gehätschelte  Kind  der  Geschichte,  noch  einmal, 
tiefer  als  je,  in  das  wüsteste  Chaos  des  Unsinns  unter.  Der 
Neger  wird  selten  anders  aus  seinem  Stumpfsinn  aufgerüttelt,  als 
wenn  das  große  Verhängnis  seiner  eigenen  Existenz  sich  seinen 
Augen  darstellt,  wenn  er  den  Tod  sein  Opfer  fordern  sieht;  dann 
springt  er  auf  und  hofft  Blut  mit  Blut  zu  sühnen.  Aber  soll  ich 
hier  jene  jammervollen  Albernheiten  wiederholen,  jene  Klatschereien 
der  MiLchkammem  und  Spinnstuben,  die  unseren  an  dem  Verständ- 
nis ihrer  staubigen  Folianten  herumklaubenden  Richtern  genügten, 
um  altersschwache  Frauen,  kranke  Blödsinnige,  unmündige  Kinder 
ihren  Familien  zu  entreißen,  zu  martern  und  foltern,  dem  grau- 
samsten Tode  zu  weihen?  Soll  ich  jene  wahnwitzigen  Disser- 
tationen   erörtern,    die  verlangten,   die   Scheiterhaufen    auf   den 


I 


p 


.Marktplfltzen  der  Universitäten  anzuzünden  und  Hunderttausende 
-von  Unschuldigen  hinzuschlachten  ?  Noch  17S3  leuchtete  der 
«düstere  Schein  ihrer  Fackeln  auf  deutschem  Boden  (San  Salvador, 
Bremen  1859,  S.92). 

Welche  Schlüsse    haben    wir   nun   aus   diesen    Tatsachen, 
«Jeren    Fülle   und   Vielseitigkeit   hier    nur   in   den   ailgenieinsten 
IJmrisscn   angedeutet  werden  konnte,  auf  das  Wesen   der  Mystik 
«jnd    insonderheit    ihre    etwaige    soziale   Bedeutung  zu   ziehen? 
X)a    alle   Mystik,   einerlei   welche    besondere  Formen  sie  später 
.annimmt,   die   ausgesprochene  Vorherrschaft   des  Gefühls,    unbe- 
-^pußter  Rc^ngen,  der  Neigung  zum  Unendlichen  voraussetzt,  so 
"^rd  dadurch  nur  ru  leicht  das  natürliche  geistige  Gleichgewicht 
an    uns  gestört,  so    daß,   wie  unsere  Übersicht  schon  andeutet, 
snanche   ungesunde  Erscheinungen,  ja  geradezu  krankhafte  Aus- 
-^irüchse  sich  bilden.    Männer,  wie  z.  B.  Jacob  Böhme,  voll  tieften 
religiösen  Empfindens  und  Sehnens,  der  sich  nur  als  unwürdiges 
<jefäß   göttlicher   Offenbarung   betrachtete    und    dabei    mit   pein- 
licher Genauigkeit  und  Sorgfalt  seine  häuslichen  Pflichten   und 
Obliegenheiten  wahrnahm,  so  daß  man  fast  von  einer  gebrennten 
Buchführung  zu  sprechen   versucht  wäre,   sind   verhältnismäßig 
selten.    Für  gewöhnlich   stumpft   der  unentwegt  auf  das  jenseits 
gerichtete  starre   Blick  dieser  schwärmerischen  Naturen  sehr  be- 
Xreiflicher  Weise  den  Sinn  und  das  Interesse  für  die  hausbackene 
*\t'irklichkcit  ab.    Aber  es  wäre  doch  voreilig,  die  kulturgeschicht- 
lichen  Segnungen  der  Mystik  zu  vergessen;    ohne  die   Mystik 
des  Neupi-thagoreismus  wäre,  wie  Ed.  v.  Hartmann  erklärt,  nie 
das    Johanncische   Christentum    entstanden,   ohne  die  Mystik  des 
Mittelalters  wäre  der  Geist  des    Christentums   im    katholischen 
Gottesdienst  und  scholastischen  Formalismus  untergegangen,  ohne 
die  Mystik  der  verfolgten  Ketzergemeinden  seit  dem  Anfange  des 
II.  Jahrhunderts,    die  trotz  aller  Unterdrückungen    immer  wieder 
mit  erhöhter  Kraft  unter  anderem  Namen  von  neuem  entstanden, 
hätten  nie  die  Segnungen   der  Reformation  die  finsteren  Schatten 
des  Mittelalters  verjagt  und  der  neueren  Zeit  die  Tore  geöffnet; 
ohne   die  Mystik   in   dem  GemDt  des  deutschen  Volkes  und  in 
den   Heroen  der  neueren   deutschen  Dichtung  und  Philosophie 

ARklv  Mr  KultniEnchtchU.     1,  2.  14 


wären  wir  von  dem  seichten  Triebsande  des  französischen 
Materialismus  schon  im  vorigen  Jahrhundert  so  vollsländig  über- 
schwemmt worden,  daß  wir,  wer  weiß  wie  lange,  die  Köpfe  nicht 
wieder  frei  bekommen  hätten  (Philosophie  des  Unbew.  5.  Aufl. 
S.  310).  Freilich  der  Erkenntnis  dürfen  wir  uns  nicht  verschließen, 
daß  die  krankhaften  Formen  der  Mystik,  die  absichtlichen  Über- 
reizungen des  normalen  Zustandcs  und  Bewußtseins  mit  all  ihren 
unheimlichen  Konsequenzen  auch  das  stärkste  Gift  und  den  ge- 
fshrlichsten  Ansteckungsstoff  in  sich  tragen;  dieser  dämonischen 
Verführung  erliegen  die  Menschen  gewöhnlichen  Schlages  (noch 
ganz  abgesehen  von  den  egoistisch  gemeinen  Instinkten,  die  da- 
bei, wenigstens  häufig,  entfesselt  werden)  am  leichtesten.  Aber 
wenn  wir  anderseits  die  edelsten  und  zartesten  Blüten  des  mystischen 
Geistes  insAugefassen  und  unter  Beiscitelassenjeder  ethnographischen 
Eigenart  den  gemeinsamen  Charakter,  das  Typische  dieser  Richtung 
untersuchen,  so  sind  diese  Erhebungen  Über  den  gewöhnlichen 
Standpunkt  des  empirischen  Ich,  diese  Ekstase  der  Heiligen^  dies 
Einswerden  mit  der  göttlichen  Macht  auch  von  sozialer  Bedeut- 
sflmkeit.')  Vergleichen  wir  die  indischen  Fakire,  die  Mönche  auf 
dem  Berge  Athos  (bekannt  unter  dem  Namen  der  Hesychasten 
oder  Omphalopsychiten),  die  buddhistischen  Heiligen,  die  un- 
unterbrochen das  heilige  Wort  Om  wiederholen,  die  Berichte 
über  die  spanische  Nonne  Theresia  von  Jesus  (IG.  Jahrb.),  von 
Jacob  Böhme  u.  a.,  so  handelt  es  sich  stets  um  eine  Ertötung  des 
Willens,  um  eine  Lähmung  des  normalen  Wechsels  der  Vor- 
stellungen, die  das  menschliche  Bewußtsein  erfüllen,  um  so  für 
himmlische  Offenbarungen  zugänglich  zu  werden.  Aber  eben  da 
dies  intuitive  Erfassen  höchster  Wahrheiten  durch  die  Vision 
oder  Inspiration  oder  irgend  einen  anderen  übernatürlichen  Vor- 
gang stets  und  ständig  sich  auf  die  religiöse  Welt  beziehlj  also  aus 
dem  Kreise  der  reinen  Erkenntnis  und  Wissenschaft  heraustritt, 
Bo  gewinnen  damit  diese  Gedanken  und  Gefühle  eine  praktische 
Tendenz   und   Anwendung.    Die  stark  ausgeprägte  soziale  Natur 


n  Vi^.  beifigikh  da  DeUlli  «Ine  Schrindei  Verf.i  Die  EkfUie  tn  llirvr  kulrurtila 
Bedailung.  Berlin,  Hidc,  twn 


Die  Mystik  in  soziali»'  Bedeutung. 


* 


P 


des  Menschen,  die  in  jeder  geistigen  Betätigung  nach  einer  mehr 
cxJer  minder  starken  Wechselwirkung  verlangt,   macht  sich  auch 
bier  geltend,  und  nur  aus  dem  sehr  einleuchtenden  Grunde  unter- 
bleibt  meistens  ein   nachweislicher  breiler  sozialer  Einfluß,  weil 
eben  die  wenigsten  Menschen  im  stände  sind,  Symbol  und  Idee 
zu   trennen   und  sich  überhaupt  zu  der  erforderlichen  Höhe  der 
Anschauung   aufzuschwingen.     Alle  großen  Religionsstifter  waren 
im  Kern  ihres  Wesens  Mystiker,  aber  das  gewöhnliche  Volk  ver- 
mag sich   nur  an  gröberer,  stärkerer  Kosl  zu  sättigen.    Der  Ge- 
•danke  des  Nirwana,  d.  h.  des  Eingehens  der  individuellen  Existenz 
in  das  All  und  damit  das  Verschwinden  des  persönlichen  Daseins 
äst  durchaus  mystisch,  nur  denkbar  auf  Crund  einer  höchst  ge- 
steigerten,   völlig    unegoistischen    Gefühlsregung,    aber  wie  ist 
diese  feinsinnige  Spekulation   verunstaltet   und   vergröbert  durch 
«lie  spätere  theologische  Behandlung!     Deshalb  sagt  v.  Hartmann 
•Mn\t  Recht:  Wer  die  Symbole  der  Religion  wieder  bloß  als  Symbole 
■^ersieht  und  die  hinter  ihnen  wohnende  Idee  ergreifen  will,  der 
tritt   aus  der    Rehgion  als  solcher  heraus,  welche   Buchstaben- 
Glauben    an   die  Symbole  verlangt    und    verlangen    muß,   und 
'Wird    wieder  Mystiker;   und   dies   ist  der  gewohnliche  Wegj    auf 
^welchem  der  Mystidsmus  sich  bildet,  indem  hellere  Köpfe  an  der 
historisch  gegebenen    Religion    ein    Ungenüge  finden    und    die 
lieferen  Ideen  erfassen  wollen,  die  hinter  den  Symbolen  derselben 
wohnen.  Man  sieht  jetzt,  wie  nahe  verwandt  Religion  und  Mysticismus 
sind,  und  wie  sie  doch  etwas  prinzipiell  Verschiedenes  sind;  man 
sieht  auch,  warum  eme  fertige  Kirche  der  Mystik  immer  feindlich 
sein  mu6  (a.  a.  O.  S.  3 1 Q).    Ganz  besonders  aber  zu  Zeiten  ge- 
waltiger innerer    Krise,   auch    als   Reaktion   gegen    einen   über- 
mächtigen äußeren  Zwang,   der  auf  dem  geistigen  Schaffen  einer 
Epoche  lastet,  bricht  die  Gewalt   mystischer  Gefühle,   die  eben 
zunächst   unter   Ausschlutl   des   gegebenen   sozialen    Zusammen- 
banges die  Verinnerlichung  des  Menschen  erstreben,  das  Unend- 
liche uns  nahe  bringen^  unwiderstehlich  hervor,  um  je  nach  Lage 
der  Umstände  Schaden  oder   retchen  Segen   über  die  Völker  zu 
bringen.    Daß  auch  wir  Erben  und  Vertreter  der  stolzen  Natur- 
wissenschaft noch  heutiges  Tags  solchen  revolutionären  Oährungen 

14« 


und   Expansionen  ausgesetzt  sind,   möge  schließlich  ein  kurzer 
BHck  auf  die  Gegenwart  zeigen. 

Im  Jahre  1879  veröffentlichte  der  Naturforscher  und 
Philosoph  Fechner  ein  Buch,  betitelt:  Die  Tagesansicht  gegenüber 
der  Nachtansicht,  das  einen  Sturm  der  Erregung,  ja  zum  Teil  der 
Entrüstung  hervorrufen  sollte,  da  man  meinte,  der  strenge  wissen- 
schaftliche Denker  habe,  mit  seiner  Vergangenheit  gebrochen 
und  seine  bisherigen  kritischen  Arbeiten,  die  ihm  einen  Weltruf 
verschafft,  im  Stich  gelassen.  Und  in  der  Tat  war  es  unerhört,  daß 
die  moderne  Atomistik  hier  scheinbar  mit  der  Mystik  sich  in  einen 
Kompromiß  einließ  und  sich  wenigstens  fiir  die  letzte  Lösung  der 
Welträlsel  als  völligincompetenterklärie.  Für  einen  schärferen  psycho- 
logischen Blick  stellte  sich  diese  Schrift  aber  als  ein  Vorstoß  gegen  den 
landläufigen,  fast  möchte  man  sagen  unverbesseriich  dem  Menschen 
im  Blut  sitzenden  Dualismus  heraus,  der  die  ganze  Welt  in  zwei 
sich  scharf  gegen Qberslehende  Hälften  zerlegt,  in  das  empfindende 
Ich  und  die  tote  Natur.  Darüber  hinaus  hat  die  Mystik  aller 
Zeiten,  bald  mehr  religiös,  bald  mehr  spekulativ- philosophisch, 
]e  nach  dem  Stande  der  sonstigen  geistigen  Entwicklung  im 
Monismus  einen  höheren  Einigungspunkt  zu  erreichen  gesucht. 
Wir  wollen  damit  durchaus  nicht  den  Spiritismus,  der  sich  an  diese 
Bewegung  anschloß,  rechtfertigen,  sondern  wir  konstatieren  nur 
ganz  einfadi  die  Richlungslinie  dieser  Sehnsucht  nach  dem  Un- 
endlichen, wie  man  die  Mystik  vielleicht  nennen  dürfte.  Es  ist 
bekannt,  wie  mächtig  diese  Strömung  auch  neuerdings  das  religiöse 
Qebiet  befruchtet  und  den  Blick  von  den  Dogmen  und  Formeln 
auf  eine  wahrhafte  Verinnerlichung  des  Gefühls  und  eine  Um- 
wandlung des  geschichtlichen  Gehalts  unseres  Glaubens  gelenkt 
hat.  Auch  unsere  Literatur  legi  nach  verschiedenen  Richtungen 
ein  beredtes  Zeugnis  von  dieser  tiefgehenden  Umgestaltung  ab; 
es  ist  wahrlich  kein  Zufall,  daß  der  moderne  Naturalismus  neuer- 
dings den  Symbolismus  bevorzugt,  daß  das  uralte  Wunderland 
des  Märchen9  wieder  aufgesucht  wird  und  so  von  allen  Seilen 
her  eine  Neu-Romantik  emporschießt.  Gewiß  werden  diese  An- 
sdiauungen  und  Ideale  wieder  verblassen,  aber  daß  sie  über- 
haupt nur  eine  Zettlang   in   unserem   angeblich  so  nüchternen. 


J 


Die  Mystik  in  sozialer  Bedeutung.  213 

exakten  Zeitalter  zur  Geltung  und  zur  Herrschaft  gelangen 
Iconnten,  ist  ein  untrügliches  Kennzeichen  für  die  unbesiegliche 
i4acht  mystischer,  d.  h.  transcendenter,  aber  darum  doch  sozial 
liöchst  bedeutsamer  Ideen. 


\ 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers 

Wolfgang  Ammon 

von  Marktbreit  (f  1634). 

Mitgeteilt  von  FRANZ  HÜTTNER. 

II. 

Es  hat  diese  andere  meine  Hauselire  kein  Kind  (wie  gern 
wirs  beede  auch  geselten  und  drutn  gebetet)  mit  mir  gezeugt, 
hat  aber  meine  erete  Kinder  Heb  gehabt  und  behalten,  (leissig 
unter  der  Zucht  helffen  halten,  zu  aller  Gottesfurcht  und  weib- 
liclien  Tugenden  und  guten  Künsten  so  zum  Hausshalten  ge- 
höm,  ohn  Unterlass  angewiesen,  uffgepflanzt  und  zu  aller  Erbar- 
keit  gewehnet 

Sich  Selbsten  auch  rein  und  gern  allein  oder  im  Haus  ge- 
halten, nicht  uff  den  Marckt,  nicht  in  die  Mez,  nicht  in  Becken- 
häuser, nicht  in  andere  Schwazörter  [fol.  69]  gangen  oder  kommen, 
einen  jeden  wohl  ungeinet  gelassen  und  um  anderer  Leute  Hauss- 
halten, essen  oder  Trincken  sich  nit  viel  bekümmert,  ihre  Kirchen 
besucht,  Gottes  Wort  und  sonderlich  auch  die  Passion  Christi 
lieb  gehabt,  das  Heilig  Abendmahl  mit  Lust  besucht.  Ist  zwar 
auch  eine  gebrechliche  Sünderin  gewesen,  aber  dieselbe  Mängel 
erkannt,  bekannt,  Gott  um  Gnad  durch  Christum  getreten  und 
erlanget,  auch  stetigs  das  Leben  in  Besserung  gerichtet,  und  weil 
die  Wiz  nil  vor  Jahren  kommt^  von  Tag  zu  Tag  sich  besser  in 
die  Händel  funden,  demüthtg,  geduldig  gewesen,  wohl  trösten 
können,  aller  Hexerey  und  Teuffelwerck  Todfeind.  Armea  Lcuth 
sich  allezeit,  so  weit  das  Vermögen  sich  erstreckt,  angenommen, 
aller  Leichtfertigkeil  abholt,  verziehen  und  vergeben  können  auf- 
richtig, Unzucht  feind  und  wo  Ihr  (als  einem  säubern  schAnen 
Weib)  etwas  unerbares  angemuthet  (wie  es  dann  immer  Teuffels- 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrors  Wolfgang  Ammon  etc.       215 


Idnder  gibet)  mir  dasselbe  wissitch  gemacht,  wann  es  gleich  vor- 
nehme Personen  gewesen,  elirlicde  Geseilschafft  geliebet,  gerne 
schwarze  Kleider  und  lange  angelragen,  jedermann  das  seine  ge- 
gdnnet,  meiner  gegen  das  zu  nahende  Alter  wohl  gewartet  mit 
krifftigen  Speise  und  Tranck,  soviel  der  Beutel  leiden  niö};i;n. 
Mal  sich  nit  überlruncken,  das  Vieh  lieb  gehabt,  auch  grossen 
Nuzen  davon  erhoben,  viel  Pfening  aus  dicker  Milch,  Buttermilch, 
früem  Obst,  Weichsel  und  andern  Dingen,  so  sie  erspart,  wie 
auch  aus  Garten  Gewächsen  gelöst,  ein  Stiegen  auf  die  ander 
abgeloffen,  ob  Sie  wohl  einen  Schaden  am  Schenckcl  (welches 
wenig  Menschen  gcwust)  gehabt  und  viel  daran  erlitten.  (Derselb 
Schaden  ist  anno  28  geheilet.]  Ist  also  mit  vielen  herrlichen 
schönen  Tugenden,  welches  der  beste  Schmuck  am  WeibsbiEd  ist, 
von  Gott  dem  allmächtigen  begabt  gewesen. 

[fol.  71.]  Ihre  ausgestandene  Beschwerden  und  Kranck- 
heiten  sind  fol.  seqq.  verzeichnet. 

Anno  1630  den  20.  April  soll  zu  Marckbernheim  (Burgbem- 
heim  bei  Windsheim)  ein  Engel  am  Himmel  gesehen  worden  seyn. 

(fol.  72.]    Anno  1632  hat  ein  halb  Vogel   1  Bazen  gölten. 

(fol.  74.)  Meine  ältcsle  Tochter  Barbara,  so  Anno  1609 
4.  Aug.  zu  Grassolzheim  gebohni,  hat  viel  gekranket^  Anno  I&27 
16.  Marl  wäre  sie  bald  im  Main  mit  einer  Könzen  voll  Reben 
ertruncken. 

{fol.  79.]  Anno  I62Q  13.  Jul.  hat  meine  mittlere  Tochter 
Apotlonia  secunda  VerlobnJss  gehalten  mit  Lorenz  Schäfferj  der 
allen  W^agnerin  Sohn,  dabey  waren  auf  seiner  Seiten  Heinrich 
Schreiber  Schneider,  der  einen  elenden  Vortrag  thäte,  sein  Bruder 
Claus  Schäffer,  item  Hanns  Schäffer,  Hanns  Weih;  uff  meiner 
Seiten  Herr  Sebastian  Lericin,  Gabriel  Hartman  Schwester  Mann, 
meines  Weibs  Schwester  Anna  Maria,  war  die  Schmöllerin.  Herr 
Pfarrer  allhie  copulirts,  Herr  Alex.  Fuchs  exul  war  ein  Gast 
|B1.  20.)  Anno  29  XI.  Augusti  hat  sie  Hochzeit  gehalten,  18.  Augusti 
riehen  sie  mit  einander  uff  Schwcinfurth  zu.  Anno  34  den  2.  Mart. 
hat  sie  ein  Sönlein  gebohrn,  welches  Herr  Matthias  Komacker 
aus  der  Tauff  gehoben. 

Auf  der  Hochzeit  waren   unier  andern    fdcrcn   ohne   die 


Jungfrauen  und  Jungen  Gesellen  gerechnet  108  mit  zur  Kirche 
giengen)  nachfolgende  ffol.  80]  Personen,  so  etwa  zu  mercken: 
Herr  Hieronyraus  Dielerich,  Pfarrer  zu  Sommerhausen,  Herr 
Abraham  Cuppelich,  Pfarrer  zu  Sammenheim,  Herr  Caplan  ali- 
hie,  der  Braut  Vatter,  Herr  Georg  Conrad,  Pfarrer  althie  (NB.  ich 
der  Schreiber  hab  ihn  aber  vor  mir  gehen  lassen),  Herr  Georg 
Cummcr,  Schuldhelss  allhie^  Herr  Stephan  Freysinger,  Pfarrer  zu 
Thalmessing,  Herr  Friederich  Alexander  Cuppetich,  Bürgermeister 
und  Umgeller  zu  Feuchtwang;  Herr  Johann  Cuppelich,  Pfarrer 
zu  Erlach,  Herr  Philipp  Schattemann,  Secretarius,  Herr  M.  Leon- 
hardt  Fries,  Pfarrer  zu  Gnodtslatl  [Onodsladt  bei  Ochsenfurt], 
Herr  Alexander  Fuchs,  Pfarrer  zu  Etwashausen  [bei  Kitzingen], 
Herr  Valentin  Zinck,  Pfarrer  zu  Grassolzheim,  Herr  Seb.  Leriein, 
Senior  des  Raths  allhier,  Herr  Matth.  Werdwein  Apotheker,  Herr 
Gcrichtschrciber,  Herr  Rector  Oesterreicher,  Herr  Canior,  H 
Joha,n:n  Hayn  Organist,  Herr  Georg  Conrad,  eusser  Wirt  etc. 

[fol.  81.]    Frauen. 

Frau  Pfarrerin  von  Sommerhaugen,  Frau  Caplänen  allhief 
der  Braut  Mutter,  Frau  Pfarrerin  allhier,  Frau  Pfarrcrin  zu 
Thalmessing,  Frau  PJarrerin  zu  Erlach,  Frau  Secrctariussin, 
Frau  Pfanerin  zu  Gnotslat,  Frau  Fuchsin,  Frau  Pfarrerin  zu 
Grassolzheim,  Frau  Limpurgische  Schuldheisin  zu  Grassolzheim, 
Frau  Lehelin,  alte  Vögtin  zu  Grassolzheim,  Frau  Wirthin  am 
Main,  Frau  Rectorin,  Frau  Ontorin,  Frau  Organistin  etc  | 

[foi.  82]  Anno  1615  23.  Decembr.  ist  meine  jüngste  Tochter 
Anna,  so  1612  den,  21.  Nov.  gebohm,  wassersüchtig  und  hoch- 
geschwollen, aber  ihr  mit  etlichen  Baden  von  Hünner  und  Tauben 
Mist  durch  Gottes  Gnad  wieder  geholffen,  sie  hinein  nöten  müssen. 

[fol.  83]  Anno  1625  22.  Sept.  bekommt  meine  jüngste 
Tochter  Anna  die  Pest,  Gott  hilfft  aber  bald  durch  Arzney  und 
verbrachten  Schweiss.  Sie  war  vorhin  zur  Erd  gesuncken  plözlich, 
da  dachten  wir,  nun  wflr  unser  Haus  auch  angesteckt. 

Anno  1632  hab  ich  meine  jüngste  Tochter  Anna  dem  Ehr- 
würdigen und  wohlgelahrten  Herrn  Georg  Egem,  Pfarrern  zu 
Unterickeisheim  [bei  Uffenheim]  und  Geisslingen  (bei  Uffenheim) 
den  7,  May   vermählet,  in  Beyseyn  Herrn  M.  Friesens, 


1 


Selbstbiographie  des  Stadrpfairers  Wolfgang  Ammon  rtc        217 


ZU  Onotstat,  und  seines  Weibs.  Anno  32  12.  Jun.  haben  sie 
Hochzeit  gemachl  zu  Brait  allhie,  darauf  unter  andern  nachfolgende 
Gaste,  so  zu  mercken,  gewesen:  (fol,  84)  Herr  Pfarrer  zu  Sommer- 
tuLUsen,  Herr  Pfarrer  allhic.  Herr  Pfarrer  zu  Onotstat  [M.  Leonh. 
Fries  I6I8-I633],  Herr  Caplan  allhie,  Blechschmidt,  Herr  Pfarrer 
zu  Ainhcim  [Enhcim  im  B.  A.  Kitzingen  bei  Marktbreitl-  Herr 
SebasL  Lerleio  senior  allhie,  Herr  Georg  Kummer,  Herr  Bürger- 
meister allhie,  Joliann  Wunderlein,  Herr  Rector  allhic,  Herr  Cantor 
jllhie,  Herr  Friederich  Grausen  berger,  Pfarrpfleger  ett,  in  allem 
43  Männer. 

(fol.  85]  Frauen: 

Frau  Pfarrerin  von  Sommerhausen,  Frau  Pfarrerin  allhie, 
Frau  Pfarrcrin  zu  Onotstat,  Caplanin  allhie,  Frau  Cantorin,  Frau 
Crausenbcrgcrin  etc.  in  allen  40  Frauen. 

Dann  9  Junggesellen  und  13  Jungfrauen. 

[fol.  83]  Anno  33  16.  Apr.  hat  sie  das  erste  Kind  geboren, 

lodt,    um  2  Hör  nachmittag.    Starben   beede   (quod  alia  manus 

^didit)    an   der  Plag   sammt   dem  Vatter  Herrn  Wolfgang 

JVmmonio   im  Oct   1634,    [Plochmann   S.   lf>0]   als  sie  zuvor 

grossen   Schrecken   eingenommen,    bey    einfallender   kayserlicher 

Armee,  da  der  Flekk  (Mark)  au^eplündert,  viel  Leut  umkommen, 

Herr  Wolfg.  Ammonius  mit  Streichen    übel   tractirt,   dass  er  die 

blauen  Flecken  [Plochmann  S.  147]    mit  sich    ins  Grab  gebracht 

),  fol.  86]     Mein^Bruder  Georg  Ludwig  Ammonius. 

Ist  gebom  zu  Marckhrcit  den  27.  Julü  abends   zwischen    10  und 

11  Uhr  anno  15S3  Sambslags  im  Zeichen   der  Fisch,   folgenden 

Sonntags  abends  um  4  Uhr  gctaufft  von  Adam  Angermann  Caplan, 

-aus  dcrTauff  gehoben  von  Herrn  Mafth.  Jahn,  Voglcn,  anstat  und 

von  w^en  des  hochwohlgcbohmen  Herrn  Herrn  Georg  Ludwig 

von  Sainsheim,   des  altern  Freyherms.    Ist  seines   lieben  Valters, 

als  er  etwa  sechslhalb  Jahr  alt,  bald  entnommen,  gen  Hämmersheim 

[Hemmersheim   bei  Uffenheim]    zu  der  Mutter  Schwester  gethan 

worden,   die  Pfarrerin  des  Orts  gewesen,   hernach  wieder  zu  der 

Mutter  kommen,  ein  alumnus  scholae  in  seiner  Heimath  worden, 

^in  Brod  ersungen,   auch    noch   bei  meinem  CantoraL    Biss  Er 

-^tis  gnädiger  Beförderung  der  gar  allen  löblichen  und  hochwohl- 


218  Franz  Hüttner- 


gebohrnen  Freyfrauen,  Frauen  Barbara  von  Saitisheim,  gebornen 
von  Hessbiirg  (die  meinen  Vattern  seligen,  als  Gevattern  zwifacb 
und  wohlverdienten  Beichtvätern,  noch  nit  vergessen  in  den 
seinen  zu  lieben  und  zu  befördern)  gen  Ünolzbach  in  die  Schul 
gezogen  und  bey  Ihrer  Gnaden  ein  Zeit  lang  gessen,  ein  Zeit  lang 
beym  Herrn  Rectore  zu  Cosl  gangen,   uff  derosciben  Besoldung. 

Von  Onolzbach  ist  Er  gen  Rotenburg  an  der  Tauber  zum 
Herrn  Schemelio  Rector  aus  gewissen  Ursachen  in  die  Cost  ver- 
liehen und  von  Wohlehre ngcdachten  Ihren  Gnaden  Beutel  ver- 
legt worden,  biss  dieselbe  Todes  verbliclien  [I6ÜI  in  Ansbach], 
darnach  haben  die  Edlen  Erben  Hand  abgezogen.  [Haupterben 
waren  die  Töchter  ihrer  verstorbenen  Schwestetj  Frau  Emilie 
V.  Crailsheim  und  Sophie  v.  üchtenstein.J 

9.  Nov.  Anno  1604  ist  Er  nach  Wittenberg  gezogen,  arm- 
selig da  gelebt  und  in  die  Communitaet  gangen,  wie  sein  Testi- 
monium, 23.  Novembr.  datlrt,  ausweist  im  Druck. 

Es  hat  Ihm  wohl  ein  Erbarer  Rath  zu  Marckbreit  ein 
Stipcndiolum  oder  Beyhülff  gethan,  darvon  ich,  weil  ich  gewust, 
was  verbunden  zu  seyn  für  ein  Elend  wer,  als  der  ichs  erfahren, 
Ihn  hab  beym  alten  Herrn  Groben,  Schuldheisen,  ausgcbetten 
und  wieder  frey  gemacht,  anno  1007,  wie  sein  den  19.  Mai  datirt 
Testimonium  ausweiset  [fol.  87]  Anno  löOö  hat  Er  den  10.  Aug. 
sein  erste  Predigt  zu  Oülchsheim  gethan  ins  Schwagers  Pfarr;  in 
diesen  1606.  Jahre  23.  Novembr.  ist  er  uff  meinen  Vorschlag  und 
Unterhandtung  zu  Ingolstat  (B.  A.  Scheinfeld]  Schulmeister  worden 
und  zehen  Weiss,  wie  man  sagt,  von  den  Nachbarn  unterhalten 
worden  und  nur  3  fl.  zu  Lohn  gehabt  biss  Walpurgis  1607. 
Darüber  ein  gut  Zeugniss  bekommen  4.  May  1607.  Anno  1607 
3.  Dec  ist  Er  Schulmeister  zu  Walmersbach  [bei  Uffenheim] 
worden,  da  ich  sein  Bürg  worden  wegen  statlichen  Kirchen- 
schmucks, so  aufgeweist  ward,  auch  wegen  des  Diensts;  der 
alte  Herr  Wegetein,')  Pfarrer  zu  Adelhofen  [bei  Uffenheim], 
thut  ihm  viel  gnts,  weil  Er  mit  unserm  Vatier  selig  als  «n 
Hebreer  sprachenkundiger  wohlbekannt  und  lang  guter  Freund 

n  M.  J(k.  Wcfeldn  vu  1587-1592  Pttmr  in  Schdnftld  und  lun  IS42  all  Midier 
n«ch  Atfelliot«  im  rMctntte  Uflenlieini.    VeI,  B«ilrice  i  TT. 


[Bl. 


Seibstbiographie  de  SUdtpEarrers  Wolfgang  Ammon  elc        219 


,,   hilfft  auch   neben   meinen  Schreiben  Ihn   zum  Jungk- 
gen  Franckenberg  befördern    und    zur    Pfarr   Jeckenheim 
'Oeckenheim  Im  B.  A.  Uffenheim]  bringen.    Anno  1608  18.  Martii 
darauf  dazumahl  das  Fest  Marias  Verkündigung  verlegt  vorden) 
Er  zu  Onolzbach  ordinirt  von  Herrn  Laur.  Laelio,  Joh.  Mel- 
^uerem,  ßalthas.  Bemhold,  Georg  Wächter,  Joh.  Herman,  Andr. 
IFrandsd,  wie  das  Testimonium  ausweist,  und  hat  diesen  Tag  sein 
Tricsteraid  (der  noch  vorhanden)  schriffllich  geleistet,  am  2.  Ostertag 
ist  Er  zur  Pfarr  Jeckenheim  inveslirl  worden.    Anno  ]60S2I.Junii 
wunderlicher    Schickung    nach    seine   Verlöbniss    gehalten    mit 
-Anna  M.  Johann  Herrmanns  (Pfarrers  zu  Rudolffshofen  [Rudolz- 
hofen  im  B.  A.  Uffenheim]   und  Senioris  im  Capitel  Uffenheim) 
Tochter,  da  ich  die  Werbung  gethan,  darauf  den  19.  Julii  Dienstags 
Ifol.  89)  Hochzeit  gemacht  daselbst    Der  Pfarrer  zu  Pfaffenhoffen 
(im  B.  A.  Uffenheim]  Herr  Johann  Heck  hat  meinen  Bruder  und 
seine  Annam  copuliret,   auch   geprediget,    unsere  Mutler  und  die 
2  Schwestern  waren  auch    Hochzeitgäsle,   und    meine   erste  Frau 
(selige,  als  ich  das  geschrieben,  genannt). 
2l,  fol.  87)       Die  Hochzeit  Gäste  siehe  im  hernachfolgenden  BIaL 
Hier  folgen   seine   Kinder,   nach   Inhalt  Calendarii   Ebcri, 
dariniKit  er  eigenhändig  zu  End  geschrieben. 

L  Anno  I&09  5.  Jun.  am  2.  Pfingsttag  eine  Tochter,  so  in 
der  Geburt  todt  blieben. 

IL  Anno  1610  Montags  25.  Jun.  Nachts  zwischen  11  und  12 
Anna,  die  Tochter,  gebohrcn,  im  Zeichen  des  Steinbokks,  Ihr 
Tauffdod  war  Anna,  Caspar  Bullenheimers  HaussfraUj  des  reichen 
Wirths  zu  Weigenheim  [bei  Uffenheim]  Tochter,  wird  getaufft 
Dienstag  26.  Jun.  von  M.  Heinrich  Wegeiein,  Pfarrer  zu  Reisch 
[Reusch  im  B.  A.  Uffenheim].  Wird  verheirathet  an  Herrn 
Valentin  SchwaneUj  damals  Rectom  zu  Markbrait,  18.  Febr. 
Anno  1641,  nachmals  Pfarrern  zu  Gnczhcim  (Gnötzheim  bei 
Marktbreit].  (Dieser  Herr  Schwan,  Georg  Schwanen,  allhiesigen 
Bürgers  und  Häkkers  Sohn,  ist  gcbohren  Anno  1610  den  l.Nov., 
»ird  Alumnus  Anno  1626,  zeucht  von  hier  Anno  1631  den  4.  May 
nach  Wittenberg,  sludirt  daselbst  SVt  Jahr  und  langet  Anno  39 
Mense  Nov.   im  Vatterland    wieder   an,   kommt  Anno  1640   zum 


Redorat,  welches  er  den  4.  Jun.  würklich  angetreften,  wird  Anno 
1654  zur  Pfarr  Qnözheim  beruffen  und  den  2Q.  Jun.,  am  Petri 
und  Pauli  Tag,  allhier  ordinirt  und  Dom.  VI.  post  Irin,  durch 
Herrn  Pfarrer  Florum  praesentirL  Versiehet  neben  solchen 
Amplc  noch  einige  Zeit  hiesige  Schul  und  stirbt  endlich  zu 
Gnözheim  Anno  1675;  den  16.  Marl.  1&41  ist  er  mit  Herrn 
Georg  Ludwig  Ammonii,  Pfarrern  zu  Geckenheim,  Tochter  Anna 
copulirt  worden.  Anno  1643  Donnerstag  den  26.  Jan.  ist  ihm 
eine  Tochter  gebohren,  Nahmens  Anna  Barbara.  Klein  gestorben 
Anno  1645  Mittwoch  29.  Jan,  wieder  eine  Tochter,  Margaret» 
Anastasia,  die  erstl.  Anno  1669  7.  Sept.  Johann  Holhen,  Bürgern 
und  Kürschnern,  und  hernach  Anno  1675  15.  Jim.  Joh.  Leonh. 
Rohleder,  auch  Bürgern,  Kürschnern  und  Haubenschneider  allhier 
zu  Marckbreit,  verehlicht  gewesen,  und  als  Wiftwe  noch  Anno 
1727  am  Leben  ist.) 

Dann  Anno  1647  den  26.  Apr.  eine  Tochter,  Nahniens 
Anna  Margareta,  hat  einen  Drechsler  zu  Rotenburg,  Stellmag, 
bekommen.  Ferner  Anno  1649  den  8.  April  eine  Tochter  mit 
Nahmen  Anna  Blandina,  hat  einen  Schlosser  von  Segnfz,  Joh. 
Kammcrzcller,  so  nach  Lichten  gezogen.  Wiederum  Anno  1651 
den  30.  Jun.  ein  Sohn^  Johann  Georg,  welcher  als  ein  Kind 
wieder  gestorben. 
[ßl.  21*1  111.  Anno  1612  8,  Febr.  am  Tag  Helenae,  einen  Tag  vor 
Septuagesima,  Samstag  fast  um  12  in  der  Nacht  der  Sohn,  Georg 
Ludwig  Ammonius,  sein  Dod  war  Georg  Schmidt,  ein  Carren- 
mann,  des  Hofbauren  Sohn  zu  Jeckenheim.  Taufft  ihn  Sonntags 
Herr  Pfarrer  zu  Reisch,  vorhin  benannt 

[fol.  88]  IV.  Anno  1614  27.  Marlii  Sonntags  Oculi  in  der 
Nacht  zwischen  12  und  1  Uhr  die  dritte  Tochter,  Barbara  ge- 
nannt, geboren^  Ihr  Tauffdod  Heinrich  Hertens,  eines  Bauren 
Haussfrau,  auch  Barbara  mit  Nahmen. 

V.  Anno  1616  7.  April  Sonntags  Quasi modogeniti  der  zweite 

Sohn  frühe  um  4  Uhr  geboren,  Wolf  Albrecht  genannt,  der  diesen 

,Tag  noch  gelaufft  von  M.  Heinrich  Wcgetein  und  von  Jungkem 

Wolf  Albrecht  von  Hütten   aus  der  Tauff   gehoben    vermittelst 

Herrn  Bernhard  Köhlers,  Vogtens  in  Fördern  Frankenberg  (a\a 


Selbstbiographie  ds  Stadtpfarrcrs  Wolfgang  Ammon  etc.       221 


manus).    Lemel  das  MüUerhandverk,   kommt  in  seiner  Wander- 
schafft unter  die  Schwedische  Soldaten,  im  Herbst  Anno  16'J'>  zu 
seiner  Basen  Barbara  zu  Markbreit,   wol  zerlumpt  und  zerrissen, 
im  Hunger  verdorben,   voll  Unziefer;   zu  Hauss  kleidet  ihn  ihr 
Ehewirth,  schikkt  sich  zum  Tisch  des  Herrn  und  druf  mit  einem 
Tragoner  Xerrischen  Regiments   auf  sein  und  seines  Weibs  guts 
Anerbieten,  sie  wollten  ihn  für  ihr  Kind  halten,  ins  Welschland, 
<lthin  der  March  glenge;  hat  ihn  aber  bald  wieder  bey  Donawcrth, 
^ie  wir  dessen  gewisse  Kundschafft  haben^  von  sich  gejagt    Wo 
nun  der  arme  Schweiss   seyn    mag,   weiss  Gott    Vielleicht  ist  er 
-den  Bauern  zu  Theil  worden,  hat  nie  recht  gut  thun  wollen,  «He 
Herr  Schwager  Gabriel   und  seine  Haussfrau  selbsten  bekennen. 
Sein    (meines    Bruders    Weib)    hat    ihm    zugebracht    50  fl. 
Heurathgul  und  einen  Schreinzeug,  hat  auch,  weil  sie  nit  wol  eine 
Meil  von  einander  gesessen,  tägliche  Hülfe  gehabt,   [ßl.  22,  fol.  89] 
Es  wnd  aber  nachfolgende  Herren  Pfarrere  und  Gelehrte  Hoch- 
zei^äslc  da  gewesen: 

1)  Der  Bräutigam   Georg  Lud.  Ammonius,   Pfaner   zu 
Occkenheim. 

2)  Der  Herr  Schweher,  M.  Joh.  Herrmann,  Pfarrer  zu 
■^udolphshofen. 

3)  Ich  Woifg.  Ammonius,  Pfarrer  zu  Qrassolzheim. 

4)  Friederich  Hermann,  soceri  frater,  Pfarrer  zu  Armuths- 
Kofen  (Ermetzhofen  bei  Uffenhetm]. 

5)  Joh.  Heck,  Pfarrer  zu  Pfaffenhofen,  der  die  neuen  Ehe- 
Beute  copulirt  und  geprediget. 

6)  Conrad  Zanner,  Spitatpfarrer  zu  Uffenhetm. 

7)  Paulus  N.,  Pfarrer  zu  Seenheim  pDei  Ermelzhofen). 

8)  IWcIchior  Glaser,  Pfarrer  zu  Buchheim  [bei  Windsheim]. 

9)  Hannss  Knauer^  Pfarrer  zu  Gollhofen  [bei  UffenheimJ. 

10)  Hanss  Wilhelm  Treu,   Pfarrer  zu  Ippesheim   [im  B.  A. 
Uff  en  heim], 

11)  Veit  Treu,  Pfarrer  zu  Hcrbolzheim  (bei  Uffenheim). 

12)  Michel  Bucka,  Pfarrer  zu  WaJmcrsbach  [B.  A.  Uffenheim|. 

13)  Stephan    Blümlein,     Pfarrer    zu    Ergersheim    [B.  A^ 
Uffenheim]. 


M)  Simon  Karg,  Schulmeister  zu  Uffenheim,  so  hernach 
Pfarrer  zu  Kleinen  Langheim  [Kleiniangheim  bei  Kitzingenj  worden. 

15)  Friederich  Höfel,  Vogt  zu  Uffenheim,  und  hernach  zu 
Ippesheim. 

Es  isl  aber  mein  lieber  Bruder  am  h.  Christlag  (fol.  90] 
25.  Dec  Anno  1616  begraben,  und  hat  ihm  Herr  (M.  Heinrich) 
Wegelein,  Pfarrer  m  Reisch,  die  Leichpredigt  gethan  in  Bcywescn 
Schwager  Gabriel  Hartmanns  und  seines  Schwehers  Herrn  Pfarrers 
zu  Rudolphshofen,  dergleichen  wol  nil  ins  Hauss  kommen,  weil 
mein  Bruder  pesle  gebliben,  weldie  ihm  sein  arme  Bctteldoten 
ins  Hauss  und  Scheuren  mit  grossen  Stank  und  Unlust  gebracht. 

Ich  hab  Ihn  zwar  in  der  Krankheit  bcsuclit;  aber  zur  Leicfa 
um  des  Fcsts  vielfältiger  Arbeit  und  sonderlich  beeder  Mittag- 
predi^eii  halben  nil  kommen  können  noch  dörfen. 

Anno  1617  I.Jan,  isl  sein  Weib  Anna  auch  peste  gestorben, 
begraben,  darzu  ich  gleicher  ürsadien  halben,  wie  oben  ver- 
meldet, nit  erscheinen  können. 

(fol  92]    Meine  Schwester  Maria  Catharina. 

Ist  zu  Dinckelsbühel  in  der  Reichsstalt  geboren  23.  April 
Anno  1577  Abends  zwischen  5  und  6  Uhr,  [El.  22']  gctaufft 
worden  von  Herrn  Georg  Stiften  berger,  Pfarrer  im  Closter  Rat 
[Mönchsroth  im  B.  A.  Dinkelsbühl],  getioben  aus  der  Tauff  von 
Frau  Catharina  DrechsÜn,  einer  Qeschlechlerin,  der)  23.  April, 
war  der  Dienstag  nach  Miscricordias  Domini.  Calend.  Eben  169. 
ist  bey  den  Ehern  erzogen  und  unter  Georg  Zizmann  und  Clausen 
Bauren,  der  in  17.  Blat  Erwehnung  geschehen,  in  die  Schul  gangen, 
lesen  und  beten  gelemet,  doch  sehr  versäumt  worden,  weil  der 
Vatter  seliger  viel  gekeissen  und  die  Mägde  wenig  gut  gethan. 
Hat  von  des  Valters  Sachen  mehr  gewust  zu  sagen  als  ich,  der 
unter  die  Frembden  gemüst  Ist  auch  bei  der  Mutter  nach 
Vatters  seeligeri  lödüichen  Hintritt  blieben,  biss  sie  gcheyrathet; 
jmmittelst  der  alten  Schuld heissin,  Herrn  Lerleins  Wittib,  item  der 
Homungin  und  andern  Reichen  zur  Hand  gegangen  und  sich 
viel  genietet,  weilen  die  Mutter  nur  ein  Weinbergleiu  gelabt,  sich 
genau  im  eigenen  Häusslein  beholfen  und  nichts  (den  Kindern 
zum  Besten)  verkauffcn  noch  versezen  wollen. 


Selbstbiographie  des  Stadtpfaners  Wolfgang  Ammon  etc. 


Den  20.  Oct.  I6Q3  hat  Sie  mit  Herrn  Qedeon  Sigel,  der 
ab  ein  vertriebener  aus  Oesterreich  hiehcr  kommen,  und  weilen 
der  krumme  Caplan  (wie  man  den  contracten  Herrn  Johann 
Freundsdiafft  poh.  Philius,  poeta  laureatus,  Caplan  1602 — 1610] 
genannt)  sein  Ampt  nit  vcrsechen  künnen,  eine  Zeit  lang 
Caplansverweser  worden  um  halbe  Besoldung,  ilir  VerlÖbniss 
gehalten. 

[fol.  93]  Auf  seiner  Seite  war  Herr  Pfarrer  Geor^  Conrad, 
(Conradi,  Caplan  1592-1602,  Pfarrer  1602-1631]  sein  Collega, 
uff  unser  Seiten  Herr  Valien  Ocrter  und  Herr  Lerlein.  Sezet  er 
200  f1.,  da  er  ohne  Kinder  oder  Leibe$erben  stürbe,  oder  aber 
100  fl.solte  seine  Tochter  zum  Voraus  haben,  darnach  aber,  van 
sie  mit  einander  Kinder  zeugeten,  gleich  erben.  Dagegen  sötte 
meine  Schwester  30  fl.  innerhalb  Jahresfrist  ihm  zubringen,  welches 
ich  eine  Zeit  lang  hergeliehen,  (BI.  23]  als  der  bei  den  Qe- 
schwistrigten  ohne  Ruhm  nicht  wenig  gelhan,  meines  Vatters 
seeligen  Begehren  nach  bey  Hültetiheim  [B.  A.  KitztngenJ  einsmals 
-an  mich  gesonnen. 

Darauf  den  22.  Nov.  selbigen  Jahrs  1603  Sie  beede  Hochzeit 
gemacht  in  Claus  Oertens  Behaussung  und  3  gestekklen  Tiscti 
voll  gehabt.  Anno  1605  14.  Aug.  kommt  Herr  Schwager  Qedeon, 
zum  Seehauss  aufwartende,  wegen  Herrn  Christians  Kindtauff  in 
Ungnad,  weil  er  etwas  bezecht  die  kranke  >X'öchnerin  nicht  trösten 
können,  und  wird  erlassen.  Den  30.  Jul.  zuvor,  da  er  vermeint, 
Pfarrer  ni  Apswin  [Abtswind  im  A.  O.  Wiescntheid]  zu  werden, 
mit  ihm  in  ungelegen  Zeit  daselbsten  kommen. 

Anno  IbOb  ziehen  sie  den  9.  Sept.  miteinander  uff  die  neue 
Pfarr  Detelsheim.    [Neuendettelsau  im  B.  A.  Ansbach.] 

[fol.  95]    Meiner  Schwester  Catharinae  Kinder  I.  Ehe: 

1)  Ein  Töchterlein,  kam  nicht  zur  Tauff. 

2)  Anno  1606  22.  Jul.  Johann  Nicolaus  Sigel  gebom,  vom 
alten  Herrn  Schuldheisscn  Ntcolao  Groben  aus  der  Tauff  gehoben, 
zu  Marckbreit  [fol.  93]  eine  geraume  Zeit  ein  armer  Schüler  ge- 
wesen und  wol  sludirt,  auch  mit  Kuz  hätte  auf  die  hohe  Schul 
liätte  mögen  vcrschikket  werden,  in  der  Pest  zur  Herbstzeit  ver- 
schieden. Anno  1625  den  15.  Oct  begraben. 


[fol.  95]  3)  Johann  Georg,  zu  Nflmberg  bcy  Herrn  Job. 
Jacob  Ried,  bey  S.  Lorenz  Vesperpredigern,  Famulus  (1628),  stirbt 
pesle  zu  Wittenberg  im  Herbst  Anno  1631. 

4)  Maria  Magdalena,  stirbl  auch  an  der  Plag,  im  Octob.  zu 
Kizingen,  bcy  Herrn  D.  Kayssern  in  Diensten,  Anno  1635. 

[fol.  93]  Anno  1612  20.  Jul.  hat  meine  Schwester  das 
anderemal  Hochzeit  mit  Stephan  Freysinger,  der  vor  diesem  ein 
Edel  mann  ischer  Praeceplor,  Marggräfischer  Stipendiat  und  diess- 
mals  Schulmeister  zu  Ahaussen  [Auhausen  bei  WassertrQdingen] 
war,  hernach  aber  Pfarrer  worden  zu  Oettirtgen  (Höttingen  bei 
Ellingenl,  nit  weit  von  der  Reichsstatt  Weissenburg  bey  Wildsburg 
am  Nordgau.  Darauf  ist  er  gen  Thalmässingen  [Thalmässing  im 
A.  G.  OrcdingJ  kommen  und  Pfarrer  worden  in  einen  grossen 
FIckken,  [Bl.  23',  fol.  94)  darinnen  3  Kirchen  und  2  Pfarren. 
Er  aber  hat  2  Kirchen  zu  versehen. 

N.  B.  Anno  1Ö2&  2.Juiii  habe  ich  diese  nachfolgende  Worte 
von  ihm  beschrieben  und  mir  übersandt  empfangen,  auch  hier 
einverleiben  wollen.  mM 

Genealogia  a  me  Stephane  Freisingero  [vgl.  Georgii,  Uffen^* 
heimische  Nebenstunden  (1754)   II  S.  250],   pro  tempore  Pastore 
apud  Thalmessingenses  parochiae  superioris,   12.  Febr.  (quo  die 
parens    carissimus    Anno    1616    diem    obÜt    suum)     Anno    1627 
conscripta. 

Avus  a  parente.  Avus  war  Geor^  Freysinger,  Bürger  zu 
Aichstätt,  pontificiae  Religionis,  trieb  einen  Handel  mit  Schweinen, 
kommt  auf  dem  i'elde  vom  Ross  und  wird  todt  funden. 

Avia,  Maria  Kiselin,  bürtig  von  Gunzenhaussen,  Augustanae 
Confessioni  addicta,  dabey  Sie  auch  biss  an  ihr  seeliges  Ende  ver- 
blieben; denn,  ob  sie  woi  offtmals  (sonderlich  in  ihrer  währender 
Krankheit)  von  den  Sacrif.  angesprengt,  hat  sie  doch  weder  minis 
noch  pollicitationibus  zum  Abfall  mögen  gebracht  werden:  darum 
Sie,  nach  ihrem  Absterben,  also  lodt  nacti  Gunzenhaussen  (5  grosser 
Meil  Wegs)  geführet  und  daselbst  ehriich  begraben  worden. 

In  währender  Ehe  haben  Sie  zween  Söhne  mit  einander  er- 
zeuget,  Georg  und  Michaelen  (meinen  lieben  Vatler  seelig).  Jener 
Georgius,  als  er  von  seiner  Wanderschafft  anheims  kommen  (war 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Aitunoa  etc.       225 


seines  Handwerks  ein  Kürssner),  die  Mutter  aber  schon  mit  Tod! 
abgangen,  hat  er  sich  bcy  seiner  Stiefmutter  Pauli  Rom,  seines 
Stieffbruders,  eines  Schreiners  zu  Wengcnhaussen  [Weiboldshausen 
bei  Ellingen],  nachmals  rechten  Mutter,  biss  er  sich  möchte  an- 
richten, aufgehalten,  die  ihm  aber  mit  Gifft  verüben,  der  Meinung, 
ingenuc  fateor,  ein  Erb  der  Güter  zu  werden  (wie  sie  nachmals 
[Bl  24]  in  der  Tortur  Selbsten  neben  diesem  noch  10  Mord  be- 
kannt) und  fürtcrs  im  Feuer  und  Rauch  fortgeschikket  worden. 

Mein  Vatter  aber  war  noch  klein  und  unmündig  nach 
Qunzenhaussen  gebracht  zurti  Herrn  Jacob  Kiseln,  seiner  Mutter 
Bruder,  damaligen  Stadtvogt  daselbsten,  der  ihn  auch  das  Kürssner- 
handwcrk  hat  lernen  lassen, 

Avus  a  matre  Leonhart  Reyman,  börtig  von  Hall  im  Kocher, 
war  erstmals  Rector  scholae  Gunzenhusanae,  nachmals  Pfarrer  zu 
MichcKcld,  nicht  weit  von  gedachtem  Hall;  dessen  Vatter  ist  ge- 
wesen Ulrich  Reuman,  der  176  Kindeskinder  erlebt,  wie  [fol.  96] 
aus  dem  aufgerichteten  Epitaphio  daselbst  zu  ersehen  ist. 

Avia  Clara  Wärncrin,  auch  von  Schwäbischen  Hall  bürtig; 
haben  unter  andern  auch  in  währender  Ehe  cr/cugt  Barbaram, 
meine  liebe  Mutter  seelig,  die  nach  ihrer  Eltern  Ableiben  zu  ihrer 
Schwester  Clara  gen  Qunzenhaussen,  die  schon  im  Ehstand  mit 
Joh.  Bräun,  Barbierer,  Jodoci  Bräunens,  Decani  alldar,  Sohn,  lebete 
(und  lebt  noch  auf  diese  Stund  bey  80  jähren),  gezogen  daselbsten 
Sie  auch  meinen  lieben  Vatter  verheyratliet  worden  Anno  Christi 
1576  Montag  vor  Jacobi. 

Liberi:  In  währender  Ehe  12  Kinder  erzeugt: 

1)  Jacob,  naiiis  Anno  1577  die  Vcneris  ante  Dom.  Trinit 
als  8  Tag  zuvorder  Blassthurm  eingefallen,  etliche  Personen  todt 
geschlagen,  der  Zeit  Bürger  und  Kürssner  zu  Wasserthruhend Ingen, 
«ifxiwc  [verschrieben  für  öi^xrpo-;  unvcrmählt,  ohne  Bett). 

2)  Michael,  Bürger  und  Kürssner  zu  Gunzerthaussen,  der 
bringt  berein,  was  jener  versäumt,  hat  6  Söhn,  2  Töchter. 

3)  Stephanus,  de  quo  suo  loco. 

4)  Georgius,  stirbt  jung  hinweg. 

5)  Sibylla,  vldua  der  Zeit  zu  Qunzenhaussen,  hatte  einen 
Schreiner,  Caspar  Eberlein,  von  Donawerd,  hat  2  Söhne. 

Archiv  tOr  Kulturcncbichtt.    I,  3-  15 


6)  Georgj  stirbt  jung  hinweg. 
[Bl  24']       7)  Johann,  stirbt  im  9.  Jahr  aetatis. 

8)  ßernhardiis,  stirbt  im  5.  oder  6.  Jahr. 

9)  Ein  Töchterlein,  mit  welchem  die  Mutter  3  Tag  um- 
gangen, jämmerlich  verderbt,  endlich  todl  auf  die  Welt  kommen. 

10)  Ein  Knäblein,  wird  nicht  getaufft. 

11)  Hanss,  Bürger  und  Kürssner  zu  Gunzenhaussen,  hat 
I  Töchterlein,  I  Sohn:  alles  todL 

12)  Margareta,  deren  Mann  Michael  Steinbrenncr,  ein 
Schreiner,  der  Zeit  in  meinem  Güttein  allhier  (bürtig  aus  der 
Grafschaft  Hohenloe). 

Agit  animam  mater  carisslma  2.  juU  Anno  1626  aeL  73.  Jahr, 
der  Vatter  aber  Anno  lbl6  12.  Febr.  aeL  63.  Jahr. 

Nun  komm  ich  wieder  uff  mein  Person:  Natus  ego  Anno 
1581  die  Venerisa  Nativitate  Christi,  rccipior  in  numerum  Alum- 
norum  Onoldinoruni  Anno  1600,  war  schon  ein  alter  Gesell,  einem 
Zwerg  gar  ähnlich,  dann  ich  hatte  bey  meinen  Eltern  nach  Noth- 
durfft  Hunger  gelitten.  Man  dorffte  mir  so  viel  Jahr,  weil  ich  so 
klein  war,  nicht  zuschäzcn.  Ziehe  nach  Wittenberg  mit  14  fl, 
weniger  darüber  oder  darunter,  so  mir  Vatter  und  Mutter,  Brüder, 
Schwester  und  gute  Freunde  gesteuert.  Anno  1607  alldar  treibt 
mich  die  Noth,  dass  ich  andere  musste  lehren,  dessen  ich  doch 
selbst  bedorffte,  instiluir  einem  von  Adel  seine  Kinder,  Johann 
Heinrich  von  Holzhaussen,  6  Meil  Wegs  von  Wittenberg,  im 
FOrstenthum  Anhalt,  zwo  Meli  von  Zerbst,  ein  Jahr  lang. 

Anno  160Q  wurde  ich  von  dessen  Schwester  Mann  in  gleiche 
Dienst  genommen  nach  Magdeburg,  Decano  bey  S.  Sebastian, 
Joh.  Keck  de  Schwarzbach;  handelt  aber  mit  mir  wie  der  um- 
gekehrte Nabat,  verändert  mir  [fol.  Q7]  meine  Besoldung;  dann 
sein  Versprechen  war,  mir  des  Jahrs  zum  Tisch  15  Thaler  (wie 
ichs  bey  seinem  Schwager  hatte)  zu  geben  und  dann  eine  Stell 
bey  den  Choratisten  besagten  Stiffts  einzuräumen,  da  einer  12 
Thaler  des  Jahrs,  6  Scheffel  Rocken  und  so  viel  Weizen  hatte),  so 
zwar  auch  geschehen,  aber  die  15  Thaler  sind  dahinden  blieben, 
darum  ich  nach  Ausgang  [ßt.  25]  des  Jahrs  seiner  Dienst  gnug 
hatte,  denn  da  war  nichts  denn  fressen  und  sauffcn,  dopein,  spielen 


Selbstbiographie  des  Stadlpfarrcrs  Woifgang  Amraon  etc. 


P 
* 


Xc  Summa,  so  gelehrt  er  auch  war,  ward  er  doch  seines  Hand- 
erks  ein  rechter  Epicurer:  wolt  ich  mit  Lieb  von  ihm  kommen, 
uste  meiner  Landsmänner  einer  von  Wittenberg  aus  Brief  im 
T**^alimen  Herrn  M.  Martini  Moningcrs,  S.  De(»ni  zu  Gunzen- 
l^iaussen,  schreiben,  ob  würde  ich  von  ihme  zum  Rectoral  nach 
<IIjunzenh aussen  vocirt;  da  must  er  mich  noiens  volens  meiner 
HDienst  entlassen.  Anno  IGll  zog  ich  wieder  in  mein  patriam, 
ti  iente  ein  Jahr  lang  dem  Edlen  und  vesten  Hanss  Heinrich  von 
^>tein,  FQretl.  Brandenb,  Rath  und  Amplmann  zu  Hohentrühdingen 
[bei  Heidenheim],  für  einen  Paedagogum,  da  mirs  besonders  wol 
^peng,  hatte  meinen  stattlichen  ansehnlichen  Tisch  und  30  fl. 

Anno  1612  wurde  ich  von  einem  fürstL  Brand.  Consi^torio 

^u  Onolzbach  zum  Schuldienst  nach  Ahausen   (Auhausen  im  B. 

j^.  NördJingen]  ins  Closter  promovirt,  heyrathete  zu  meiner  lieben 

Haussfrauen   Maria  Catharinaj  damals   viduae   Gedeonis   Sigelij 

]Z>iaconi  Geilsheimü,  relictae.    Dieser  war  bürtig  von  Hohenacker 

im   Würten bergischen,  dcme,  als  Substihiten   zu   Marckbrait,  so 

z-wam  ruvom  etliche  Jahr  iang  im  Exiljo  und  Viduitat,  darein  er 

in    der  Qräzerischen  Persecution    gejagt   worden,    herumgezogen, 

Sie  vcrheyralhet  worden  Anno  1603.  Von  dannen  er  nach  neuen 

Oettelsau   [bei  HeiLsbronn]  von  den  Edelleuten  zum  Pfarrdienst 

a.ngcnommcn  worden,  allda  Sie  mit  einander  biss  ins  dritte  jähr 

gelebt,  dann  das  Sprichwort  erfahren  müssen:  Herrendienst  und 

Lerchengsang  klingt  gar  wol  und  währt  nicht  lang.    Item:  Edel- 

leut-Pfarrer,  Buben-Vögel,  Juden-Ross  versiren  in  statu  periculoso: 

denn  er  seiner  Dienst,  weil  Sie  vermerkt,  dass  er  hinweg  strebt, 

cntsczet  worden,  bald  aber  von  einem  f.  Consistorio  zu  vorbe- 

rührtem  Diaconat  zu  Oeitssheim  [bei  WassertrOdingen]  promovirt 

worden,  da  Sie  auch  in  das  dritte  Jahr  wohl  mit  einander  gelebt, 

in  währender  Ehe  4  Kinder  erzeugt;    wie  dann  solche  und  was 

nim  Bcschluss  vermeldt.  im  95.  Blat  oben  zu  finden. 

1*0'- 55.]  Ihre  Kinder  in  der  andern  Ehe: 

I.  Barbara,  Ihre  Dod  war  Frau  Magd.,  fürst.  Brand.  Verwalters 
lu  Ahaussen  [Auhausen  im  B.  A.  Nördlingen),  Conrad  Rehm  Hauss- 
frau, Hält  Hochzeit  zu  Gnodstatt  den  16.  Aug.  Anno  1636  mit  Herrn 
Qeorg  Christoph  Fristo,  Pastor  zu  Unter  Ickelsheim  und  Qeisslingen. 

15' 


2.  Dorothea. 

3.  loh,  Sebastianus,  stirb!  an  den  Blanem,  aet.  1 1  Jahr. 

4.  Joh.  Woifgangus,  f  im  4.  Jahr. 

5.  Ein  Knäblein,  damit  sie  o  gar  ein  halb  Jahr  gangen. 
Nun  heisstes  (wieder  Kinder  Vatter  weiter  schreibt);  Claudite 

jam  rivos,  pueri,  sat  prata  biberunl.  Sind  mit  unsern  lieben  Gott 
zufrieden,  sein  Will  ist  geschehen.  Er  gebe  uns  neben  seinen  h. 
Wort  auch  den  edlen  Frieden  und  Gesundheit  (doch  nach  seinem 
Willen),  dass  wier  diese  vier  sammt  den  dreyen,  so  ich  crhcyralhet 
(in  einer  Summa  7.  Habs  inner  5  Jahren  hoch  bracht,  habe  auf 
7  Kinder  betteln  dürfen)  wo!  und  in  der  Furcht  des  Herrn  mögen 
auferziehen  und  nach  unsern  seel.  Todt  zu  ihrer  kflnfftigen  Hauss- 
haltung  (neben  ein  gn.  Gott)  auch  ein  Anfang  verlassen. 
iBl25',fol.  93.]  Mein  Schwester  Barbara. 

Anno  10  27.  Dez.  hält  Sie  Verlöbniss  mit  Gabriel  Harlmann. 
Anno  1611  22.  Jan.  Hochzeit.  Anno  1616  29.  Nov.  hat  er  sein 
Marggräfisch  Hauss  erbauet  (neben  dem  herracbaftl.  Ampthauss 
all  hier). 

Anno  21  10.  Jan.  Anna  Maria,  ihre  Tochter,  gestorben. 
2ö.  diess  Hanss  Christoph  ihr  Sohn  begraben. 

Anno  25  24.  Aug.  Gabriels  Kind,  Ursula,  verschieden.  Diess 
Jahrs  den  1.  Sept  wird  ihm  noch  eins  begraben. 

Anno  26  13.  Jul.  meine  Schwester  ihre  Annam  Margaretam 
bekommen. 

Anno  30  13.  Jan.  führt  ihr  Mann  Gabriel  seinen  Sohn 
Wilhelm  über  oder  ja  in  12  Meilwegs  zum  Vetter,  der  gleidies 
Handwerks  (ein  Barchl-Weber),  da  soll  er  mehr  lernen. 

[alia  manus.]  Dieser  Gabriel  Hartmann  und  sein  Weib 
Barbara  sterben  ohne  Kinder  im  hohen  Alter,  Er  im  End  des 
1660.  Jahrs,  und  Sie  am  End  des  1666.  zu  Marckbreit  bey  zim- 
lidien  Vennögen  (davon  ihrer  viele  geerbet,  und  hat  es  lang  dess- 
wegen  Streit  gegeben). 
[fol.  102.]    Ehr  mir  und  den  Meinen  bewiesen. 

Anno  1502  19.  April  verschreibt  mich  Herr  D.  Aurelius 
Streitberger,  Superint  und  Prediger  zum  Hoff,  an  Secretarium 
Hörn. 


hk. 


Anno  1502  30.  Jun.  führt  mich  mein  Stubengesell  Herbst 
•äne  dubio  Paulus)  zu  Tisch. 

5,  Jun.  zuvor  Herr  Matthaeua  Herbst  mich  gen  Jena  ver- 
::Ii  rieben. 

Anno  1594  29.  April  bey  der  Deposition  meiner  Landsleute 
«h.  Orts,  Nicol.  Schirmers,  Tobiae  Knoblochs)  ein  Zug  erfordert 
■-«  »nd  Mahlzeit  mit  Rchalten. 

[  Anno  1599  den  12.  Jul.  gn.  Herrschafft  Liberey  zu  beschreiben 

^»igefangen. 

[fol.  103.]  Anno  1602  den  25.  Jan.,  ilem  3.  und  11.  Febr. 
*toninit  mir  allerley  Schrifft-  und  mündliche  Anmutliung  zu,  ich 
^^oll  die  Caplaney  zu  Brait  begehren.  Diess  Jahrs  27.  Mart  hab 
i<rh  Beicht  hören  helfen  uff  des  Ministerii  Gutachleti  zu  ßrait 
tl>ie&s  Jahrs  21.  Sept.  bey  Junkern  dem  alten  von  Seckendorf  in 
.^Aarckbreit  nach  gehaltener  (BI.  26]  meiner  Predigt  unglaubliche 
Fihr  über  der  Tafel  erfahren  und  Abends  bey  Herrn  Schuld- 
l%«is&en  Grollen  neben  meinem  Studioso  gessen. 

Den  22.  SepL  dem  Examini  zu  Brait  auf  Begehren  beyge- 
'^Ä'ohnt  und  uffm  Rathhauss  Mahlzeit  gehalten. 

Anno  1603  19.  Oct  zur  Examens-Mahlzeit  aufs  Rathhauss 
^feermal  geladen  worden. 

Anno  1605  3.  Apr.  dem   Consistorio   zum  Seehauss  bey- 
Scvohnt 

Diess  Jahrs  22.  Aug.  zu  einem  kranken  Stalljungen,  so  ein 
F*apist  gewesen,  ihn  zu  bekehren,  ins  Schioss  gemffcn  worden. 
Ist  Gott  Lob  gesehen. 

Anno  IbOö  4.  Jun.   das  Decanat  Winsshcim  mir  befohlen 

^»■orden,  such  oben  45.    Bin  aber  sehr  darum  geneidet  und  von 

etlichen  meinen  vermeinten  Brüdern  gestumpfjrt  worden  und  hätts 

auch  nicht  bchallen,  wann  mein  gn.  Herr,  Herr  Johann  Erkinger, 

mirs  nicht  von  neuem  anbefohlen. 

Dies  Jahrs  9.  Jun.   M.  Postlers   Investitur  beygewohnt  zu 
Northeim. 

[fol.  104]    Anno  1614  5.  und  6.  Jul.  fragt  und  hört  mich 
mein  gn.  Herr,   Herr  Johann  Erkinger  von   Selnssheim,   wegen 


p 


230  Franz  Hüttner. 


meines  Pfarrers  (Georg  Conradi)  Tochter,  und  freyen  wir  beede 
dem  Herrn  Cuppelich,  und  wird  die  Ehe  gemacht. 

Anno  i6t4  1.  MarL  hab  ich  3  Söhne  an  einen  Abend  in 
3  Dörfern  Grassolzheim,  Cottenheim  und  Northeim  getaufft, 
welclies  meine  letzte  Tauffen  daselbst. 

Anno  1609  (!j  17.  Marl  M.  Herbst  eine  Probpredigt  zu 
Nordtheim  gethan,  mein  Gutachten  auch  begehrt  worden. 

Anno  1615  2.  Marl,  beichtet  mir  Ehmgedachter  mein  Gnä- 
diger Herr  in  Lecheleins  oberer  Stuben  etwas  geheimes  und  über- 
gehet M.  Postlern,  der  in  der  untern  Stuben  und  sonst  sein 
Beichtvatter. 

Anno  15  9.  Jun,  lässt  mich  ein  Erbarer  Rath  ansprechen, 
den  Rectorsdienst  uff  ein  Vicrlel-Jahr  zu  verwalten,  wie  dann  ge- 
schehen, ingleichen  auch  am  Abend  Pctri  Pauli  Anno  27  gleicher 
Ursachen  halben  ich  von  Raths  wegen  durch  den  jungen  Herrn 
Hanss  Campen  besprochen  [Bl.  26']  und  eingcwilliget  gegen  der 
Besoldung,  und  hat  gewähret  biss  uff  6.  Mari  Anno  29. 

Anno  1616  18.  Jul.  zu  Segniz  uffm  Rathhauss  bey  des  alten 
Käsenbrods  Leichtnmck,  wie  auch  nachmals  den  1.  Aug.  in  diesem 
Jahr  bey  Schulmeisters  daselbst  (welcher  mein  successor  im 
Cantorat  zu  Brait  vor  diesem  gewesen)  Leich. 

[fol.  105.)  Anno  1617  4  Apr.,  da  die  Herren  Schneiderin 
verbrannt  gewesen,  hal  mich  mein  gn.  Herr  J|.  E.  von  Seinss- 
heim,  da  die  andern  Braiter  alle  heinigehen  müssen,  beritten 
gcmacht- 

NB.  Dienstags  zuvor,  da  ich  M.  Unfugen  besucht,  als 
von  mir  Beicht  gehört,  nimmt  mein  gn.  Herr  beym  allen  Herrn 
Orohcn  mich  in  dem  Nahmen  mit,  soll  Ihm  das  Geleit  biss 
zur  Mühl  uff  der  Gutsche  geben.  Was  ich  aber  immer  unter- 
thänig  gebetten,  wol  mitzugehen,  hats  doch  nicht  seyn  wollen; 
wie  ich  bey  der  Möhl  bin,  soll  ich  mit  bis«  gen  Obembrait, 
zum  HIcken,  einen  Trunck  zu  thun;  daselbst  muss  ich  vollend 
biss  gen  Seehauss  in  Eil  fahren,  sprechen  Ihro  Gnaden,  man 
werd  biss  Freytag  ohne  das  Justificiren,  da  ich  bey  scyn 
müsse.  Weiss  meine  gute  Frau  biss  den  andern  Tag  nil,  wo  ich 
hinkommen. 


Anno  17  6.  Jul.  ins  alieti  Herrn  Schuld lieEssen  Hauss  zu 
=incn  gn.  Herrn  gcniffcn  worden  wegen  Disputirens  mit  Herrn 
'tjcrschuldheisscn  und  Karges  Groben. 

Vom  24,  Nov.  biss  den  28.  diess  grosse  Ehre  uff  Bonifacii 
I~I^rtungs  erster  Hochzeit,  da  ich  ni  Outschen  hin  und  wieder 
e^^^ührt,  ventehrt  und  zu  Schweinfurth  uns  Braitem  der  Wein 
■V'^Ä-ehret  worden. 

|fol.  106.]    ^  Nov.  Anno  1609  die  gnädige  Gräfin  mich 

S^«»  Seehauss  erfordert  und  begehrt,  Ich  sotl  M.  Posllem  und  M. 

•~*  erbäten,  die  uneinige  2  Pfarrer,  vereinigen,  immassen  geschehen. 

^S.  Febr.  Anno  17  nochmalsvon  Ihrer  Gnaden  Commission  gehabt 
H  ^»J  Brait  wegen  vorgemetdler  Pfarrern  Stritts  der  Besoldung  halben. 
H  Anno    1616   21.  Dez.    am   Tag   Thomae    den    M.  Postler 

H  ^^farrem  zu  Erlach,  investirt. 
1^  Anno  1627  10.  Apr.  hat   Herr  Hübsch  Hochzeil,  darzu  ich 

**^ii  2.  April  auch  gebetten  worden  durch  seinen  Schulmeister. 
•  ^^-3        Anno  27  31.  Aug.  Herr  Schuldheiss  Kummer  gut  Zeugniss 
"^«^T  Böt^erschafft  meinetwegen  Fleisses  halben  in  gemeiner  Magel 
I        ^tfc-wescnd   meiner   geben,   sie  sollen    ihre  Kinder   zu  mir  thun. 

i^S.  .Aug.  Anno  28  hab  ich  den  Qerhardum,  Prcussinger,  Kiehn, 
■^Vjmmer,  Schlosser  und  andere  Privates  bekommen. 
2.  Sepl.  mit  dem  Jesuiter  in  Herrn  Qamperts  des  Jungen 
*^auss  disputirt,  da  auch  Herr  Bezold  von  Rotenburg  Bürger- 
■^«stcr  mrlgemacht.  [vgl.  Georgii,  Nebenstundeti  l[  S-  144.] 
Anno  29  6.  Pebr.  bey  der  gn.  Frauen  zum  Seehauss  Leich- 
^^uclion  uff  Begehren. 

(fol.  107-1  Anno  32  1.  Febr.  Philipp  Engel,  ein  Studiosus, 
^om  Rath  zu  mir  geschikket  worden,  ob  er  tüchtig  zum  Rectorat 
Sey,  zu  erkundigen. 

I[foI.  108].  Krankheiten, so  ich  au5gestanden(deren  sehr 
viel,  doch  habe  die  meisten  bemerken  wollen).  In  der  20.  Woche 
nieines  Alters,  als  meine  Mutter  das  rothe  Weh  bekommen,  und 
mich  abgewöhnt,  nach  Feuchtwangen  zu  der  Antrauen  gelhan, 
hab  ichs  (immassen  mich  die  Eltern  berichtet)  auch  bekommen 
und  bin  demnach  inner  8  Tagen  geholt  und  wieder  angelegt 
...... 


AnTio  1580  um  Martini  hab  idi  die  rothen  Flekken  gehabt 
Hinnach  hab  ich  das  vierdttägliche  Feber  eine  lange  Zeit  in  meiner 
Jugend  gehabt,  auch  oft  in  frembden  Orten,  als  zu  Oollhofen 
und  Bergihcim  daran  gelegen,  wenn  ich  aiisgesandt  gewesen. 
Anno  1587  den  3.  Maji  das  Fcber  xrieder  gehabt. 

Anno  1598  19.  Sept.  wieder,  doch  nur  einen  Tag. 

Anno  1592  sehr  viel  Oeschwiir.  27.  Jun.  eine  grosse  Beule 
am  rechten  Arm  bekommen,  welche  mir  der  ßarbirer  zu  Jena, 
so  bald  ich  dahin  kommen,  um  I  Orts  Quiden  geöffnet 

Anno  1593  15.  und  16.  Jun.  hab  ich  keines  Qlieds,  ob  ich 
gleich  darauf  gegriffen,  gefühlet  und  ist  alles  kalt  gewesen. 

Anno  1595  24.  Dec.  gefährlich  krank  worden,  als  ein  neuer 
Ehemann.  ■■ 

(fot.  109.)  Anno  1598  3-  April  ein  hmg  Fieber  gehabt  3" 
Tag  lang  mit  unnachl5sslichen  Brennen. 
|B1.  27'.]  Anno  1599  20.  Sept  in  meiner  Mutter  Weinlesen  kommt 
mich  ein  Frost  an^  wie  auch  folgenden  Tag  neben  einer  kleinen 
aufgeschossenen  Beulen;  doch  bin  ich  2  grosser  Meil  heim  gangen 
vor  Tags  und  hab  meine  Predigt  verrichtet  Darauf  unerträglich  Hlz 
erfolget,  ja  gleich  dabcy  wirf  ich  Blut  aus  und  hab  gross  Herzweh. 

30.  Nov.  bösen  Halss  und  kranke  Seiten  zur  Plagzeit 

Anno  1600  28.  April  ein  dreytägig  Feber  gehabt,  welches 
hernach  je  alllägig  worden,  mit  so  grausamen  Haupt-VX'eh,  dass 
ich  ganz  nichts  schlaffen  können,  je  ins  Heu,  je  uff  die  Erden 
und  bissweilen  uff  die  Bank  für  Schmerzen  mich  gelegt. 

Anno  1002  im  Jul.  das  Feber  gehabt,  sonderlich  den  13.  Jul. 
Anno  1603  2.  und  3.  Aug.  das  Feber  mit  grossen  Hauptucch, 
9.  Oct.  das  rothe  Wehe  gehabt 

[fol.  110.|  Anno  1604  27.  Sept  Feber  und  eine  gefährliche 
Ruhr.    4,  Nov.  Grimmen  oder  Cotic  erstlich  bekommen. 

Anno  1605  19.  Jan.  ein  Feberisches  Wesen.  Anno  1606 
25.  Jan.  Haupts-  und  Leibeswehc.  II.  May  heftige  Grimmen  uff 
den  Ritt  nach  Rudolpshofen  und  sehr  schwach  worden,  darzu 
auch  Hauptweh  geschlagen. 

Anno  1607  12.  Apr.  mir  das  Oifft  durch  alle  Glieder  loffen 
und  Ich  so  trag  worden,  dass  nicht  zu  schreiben. 


Selbslbiographic  des  Stacilpfafrerg  Wolfßanß  Ammon  etc.        233 


NB.  pcstts  regiert. 

22.   23.   Maji  gross  Hauptweli,  als  wolle  sich   der   Kopf 
spalten.    Z  SepL  gar  irr  im  Haupt  worden,  Hirn  zerrinnen  wollen, 
im  linken  Ohr  fast  niclits  gehört  und  Schlags  mich  besorgt. 
19.  Od.  Prost  und  gross  Herrwehe. 

Anno  1608  20.  Febr.  die  ganze  Nacht  über  an  Grimmen 
geschrien.    28.  29.  diess  untrSgl.  Hauptweh.    [fol.  111.) 

Anno  1610  8.  Ort.  an  der  Lungensucht  erfahren,  dass  ich 
laborire. 

Anno  1611  24.  Sept  ein  schrökklicher  Fluss  mir  auf  die 
Brasl  gefollen,  greulichen  Snuppen  und  Hauptweh  erlitten. 

Anno  1613  26.  Febr.,  als  ich  von  WCillensheim  [Willanzhdm 
im  B.  A.  Kitzingen]  heimgangen,  den  rechten  Knoren  verstaucht, 
schrökklich  Frost  und  Hiz  mich  ankommen. 
!8.]  Anno  1014  0.  Jun.  die  ganze  Nacht  krank  und  mit  einem 
Febcr  bchafft.  10.  diess  nach  gehaltener  Predigt  wieder  krank 
irorden.  1.  2.  Nov.  das  Feber.  Im  Sept.  etliche  Tag,  item  10. 
und  11.  Nov.  schrökklich  Zahnweh,  [fol.  112.)  Anno  IÖI5  um 
Medardi  etliche  Tage  die  rothe  Ruhr  gehabt  12.  Oct.  hefftigen 
Frost  und  eine  rothe  Ruhr  gehabt,  nicht  schlaffen  können. 

Anno  I6I6  27.  Marl  krank  worden,  schrökkl.  Frost  und 
Htz,  unsäglichen  Durst,  Haupl'veh  und  ein  Apostem  {Geschwür] 
uff  der  Leber  gehabt.  11.  Dec.  entzündeten  Schenkel  bekommen. 
Anno  1617  4.  Maji  einen  hodigeschwollenen  und  entzündeten 
Arm  bekommen  und  Baders  Hölfe  wieder  brauchen  müssen. 
13.  Jun.  und  10.  Jul.,  auch  etliche  folgende  Tag  schrökkliche 
Melancholcy.    15.  Jul.  ein  Schageii  am  Schenkel. 

Anno  1618  3.  Jul.  böse  Füsse  bekommen,  da  ich  Herrn 
Fuchsen  das  Geleit  auf  Steffi  gteb,  plözlich  am  Main  mich  an- 
kommen. 

Anno  1619  25.  JuL  Hiz  und  Frost  etliche  Tage  nacheinander 
neben  grossen  Hauplweh  biss  uff  31.  Jul.,  da  es  wieder  besser 
worden.    27.  Aug.  ich  das  Feber  gehabt 

Anno  1622  17.  Apr.  und  etliche  Tag  hernach,  wie  auch 
schon  vorher  den  5.  diess  schrökkllchen  Schnuppen  und  Husten 
und  schrökklichcs  Wehe  am  rechten  Schenkel,  als  wolt  er  erlahmen. 


234  Franz  Hültirtr. 


Zahnweh  und  gross  Reissen,  bey  der  nöthigsten  Arbeit  in  der 
Charvochcn.  (fol.  113,]  Zu  End  des  Majen  und  tm  Junio  am 
linken  Schenkel  oben  keine  Empfindung,  sondern  cilcl  Kalt,  eines 
Tellcre  gross  in  der  Runde,  weiches  ich  hernach  offt  geklagt, 
sonderlich,  wenns  sonst  am  allerheissesten,  auch  alle  Jahr  und 
noch  im  27.  25.  Jun.  Orimmen  und  das  rothe  Weh  bekommen, 
weil  ich  auf  der  Hochzeit  Wein  und  Bier  zusammen  getrunken. 

15.  Jul.  Brandveins  halben,  so  ich  uTf  die  Nacht  zu  viel 
getrunken,  krank  worden,  welches  ich  doch  gut  gemeint  der  Ver- 
dauung halben. 

Anno  1623  29.  Mart  grosse  Hiz,  Hauptwehe,  Husten,  Zippcr- 
leins  Vorspiel,  in  vorigen  Wochen,  an  der  linken  grossen  Zähen. 
NB.  IBI.  28'1  Im  Nov.  thut  mein  rechter  Fuss.  als  wolle  er  zu 
kurz  werden  und  erlahmen,  seiter  Dom.  Rectoris  Junii  Verlöbniss, 
da  ich  uffm  Eiss  gefalien.  [Georg  Junius,  vgl.  Georgii  II,  194.] 

Anno  1624  25.  April  gross  Zittern  der  Hände  und  Schlages 
Forcht;  wie  auch  den  30.  Nov.  1623  Schlagsgefahr  mir  zugestanden, 
in  der  Kirchen,  \t'egen  vorigen  Tags  eingenommenen  Schrekkens  von 
meinen  Haussleuten,  die  einander  bey  der  Mezelsuppe  geschlagen. 

Anno  25  24.  Apr.,  item  5.  Maji  gross  Grimmen  im  Leib, 
23.  Sept.  zur  Pestzdl  schrökkl.  Hauptwehe. 

9.  Dez.  hefftigen  Schnuppen,  Catarrhum,  Fussweh,  Lenden 
Cness  erlitten. 

Anno  1626  24.  Jan.  schrökkl.  Husten  und  Schnuppen. 

7.  Maji  ein  Blutgeschwür  zwischen  den  heiml.  Ort  und 
Hindern.  ^^ 

Zu  End  des  Nov.  etlich  Tag  Lenden  Griess.  ^^ 

Anno  1627  10.  Jun.  gross  Zittern  mich  ankommen. 

3.  Nov.  Schlagflussgefahr  in  der  Freytagspredigt;  10.  diess 
frühe  unter  der  Predigt  wieder  Schlagfliissgefahr. 

Anno  1628  6.  Jan.  ein  Feber  bekommen  nach  der  Mittags- 
predigt 

[fol.  114.)  Anno  1628  mitten  im  Jan.  schrökkl.  Husten  und 
Halsswehe  gehabt,  auch  etwas  von  Lungensuchl  verspürt  Fast 
durch  den  ganzen  April  dieses  Jahres  grossen  Husten  gehabt 
5.  und  6.  Nov.  schrökkl.  Husten  und  Halswehc  erlitten. 


Setbstbiognphie  des  Stadtpfanrrs  Wolfgang  Ammon  etc.       235 

Anno  1629  13.  Majt,  wie  ich  in  die  Betstund  zur  Sacristcy 
«ngehe,  bin  ich  verrenket  worden,  dass  icli  diesen  Tag  fast  weder 
jehen  noch  stehen,  sizen  noch  liegen  könnnen.  Zu  End  des  SepL 
seit  mir  der  neue  Most  gar  hart  zu  an  meiner  üesundheil  mit 
Kcichen,  Husten,  Schnuppen.  3,  OcL  ich  sehr  übel  auf,  abermal 
Mosts  halben. 

1630  19.  JuL  ein  Fieber  sich  bey  mir  eräuget,  bricht  darnach 
aus  in  Tertianam  und  hab  nach  dem  Mittag  (21.  Jui.),  lange  in 
keine  Kirche  mehr  gekonnt,  bin  einstens  24  Stund  und  dann  ein 
andermal  wieder  20  Stund  in  der  Hiz  an  einen  Stükk  gelegen, 
ohne  was  sonst  geschehen. 

20.  diess,  als  ich  ein  Vomitorium  von  Herrn  Apotheker 
«ingenommen,  mich  schrökklich  einmal  oder  5  gewürgt  befunden. 
Darauf  Herrn  D.  Kaisem,  einen  treuen  Mcdicum,  der  mich 
fast  alle  Tag  besucht  und  den  Urin  besehen,  gebraucht  biss  uff 
13.  Sept,  da  er  nach  meinen  richtig  befundenen  Wasser  mich 
nieder  ledig  gegeben  und  gesprochen.  Immittelst  aber  haben 
mich  viel  ehrliche  Leute  besucht,  als  Herr  Pfarrer,  Herr  Apolhekcr 
St6berlein,  Herr  Redor,  Herr  Cantor,  Herr  LerleiHj  Herr  Augustus 
Wi^fner,  Herr  Lorenz  GamperL 

(fol  115.]  Nachdem  das  Feber  (da  sich  auch  die  Wasser- 
sucht anspinnen  wollen)  ist  curirt  worden,  hat  sich  ein  Leberfiuss 
in  meinen  recliten  Fuss  gesetzt  und  mir  schrökkliche  Schmenen 
verursachet,  dass  ich  nicht  gehen  können  eine  lange  Zeit  Da 
hat  kein  Schmieren  des  TerpentinölSj  Wacho3deröls,  des  Bisenöls 
noch  Wassers,  Menschen  schmalz  und  KalbsgelQngwassers  etc.  etwas 
verfangen  oder  geholfen,  auch  Knötlein  und  Wasser  mit  Olösslein 
im  Bckkcnbrod  erhr«,  nichts  geschafft.  NB.  16  fl.  kostet  die 
Apotheken,  an  8  Eymcrn  Most.  Ach  Gott!  Wie  hab  ich  so 
manchen  Sirup  und  bittere  Ding  eingenommen,  auch  in  13  (24 
sagt  der  Dodor)  Habersuppen  (die  mit  Essig  gemacht)  13  (24) 
PurgierpQlverlein  unwissend  bekommen. 

NB.  Freitag  10.  SepL  bin  icli  das  erste  mal  aus  und  in  die 
Kirche  gangen.  Und  ob  ich  wol  fortan  mein  Ampt  versehen,  so 
hab  ich  doch  mit  keiner  Leichprocess  gehen  können,  sondern  im 
Gottsakker  uffgewartet  und   bin  nach   allen  Leuten   allein  herab- 


236  Franz  Hflltner, 


gangen,  auch  meine  Predigt  sizend  verrichtet,  auch  unter  den  Qe- 
sängeti  sizend  vor  dem  Altar  mich  sehen  lassen.  Kurz  vor 
Weyhnachten  aber  ists  etwas  besser  worden. 

29.  Oct  Anno  30  sehr  matt  und  krank  gewesen,  auch  bey 
die  13  StQl  gehabt  und  weiss  doch  keine  Ursach. 

4.  Dez.  Anno  30,  als  ich  Bücher  von  der  Studierstuben  in 
die  fördere  getragen,  mich  schrökklich  verrenkt,  dass  ich  sdirökk- 
lich  geschrien,  weder  recht  stehen,  sizen,  hegen  oder  gehen  können. 

Anno  ]ö3l  2fi.  Jan.  mein  rechter  Back  und  Aug  sehr  ge- 
schwollen. Im  Anfang  des  Majen  ellich  Tag  schrökkt.  Schmerzen 
am  rechten  Schenkel  erliden,  folgeiids  in  diesem  Jahr  4.  Jul.,  als 
ich  von  D.  Kayssers  Mahlzeit  heimkommen,  schrökki.  Wchthum  am 
rechten  Schenkel,  wie  auch  etliche  Tag  vor  und  nach  gehabt,  dass 
ich  kezerlich  geschrien,  [Bl.  29']  und  erstlich  lang  weder  lii^en, 
stehen,  sizen  noch  gehen  können. 

Im  Augusto  das  Phlegma,  Lürcheln  und  schrökklicher 
Husten  mir  sehr  zugesezt. 

Anno  32  im  Januar  das  Handzittem  mir  sehr  viel  Leids 
gethan. 

Diess  Jahrs  18.  Aug.  krank  worden,  DrittSgliches  Feber  be- 
kommen, Samstags  und  doch  folgenden  Tags  geprediget  und  das 
Nachtmal  allein  gehallen,  weil  mein  Caplan  zu  Segniz  geprediget 
Den  28.  diess  hals,  Gott  Lob,  nachgelassen;  aber  schwer  Haupt- 
weh geblieben.  Doch  den  7.  Sept,  erst  ausgangcn.  [foL  116.] 
20.  SepL  Anno  32  gross  Weh  am  linken  Aug  ausgestanden. 
H.  Od.  ich  eine  böse  Nacht  gehabt  und  keine  Stund  geschlaKen. 

17.  Dez.  Montag  schrökki.  Schnuppen  und  Hauptweb,  auch 
Husten, 
[fol.  122.]       Predigten,  extraordinarie  gethan. 

Anno  1602  19.  Sept.  zu  Brail  für  den  Herrn  Pfarrer  uff 
gn.  Herrschaft  Befehl  geprediget. 

2L  Sept.  wieder  für  den  kranken  Caplan  geprediget 

Anno  1603  4  Predigten  zu  Marckbreit  den  21.,  22.,  24.,  25. 
April  uff  gn.  Befehl  gehalten,  2  fl.  Verehrung  und  mein  Essen 
gehabt. 

12,  und  13.  Jun.  wiederum  zu  Brait  2  Predigten  gehabt 


J 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  ett 


i 


j'\nno  I6I4  18.  Dec  für  Herrn  Pfarrer  Oeorg  Conrad,  da 
s«m  ■VC'eib  krank. 

Anno  1604  17.  Jun.  zu  Dornheim  geprediget 

Anno  1616  10.  Mart  zu  Erlach,  da  Herr  Sch^echslus  mir 
•^^chtet    8.  Dec  auch  daselbsl  nach  seinem  TodL 

21.  Dec  daselbst,  da  ich  M.  Posllem  mvestirl.  25.  26.  Dez. 
^•■"  meinen  Herrn  Collegam,  da  sein  Weib  todL 


kl- 


— ^1 


.30] 


k 


Anno  1617  von  Mariae  Verkündigung,  da  mein  Herr  Collen 
ank,  bis  uff  Quasimodogenili  alle  Predigten   verrichtet  neben 
^n\  meinen,  in  der  Zeit  mein  erstes  Weib  gestorben. 

25.  Maji  für  ihn  geprediget,  da  ich  ifin  ausgelcDndiget 
Anno  1619  2.  Maji  wiederum  für  ihn. 
Anno  1623  10.  Juti.  für  ihn  geprediget,  da  er  den  Zehenden 
verleihen  gen  Onolzbach  gefahren. 

Anno  1626  20.  Apr.,  da  er  zu  Remlingen   [B.  A.   Markt- 
^eidcnfeldj  gc«-esen,  und  Herrn  Husswedeln  besucht 

Anno  1626   17.  SepL  15.  Irin.,  da  Herr  Pfarrer  zu  Erlach 
ftir  den  kranken  M.  Postler  laborirt,  ich  hie  gepredigeL 

Anno  1627  29.  Apr.  am  Betsonntag  für  Herrn  Pfarrer. 

10.  Jun.  für  den  Herrn  Pfarrer,  als  er  den  Herrn  Cuppelich 

^u   Erlach  invcslirt,  da  ich  an  diesem  einigen  Tag  frühe  noch 

etliche  Beichtkinder  gehört,  allein  alles  gelesen,  vor  dem  Glauben 

TiOch  eine  frembde  Beicht  gehört,  gepredigt,  2  Kindstauffen,  eine 

Leich  zu  bestatten,  die  Kinderlehr  und  Vesper  verrichtet  und  also 

mit  Gottes  Hülf   diesen  Tag   5  Seegen  öffentlich  gesprochen  in 

Kirchenactibus;aber  bin  sehr  darüber  zilterend  worden. 

Anno  31  6.  Jul.  für  Herrn  Pfarrern,  doch  er  den  Tieylag 
für  mich, 
[fol.  126.)  Consistoria,  da  ich  zugezogen  worden. 

Anno  I59Q  13.  Febr.  mit  Herrn  Valten  Apel  herabgefahren 
von  Crassolzheim  zum  Consistorio. 

Anno  1608  8.  Mart.  und  30,  Aug.  im  Schloss. 
4.  Jul.  zum  Seehau&s  einem  Consistorio  beygewohnt  Anno  !609. 
Anno  16H  29.  und  30.  Jan.  zu  Northeim  dem  Consistorio 
beygevohnt. 

Anno  1615  25.  Oct  Consistarium  zu  BraH  worden. 


238  Franz  HGttner. 


J 


Anno  1617  12.  Sept  desgl.  1620  30.  31.  Maji.  1622£= 
28.  Maji.  I 

Anno  1624  14.  Jul.  Turners  halben,  der  viel  Mühe  gemacht,  «* 
darnach  mit  dnern  Schelm  entloffcn,  am  Consistorialtag  den  « 
22.  Febr.  Anno  25. 

Anno  1625  12.  Jan.    Anno  1626  U.  Jan.  und  13.  Mart. 

1626  6.  Apr.  21.  Jun.  wegen  Claus  Oerters  Tochter.  11.  JuL  - 
12.  und  13.  Scpt  wieder  Ihrethalben. 

1626.  NB.  Claus  Oerters  Tochter  wird  aufs  Rathhauss 
verarreslirt,  12.  Sept  Den  22.  diess  wieder  auf  frc)-en  Fuss  ge- 
stcllct.  13.  Oct  Consistorium,  da  man  ein  Schreiben  wegen  Herrn 
Wunderleins  und  der  Ocrtcrin  an  Sdiöppenstul  zu  Coburg  ab- 
gehen  lassen. 
[Bl.  30']  Anno  1627  9.  Jan.  wegen  Claus  Oericrs  Tochter,  dieweil 
sie  vemimml,  sie  zu  Herrn  Wunderlein  wieder  gesprochen  werde, 
enHauffL 

(fol.  127.]  Anno  1627  wegen  Herrn  Wunderleins,  27.  Mart 
18.  Jun.  23.  Jul.  3.  Sept.  4.  diesses  abermal,  da  wir  sententiam 
definilivam  aufgesetzt 

NB.  Anno  1628  7.  Apr.  das  Consistorium  zu  Markbrait 
von  Würzbui^  sehr  angefochlen  bey  grosser  Straff,  keines  mehr 
zu  halten.    Item  im  Junio. 

1.  Sept.  den  ganzen  Tag  Pfanzarts  Tochter  halben  Ehe- 
gericht. 

18.  diess  bey  3  Stund,  da  sie  sich  dann  gestelleL  20.  diess 
haben  wir  Consisloriales  Ihret-  und  des  Becken  halben  gen  Sec- 
haiiss  geschrieben  und  unterschrieben.  25.  diess  wegen  Pfanzarts 
abwesenden  Tochter,  da  man  D.  Görings  Schreiben  verlesen, 
Pflanzarten  zu  verhören.  30.  diess  der  Handel  ausgangen,  und 
sind  sie  zusammen  gesprochen. 

Anno  29  14.  Sept.  6.  Nov.  23.  25.  Nov.  2.  Dec  Anno 
1630  8.  Jan.   5.  Febr.   Anno  1631  27.  April  (in  variis  causis). 

Anno  1631  27.  SepL  wegen  Apothekers  Gesellen  und  Herrn 
Pfarrers  Conradi  Tochter. 

Anno  1632  14.  1633  13.  und  16.  Maji  wegen  Hansscn 
DüUen  Tochter  und  eines  Landknechts  als  vermeinten  Bräutigams. 


Selbstbiocn^hie  des  Siadtpfairets  Wolfgang  Amnion  etc.       239 

JVnno  1634  3.  Febr.  in  Herrn  Schuldheissen  Hauss  wegen 
Thoinovarts,  SchreinerSi  Stiefftochter  und  Ceorg  Northeimers,  Herrn 
Hansen  Knecht^  Winkelehe. 

(Schlou  folEt.) 


240  Besprechungen. 


Besprechungen. 


Max  Bauer.  Das  Oeschlechtaleben  In  der  deutseben  Var-    ^ 
Cengenhelt.    2.  Aufl.  Leipzig.    Hermann  Seemann  Nachf.  1902.(366  5.)     4 

Wenn  idi  vorliegendes  Buch  in  einer  Zeitschrift  anzeige,  die  sidi     i 
in    den  Dienst   der  wissenschaftlichen    Behandhing   kulturgeschichtlicher     " 
For^htmgen    gestellt    hat,    so  ka.[in  das  von  vornherein  nur  mit  einiga 
Einschränkung  geschehen,   denn   das  Buch  ist   nicht  eigentlich  für  den      \ 
Gelehrten  geschrieben.    Ich   möchte  daher  —  schon  um  dem  Vcrfass« 
nicht  unrecht  zu  tun    —    nicht  mehr  aus    dem    Buche   machen   als  es 
in    Wirklidikcit     ist.     Andererseits    aber    verdient    es    doch    vohl,    daß 
Kulturhisloriker   und   deutsche  Archäologen  darauf  aufmerksam  gemacht 
werden. 

Zunächst  halte  ich  es  fQr  nötig  hervorzuheben,  was  bei  dem 
heiklen  Thema  gewiß  nicht  cinwichlig  ist,  daß  der  Verfasser  seinen  Stoff 
Im  allgemeinen  mit  Ruhe  und  Würde  angegriffen  hat.  Wirt  das  nicht 
der  Fall,  so  würden  wir  uns  hier  überhaupt  nicht  mit  ihm  befassen.  Ijcidcr 
hat  sich  Bauer  aber  in  dem  Bestreben  nach  populärer  Ausdrucicsveisc 
verleiten  lassen,  verschiedcmlich  einen  burschikosen  Ton  anzuschlagen, 
der  unter  anderen  Bedingungen  vielleicht  nur  humorvoll  virken  wQrde, 
der  in  die  Behandlung  gerade  des  Geschlechtslebens  aber  etwas  Prickeln- 
des und  Kokettierendes  hineinbringt,  welches  an  den  Vortrag  von  Pj- 
kantcricn  erinnert.  So  kann  ich  nicht  sagen,  daiJ  mir  die  Art,  in  der 
auf  S.  24/2S  die  Geschichte  von  .Klein-lsoldchen'  vorgetragen  wird, 
gefallen  könnte,  und  davon  gibt  es  noch  einige  Beispiele  mehr.  In  des 
Verfassers  Stelle  würde  Ich  gerade  bei  der  Art  des  Themas  ingstUch  alles 
vermieden  haben,  iras  auch  nur  den  Schein  eines  Slrebens  nach  un- 
lauterer U'irkung  erwecken  konnte,  denn  dafi  diese  letztere  von  ihm  wohl 
nicht  beabsichtigt  ist,  räume  ich  gern  ein.  Es  ist  offenbar  nur  die 
Polge  einer  gewissen  Geschmacklosigkeit,  die  auch  sonst  verschiedentlich 
zw  Tage  tritt.  Wenn  z.  B.  auf  S.  274  von  der  Tanzfreude  die  Rede  ist 
und  dabei  ganz  unvermittelt  ein  Citat  aus  Berthold  von  Regensburg 
und  eins  ans  Gocihe  zusammengestellt  werden:  ,Bnioder  Berthotd,  rttle 
waz  dfl  wellest!  wir  miigen  ungetanzet  nicht  sin*,  denn  ....  .hier  ist 
des  Volkes  wahrer  Himmel,  zufrieden  jauchzet  Groß  und  IClein,  Hier  bin 
ich  Mensch,  hier  darf  icli's  sein!"  oder  wenn  Bauer  gar  auf  S-  266  sagt; 
i,Salomc,  die  Tochter  Herodias,  ertanzte  steh  das  Haupt  Johannes  des 
Täufers,  wenn  wir  der  Legende  und  Sudermann  glauben  dürfen*,  so 
kann  icli  in  sulchcn  Geschmacklosigkeiten  nur  eine  Beleidigung  für  .den 


* 


E^bildcten  Mann   und  die  reif«,  denkende  Frau"  erblicken,   an  die  das 
BucVi  nach  der  Vorrede  gerichtet    ist.    In    dieser    Beziehung   wird    bei 
^»»e»  neuen  Auflage  hoffentlich  die  Gelegenheit  zu  manchef  Reinigung 
**^nuw  werden. 

Auch   sonst  wird  fQr  den  Gelehrten  noch  das  eine  und  andere 

^*"    xrtnschen  übrig  bleiben.    Erstens  nämlich  finden  sich  viele  Stellen  tn 

"^^if^hrungszeichen  gesetzt,    ohne  daß  angegeben  ist,    woher  sie  entlehnt 

****<!,    Ich  glaube,  daß  eine  genaue  Angabe  der  betr.  Quellen,  zumal  da  es 

^*  <^h  hier  um  eine  grolie  Reihe  von  Beispielen  handelt,  dcti  Wert  des  Buches 

^*^ *scnllirii  erhöhen  würde.    Ebendahin  gcliört  auch  eine  gröüere  Sorgfall 

■■*»     Drucke  von  Namen  —  z.  B.  Nicolaus  Manuel  statt  Manncl  S.  188  — 

*■**«!    von    altdeutschen   Citaten,    in   denen    man   häufig   bemerkt,   dat 

**^^ni  Verfasser  offenbar  eine  gelehrte  germanistische  Bildung    abgeht  — 

*«>    ist  z.  B.  auIS.  HQ  zu  schreiben:  wan  statt  man.  S.  196    mehtig  statt 

*^^etig,  S.  324  untz  statt  nutz,    auch  S.  19S  Über  vagatorum  statt  vaga- 

^«^«■um.    Schlimmer  noch  denke  ich  darüber,    wenn  S.  334  bei  -berlin' 

**sas  erklilrende  „Perlen*  mit  Fragezeichen   versehen  ist,  und  wenn  eben- 

^ort  .mussecken"  geradezu  falsch  mit  .Brüsten"  erklärt  ist,  während  es 

^tsächlich    eine  aus  Frankreich    herübergekommene   besondere  Art  des 

■Bockes   bezeichnet    [=  italtcn.    mozzetta,    franz.  mossette]-     Es   ist    nun 

tiama)  so,  daß  man  deutsche  Kulturgeschichte  ohne  Kenntnis  des  älteren 

deutschen  Sprachslandes  nicht  schreiben  kann. 

Indessen  der  Gelehrte,  dem    ich  das  Buch  trotz  alledem  empfehle, 
*inl   leicht    in    der  Lage  sein,    derartige  Fehler   zu   bericlitigen,    und  er 
vird    im    übrigen    das    Buch    als   eine  sehr  fleißige  Zusammenstellung 
Jdiitzen    Icmcn.     Bauer   ist,   soviel    ich    sehe,    auf   die  Urquellen    nicht 
unickgegangen,  sondern  er  hat  sich  mit  der  Benutzung  der  abgeleiteten 
modernen  Quellen  begnügt,  was  ihm  bei  seinen  mehr  populären  Zwecken 
durchaus  nicht  zum  Vorwurf  gemacht  werden    kann.    Jedenfalls  aber  ist 
es  ihm    gelungen,   eine  groüe  Menge    von  Stoff   zusammenzutragen  und 
sie  zu  einem  sehr  interessanten  Buche  zu  verschiiielzcn.    Inhaltlich  wird 
ja    das  eine   oder  das  andere  noch  zu  ändern  bezw.  zu  korrigieren  sein, 
so  wire  auf  S.  9  wohl  das  Verhältnis  von  Marienkult  und  JVtinnedienst 
näher  und  —  meine  ich  —  etwas  anders,  als  es  geschehen  ist,  zu  be- 
leuchten  gewesen;   so    ist   die    Bemerkung:    ^^Die  Ahnen    im  Mittelalter 
sdien  in  absoluter  Nacktheit  keinen  Verstoß  gegen  die  gute  Sitte-  (S.  39.) 
in    dieser   allgemeinen    Fassung    sicherlich    auch    nicht    zutreffend.     So 
fordert  es  z.  B.  auch   zum  Widerspruch  heraus,  daß  Bauer  S.  340  sagt: 
.Wenn    Brunnhofer  das    Feld   des    Aberglaubens   in    vier  Gebiete   ein- 
teilt: das  naive,  das  komische,    das  tragikomische  und  das  tragische,  so 
ziehe   ich    die  einfache  Zweiteilung   in  gefährlichen    und  ungefährlichen 
Aberglauben  vor".     -    Ob    Brunnhofers  Einteilung  eine  erschöpiende 
ist   oder  nicht,  lasse  ich   dahingesieltlj   ich   kann  es  auch  nicht  völlig 

AtAiv  tSf  KultorgMchtchtt  I,  3.  lö 


Besprediunsen. 


beurteilen,  jedenfalls  aber  ist  sie  aus  inneren  Beziehungen  vorgcnommeit , 
und   verdient   deshalb  unbedingt  vor  der  Bauer'schen  den  Vorzug,  die] 
lediglich  aus  iußeren,  noch  dazu  in  den  verschiedenen  Zeitverhälinlssen 
schvankenden    Zufälligkeiten    abgeleitet  ist,    und    mit  der  man    daher 
vissenschaftlich  überhaupt  nicht  operieren  kann. 

Das  alles  verschläk't  aber  zunächst  nicht  sehr  vid,  die  Hauptsache 
an  dem  Buche  auch  für  den  Kulturhtstoriker  besteht  darin,  daß  hier  ein 
sehr  wichtiger  Tal  der  deutschen  Privatallertümer  in  einer  umfangreichen 
Monographie  eingehend  behandelt  ist,  und  vtmn  mir  nach  der  großen 
Menge  von  Auuijgen.  die  ich  selbst  mir  aus  dem  Buche  gemacht  habe, 
ein  allgemciiter  Schliili  gestattet  wird,  so  darf  ich  wohl  sagen,  daß  der 
Archäologe  grollen  Gewinn  daraus  ziehen  kann. 

Die  Einteilung  ist  folgende:  Das  frühe  Mittelalter  —  Das  Leben 
auf  dem  Dorfe  —  Die  Klöster  —  Beilagcr  und  Ehe  —  Die  feile  Liebe 
~  Das  Badewescti  —  Tanz  und  Spiel  —  Das  Sdi5n heilsideal  —  Die 
Kleidung  —  Liebeszauber  und  Zauberlicbc.  Sie  ist  etvas  kraus,  auch 
nicht  einmal  ganz  erschöpfend,  Bauer  hat  sie  eben  nadi  seinen  ße- 
dQrfnissen  und  so,  vne  er  den  Stoff  übersah,  sich  zurcchtgeli^,  und  es 
ist  geviU,  dall  eine  wissenschaftliche  Systematik  der  Privataltertümer  sie 
nicht  gebrauchen  kann.  Dennoch  hnbe  ich  sie  angeführt,  veil  man 
daraus  scliun  ersieht,  über  welch  weile  Gebiete  der  Verfasser  zu  belehren 
vermag,  nnd  deshalb  möchte  ich,  daß  zu  der  sicherlich  großen  Menge 
nicht  fachgelehrter  Leser,  die  sich  durch  das  Thema  werden  anlocken 
lassen,  audi  eine  recht  große  Zahl  deutscher  Archäologen  sich  gesollen 
möge.  Ein  wissenschaftliches  Handbuch  deutscher  I'amilicnaltertünier 
fehlt  uns  leider  noch  immer,  deshalb  ist  es  uns  willkommen,  daß  Bauer? 
Blich  wenigstens  für  einen  Teil  derselben  vorläufig  einen  gewissen 
Ersatz  bietet. 

Die  Ausstattung,  in  die  sich  leider  die  moderne  »nnlose  Art,  die 
Seitenzählung  auf  die  untere  Ecke  ru  setzen,  elngesdilidicn  hat,  ist  im 
übrigen  sehr  zu  loben,  und  es  wäre  nur  zu  wünschen,  daß  alle  wissen- 
schaftlidien  Arbeiten  in  so  handlicher  und  in  bezug  auf  Papier  und 
Dnick  in  so  schöner  Form  herausgegeben  würden  wie  das  vorliegende  Buch. 
Frankfurt  a.  M.  Otio  Lauffer. 

A.    Tille,    Die    BenedlktlnerabUl    S.    Martin    bei     Trier. 

(Trierisches  Archiv  hrsg.  von  Keuffer,  Heft  IV.)    Trier.    Linti.  1900.  {<H 
und  -lO  S.) 

Ist  auch  die  ins  zehnte  Jahrhundert  zurückreichende  Abtei  niemals 
von  Bedeutung  gewesen,  so  gewälirt  sie  doch  als  Typus  klösterlicher 
EnU'itklung  einen  um  so  schätzbareren  Stoff,  als  die  auf  «n  keinc&< 
wegs  reiches,  aber  sehr  zeretrcutes  Material  geslfitzle  Untersudiung  mit 
großer  Exaktheit  gef&hrt  ist.    Ihr  Schwerpunkt  liegt  naturgemäß  in  der 


Behindlung  wirtschaftlicher  Verhältnisse,  und  Erwerbspolilik  wie  Oüier- 
venraltung  des  Klosters  erfahren  in  den  durch  Lamprechts  Wirtechafls- 
leben  vorsezetchnelen  Linien  sachkundige  Beleuchtung;,  die  tn  den  sb- 
Sedmcklen  Pachtverträgen  und  Weistömem  Erläuterung  findet.  Daß 
\wie  in  diesem  Falle  neuieiÜiclie  Besitzer  allen  KtosteTguts  die  Erforschung 
«der  Vergangenheit  fördern  möchten,  ist  ein  Wunsch,  der  leider  vorläufig 
noch  geringetn  Verständnis  begegnet.  q   ij.u. 

Wk  Mailänder    Briefe    zur   bayerischen    und    allremeineo    Qa* 

schiebt*  dc>  16.  Jahrhunderts.    Mitgeteilt   von  fi.  Simpns/eiä.    [.  IL    Aus 
«Jen  Abhandlungen  der  K.  bayer,  Akademie  der  Wissenschaften.    München 

»,1902.  Verlag  der  K.  Akademie  (0.  Franz  in  Commiss.) 
Es  sind  Briefe  in  ilaUcnischcr  und  lateinischer  Sprache,  vornehmlich 
"^fon  einem  Prospero  Visconti,  daneben  in  weniger  korrekter  Form  von  dessen 
'X''etter  Gaspaio  Visconti  und  auch  von  anderen  Mailändern  an  Herzog 
"^'ilhcirn  V.  von  Bavcm  gcrichtel,  die  SJmonsfeld  zum  Teil  nach  den  in 
^tünchen  befindlichen  Originalen,  zum  Teil,  wo  jene  nicht  erhallen,  nacii  dem 
Kon7-cpt-,  richtiger  Abschriftbuch  des  Visconti,  das  sich  in  der  Trivul- 
.aiana  zu  Mailand  befindet,  hier  dem  Worttaut  nach  miltelU.  Oelegenttich 
sind  aber  auch  nur  die  in  Mfinchen  angefertigten  deutschen  Obersetzungen 
<Jer  eingelaufenen  Briefe  erhalten  und  mitgeteill.    Auf  den  in  der  1.  Ab- 

»teilung  vorgelegten,  sorgfSitig  bearbeiteten  Text  der  Briefe  läßt  Simonsfeld 
sn  der  11.  die  Darstellung  der  aus  ihnen  sich  ergebenden  Resultate  für 
<lie  bayerische  und  altgemcine,  politische  und  Kulturgeschichte  folgen. 

tjn  letzterer,  uns  hier  interessierender  Beziehung  ergiebl  die  Arbeil  nun  sehr 
■viel.  Woran  der  Kenner  bei  der  Leklürc  der  Briefe  auf  den  ersten  Blick 
«rinnert  wird,  das  slellt  zunächst  auch  Sinionsfeld  fest.  Dieser  Prospero 
'Visconti  ist  etwas  ähnliches  wie  der  berühmte  Augsburger  Patrizier 
Philipp  Hainhofer:  ein  politischer  Korrespondent  von  Fürsten,  der  zu- 
gleich als  Agent  für  die  Befriedigung  des  damals  beginnenden  Kunst- 
Interesses  der  Höfe  diente.  Zu  solchem  Dienste  mußte  einer  an  einem 
Zcnlrum  des  Verkehrs  und  des  Kunstgewerbes  leben,  wie  es  Augsl^urg, 
-wie  es  Mailand  nicht  minder  war.  Auf  diese  polilischen  Agenten 
<Icr   Fürsten    bin  ich    in  meiner  Geschichte  des  deutschen  Briefes  Bd.  It 

»S.  112  ff.  des  näheren  zu  sprechen  gekommen.  Die  dort  angeführte 
Stelle  aus  des  Spaten's  Sekretariatkuiisl:  »die  Zeitungsschriflen  »erden 
von  den  Förstl.  Agenten  und  Unterhändlern,  auch  andern,  so  gegen  ein 
gewisses  Jabrgelt  in  großen  Handelsstädten  darzu  absonderlich  bestellt, 
wöchentlich  nach  Hofe  geschickt",  paßt  auch  auf  Visconti,  zwar  nicht  in 
bezug  auf  das  jährliche  Fixum  ~  die  beiden  Visconti  erhielten  dafür  Ge- 
schenke, Tilci  usw.—,  wohl  aber  in  hczug  auf  die  PeriodtzilÜC  ihrer  Berichte. 
Vgl.  Simonsleld  S.  U5:  »Wir  hören,  daß  Prospero  mindestens  schon  seit 

16* 


von  Sümpfen  und  Mooren  und  einer  rationellen  Waldwirtschaft.  Die 
bösen  AusdünstungeTi  ans  den  Morästen  zusammen  mit  der  Schädlich- 
keit der  Entwaldung  gcstalletcn  das  Klima  Ungarns  zu  einem  für  Fremde 
geradem  mörderischen  tattßerordenll.  Kontrast  npi sehen  Tages- und  Nacht-, 
Sommer-  und  Wintertemperatur  usw.)  und  die  hygienischen  Verhällnisse 
äufierst  ungunstig  (nasser  Boden,  schlechtes  Trinkwasser  etc.).  Da  infolge  der 
Mißwirtschaft  sich  einstellende  aulierordentliche  wirtschafttichc  Niedergang 
zusammen  mil  den  argen  Bedrückungen  der  Bevölkerung  durch  die  krieg- 
führenden Parteien  (Freund  nictil  minder  wie  Feind)  brachten  es  mit  sich,  dafl 
auf  der  einen  Seite  völliger  Mangel  an  den  nötigsten  Lebensbedürfnissen 
herrschte  und  auf  der  andern  ein  reichlicher  Übcrfluü  an  allen  möglichen 
Genüssen,  die  iiamentlidi  den  fremden  KÜfsvölkern  in  besonderem  Mafle 
zu  Oebote  standen.  Da  diesen  ein  Krieg  in  dem  damaligen  Ungarn  nadi 
atigemein  herrschender  Anschauung  dasselbe  bedeutete  \rie  ein  sicherer 
Tod,  so  war  es  nur  menschlich,  daß  sie  allen  diesen  ihnen  zum  Teil  ganz 
ungewohnten  und  deshalb  fUr  sie  um  so  venlerbltcheren  Schwelgereien 
in  der  ausschweilendsten  und  unmäüigstcn  Weise  fröhnten.  Besonders 
toll  sollen  CS  die  Deutschen  getrieben  haben,  deren  Voracität  damals 
geradezu  sprichwörtlich  war  und  die  dazu  einen  so  mangelhaficn  hygie- 
nischen Sinn  zeigten,  daU  sie  darin  sogar  weit  hinter  den  Türken  zurück- 
blietien! 

Dazu  kamen  dir  vielen  Schädlichkeiten  des  Lagerlebens,  die 
Strapazen  des  Krieges,  die  auf  ganz  tiefer  Stufe  stehenden  Sanitlts- 
einrichtungen  (Ärale  und  Apotheken),  alles  Momente,  die  einen  äußerst 
guten  Nährboden  fflr  die  Entstehung  und  Verbreitung  solcher  epide- 
mischen Krankheiten  wie  des  morb.  hung.  abgeben  und  die  be- 
sondere den  Fremden  und  namentlich  den  Deutschen  verhängnisvoll  werden 
mußlen  [Ungarn  hieü  damals  der  »Kirchhof,  das  Grab  der  Deutschen !-.) 

Die  Seuche  Ist  Übrigens  nicht  authochlhon  in  Ungarn  entstanden, 
sondern,  wie  Verf.  nachweist,  1M2  durch  italienische  Hilfstruppen 
aus  Italien,  wo  sie  schon  seit  langem  epidemisch  auftrat,  in  Ungarn 
eingeschleppt, 

Alles  in  allem  besteht  also  durchaus  keine  Berechtigung,  .diese 
gewöhnliche  und  allerorts  auftretende  Krankheit  auf  den  Namen  der 
Ungarn  zu  schreiben",  wie  das  schon  Fuker  1777  im  beleidigten  ma- 
gyarischen Nattonalstolz  hervorhebt.  Und  wenn  Verf.  die  Worte  Fukcr's 
an  den  Schluß  seines  Bucli^  setzt  (im  lateinischen  Urtext),  so  zeigt 
das  am  besten  den  Nebenzweck,  den  er  bei  seinen  mühsamen  Forsdiungen 
verfolgte  (oder  war  es  der  Hauptzweck?),  nämlich  gewissermaßen  eine  Ehren- 
rettung seines  Vaterlandes  zu  unternehmen,  indem  er  den  Beweis  erbringt,  daU 
der  morh,  hungaricus  ebenso  wenig  etwas  spezifisch  Ungarisches  hat,  wie 
t  B.  die  Franzoscnkrankheil  (tucg)  Französisches.  Dr.  Hübner- 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


Zwei  schon  im  Altertum  ihres  Inhalts  beraubte  Sarkophaj;e, 
den  eines  karthagischen  l*riestcrs  zweifellos  punJschen  Stammes  und  den 
einer  ägyptiscli  gekleideten  Pncsterin  mit  rein  griechischen  Zügen  hat 
H  Odattre  in  einer  allen  punischen  Oräberst^lte  bei  Bondj-el-Dje<Iid  ge- 
™  funden.  Der  Charakter  und  das  Aussehen  der  darin  bestalteten  Leichen 
crgiebt  sich  aus  ihrer  gcnairen  plastischen  und  malerischen  Nachbildung 
tul  den  Saikoptiagen  selbst,  die  bei  der  lleraubung  nicht  beschSdrgt  ist. 

■  In  der  Sammlung  der  von  Qrenfell,  Hunt  und  Smyly  herausge- 

gcbencn  Tebtunispapyri  befindet  sich  ein  ziemlich  vollständig  er- 
haltener und  sehr  ins  einzelne  gehender  Heiratsvertrag  in  griechischer 
Sprache,    der  92  v.  Chr..    in    plolem bischer  Zeit,   in    Kcrkeosiris,  einem 

IDorf  im  Oau  Arsinoe   irischen    einem  Perser  und  einer    Perserin  ge- 
tchlossen  ist 
Ober  die  jetzt  im  Museum  von    St.  Oermain-en-Layc  befindliche, 
prShfitorische    römische     und     gallisch  -  fränkische    Funde     enthaltende 
Sammlung  Moreau  belehr!  ein  Bericht  von  H.  Hubert  tR^vuearchL-oIogi- 
qu«  Sept./OW.  lt«)2). 
Eine  nicht  üble  kuIturgeschichlHche  .Studie'   bietet    Paal  WagUr 
in  No.  212,  2V\  219  und  220   der    ..Beilaße  nir  Allgemeinen  Zeitung', 
Jahrg.  1902  (Modernes  im   Altertum).    W.  zeigt  „an  einer  (freilich 
sehr  bunten)  l?eihcvon  Beispielen,  daß  manche  Dinge  und  Erscheinungen 
des  täglichen  Ixbcns,  die  wir  geneigt  sind  für  durchaus  modern  zu  halten, 
doch  ihre  unverkennbaren  Vorläufer  und  Ant icip.it ioncn,  gewissermaHcn  ihr 
primitivste  Pendant  und  Analogen  bereits  im  grauen  Altertum  aufweisen 
können.'     Es  sind   danmtcr  Dinge  wie  Taxameterdrosch Iten,  Schlachten- 
Oanonuiien,  Blitzableiter,  Künstliche  Bebriitung,  Kneippkur.  Monocle  u.  s.v. 
Nfachträge    liefert    ein    Aufsatz    in    dereelbcn    Zeitschrift    No.    226    von 
•^\4.  Landau,  «Noch  etwas  modernes  im  Altertum".  Bei  manchen  Dingen, 
'>M^ic  z.  B.  dem  Seiltanzen,    handelt  es  sich   freilich  urn    nichts  als  Über- 
^^mefening  aus  dem  Altertum. 

^P  In  den  „Summen  aus  Maria-I.2ach"  1Q02,  I,  beginnt  y.  Dahl/nana 

^^^inc    Abhandlung    über    „Chinas    alte    Kultur    im    Lichte    der 
.S   üngEtea  Punde  und  Eorschutigen." 

kDer  Artikel  Karl  Dieter icfi's:  Kulturgeschichtliche  Orund- 
a^d  u"*)  gegenseitiges  Verhältnis  der  byzantinischen  und 
^Neugriechischen  Literatur  (Beilage  zur  Allgem.  Zeitung  1902. 
^^o.  279/90)  ist  der  Einleitung  zu  einer  Geschichte  der  byzantinischen 


248  Kleine  Mittejlungen  und  Referate. 


und  neugriechischen  Literatur  von  dem&elben  Verfas^r  entnommen.  Ein 
Hauplßcsichtspunlfl  ist  der,  daQ  die  by2antinische  Periode  im  Gegensatz 
zu  der  hellenistischen,  die  eine  Hctknisicning  des  Orients  bedeutet,  eine 
OrientalisTcningdes  Oriectienlums  involvien,  während  wieder  die  Eraanzi- 
pierung  des  Oriechentums  vom  Orient  und  sein  Wicderanschlufl  an  die 
Kultur  des  Occidents  den  ln.h.ilt  der  neugriechischen  Periode  bildet. 
Andererseits  steckt  in  den  Neug:riechen,  wenn  auch  mehr  latent,  noch 
viel  vom  b>-z2ntinischen  Wesen. 

Di«  zunehmende  Verbreitung  des  Werkes  von  Joh.  Janssen,  Ge- 
schichte des  deutschen  Volkes  seit  dem  Ausj^Bng  des  Mittel- 
allers  zeigt  sich  wieder  in  dem  Erscheinen  einerneuen  (15/6.) von  L.  Pastor 
bearbeiteten  Auflage  des  5,  Bandes  (Freiburg  i.  B.,  Herder).  Ein 
näheres  Eingehen  auf  diese  Neuauflage  erübrigt  sich,  zumal  der  Band  nicht 
zu  den  kulturgeschichllichen  Teilen  des  Werkes  gehört.  Natürlich  haben 
aber  die  Schilderung  der  konfessionell (^n  Streitigkeiten  nnd  der  Polemik, 
die  in  dem  bis  1618  reichenden  Bande  einen  breiten  Raum  einnimmt, 
ebenso  die  Partien  über  die  Jesuiten  auch  ihr  kulturgeschichtliches  Interesse. 
Auch  hier  zeigt  es  sich  nber  vieder,  daß  der  Hauptweit  des  Werkes  in 
der  Darbietung  reichen  Materials  liegt,  dessen  Virrarbeitung  in  höherem 
Sinne,  auch  abgesehen  von  dem  j^onfessionellcn  Standpunlci,  nament- 
lich infolge  des  Prinzips  der  Quellenstellenzusammenreihung  im  ganzen 
noch  aussieht. 

Es  sind  wolil  Teile  oder  zum  Teil  Teile  aus  den  noch  ausstehenden 
Bänden  seiner  „Deutschen  Geschichte,"  die  Karl  Lamprechi  ncucrding 
in  der  Form  von  Zeilschriftenatifsätzen  veiöff entlieht  hat.  Seine  gant« 
vielseitige  aufnähme-  und  ausgabei^hige  Art  spiegeln  sie  ebenso  wieder 
«ie  sein  Streben,  den  Verlauf  der  Dinge  auf  grosse  seelische  Wandlungen 
zurückzuführen.  DalJ  man  die  Dinge  auch  bei  gleichem  Streben  nach 
gleichem  Ziel  anders  ansehen  kann  nnd  zuweilen  muß,  ist  aber  ebenfalls 
zu  betonen-  In  den  „Annaleii  der  Naturphilosophie"  Bd.  I  S.  -138  ff. 
sucht  er  Denken  und  Anschauung  der  lö.— 18.  Jahrhunderts  zu  begreifen. 
(•Der  intelleklualistische  und  ästhetische  Charakter  des  indi- 
vidualistischen Zeitalters  der  deutschen  Geschichte"),  Ganz 
nebenbei  bemerkt  und  ohne  Wichtigkeit  für  den  eigentlichen  Inhalt  des 
trotz  manchem  Anfechtbaren  bedeutenden  Aufsatzes — die  Partie  über  den 
Hexenwahn  zeigt  merkwürdig  gerini^e  Einwirkung  der  letzten  Arbeiten, 
namentlich  Hansens,  darüber.  Den  Beginn  der  Abhängigkeit  der  allgemeinen 
Kultur  von  den  Höfen  wird  man  noch  früher  hinaiifriicketi  müssen,  als  es 
S.  466  geschieht.  Nicht  ohne  Eigenart  stellt  sich  der  Aufsatz  in  „Nord  und 
Süd"  Heft 304  dar:  „Die  deu1*chc  und  niederländische  Dichtung 
m  16.  und  17.  Jahrhundert  entwicklungsgeschiciitlich  betrachtet." 
Die  Betonung  der  niederländischen  Literatur  ist  durchaus  gutzuheißen. 
Wieder  ganz  nebenbei :  bei  Ftscharl  sind  die  Züge  des  Niedergangs,  die  auch 


Kktne  Mitteilungen  und  Referale. 


tr  rdchlidi  verrät,  niclil  gcaflgem!  hei  vorschoben.    Interessant  geschrieben 
ist  der  dritte  Aufsatz:    „Über  die  Anlange  der  dcu  fschen  Partei- 

Ibildung  im  18.  und  19.  Jahrhundert"  (Patria,  Jahrbuch  der 
»Hilfe-  1903). 
In  den  „Monatsheften  der  Comenius-Gesellschafl"  Xt,  Sl\0  giebt 
F.  Thadiehum  ein  ausführliches  Bild  des  für  di«  Geistesgeschichte  so 
bedeutenden  Lebens  und  Wirkens  von  Johann  Reu  clilin.    Er  will  darin 

■  die  bisherigen  Ergebnisse  der  Forachung  zusammenlassen,  zugleich  aber 
B  in    manchen    Punkten    berichtigen    und,   soviel  die    Schriften    Reuchtins 

■  angeht,  Tesenilich  vervollständigen. 

H  Aus   dem    1.   Heft    des    13.  Jahrgangs   der   ,, Mitteilungen    der 

'Ocsellschaft  für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgcschichte" 
seien  folgende  Beiträge  genannt:  Privilegium  Kaiser  Friedrichs  III  von 
1471  für  die  Stadt  Lüneburg  zur  Errichtung  eines  Rechtsstudiums  von 
Ewald  Hom,  der  dem  Privileg  aber  geringere  allgemeine  Bedeutung 
beilegt  als  Kaufmann;  Beiträge  zu  der  Wirksamkeit  der  Fratcrherren  in 
Emmerich  von  Petry,  dessen  QuellcnmitteÜnngen  indes  mehr  zur  Ge- 
schichte der  ßauledinilc  beitragen;  Zur  OescMchle  der  Erziehung  der 
Bayrischen  Wittclstvacher  von  F.  Schmidt,  der  damit  seine  Nachträge  zu 
seinem  Hauptwerk  abschließt;  Die  Einrichtung  einer  , .deutschen  Schul" 
am  Gymnasium  zu  Ooth^  durch  Herzog  Ernst  d.  Pr.  im  Jahre  1662;  Die 

»crtien  75  Jahre  der  Berliner  Qemeindeschule  von  L  H.  fischer. 
I  In  der  „Deutschen  Revue"  Dezember  1902  findet  sich  ein  allgemeitl 

interessierender  Aufsatz  von  G.  Grober,  Die  Frauen  im  M.  A.  und  die 
erste  Frauenrechtlerin  (Christine  de  Pis»n). 

■  Die  Heimat,  eine  natur-  u.  landeskundliche  Monatsschrift  fOr 
"Schleswig- Holstein  bringt  in  Ho.  II  des  12.  Jahrgangs  einen  Aufsatz  von 
Hansen,    Zur   Geschichte    der    Personennamen    in    Schlcswig- 

I  Holstein. 
Zur  Geschichte  der  Spiele  trägl  der  Aufsatz  von  D.  Rtuymaeken, 
Une  Sorte  de  football  en  m.  a.  ä  Tirlemont  et  ä  Jodoigne  bei 
<Annate$  de  la  societe  d'archtol.  de  Bruxetles  XVI,  V^). 
O.  V.  Below  veröffentlicht  in  dtr  Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung 
(1903No.ll>  einen  Vortrag:  Das  kurze  Leben  einer  viel  genannten 
Theorie  (Über  die  Lehre  vom  Ureigentum).  Es  kommt  ihm  vor  allem 
darauf  an,  der  vergleichenden  Methode  auJ  den  Zahn  zu  fühlen.  Durch 
den  allerdings  erbrachten  Kachweis,  wie  ein  cinzehies  Resultat  derselben, 
die  Theorie  von  dem  Gemeineigentum  am  Acäterlande  als  notwendigem 

»Durchgangsstadium  bei  allen  Völkern,  eine  Anschauung,  die  eine  Zeitlang 
pnz  allgemein  herrschte,  nach  und  nach  durch  Einzelforechungen  wieder 
erschüttert  wurde,  ist  aber  die  Meinung,  daB  .bei  den  Theorien,  die  haupt- 
lichlich  auf  die  Verwertung  von  Analogien  gestützt  sind,  der  Fall  besonders 


250  Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


jäh"  isl,  noch  nicht  ohne  weiteres  zulässig.  Man  könnte  dafür  zwar  auch  die 
verßieichemieSprachwisscnschafl  mit  ihren  jclitsehr  erschriUertenRwultalen 
heranziehen.  Aus  solchen  sehr  ilankenswerten  Nachweisen  sollte  man 
alleeineiti  die  Konsequenz  ziehen,  keilte  herrschende  Theorie  als  ein  noli 
mc  längere  anzusehen,  vor  allem  aber  nicht  aus  der  Annahme  oder  Nlcht- 
annatime  derselben  Schlüsse  auf  die  wissenschaftliche  Qualität  irgend 
jemandes  ziehen  und  weiter  sich  bptniihen,  überhaupt  die  Schulmeinungen, 
die  ZtigehöriRkeit  zu  einer  RichtunK,  Schule,  KMquc  nicht  ais  maßgebend 
für  die  Beurtheilung  und  äuBere  FOidcrutig  eines  Celehnen  zu  craditcn. 

Aus  der  Zeilschrifl  für  die  Geschichte  des  Oberrheins  (N.  F.  XVII,  4) 
sei  fiine  Arbeit  von  G.  Caro  hervorgehoben:  Zwei  Elsüsscr  Dürfer 
zur  Zeit  Karls  des  Grollen;  ein  Beitrag  zur  wtrtschaftsgeschrchtlichen 
Verwertung  der  Traditiones  Wizenbuigeiises. 

Eine  weitere  Abhandlung  G.Caro's,  Zur  Agrargeschlchte  der 
Norüostschweiz  und  angrenzender  Gebiete  vom  10,  bis  zum  13.  Jahrh. 
(Jahrbücher  för  Nationalökonomie  79,5)  sucht  vor  allem  der  gangbaren 
Meinung,  daß  in  der  Karolingerzeit  der  freie  Mann  in  Hörigkeit  versunken, 
der  kleine  Onmdbesitz  vom  großen  verschlungen  sei,  durch  den  Nachweis 
des  fortdauernden  Vorhandenseins  freier  Bauern  vom  10.  bis  13.  Jahr- 
hundert entgegenzutreten,  wenigstens  für  das  von  Ihm  gewählte  Gebiet. 
„Eine  durchgreifende  Neugestaltung  der  grundlegenden  Verhältni»e  ist, 
soviel  ich  sehen  kann,  überhaupt  nidit  eingetreten."  ,, Bäuerliches  Eigen 
hat  ununterbrochen  fortbestanden",  „es  ist  nicht  lastenfrei  geblieben", 
»aber  das  sind  nicht  Lasten  gruiidherrlichen  Ursprungs." 

Aus  dem  12.  Jahrgang  der  „Heimat"  (Schleswig-Holstein)  erwähnen 
wir  einen  Aufsatz  von  W.  Jessen,  Ein  Blick  In  das  Leben  eines 
Stapelholmer  Bauern  zur  Zeit  des  30jährigcn  Krieges. 

In  dem  Sepl.(0k1.-Hctt  der  Revue  des  etudes  historiques  beschließt 
/H.  Marion  seine  Arbeit:  ^tat  des  classes  rurales  au  IS'  s-  dnns  la 
gcniralitt  de  Bordeaux. 

In  der  »Zeitschrift  f.  Socialwissenschaff  V,  11/12  beginnt  P.  Frauen' 
städt  eine  Reihe  von  Studien  „Aus  der  Geschichte  der  ZfJnfte*'  und 
behandelt  in  der  ersten  („Der  Hund  in  der  Gesch.  der  Zünfte")  die 
Ursachen,  Entsteh ungszeit  und  praktische  Handhabung  einer  sehr  merk- 
würdigen Qepllogeiiheit,  wonach  Handwerker,  die  einen  Hund  tot  ge- 
worfen oder  erschlagen  hatten,  aus  der  Zunft  als  unehrlich  ausgestoßen 
wurden,  Das  Material  bieten  ihm  die  von  Zunftsachen  handelnden 
„Libri  Definitiouum"  des  Breslaucr  Stadtarchivs.  Die  zweite  Studie  be- 
handelt, wieder  auf  Akten  des  Breslauer  Sladtarchivs,  diesmal  die  Sammlung 
von  Brcslauer  Schöppensprüdien  gestützt;  „die  Verrufungcn".  Die 
unglauhlliche  Engherzigkeit,  die  formalistische  Pedanterie  und  Prüderie  der 
Zünfte  des  17.  Jahrhunderts  tritt  hier  grell  hervor,  während  der  Schöppen- 
stnhl,  der  über  solche   Verrufungen   meist  von  den   Ratskollegien  als 


Kleine  Mitledimgen  und  Referate. 


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rechlsbclehreade  Instanz  angegangen  vurdc,  diese  Vorurteile  bekämpfle 
und  den  Unterdrückten  beistand.  Die  Handwerker  richten  ihre  Schnüffelei 
bezüglich  der  tadellosen  ehelichen  Qcburl,  für  die  sie  auch  die  eheliche 
Erzeugung  fordern,  und  der  Nichtangehürigkeit  zu  anrüchigen  Berufsständen 
jucb  Auf  die  Vorfahren  und  Angehörigen. 

Ein  Artikel  von  Aloys  Schulte:  Zur  Handels-  undVerkelirs 
geschichtc  Südn-estdeutschlands   im  Mittelalter  (Jahrbuch  für  Ge- 
seUgebung,  Verwaltung  und  Volkswirtschaft  27.  Jg.  I.  Helt)  verteidigt  in 
eingehender  Begründung  eine  Reihe  von  Ansichten,  die  er  in  seiner  „Qe- 
schlclite   des    mittelalterlichen  Handels"   etc.   ausgesprochen    hat.   gegen- 
über   einem  Angriffe  von  ßelows  (1.  Zur  Handelsorganisation.   2.  Ist  die 
Schweiz  ein   Pafistaat?)    Nebenbei  bemerkt,  wird  in  dan  Artikel  auch  die 
Frage    der  Existenz  eines  Standes  von    Großkauf  Leuten  berührt  und  un- 
seres Erachtens  mit   Rechl    betont,    dafi    die    hyperkritische  Abhandlung 
V.  B.'s  in  den  ,  Jahrbüchern  f.  Nation alökonomie"  über  den  Großhandel  im 
.Mittelalter keineswegs  einwandfrei  ist.  Wir  teilen  Seh. 's  Empfinden,  daß  auch 
ie  Abhandlung  von  Keuigenj  der  Below  nahe  genug  steht,  (Der  Großhandel 
im  M.-A.,  Hansische  Geschichtsblätlcr  2^,  65—138)  im  Grunde  das  Qegen- 
'teit    von  Belows   Ansichten   nachweist.      Die   Ansicht   des    Herausgebers 
dieser  Zeilschrift   über  die  Großkauf leute,   die  er  in  seinem  „Kaufmann 
in    der  deutschen   Vergangenheit"    ohne  scharfes  Abwägen    des  Wortes 
gelegentlich    ausgesprochen    und    die    Below    zu    Anfang  seiner  Ab- 
handlung herangezogen  hat,   ist  doch  woh!    nicht  so  korrekturbedürftig, 
als  V.  B.  meint.  Auch  Oncken  in  seiner  „Geschichte  der  Nationalökonomie" 
ist  nicht  der  Ansiclil  Belows. 

Nicht  ohne  einige  beachtenswerte  Gesichtspunkte  ist  ein  Artikel 
^ieinrich  SifveAirig's,    Die    Handelsstellung    Süddeutschlands    in 
/Mittelalter  und  Neuzeil    (Beilage  zur  Allgem.  Zeitung  1902    No.  253f54), 
bringt  aber  sonst  kaum  Neues. 

I  Der  Schluß  der  AbEiandlung  von  K  Häbler,  DasZclIbuch  der 

S.3eulschen  in  Barcelona  (1425—1440)  und  der  deutsche  Handel  mit 
V<atalonien  bis  zum  Ausgang  des  16.  Jh.  (Württenib.  Vierleljahrshefte  für 
Ä_andesgcschichlc  N.  F.  1)  Jg.,  '/,)  verbreitet  sich  über  die  Handelswcge 
xjnd  die  spätere  Geschichte  des  deutschen  Handels  mit  Katalonien  und 
-Aragon. 

In  No.  7  der  Bulletins  de  l'scad^mie  royale  de  Belglque 
<Classe  des  lettres)  1902  setzt  DiseaUUs  eine  Arbeit:  Un  negocianl 
anvcrsois  (P.  de  Bro^ta)  i  la  fin  du  IS's.  fort. 

In  dnem  Aufsatz:  „Aus  der  Handelsgeschichte  Japans' 
^Jahrbücher  für  Nationalökonomie"  Bd.  70,  Heft  5)  gibt  Kanjo  K'sa 
einen  Überblick  über  die  Mauptzüge  der  handelsent'orlcklung  bei  dem 
angeblich  früher  so  streng  abgeschlossenen  japanischen  Volk,  und  zwar 


was  vertvoll  ist,  lediglich  aus  japanischen  und  chinesischen  Oeschichts- 
()uellen. 

Eine  Abhandlung  wonjoh.  Mäiler  {Augsburg)  über  „Das  Steuer- 
und  Finanzwesen  des  li.  R.  Reiches  im  16.  Jahrh."  (Neue  Jahrbücher 
I.  d.  klass.  Altertum,  Qesch.  u.  Deutsch.  Utter.  !Q02,  I.  9.  Heft)  be- 
schäftigt sich  namentiich  mit  Zacharias  Oci7.1kofer,  dem  Reichspfennig- 
meister Rudolfs  II.  Nachdem  „Im  Anschluß  an  die  wechselnden  Er- 
bige  d'cr  Rcichästeuem  zu  AnfaitK,  Mitte  und  am  Ende  des  16.  Jh.  und 
des  hiernach  wechselnden  Anteils  der  drei  großen  Ständrgruppen  der 
Forsten,  der  Prälaten  und  Grafen  und  der  Reichsstädte,  zunächst  die 
schier  unglatibüdicn  Mängel  des  dainali£cii  Reichssleuefsyslems"  vorge- 
führt sind,  werden  nach  Qeizlkoters  hinter  lassen  en  Schriften  die  Schwierig- 
keiten der  damaligen  FinanzverwaUiing  beleuchtet,  Schwierigkeiten,  die 
dem  SulJy  so  vergleichbaren  Oeizikofer  nicht  erlaubten,  trotz  mancher 
Erfolge  so  s^ensreidi  zu  wirken  wie  jener. 

Einen  zwar  nicht  erschöpfenden,  aber  willkommenen  Über- 
blick über  die  „Geschichte  des  Bettelwesens"  gibt  Ol&hausen  in 
Sehnwiier's  .Jahrbuch  für  Geseli^cbung,  Verwaltung  etc.",  26,  4.  In 
Einzellidten,  wie  auch  bezüglich  einiger  Gesichtspunkte  findet  sieb  zu  dem 
Thema  übrigens  manche  Ergänzung  indem  kürzlich  erschienenen  zehnten 
Bande  der  „Monogr-iphien  «ir  deutsthcn  Kulturgeschichte" :  „Die  fahrenden 
Leute  in  der  deutschen  Vei;gangenhdt"  von  Th.  Hampe. 


Bibliographisches. 


/?.   V.    Kralik,    Neue  Kulturstudien.     Mönsler  (Vlll,   372  S.J  — 
Wütgeschichte  hng.  v.    A.  F.  HelinoH.  II.  Bd.    Ostosicti    und  Occanicn. 

I  Der  indische  Ocean.  Von  Max  v.  Brandt,  H.  Schürte,  K.  Weule  und 
E.  Schmidt  Lpz.  (XV).  638  S.  10  Karten,  6  Tai.  und  16  Beilagen).  — 
C.  Baold,  Kinive  und  Babylon  (Monogr.  z.  Wellgesch.  18).  Bielefeld 
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vechsel.  Gr.  Lichterfelde  (42  S).  —  H.  Winckler,  Die  babylonische  Kul- 
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Wirtechaftsgesch,  d.  ausgeh.  Altertums.  Lpz.  (XV,  223  S.).  -  Die  Altertamer 
unserer  heidnischen  VorzeiL  Zusaxn mengest,  u.  hrsg.  v.d.  Direktion  des  räm. 
gcrman.  Centralmuscums  i.  Mainz.  V.  Bd.  1.  Hft.  Mainz  {4,22  S.  6.  Taf.). 

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Stadiarchiv  zu  Breslau.  H.  6.)  Breslau  {Vi,  76  S.).  —  Af.  v.  Stojentin. 
Aus  Pommerns  Herzogslagen.  Kulturgesch.  Bilder.  Stettin  (Vit,  177  S.).  — 
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Ehrlosen.    (Mecklcnb.  Gesch.  i.  Einzddarslcläungeii,  6).  Berlin  (II,  131  S.). 

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Zugleich  als  Beitrag  zur  rhein.  Kutturgesch.  niitgel.  Bonn  {46  S..  5  Taf.).  — 
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IV,  2 :  A.  John,  Oberlotima.  Gesch.  u.  Volksk.  eines  egerländ.  Dorfes 
(X,  196  S.).  I,  2:  O.  C.  Laube.  Volkslüml.  Überliefer.  aus  Teplitz  und 
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254  BtblioeraphEsches. 


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Skrifter.  II.  Hist.  filos,  Ki.  1001.    No,  \).    Christiania.  —  Congr«  inter- 
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wirtsch.  und  wirtschaftsgcsch.  Abhandl-     Hrsg.   v.  W.  Stieda,    4.)     Lpz. 
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Vorgeschichle  des  Rechts.    PrähisL  Hecht.  I.  Mann  und  Weib.    Die  Ehe- 
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OCII,  151  s.).  -  Tli.  Frhr.  v.  d,  Goltz,  Gesch.  d.  deutsch.  Und  Wirtschaft 

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"-   -GiinK  Öeschiedenls  van  den  Uoerenstand  en  den  Landbouw  in  Neder- 

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Lofcnositz.    Wien     (2Ü3  S.).    —    O.   Citrtef,    La  vigne   et  lc  vin  cliez  lea 

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*-    Qesch.  des  Zunftwesens.    (Beiträge  z.  Gesch.  Eisenachs  X!).    Eisenach 

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^"U  commcnc.  du  17.  s.  [Extr.   de  ia  Revue  des  Pyrönces  T.  14).     Paris 

C59  p.).  —  R.  Larirf,    Sloria  dcl  commcrcio.     Milano.     (352  p,).    —  Fr. 

^masirrmanR,   Die  Gesch.   der  kleinen   oder  St.  Johannisgilde  in  Wort 

Xnd  Bild,  Riga  (XVI,  752  S.).  —  G.   Yver,  De  Quadagniis  (les  Qadaigne) 

Vücrcaloribus  florentinis  Lugduni  XVI.  P.  Chr.  N-  saeculo  commoranlibus. 

Tlitee.    Paris    (XVI,  115  p.).  —  D.  SianehfUid,   History   of  lumbering 

in  MinnesolA:    pioneer  lumbering  on  the  upper  Missisippi  and  its  tribii- 

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256  Biblic^raphisches. 


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(VII,  91  S.  7  Taf.  1  Karte).  —  H.  Bemtm,  Noiges  Post-histofie 
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F.  V.  Oefäe,  Materialien  z.  Bearbeit.  babyl.  Median.  I.  (Mitteil,  der 
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Gedieht  V.  d.  Syphilis  oder  v.  d.  Franzosenseuche.  Übers,  v.  H.  Oppeo- 
heimer.  Berlin.  (III,  43  S.).  —  M.  Boudet  et  R.  Qrandt  Dooiments 
injdits  suT  les  grandes  £pid£niies.  £tude  hist-  sur  les  £pid^ies  de  peste 
en  Haute-Auvergne  (14.— 18.  s.).  (Extr.  de  la  Revue  de  la  Haute-Auvergne). 
Paris  (140  p.). 


DnitKhe  Buch-  and  Kunstdracicerei,  Q.  m.  b.  H.,  Zotsea - Beriin  SV.  48. 


Fcslstellungen  über  den  gescheiterten  Donau-Main-Kanal  etc.     257 


Neue  Feststellungen  über  den 

gescheiterten  Donau-Main-Kanal 

Karls  des  Grossen. 

Von  OTTO  LAUFFER. 

Unter  den  uns  bekannten  Tiefbauprojekten  Karls  des  Großen  ist, 

■"«•ric    man  allgemein  weiß,    eines  der  bedeulendslen    der    Plan, 

-Zwischen  Donau   und  Main   einen    ununterbrochenen  Schiffahrts- 

'•^reg  herzustellen,     Im  Jahre  793  hat  er  es  versucht,  den   heute 

^%ioch    unter   dem   Namen  Fossa  Karolina    bekannten    Kanal   zu 

fcaiien,   aber  es  ist  nur  bei  dem  Versuche  geblieben,  denn  die 

-Arbeit  ist  an  den   technischen  Schwierigkeiten,    die  sich  ihr  eni- 

[ensteliten,  gescheitert. 

Was   wir   über    dieses   verunglückte    Unternehmen    wissen, 

.gründete  sich  bislang  eigentlich  nur  auf  die  wenigen  Qiicllenstellen, 

-NJielche  darüber  berichten,    und   zwar   ist  darunter  in  erster  Linie 

■anzuführen,  was   Einhards  Annalen   (Scriptores  I,  179)  uns  mit- 

'tteilen:  »Cum  ei  [Karolo]  persuasum  esset  a  quibusdam,  qui  td  sibi 

^ompcrlum  esse  dicebant,  quod  sl  inier  Kadantlam  et  Alomonam 

~Äluvios   ejiismodi    fossa    duccrctur,    qiiac    esset   navium    capax, 

^x>sse    percommode    a    Danubio    in    Rhenura    navigari,     quia 

%onim  fluviorum  alter  Danubio,  alter  Moeno  miscciur,   confestim 

.^cum  omni   comitatu  suo  ad   tocum   venit,    ac  magna  hominum 

i  :xnultitudinc  congregata,   totum  autumni  tempus  in  co  opere  con- 

ssumpsit    Ducta   est   ilaquc   intcr   Moinuni   et   Danuvium   fossa 

<luuni  milium  passuum  longitudine,  latitudine  trecentonim  pcdum; 

^sed    in   cassum.     Nam   propter  jugcs  pluvias   cl  terram,    quac 

palustris  erat,  nimio   humore   naturaliter  infectam^   opus,   quod 

-fiebat,   consistere   non    potuit,    nam   quantum    interdiu   terrae  a 

lossonbus  fucral  egestum,  tantuni  nuctibus,  liumo  iteruin  in  locuni 

suum  relabente,  subsidebat."     An    diese  Darstellung    haben   vir 

Aithiv  m  KulHirtoctiidile.    I,  3.  17 


uns  bei  der  Beurteilung  des  ganzen  Unternehmens  vor  allen 
Dingen  zu  halten.  Die  übrigen  derzeitigen  Berichte,  die  wir, 
um  einen  Überblick  über  das  verfügbare  Qu  eilen  material  zu  ge- 
winnen, ebenfalls  anführen  müssen,  fügen  dem  kaum  etwas 
Wesentliches  hinzu.  Die  Lorscher  Annalen  gehen  auf  die  um- 
fangreichen Arbeiten  an  dem  Kanal  überhaupt  nicht  ein,  sondern 
sie  schreiben  zum  Jahre  793  einfach:  «Rex  autumnali  tempore 
de  Reganesburg  iter  navigio  faciens,  usque  ad  fossatum  magnum 
inter  Alatiana  et  Radantia  pcrveniL"  Dagegen  äußern  sich  etwas 
eingehender  die  Annalcs  Mosellani^  welche  allerdings  den  betr. 
Bericht  versehentlich  in  das  Jahr  792  verlegen,  indem  sie  sagen: 
«Hoc  anno  isdem  Karlus  Rex  In  praefata  urbe  (Regensburg) 
nativitate  Domini  cclebrala  totum  pene  scquente  anno  ibidem 
rescdit,  cxccpto  qviod  circa  tempus  autiimni  ad  quendam  aquae- 
ductum,  quem  inter  Danuvium  fluvium  et  Radantiam  alveum 
facere  caeperat,  secessit  ibique  praefato  operl  sedulus  insistens, 
partem  hujus  anni  quc  supcrerat  pcnc  pcrstctit;  praeter  quod 
paucis  diebus  ante  natate  Domini  ad  Sanchim  Kilianum  prae- 
fatum  opus  imperfectum  dereünquens  advenit  ibique  eandcm 
nalalem  Domini  cum  fine  liujus  annj  et  inilio  altcrius  celebravit.-') 
In  der  Beschreibung  der  Einzelheilen  muß  dieser  Bericht,  dessen 
Schreiber  offenbar  keine  persönliche  Vorstellung  von  dem  Werke 
hatte,  gegenüber  den  Mitteilungen  der  Einhardsannalen  zurück- 
stehen. Immerhin  aber  nimmt  er  doch  eine  selbständige  Stellung 
ein  und  unterscheidet  sich  dadurch  vorteilhaft  von  dem  letzlen 
Schriftsteller,  bei  dem  wir  die  Kanalarbeitcn  erwähnt  finden, 
nämlich  dem  Poeta  Saxo.  Was  dieser  sogenannte  Dichter 
(Scriptores  I,  250.  Ao.  793  V.  10-37)  über  das  Kanalprojekt  und 
den  mißlungenen  Versuch  seiner  Ausführung  zu  erzählen  weiü, 
das  ist  durchweg  nichts  anderes  als  eine  in  die  Hexameterforni 
gequetschte  Verbreiterung  der  angeführten  Stelle  der  Einhards- 
annalen. Die  einschlägigen  Verse  des  Poeta  Saxo  lauten  folgender- 
maßen: 

nlntcrea  suascre  sibi,  qui  nota  ferebant 
Talia,  quod  fluvios  inter  Radantia  quorum 
Unis  habet  nomcn,  scd  et  Alcnüona  dicitur  alter, 

')  Annaki  MoKlIani.    Scriptoin  X\*[  S.  MI. 


Festetcllungen  übar  den  gescheiterten  Donau-Main-Kanal  elc.      259 


Si  fieret  tantus  fossa  tdlure  paratus 
Alveus,  inducHs.  ambos  dum  tangercl  amnes 
Gurgitibus,  possct  puppes  ut  ferre  natantes, 
In  khenum  de  Danubio  celer  efficerelur 
Et  facilis  cursiis  ratibus.    Radantia  namqiie 
Se  Moino,  Moinus  Rheno  miscere  probalur; 
Alemona  Daniibii  rabidis  illabitur  iindis. 
Consiliuni  credens  igitiir  sibi  danübus  tstiid, 
Ipse  locLim  princeps  opeh  quem  credidit  aptum 
Expeliit  lanto,  miiltis  quoque  milibus  illuc 
Conductis  operatorum,  simul  omnia  poene 
Aulumni  studio  consumpsit  lempora  casso. 
At  tarnen  in  longum  passits  duo  milia  ducta 
Fossa  fuit,  pedibus  tercetituiTi  lata  patebat. 
Sed  noti  perfectum  polerat  consislere  prorsus 
Hoc  opus,  assiduus  quoniatn  nimis  offuit  imbcr 
Et  naturalis  terram  dissoluerat  humor, 
Egestuiiique  fiiit  quanlum  sudore  diiirno, 
Kursus  humi  tantum  rcdiit  sub  noctc  rclapsa. 
Cumque  lutum  semper  madidis  incresceret  arvis 
Alveus  et  firmo  conslarct  litorc  ntisquam, 
Ima  pdens  inmensa  palus  per  lubrica  FLuxit, 
Ac  densum  scrobibus  caenum  subsedit  in  allis. 
Cum  tarnen  in  coepto  pcrsisteret  ipsc  labore, 
Hunc  Iristi  tandem  fama  revocante  reliqult 
Est  totius  enim  subito  defecUo  gentis 
Saxonum  rursus  bellum  narrata  mouentis." 
Aus   alledeiTi    geht    nun    folgendes    hervor,      in   Regensburg 
sitzend,    hat    Karl    die   schon    längst   schmerzlich    empfundene 
Schwierigkeit   der  Verbindung    mit  den    westlichen   Teilen   des 
Reiches  handgreiflich   zu  fühlen  gehabt,    und    wie  er  selbst  für 
seine   Reisen   vielfach   die  Wasserstraßen  zu   benutzen   pflegte,') 
so  hat  er   sein  Trachten    nicht  etwa   auf  die  Anlage  einer  neuen 
Hecrstrafie  zu  Lande,   sondern  auf  den  Bau  eines  Kanals,  einer 
Donau-Main-Wasserslraßc  gerichtet.    Schon  diese  Talsache  allein 


■J   binlKC  t)c1tE3lcll<rii  üafQr  lnbv  Ich  in  meinn  Ditt«rUlii>n :  .Du  Lin^Jidurttbild 
DntKhlMid«  im  ?xiuher  der  KutoV.aga.-    Oatttngcn  IBQb.    S.  M  xuummetigolclit 

17* 


ist  für  die  Beurteilung  der  Verkehrsverhältnisse  sowohl  wie  des 
Mitilärwesens  der  Zeit  von  hohem  Interesse,  und  man  sollte  die 
aufftllige  Bevorzugung  der  Wasserstraße  gehörig  beachten.  Karl 
hat  $ich  nun  von  ortskundigen  Leuten  über  die  Möglichkeit  einer 
derartigen  Kanalanlagc  Vortrag  halten  lassen  und  hat  nach  ihren 
Angaben  zunächst  im  großen  die  entsprechende  Verbindungs- 
linie zwischen  den  beiden  Flußgebieten  festgelegt  Es  waren 
wirklich  verständige  Ratgeber,  die  er  herangezogen  hat,  denn  als 
sie  ihm  die  Wasserscheide  zwischen  Rednitz  und  Altinülii  als  die 
Stelle  bezeichneten,  wo  der  Spaten  anzusetzen  sei,  da  machten 
sie  ihm  einen  Vorschlag,  den  auch  der  moderne  Techniker  im 
Besitze  aller  heutigen  kartographischen  und  geologischen  t:rrungen- 
scliaften  als  den  richtigen  anerkennt  Wenn  daher  die  Einhards- 
annalen  jene  Ratgeber  offenbar  halb  verurteilend  und  halb  ver- 
ächtlich als  Männer  bezeichnen,  i.qui  id  sibi  compertuin  esse 
diccbant",  so  ist  das  objektiv  betrachtet  nicht  zutreffend,  und 
wenn  jene  Stelle  den  Eindruck  machen  soll,  als  ob  Karl  auf  das 
Geschwätz  von  Wichtigtuern  hereingefallen  sei,  so  geschieht  damit 
beiden  Teilen  ein  offenbares  Unrecht 

Der  Kaiser  hat  die  Sache  dann  mit  aller  Energie  selbst  in 
die  Hand  genommen.  Den  ganzen  Herbst  des  Jahres  793  hat  er 
selbst  mit  seinem  Gefolge  an  Ort  und  Stelle  verbracht,  man 
erkennt  daraus,  welches  Gewicht  er  der  Durchführung  des  Planes 
beigelegt  hat,  und  man  kann  unmöglich  sagen,  daß  das  Unter- 
nehmen, auf  dessen  Fortgang  die  großen  und  lebhaften  Augen 
des  Kaisers,  von  denen  Einhard  erzählt,  kritisierend  und  an- 
spornend geruht  haben,  nicht  mit  dem  nötigen  Nachdruck 
betlieben  worden  sei,  wie  denn  auch  die  Annales  Moscllani 
ausdrücklich  hervorheben,  mit  welchem  Eifer  der  Kaiser  bei  der 
Sache  gewesen  sei.  Auch  an  den  nötigen  Arbeitskräften  fehlte 
es  nicht,  denn  Karl  ging  «cum  omni  comltatu  ac  magna  hominutn 
niuHltudine  congregata"  ans  Werk.  Wenn  dasselbe  trotz  alledem 
gescheitert  ist,  so  mußte  man  bislang,  nach  den  historischen 
Quellen  zu  urteilen,  zwar  anerkennen,  daß  das  Werk  wegen  der 
anhaltenden  schweren  Regengüsse  unter  ungünstigen  äußeren 
Verhältnissen  in  Arbeit  gestanden  ist.  Im  übrigen  aber  mußten 
wir  uns  dahin  entscheiden,  daß   Karl   mit  diesem 


KanaLprojekt    1 


I 


k 


Fes&trUungen  über  den  gescheiterirn  Donau-Main-Kanal  etc.     261 

seinen  Leuten  eine  Arbeit  zugemutet  habe,  dem  ae  weder  an 
praktischer  Erfahrung  noch  mit  den  zu  Gebote  stehenden  tech- 
nischen Mirtcln  gexcachsen  gewesen  seien. 

Was  nun  das  einzelne  der  Kanatarbeilen  angeht,  so  mußte 
bislang  gerade  diejenige  Stelle,  welche  für  eine  genauere  Vor- 
^eltung  uns  den  wichtigsten  Anhalt  geben  sollte,  auf  berechtigtes 
Mißtrauen  stoßen.  Das  sind  die  zahlenmäßigen  Angaben,  welche 
die  Einhardsannalen  und  nach  ihnen  der  Poeta  Saxo  über  die 
Ausdehnung  des  Werkes  machen.  Die  Angabc  über  die  Länge 
des  Kanals  von  2000  Schritt  hatte  ja  nichts  Anstößiges,  denn  seine 
Spuren  sind  noch  heute  auf  etwa  1300  m  deutlich  zu  erkennen. 
Was  aber  sollte  man  von  der  Breitenangabe  von  300  Fuß  halten? 
Der  Kanal  wäre  dann  ca.  75  m  breit  gewesen,  eine  Ausdehnung, 
deren  Zweck  man  in  Ansehung  der  beiden  bedeutend  schmäleren 
Wasserläufc  der  Rctzat  und  der  Altmühl,  die  doch  verbunden 
werden  sollten,  sowie  nicht  minder  in  Ansehung  der  beschränkten 
Breite  der  Flußfahrzeuge  Karls  unmöglich  einzusehen  vermochte, 
zumal  wenn  man  bedenkt,  daß  die  Wasserspiegelbreite  des 
heurigen  Ludwigskanals  nur  15,8  m  beträgt.  Dazu  schienen  vor 
allen  Dingen  auch  Jene  Maliangaben  mit  den  heute  erhaltenen 
Resten  des  Kanals  nicht  iti  Einklang  gebracht  werden  zu  können. 

Es  ist  klar,  auf  solche  Fragen  konnte  die  Antwort,  wenn  sie 
überhaupt  möglich  war,  nur  an  einer  Stelle  gesucht  werden, 
nimlich  bei  den  Resten  des  Kanals  selbst.  Aber  gerade  die  Er- 
forschung dieser  doch  unzweifelhaft  wichtigsten  Quelle  in  der 
ganzen  Angelegenheit  war  bislang  nicht  in  dem  wünschenswerten 
Umfange  beirieben  worder.  Erst  in  allerletzter  Zeit  ist  in  dieser 
Richtung  ein  verdienstvoller  und^  wie  mir  scheint,  abschließender 
Vorstoß  gemacht  worden.  Die  Berichte  darüber  sind  aber  an 
einer  Stelle  niedergelegt,  wo  sie  den  Kullurhislorikem  wohl 
schwerlich  oder  nur  durch  Zufall  in  die  Hände  kommen  werden, 
und  die  auch  mir  nur  durch  die  Liebenswürdigkeit  des  Herrn 
Autors  selbst  bekannt  geworden  ist.  Deshalb  hielt  ich  es  für 
wünschenswert,  hier  darüber  zu  berichten.  Der  Vorstand  des 
technischen  Amtes  des  Vereins  für  Hebimg  der  Fluss-  und  KanaU 
scfaiffohrt  in  Bayern,  Königl.  ESauamtmann  Eduard  Faber  ver- 
öffentlichte vor  kurzem  eine  prächtig  ausgestattete  -Denkschrift  zu 


dem  technisdien  Entwurf  einer  neuen  Donau-Main -Wasserstraße 
von  Kelheim  nach  Aschaffen  bürg"  (Verlag  des  Vereins  1903), 
und  mit  Freude  sehen  wir  daraus,  dail  dieser  her\'orragendc 
Fachmann,  technisches  Können  mit  historischem  Sinne  verbindend, 
durch  seine  Arbeilen  Veranlassung  gefunden  hat,  sich  mit  der 
Frage  der  Fossa  Karolina  eingehend  zu  beschäftigen  (S.  53). 
Die  dadurch  gewonnenen  Resultate  geben  gerade  über  die  beiden 
wichiigsten  Punkte,  die  ich  oben  anzudeuten  versuchte,  enpönschtcn 
Aufschluß.  Was  zunächst  die  Breitenangabe  der  Einhardsannalen 
betrifft,  so  findet  Faber  keinen  Grund,  ihre  Richtigkeit  in  Zweifel 
zu  ziehen,  er  nimmt  das  Maß  von  300  Fuss  nur  nicht  als  Wasser- 
spiegelbreite, sondern  er  bezieht  es  auf  die  größte  Entfernung, 
welche  zwischen  den  aufgeworfenen  Dämmen  in  Höhe  ihrer 
Krone  bestanden  hat.  Zu  solcher  Annahme  fühlt  er  sich  als 
Fachmann  um  so  mehr  berechtigt,  »als  dieses  Maß  die  technische 
Bedeutung  der  Arbeit  mehr  kennzeichnet  als  eine  Angabe  der 
Breile  der  Grabensohlc".  En  der  Tat  findet  diese  Auslegung 
ihre  völlige  Bestätigung  durch  die  vorhandenen  Baurestc  der 
Fossa  Karolina.  Faber  gibt  davon  einen  klaren  Begriff  durch 
die  seinem  Werke  beiliegende  Tafel  VII.  wo  er  einen  „Quer- 
schnitt in  der  Wasserscheide  zwischen  der  AUmüliI  und  der 
schwäbischen  Rezat"  bietet,  der  zugleich  einen  Schnitt  durch  die 
Fossa  KaroHna  enthält.  Derselbe  ist  an  der  Stelle  genommen, 
an  der  die  beiderseitigen  Dämme  heute  noch  die  höchste  Erhebung 
zeigen,  Daraus  ergibt  sich  nun,  daß  Karl  auf  dem  nach  der 
einen  Seite  ein  wenig  abfallenden  Gelände  einen  etwa  5  m  liefen 
Graben  ferliggestellt  hat,  wobei  die  ausgehobenc  Erde  auf  der 
einen  Seite  etwa  6  m,  auf  der  anderen  höher  gelegenen  etwa  4  m 
hoch  über  der  ursprfinglichen  Qeländehöhe  aufgeworfen  ist.  Die 
Scheitelpunkte  der  beiden  so  entstandenen  Dämme  haben  einen 
Abstand  von  67  m  von  einander.  Diese  grolle  Breite  war  deshalb 
nötig,  weil  Karl,  um  bis  zu  den  bei  den  beabsichtigten  Endpunkten 
des  Kanals  bestehenden  mittleren  Wasserhöhen  der  Attmühl  und 
der  schwäbischen  Rezat  zu  gelangen,  sich  gezwungen  sah,  etwa 
l3Vj  m  tief  unter  den  gewachsenen  Boden  zu  gehen,  und  bei 
solcher  Tiefe  mußten  natürlich  die  Dämme,  falls  sie  nicht  wieder 
abrutschen   sollten,    entsprechend  weil   von  einander    vorgesehen 


Feststellung«!  über  den  gescheiterten  Donau-Main- Kanal  ele.     263 


* 


Verden.  Bei  dem  Abstand  der  Dammkronen  von  Ö7  m  fehlen 
also  auch  heute  noch  nur  etwa  8  m,  um  die  von  den  Annalen 
angegebene  Breite  von  300  Fuß  zu  erreichen.  Von  diesem  Fehl- 
betrage ist  aber,  wie  Faber  einleuchtend  hervorhebt,  noch  einiges 
abzuziehen,  »da  doch  die  Dämme  durch  Setzen  und  Abschleifen 
an  ihrer  ursprünglichen  Höhe  müssen  verloren  haben".  Der  Rest 
aber  darf  wohl  unbedenklich  dadurch  erklärt  werden,  daß  die 
300  Fuß  doch  offenbar  nur  annähernd  eine  runde  Zahl  geben, 
nicht  aber  eine  bis  zum  letzten  Ccntimeler  genaue  Vermessung 
bieten  wollen.  Somit  ist  die  sonst  bewährte  Zuverlässigkeit  def 
Einhardsannalen  auch  in  diesem  Punkte  gegenüber  den  zunächst 
berechtigt  erscheinenden  Bedenken  bestehen  geblieben. 

Die  vorhandenen  Banreste  geben  uns  aber  auch  die  MflgUdi- 
keit,  zu  einer  vemCinfligeren  Vorstellung  von  dem  wirklichen  Plane 
Karls  zu  gelangen,  als  die  bisherige  Anscliauung  von  der  300  Fuß 
breiten  Wasserstraße  es  war.  Da  wir  die  oberen  Abstände  der 
Dammkronen  kennen,  da  ferner  die  praktische  Erfahrung,  die  auch 
Karl  dem  Großen  aus  seinen  anderen  Erdarbeiten  zu  Gebote  stand, 
ein  bestimmtes  Maß  der  Böschungsneigung  erfordert,  welches 
nicht  überschritten  werden  durfte,  ohne  daß  die  Wälle  wieder 
abgerutscht  wären,  da  schließlich,  wie  oben  bereits  angedeutet, 
die  beabsichtigte  Höhe  des  Wasscrspi^els  des  Kanals  durch  die 
mittleren  Wasserhöhen  der  Altmühl  und  der  Rezat  annähernd 
gesichert  ist,  so  sind  wir  in  ilcr  Lage,  den  Durchschnitt  des  be- 
absichtigten Kanals  zu  rekonstruieren,  und  Faber  hat  das  auf  der 
erwähnten  Tafel  VII  auch  getan.  Daraus  ergibt  sich  dann,  wie 
Faber  sagt,  ..daß  man  einen  Kanal  mit  einer  Wasserspiegelb  reite 
von  8-  10  m  hat  herstellen  wollen,  einer  Breite,  die  in  damaliger 
Zeit  für  den  Verkehr  der  kleinen  Kähne  sicher  entsprochen  hätte: 
beträgt  doch  die  Wasserspiegel  breite  des  Ludwigs- Kanals  nur 
15,8  m-. 

Weilerhin  aber  weiß  uns  der  moderne  Fachmann  auch  eine 
Antwort  zu  geben  auf  die  andere  Frage,  woran  es  gelegen  habe, 
daß  Karl  mit  dem  Kanal  nicht  zustande  gekommen  ist,  und  es 
klingt  wie  eine  späte  Ehrenrettung  Karls  und  seiner  Werkleute, 
wenn  Faber  sich  darüber  folgendermaßen  äußert;  «Versumpfte 
Wiesen  in  Nähe  der  schwäbischen  Rezat,  die  bei  der  Wasserscheide 


2W  :>nc  lK:fÄ 

et«-2  b  IT   hütKr  ai:   di*   Aicnüh,   arclisr.:    .^nr    "a=   aSH 
Beobachtung^:  z?igrr,    cai  his-  ir  ek-  f-i^i  -^r 
die  Sohle  d-i  OraD-ns  ^rrsiziKna^ 
Es  wäre   sonacfc   aucr.    hsue  unniür::3:    rr-   I ..  ..i*-.\  ■ 
Graben  n«nntn=«'er  zt  vriKicr.  Dimt  ze;    ^  ^= 
was   der   Chroms:    Einharc    ai--   'jninr    "fz-   i!=    hri 
Untemehmens-    angib:    auä:    v-nr    nr 
Trockenhei:    h»rrscner    vrürät.     Narir^ 


Bodens  u-ären.  vk  nur.  alipenisir  briarTr:;  tiz-  .snr  - 
wenn   das  der  Boder   anfüliendt  Oninmr^ar    rrrrrr  -üiaiii 
werden  würde.' 

Durch   diest  Pesisieliunger  Faiwr?   "g^**^     -«^  sr  sas: 
alle  bis  jetZT  vor;g»:bntdner  Frager.    üd=-    as   I»ii^-fcsff-i» 
Karls  des  Oroben  ihre  Airvor.  geiunoat  imr  — : 
nur  dann  nuch  neue  Oesicbispunkis  si^agL 
gehen  wollte,  mii  dcir.  Spaten  in  der  Hanz  äe 
zu  untersuchen.     Eben  wei!  duni    dit   "  nr'-»iini"4r  ^3ff 
ein  ge»"isser  .ÄLbschluL  erreich:   is:.  sttitt  s  -srr  -nü^  xx 
an  so  versteckler  Stelle  gegebene,  für  n=r.  f öilrr^aanir  ae- 
interessante  Wyfientiich'jnc  inj  ZusammsimzzG^  ti  -c  »■ 
rischen  Berichte"  Lif^r  ae-:  .Kar.cJ  hier   nmzi'wgrfs:     räC^ 
wie  es  nOiij;  wkr»-,  e::;  wis'rfTiiha'tijcbe*  hsm::  ^nr  t ■'"■'"'  -^ 
Archäologie,    ev  wi.-:;*:  zj   r;E.r:cher    äimiae:    ' '3C!»i-J-ü-- 
wie    zu    deneri-^jT'    jer   roraa  Ka*":!::!!!.,    le*  "tiitt^  *  "^ 
technisch    bfn&h-rer  f  ä'.h^ej:*    mein    enfaisirra   irirä:    "^J^ 
wir,    daii    unyrrT    '/,•:::.    di*    vc:;    Saura    wsps    ar  ija<3? 
Archäolo;jie    so    r'r:'::.'  ih':   .'/.""e!    i"?»^!!".     n    fer*  xc  * 
Scherflein    -rp'rn'-'rr.    tö;^*   zjr  OrjadiLTu:  imr  »tsaLL  .r -^ 
Erforschung   ct  r  n'::b;-er:ichen    öersehsr   MtefTtiÄr=3i 
gesetzt  isi.    fi:>  lii':  ',  2i>^r  müssen  wi-  aler.   ina  _wac2S» 
Technikern,  &;*:.'.•.•.;>  'iän^irjar  st:r..    wsnr  sc  k  ihbsks-* 
k'genlicit    au-,   <■  ;."rr;':rr!    Ar^'ri^be    de:    itsireciKr   ^rau-iS^ ' 
ähnlitlKT  U'':iv  'i/e'-irr;,  nie  Faber  e-  rcan    na.    Titr^^ 
ihrer  Arl)<i"ri    /■:    -yT-iahr'rn   urd.    wein    "nitt^    ss  ^^ 
Archiiolojv  ti  '''    -.' .'.■',!*":ln,   wird  ezne   E-nsuiac  tU^  "^ 
knlliir(;<",(lii(|i'l;';..-'.  /•■i-y.hrihen  st:- 


Von  der  Enfehung  und  Ausbildung  pommerscher  FDrsten  etc. 


Von  der  Erziehung  und  Ausbildung 

pommerscher  Fürsten 

im  Reformations  -  Zeitalter. 

Von    M.  WEHRMANN. 


n 


I 


üer  deutschen  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  hat  man  seit 
einer  Reihe  von  Jahren  ein  größeres  Interesse  und  weiter  gehende 
Beachtung  zugewandt  als  früher.  Eine  planmäßige  Erforschung 
des  groüen  Oebieles,  dessen  Bedeutung  für  die  Erkenntnis  des 
geistigen  und  sittlichen  Zustandes  früherer  Geschlechter  offen- 
kundig ist,  hat  erst  wirklich  begonnen,  seitdem  die  Gesellschaft 
für  deutsche  Erziehungs-  und  Schulgeschichte  sich  dieser 
Aufgabe  unterzogen  hat.  Von  ihrer  umfassenden  Tätigkeit  legt 
eine  stattliche  iiahl  von  Bänden  des  groüen  Sammelwerkes  der 
Monuments  Oermaniae  paedagogica  neben  zahlreichen 
kleineren  Veröffentlichungen  Zeugnis  ab. 

Bereits  in  den  ersten  1883  durch  den  Druck  veröffentlichten 
Plan  dieser  Monumenta  ist  aufgenommen  die  Herausgabe  von 
Akten  über  die  Erziehung  und  den  Unterricht  einzelner  Personen, 
besonders  I'Cirsleii.  Es  sind  bisher  solche  Publikationen  über  die 
Geschichte  der  Bayerischen  und  Pfälzischen  Witteisbacher  (von 
Friedr.  Schmidt.  M.  O.  P.  Bd.  XIV.  XIX)  erschienen,  während 
iÜT  andere  Eüi-s lengeschlechter  (llabsburg,  Wetün,  Hohenzollern, 
Inhalt)  die  Arbeiten  noch  nicht  abgeschlossen  sind.  Schon  in 
<Jen  beiden  vorliegenden  Bänden  aber  ist  ein  reicher  Stoff  zu- 
gänglich gemacht,  der  nicht  nur  für  die  betreffende  Herrscher- 
familie  und  ihre  Länder  von  grosser  Bedeutung  ist,  sondern  zum 
Teil  ülwrhaupt  auf  die  Fürsteilerziehung  früherer  Tage  ein  ganz 
neues  Üchl  wirft  Denn  wenig  hatte  man  sich  bisher  im  all- 
gemeinen darum  bekümmert,  in  welcher  Weise  die  Fürsten  er- 
zogen und  für  ihren  Beruf  und  ihre  Aufgaben  herangebildet 
waren. 


266  M.  Wehmann 


Das  ist  ganz  besonders  auch  der  Kall  bei  dem  1637  erloschenen 
pommersclien  Herzogshause,  von  dessen  einzelnen  Gliedern, 
so  viele  Nachrichleti  und  Notizen  auch  ober  sie  vorliegen  mögen, 
wir  im  Grunde  herzlich  wenig  wissen,  namentlich  was  ihren 
Charakter,  ihre  Geistes-  und  Siltenbildung,  inneres  Leben  und  Ent- 
wickelung  angeht.  In  der  älteren  Zeil  beruht  unsere  Kenntnis 
fast  nur  auf  den  Urkunden^  und  dass  diese  am  wenigsten  ge- 
eignet sind,  uns  die  Persönlichkeiten  mit  ihren  Vorzögen  und 
Fehlern  wirklich  vor  Augen  zu  führen,  liegt  auf  der  Hand.  An 
chronikalischen  Nachrichten  fehlt  es  uns  fast  ganz;  einheimische 
Chroniken  des  Mittelalters  sind  gar  nicht  vorhanden,  und  die  aus- 
wärtigen haben  nur  wenig  Gelegenheit,  sich  mit  Pommern  und 
seinen  Fürsten  zu  beschäftigen.  Trat  das  Land  doch  nur  selten 
in  nähere  Beziehung  zum  Reiche  und  neigte  zumeist  mehr  dem 
slavischen  Osten  zu. 

Mit  dem  Beginne  etwa  des  16.  Jahrhunderts  tritt  die  Wendung 
ein.  Herzog  Bogislaw  X.,  der  zuerst  wieder  das  ganze  Pommern 
vereinigte,  suctite  altmälilich  Anschluß  an  Deutschland  und  be- 
kundete das  auch  offen  durch  seine  Reise  zum  Könige  Maxi* 
mllian  1.  (I4Q7J98).  Dadurch  lernte  er  die  deutschen  Verhältnisse 
kennen,  er  näherte  sich  deutschen  Fürsten  und  knüpfte  mit  ihnen 
verwandtschaftliche  Beziehungen  an.  Er  ist  auch  der  erste  pom- 
mersche  Herzog,  der  seine  Söhne  zu  ihrer  Ausbildung  nach 
Deutschland  sendet.  So  geht  ein  neues  Licht  über  dem  Lande 
auf,  und  CS  hängt  damit  zusammen,  daß  in  dieser  Zeit  nun  auch 
die  Anfänge  einer  pommerschen  Geschichtsschreibung  gemacht 
werden.  Dadurch  wird  es  für  uns  möglich,  die  einzelnen  Per- 
sönlichkeiten fester  ins  Auge  zu  fassen.  Da  zu  gleicher  Zeit  das 
Aktenmaterial  anfängtj  so  erhalfen  wir  jetzt  in  ganz  anderer  Weise 
Kunde  von  intimeren  Vorgängen  des  Fürstenhauses,  als  wir  aus 
den  Urkunden  zu  gewinnen  vermögen. 

So  sind  die  ersten  pommerschen  Fürsten,  über  deren 
Erziehung  und  Unterricht  wir  etwas  erfahren,  die  Söhne  und 
Enkel  Bogislaws  X.  Aus  den  hierüber  vorliegenden  Schrift- 
stücken mag  einiges  mitgeteilt  werden,  das  für  die  Bildungs- 
geschichte dieser  Übergangszeit  nicht  ohne  Interesse  ist  Es  zeigt 
uns  zugleich,  wie  Pommern,  das   früher  dem   geistigen   Leben 


» 


Dtrubchlands 
rühn  ist 

Der  älteste  Sohn  Bogislaws  X.   und  seiner  Gemahlin  Anna 
von   Polen   ist  Georg  I.,  geboren   am    II.  April  1493.    Ihn  ge- 
*^3<^htc  der  Vater,   ebenso  wie  er  eine  Zeitlang  am   polnischen 
'Cönigshofe  erzogen  war,')  an  einen  fremden  Fürstenhof  zu  senden, 
*^*>-mit  er  dort  die  feineren  höfischen  Sitten  kennen  lerne.    Bogislaw 
^**^*~     auf  seiner  Fahrt  zum  Könige  Maximilian   im  Februar  1497 
einige  Tage   in   Heidelberg   gewesen    und   dort    vom  Pfalz^rafen 
F*H  i  lipp  freundlich  aufgenommen.  Dieser  starb  am  28.  Februar  1=»08, 
"^■^     seinen  Sohn  und  Nachfolger  Ludwig  V.  schickte  der  Herzog, 
^*'**^       es  scheint,   noch   im  Jahre  1508  einen  Gesandten   mit  der 
^'^te,   der  Kurfürst  möge  doch  des  Herzogs  Sohn    p» ungefährlich 
^*-*»^       12  oder  13  Jahren"   an  seinen  Hof  nehmen   und   mit  des 
^'^^'^torbenen    Herzog   Ruprechts   (t  20.   August    1504)    Söhnen 
^^^tto  Heinrich,  geb,  1502,  und  Philipp,  geb.  1503,)  erziehen  lassen. 
^     der  dem  Gesandten  gegebenen  Instruktion,    die  erhalten  ist, ') 
^^*Bt  es  von  dem  jungen  Prinzen,  daß  er  »bisher  nicht  anders 
**^*\ii  der  Lehre  gefolgt   und  sonst  keins  andern  Wesen  geöbt". 
*-^    ist  der  Wunsch  des  Herzogs,  dafi  sein  Sohn  dort  »die  Unter- 
**^^lung  empfange,  dass  er  nicht  allein  Lehrung,  sondern  auch  zu 
^^^en  christlichen  Tugenden   gehalten   und   also  erzogen  werde". 
Ob  die  Bitte  Bogistaws  erfüllt  und  Oeoi^  an  den  pfälzischen 
Mof  gekommen   ist,   läßt    sich    nicht  ganz  sicher  angeben.    Die 
Pommerschcn  Chronisten  erzählen,  er  sei  1510  mit  seinem  Er- 
zieher, Erasmus  von  Manteufel,  dem  späteren  Bischof  von  Cammin, 
*u  Herzog  Georg  von  Sachsen  geschickt   und    bei    ihm  erzogen, 
t!s  ist  aber  wahrschein Hchj  dass  er  vorher  auch   in  Heidelberg 
^ar  und  dort  Amalia,  des  Kurfürsten  Philipps  Tochter,  kennen 
lernte,  die  er  1513  heiratete. 

Aus  dieser  Ehe  entstammten  zwei  Söhne,  von  denen  der 
ältere  Bogislaw  ganz  jung  starb.  Der  zweite  Sohn  Philipp  (geb. 
14.  Juli  1515)  wurde  etwa  1526  von  dem  Vater  nach  Heidelberg 
zum  Oheime,  dem  Kurfürsten  Ludwig  V.,  geschickt,  a  quo  pro 
tilio  habitus  honesle  et  liberaliter  educatus  nee  non  sludiis  prin- 


I 


1|  V«rsl.  Balt.  Slud.    N.  F.  V.    S.  145. 

■)  Kgl.  SlMlMrdiiv  Sicllin  (abcchArit  St.  A.  St.l:  v.  BohloiKhe  Sininvlun{  N.  19. 


cipe  dignis  imbutus  est.')  Auf  die  Erziehung  Philipps  bezieht 
sich  die  Ordcnung^  so  dem  jungen  hertzogen  von  Pomern 
gegeben  ist,  die  in  einem  Pfälzer  Kopialbuch  des  ürossherzog!. 
Badischen  Genera ULandesarchives  zu  Karlsruhe  (N.  830  fol.  265  f) 
enlhaUen  ist.*)  Diese  Entiehungsordnung  zeigt  mancherlei  Inter- 
essanteSj  so  dali   sie  hier  mitgeteill  werden  mag: 

Zum  ersten  soll  sollicher  fürst  im  somer  vor  VI  und  im 
winther  vor  VII  auren  ufstcen. 

Zum  andern  soll  sein  scherer  nach  dem  snthun  ine 
kernen  und  wasser  geben- 

Zum  dritten  darnach  sein  gebet  gegen  gott  sprechen. 

Zum  virdcn  im  sommer  und  andern  zeiten,  wan  es  nlt 
feiertae  ist,  van  VI  btsz  siben  uren  studirn  und  im  winther 
van  siben  bisz  VIII. 

Zum  fünften  zu  siben  uren  die  supp  mit  einer  ordenung, 
als  nachfolgt,  und  im  winther  zu  VIII  uren  nemen. 

Zum  sechsten  im  somer  und  winlher  in  die  predig  und 
das  ampt  der  mess  geen. 

Zum  sibenden  nach  der  mess  zu  disch  geen,  wohin  er 
jederzeit  geordent. 

Zum  VIII.  nach  dem  essen  somer  und  winther  zeit  zu 
zwelf  uren  wider  zur  Icr  ein  follige  stund. 

Zum  IX.  zwischen  einer  und  zweycn  uren  den  under- 
drun?k  zu  ncmen. 

Zum  zehenden  nach  dem  undcrtnmck  zu  zweyen  uren 
«■idcr  ein  stund  in  die  lere  somer  und  wintherzeit 

Zum  XI.  zwischen  drien  und  vier  auren  auch  andern 
mussigen  zeiten  sein  kurizwcil  zu  suchen. 

Zum  XH.  zu  vier  uren  den  nachtymbs  zu  ncnien  an 
orten,  dahin  er  beschaiden  wurde. 

Zum  dritzehenden  nach  dem  nachtmoll  ein  virthel  stund 
latin  oder  sunst  was  lustigs  zu  lernen. 

Zum  XIIII.  soll  er  im  sommer  umb  VIII  auren  und  im 
winther  zwischen  VII  und  VIII  auren  den  schlofdninck  halten. 


>>  Val.  ib  V.kVsttt.  vlU  Phlllppl  [.  ilM3t. 

't  Ervihnt  bei    F.  Schmidl,    OMchldite  Oet  Cnichnnu  der  Pflli.  Vriitdibidier 
(Mon.  Qemi.  Pmi.  XIX).   S.  XX. 


Zum  XV.  im  somer  zu  IX  uren  und  im  vinther  zu  Vlll 
auren  schlafen  geen. 

Zum  XVI.  einmal  oder  zwey  in  der  wochen  zwagen  zu 
Jossen, 

Zum  XVII.  jeder  zeit  nach  gelegenhait  zu  paden. 

Zum  XVIII.  mit  klaidem  und  anderer  leibs  notturft  zu 
versehen,  wie  sich  einem  jungen  furslen  geburt. 

Zum  XIX.  die  erst  slund  morgens  vor  essen  in  der 
grammatica  zu  lernen. 

Zum  XX.  die  ander  stund  nach  miltag  zu  leren  in 
wesenlichen  pocten,  der  mores  lernt  (!). 

Zum  XXI,  die  driti  stund  in  philosophia,  rethorica  oder 
in  hisloriis. 

Zum  XXII.  das  vlrtheil  nach  dem  nachtessen  latin,  wie 
in  den  schulen,  danisz  latin  zu  lern. 

Zum  XXlIl.  ob  man  ellich  stund  wolt  nemcn,  das  si  al 
latin  und  kain  deutsch  retten,  damit  sie  des  tatins  gewanten 
oder  schweigen  musten. 

Zum  XXIIII.  wan  ye  zu  Zeiten  ein  puchlein  usz  ist,  soll 
der  zuchtmainster  das  myn  gnedigsten  hem  oder  dem 
cantzier  anzaigen,  ein  anders  zu  nemen  nach  seiner  cur- 
furstlichen  gnaden  gefallen. 

Zum  XXV.  das  hofmainster  und  zuchtmainster  das  also 
zu  handhaben,  ernstlich  bevolen  werd,  und  wan  sie  un« 
gehorsam  funden,  für  sie  selbs  den  fursten  mit  trauw— 
Worten  und  die  edeln  jungen  sunst  zu  strofen  und  ernstlich 
anhalten  dem  fursten  zu  byspiel,  nit  allein  die  mit  studim 
sondern  auch  die  iif  den  fursten  warten.  Und  wo  das  nit 
verfahren  wolt,  ineym  g.  hem  oder  dem  cantzler  anzuzeigen, 
daruf  weither  straf  zu  bevelhen. 

Und  sollen  di  suppen,  under-  und  schlofdninck,  diewyl 
zu  dem  studim  ubermessig  essen  und  drincken  nit  nutz 
und  schedlich,  nach  meyns  gnedigsten  hem  gutbedunken, 
gemut  und  maynung  angestelt  und  gehalten  werden. 

Nota;  ist  van  noten,  das  mit  des  hertzogen  hofmainster 
emstlicli  geredl  werd,  diewyl  er  seinem  hem  vor  andern 
zugeben  und  als  hofmainster  vertraut  worden,  das  er  sich 


^ 


zudrinkens  umb  und  by  dem  hertzogert  enthalt,  auch  dem 
hertzogen  und  jungen  Edeln,   noch  anderm  seinem   gesind 
by  im  nit  gestal  noch  zu  ime  zieh,  sonder  jder  zeit  darfur 
sein,  undersagen   und  verkomen    wol,    wo   sich  yemant    nit 
daran  keren  woll,  das  meyri  gnedigsteti  hern  hofmainstcr  oder 
marschalk  anzaig,  das  abzuschaffen  und  darfur  zu  sein  wiss. 
Nota:   dem  schulmainsler   in   sein  bestallung   zu  sctrcn, 
disz  ordenung  zu  hallen  und,  wan  der  hofmainster  die  ding 
nit  halten  wurd,  meytn  gnedigsten  hern  anzuzaigcn. 
Wie    diese  Ordnung   im  einzelnen    durchgeführt   wurde,    ist 
nicht  bekannt,  da  weitere  Nachrichten  über  die  Erziehung  Philipps 
am   pfälzischen  Hofe   fehlen.    Doch   muß  er  dort  einen   guten 
Grund  zur  Bildung  gelegt  und   den  Wert  einer  geordneten    Er- 
ziehung schätzen    gelernt   haben.     Denn    Herzog   Philipp    I.    ist 
später,   wie  wir  sehen   werden,   bis   zu   seinem  Tode  (1560)    in 
treuer  Gemeinschaft  mit  seiner  Gemahlin,  Maria  von  Sachsen,  auf 
das  eifrigste  bemüht  gewesen,  seinen  fünf  Söhnen,  die  dem  fürst- 
lichen Paare  geboren  wurden  und  heranwuchsen,  eine  gründliche 
Ausbildung  zu  geben. 

Philipp  blieb  bis  nach  dem  Tode  seines  Vaters  Georg 
(gest.  9./10.  Mai  1531)  bei  seinem  Oheim,  mit  dem  er  mancherlei 
Reisen,  z.  B.  1531  nach  Aachen  zur  Krönung  des  römischen 
Königs  Ferdinand,  machte.  Bald  darauf  (Michaelis  1531)  kehrte 
der  löjährige  Fürst  auf  Wunsch  seines  Oheims,  des  Herzogs 
Barnim  XI.,  in  dieljeimat  zurück,  um  mit  diesem  zusammen  die 
Regierung  zu  übernehmen.  Ante  discessum  avunculus  Ludovicus 
ei  utilissima  praecepta  jnslituendae  gubernationis  Iradidil,  quac 
interdum  ipse  commemorare  et  laiidare  soäebat.') 

Der  andere  Sohn  Bogislaxi'S  X.,  der  eben  genannte  Barnim  XI. 
(geb.  Z  Dezember  1501)  war  von  seinem  Vater  1518  nach  Wilten- 
berg  geschickt,  wo  er  am  15.  Septemlier  mit  seinem  Erzieher 
Jakob  Wobeser  und  seinem  Begleiter  Johann  von  der  Osten  in 
das  Album  der  Universität  eingetragen  ward.') 

Nach  der  Sitte  der  Zeit  wurde  er  im  Sommer  1519  zum 
Rektor  der  Universität  gewählt.    Er  begleitete  am  17.  Juni  Martin 

'(  V«l.  V.  Eielniedi,  vila  PhlLlppi  I. 

•)  Album  icadtm.  Vitcbcrg.  cd.  C  E.  Förstaninn  S.  72. 


Von  der  Erzifhung  und  Ausbildung  pommerecher  Fürsten  etc.     271 


I 
I 


Luther  und  Philipp  Melanchthon  zur  Disputation  nach  Leipzig 
und  hörte,  wie  berichtet  wird,  gespannt  dem  Wortgefechte  zu. 
Als  er  1520  nach  Pommern  zurückkehrte,  begrüßte  ihn  zu  Berlin 
der  junge  Kurprinz  von  Brandenbnrg  mit  einer  schönen  lateini- 
schen RedCj  »darauf  ihme  auch  Herzog  Barnim,  wie  er  auf  solche 
unvorschene  Sachen  zum  besten  gekunni,  tapfer  und  kurz  geant- 
wortet-. Der  dreijährige  Aufenthalt  Barnims  in  Wittenberg,  von 
dem  wir  sonst  Näheres  nicht  wissen,  ist  für  die  Geistesbildung 
und  Anschauung  des  jungen  Fürsten  natürlich  von  gröbtem  Ein- 
flüsse gewesen.  Seine  Hinneigung  zu  Luthers  Lehre^  die  er 
allerdings  zunächst  kaum  offen  zeigte,  ist  damals  begründet 
Sonst  zeigt  freilich  dieser  Fürst  in  seinem  späteren  Leben  weit 
weniger  geistige  Interessen  als  sein  Neffe  Philipp.  Es  hängt  das 
sicher  mit  der  ihm  eigenen  Schwerfälligkeit  und  Unenlschlossen- 
heit  zusammen,  die  schlieUlich  in  fast  vollkommene  Gleichgültig- 
keit ausartete. 

Für  die  Erziehung  der  Söhne  Philipps  1.  Hegt  eine  große 
Zahl  von  Instruktionen,  Studienordnungen,  Unterrichtsplänen  u. 
a.  m.  vor,  die  Zeugnis  ablegen,  mit  welcher  Sorgfalt  man  aller- 
seits bemüht  war,  die  jungen  Herren  zu  tüchtigen,  gebildeten 
Fürelen  heranzuziehen.  Aus  diesen  Dokumenten  weht  uns  ein 
ganz  anderer  Geist  entgegen,  als  ans  der  oben  mitgeteilten  Ord- 
nung, die  für  Philipp  I.  gegeben  war.  Es  ist  der  unverfälschte 
Geist  der  Reformation,  wie  er  uns  in  den  i^ablreichen  Schulord- 
nungen dieses  Zeitalters  deutlich  entgegentritt.  Evangelisches 
Christentum  und  das  klassische  Altertum,  vornehmlich  lateinische 
Sprache  und  Literatur  beherrschen  fast  ausschliesslich  den 
Unterricht  der  Fürsten  ebenso  wie  der  Zöglinge  in  den  gelehrten 
Schulen. 

Bereits  in  der  Hofordnung,  die  der  Herzog  Philipp  vor  1550 
erließ,')  wird  für  den  ältesten  Prinzen  Johann  Friedrich  (geb. 
27.  August  1542)  bestimmt,  daß  er  »den  Winter  über  des  Tages 
eine  Stunde  in  der  Fibel,  jedoch  nur  mit  Glimpf  und  Spiel" 
unterrichtet  werde;  es  wird  aber  für  ratsam  eraclitet,  daß  der 
junge  Herr  den  größten  Teil  des  Tages  sich  bei  der  herzog- 
lichen Muüer  aufhalle. 


')  St.  A.  St.:  Woir  Arch.  TU.  32  N.  22. 


Ausführlichere  Bestimmungen  enthält  die  Hofordnung  von 
1551')  über  die  junge  Herrschaft,  zu  der  nun  außer  Johann 
Friedrich  seine  Brüder  Bogislaw  (geb.  9.  August  1544)  und 
Ernst  Ludwig  (geb.  2.  Nov.  1545)  gehören,  während  Barnim 
am  14.  Februar  154Q  und  Kasimir  gar  erst  am  22.  März  1557 
geboren  sind.  Es  ist  ein  Pädagogus  oder  Präzeplor  bestellt,  der 
die  jungen  Herren  mit  den  ihnen  zur  Bedienung  zugesellten 
Jungen  «nit  allein  in  der  Lehre,  sondern  auch  in  guten  Sitten 
und  Tugenden  zu  instituieren  Fleiss  thun  soll".  Es  wird  unter 
andcmi  folgendes  bestimmt: 

»Der  Präzeplor  soll  die  jungen  Herrn  des  Abends  kurz  nach 
acht  Schlägen  aus  m.  gn.  Frauen  Gemach  führen,  und  soll  der 
grosse  Knabe  Ezechiel  Hogensehe  die  Herrn  ausEiehen,  ihre  Nacht- 
kleider anlegen  und  sie  ungefähr  halbes  oder  ein  wenig  vor 
neuncn  schlafen  legen,  die  Querbänkc  vor  ihre  Betten  setzen  und 
sein  Rollbefte  davor  rücken,  des  Nachts  ein  oder  zweimal  auf- 
stehen und  die  Herren  zurechte  legen  und  decken.  Auch  soll  er 
in  Acht  haben,  dass  die  Betten  sauber  werden  gehalten  und,  so 
ofte  es  nötig,  frische  Tücher  aufgelegt  und  den  Herrn  zweimal 
die  Woche  oder,  wenn  es  nötig,  frische  Hemden  anlegen  und 
die  Füße  abwaschen.  Des  Morgens  soll  er  sie  um  Zeiger  sieben 
aufnehmen,  doch  wann  er  sie  im  rechten  Schlafe  funde,  soll  er 
sie  schlafen  lassen,  so  lange  es  ihnen  nötig,  und  mag  eine  halbe 
Stunde  nehmen,  die  Herrn  sauber  anzutun,  folgende  sie  beten, 
waschen  und  kämmen  und  den  Catechismum  mit  seiner  Aus- 
legung aufsagen  lassen. 

Damach  soll  der  Pädagogus  Herzog  Johann  Friedrich  ein 
kurz  Latein,  die  Vokabula  zu  lernen  aufgeben,  und,  damit  die- 
selben soviel  bau  behalten  werden,  soll  er  sie  zu  Reime  bringen, 
als  domus  ein  Haus,  mus  eine  Maus  etc.,  und  dazu  die  folgende 
halbe  Stunde  bis  zu  achten  nehmen.  Wann  also  der  Herr  die 
gemeinsten  Vocabula  gelernt,  soll  er  ihm  eine  kurze  gute  Sen- 
tenlia  aufgehen  und  selbst  schreiben  lassen,  als  inidum  sapientiae 
limor  domini  etc.,  und  mag  den  einen  Tag  ihm  dieselbe  auslegen 
und  den  andern  Tag,  wenn  er  die  Worte  versteht,  auswendig 
lassen  lernen. 


•)  Sl,  A.  SL:  Wolf.  Arch.  Tit.  33.    N.  »  II.    Fol.  U-U. 


* 


* 


Von  der  Erziehung  und  AitsbUdune  pommerscher  Fürsten  elc. 


Wann  es  acht  geschlagen,  soll  er  ihnen  aufsagen,  was  er 
•ho  außer  geiemet,  und  die  Suppen  holen  lassen  und  ihnen  die 
Stunde  bis  um  neunen  freilassen.  Doch  soll  er  Herzog  Johann 
.  '"rietjrich,  wann  hier  oben  wird  gepredigt,  das  Evangelium  oder 
^nst  eine  Lection  aus  der  Bibel  lassen  lesen  und  kurz  vor  neunen 
^ie  Herren  in  m.  gn.  Frauen  Gemach  führen. 

Die  Tage  aber,  wann  nit  gepredigt,   soll   er  die  Stunde   von 

'kennen  bis  gegen  zehnen  die  Grammatik  explideren  und  itzt  mit 

AtxÄlegung  des  Pronominis  fortfahren.    Wann  es  ungefährlich  ein 

^'i^rlel  vor  zehn,  soll   er  sie  in  m.  gn.  Frauen  Gemach  bringen. 

Wann  es  eins  geschlagen,  soll  er  sie  wieder  in  ihre  Gemach 

ha  I  ^:n  und  Herzog  Johann  Friedrichen   eine  halbe  Stunde   lassen 

scl^  x~eiben  und  darauf  sehen,  daß  er  den  Kopf  nit  zu  nahe  auf  das 

'*'*-E>ief  lege  oder  die  Augen  lerne   krümmen.     Die  ander  halbe 

•^^'-■»ide  mag  er  ihnen   zu   ihrem  Gefallen  leben   und  züchtiglich 

^'^»^len  lassen. 

Um  zwei  soll  er  seine  Gnaden  lassen  wieder  aufsagen,  was 
*-*■"  Essen  in  der  Grammalica  explicieret,  und  darnach  mit  Aus- 
_*^^»Xing  der  Grammatik  eine  halbe  Stunde  fortfahren  und  daran 
*  «^i  daß  der  Herr  nit  die  Auslegung  bei  dem  Buche  hab^  son- 
~*~jt  von  ihm,  dem  Präzeptori,  annotiere  und  selbst  lerne  aus- 
«n.  Auch  soll  er  nil  viele  nach  einander  interpretieren,  son- 
^^■^  in  einem  jeden  Punkt,  so  lang  es  S.  G.  auslegen  kann, 
'^  »Tioreren.  Die  ander  halbe  Stunde  soll  er  ihm  ein  Vocabulum 
^^  deklinircn  aufgeben  und  von  Tage  zu  Tage  ordine  durch  die 
^^«dinationes  gehen. 

Um  drei  isßt  er  sie  zu  Unter-Essen  und  die  Stunde  bis  um 
^■^ren    ihren  Willen,   jedoch   züchtiglich,    treiben.    Wann  es  vier 
^■^Siciilagun,    soll  Herzog  Johann  Friedrich   eine    kurze  Regel    aus 
*^*^»'  Orammatica  ganz  oder  zum  Teil,   wie  der  Präccptor  sieht, 
^^■Ü  S.  F.  Q.  es  begreifen  kann,  auUen  lernen,  dieselben  aufsagen. 
*^tid  um   ungefähr  ein  Viertel   vor  fünfen  soll  er  die  Herren 
^'»«der  in  m.  gn.  Frauen  Gemach  führen." 

Die  beiden  jüngeren  Prinzen  werden   nur  kürzere  Zeil  be- 
schäftigt, zum  Teil  durch  den  „grossen  Knaben  Ezechiel". 

Im  April  1552  berief  Herzog  Philipp  den  GreiEswalder  Pro- 
'cssor  Dr.  Andreas  Magerius  zur  Erziehung  seiner  Söhne  nach 

Ardiir  für  Kullargnchklile.  ),  2.  18 


I 


Wolgast.  Dieser  aus  Orleans  gebürtige  Gelehrte,  gewöhnlich 
Gallus  genannt,  var  in  seiner  HcLmat  mit  dem  späteren  pom- 
nierschen  Kanzler  Jakob  von  Zilzewitz  bekannt  geworden  und 
bald  darauf  nach  Wittenberg,  1542  aber  nach  Greifswald  gekom- 
men. Der  treffliche  Mann  stand  bei  den  Wittenbergem  in  gutem 
Ansehen,'} 

Er  verfaßte  ein  ausführliches  Outachten  de  disciplina  et 
institulione  principum  et  puerorum,  qui  nostrae  fidei  commen- 
dali  sunt')  Als  Hauptziele  der  Erziehung  bezeichnet  er  pietas  et 
virlus  und  will  bemüht  sein  zu  bexpirken,  ut  omncs  puerorum 
actioneSj  gestus  et  colloquia  aut  virtutem  sapiant  et  meutern  bonis 
ac  ingenuis  pueris  dignam  prae  se  ferant  aut  ea  ad  discendas 
artes  uliles  vitae  et  moribus  praedpue  comparata  esse  videanlur. 
Quam  ad  rem  cum  assiduus  latinae  aut  gailicae  tinguae  usus 
non  panim  adiumenti  afferre  possit,  dabimus  operam,  ut  non 
SQlum  in  praelecitonibus,  repetitionibus  ceterisque  exercitiis  schola- 
sticis,  sed  inter  ientandum,  prandendum  et  coenandum  latino 
aut  gallico  sermone  utantur,  non  inter  sc  modo,  sed  cum  suis 
etiacn  convicloribus  et  praeceptore  collocuturi. 

Mit  den  jungen  Herrogen  zusammen  werden  einige  junge 
Edeileute  erzogen.  Für  sie  und  den  ältesten  Prinzen  ist  eine 
Tages-  und  Studienordnung  für  die  ganze  Woche  aufgestellL 
Auch  hier  bilden  Katechismus  und  Granrmatik  den  Mittelpunkt 
des  Unterrichts ,  gelesen  werden  disticha  Catonis ,  Terentius, 
epistolac  Ciccronis,  fabulae  Aesopi,  odae  Horatianae.  Außer  dem 
Lateinischen  werden  noch  Musik,  Schreiben  {xaJioy^a^fila  xai 
oQ&fiYQCWpla^  und  Französisch  getrieben.  Bisweilen  ist  auch  Zeit 
zum  Spielen  eingeräumt.  Quia  puerilia  ingenia  nequaquam  ob- 
ruenda  sunt  immodicis  praeleclionibus,  ne  aut  mehnchoham,  quae 
ceteros  humores  corporis  vitiet,  contrahanl  aut  vehementiores 
animi  motus  inferius  ventricuH  orificium,  quod  medici  xvltoQÖP 
vocant,  cum  dispendio  vatetudinis  ila  aperiant,  ut  crudus  chilus 
ante  lempus  effundatur,  dabitur  quotidte  iunioribus  prindpibus 

>)  ObtrMaitriiu  ist  ni  vtiKlHiM)« :  Corp-  Ref.  IX.  &  l»l.  1».  133.  I2S.  VIU. 
5.  BIT  Koicsartcit.  Onch.  drr  Untvenlilt  Otvlfmld  [.  5.  IK.  Prfedllnder, 
Mtirikel  dcf  Univ.  Qrdftwild  I.  S.  IQS.  211,  IXT.  DIhncrI.  Pomm.  O.bl.  U.  &  I6T. 
Ball   Studien  XLII.  S    16f, 

>}  51.  A.  St.:  V.  BohlRische  SamintunB  N.  111. 


Von  dtr  Erziehung  und  Ausbildung  pommerscher  Fürsten  etc.     275 


I 


■venia  ludendi  ad  duos  aut  tres  quadrantes  horae,  sed  ea  lege,  ne 
•cjuid  petulantius  designent,  deinde  ut  latiiie  aut  gallice  subinde 
loquantur.  -  Existimamus  consultum  esse,  ut  principibus  potestas 
-subinde  Hat  exeuiidi  vel  ad  vicinos  hortos  vel  quocunque  locoruni 
yrincipi  Visum  fuerit.  Nam  et  hoc  ad  tuendam  valeludinem  per- 
'tinet  et  mirifice  conducit  ad  discenda  muitaruni  rerum  vocabula, 
aibi  pracscrtim  monitor  et  inspector  semper  adest. 

Über   die   Erziehung   der   beiden    jüngeren   Prinzen,    Bogis- 

3aw  und  Ernst  Ludwig,  stellt  Magenus  folgenden  Grundsatz  auf: 

Sios  ad  studia  literarum  blande  potius  alljciendos  arbitramur,  quam 

Stoica  sevcrilate  aut   metu   ferutae  cogendos,   pracscrtim   cum  id 

-^letatis  adhuc   sint,    ut   uiultae  doctrinae  nequaquam    posüint   esse 

— «Spaces.    Daturi  aulem   sumus  operam,   ut  quam  primum   recte 

legere  discant,  ac  simul,  quod  in  omnibus  triviaübus  scholis  ficri 

solel,  proponemiis  coüecta   a   viris  doctis  earum  rerum,    quae    in 

«ensus  noslros  qiiotidie  innirrunt,  vocabula,  ut  cum  lade  semioiiis 

•«liant  latini  cupido  quacdam  et  amor  eis  instiUctur,  eaque  voca* 

Ibula  subinde  exigemus,  cum  ut  exerceatur  ipsorum  ineitioria,  tum 

ut  videamus,  an  ea  discerttli  flagrenlcupiditate,  qua  bonae  indolis 

pueros  fiagrare  decet. 

Zu  derselben  Zeit,  in  der  Magerius  berufen  ward  und  sein 
Gutachten  ausarbeitete,  schein;!  der  Herzog  Philipp  auch  seine 
Räte  Jakob  von  Zitzewitz  und  ßallhasar  vom  Walde  aufgefordert 
-ZU  haben,  ihre  Gedanken  über  die  Erziehung  der  jungen  Herren 
kundzutun.  Der  Bericht  des  Kanzlers  von  Zitzewitz')  liegt  vor; 
da  er  jedoch  undatiert  ist,  läUt  sich  nur  vermuten,  daß  er  in 
diese  Zeit  gehört.')  Zitzewitz  hebt  nachdrücklich  hervor,  daß  an 
der  Edukation  sehr  viel  liege  und  deshalb  alle  Sorgfalt  darauf 
zu  vens-enden  sei.  Es  ist  ein  Hofmeister  nötig,  i,gelehrtj  im  Re- 
giment geübt,  der  fürstlichen  Sitte,  Handel  und  Well,  gottfürchlig 
tind,  so  möglich,  der  hochdeutschen  und  anderer  Sprachen  kundig". 
Ihm  werden  ein  Pädagogus  (d.  h.  ein  älterer  Knabe)  und  der 
Qallus  (d.  i.  Magerius)  zugeordnet  als  Präzeptor.  Jedem  Herren 
Verden  zwei  Knaben  beigesellt,  die  gottesfürchti&  fromm,  züchtig 
und  gesund  sind. 


•)  Vcl.  &bcr  thn  Balt.  Slud.  N.  F.  I.    S.  143fr. 
^  St.  A.  Sl.:  V.  BoIiImkK«  SanrnilDig  N.  UT 


w 


Es  Tpird  entschieden  empfohlen,  für  die  Emehung  der  ältesten 
Prinzen  einen  Ort  fern  von  der  unruhigen  Hofhaltung  zu  be- 
stimmen. Die  jungen  Herren  müssen  die  lateinische,  hochdeutsche, 
französische  und  polnische  oder  wendische  Sprache  lernen. 
Schlielllich  wird  gefordert,  daü  dem  Pädagogus,  der  noch  jung 
sei  und  bisher  am  Hofe  nicht  gedient  habe,  eine  Besoldung  zu- 
gesagt oder  Versprechungen  für  die  Zukunft  gegeben  werden. 
Den  Herzog  bittet  Zitzewitz,  die  Angelegenheit  sorgsam  zu  be- 
denken und  „nit,  wie  mit  viel  anderm  geschieht,  auf  die  lange 
Bank  zu  schieben«. 

Über  die  Frage^  ob  andere  Knaben  und  welche  den  jungCTi 
Fürsten  beizugesellen  seien,  scheint  noch  eine  längere  Verliandlung 
stallgefunden  zu  haben.  Es  ist  ein  Schreiben  des  Andreas  Magerius 
erhalten,  das  xrahrscheinlich  in  dieser  Zeit  (1552)  an  den  Kanzler 
von  Zitzewitz  gerichtet  ist')  Er  rät,  ut  tales  adiimgantur,  qui  ad 
principum  ingenia  congnianL  Von  Johann  Friedrich  sagt  er,  daß 
er  die  Lehren  der  Grammatik  und  Syntax  seinem  Alter  ent- 
sprechend im  allgemeinen  kenne  und  von  guter  Begabung  sei. 
Alsdann  gibt  er  eine  Darstellung,  wie  er  sich  den  ganzen  Tag 
über  mit  den  Prinzen  zu  beschäftigen  habe.  Mane  danda  est 
opera  Friderico,  audiendae  sacrae  precationes,  mox  aljquid  iegen- 
dum  in  Üs  autoribus,  quos  tractare  coepi.  Post  octavam  sumitur 
ientaculum.  Paulo  post  vcl  audienda  vel  repetenda  lectio  aut 
ingrediendum  templum.  A  prandio  obser\'andus  est  Fridericus  et, 
si  quid  fidibus  ludere  velit,  minime  negligendus.  Sub  horam 
primam  adsidendum  est  Friderico  usque  ad  leitiam,  non  eo  solura,, 
ut  caule  suBs  lectiones  describat,  sed,  ut  ediscat,  quae  ante  prae- 
scripta  fuerunt,  deinde  ut  audtat  novam  lectionem  deque  singulis 
parlibus  orationis  rogatiis  respondeaL  Hora  tertia  sutnunt  principes 
merendam  ei  oblectant  se  adusque  horam  fere  quartam.  Mox 
redeunt  ad  studia  et  rursus  consistendum  ad  coenam  usque.  A 
coena  principes  aut  canunt  aut  ludunl  fidibus  aut  in  hypocausto 
cursitant.  Hieraus  gehe  hervor,  daß  er  sich  um  andere  Knaben, 
falls  sie  nicht  im  Unterrichte  ebenso  weit  vorgeschritten  seien  wie 
der  Herzog,  durchaus  nicht  kömmern  könne.  Deshalb  dürften 
ihm  nur  gleichaltrige  und  nicht  ungebildetere  beigegeben  werden. 

>)  Sl.  A.  Sl.:  V.  ßohlniKhc  SammUne  Ho.  tlT. 


* 


I 


Ebenso  verhalte  es  sich  mit  BoKislaw  und  Emst  Ludwig.    Aus 

•<:iem  Schreiben  erkennen  wir,  daü  einzelne  Edelleutc,  vermutlich 

-Angehörige  des  herzoglichen  Hofes,  sich   eifrig  bemühten,  ihre 

^Söhnc  an  der  Erziehung  der  Pnnzen  teilnehmen  zu  lassen,  und 

-^:^lAß  der  Herzog  nicht  ganz  abgeneigt  war,  diesen  Wünschen  zu 

■^entsprechen. 

Auf  Grund  dieser  und  anderer  Outachten  scheint  Herzog 

■— 'bilipp  noch  1552  die  ausführliche  Instruktion  für  die  Erzieher 

^^s-dner  Söhne,   den    Präzeptor  und  den    Pädagogus,  erlassen  zu 

Ä^abcn,  die  mit  dem  Motto:  Discite  iiistitiam  moniti  et  non  temnere 

"^^ivos  vorliegt.    Sie  enthält  in  elf  Punkten  die  Grundsätze  für  die 

Mnrziehung  der  Prinzen  und  in  sieben  Paragraphen  die  Bestimmungen 

"^ür  die  Edelknaben.  Vo]unius,utetlJbeii  nostrietquotquoleisadiuiicti 

-^unt,  ita  mores  suos  componant,  ul  nullum    petulantiae  vet  impro- 

Isitalis  excmplum  ab  eis  sumi  queat^  ac  mandamus  praeceptori,  si 

■«ziuis  obtemperare  nolit,  ut  aut  virgis  severissime  eum  coerceat  aut 

^ius  nomen  ad  nos  deferri  curet,  ut  pro  nostro  iure  contumaciam 

^b  eo  severiter  animadvertere  posslmus.    Herzog  Johann  Friedrich 

soll  besonders  bei  Tische  tateiriisch  sprechen,  ausge^'ähüte  Sentenzen 

lateinisch  und  deutsch  lernen.      Mandamus  ctiam  praeceptori,  ut, 

<iuae  ad  leclioncs,  rcpctilioncs,   excrcitatlonem  styli  et  id  genus 

sdiolastica  exercitia,  quibus  puerorum  studia  continentur,  pertincnt, 

«mnia  sine  exccptione  commendata  esse  sinat  nee  patiatur  quem- 

<]uam  temerc  ullos  aulores  absque  fruclu  pcrgrassari,  sed  optimis 

quibusquc  tantisper  imniorari   cogat,  donec  aetas  aut  factae  in 

litcris  progressiones  aliud   consilium    poslulare  vidcanhir.     Die 

beiden  jüngeren  Prinzen  sollen   lesen,  schreiben,  deklinieren  und 

konjugieren  lernen,  täglich  müssen  ihnen  zwei  oder  drei  latemisclie 

Vokabeln  vorgesprochen  werden.    Für  die  leibliche  I^lege,  gesunde 

Küche,  Spiel  und  Spazierengehen  wird  in  der  Instruktion  Fürsorge 

getan.   Vohimus,  cum  liberis  noslris  aestate  sereno  coelo  in  vicinum 

aüqucm  hortum  cxeundi  fiel  poteslas,  ul  ibi  moderatc  sc  cxerccanl 

nee   quicquam   dcsignenl  praeter  decorum,   sed    cum  praeceptore 

h«c  illuc  modeste  obambulanles  earum   herbarum  ac  arbonim, 

quae  in  sensus  quolidie  incurrunt,  proprias  appellationes  paulatim 

addiscanL     Unter  den   Beslimmungcn   über  die   Erziehung  der 

Edelknaben  ist  von  Interesse  die,  welche  sich  auf  die  Kleidung 


F 


278  M.  Wdirmanii. 


bezieht.  Cum  adfectalio  novi  ei  scurrilis  vestitus,  quem  nunc 
Brunswicensem  vocanl,  moribus  et  siudÜs  plurimum  officiat  et 
rc\xra  ni]  aliud  sit,  quam  dislorlae  et  monstrosae  naturae  Signum, 
«contra  autcni  liberalis  vestitus  et  ad  ttiendam  modesliani  et  ad 
augcndam  existimationem  vehementer  et  magnopere  conducat, 
niandamuSr  u(,  qui  noätris  libcris  ser^Junt,  ea  vestitus  fonna,  quam 
pracscripluri  sumus,  poslhac  ulantur,  praeserlim  cum  in  schola, 
quam  pudoris  et  modestiae  et  himianilatis  officinam  ac  domtcJlium 
esse  oportet,  versentur.  ^M 

Als  Erklärimg  und  Ergänzung  der  herzoglichen  Instruktioi^l 
kann  die  gewiü  aus  derselben  Zeit  stammende  deutsche  Ordnung 
der  jungen  Herren  dienen,  welche  In  einem  vielfach  kor- 
rigierten Konzept  und  in  der  Reinschrift  erhalten  ist')  Sie  ist  ganz 
besonders  für  den  Lehrer  der  Prinzen  bestimmt.  Er  soll  sie  vor 
allem  zur  Gottesfurcht  erziehen,  »daneben  ihre  fürstlichen  Gnaden 
nil  allein  tn  der  Lehre  und  guten  Künsten,  sondern  auch  in  guten 
Sitten  und  Tugenden  instituieren."  «Er  wird  ....  insonderheit 
Herzog  Johann  Friedrichen  und  die  Knaben  dazu  halten,  Latein 
zu  reden  und  daß  sie  außerhalb  der  Mahlzeit,  den  Abend  und 
den  Stunden,  die  ihnen  zu  Spielen  und  der  Musika  vergönnet,  sich 
der  deutschen  Sprache,  ohne  «-ann  sie  fragen,  wie  ein  Wort 
lateinisch  oder  französisch  auszureden,  nicht  gebrauchen."  »Zu 
Tische  wird  er  fleißig  Aufsehen  haben,  das  sich  die  Herren  sittig 
halten,  sauber  und  mäßig  essen  und  trinken,  auch  alle  leichtfertige 
Reden  und  Gebärde  vermeiden;  neben  dem  Präceplor  wird  alle- 
wege Doktor  Jeronimus")  mÜ  ihren  Gnaden  essen  und  außerhalb 
der  Hofräte  niemand  zu  Tisch  hinaufgefordert  oder  gestattet  werden 
ohne  sonderlich  m.  g.  Herren  oder  des  Hofmarschalls  Befehl.* 
Die  übrigen  Bestimmungen  beziehen  sich  vornehmlich  auf  die 
äußere  Ordnung  in  den  Gemächern  der  jungen  Herren,  den 
Dienst  und  die  Anleitung  der  Edelknaben. 

Der  Lehrer  der  Prinzen,  Andreas  Magerius,  stand  seit  seinem 
Aufenthalte  in  Wittenberg  mit  Philipp  Meianchthon  in  schriftlichem 
Verkehr.    Er  scheint  ihn  für  seinen  fürstlichen  Zögling  interessiert 


*)  SL  A.  Sl. '  V.  BoMf-ntcli«  Sammlung  No.  IlT. 

*)  Dr.  Hicroayiniif  Otitcr  «ac  »eil  ungcniic  ISJO  Holinl  des  Hcito(>  PhUipp  ■ 
VolciH.    Koi»irftrieti.  Ot«ch.  der  Unlvcn.  OrcIlEvild  1.  S.  197. 


* 


XXX     haben,  so  daß  Mclanchthon  am  2Z  März  1554  an  den  jungen 

/-f  erzog  einen  Brief  schrieb,  in  dem  er  ihm  von  den  Tode  seines 

Ot»<ims,  des  Kurfürsten  Johann  Friedrich  von  Sachsen  (j*  3.  MUrz 

J  S^4)  erzählt  und  dem  pommcrschen  Prinzen  die  Tugenden  des 

'X/'^r^torbenen  vorhält.')    Am  10.  November,  Luthers  Geburtstage, 

tl^^sclben  Jahres,  üben>andle  er  ihm,  gewiß  auch  auf  Veranlassung 

<d^^  .Andreas  Magerius,  eine  ausführliche  Studienondnung  undl  hielt 

KSmn-i  auch  hier  und  in  dem  Begleitschreiben  das  Beispiel  seines 

l«v»  ^-fürstlichen  Oheims  vor.    Den  Studienplan  unterwarf  er  zugleich 

«J^«-»!  Urteile  des  Magerius.»)   Dieser  Aufsatz  des  großen    Gelehrten 

<^^       sludtts  illustriss.  principis  Johannis  Friderici,    ducis  Pomera- 

■^<^^x~um  etc.  ist  wiederholt  gedruckt  und  behandelt;')  das  von  einem 

^^^VÄreiber  geschriebene,  von  Melanchlhon  durchgesehene  und  unter- 

^^^*^i^±nele  Original  bisher  aber  nicht  benutzt*)     Die  Lektüre  der 

"»t>lischen   Schriften   und   die   Grammatik,    Dialektik   sowie   die 

^^l^mente   der    Rhetorik    hebt    Melanchthon  als   die   wichtigsten 

^-^  »"undlagen    der    Bildung    des    Fürsten    hervor.      Dazu    kommt 

■^i^toriae  cognitio,   qua  in  re  primum  complecti  omnes  homines 

'^'^«1  stolidos  oportet  seriem  omnium  lemponim  mundi,  inde  usquC 

*      J3rima   rerum   crcatione,  quam  recitat  historia  tradita  ecciesiac, 

**Sc^ue  ad  hanc  nostram  aetatem,  et  conferenda  sunt  huius  aetatis 

^-^•"tamina  ad  velcra.    Consideranda  est  etiam  series  monarchiarum 

**     cogitandum  de  periculis  huius  ultimae  senectae  mundi,  in  qua 

^^^-*»n   crescant   confusiones,  maiore   cura  principes  ita  foveant  ec- 

*^'^sias,  ut  ad  posleros  conserventur  nee  lales  tenebrae  sequantur  in 

^is  regionibus,  quales  nunc  sunt  in  magna  parte  orbis  terrarum, 

**^    Asia,  Africa  et  multis  Europae  partibiis.     Im  einzelnen  entwirft 

'^^nn  Melanchthon  folgenden  Plan:  Vesperi  legantur  caput  in  novo 

*^^lamen1o  et  psalmus  ordine  et  addantur  precatio  ad  Deum  et 

feratiarum  actio.    Una  hora  mane   biduo  in  septimana  tribualur 

^narrationi  epistolarum  Ciceronts  aut  Terentü  aut  Virgiüi  aut  Livii. 

^cinde  ex  ea  lectione  declinationes  et  coniugationcs  aliquac  exer- 

^«antur  et  quaerantur  regulae  syntaxeos.    A  meridie  corpus  exer- 


>)  Corpus  Rdorm,  VIU.  S.  ZI-II. 

■)  Dm  BfgIcIlKhieLbea  gednuJd  Corpu«  Rdomi.  VIH.  S.  331. 
>.  In  Corp.  Reform.  Vlll.  S,  3d'l-387  ecdrackt  nach  einen  WXam  Onicbc.    Vgl. 
Hirttclder.    McluchOii>n  ali  praccepiar  OemunUie  S,  4T0f. 
^  9L  A.  St.:  «.  Bohlensthe  S«inmlunK  No.  117. 


M.  Vehmiann. 


cendum  est  et  aliquid  temporis  nmsicae  tribuatur.  Postea  pars 
grammaticac,  syntaxis  repeJatur,  et  potest  addi  enarratio  seu  offi- 
dorum  Ciceronis  seu  de  amicitia  seu  historici  scripti  Sallustü  aut 
Cominei  de  Carolo  Burgimdo  aut  lulii  Caesaris.  Die  Mercurii 
repctatur  catcchesis,  et  totum  reüquum  tempus  st)'Io  tribuatur. 
Et  ad  iudicandum  de  oratione  soluta  velini  etiam  principem  di- 
scere  radoncm  faciendonim  versuum.  Die  Jovis  et  Vcncris  matu- 
tina  hora  tribuatur  dialecticae,  hora  post  mcridiem  rheloricac.  Dies 
Satumi  tribuatur  lectioni  theologicae  et  enarreliir  principi  aliqua 
Pauli  episiola  aut  sententiae  Salomonis;  interdum  et  psalmus  mi- 
sceatur.     Dies  festi  tribuanlur  historiis;  saepe  repelat  chronicon. 

Außer  diesen  Gegenständen,  die  Mclanchlhon  für  den  Unter- 
richt vorschreibt,  empfiehlt  er  noch  ganz  besonders  die  von  ihm 
bekanntlich  so  hoch  gehaltene  Astronomie  und  Astrologie  und  ver- 
weist dabei  auf  Hesiods  Gedicht  Ipya  xai  i^iiipat.  Ebenso  rät  er 
zur  Behandlung  der  Kosniographlc,  ut  mens  cogitel  lerranun 
metas  et  reglonum  positus  et  intervalla,  und  ist  der  Meinung, 
daß  CS  für  einen  Fürsten  sich  zieme,  einiges  von  der  Physik, 
Anatomie  und  Medizin  zu  wissen.  Unter  die  ganze,  sorgfältig 
durchdachte  Aufzeichnung,  die  von  großem  Interesse  an  der  Er- 
ziehung des  jungen  Henogs  zeugl,  hat  Melanchthon  mit  eigener 
Hand  die  Worte  geschrieben;  Haec  brevitei  annotavi,  cum  non 
satis  possim  iudicare  absens,  quomodo  sint  inslituenda  haec  studia. 
Quare  haec  iudicio  praeceptoris  vere  docti  et  prudentis  D.  Magiri 
permitto.  PhiUppus. 

Auch  später  noch  hat  Melanchthon  dem  jungen  Forsten,  um 
dessen  Ausbildung  er  sich  freundlich  gesorgt  hat,  Teilnahme  be- 
wiesen. So  iSbersendet  er  1556  dem  Herzoge  mit  einem  längeren 
Schreiben  Siegmund  Schörkels  Ausgabe  von  Helmolds  chronica 
Slavorum.') 

Im  Frühjahr  oder  Sommer  1556  legte  Magerius  wegen 
Krankheit  sein  Amt  als  Lehrer  der  Fürstensöhne  nieder  und  ging 
nach  Wittenberg,  wo  er  gegen  Ende  Juli  eintraf.")  Er  hatte  zu- 
gleich den  Auftrag  ribernommcn,  dort  Erkundigungen  einzugehen, 

'j  Corp.  Het  VIU.  S.  SUR.  Dl>  Auifibe  traeblen  im  Au^st  liU  ui  Fnnkftirt 
mll  dem  Brirf«  Mebndilhoin, 

>)  Am  t.  AoButt  I5G6  Khrelbt  McliRchthnn ;  Nunc  t^  MiiRliM,  qvl  docoll  prlncipa 
Pomennia«,  tiobiiaim  wl  iCorp.  R«f.  VUI.  S.  ilT). 


* 


^ 

k 


ob  es  ratsam  sei,  den  Herzog  Johann  Friedrich  auf  die  Witten- 

toerger  Universität  zu  schicken.    Dieser  Plan  wurde  schon  längere 

ZZtii   sorgßltig  erwogen.    Denn   bereits  im  Anfange  des  Jahres 

1-aatte  Herzog  Philipp  Valentin  von  Eicksledt  nach  Wittenberg  ge- 

^s>andl,  um  in  dieser  Angelegenheit  mit  Melanchthon  zu  verhandeln. 

.rf^m  23.  März   berichtete  eicksledt  über  seine  Bemühungen    um 

^^ine  passende  Wohnung  und  seine  Unterredungen  mit  Melanchthon. 

H>arauf  arbeitete  der  Kanzler  Jakob  von  Zitzewitz  ein  Gutachten^) 

tiber  einen  eventuellen  Aufenthalt  des  jungen  Herzogs  in  Wilten- 

Ä=ierg  aus.    Er  schlägt  darin  vor,  den  Doktor  Andreas  als  Präzeptor 

<:zics  Prinzen  auch  auf  der  Universität  zu  behalten.    Dieser  sei  auch 

tjereit  dazu,  nur  wolle  er  nicht  länger  am  Hofe  bleiben,  „aus  Ur- 

^3jichen,  daß    er  siehet,  daß    es  des  Herrn  Verderb  ist  und  ihm 

^schimpflich,  auch  sorglichj  denn  alle  Schuld  der  Versäumnis  ihm 

v^öchte  zugelegt  werden".   Magerius,  der,  wie  wir  hier  vernehmen, 

»Tiancherlei  Verdruß  in  Wolgast  erfahren  hatte,  schrieb  am  7.  August 

^n  Herzog  Johann  Friedrich  einen  Brief),   in  dem  er  ihm  von 

^ieineni   Leben  in  Wittenberg  und  von  einer  Reise  zum  Fürsten 

Joachim  von  Anhalt  erzählt,  der  versprochen  habe,  auch  einmal 

wiach  Wolgast  zum  Besuche  zu  kommen.    Zugleich  bittet  er  den 

Ä^nzcn,  doch  an  Philipp  Melanchthon  zu  schreiben,  da  das  ihm  sehr 

viOtzen  werde,  wenn  er  etwa  wirklich  die  Universität  Wittenberg  be- 

■suchcn  werde.  Unter  das  Schreiben  hat  Johann  ßugenhagen  folgen- 

«Jen  Wunsch  geschrieben:  Obsecro  dominos  meos  clcmentissimos, 

jirincipes  Pomeraniae  etc.,  inprimis  d.    johannem  Fridericum,  ut 

studeatis  pietati,  invocetis  dominum  jesum  Christum  et  incumbalis 

literis  bonis,  ut  possilis  prodesse  patriae,  id  quod  oro  cotidic. 

joh.  Bugenhagen  Pomcranus  D.,  vcstrac  cclsjludinis  servus. 
Magerius  erkrankte  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres 
1557  sehr  heftig  (habet  reliquias  aulicae  miUtiae  satis  pericu- 
losas,  schreibt  Melanchthon)  und  starb  zur  großen  Trauer 
seiner  Wittenbei^r  Freunde  am  2.  April  1557.')  Damit  wurde 
auch  der  Plan  eines  Besuches  der  Universität  durch  den  Herzog 
Johann  Friedrich  hinfällig  und  aufgegeben. 


^ 


•)  Sl  A.  SL:  V.  llDh:«i&che  Sammlnnff  No.  117.    VeL  Bilt.  SL  N.  F.  I,  S.  IM, 
>)  51.  A.  St.:  V.  BoMciKchr  Samnilung  No.  US. 
n  Vjl.  Coq».  Ref.  IX.  S.  1231. 


p 


Ein  anderer  Grund  dafQr  war  der  Umstand,  daß  der  vier- 
zehnjährige Prinz  am  28.  August  1556  zum  evangelischen  Bischof 
von  Gammln  postuliert  ward.  Zwar  blieb  er  natürlich  wegen 
seiner  Jugend  der  Verwaltung  des  Stiftes  fem.  Heinrich  von 
Normann  wurde  zum  welllichen  und  Georg  Venetus  zum  geist- 
lichen Verwalter  bestellt')  Man  hielt  es  jedoch  jetzt  nicht  mehr 
für  angezeigt,  den  Herzog  so  weit  in  die  Feme  ziehen  zu  lassen. 
So  blieb  er,  so  sehr  man  auch  die  Schäden  der  Erziehung  am 
herzoglichen  Hofe  selbst  erkannte,*)  doch  zunächst  noch  mit  seinen 
Brüdern  in  Wolgast  und  setzte  seine  Studien  unter  Leitung  der  beiden 
Greifswalder  Professoren  Gerhard  Belowund  Balthasar  Rhau*) 
fort,  die  am  15.  Juni   zu  fürstliclien  Erziehern   bestellt  wurden. 

Auch  diese  Gelehrten  arbeiteten  einen  ausführlichen  Er- 
ziehungsplan aus,»)  in  dem  sie  ihre  nach  Beratung  mit  den  herzog- 
lichen Räten  aufgestellten  Grundsätze  darlegten.  Der  eigentliche 
Verfasser  des  Schriftstückes  scheint  Below  gewesen  zu  sein.  Er 
berichtet  auch  zugleich  über  die  bisherige  Art  des  Unterrichts. 
Die  wichtigste  Aufgabe  ist  auch  ihm  nach  Christi  Wort  (Matth. 
6,  33)  das  Trachten  nach  dem  Reiche  Gottes.  Deshalb  beginnen 
die  Prinzen  den  Tag  mit  dem  Hersagen  von  Abschnitten  aus 
Luthers  Katechismus  und  der  Lektüre  eines  Kapitels  aus  der  UibeL 
Den  jüngeren  Söhnen  des  Herzogs  wird  ein  Spruch  der  Heiligen 
Schrift  oder  eine  Sentenz  zum  Lernen  aufgegeben;  besonders  be- 
handelt Magister  Balthasar  die  Sprichwörter  Salomonis  und  die 
bekannte  Chronik  Canons,  die  Melanchthon  bearbeitet  hat 
Genauer  wird  in  der  Denkschrift  der  Studienplan  für  Johann 
Friedrich  aufgestellt  Dabei  spricht  der  Magister  den  Wunsch 
aus,  daß  er  auch  etwas  Griechisch  lerne.  Existimamus  cnim  non 
mediocre  ornamentum  addere  viro  principl,  si  graece  scriptas  hi- 
slorias  sine  interprete  suo  Marte  3egcre  et  intelllgere  possit,  ut 
interitn  taceam,  quantum  et  In  sacris  praesertim  novi  tcstamcnti 
Hbris  et  in  iurisconsultorum  libris  recte  intetligendis  habeat  graeca 
lingua  momenti.  Sonst  wird  besonders  die  Lektüre  der  Cicero- 
nianischen  Schriften  betont,  für  welche  das  Studium  der  Gramnw 

')  Val.  Bslt    Stud.  XXX  5.  T     XLII  S.  H». 

■;  Vcl  Ball.  Slud.  N.  P.  1.  IQS. 

■)  Vcl,  KotcEarien,  Ocscb.  der  Univ.  OmlmOd  I.  S.  203.  IM. 

*}  St.  A.  S4.:  V.  BohlcnKJie  Sammlang  Nr.  117. 


Von  der  Erziehung  und  Ausbildung  pomnierscbeT  Fürsten  etc. 


* 


des  Philipp  Melanchlhon  zu  empfehlen  und  eifrig  zu  betreiben  ist 
<3elesen  werden  VirgilsEkiogen  unJBiicolicaundTerenz'  Komödien. 
Für  die  jüngeren  Prinzen  wird  die  lateinische  Qrainmatik 
«J^rs  Hermann  Bonnus  empfohlen.  Accedlt  eliam  quotidianum  In- 
tirasL^  iinguae  in  omnibus  confabulationibus  et  toto  convictu  exerci- 
liurxi;  qui  vero  deprehenduntur  uti  lingua  vernacula,  plectuntur. 
■i^i-am  Schlüsse  seines  Berichtes  äußert  sich  Bebw  auch  über  die 
^Vfci^ichi,  die  jungen  Prinzen  nach  Greifswald  auf  die  Hochscliule  zu 
s^rm  cden,  und  stellt  die  Forderung  auf,  daß  für  diesen  Fall  ein  fester 
F^l^ri  nicht  nur  für  die  Studien,  sondern  auch  für  die  ganze  Ein- 
■"»«=l^lung  dort  aufzustellen  sei. 

Diesem  Gedanken  trat  man  immer  näher.  Schon  im  Herbst 
^  ^^<ii  reichte  der  herzogliche  Kämmerer  Michael  Küssow  ein  Gut- 
^^^l^tcn  über  die  Einrichtung  für  die  jungen  Herren  in  Greifswald 
^*  ■'^  -  Die  weiteren  Vorbereitungen  dauerten  lange  Zeit.  Am 
*  ^-  Juni  1557  ward  Johann  Friedrich  feierlich  im  Camminer  Dom 
^-^■'^      Bischof  inauguriert 

^P  Als  dann  am   11.  Dezember  1557  das  Schloß  in  Wolgast 

^■^fc>rannte,  da  brachte  Herzog  Philipp  seine  drei  ältesten  Söhne 

•J^-^^^ann  Friedrich,  Bogi&law  und  Ernst  Ludwig  nach  Oreifswald, 

^^^^    man  sie  am  21.  Dezember  feierlich  empfing.    Sie  wurden  vom 

"^Ktor  und  dem  Senate  berußt,  und  der  fünfzehnjährige  Johann 

K        *~i«drich   antwortete    in    wohlgesetzter    lateinischer    Rede.     Am 

^B       ■      Februar   1558  wurden   die  drei  Prinzen  mit  elf  jungen  Edel- 

H    ^*-»ten  nach  alter  Sitte  deponiert  und  am  5.  Februar  immatrikuliert'). 

Ist  auch  die  Erziehung  der  Fürsten  damit  keineswegs  abge- 

^H    ^^Ä^lossen,  sondern  beginnt  namentlich  für  die  jüngeren  Söhne  des 

^P    ^^rzogs  erst  recht  eigentlich,  so  mag  doch  die  Darstellung  hier 

^^schlossen   werden.    Auch    für   den  Aufenthalt  der  Prinzen  in 

^-*  »"eifswald  liegt    mancherlei  inleressantM  Malerial    namentlich  in 

^^^reichen  Briefen   vor.    Vielleicht  bietet  sich  später  einmal  die 

^^legenhcit  es  zu  verwerten,  ähnlich  wie  von  Medem')  es  für  die 

^-^Tiivcrsitätsjahre  getan  hat,,  welche  die  Herzoge  Ernst  Ludwig  und 

^i^mim  1563- 1565  in  Wittenberg  verlebten. 


I»  rrledlindtr.    Mairikcl  von  Qreirsvrild  I  5.  247,  24S. 

■)  F.  C  L.  T.  Mcdein,    Die  UnivenitAUiihre  der   Henoee  Ernit  L-udvlE  und 
lUrnim  to«  Poannn.    AdIcImi  IBOT.    Vgl.  auch  Ball.  Stud.  IX.  3  S.  K«. 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers 

Wolfgang  Ammon 

von  Marktbreit  (f  1634). 

Mitgeteilt  von  FRANZ  HÜTTNER. 

III. 

[rol.  130.)    Schreiben,  so  denkwürdig',  an  mich  abgangen. 

I.  Jan.  Anno  1580  das  lezle  von  meinem  seel.  Vatter  be- 
kommen. 

Anno  1592  23.  August  schreibt  mir  mein  bester  Freund 
ChristoH  Jordan  (der  mit  mir  in  einer  Kost  7,um  Hof  bey  der 
Löwin  gewesen  und  mit  der  Zeit  Prediger  zum  Hof  worden)  von 
gesagten  Stadt  Hof  aus  gen  Jena,  ich  bekomme  gewiss  der  Löwin 
Töchter  eine,  so  ich  wrll,  die  doch  wol  gezogen  und  sehr  reich 
waren,  allein  ich  hab  geförchtelj  Crämcr  Out  fasele  nicht,  und  die 
Töchter  werden  stattlich  gehalten  sein  müssen  etc. 

Anno  1593  13.  Apr.  Schreiben  von  meiner  gn.  Herrschafft, 
ich  soll  jura  studiren;  denn  ich  hatte  den  13.  Martü  beederle)' 
Facuitäten  vorgeschlagen.  Es  ist  aber  hernach  anderer  Bescheid 
herauskommen. 
[Bl.  31.]  Summa  Vitae  Woifgangi  Ammonii  Junioris  animaruni, 
quac  Christo  in  Marckbrait  colliguntur,  olim  pastoris. 

Cr  ist  geborn  zu  Dinkelsbühel  in  der  Reichsstat  7.  Jan. 
.\nno  1572  um  2  Hör  in  der  Nacht.  Sein  Vatter  war  Herr  M. 
Woifg.  Ammonius,  Helfer  oder  Caplan  daselbst,  welcher  darnach 
Anno  157Q  hier  Pfarrer  worden  und  Anno  89  Todtcs  verfahren 
26.  Jan.  Die  Mutter,  Frl.  Maria,  Herrn  M.  WoIfg.  Jungens,  des 
Evangel.  oder  Reformirten  Stiffts  zu  Feuchtwaiigen  letzten  Decani, 
Tochter.    Ist  den  8.  Jan.  dess  obgedachtcn  72.  Jahre  getauffl  worden 


Selbslbiogrsphie  des  Stadtpfamcrs  Wolfgang  Ammon  etc.        285 


I 


von  "WoUgangus,  nach  dem  Valter  und  Anherrn  genenntj  denn 
der  Oeratter,  Herr  Veit  Renner,  ein  Kirchetipf leger,  solchen 
Nahmen  nicht  gehabt.  WoIFgang  heist,  nach  Herrn  Luthcri 
Meinung,  einer,  der  den  Leuten  zu  Hfilf  gang  oder  komme. 

y\ls  er  reden  gelernt  (welches  langsam  hergangen  und  bey 
An  rO  lirung  eines  schnappenden  Fisches  im  Schrekken  erstlich 
hera.usgestossenf  wie  die  Eltern  berichtet)  ist  er  iti  die  deutsche 
Schu  1  zu  Dinkelsbühel  geschikket  vorden,  und  folgends  in  die 
lateinische  päpstische  Schul  daselbst,  weil  kein  andere  vorhanden. 
I^oofm  dass  er  nil  mit  den  andern  zur  Mess  und  zum  Tagampt 
gierig^.  Weil  man  ihn  aber  in  ihre  Kirchen  gelokkel  und  Kerzen 
zu  "tx-agcn  geben  etc.,  auch  Weck  zu  Lohn,  als  hat  der  Vatter 
'*'^^*t  verstanden  und  diess  Söhnlein,  damit  es  nicht  von  Papisten 
verführet  würde,  gen  Fcuchtwang  in  die  Schul  gethan  und  der 
^^fr^auen  Kost  geniessen  lassen. 

Anno  79   hat   er   zu  Marckbrait    in    derselben  Schul   seine 

"^^ndamenta  pietalts  et  artium  angefangen  zu   legen,  schreiben, 

^^^iniren,  conjugiren,  exponircn  etc.  gelernt,   unter  Herrn  Joh. 

^^nilein,  so  hemacher  ein  Rathsherr  worden,  dessen  Sohn  jetzt 

^**i  Bürger  allhier. 

Anno  86  zu  Rotenburg  zu  frequenüren  angefangen  Martini, 
^*  er  seine  Lectiones  gehabt,  auch  seine  camiina  Latina  und 
^^raeca  scripta  gemacht.  Anno  88  ist  er  gen  Hof  ins  Voitland 
^crschikkt  um  Laurentü,  da  er  alsobald  in  primam  classem  kommen 
•-tnd  mit  Herrn  Mchlfi'ihrer,  M.  Salom.  Blechschmid  als  Commüi- 
'^onibus  in  Kundschafft  kommen.  4  Jahr  da  blieben,  gut  Sach 
^habl  und  viel  durch  Gottes  Qnad  in  unguis  sorol  Ebraica  und 
^raeca  als  Utina  getasst,  den  Homenim  und  ein  cydopaediam 
artium  liberalium  gehört 

Anno  92  am  Tag  Petri  und  Pauli  nach  Jena  kommen  und 
«la  studirt  biss  95  unter  D.  Dort.  Oeorgio  Mylio,  Exoticcs  lingua* 
>-on  M.  Christophoro  Hammero  gehört  und  den  cursum  philo- 
sophicum  mehrentheils  absolvirt,  aber  Armuth  halben  den  Qradum 
Magisterii  nil  annehmen  können.  Anno  95  von  seinem  gn.  Herrn, 
«ton  hochwolgebohrenen  H.  H.  Georg  Ludwigen  von  Sainssheim 
«lern  Jüngern  (der  iBl.  31']  Jhn  sowol  als  der  ältere  Herr  tic. 
etliche  jähr  zum  Studium  verlegt)  zum  vacirenden  Cantorat  ab- 


-286  Fnnz  Hflttner. 


gefordert  von  der  Acadetnie.  10.  Maji  angetretten  und  bissjala>bi 
Anno  97  selbigen  Dienst  venralteL  Anno  97  18.  Jul.  ist  ihm 
die  Pfarr  Crassolzheim  anvertrauet  und  er  den  24.  JuL  darzu 
ordiniret  worden,  hat  auch  das  Decanat  Winsshdm,  wdls  ein 
ninüe  capitulum  gewesen,  uff  Gutachten  Herrn  Andreae  Nagelii, 
wohlverdienten  Pfarrers  daselbsten,  Anno  1606  darzu  bekomm«!, 
und  ist  also  zu  bemeldten  Qrassolzheim  bis  ins  17.  Jahr  Pfarrer 
gewesen. 

Anno  1614  27.  Febr.  zum  Diaconat  gen  Marckbrait  investirt 
worden  und  18  Jahr  Caplan  gewesen  und  zuweilen,  wenn 
•die  Schuldienst  verledige^  ihr  officium  bis  zur  Bestellung  ver- 
sehen. 

Anno  1631  4.  SepL  ist  ihm  die  Pfarr  daselbsten  anvertrauet,, 
-dab^  er  biss  an  sein  End  geblieben. 

Seinen  Ehstand  betreffend  hat  Er  zum  1.  mal  Hochzeit- f;it 
gemacht  anno  95  den  18.  Nov.  mit  Apollonia,  Herrn  Johanir-K-jo 
Cuppelichs,  Stadtvogts  zu  Feuchtwangen  seel.  hinterlassener-K-sn 
Tochter,  in  ihrem  Vaterland  und  12  Kinder  in  w&hrender  Eh».Mr3e 
mit  ihr  erzeugt,  4  Sohn  und  8  Töchter,  davon  nodi  3  Töditö^^=r, 
^s  diess  geschrieben  (seil.  8.  Sept  Anno  34)  gelebt, 

II.  Anno  1617  26.  Aug.  Dienstag  nach  Barth,  mit  dcT— 'aer 
andern  Vertrauten  Regina,  Herrn  M.  Hieronymi  Theodorici  voUM^l- 
verdienten  alten  Limpurgischen  Pfarrers  zu  Sommerhaussen  Tochtei  m.-^, 
Hochzeit  gemacht  und  kein  Kind  mit  ihr  erzeugt 

Was  sein  Leben  und  Wandel  anbelangen  thut,  hat  er  sich"i^=h 
vor  groben  wissentlichen  Sünden,  so  viel  mit  Gott  immer  möglich  «ri^ 
fürgesehen,  sein  Arapt  ihm  treues  Fleisses  angelegen  seyn  lasseni«"*^i 
sich  für  einen  armen  Sünder  erkannt  etc.  und  die  StQkk  einei«^^*' 
wahren  Busse  bey  sich  vermerkt 

Das  vielfältig  Creuz,  so  ihm  von  Kindesbeinen  an  biss  in^*"^'' 
graue  Alter  an  seinem  Leib,  Weibern,  Kindern,  Vieh  etc.  za~9'^^ 
versuchen  gegeben,  und  das  er  auch  im  Wandern,  uffn  Schulen  M"*^ 
im  Schul-  und  Kirchenampt  erlitten,  seit  wol  schwerlich  auf  ein^^  ■*^' 
Kühhaut  zu  bringen  seyn.  Doch  hat  ihm  Gott  immer  vfttterlich-*=^ 
geholfen  und  einen  Wechsel  des  Leides  und  der  Freude  verliehen,  «"»^ 
auch  Gaben  des  Leibes,  Verstands  und  zeitlicher  Nahrung  geben,  f* "' 
so  viel  ihm  nuz  und  gut  gewesen,  viel  guter  Gönner  neben  derr*^* 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc.       287 

raissganstigen  verliehen,  auch  wol  seine  unbillige  Feinde  Ihm  zu 
Freunden  gemacht 

Die  Krankheit,  so  ihm  lezlich  wiederfahren,  ist  Gott  und 

£;uten  Leuten  bekannt    Der  darauf  gefolgte  Todt  aber  und  wie 

er   abgedrukket,    ist  dem  Schreiber  diessmals  unbekannt,    hoffet 

aber,  der  Herr  Jesus,  dem  er  äusserster  Möglichkeit  nach  gedienet 

und  seine  Ehre  gerettet,  soll  ihn  mit  einen  sanfften  seeligen  End 

b^;naden   [ist  geschehen  gestern  den  22.  Sept  1634  um  7  Uhr 

im  Sessel  und  in  Armen  Conjugis,   in  s.  climacterico  magno  et 

heroico,  63.],  von  allen  Uebel  erlösen   und  zu  s.  Himmlischen 

evigen   Reich   aushelfen,   welchen    sey    Ehre   von    Ewigkeit  zu 

Ewigkeit   Amen.    Den  Text  Johann.  XII,  25:  wo  ich  bin,  [da  soll 

mein  Diener  auch  sein]  etc.,  bittet  der  Schreiber  coUegialiter  ihm 

bey  der  Leichenpredigt  zum  letzten  Ehrendienst,  dem  Volk  aber 

zu  Unterricht  zu  erklären. 

NB.  Dieser  Lebenslauff  ist  also  bey  der  Leiche  verlesen. 
1-    32,  fol.  146.]   Creuz,  Gefahr,  Unglükk,  Noth,  Widerwärtig- 
keit, wie  mans  nennen  will,  ohn  die  Krankheiten,  oben  108 
beschrieben. 

Anno  1591  12.  Jan.  mir  ein  Stein  in  Kopf  geworfen,  darüber 
ich  ein  Loch  bekommen,  als  ich  zum  Tanz  zusehen  wollen, 
welches  das  erste  Tanzbesehen  war  und  übel  gerathen,  darum  ich 
auch  hernach  nichts  tanzen  gelernt 

Anno  92  vom  18.  Sept  biss  uff  7.  Od.  uffm  Stroh,  Bänken 
und  blossen  Tisch  des  Nachts  geruhet,  doch  Wilibald  HQberlein 
sich  mein  lezlich  erbarmet 

[fol.  147.]  Anno  92  13.  Dez.  kein  paar  Schuh  vermocht  zu 
bezahlen.  18.  diess  3  dl.  um  eine  blosse  Suppe  geben,  da  ich 
keine  Kost  hatte. 

Anno  93  28.  Febr.  von  einem  Wagen  gefallen  und  ein 
Rad  über  mich  gangen,  doch  keinen  Schaden  befunden.  30.  April 
und  1.  Maji  wiederum  keine  Schuh  gehabt,  biss  ich  mit  Schreiben 
verdient 

Anno  94  im  Jun.  will  Oefftiger  zu  Jena  nit  4  fl.  6  Groschen 
borgen  g^jen  so  grosser  Verheissung,  seine  Tochter  zu  freyen, 
vann  ich  Dienst  bekomme;  denn   ich  dieser  Zeit  fast  von  allen 
JMenschen  verlassen  war. 


|fol.  148.)  Anno  95.  30.  Marty,  nachdem  ich  zuvor  (wtü 
mein  Stipendium  zu  lang  aufgehalten  worden,  ohne  raein  Ver- 
schulden, und  ich  die  Kostfrau  nicht  contentiren  können)  im 
Arrest  ufr  der  Stuben  meiner  Wohnung  innen  gehalten,  wieder 
erlassen,  darauf  mir  gleich  ein  Bot,  Geld  7u  holen,  zugegeben 
worden  und  von  der  Academia  nach  Brait  ich  gereiset  und  bald 
darauf  zu  Dienst  befördert  bin. 

Anno  1596  im  16.  Oct.  Tag  in  der  Kirch  zu  Marckbreil 
anderthalb  (NB.)  Mann  hoch,  otKn  von  dem  Gebälk  herab  uff 
die  Porkirchen  in  Beyscyn  meines  schwängern  Weibs  gefallen, 
und  wenn  mich  Gott  nidtt  durch  der  h.  Engel  Schutz  behütet 
und  ich  an  den  gedrehten  Stollen  mich  gehalten  hätte,  so  wäre 
ich  gar  hinab  uff  den  daselbst  stehenden  Taufstein  gerathen  und 
zu  Todt  gefallen,  gleich  im  hoben  Mittag,  als  man  die  Kirch  er- 
weitert um  diesse  Jahrszeit  [Plochmann,  S.  79]. 

(fol.  149.]  Anno  1603  5.  Julii  weder  Mehl  noch  Brod  noch 
Geld  gehabt  Der  Müller  aber  zu  Hambühl  [im  Amtsgericht 
Neustadt  a.  der  Aisch],  mein  guter  Freund,  strekkt  mir  20  Bozen 
vor,  dafür  soll  meine  Magd,  die  Rudel  Elss  genannt,  Brod  kaufen; 
die  laufft  18  Miihlen  ihrem  Fürgeben  nach  aus  und  kan  nichts 
bekommen,  biss  sie  lezlich  zu  Steffi  [Marktsteft  im  B,  A.  Kitzingen] 
9  Laiblein  Brod,  jed«»  um  36V)  dl.,  erhielt 
[Bl.  32",  f.  150.]  Anno  1603  20.  Sept.  Welsche  Krämer  trozen  mich  und 
meinen  Bruder  bey  Windsheim  mit  ausgezogenen  Degen  und 
Tolchen.  30.  Scpt  bcy  Albcrhofen  (Albcrtshofen  im  Amtsgericht 
Dettelbach],  ehe  ich  gen  Grossen  Langheim  komme,  im  Holz 
grosse  Gefahr  von  Mördern. 

4.  Oct.  Pfaff  von  Bibarl  [Marktbibart  im  Amtsger.  Schein- 
feld]  stellet  mir  uff  der  Ingolstatter  Kirbcn,  da  ich  mit  meinem 
ersten  Weib  bey  dem  Wirth  als  ein  geladener  Gast,  weil  ich  seine 
Kinder  inslituirL 

Anno  1606  den  31.  Mart.  weinet  mein  Weib,  dass  wir  so 
wenig  Geld  hätten  und  so  arm  wären. 

6.  Nov.,  da  dieser  Zeit  die  Plag  zu  Crassolzheim  regiert, 
in  Gauss  Rohnen  hauss  grossen  Jammer  gesehen,  als  Ich  die 
Kranken  besuchen  wollen.  Die  schwache  Frau,  so  an  der  Plage 
lag,  zeucht  ihren  an  der  Plag  gestorbenen  Mann  selbst  an,   und 


Seltstbiogn^hie  des  Stadtphuros  Wolfgang  Amnion  etc.       289 

Ion   ihn  doch  gar   nicht  aufe  Bett  bringen.    Dieser   Zeit   waren 
schier  kdne  Träger  mehr  zu  bekommen. 

[fot.  151.]  Anno  1605  28.  Jan.  will  sich  meine  Magd,  die 
ihren  Tauffnahmen  verläugnet  hatte,  henken  in  meiner  Scheuren, 
ich  zu  trösten  hatte. 

Den  20.  Febr.  zwischen  Obembrait  in  Bach  gefallen,  Stegs 
verfehlt,  da  ich  allein  gangen. 

Anno  1606  27.  April  wirfft  mich  ein  stolzes  Ross,  da  ich 
nachm  Seefaauss  reiten  und  predigen  soll,  im  Dorf  Crassolzheim 
noch,  über  seinen  Kopf  mit  Sattel  und  all  herab. 

Anno  1608  26.  Febr.  bei  Mönchsondheim  übern  ange- 
lauffenen  Bach  auf  einem  Weidenköpplin  fehltretende  biss  an 
Halss  in  das  Wasser  gefallen. 

Anno  1610  16.  Oct  hab  ich  eine  Leich  zu  Dorf  Cottenheim 
ohne  einiges  Menschen  HQlf,  darzu  einen  Berg  hinauf,  da  Ihr 
B^räbniss  ndTen  der  Kirchen  is^  besungen. 

[fol.  152.]  Anno  1610  30.  Jul.  Leonhardt  MQtler,  wie  mich 
mein  iOrchner  berichtet,  hat  mir  gedrohet,  ist  aber  lang  tumiret 
worden  und  hat  mirs  abbitten  und  verbürgen  müssen,  mir  nichts 
zu  thun.  Ist  die  Dräuung  herkommen,  weil  ich  der  Eheordnung 
nicht  zuwieder  handeln  wollen. 

Anno  1612  20.  )an.  zwischen  Cottenheim  dem  Dorff  und 
Crassolzheim  in  Schnee  und  Eis  hineingesunken,  [Bl.  33]  und 
mächtig  gesdirien  und  änderst  nit  gemeint,  denn  ich  bleiben 
müsse. 

15.  Nov.  wegen  einer  Gesezpredigt  vom  Lechelein  aus 
herrschaftlichen  Befehl  besprochen;  doch  ist  man  auf  Erklärung 
mit  mir  zufrieden. 

Anno  1613,  den  20.  Jun.  wirfft  mich  ein  gross  Wetter  zu 
Boden  für  plözl.  Schrekken. 

Den  8.  Aug.  wegen  einer  Predigt  von  Kleidern  besprochen 
zum  Seehauss. 

Anno  1616  11.  Oct  wegen  des  auflegten  7.  Oebots  Qe- 
Ubr  zu  Brait 

Anno  1620  15.  jul.  Herr  Schuldheiss  Groh  und  sein  Ver- 
weser, [fol.  153]  Herr  Kummer,  wollen  mich  und  Herrn  Pfarrern 
veridagen,  weilen  wir  dem  entleibten  Schreiner  läuten  lassen  und 

Archiv  fb  KBltBi-gcKhldite.    I,  3.  1? 


eine  Busspredigt  thim  wollen.   Sie  haben  ihne  aber  wehren  lassen, 
weil  wir  uns  auf  dergleichen  Prooess  zu  Obembreit  beruften. 

Den  10.  Aug.  wegen  einer  scharfen  Predigt  von  den 
Kirchengütem,  am  Tag  Laurentü  gehalten,  durch  Secrctarium 
Schattemann  ihrenthalben  besprochen. 

Anno  1627  4.  Mart  uff  |fol.  154)  Gerbers  Jörgen  Qastung 
will  mir  ein  Landsknecht  eine  Tochter  abnöthcn,  die  Apoltonia, 
zuvor  ein  papistisch  Buch  abhandeln,  giebt  mir  wider  meinen 
Willen  ein  Ring  uFfs  Buch,  giebt  darnach  vor,  er  hab  ihn  meiner 
Tochter  auf  die  Ehe  gegeben,  die  doch  nit  zugegen.  Ich  war 
bald  in  Jammer  und  Noth  kommen.   Jezt  kenn  ich  die  Landsknecht 

26.  diess  wiederum  Gefahr  eines  frembden  Musterschreibers 
halben. 

3.  Apr.  warnet  mich  M.  Fries,  wie  auch  die  Krämer»-Maria 
wegen  der  Papisten  gedrohten  Einfalls  in  unsere  geistliche  Häusser- 

16.  diess  ich  wieder  in  grosser  Gefahr,  denn  ich  nach 
Kalten  Sundheim  [Kallensondheim  im  B.  A.  Kitzingen]  (weil  M. 
Postler  todt)  wegen  der  sorglichen  Pfarr,  damit  Bischoff  nicht 
einfall,  soll  mich  auf  etliche  Wochen  begeben  und  daselbst  auf- 
warten, damit  mein  Herr  in  Possession  bleib. 

2Q.  April  fochten  die  Landsknecht  meine  Predigt,  an  Bet- 
sonntag gehalten,  w^en  einer  Historie  aus  D.  Luthem  angeführet. 
hefftig  an.  6.  Maji  sonderlich  auch,  [BI.  33')  also,  dass  ich  meine 
beste  Sachen  in  die  Sacristey  flöhen  müssen.  Doch  im  höchsten 
Betrübniss  referirt  mir  Organist  Hayn,  Er  bey  Georg  Siber  auf 
meine  Gesundheit  bey  den  Soldaten  trinken  mQssen  und  BirkneT3 
Soldat,  ein  Papist,  mir  sagen  lassen,  er  sey  gegen  mir  mit  Un- 
wahrheil versagt,  Ich  solle  mich  nicht  förchten.  NB.  Es  ist  mir 
gedroht  gewesen  zuvor,  wenn  ich  uff  eine  Gastung  geladen 
werd,  dabey  sie  auch  scycn,  so  wollen  sie  das  Tischtuch  über  mich 
dekken  und  mich  rechtschaffen  zerblüwen.  Peter  Weiss  hat  mich 
gevarnet.  Ich  hab  auch  etlich,  ja  wol  8  Tag  nicht  aus  dem 
Flekken  gedörfft,  doch  hab  ichs  lezllcli  gewagt  und  mich  meines 
guten  Gewissens  getn'istet  und  hinaus  gelanget. 

Anno  1628  21.  April  bey  die  20  Reuter  im  Döchtel  uff 
mich  kommen,  denen  ich  nicht  entgehen  können,  ist  mir  doch 
Vein  Leid  geschehen. 


Selbstbiographie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc.       291 


[fol.  155.)  Anno  1629  5.  Febr.,  als  ich  mit  Herrn  Kümmern 
SchuWhcisscn,  und  Herrn  Oevatem  nacher  Scehauss  zur  gn. 
Frauen  seligen  Leichleg  ufT  der  Gulschcn  gefahren,  gehet  der 
Verschlag  atif,  und  fall  ich  heraus  und  stehet  mir  (weil  der  Bauer 
nit  hören  will)  das  Rad  schon  am  Schenkel,  also,  dass  man  das 
Zeichen  etliche  Wo«hen  gesehen,  und  wann  meine  Beysizer  nichl 
alUumal  dem  Bauern  zugeschrien  und  die  Gaul  noch  einen  Zug 
gethan  hätten,  so  war  es  um  mein  Bein  geschehen  gewesen.  Gott 
sey  Dank  jezt  und  allzeit,  der  mir  so  gnädig  geholfen. 
^  Erbärmliche  Sachen, 

y  [fol.  15S.]    Anno  1587  7.  Sept.  crscheusst  sich  Hanss  Dorsch 

zu  Brait,  der  in  Wochen  (als  schon  ausgekündet)  soll  Hochzeit 
machen  mit  Anna,  welche  hernach  den  Schubarts  Clausen  be- 
kommen. Schreibt  vorhin  klägliche  und  bedrohliche  Wort  auf 
den  Tisch  (Plochmann,  Gesch.  v.  Marktbr.  S.  102).  Werden  ihm 
die  Schenkel  abgehauen,  ins  Fass  er  gespundet  und  in  Main 
geworfen. 

Anno  1598  7.  Nov.  meines  Weibes  Bruder  Georg  [Bl.  3A\ 
Cuppelich  (von  seinem  Müller  zu  Feuchtwang,  der  Schönmülter 
genannt)  uff  seiner  Schwester  Hochzeit,  da  die  andern  getanzt, 
erstochen,  doch  ehrlich  begraben  worden.  Ich  ihm  vorgebetet. 
Desselben  Müllers  Sohn,  ein  Studiosus,  ist  von  einer  Tanzboden- 
stiegen herab  zu  Todt  wiederum  gefallen. 

[fol.  139.}  Anno  löOO  10.  Jan.  bin  ich  zu  des  Vögten 
Af\ichael  Cbrists  zu  Norütheim  Weib,  welche  vom  bösen  Geist  um 
t^eibeigenschafft  gegen  viel  Gel dsr eich ung  angesprochen  und  gar 

rierisch  aussähe,  geschikket  worden,  sie  zu  bekehren,  wie  geschehen. 
Anno  1602  7.  Oct  mein  Pfarrkind,  die  Schüzin  Röserin 
ernannt,  tasst  ihren  wassersüchtigen  Leib  am  Nabel  öffnen,  daraus 
^  lAass  Wasser  geloffen.  Hat  noch  etliche  Jahr  gelebt  und  hernach 
f^L^t  jähling  gestorben. 

Anno  1603  9.  Jul.  unsers  Kühhirten  Georg  Bullenheimers 
^ind  in  einer  Krautbrühe  sich  zu  todt  gebrenneL 

Anno  1604  19.  Maji  ein  Mezger  von  Nürnberg  entleibt  auf 
«inen  Hieb  den  Wirtli  von  Ezelheim  [B.  A.  Scheinfeld],  Stoll  genannt. 
Anno  1605  23.  Febr.  Müllen  zu  Ingolstatt  |B.  A.  Scheinfeld] 
I        "Cind  ertrunken. 

ir 


292  Pranx  Hüttner. 


>         Anno  1606  9.  Sept  uff  der  Qrassolzheimer  Kirchweyh  ein 
Northeimischer  Mann  im  Umgang  erschossen  worden. 

|fol.  löO.]  Anno  1610  7.  OcL  Sonntags  erfahren,  wie  der 
Rathsherr  zu  Brait,  Oöbel  genannt,  vorigen  Mitwochs  im  Main 
daselbst,  als  er  in  voller  Weiss  fahren  wollen,  enoffcn. 

Anno  1610  7.  OcL  hat  der  Doctor  Medicus  F^abridus  den 
Apotheker  zu  Windsheim  erstachen. 

Anno  16]  1  im  Junio  gilt  ein  ?*/■  pfQndiger  Leib  Brod  72  dl., 
I  Mez  Mehl  18  Batzen  1  kr.  Vergesseis  nicht!  Hebe  Kinder,  hebt 
das  edle  Brod  schön  auf! 

Den  2.  Aug.  gilt  ein  Drcyling  Salz  2  Batzen. 

Anno  IÖ12  im  Sept  sind  zu  Windsheim  3  Menschen  (Bl.  M'\ 
im  Brunnen  zu  Hauss,  da  nun  den  säubern  wollen,  von  einem 
Basilisken  gehling  getöütet  ohne  die  andern,  so  das  Gesicht  ver- 
bunden gehabt,  den  andern  zu  helfen  und  doch  auch  sehr 
schwach  worden. 

In  diesem  Jahr  soll  zu  Kleinen  Langheim  ein  Quell  im  Set 
daselbsten  eitel  Blut,  eines  Arms  dikk,  aufgetrieben  haben  und 
Herr  Dechant  Salom.  Codman  [vgl.  Volkmar  WJrth,  Barth.  Diet- 
mar 1887  S.  13]  davon  2  Predigt  haben  gethan. 

Anno  1613  3.  Jul-  Anna  Christina  des  Kochs  Rcmigii  Weib» 
ersäufft  sich  selbst  in  einem  liederlichen  Bächlein  zu  Nordbeim 
in  Melancotey  ohne  Gotteslästerung,  ist  disputirt  worden,  uff  gn» 
Herrn  Joh.  Erkingers  Befehl,  Ich  Hab  erhalten,  dass  sie  noch  auf 
den  Qollesakker  ohne  Gesang  und  Klang  kommen. 

|fol.  161. J  Anno  1614  2.  April  HerrSchuIdheissOroh  vom  Hof- 
mdster  Etzdorf  uffm  Feld  übcrritlenund  in  Kopf  gehauen  worden. 

Anno  1614  im  Majo  wegen  langen  Schnees  (der  in  die 
18  Wochen  gelegen)  und  Schwaben fahrens  das  Korn,  ja  alles 
Gelraid  aufgeschlagen.  Den  3.  Maji  galt  ein  Malter  Kom  7  fL 
NB.  1  Leib  Brod  schlug  in  einem  Tag  20  dl  auf,  und  galt  71  Vi  dl 
(Addidit  nonnemo:  0  lieber  Gott,  wie  jezo?  im  Martio  1636  gilt 
das  Malter  schon  10  fl.  40  Kr.,  das  Pfund  Fleisch  6  Kr.) 

Den  28.  Maji  schlugs  Brod  wieder  ab,  10  dl.  auf  1  Tag. 

Den  19.  Julii  erfahren,  meinen  Bruder,  Pfarrer  zu  Jecken- 
heim,  hab  vor  2  Tagen  das  Wetter  in  die  Scheuer  geschlagen, 
3  Sau  verbrannt  und  in  40  fl.  Schaden  gethan. 


Selbstbiographie  d«  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc.       2^' 


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Anno  1615  15.  Febr.  des  Niciaus  Rossen  Arzts  vermeinte 
vassersOchlige  Tochter,  die  wir  oft  besucht,  auch  als  eine  bald 
sterbende  communidrt  und  das  gemeine  Gebet  für  sie  gethan, 
gebieret  einen  Sohn. 

1.  Dec  der  junge  Claus  Groh  bat  Schlägerey  mit  Junkher 
Zobel  und  seinem  Vogt,  kostet  dem  Junkhem  2  Finger,  Vogt 
»ird  biss  aufs  Hirn  wund,  beichtet  ein  anderer  für  ihn,  giebt  er 
ein  Anzeigen,  dass  Ihms  also  gemeint 

I  Anno  1616  18.  Jan.  ertrinkt  der  Sauer,  Fischer^  fn  trunkener 

Weiss  und  bleibt  unterm  £iss,  wird  nach  etlichen  Wochen  zu 
Frickenhaussen  gefunden  zwischen  2  StikkeEn,  hieher  geführt  und 
begraben. 

35]  Den  6.  Febr.  haben  2  Eyer  Q  dl.  gölten  zu  Ochsenfurth  und 
16  Eyer  S  Schilling.  Claus  Oerter  bezeugts  (im  Marl  1636  ein 
Ey  1  Groschen), 

Den  2I.Jun.  ein  Strahl  in  neuen  Herrschaff tsbau  geschlagen, 
den  Balken  wfist  zersplittert,  doch  nicht  ange?ündet. 

I.  Juli  eine  hier  zu  todt  gefallene  Krämerin  begraben  worden. 
Anno  1616  den  25.  Oct  Edelmann  Zobel,  der  hie  gewohnet, 
fällt  vom  Gaul  zu  todL 

Anno  1617  31.  Mart  M.  Unfug  gestochen  worden,  da  er 
mit  meinem  gn.  Herrn  gefochten,  hab  ich  ihm  gegen  Tag  das 
Abendmahl  gcreicht 

[fol.  162.]    Anno  19  den  29.  August  Sonntags  Auflauft  aus 
er  Kirchen,  ehe  man  die  Predigt  angefangen,  wegen  der  Würz- 
t»urger  Reuter,  die  förQber  zogen;  wie  sie  hinweg  waren,  hat  man 
^in  Zeichen  geläutet  und  den  Actum  vollend  verficht. 
1  21.  Dec.  115  Reuter  hier  eingelegt  worden  über  Nacht 

"  Anno  1620  3.  April  ein  Schuster,  Bastian,  zu  Sommerhausseti 

"Erstochen  worden  von  Herrn  Kummer. 

Anno  1620  18.  April  der  Ofner,  ein  Gerichtsperson  zu 
^II3bernbreit,  von  unserm  Schuldheissen  erstochen  worden,  ist  also- 
fcald  todt  blieben. 

14.  Julij  der  Schreiner,  Hanss  Müller  genannt,  vom  Todten- 
^räber,  der  einen  alten  Orotl  ausgelassen,  erstochen  worden  beym 
Seidlein,  der  Schreiner  aber  hat  seinen  Feind  auch  einen  Schlag 


r 


mit  dem  Messstab  geben,  dass  auch  Er  folgenden  Tag  uff  der 
Cnotstatter  [darüber  Ehnheimerj  Mark  lodt  funden  worden. 

27.  July  der  jung  Hanss  Breunich  zu  Einersheim  vom  Wetter 
aufm  Feld  erschlagen  worden. 

Anno  1621  10.  Febr.  der  Gnot&tatlische  Wirlh  zu  Fricken- 
haussen  erschlagen  vorden. 

[fol.  163.]  22.  Majt  2  Kinder  Schusters  und  Schneiders  im 
Main  ertrunken. 

Anno  1622  3.  Febr.  Oberschtildhetss  zu  Obcmbreit  sich 
erschossen. 

Anno  1622  23.  Marl.  Wcimarisclic  Durchzug  und  grosser 
Schrekken  in  der  Nachharschafft 

Zu  End  des  Aprilis  ein  schrökküche  Schlacht  geschehen, 
sollen  uff  bceden  Theilen  in  8000  blieben  seyn.  bey  Heilbronn 
am  Nekkar  [bei  >X'impfen-Obereisesheini,  A^arkgraf  Qeorg  Fried- 
rich von  Baden-Durlach  von  Tilly  geschlagen.] 
|Bl.  35'.]  Item  greulicher  Jammer  Wassers  und  Wolkenbruchs  halben  zu 
Qossmannsdorf  (B.  A.  Ochsenfurt]  und  Hczfeld  [=  Heidingsfeld]. 

b.  jul.  Durchzug  in  der  Nach  barschaff  I,  wir  in  höchsten 
Schrekken  aufa  Rathhaus  und  in  die  Kirchen  etlichs  geflehnet. 
Sind  von  hier  aus  etliche  Musquetirer  den  Obernbreitem  geliehen 
worden. 

Anno  1623  20.  April.  Gefahr  eJngelogirter  Reuter  wegen. 
Der  F3ckk  hat  sidi  mit  200  Thalem  abgekaufft 

Im  April  und  Majo  M.  Fink,')  Pfarrer  zu  Obembreit,  zu 
Ochsenfurt  im  Tum  und  Wirthshauss  verhafftei  und  arrestiret 
NB.  Dieser  Anno  28  in  Martio  seines  Dicnsts  zu  Obembreit  gar 
entlassen  worden  aus  Ursachen. 

Anno  23  10.  Maji  haben  die  Feind  mit  Gewalt  herein  ge- 
wollt, hat  man  Tag  und  Nacht  hüten  müssen. 

Im  Anfang  Augusli  soll  man  blutige  Garben  gehabt  und 
Mehl  haben  sehen  regnen. 

21.  Oct  kommt  Tylli,  ein  Kaysserl.  Oberster,  mit  5000  Reutern 
in  die  Nachbarschafft. 

Anno  1624  2.  Jan.  in  dem  äussersten  ßulleiten  Hauss  ein 
Missgeburt  zur  Welt  gebracht  worden,  einer  Mecrkazen  und  Affen 


^  M.  Cup«r  PhKk.  v|t,  Ototfil.  Uttmhefmltcht  Ntbrnlundtn  II  S.  2». 


Selbstbiographie  des  Stadtpfuren  Wolfsang  Ammoti  etc 


gleich.    6.  diess  Hanss  Prögels  Weib,  der  vorigen  Frauen  (so  die 
^      Missgeburth  gehabt)  Geschwcih,   bringt   auch   eine  MissgeburUi« 
B     die  ich  neben  andern  gesehen,  nit  schreiben  m^. 
^  (fol.  164.]    Anno  1624    14.  Jun.   zu  Obembreit  ein  Erdfall 

71  Schuh  tief  sich  begeben. 

21.  Maji  diess  Jahrs  zuvor  dn  Plösser  allhier  erstochen 
Torden. 

17.  Maji  Bure.  Schaltemann  einen  unvorsichtig  er^ho&sen. 
Im  Junio  grosse  Wassersnoth.  Den  11.  Jun.  die  ältest  Wi^rzburg. 
Gcrichtsperson  und  Siebner  von  Onodstalt,  Ambrosius  Schmidt, 
über  80  Jahr  alt,  zu  Obembreit  in  einem  hcfftigcn  Wetter  und 
Wasserfluth  ertrunken. 

Anno  25  3.  Jul.  Herbolzheim  bekomm!  einen  Papistischen 
Pfaffen. 

3.  Oct  hat  man  einen  Papistischen  Pfaffen  einsezen  wollen 

mil  Oevalt,  2  Kelch  gcstolcn,  auch  Messgewandt  und  Agend  aus 

der  Kirche  genommen  zu  Scgniz,    Grausamer  Jammer  gewesen, 

dem  Marggr.  Schuldheissen  viel  Schaden  geschehen. 

i^'  36,  f.  165.1    Anno    1616    22.  Jan.    wird    dem    Lorenz    Oampert 

«ingebrocben    und,    wie   man   sagt,   bey    1000  fl.  gut  Geld   ge- 

D      rommen. 

"  13.  Febr.  fällt  sich  Herr  Weichselius,  gewesener  Pfarrer  zu 

I  Lindclbach    (B.  A.  Ochsenfurt],    zu    todt,   da  er   auf    den   Gaul 

^fe    steigen  will. 

H  7.  Wart  Secretarius  Schattemann  vom  Schlag  auf  der  rechten 

"     Seiten  getroffen. 

5,  April.     Der  entleibte,  so  von  Helden  aufgearbeitet,  be- 
graben worden. 
^m  Im  lunio  crschrflkkl icher  Hunger  gewesen  und  schrökkliche 

H  Theucrung,  das  Malter  Korn  um  13  fl,  oder  12  Thaler  nit  zu  be- 
H  kommen,  und  war  langwierige  Dörre,  schlug  das  Brod  immer  auf. 
~  Erfahren,  dass  in  unterschiedlicher  Zeit  um  Würzbiirg  viel 

Uut  todt  gefunden  worden  mit  Grass  im  Mund;  dagegen  schlag 
im  JuHo  mitten  drinnen  ein  Leib  um  18  dl.  ab  uff  einmal. 

Bauren  im  Ländlein  ob  der  Enss  haben  im  Junio  eine  Auf- 
ruhr erregt 

Den  21.  Jul.  2  Sonnen  am  Himmel  gesehen. 


21.  Dec.  werden  die  Reuter  zu  Winter-  und  Sommerhaussen 
eingelegt  mit  grossen  Hauffen,  Sie  Haussen  zu  Sommerhaussen 
erbärmlich.  Haben  zu  Winlerhausscn  einer  Wittwc,  die  ein  Jahr 
einen  Mann  gehabt,  den  Bakken  abgehauen,  davon  sie  folgenden 
Tags  gestorben. 

[fol.  166.]  Anno  1627  4.  Jan.,  da  die  Landsknecht  kamen, 
stürmet  man,  ziehen  sie  wieder  ab,  200  fl.  aber  hat  man  gen 
Sommerhaussen  geschikkt.  Den  10.  diess  hat  man  bey  100  Reuter 
hier  einlogirt,  sind  19  Wochen  hier  blieben  und  den  22.  Maji 
mit  guten  Contento  abgereiset,  haben  Geld  darzu  bekommen. 
[Plochmann,  Gesch.  v.  Marktbreit  S.  I38.I 

IZ  Febr.  kommt  Obcmbreit  in  grosse  Noth  und  wird  ge- 
plündert den  14.  Maji. 

Im  Martio  grosser  Jammer  in  den  Gräfl.  Schwarzenbergischen 
Pfarren  wieder  Graf  Hanssen  (f  1523)  Testament,  darinnen  die- 
selben Pfarren  dem  Herrn  Marggrafen  verteslirl')  worden. 

24.  Marl,  ertrinkt  Herr  Joh.  Ludwig  Herbst  von  Obembrett 
der  Oberschuldheissin  Ehemann,  im  Wasser  jämmerlich. 

Sonne  scheint  mitten  im  Martio  in  vielen  Tagen  nicht 
[Bl.  36'.]    28.   Marl.   2  Bauers  Gesellen,   in   der   Nachbarschafft   von 
unsem  Soldaten  erstochen,  sollen  ihrer  noch  4  in  dieser  Wochen 
entleibet  seyn. 

Im  Anfang  Maji  der  Flekke  Brait  in  grosser  Gefahr.  Man 
will  plündern  oder  Geld  haben. 

13.  Jun.  der  Senior  des  Ralhs  zu  Obembreit,  70  jährig,  als 
er  die  Kräze  wegzubadcn,  in  einer  Wanne  sizt,  und  ist  niemand 
bey  ihm,  wird  vom  Schlag  gerührt  und  ertrinket  so  bald. 

Herrn  Zinken  Vatter  hat  einen  auf  den  Todt  geschlagen  im 
Julio,  liegt  an  2  Ketten  gefangen. 

20.  Aug.  hat  Herr  Schutdheiss  Kummer  wunderliche  Acta 
mit  etlichen  Bürgern,  die  schier  rebellisch  worden. 

22.  diess  ein  mächh'ger  Hauff  Soldaten  hierum  zusammen 
gekommen  und  in  der  Nachbarschafft  übel  gehauset,  Oberbrait 
geplündert.  Geissling  [Geisslingen  Im  B.  A.  Uffenhdm]  hat  auch 
schrökklich  eingebüssL 


'I  Vgl,  Kolde.    Bdlrlfc  tut  btfti.  Klrchm£»ch.  5.»  Kcw»Hs*me  Votrtibaiii  der 
er.  Pfurcr  ittTT.    Bcllrlcc  T,  llJ-l».  boondcn  S.  Ilft-119. 


Selbstbiognphie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc.       2Q7 

[fol.  167.]    Im  Sept  grosse  Qebhr  der  Landsknecht  halben 
Äiitr  lind  in  der  Nach  barsch  affL 

Den  II.  diess  24  Landsknecht  in  Flekken  genommen'worden, 
:31.  diess  alle  marchirt. 

Den  22.  23.  kommt  der  Ausschuss  des  Fränkischen  Craisses, 
.^zeucht  ihnen  nach. 

Anno  28  im  Jan.   böse  Zeitung  vegen  Schönbergischen 
"^'olks  [Piochmann,  S.  139],  das  Quartier  zu  Brait  haben  will. 

In  der  Marlerwoche  alles  schwarz  voll  Kriegsvolk  in  be- 
«lachbarten  Orten  eingelegt,  auch  Seinssheim,  Bullenheim,  Wässem- 
"«Jorf,  Onodstatt,  Steffi. 

Im  Majo  liegts  Tast  in  allen  Flekken  umher  voll  Reuter  und 
Fussvolk. 

15.  Maji  ein  schrökkücher  Hauff  Reuter  und   Fussgänger 
mit  langen  Spiessen,  Musqueten  durchkommen,  auch  mit  1  Fahnen 
und  Reisswägen.    24.  und  30.  diess  Sachsen-f-awenburgs  [Wirth, 
S  46]  Quariicrmeister  einfurirt;  sind  bey  7  Wochen  hier  gelegen. 
2t.  Jun.  ist  der  Fürst  eingezogen  in  Herrn  Ludwig  Qamperls 
Hauss,  hat  eine  Juslitiam  oder  Qalgen  aufm  Markt  aufrichten  lassen. 
27.  Jun.  zeucht  der  Obnst  Schönberger  auch  herein.    [Ott 
Friedrich  Freiherr  und  nachmaliger  Graf  von  und  zu  Schönburg.) 
6.Julij  Einersheimer  Pfarr  wird  eingenommen.  Der  Pfarrerin 
gehet  das  Kind  zuvor  ab,  sie  stirbt  auch,  wird  gar  schk-chl  be- 
graben in  Eil,  die  [Bl.  37]  Pfarrkinder  empfangen  das  Nachtmahl 
gar  früh«  mehrentheils  ohne  Predigt 

15.  Aug.  ist  Meinen  gn.  Herrn  durch  500  BischÖffliche 
I,cute  das  Traid  aus  der  Scheuren  zu  Erlach  genommen  worden 
IQ  der  Nadit  und  bey  18  Wägen  gefüllet. 

25.  Aug.  hat  man  Accord  wegen  Schönbergers  getroffen  zur 
Contribulion.  Herr  D.  Oöhring  und  Vogt  zum  Seehauss  wohnen  bey. 
[fol.  140.)    Kizinger  Bürger  flehnen  hieher  ihres  sorglichen 
Auszugs  halben  Anno  29  6.  Jan.  [cf.  Wirth,  Dietmar  S.  49.) 

Anno  29  10.  Jan.  nimmt  der  Bischoff  zu  Würzburg  die 
Kizinger  in  die  Huldigung,    [cf.  Wirth  S.  50.) 

5.  Aug.  liegt  ein  gross  Kriegsvolk  in  der  Nachbarschafft, 
Bnüt  muss  auch  spendiren. 

5.  Sept.  muss  eine  fast  unsi^Üche  Summa  Fleisches  unter 


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a9B  Fnmz  H&ltiw, 


andern  von  hier  nach  Etnersheim  dem  Kriegsvolk  verechaflet 
werden,  800  Pfund. 

21.  Od.  Gröppleins  oder  Hemt  Walchen  vielmehr  Bauer 
läHt  sich  zu  todt 

10.  Nov.  Simon  Orts  Hauss  fällt  dn. 

31.  Dec  ein  mächtig  Volk  fürübergezogen  und  in  nächsten 
Flekken  umher  einquartirl  worden. 

Im  Dec  sind  die  Leute  zu  Brait  dem  Sehönberger  für  27 
ausscnständige  Wochen  Contribution  2080  Reichsthaler  schuldig 
und  solJens  inner  8  Tagen  auflegen. 

13.  Dec.  mein  Eydam  hat  schrökklich  Unglükk  wegen  seiner 
zu  Kizingcn  beym  Loch  untergegangen  Tonnen,  da  auch  4  Menschen 
ertrunken  an  unserm  Marktag. 

1630  4.  Jan.  300  Mann  gen  Erlach  im  Durchzug  einkommen 
lind  Quartier  genommen,  wie  auch  folgenden  Tags  zu  Ktltensond- 
heim  2  Scheuren  abgebrannt  und  von  Kriegsleuten  verwahrloset. 

[fol.  141.)  Anno  30  mitten  im  Januario,  als  ein  Mann  zu 
Kizingen  zur  Beständigkeit  bey  der  reinen  Lehre  ermahnet  wird 
von  seinem  guten  Freund,  ersticht  er  sich  selbst,  dass  ihm  die 
Därmer  aushangen,    [cf.  Wirth  S.  62.] 

25.  26.  Jan.  siehel  der  Himmel  um  Essens  Zeit  zu  Abends  aus 
wie  lauter  Feuer  mit  sehr  langen  Spicse  n,da  die  Spitzen  blutig; 
es  sind  auch  Qeschoss  abgangen,  dass  der  Rauch  davongangen. 
[cf.  Wirth  S.  61.|  Den  ersten  Abend  haben  Ich  und  die  Meinen 
(Bl.  37']  solches  auf  dem  Markt  in  Be)seyn  eines  sehr  grossen 
Volks  gesehen,  ja,  man  hat  diess  Wunderzeichen  fast  überall  in 
Europa  gesehen,  so  viel  mir  aus  dem  Gerücht  wisslich. 

4.  Febr.  sdirökkticher  Wind,  einem  Erdbidmen  gleich,  dass, 
mein  Bett  und  Hauss  zittert  und  viel  grosser  Stein  vom  neuen 
Uau  hcrabgelalicn. 

In  diesem  Monat  viel  Bücher  zu  Amberg  vor  dem  Thor 
verbrannt  worden.') 

■)  Bfin.t,  173-191,  Lippctt,  BQchcrvfTbrvnnunj:  nnd  BDrfurvtrbnilSDf  In  der 
Obrrp'tlJi- KarpUli  Im  J,  1638  nnil  Lippm,  Ocschlchle  drr  O»smrrfonrutl0H  (n  SUM, 
Kirch«  BMl  Sitte  6tT  OberpCili - Kurpfiti  tuj  Zeit  d»  drnuitöähriKen  Kri«tiM  1901  iVfrla^ 
mn  PID]  WutMl,  Frttbarc  im  BreUcio)  Seit'  >33:  .,Ani  ■iV.  Jui.  lUQ  crtiidttn  auf 
Rrgirrungunordnunj  aWt  Sthulcn  In  An)ti«T|>  und  bnondm  dl«  ZAglInge  drr  JcHiil«!  daoi 
Vonnitifte  ichulfrel.  üunH  ut  dn  (iMWti  Büchcn'rTbrrniiung  »f  der  7,\mtatrwiete  vor 
da  Sttdi  laKtMBM  nsd  dt*«n  dm  NKhkovMto  adblai  kbuHeR.*' 


1 
I 

J 


Setbstbiosnphir  da  Sladtpfatrvrs  WoHgang  Ammon  etc. 


25.  fthr.  wieder  so  schrökklicher  Wind,  dass  mein  Bett 
zitiert.  Diese  Naciit  der  Postlerin  zu  Erlach  ihr  Haussvirth,  Dorst 
genannt,  als  er  von  Sulzfeld  ausgangen,  uff  Segnitzer  Markune 
lodi  gefunden  und  folgenden  Tags  ehrlich  zu  Segniz   begraben 

»worden,  ich  ihm  auch  das  Geleit  geben. 
Im  Martio  ein  Mühlstein  3  Hoheimer  Bürger  und  Marne- 
lutcken,  als  sie  bey  einem  benachbarten  Priore  Kom  ausgebracht, 
erschlagen,  [cf.  Wirth  S.  62  ff.] 
Im  Aprilig  Anfang  oder  6.  desselbigen  2  mal  erfahren,  vie 
Caspar  Meisters  Tochter  zu  Kizingen  die  Hostien  aus  dem  Mund 
und  in  der  Kirchen  umhergeflogen.  Item  ist  fürgeben  worden, 
wie  dass  Qlessmüllers,  des  Mamelukken  Tochter,  als  sie  beichten 
wollen,  ganz  erstumml  und  beym  Priester  kein  Wort  machen  können. 

20.  Maji  alt  Organist  thut  mir  grosse  Unbilligkeit,  da  er  ein 
Mamelukk  worden. 

28,  Mai  endlich  erfahren,  wie  Herr  Pfarrer,  mein  Collega, 
den  Pfarrer  M.  Cranz  zu  einem  Successore  bey  seinem  Leben 
bestellet,  um  halb  Geld,  solt  von  Petri  Anno  31  angehen. 

(fol.  HZJ     13.  )un.   erfahren,   wie  der  lang  ausgewesene 
Marggräfischc  Marschall  von  Stauff,    als  er  von  der  Reise  heim- 
kommen,  folgenden  Tags  von  einer  Büchsen  ist  so  jämmerlich 
^ums  Leben  kommen  und  das  Kind  auch  bald  eingebüssct  hatte, 
so  vorhin  lang  krank  gelegen.    Pulver  scherzet  nit 
Dem   Schuldheissen    Kummer    ist   im  Jul  ein   Onspacher 
Mandat  hier  und  zu  Obembreit   öffentlich  angeschlagen  worden 
wegen  seines  vor  diesem  beschehencn  Mords. 
29.  SepL  zu  So mmerii aussen  der  Kaysserliche  Commissarius 
etliche  Limpurgische  Unterthanen  ihm  hulden  lassen. 
In  diesem  Monat^  wie  auch  zuvor  im  Anguslo  an  vielen  Orten 
Schwefel  geregnet,  sonderlich  um  Windsheim,  Gunzenhaussen,  Augs- 
pui^  eto.,  mein  älteste  Schwester  hat  etwas  davon  selbst  gesehen. 

I 

\B1.  38.)  23.  Od.  wird  ein  Pfinnig  Schwein,  so  die  Mezger  uff  die 
Kirben  aushauen  wollen  und  sehr  theuer  gekaufft  hatten,  über  des 
Satlers  Laden  mit  einem  Stroh-Cränzlein  zu  Brait  gehängel  und  muss 
untern  Himmel  das  feiste  Schwein's  Pfund  um  3  Kr.  verkaufft  werden. 
Anno  1631  3.  Jan.  läsl  Bischoff  zu  WÜrzburg  die  Pfarr 
Norlhcim    und  Crassolzheim  abkünden,   will  sie   mit  Pibstischen 


Pfafföi  besezen.  Derelwegen  gn.  Herrschafft  mir  zugeschrieben 
um  Bericht  Ja!  es  hat  der  Bischoff  auch  Sugenheim  und  Uze!- 
hcim  [Etzelheim  im  B.  A.  ScheinfeldJ  sammt  den  Benachbarten 
angesprochen. 

5.  Febr.  ein  mächtiger  Schrack  in  unsern  Flekken  bey  Nacht 

[fol.  143]  Anno  1631  24.  Febr.  Herrn  Wunderlcins  AUgd 
zu  todt  gefallen. 

5.  Maji  frühe  um  3  Uhr  Magel  gehalten  vorden,  dass  die 
Bürger  sollen  100  Thaler  herschiessen,  dass  mans  gen  Weickers- 
heim  dem  Grafen  liefere. 

Im  Anfang  Maji  ein  Evangelischer  Jüngling  zu  Frikken- 
haussen  im  Main  ertrunken. 

10.  Jun.  hier  gemustert,  Ausschuss  gemacht,  17.  diess  be- 
wehrt, auch  Bürger  geschrieben  worden. 

Maur  zu  WQrzburg  hat  Blut  gcschwizl. 

13.  Diess  ein  Cänssbub  Herrn  Wunderleins  im  Main  er- 
trunken. 

2,  Jul.  in  der  Nacht  dess  Capticiners  ScheUerhauff  zu  Kizingen, 
so  bcy  200  Rciff  gewesen  soll  seyn,  verbrannt  worden,  wie  auch 
den  Ochsenfurthem  mit  ihren  Britter  Häuften  dergleichen  be- 
gegnet und  Epstein,  der  ungefehr  auf  hergangen,  war  bald  zu 
kurz  kommen. 

10.  Jul.  erfahren,  wie  die  Herrechafft  Sainssheim  alle 
Monat  168  fl.  zu  Erhaltung  Rcligions-  und  Profan-Friedens 
geben  soll  und  das  72.  Monat  treiben,  I.  5  Jahr,  da  will 
der  Kaysser  Versicherung  Ihun.  Da  haben  die  Fürsten 
und  Stadt  eines  Theils  abgedankt  ihre  habenden  Volk  und 
sich  aus  dem  Leipziger  Schluss  begeben  zu  ihrem  merklichen 
Sdiaden. 

Um  den  20.  Jul.  schrökkliche  Rauberey  und  Morderey  von 
den  Soldaten  verübt,  mein  Herr  Vetter,  Wolf  Jung,  hesslich  und 
fast  auf  den  Todt  verwundt. 

In  dieser  20.  Jul.  Nacht  hat  man  die  Oampcrtsmühl  wollen 
plündern. 

Grosse  Durchzug  in  der  Nachbarschafft  gesehen  worden 
kayssertichen  Volks,  sind  Edel  und  Unedel  dieser  Tagen  viel 
bo^ubet,  abge$ezt.  geschossen,  vom  Rotemburg  bis  hiehtr. 


Selbstbiographie  des  Stadtpbrrers  Wolfgang  Ammon  elc 


[Bl.   38.)     NB.   Hat   niemand   getrauet,    nur   von  Michelfeld    hieher  zn 
gehen  u!f  eine  Meil. 

Den  26.  Jul.  ist  sehr  herein  geflehnl  worden.  Sollen  10  000 
Kaysserliche  in  der  Nachbarschafft  durchkommen. 

jfol.  144.1  Den  27.  und  28.  Jun.  schrökklicher  Jammer  wegen 
durchziehenden  kaysserlichen  Volks,  viel  viel  tausend  RaisJge  und 
Fussvolk  Iiiedurch  kommen.  Seuberleins  Lorenz  geplündert,  Oss- 
waldin  auch  sehr,  um  etliche  Thaler  geschäzt. 

Zu  Ainheim  die  Kirchen  uffgebrochen,  alles  den  Leuten 
genommen,  dass  sie  nichts  weiters  haben,  denn  wie  sie  gehen  und 
stehen.  Die  Zapfen  aus  den  Fässern  gezogen,  viel  in  die  Erde 
lauffen  lassen,  das  Korn  in  Fahrweg  gestreut,  druff  gangen. 

Zu  Pfalenheim  20  Häusser  und  die  Kirchen  abgebrannt,  zu 
Onodstatt  auch  sehr  geschandhöfelt,  das  Rathhauss  uffgesch lagen, 
ihre  Briefe  und  Sachen  alle  zerrissen,  den  Wirth  gefangen  mit- 
geführt Den  Appelleins  Hanse  hier  mit  einen  Slrikk  an  Halss  ge- 
worfen und  mit  geführt,  auch  andere  mehr.  Haben  in  der 
Bulleilen  auch  geplündert.  Seuberleins  Kuh  ist  auf  der  iWarkung 
entrissen  und  wiederkommen. 

31.  Jul.  wieder  2  Compagnien  Fussvolk  durchkommen. 

21.  Aug.  grosse  Gefahr  wegen  Plündcms  allhier.  Herr 
Schuldheiss  und  Held  wollen,  ich  soll  die  Predigt  einstellen,  ist 
aber  doch  gehalten  und  desto  kürzer  durchgangen  worden. 

28.  diess  ein  grosser  Durchzug  und  Schrckken  des  Volks, 
doch  M.  Blechschmid  in  seiner  Probpredigt  immer  fortgefahren» 
obgleich  die  Leute  sehr  aus  und  eingeloffen. 

29.  Aug.  M.  Friessen,  [Leonh.  Fries,  Pfarrer  in  Gnodstadt 
16I8-IG33I  Weib  klagt,  wie  es  alles  zu  Gnotstatt  so  voll  Volks 
Heg,  auch  ihr  Herr  so  krank  und  betrübt  sey. 

9.  Sept  quartirt  man  wieder  50  Fussgänger  ein.  Sehr  viel 
Volks,  ja  viel  1000  hie  und  zu  Ochsenfurth  durchkommen  dieser 
Tagen,  wie  auch  den  14.  zu  Ippesheim  viel  durchmarchirt 

1 1.  Sept  hab  ich  einen  ausgerissenen  und  wiederbekommenen 
NB.  Soldaten,  so  ein  Würlenberger  und  schon  etwas  alt,  das  h. 
Abendmahl  unter  freyen  Himmel  beym  Main  vor  einer  ganzen 
Compagnia  und  ihrem  Obersten  geben;  der  sich  diesen  Tag  hat 
zu  Sickershaussen   müssen   hangen   lassen  an  einen  Baum;  dem 


armen  Weib,  so  einen  Fussfall  gethan,  sind  etliche  Thaler  worden. 
Mir  bat  der  Oberst  einen  Thaler  verehrt  hab  ihn  aber  dem  CapUn,    ^ 
halb  geben  aus  guten  Willen.  f^ 

[Bl.  39,  fol.  145-1  28-  Ort.  Anno  31  betrübte  Zat  der 
Landsknechten  halben.    Gnodstatt  geplündert 

5.  Nov.  dem  M.  Friesen  die  Schuh  von  Fßssen  durch  einen- 
Trossen  nahe  bey  unserm  Markbreit  ausgezogen  worden.  fl^ 

17.  Oec  Wildsburg  [im  B.  A.  Wetssenburg]  die  Vestung 
von  den  Kaysserlichen  einbekommen  worden. 

21.  Dec  des  Schuldheisscn  von  Mirtensheim  (Martinsheim 
im  B.  A.  Kitzingenl  Sohn  zu  Segnilz  erstochen,  hie  besungen 
neben  einer  Predigt  ^1 

Anno  1632  Rotenburg  an   der  Tauber  leidet  grosse  Noth^ 
um  den  Obersten,  ja  bald  gar  über. 

Dies  Jahr  kein  Pfahl  ins  Land  zu  Franken  geführel  worden. 

Im  Febr.  grosse  Annuthey  im  Holz,  dass  der  Bekken- 
Paul  nit  bakken  kan,  man  geb  ihm  denn  Holz.  Nichts  denn 
lauter  Jammer  und  Plündems  allenthalben  gehöret  [Plochmann 
S.  M2.J  Marggraf  Hanss  Georg  liegt  hie  mit  vielen  Reutern, 
doch  6.  Martii  wieder  abgezogen;  dagegen  böse  traurige  Zeitung, 
weil  der  Tilti  Hassfurth  einbekommen. 

Viel  Einquartierungen  Königs  in  Schweden  vorgegangen. 

19.  Marl,  in  die  3000  Schwedisch  Kriegsvolk  Ober  Nacht  hie 
gelegeUj  alle  Häusser  voll.  Kann  mich  auch  mein  gn.  Herr  nil 
befreyen  in  meinem  eigenen  Hauss,  {Herr  Major  gab  mir  allen 
^ten  Bescheid),  hab  etliclie  Soldaten  und  Huren  drinnen  liegend 
gehalten,  beygesteuert,  auch  meine  Pfarrstuben  voller  Hiesiger  und 
Onodstalter  heute  gehabt,  sonderlich  Gevatter  Pfandharts  Töchter 
und  des  alten  Pfarrers  Tochter.  Mein  eigener  Keller  ist  mir  auf- 
gebrochen, aber  allein  der  Trinkwein  herausgelassen,  der  Ofen 
auch  eingeschlagen. 

23.  Marl  Hanss  Thomas  Seyfert  Abends  um  8  Uhr  zwischen 
Eubelstatl  und  Winterhaussen  im  Main  ertrunken,  XI.  April  ge- 
funden und  her  gebracht  worden. 

3.  April.  Landsknecht  oder  Fussvolk  zeucht  mit  Hauffen  her^ 
ein  und  wird  einquartirt,  IS.  diess  wieder  hinweg. 


» 


Sdbfttbiosnphic  des  SUdtpfurcn  Wolfgang  Ammon  etc. 


XI.  Ju!.  unsere  Bürger  uff  die  Partey  geritten.  Speckfeld 
ist  von  KaysserlJchen  einbekommen  und  geplündert 

[io\.  280)  20.  Jul.  1632  die  Burgerechaft  allhier  zu  Mark- 
brait  den  ganzen  Tag  in  der  Rüstung  gestanden  um  scheinlicher 
Gefahr  von  den  Kaysserlichen  willen. 

6.  Aug.  Herr  Aidam  zweynui  inner  3  Tagen  geplündert 
[Bl.  3Q']   7.    Diess   Herrn  Schneiders  Schwchcr  ohne  alle 
gt'gebene  Ursach  hie  erscliossen  worden. 

Na  13.  Aug.  gilt  ein  Dreyhng  Salz  3  Bazen. 
Den  3.  und  4.  SepL  grosse  Gefahr  hie  wegen  besorglichen 
Plündems.    4.  Sept  einer  hie  erschossen  worden,  doch  nit  der 
rechlschuldige,  der  unter  die  Bürger  geschossen,  weilen  ihm  und 
seinem  Gesellen  nil  Quartier  geben  worden. 

XI.  diess  haben  40  Soldaten  hereingcwolt,  Quartier  zu 
machen,  und  sind  wir  Kirchen-  und  SchuEdiener  bey  der  [.eich 
gejagel  worden.  Mitten  im  Oct.  wieder  grosse  Gefahr  wegen 
Durchzug. 

Na  21.  Oct  hat  ein  Soldat  Claussen  Schäffers  Sohn  ge- 
schossen ohn  Ursach  von  dem  Ohr  zum  Mund  heraus,  dass  der 
Kiefer  und  Kthnzähn  weg. 

24.  Oct.  haben  300  Tragoner  hereingcwolt  und  der  Oberst 
«ine  grosse  Summam  Gelds  gefordert,  aber  Gott  Lob  nichts  draus 
worden.    5.  Nov.  unser  Ausschuss  gen  Kizingen  gemüst 

12.  Dec  Hanss  Weih  sich  selbst  entleibt,  den  folgenden 
Morgen,  nach  der  vemQnfftigen  Communion,  die  Ammefrau  ihn 
gesegnet,  das  dann  so  vol  geholfen,  dass  er  sich  selber  am 
heimlichen  Ort  verletzt  und  einen  Zeugen  herausgeschnitten,  so 
uff  die  Gasse  geworfen;  darüber  gn.  Herrschafft  meinen  Bericht 
beehrt. 

Anno  1633  I.  Jan.  gen  Segniz  und  in  die  benachbarte 
Oerter  Soldaten  gelegt 

8.  diess  unser  Ausschuss  fortgemüst;  wer  aber  davon  will 
ledig  seyn,  muss  einen  stellen  und  jeden  Tag  deme  6  Bazen 
Scben. 

15.  19.  und  20.  Jan.  schrökklich  Gewässer.  24.  Febr.  mein 
Sohn  Loren?  greulich  zerschlagen  worden  von  Caspar  Hofmann, 
Pischer. 


^      A 


[fol.  281.]  Anno  1633  31.  Jul.  Decret  wegen  der  Contri- 
bution  uns  Geistlichen  eingehändiget,  so  uns  aber  lezlJch  erlassen 
worden.  3.  Sepl.  Decrel  der  Viertel meister  wegen  etlicher  Acd- 
dentien. 

7.  Aug.  in  die  50  Soldaten  hie  in  Wirths-Häussem  gelegen. 

14.  diess  grosse  Gefahr  wegen  der  400  Tragoner,  [Bl.  40] 
so  zu  Obernbreit  einquarlirt.  In  dieser  vergangenen  Nacht  hat 
man  die  Heertrummel  geschlagen,  dass  die  Bürger  zusammen 
k3men,  auch  mit  den  Klrchenläulcn  etwas  verzogen  worden. 

15.  Aug.,  da  ist  der  deutschen  Amman  Tochter  öffentlich 
zur  Huren  gemacht  und  mit  Steinen  ausgeworfen  zu  Obernbreit 
und  hierdurch,  mit  Weiden  gepeitschel,  ins  Wasser  gesprenget 
und  ist  ganz  nakkend  in  der  ßulleitcn  zum  ärgerlichen  Spectacul, 
unwissend  der  Geistlichen,  gesessen. 

I.  Sept  war  ich  bald  erwergt  an  einen  Beinlein,  mir  auch 
6.  diess  ein  Grat  im  Halss  bestekket. 

3.  diess  17  Fussgängcr  eingelegt  worden,  denen,  so  die 
Contribulion  nicht  geben  können. 

Im  Sept  vom  16.  bis  uff  den  2l.  kein  Pfenning  im  Hauss 

gehabt 

II.  Oct  grosser  Jammer  in  der  Nachbarschafft  um  der 

durchziehenden  Soldaten  willen  und  Ist  viel  zu  mir  geflöhnt 
worden  im  Pfarrhof.  Ist  auch  eine  Compagnie  hie  gelegen  und 
Bagagewägen  einquartirt  worden. 

22.  Oct.  in  der  folgenden  Nacht  in  500  Reuter  von  Forch- 
heim einen  Anschlag  auf  unter  Brait  gehabt,  so  at)er  kund  worden 
und  einen  Auflauff  in  der  Nacht  verursachet  hat 

Im  Nov.  der  Ooldarbeiterin  Mann  entloffen  und  seither 
nicht  mehr  gesehen  worden. 

28.  Dec  der  Herr  Doctor  Egerer  uff  Anstifften  meines 
Collegae  mit  mir  und  ihm  von  gnädiger  Herrschafft  wegen  geredet 
wegen  einer  Predigt  und  der  Halbirung  der  Accidentien  in  Wochen, 
ist  aber  nichts  daraus  worden  damals. 

IQ.  Dec  hat  mein  Collega  M.  Cranz  auch  mit  mir  von  der 
Predigt  privatim  geredt  zuvor,  als  wenn  ich  uff  ihn  geprediget  hätte. 

10.  Jan.  Anno  1633  ist  ein  Reuter,  so  hte  getrunken,  darauf 
im  Steinweg  erschossen  und  folgenden  Tags  begraben  worden. 


$eIl»lbtognphie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc. 


|B1.  40',  fol.  232]  De  Jungiorum  Gcncalogia  et  lamilia 
2d  paginam  numer.  II.  signatam  haec  referantur. 

Adam   Jung,    Bürger   und  Schreiner   zu  Feuchtwang,   und 
Dorothea  Armpaurerin  von  Onspach,  beede  Eheleute,  zeugen  I) 
Ursulam,  2)  Martinum    anno  1516,   3)  Wolffcn  Anno   1518,  4) 
Carcium,  5)  Thoniam,  6)  Margarelam. 
■  Adam  Jung,   Bürger  und   Schreiner  zu   Feuchtwang,  sehr 

berühmt   selbiger  Zeit  wegen  der  sogenannten    welschen  Arbeit, 

Iieucht  oder  reiset  in  Franken  gen  Frankenberg,  Junker  Ludwig 
von  Mutten  für  ellich  100  fl.  abgedachter  Arbeil  abzustehen,  thut 
im    Hinziehen    bald    hinter    Leulcrsh aussen    [B.    A,   Ansbach), 
2  Weil  von  Feuchtwang  gelegen,  einen  starken  Trunk  in  grosser 
Hiz  aus  einem  Oninnen,  darüber  er  biss  an  sein  End  geklagt  und 
K  am    3.    oder   4.   Tag    hernach   gedachten   Orts   zu    Frankenberg, 
welches  er  mit  Mühe  erreicht,  den   14.  Marüi,  Donnerstags  nach 
Judica,   Anno   1331    gestorben    und   zu    Ippesheim    nächst   dabey 
fccgraben  worden. 
^  Dieser  Adam   hat  einen  Bruder  gehabt.  Nahmens  Ulrich, 

"  "velcher  Anno    1546  den   22.   Dec  gestorben,   und  drey  Söhn 

hinterlassen: 
K  I)  Georgen,  so  erst  Anno  15S9  gestorben  und  zwey  Söhn 

Siinterlassen,  1.  Oeorgium,  2.  Valenlinura, 

2)  Leonhart,  der  Anno   1559  gestorben,    auch  zween  Söhn 
liintcrla&sen,  1.  Leonliartum,  2,  Joliainicm.    [fol.  233.) 
K  3)  Wolffiumj   welcher  Anno  1574   ohne  männliche   Erben 

gestorben;  sind  alleimit  einander  lauter  Schreiner  gewesen,  keiner 
ausgenommen. 
B  Adami   Eheweib  ist   gewesen    Dorothea  Annpeurenn   von 

Onspach,  deren  Vattcr  Thomas  Arnipaurer  ist  Anno  1518  die 
21.  Marty  am  Sonntag  judica  gestorben,  aetatis  71  Jahr,  dessen 
Eheweib,  der  Dorothea  Mutter,  Christiana,  ist  gestorben  den 
30.  Dccember  Anno  1548  am  Schlag,  aetatis  85. 

Diese    Dorothea    hat    einen    Bruder    zu    Onspach    gehabt, 

Johannes  Armpaurer,  welcher  in  der  Rittercapell  zu  Anspach  ein 

\icarius  gewesen  ist,  [BL4I]  folgender  Zeil  gen  Wimpfcn  in  das 

Siifft  kommen  und  daselbst  ein  Sieben -Pfründer  worden  und  allda 

■den  6,Junii  am  andern  fMingst-Tag  anno  1552  gestorben  und  im 

Aichiv  (6r  Kulttusnrhichte.    I.  3.  20 


Creuzgang  begraben  worden.  Dorothea  aber  ist  nach  ihres  Ehe- 
wirths  TodI  anno  1545  die  17.  Januarii  zu  Feuchtwang  auch  ge- 
storben bei  ihrem  Sohn  Wolfgang  Jungen,  als  bey  welchem  sie 
10  Jahr  in  der  Kost  gewesen. 

Es  hat  aber  Adam  Jung  seine  Dorotheam  Armpeurerin  ge- 
heyrathet  anno  1509  die  29.  Junü,  war  Memoria  sanctorum  aposto- 
lorurn  Petri  et  Pauli  das  Verlöbniss  gehalten. 

Haben  folgends  mil  einander  gezeugt: 

I.  Ursulam,  wie  Johann  Armpeurer  in  Ephemeride  et 
privata  sua  historia  bezeuget,  stirbt  dieses  Kind  die  6.  Martii 
(cujus  annt,  non  additum  erat)  um  10  Uhr  Vormittag,  ihres  Alters 
im  8.  zu  Anspach  bey  erstgemeiten  ihrem  Vetter  Johann  Armpeurtre. 

II.  Martinus  wird  gebohm  anno  I31Ö,  welcher,  nach  des 
Vatters  Adami  Todt  das  Schrei nerhand werk,  welches  er  bey  ihme 
Vattern  angefangen  zu  lernen,  bey  seinem  Vetter  Georg  Jungen, 
viel  Jahr  gewesenen  Umgelter  zu  Feuchtwang,  ausgelemel,  nach- 
mals gewandert,  in  viel  Stätte,  Ort  und  nahmhaFfte  Südt  kommen, 
also,  wie  seine  Arbeit  bezeuget,  dass  ein  fQrtreff lieber  Meister 
diesses  Handwerks  aus  ihm  worden  wäre,  wenn  er  nicht  bald 
in  der  Jugend  dem  Kriegswesen  anhängig  worden,  da  er  denn 
manchen  fömehmen  Zug  gethan  hat  Erstlich  unter  Mai^gra! 
Alberto  von  Brandenburg  wieder  die  N&rnbei^er,  Bischöffe  zu 
Bamberg  und  Würzburg;  wie  er  dann  einsten  in  solchen  Krieg 
von  denen  Winssheimern,  als  der  Nürnberger  Bundsgenossen, 
gefangen  worden.  Endlich  da  das  Vattcrland,  h.  e.  Marggrafthum, 
dieses  Kriegs  entgelten  müssen,  auch  die  Bezahlung  dahinden 
bleiben  wollen,  hat  er  Urlaub  begehrt,  desswegen  den  Marggrafen 
selbst  mündlich  angesprochen,  vermeldend,  wie  er  bey  sogestalten 
Dingen  seines  Diensts  als  Lieutenant  ganz  mfld  wäre.    [fol.  234.] 

Als  er  nun  dieser  Dienste  erlassen,  hat  er  sich  in  [Bl.  41'] 
Frankreich  begeben  und  daselbst  dem  König  viel  Jahr  gedienet 
Er  hat  auch  unter  Kaysser  Carol  V.  etliche  Züge  gethan  und  ist  mit 
vor  Mez  gelegen.  Maximüiaiio  dem  röm.  Kaysser,  II.  dieses 
Nahmens,  hat  er  auch  zu  Zips  [in  den  Karpathen]  in  Ungarn 
und  Siebenbürgen  wieder  den  Erbfeind  als  ein  Hauptmann 
Dienst  gethan,  so  lang,  biss  er  Alters  halben  nicht  mehr  gekönnt, 
sich  anheim  in  die  Ruhe  begeben,   da  er  von  Marggraf  Georg 


Selbstbiographic  des  Stadtpfarrera  Woifgang  Amnion  etc.        307 

Friederich  eine  statUiclie  Besoldung  und  Jahrgeld  biss  an  sein  Ende 
gehabt;  stirbt  in  seinem  Vatterland  anno  1575  die  23  Oct  an  der 
Colica,  daran  er  zu  Hoffe,  eben  damalen,  als  hochgedachter  Marg- 
graffe  zu  Feuchtwang  auf  der  Jagd  gewesen,  über  der  Tafel  er- 
krankt und  daran  13  Wochen  krank  gelegen,  mit  grosser  Oedull, 
sanfft  verschieden,  ohne  Leibeserben;  wiewoi  er  zwey  Weiber  ge- 
habt, deren  die  erste  gewesen  Barbara,  von  Reinarfehofen  (Rennerls- 
hofen  im  B,  A.  Neuburg  an  der  Donau],  im  Lande  zu  Bayern, 
börtig;  zu  Zips  in  Siebenbürgen  begraben.  War  ein  Gotts 
fürcbljger  Mann,  der  nicht  bald  eine  Predigt  versäumt,  die  li. 
Sacramenta  flcissig  besucht  und  gebrauchet  und  als  ein  Soldat 
allemal  den  Tag  vor  seinem  Auszug  sich  deren  theilhafftig  ge- 
macht, im  Feld  aber  und  Zügen  seine  Bibel,  Psalter  Davids,  Bet- 
büchlein,  steligs  so  wol  als  Wehr  und  Waffen  sich  nachführen 
lassen;  sonderlich  ist  sein  Psahnbüchlein  sehr  abgcnüzt  gewesen 
vom  täglichen  Gebrauch.  Unzucht  und  Hurerey  über  aUe  massen 
Feind  gewest,  ob  Zucht  und  Tugend  wie  auch  ob  den  Kriegs- 
gesetzen har  scharff  gehalten,  immassen  diejenige,  so  unter 
seinem  Fähnlein  gelegen,  selbst  bezeugt,  welches  gleichwol  theils 
an  ihme  gescholten,  ehrliche  Leute  aber  gelobet  haben.  War  in 
allen  Sachen  ernsthaft,  sonderlich  in  Fehden,  ob  er  wol  sonsten 
wenig  Redens  gewest;  wolbesezten  Leibes,  gebührlicher  Länge, 
strengen  Zorns,  über  die  massen  treue,  insonderheit  gegen  die 
Kriegsleute,  dessen  Tod!  viel  tapferer  Leute  und  ezliche  Adets- 
personen,  so  gern  und  viel  um  ihn  [Bl.  42]  gewesen,  hart  be- 
trauert   Gott  verleyhe  Ihm  eine  fröUche  Auferstehung. 

Hl.  Wolfgang,  Adaini  111.  Kind,  wird  gebohrn  die  31.  Martii 
Anno  1518,  als  Thomas  Armpaurer,  dessen  mütterlicher  Anherr, 
eben  8  Tage  vorher  gestorben. 

Dieser  ist  nach  seinem  Coden  Wolf  Qoldachsen,  Pfarrern  zu 
Feuchtwang,  also  genannt,  und  hat  Herr  Johann  Armpaurer,  Vi- 
carius  in  der  RIttercapcll  im  Stifft  zu  Anspadi,  als  seiner  Mutter 
Bruder,  ihn  zu  sich  genommen  gen  Onspach,  lässt  ihn  allda  ihn  die 
Schul  gehen,  so  lang,  biss  er  von  danncn  gen  \Vimpfen  gezogen. 
allda  er  gleichfalls  von  ihm  zur  Schule  gezogen  und  ohnlängs 
hernach  gen  Heidelberg  auf  die  Ncccarschul  geschikkel  worden, 
allda  ihn  sein   Praezeptor  Johann   Bcnlius   (Brentius?  d.   Red.) 

20* 


308  Franz  Hüttner. 


sehr  ]ieb  gehabt,  wegen  seines  Fleisses  im  Studiren,  dessw^cD 
auch  Herr  Bentius  ihn  gar  zu  sich  genommen,  seiner  Spcisse,  so 
er,  dem  damaligen  Gebrauch  nadi,  vom  Hofe  holen  lassen  müssen, 
geniessen  lassen;  hat  ihm  auch  übergeben  das  officium  procuratoris 
in  gedachter  Schul,  davon  er  wöchentlich  9  Heller  uffziiheben 
gehabt,  davon  er  auf  eine  Zelt  seiner  Mutter,  der  armen  Wittxce, 
uff  einmal  über  die  zween  Gulden  zugcschikkL  [Fol.  235.]  Im 
3.  Jahr  kommt  er  zu  der  Universität  selbigen  Orts,  und  als  er 
eben  in  Baccalaureum  promoviren  soit,  wird  er  von  dem  Slifft 
Feuchtwang  zu  der  Praeceptur  und  Schulmeisterampt  von  dannen 
beruifen  Anno  1536,  im  18,  Jahr  seines  Alters. 

Er  hat  aber  diese  Condition  wider  Willen,  doch  auf  Ein- 
rathen  seines  mehrgedachten  Vettern  Amipaurem,  VicarÜ  zu 
Wimpfen,  angenommen,  sintemalen  er  noch  gern  lieber  und 
länger  bey  der  hohen  Schul  geblieben  wäre.  In  der  Schul 
zu  Feuchtwang  lass  er  den  Terenlium  und  andere  des  Orte 
gewöhnliche  Autores,  und  ob  er  wo!  mit  der  Condition  ganz 
wol  vergnügt,  trachtete  er  doch  daneben  immerdar,  wie  er 
mittler  Zeil  weiters  kommen  und  in  seinen  Privatstudiis  fOr- 
schreiten  möchte;  zeucht  derowegen  bald  darauf  gen  Mönichs- 
roth  [Mönchsroth  im  B,  A.  Dinkelsbühl],  nit  fcrr  von  Dinkels- 
hfihel  gelegen,  und  empfängt  allda  von  Melchiore  Rötinger  die 
erste  Weihe  (auf  Papislisch).  UnlAngst  hernach  wird  er  Vicarius 
und  Subcustos  zu  Feuchtwangen.  Desswegen  er  im  offenen 
Chor  daselbst,  welches  zuvor  nie  geschehen,  öffentlich  gedanket. 
Als  er  nun  auch  an  andern  Orlen  anfieng  bekannt  zu  werden, 
tragt  ihm  Herr  Adam  Lienliart,  Wörz burgischer  Cammermeister, 
sein  Landsmann,  gleichfalls  ein  Vicariat  zu  Würzburg  an, 
welches  er  recusirte. 

Anno  1540  den  3.  Febr.  resignirt  offtangezogener  Joh.  Am- 
paurer,  (Bl.  42']  sein  Vetter,  Vicarius  im  Stifft  zu  Wimpfen  im 
Thal,  sein  biss  daher  zu  Feuchtwang  [vgl.  Sieichele  Bistum  Augs- 
burg 3,  3QI.]  gehabtes  Cananicat,  in  Willens,  seinem  Vetter  Wolfen 
das  zu  übergeben,  welches  aber  die  Canonici  und  capitulares 
keineswegs  gestatten  und  zugeben  wollen,  dieweil  er,  Herr  Wolf- 
gang, der  Lehre  Lutheri  ergeben,  dessen  Bücher  und  Schrifften 
gern   und   fleissig  gelesen,   also,  dass  die   Sache  für  Marg^raf 


o;ra[>hie  des  StadtpfarrcTs  Wolfging  Ammon  etc. 


Oeorgium,  so  diese  Lehr  schon  längst  angenommen  und 
mit  denen  ersten  Fürsten  unterschrieben  hatte,')  gebracht  ward. 
Dt  dann  Herr  Wolfgang  wider  die  Capitulares  und  ihren  Willen 
einen  Befehl  erhalten,  mit  Marggraf  Georgen  eigener  Hand  unter- 
schrieben, Anno  1542  am  4.  Tag  nach  Trium  Regum,  d.  10.  Januarii, 
da  eine  sondere  Tagleistung  zu  Onolzbach  für  denen  Fürst). 
Räthen  gehalten  worden,  wohin  beede  Parteyen  cclirt,  die  Sacli 
erörtert  und  beygeleget  worden.  Darauf  zeucht  er  Mitwochs  nach 
Invocavit  [1.  März]  alsobald  nach  Wittenberg,  allda,  seinem  vorigen 
öfftern  Wunsch  nach,  zu  sludiren,  Lutherum  und  Philippum  Met. 
zu  hören.  Erreicht  den  Ort  Donnerstags  nach  Oculi  |I0.  März] 
zu  8  Uhren  Anno  1542,*)  alldo  er  Anno  1544  Donnerstags  den 
letzten  oder  31.  Jan.  laut  erhaltenen  TestimonÜ  von  Herrn  M. 
Erasmo  Flock  NorimbergensCj  Mcdico  et  Mathetnatum  Professorc, 
danuligen  Facultatis  artium  Decano,  in  Magistrum  promovirt, 
da  er,  unter  35  Candtdaten  oder  Magislrandis,  die  X.,  sage  Zehende 
Stelle  oder  Locum  gehabt;  bey  welcher  Promotion  Philippus 
Melanchlhon  die  Oration,  so  noch  heutzutag  vorbanden,  de  vita 
Aristotelis  et  phtlosophiae  taudibus  gehalten.  Hierauf  hat  Er, 
nach  erhaltenem  Beruff,  den  Weg  nach  dem  Heimat  genommen, 
stdi  aber  zuvor,  dieweil  er,  neben  andern  Leclionibus,  auch  Luthe- 
rum strengicklichen  und  mit  grossem  Fleiss  gehöret  und  dero- 
wegcn  seiner  [fol.  236]  Lehr  und  Bekanntniss  ein  unverholen 
öffentlich.  Zeugniss  zu  haben,  sich  zu  Wittenberg,  vor  seinem 
Aufbruch  und  Verrukken  vom  Herrn  D.  Pomerano,  Pfarrherr, 
zum  Predigampt  und  Ministerio  ordiniren  lassen.  Darauf  zeucht 
er  in  sein  Vattcrland,  allda  er  unlängst  hernach  anno  4-1  sich 
ehelidi  eingelassen  mit  Jungfrau  Sara,  Herrn  M.  Bcrnhardi 
Wunelmanns,  der  Reforniirten  Kirchen  zu  DOnkclsbflhel  Pfarrers, 
und  Margareta  Beielsleinin  (derer  damalcn  eine  überaus  grosse 
Freundschafft,  beydes  zu  Heübronn  und  zu  Wimpfen)  Toctiter; 
und  ist  gedachter  M.  Bernh.  Wurzelmann  wegen  des  angenommenen 


■)  Koldc.  Bcitricefr,  109:  M«rk(n!  OcMf  hiKc  ifl  den  Jthm  ISSa-im  die 
«liekcidcaitai  SfhriiW  imr   Einfühnwa  der  Refonruiion  in   »eiiien   rrlnkltchen  Oi*leWfi 

*\  WtälgMg  Jung  und  üeorc  Kopcllcli.  beide  ron  fcBcbtwanj:«»,  «vrden  den  un 
1*  Min  IMl  inauiTikttlln.  FAratenunn.  Album  lademlM  VitebergFruis  ib  t.  Chr.  XVlt 
«K)K  ad  *.  IMO.  Liptlu  IS4I,  S   IM 


310  franz  HQtlner. 


Interims  von  Dinkelsbühel  11546)  hinweg  [hl  43]  und  nadi 
Binniken  (Benningen]  ins  Württenberger  Land  gezogen  ohnfero 
Marbach,  allwo  er  Pfarrer  worden,  und  den  10.  Maji  Anno  1554 
seelig  verschieden.  [Beiträge  5,  198  Anni.]  Mit  dessen  Tochter 
Sara  hält  Wolf  Jung  Handstreich  den  9.  Octobris,  Hochzeit  aber 
in  der  Vigilia  oder  am  Abend  Simonis  und  Judae  zu  DmkclsbOhe!, 
wie  auch  folgenden  Mittwoch,  den  dritten  Tag  nach  vollendeter 
Hochzeit  die  Heimfahrt  nach  Feuchtwang  geschehen,  mit  vielen 
rrembden  Leuten  begleitet,  inmassen  auch  die  Bürgerschafft  in  statt- 
licher Anzahl  mit  ihrer  Rüstung  entgegen  gezogen  und  die 
Hochzeitleute  im  Holze  vor  SchopfEoch  [im  B.  A.  Dinkelsbühl] 
empfangen.  Die  Braut  Sara  war  noch  sehr  jung  und  nur  16  Jahr 
alt,  der  Ursach  sie  auch  anfänglich  von  ihrem  Vatter  ihm  ab- 
geschlagen worden  durch  ein  Schreiben,  so  bey  D.  Adam  Jungen 
ehemalen  noch  vorhanden  gewesen  in  original!. 

Ihrer  Jugend  und  kindlichen  Einfalt,  sonderlich  Beyspid 
mag  auch  dieses  seyn:  als  Kayssers  Caroli  V.  Arma,  unter  dem 
Commando  des  von  Beuren,  eines  Niederländers,  vor  Feuchtwang 
[1546]  kommen  und  Ihm  nicht  gleich  auf  des  geschikkten 
Trompeters  Auffordern  die  Thor  geöffnet  worden,  hat  der  Kaysser 
und  sein  General  selbigen  Nachmittag  und  folgende  Nacht  (war 
der  Abend  vor  Andreae  ApostoH)  sein  Quartier  und  Lager  zu 
Dorf  Güting  genommen;  folgenden  Andreaslag  aber  die  Thore 
per  force  aufhauen  und  die  Stadt  plündern  lassen,  wobey  6  Mann 
anfänglich  erstochen,  18  aber  sehr  verwundet  worden.  Da  nun 
in  des  Herrn  Wolfgangs  Hausse  die  Krieger  geplündert  und 
auch  ihre  Kleider  und  Kleinodien  genommen  und  auf  gut 
Soldatisch  herumgeschlelfft,  sprach  sie:  wie  heiloss  seyd  ihr,  bebet 
doch  diese  ein  wenig  auf  und  sclionet  derer!  daraus  ihre  Einfalt 
zu  ersehen.  Diese  Sara  ist  nach  ihres  Herrn  Todt,  mit  welchem 
sie  31  Jahr  und  7  Wochen  gehauset,  eilf  Jahr  und  20  Wochen 
eine  Wittwe  gewest  und  Anno  1587  d.  9.  Maji  abends  zwischen 
6  und  7  Uhr  seelig  an  der  Wassersucht,  mit  der  sie  sich  2  oder 
schier  3  Jahr  geschleppet,  gestorben,  ihres  Alters  59  Jahr. 

Aber  wieder  uff  unsern  Herrn  Wolfgang  Jungen  zu  kommen, 
ist  er  Anno  1552  von  Herzog  Christoff  zu  Wörtenberg  durch 
den    Land  Hofmeister  Herrn  Stephanum   von  Qültlingen  bcruffen 


Selbstbiographic  des  Stadlpfairers  Wolfgang  Araraon  etc.        311 

^worden,  den  3.  April  anni  dicti,  wie  er  dann  an  gedachtem  Ort 
[gute  Bekannte  gehabt,  unter  andern  [Bl.  43')  Valentinum  Vannium, 
'  [Wanncr  von  Beilslein,  vgl.  Harlmann,  Schnepff  S.  60]  Abten  und 
Praelaten  zu  Maulbronn,  insonders  Herrn  Johann  Brcntium,  der 
Ihm  etliche  mal  zu  gesell rirben.  Aus  was  Ursachen  er  diese 
'  Vocation  [fol.  237]  abgeschlagen,  ist  ohnwissend. 

Anno  1560  d.  8.  Martij  wurde  Er  an  statt  des  verstorbenen 
Herrn  D.  Valentini  HartungSj  ulr.  jur.  D.,  gedachten  Stifte  Feucht- 
wang  Decanus,  in  welchem  Stifft  anstatt  der  Päbstischen  Capl- 
tularcn  allbereit  viel  feiner  fürnehmer  Männer  und  gelehrter  Leut 
subrogint  und  der  Soft  über  die  massen  wol  bestellet  war,  zum 
Theil  Adelspersonen,  zum  Teil  sonsten  berühmte  Leute,  dergleichen 
Ehmgedachter  D.  Härtung,  p.  m.  Dn.  Barlholomaeus  Amantius, 
j.  U.  D.,  der  alido  Professorj  zuvor  Tubingae  Poeseos,  M-  Phi- 
lippus  Berchlhold,  M.  Johann  Frauentraut,  wie  auch  etliche  Adels- 
personen, von  Wirssberg,  von  Donhaussen  etc.,  und  hatte  auch 
Brentius  von  Mall  aus  dahin  bewilliget,  so  aber  nachmalen  in 
das  Herzogthum  Wfirlenberg  kommen. 

In  währendem  Deeanat  hat  er  sich  fürgenommcn,  drey  Ding 
dem  Stifft  rühmlich  und  nitzllch  zu  wegen  zu  bringen,  nemlJch 
den    Stifftthum,    darauf  jczo  die  Wacht  gehalten   wird,    dessen 
zuvor  die  Stadt  gemangelt,    nachmals   ein   nahmhafte   Librarcy, 
endlich  dem  Stifft  ein  Gefäll  und  Einkommen  am  Wein  im  binde 
zu  Franken.    Das  erste  hat  er,  wie  der  Augenschein   giebt,   wol 
Und  glfikklich  vollendet;  die  zwey  übrigen  aber  sind  zurükk  ge- 
blieben, dieweil  Marggrafe  die  Zeit  seines  Lebens  nach  Einziehen 
gedachten    reformirten    Sliffls    ein   nahmhaffle    Corapelenz   und 
Jahrgeld  verordnet. 

Er  stirbt  Anno  1575  den  20.  Decembr.  um  10  Uhr  Mitlags 
am  viertägigen  Fieber,  daran  er  den  20.  Septembr.  ztivor  krank 
worden,  als  er  eben  ein  Vierteljahr,  keines  Tags  oder  Stund  mehr 
oder  weniger,  daran  gelegen,  8  Wochen  nach  seinem  Bruder, 
Hauptmann,  den  er  zuvom  und  ehe  er  selbst  krank  worden,  in 
setner  Krankheit  etliche  mal  besucht  Liegt  in  der  Sttfftskirchen 
im  Chor  vor  dem  hohen  Altar  begraben. 

U  Tag  vor  seinem  Ableiben  berufft  er  alle  seine  Kinder 
jung  und  alt  zusammen,  hält  ihnen  folgenden  Morgens  frühe  vor: 


demnach  er  aus  dieser  Welt  scheiden  müsse,  wolt  er  ihnen  kurz 
einem  jeden  eine  Lehr  zur  Leze  lassen.  Hebt  derow^en  vom 
iltesten  an  bis  zum  jüngsten,  was  eines  jeden  Bcruff  seyn  soll, 
insonderheit  der  jungen  und  noch  unerzogenen,  und  da  sie  gehor- 
samen, [Bl.  44]  was  sie  für  Glükk,  aber  bey  dem  Ungehorsam  für 
Unglülck  haben  würden;  welcher  Segen  an  seinen  Kindern  in  Wahr- 
heit erfüllet  worden. 

Unter  der  Mahlzeit  vor  dem  gänzlichen  Abschied  s«ner 
Kinder,  da  er  nit  fem  vom  Tisch  in  einer  niedern  Bettladen  oder 
Kam  geletcen,  befiehlet  er,  man  solle  ihm  doch  das  sch6ne 
SMVldein  figuriren:  Haec  est  voluntas  ejus  etc.,  quartuor  vocum; 
indeme  nun  solches  gesungen  wird,  ist  er  nie  so  schwach  und 
krank  gewesen  als  diessnial,  docli  singt  er  mit  die  Clausulam 
dessen,  so  sich  zum  öfftem  repetirt:  Et  in  novissimo  die  resus- 
citabo  cum.  Die  Wort  des  Gesangs  sind  diese  Joh.  VI,  da  Christus 
sagt,  vere.  40;  Das  ist  der  Wille  dess  etc.  [der  mich  gesandt  hat, 
dass,  wer  den  Sohn  siehet,  und  glaubet  an  ihn,  habe  das  ewige 
Leben;  und  ich  werde  ihn  auferwecken]  am  jüngsten  Tage.  So 
hat  er  nun  mit  heiler  Stimme  in  seiner  höchsten  Schwachheit  sich 
damit  recht  seelig  getröstet,  darauf  lässt  er  seine  Kinder  von  sich 
und  diejenige,  so  ihr  Anwesen  und  häusslichc  Wohnung  anders- 
wo hatten,  im  Frieden  hinziehen  und  entschlafft  hernach  auf  ob- 
gesetzten  20.  Decenibr.  [fol.  238]  in  Beyscyn  vieler  Leute,  Edel 
und  Unedel.  Gott  beschere  seinen  hinterlassen cn  Kindern  und 
allen  seinen  Neffen  und  Nachkommen  auch  gleich ermassen  ein 
rühmliches  und  seeliges  Ende,  Amen! 

rV.  Carolus,  der  war  nicht  fast  reich,  hat  auch  nie  darnach 
getrachtet;  doch  hat  er  sein  Privatleben  ohne  einzige  Handthiemng, 
Gewerb  oder  Handwerk  biss  daher  und  uff  heutigen  Tag  (sind 
formalia  der  Schrifft,  daraus  dieses  abgeschrieben  worden)  in 
guter  Ruhe,  also,  dass  wahr,  was  Georg  Jung,  gewesener  Umgcltcr 
zu  Feuchtwang,  uff  eine  Zeit  gesagt  hat,  nemUch,  dass  die  biss  , 
daher  erzchlte  Jungen  die  ersten,  so  den  Hobel  hingelegt;  sinte- 
mal der  Vatter  und  Vorvätter  bey  Menschen  Gedenken  diesem 
Handwerk  ergeben  gewesen.  Aber  nicht  ohne,  dass  dieser  Fünf 
Erlw  empfangen  und  genossen,  weil  er  gelebt  hat 

V.  Thomas,  Adami  fünftes  Kind,  zeucht  mit  seinem  Bruder 


Selbstbiographie  des  Sudlpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc. 


Martino  in  Krieg  und  kommt  in  der  ersten  Campagne  in  seiner 
blühenden  Jugend  und  besten  Jahren  ums  Leben. 

VI.  Margareta,  Jacob  Kisels,  Vogts  zu  Gunzenhaussen  Hauss- 
frau, stirbt  Anno  1562  den  18.  Febr. 

Anno  1570  hat  Kaysser  Maximilianus  die  drey  BrQder 
Alartinum,  Wolfen  und  Carolum  die  Jungen  (Bl.  44'1  mit  einem 
Wapen  verehrt  und  begnadigt;  den  kaysserlichen  Brief  hat  Carolus, 
unter  diesen  dreyen  der  jüngste,  selbiger  Zeit  in  seinen  Händen 
gehabt;  vo  er  aber  hinkommen,  dass  weiss  Gott,  wie  auch  heut 
denen  Nachkommen  unwissend^  wie  das  Wappen  gestalt  gewesen, 
wann  nicht  bey  denen  in  Schwaben  hin  und  wieder  noch  übrigen 
und  zerstreulen  Jungen  etwas  davon  zu  erfahren  ist 

Wolfgang  Jung  und  Sara  sein  Weib  zeugen  durch  Gottes 
Segen  folgende  Kinder: 

1)  Maria,  meine,  der  ich  dieses  abgeschrieben,  und  meiner 
beyden  Brüder  ührgrossmutter  von  unserer  Mutter  her,  ist  ge- 
bohm  d.  30.  Jenner  Anno  1546.  Nupsit  Anno  1567  d.  22.  April 
M.  Wollg.  Ammonio,  qui  pastor  factus  est  Marcobretanus  et 
reliquorura  pastorum  Seinshemicorum,  seil.  ErlachÜ,  Crassolzhemü, 
Nortbemii,  Cottenhemii  etc.  Inspector  et  Superintendens. 

2)  Adam,  nasdtur  zu  Feuchtwang  Anno  1547  d.  1.  Mart, 
fei  Anno  1561    In  der  Onspachischen    Kirchweyh   Sonntag   vor 

taurentiij  (wohin?  omissum}  kommen,  sub  Ludi  magistro  Joanne 
Veselio,  nachmalen  3  Jahr  zu  Oehringen  in  der  Qrafschaffl  Hohen- 
lohe  sub  Joanne  Lautcrbachio  poeta  laureatOj  dahin  er  Anno  1563 
d.  29.  Januarii  kommen. 

Den  23.  Junii  Anno  1566  zeucht  er  von  dannen  gen  Strass- 
burg,  bleibt  da  biss  Anno  1571,  redit  Die  paJmarum  in  Patriam; 
(fol.  239]  folgendes  Anno  1572  d.  2.  Jan.  zeucht  er  nach  Tübingen, 
wird  von  seinem  praeceptorc,  Herrn  Schegkio,  sehr  wohl  gehalten, 
disputirt  2  mal  in  materia  medica.  Marggraff  Georg  Friederidi 
hatte  Verheissung  gethan,  die  Unkosten  zum  Doctorat  auszulegen; 
weil  aber  hochgedachter  Fürst  in  Preussen  verreiset  war,  begiebt 
sich  dieser  Adam  indessen  nach  Göppingen  zu  Herrn  D.  Oswald 
Qabelköfer,  fürstl.  Leibmedico  zu  Stuttgart  in  der  practica  von 
Ihm  sich  zu  unterweisen  lassen.  Anno  1579,  nachdem  er  zuvor 
sich  post  patris  obitum  zwey  Jahr  drin  aufgehalten,  den  23.  April 


am  Tage  Qeorgii  kommt  er  gen  CAppingen,  bleibt  daselbst  den 
Sommer,  tierbst  und  Winter  ohne  sein  Verschen;  daselbst  ver- 
heyrathet  er  sich  Anno  1S80  den  II.  januarii  an  Sebastian  [Bl.  45] 
Lincken,  Adelbergischen  Pflegers,  welcher  Anno  1578  zuvor  am 
Tage  Matthaei  im  Herbst  gestorben,  seine  hinterlassene  Wittv^ 
die  26  Jahr  all  gewesen.  Anno  15S1  d.  18.  Januarii  doctorirl  er, 
welches  er  vorlängst  gethan  hätte,  wann  ihm  der  Marggraf  die 
versprochenen  sumptus  oder  Unkosten  gereichet  hätte,  die  er 
nachgchcnds  von  ihme  nicht  mehr  begehrt,  weil  er  die  Mittel 
darzii  durch  diese  gitte  Heyrath  erlangt;  stirbt  den  18.  Martii 
Anno  1600  am  Dienstag  in  der  Charwochcn,  nachdem  er  mit 
Ursula  seinem  Eheweib  erzeugt:  1)  Ursulam,  2)  Magdalenam, 
3)  Margaretam,  4}  Gottfried,  5)  Sabinam,  ö)  Erhardum  7)  Euphro- 
synam,  8)  Justinam,  9)  Georg  Friederichenj  10)  Justum. 

3)  Maria  Magdalena,  nascitur  Anno  1548  Sonntag  d.  3.  Julii, 
moritur  post  10  seplimanas  Montags  post  Matthaei  d.  24.  Sept 

4)  Abel,  nascitur  anno  154Q  Donnerstags  nach  Mauritii 
d.  26.  Sept,  moritur  anno  1551  d.  6.  Febr.  Donnerstags  post 
purificat.  Mariae. 

5)  Maria  Magdalena,  IT.  hujus  Hominis,  nascitur  anno  1551 
Freitags  fx>st  ascensionis  Mariae  d.  21.  Augustij  stirbt  ■wieder  im 
ersten  Jahr. 

6)  Abraham  nascitur  anno  1553  Dienstags  nach  Palmarum 
d.  28.  Martii,  ist  Pfarrer  worden  zu  Dorf  GQting. 

7)  Justina,  nascitur  anno  1 555  Donnerstags  nach  Ulrici 
d.  5.  Julii,  wird  verheyrathel  mit  Georg  Fischern,  Pfarrern  zu 
Schopfloch,  der  viduus  gewesen,  anno  1574. 

8)  Philipp,  nascitur  anno  1557  Donnerstags  nach  cinerum 
d.  4.  Martii,  studirt  zu  Onspach  3  Jahr  weniger  3  Wochen  und 
5  Tage,  dahin  er  anno  1575  d.  S.Junii  aelal.  18  Jahr  27  Wochen 
ß  Tage  vor  Absterben  seines  Vatters  seetig  kommen  sub  Rcctore 
Johanne  Hertelio;  anno  1578  d.  6.  Junii  zeucht  er  gen  Tübingen, 
die  Mutter  und  Wittwe  lässt  ihn  shidiren  von  ihren  eigenen 
Mitteln,  giebt  über  den  blossen  Tisch  25  fl.  Kostgeld.  Magistiret 
Anno  1580  d.  10.  Febr.,  anno  I58I  redit  domum. 

Anno  1584  fit  Diaconus  inferioris  Cygneae  Suevicae  [Unter- 
schwaningcn  im  B.  A.  Dinkelsbühl]  [Bl.  45']  ducit  in  matrimonium 


Selbstbiographie  des  Stadtpfairers  Wolfgang  Ammon  ete.        315 

Job.  Majen,  consulis  Feuchtvangensis,  filiam  Ottiliam  d.  6.  Aug., 
Donnerstags  vor  Laurentii.  Nuptiae  factae  sunt  d.  15.  Sept  die 
Nicodemi  anno  1584.  Anno  1587  d.  20.  Julii  promovetur  ad 
parochiam  Dorf  Gütingen.  Anno  94  Petri  Cathedra  fit  pastor  et 
senior  Leutershusanus,  anno  1630  d.  18.  Majt  fer.  III  obüt  Leuters- 
husii  aet  72  zwischen  7  und  8  Uhren  Nachmittag.  Herr  Joh.  Bapt 
QradelmüUer,  decanus  zu  Lehrberg,  condonem  habüit  Psalm  37  vers. 
25:  Idi  bin  jung  gewesen  und  alt  worden.  Caplan  zu  Schwaningen 
3  Jahr,  zu  Lehen  GQtingen  7  Jahr,  zu  Leulershaussen  37  Jahr. 
Haben  Ihn  8  Geistliche  den  21.  Maji  zu  Grab  getragen. 

Seine  Kinder  sind  gewesen  1.  Philipp,  2.  Thomas,  3.  Johannes, 
4.  Wolfgang,  5.  Paulus,  6.  Ottilia,  7.  Paulus,  8.  Johannes  Philippüs 
9.  Abdias,  10.  Margareta,  II.  Ein  Sohn  anonymus  todt  gebühren, 
12.  Adam  Martinus,  13.  Fridericus.    [fol.  241.] 

9)  Johann  Woifg.,  nascitur  anno  1559  Donnerstags  nach 
Palmarum  seu  die  viridium  d.  23.  Martii,  moritur  anno  1560 
Donnerstag  nach  Judica  d.  4.  April. 

10)  Paulus,  nasdtur  anno  1560  Donnerstags  nach  Ursula 
den  24.  Octobr. 

11)  Euphrosyna,  nascitur  d.  4.  Aug.  anno  1563,  moritur 
eadem  Dienstag  nach  Exaudi  den  9.  Maji  anno  1570  am  Stein 
in  der  Blasen,  welcher  nach  dero  Todt  von  ihr  genommen  und 
in  der  Grösse  eines  Taubeneyes  bestanden,  hat  gewogen  1  Loth 
1  Quinti. 

12)  Maria  Jacobi,  nascitur  anno  1564  Dienstags  den  21.  Nov., 
nubit  Johanni  Hachen,  civi  et  mercatori  zu  Kirchheim  an  der 
Teck,  anno  1500  nuptiae  celebr.  d.  20.  Maji  anni  dicti. 

13)  Maria  Magd.  III.  nascitur  anno  1567  Dienstag  den 
23.  Julii,  war  memoria  Mariae  Magdalenae,  nubit  Herrn  Guilielmo 
Mosern,  Adelbergischen  [Kloster  im  württ  Schurwald]  Pfleger  zu 
Göppingen  [Oberamtsstadt],  anno  1592  den  29.  Aug.,  Dienstags 
nach  Barthol.  nuptiae  factae  sunt 

14)  Georg  Friederich,  nasdtur  Anno  1568  Freitag  nach 
Othmari  den  19.  Nov.;  ist  Herr  Marggraf  Georg  FriedericuS' 
sdn  Dod  gewesen;  stirbt  Donnerstags  nach  Judica  den  1.  Apr; 
anno  1574  am  Stein  und  einem  Geschwür  an  der  Blasen  aus- 
vendig.  Der  Stein  ist  einer  jung  Hennen  ey  gross  und  rauh  gewesen. 


|BI.  46,  fol.  243.]  Anschlag  des  Weins  zu  Markbreit,  von 
etlichen  Jahren  her,  von  einem  erbarn  Ralh  daselbsL 

Anno  1^20  galt  das  Fuder  24  f1.  1521  10','„  22  15,  1523 
I4V,.  1524  20.  1525  14'/t.  1526  17,  1527  17'.',,  1528  12.  1529  IZ 
Diess  ist  der  Törkenwein  genennet  worden  und  so  ^-eracht  gewesen, 
dass  ihn  kein  Fuhrmann  zu  kauffcn  bcf:chrt  und  hat  der  Anno 
26  enrachsene  Wein  in  diesen  29.  Jahr  28  fl.,  auch  minder  und 
mehr  gegolten.  Anno  1530  24  fl.,  1531  9  fl.  In  diesem  Jahr  ist 
so  viel  Wein  gevacfasen,  dass  viel  Pass  zerronnen  und  ein  Fuder 
leere  Fass  5  f!.  gölten  und  der  Türkcnwein  so  unwerth  gewesen, 
dass  man  ihn  auf  die  Gasse  geschüttet  1532  23  fl.,  1533  13. 
1534  2I'/„  1535  13,  1536  16'/,  fl-,  1537  19V,.  1538  29,  153Q  10. 
1540  12'/,,  1541  12'/*  1542  12  IL,  1543  28,  1544  24,  1545  19, 
1546  157^  1547  25,  1548  24,  1549  24.  1550  17,  155125,  1552,  10. 
Und  sind  die  Fass  in  so  hohen  Werlh  gewesen,  dass  ein  Fuder  5. 
auch  6  fl.  gölten.  1553  14,  1554  24,  1555  16  fl.,  1556  19.  1557 
19V),  1558  12Vi.  1559  Der  Wein  so  gar  erfroren,  dass  man  keinen 
Anschlag  machen  können.  1560  12V„  1561  24,  1562  23,  1563  22, 
1564  25,  1565  25,  1566  19,  1567  19.  1568  21.  (fol.  244)  üb«s 
Jahr  dieser  Wein  24  fl.  gölten.  1569  ist  der  Wein  gar  erfroren, 
dass  kein  Anschlag  gemacht  werden  können. 

1570  23.  1571  27.  1572  26.  1573  18.  1574  43.  1575 
43.     1576  22  fl. 

1577  ist  der  Wein  so  gar  erfroren,  dass  man  keinen  Anschlag 
machen  können. 

1578  40  fl.  1579  18.  15S0  39  fl.  [Bl.  46')  1581  20  fL 
1582  18.     1583  15.     1584  9.     1585  15.     1586  30. 

1587  18,  1588  50.  1589  72.  1590  60.  1591  42.  1592 
54.     1593  51.     1594  58.     1595  — .     1596  70. 

1597  39  n.  1598  39.  1599  39.  Anno  1601  galt  er  50  f. 
und  das  folgende  Jahr  150  fl. 

1600  39  n.  1601  45.  1602  80.  Dann  der  Wein  im  Sommer- 
frost also  erfroren,  dass  man  keinen  grünen  Zweig  oder  Aug 
gesehen,  desswegen  gar  wenig,  aber  sehr  gut  worden.  1603  42  fl, 
1604  38.     1605  25.     1606  24.     1607  49. 

Das  folgende  Jahr  84  fl,  wiederum  im  Folgenden  Jahr  95  fl. 
und  im  Zehner  Jahr  7J  fl.,  weil  gar  eia  guter  Wän  .damals  ge- 


SelbslbJogniphie  des  Sladtpfarrers  VC^otfgang  Ammon  etc       317 

wachsen.    Anno  1607  galt  das  Fuder  löOSer  60  fl.,  1608  38,  1609 
42,  1610  39  fl-,  folgender  Jahren  59,  72,  65,  100,  90  ö. 

1611  30,  folgcnds  46,  41,  60  fl.,  darauf  sich  verkrochen. 

!6I2  50,  hemacher  48,  72  oder  70,  72,  60,  58  fl. 

Anno  1613  26  fl.,  hernacher  30  fl. 

Anno   1614   24,   hernacher   29  fl.     Kein    Frag   mehr   nach 

II 4er  Wein. 
Anno  1615  48,  hernacher  68,  70  fl.,  wenig  erwachsen, 
[fol.  245.J  1616  57  fl.,  hernacher  60,  57  fl.,  wciler  Anno  20 
ICO,  auch  110  und  120  fl.  gölten,  auch  im  folgenden  Jahr  2tXl  fl., 
350  fl.  beym  steigenden  Geld  anno  21. 
1617  20  fl..  folgends  40  oder  38,  160,  ISO.  190,  200  fl.  beym 
s-teigenden  Geld,  wie  auch  die  folgende  Weine  biss  22. 
I6I8  39,  folgends  auch  39,  38,  36,  auch  ums  Jahr  20  74  fl. 
1619  32,  folgends  74  fl. 
K  1620  58,  ist  lezlich  beym  neuen  Geld. 

^  1621  72  fl,  im  folgenden  Jahr  hat  man  keinen  mehr  trinken 

"tollen,  weil  der  neue  gut  worden,  doch  500  fl.  im  neuen  Geld 
polten.  1622  54  Reichsthaler  oder  540  fl.,  folgends  Jahr  90,  84, 
'T'b  fl-  gölten,  also  immer  abgeschlagen,  der  Thater  auf  18  Bazen 
kommen,  sonst  grosse  Theuerung  worden. 

1623  66,  übers  Jahr  51,  50,  48  fl.  1624  39  fl.;  sehr  trefflicher 
^osl,  gut  und  viel,  der  folgendes  Jahr  um  50,  60,  62,  S6,  im  27. 
Jahr  um   lOO,  108,  lezlich  uff  200  fl.  und  mehr  hinauf  kommen. 

1625  42  n.,  nicht  so  gut  und  etwa  halb  so  viel  gewachsen 
liat  doch  Anno  27  noch  86  fl.  gölten. 

1626  gar  kein  Wein  gewachsen.  [Bl.  47]  Anno  1627  40  fl. 
Sauer  und  gar  wenig;  dann  ein  Morgen  uff  2,3  Aimer  getragen, 
ist  dennoch  im  folgenden  Jahr  uff  80,  ja  100  fl,  kommen. 

1628  wieder  gar  ein  überaus  saurer  Wein  worden,  eiliche 
mal  im  Herbstmonat  und  Octobr.  erfroren. 

1629  57  fl.    1630  14  0.    12  Rcichsthaler.    I63I   16  0.     1632 
14  fl.,  12  Reichsthaler,  1633  30  fl. 
[ßl.  48,  fol.  248.]  Korn-Preiss. 

Anno  1530  galt  das  Maller  fl.  3,  VU.  I53I  4'/,,  mehr  oder 
minder.  1540  3  K,  8  H.  I54I  8  M.  1542  5  B,  auch  1  fl.  1552 
im  Herbst  2'',  f).     1566  15  K.     1567  3V,  fl.     1568  2  0.    1569  2. 


1570  3'/*.  1571  6.  1572  3'/,.  1573  6.  1574  7.  1575  7'/i.  1576 
2.  1578  12  tt.  1579  II  V.  I5S0  3'l*  fl.  1581  2V»  fl.  1582 
2Vt.  1583  3'/.  fl.  1584  2  Thaler.  1585  2*f.  fl.  1586:5'/..  1587  3. 
1588  3.  1589  4'/..  1590  4'li,  5'/..  I59I  2'J..  1592  3.  1593  3. 
1594  3'/..  1595  ^.  1596  2'!..  1597  3.  1598  3';..  1599  2'/,. 
1600  3V4.  1601  4  fl.  1602  4  minus  21  dl.  1603  3.  1604  2V«  fl. 
1605  2.    1606  TU  fl.    [fol.  248.]    1607  2'/i.    1608;  ZV.  H. 

1609  4  n.  6  Xr.  lölO  8  ft.  1611  6.  1612  5.  1613  3. 
1614  6.     1615  4V..    1616  4  minus  5  Xr. 

1617  2<i..    1618  2'/..     1619  2.  das  alte  2  fl.  6  Bazen. 

1620  5  r.,  auch  ein  Ort  weniger. 

1621  4,  auch  6'/i,  7,  VI,  fl.  1622  I,  2,  3,  4  biss  4'/.  Reichs- 
thaler, das  ist  45  fl. 

1623  3'J,  n,  4V.,  5  n.  1624  5,  6.  7,  7%  6  fl.  1625  5,  6, 
6V.,  6Vj  fl.  1626  7Vi,  8  fl.  1627  3'/,  fl.,  ein  reich  Korn-Jahr. 
1628  3'/»  fl.,  mehr  und  weniger.  1631  das  Korn  in  curia  um  2 
Thaler  herauskommen,  2  fl.  6  Bazen. 

[BL  49,  fol.  250-252.]        Preiss  von  Erbsen: 

1540  galt  die  Mez  24  fl.,  1542  2  a,  auch  5  B.  1552  16  ß. 
1572  t  n.  1574  ]  fl.  1590  25  ß.  1591  II  ß.  1592  12  ß.  1593 
11  ß.  1594  3  tt  6  dl.  1596  3  w  6  dl.  1597  3  m.  1598  12  ß 
1599  3  «. 

1600  17  ß.  1601  15  ß.  1602  10  Bazen.  1603  12  Bazen. 
1604  11  Bazen.  1605  1  fl.  1606  l  fl.  1607  7  Bazen.  1608 
5  fl.  1609  und  1610  8  Bazen.  1611  7  Bazen.  1612  t  Bazen. 
1613  1  fl.  1614  3  ort.  I6I5  10,  II  Bazen.  1616  I  fl.  1617 
10  Bazen.  1618  10  Bazen.  1619  I  fl.  1620  1  fl.  1621  I  fl. 
1622  wie  der  Waizen.  1623  5*U,  6.  1624  wie  das  Korn,  an 
manchen  Orten  sehr  verdorben.  1625  5'fi  Bazen,  wol  gerathen. 
1626  9  Bazen.    1627  8  Bazen. 

Preiss  von  Walzen: 

1594  3'itfl.  1596  3'f..  1597  3V..  1598  3V*.  1599  2'/,.  I60Ö 
5'/*.  1601  4 'J,.  1602  4'/..  1603  3-4'/..  1604  3,  10  Bazen.  1605 
4.  1606  3*/*.  1607  3,  1608  3«/,.  1610  3  fl.  16117.  1612  6. 
1613  4.  1614  6'/i.  1615  5'/..  1616  5.  1617  4»/..  1618  3  in  15, 
18  Xr. 


4 


Selbstbiogn4>hie  des  Stadtpfarrers  Wolfgang  Ammon  etc.        319 


1619  3.     1620  5,  4,  4%     1621  6V>,   7,  9.     1622  2,  3  H. 
mehr  als  das  Korn.    1623  6'/..    1624  7,  7'/«,  6. 
1625  7,  7'/i  n.  1626  9.     1627  3'/i,  4  fl. 

Preiss  von  Haber: 
1572  4V.fl.    1573  2'/..    1574  2'/».    1590  3.    1591 


1' 


1592 
1600 
1606 


1'/..  1593  IVi.  1594  Vit.  1597  1»/«  fl.  1598  Z  1599  Z 
2»/..  1601  2.  1602  2V..  1603  2V*.  1604  VI*.  1605  VU. 
1»/,.  1607  l»/4.  1608  2.  1609  1«/*.  1610  3'/4.  1611  3'/i.  1612  3'/. 
1613  2.  1614  3.  1615  4.  1616  3'/..  1617  2.  1618  IV*,  l'/i. 
1619  2.  1620  2'/*.  1621  4,  4'/«.  1622  30  fl.  oder  3  Reichsthaler. 
1623  4'/.,  5  fl.  1624  6,  5V.,  5.  1625  6,  3.  1626  4,  4'/..'  1627  2'/.. 


pol.  255.] 

Fleisch 

,  was  gölten 

1  Pfund 

Rind 

Kalb 

Hammelfleisch 

Anno  1603 

16  dl. 

12  dl. 

12  dl. 

1604 

16  dl. 

12  dl. 

12  dl. 

1605 

wieder 

wieder 

U  und  12  dl. 

1606 

wieder 

wieder 

wieder 

1607 

wieder 

wieder 

, 

1608 

wieder 

wieder 

U  dl. 

1609 

15 

13 

12  und  11  dl. 

1610 

16 

14 

12 

1611 

16 

14  und  15 

13 

1612 

1  Bazen 

16 

14 

1613 

wieder 

wieder 

1614 

> 

■ 

14  und  13  dl. 

1615 

1  Bazen 

1  Bazen 

14,  13,  14 

1616 

n 

» 

* 

1617 

W 

* 

j» 

1618    1  F 

>[d.  Rind  1  Baz. 

.  Kalb  1  Baz..  Han 

nmelfleisch  1  Baz., 

lezlich  15  dl. 

1619  wieder         wieder  15  dl. 

1620  »  ,  1  Bazen,  15  dl. 

1621  4,  5,  6,  8  Xr.  8  Xr.  10  Xr.  4,  5,  6  Xr. 
1622.                         I  fl.            1  fl.  I  fl. 

Schwein  9  Baz. 
1623  5  Xr.         7  Xr.  5  Xr. 

Schwein  6  Xr. 


320  Franz  HQttner. 


1624  5  Xr.,  und  18  d!.  8, 6, 5  Xr.  6  Xr,  4  Xr. 

1625  5  Xr.       6,  5  Xr.  4  Xr. 
Schwein  1  Baz.  5  Xr. 

1626  5,4  Xr.        4  Xr.  4  Xr. 

Schwein  5  Xr. 

1627  1  Bazen  1  Bazen  14  dl 
Schwein  1  Baz. 

[fol.  250,  251]  Linsen 

1  Mezen  kommen  gemeiniglich  wie  Erbsen,  Korn  oder  Waizen 
als  Anno  22. 

Anno  1616  1  fl.    1617  1  fl.    1625  5'/»  Bazen.    1626  9  Bazen. 
1627  8  Bazen. 

Dinkel  das  A4alter 
1623  4  fl.     1624  3Vi,  47*.    1625  3V4.    1626  5.     1627  5. 

Gersten 
1617  4  fl.    1623  6  fl.    1624  7  fl.    1625  6"/.  fl.    1626  6'/,  fl. 
1627  4  fl. 

Obst  Anno  23  zimlich  gerathen 
[f.  257]    Anno    1624  viel   Bim,   wenig  Aepfel.     Anno    2S 
keines  gerathen. 

26  auch  nicht    27  zimlich  Obst 
[fol.  253]    Scheuben  Salz  kostet  Anno  1570    48  a,  die  Mez  6  u. 


71 

3  fl.  I  Ort 

72 

2  fl.  3  Ort 

73 

5  fl.  1  Ort 

74 

3'/,  fl.  1  Ort. 

75 

4  fl. 

76 

3  fl. 

78 

2  fl.  1  Ort 

79 

2  fl.  1  Ort 

80 

2  Reichsthaler. 

82 

2  Reichsthaler. 

83 

wieder. 

84 

abermal. 

85 

2V.  fl. 

86 

2  fl. 

87 

3  fl. 

Selbstbiographie  des  Sladtp&trreis  Wolfgang  Aratnon  etc.        321 


88 

2  fl.  3  Ort. 

89 

3  fl. 

90 

2V.  fl. 

91 

2  fl.  3  Ort. 

92 

2V.  fl. 

93 

wieder 

94 

2  fl.  IV»  ort 

96 

2  fl.  3  Ort 

97 

2Vi  fl. 

98 

wieder. 

99 

2  fl.  3  ort 

1600 

3  fl. 

1 

3  fl. 

2 

3  fl. 

3 

3  fl. 

4 

3  fl. 

1605 

3  fl.  1  Ort 

6 

wieder. 

1607  wieder.    1608  2  fl.  3  Ort.    1609  3  fl.  10  Xr.    1610 

3  fl.  1  Ort    1611  5  fl.  6  Baz.    1612  3»/,  fl. 

1613  wieder.    1614 

3  n.  5  Baz.    1615  2  fl.  1  Ort.    1616  3  fl.  3  Ort.    1617  3  fl.  3  Ort 

1618  3V,  fl.    1619  4  fl.    1620  wieder.    1621 

5,  7,  8.  10  fl.    1622 

5,  6  Thaler,  ist  56,  60  fl.    1623  5,  5Vi  fl. 

1624  4,  3Va  Thaler. 

1625  3  fl.  9  Raren.    1626  3'/i,  4  fl.    1627  4  Reichsthaler. 

[fol.  25Z]    1  Centner  Ünsslit  kostet  Anno  1621    50  fl. 

22    200  ft. 

23     15  fl. 

24     15  fl. 

25     10  fl. 

26    auch. 

27    ebenfalls. 

[BI.  50]    Herr  Schechsius,  Pfarrer  zu  Ampferach,  kam  nach 

Erlach  Anno  1595  um  Ostern,  starb  Anno  1616,  in  die  18.  Oct. 

begraben. 

Anno  1597  fin.  Jul.  Herr  Ammonius  : 

EU  Crassolzheim  auf- 

gezogen. 

M.  Heinrich  Wegelein,  Pfarrer  zu  Reisch  Anno  16.. 

Archiv  far  KnltnrKCSchichte.    I,  3. 

21 

322 


Franz  Mtinner. 


Paul  Herl,  Anno  1592  in  Jena  studirt,  gestorben  zu  Nord- 
heim, Anno  1618  den  22  Dec  begraben. 

Den  9.  Jun.  Anno  1606  ist  M.  Postler  zu  Nordthcim  in- 
vesiirt  worden.  Anno  1616  d.  21.  Dec  ward  er  zu  Erlach  in- 
vcstirt.    Anno  1627  den  18.  April  begraben. 

Anno  1627  d.  10.  Jun.  Herr  Kuppelich  zu  ErJach  investirl 
Anno  1602  I.  Maji  Paul  Marlin  von  Lichtenstein  begraben. 
Frauen  Annae  von  Seinssheim  Bruder;  diese  Frau  Anna,  Herrn 
Georg  Ludwig  von  Seinssheim  jun.  Frau  Gemahlin,  ist  Anno 
1607  d.  4.  Martii  begraben  worden,  ihre  Fr.  Schwester  Eva  wurde 
Anno  1617  zu  Ippcshctm  d.  23.  Jan.  begraben. 

Anno  160Ö  den  28.  Marl.  Herr  Valcnt.  Apelius  zu  Nord- 
heim gestorben. 

Anno  1608  8.  Maji  Herr  Georg  Bemiuth,')  Pfarrer  zu 
Obembreit. 

Anno  1611    14.  Sept  Herr  Pfarrer  zu   Dornheim  begraben. 
Anno  1618  7.  Dec.  M.  Michael  BrüIer,*J  Pfarrer  zu  ObembreiL 
Anno  1629  27.  Jun.  Herr  Raupperl,*)  Pfarrer  zu  Obembreit, 
begraben. 

Anno  1633  d.  ö.  Jul.  Herr  Clemens  Gunderus  zu  Northeim. 
Joh.  Georg  Pfeiffer,  Pfarrer  zu  Segniz,  hernach  zu  Ober- 
hochstatt bey  Weissenburg  [Oberhöchstädt  im  B.  A.  Neustadt  a. 
Aisch.] 

[Der  Schrift  nach  stammt  das  folgende  Fragment  aus  dem 
18.  Jahrhundert;    da   das   Concept   schwer    leserlich    ist,    musste 
manches  ausgelassen  werden.] 
[Bl.  50']    9.    Ja  weil  sich  bey  deinen  Gaben 
etwa  mein  Oemülh  erhob, 
muss  ich  einen  Fleisch-Pfahl  haben 
zur  bewährten  Demuthsprob. 
Aber  Satan  ängslet  mich 
jezu  gar  zu  jämmerlich, 
dass  er  durch  die  Fauslesschläge 
mich  zur  Ungedult  bewege. 


I 


■l  M.  ORprs  acnuitr,  vgl.  Ocontii,  UtfuihrimlKltc  N«bautiu»I(ii  (ITM)  II  SdlC  231. 

■)  Vgl.  Omrgii,  1.  c 

•)  Pulu  RuKhbu.  TX].  OtOTKU  II.  ZU. 


Selbstbiograptiie  des  Stadlpfairers  V/olfgang  Ammon  etc. 


10. 


n. 


12. 


Jammer,  Jammer  über  Jammer! 
ach!  achl  ach!  was  fang  idi  an? 
Soll  ich  denn  zur  Höllenkammer 
gehn  durch  die  Verzweifflungsbahn  ? 
Soll  ich  in  so  g^rosser  Noth 
etwan  sehn  keinen  Gott? 

Soll  ich  den und  sterben 

und  an  Leib  und  See!  verderben? 
Nein,  ich  schreye:  Gnade,  Gnadel 
Gott,  mein  Gott!  erbarme  dichl 
Führe  mich  nach  deinem  Rathe 
wunderlich,  nur  seeligJich. 
Vatter,  Vatter,  hab  Gedult, 
Denke  nicht  der  alten  Schuld. 
Und  lasse  meine  Sünden 
im  Nebel  gleich  verschwinden, 
Du  wilt  nicht,  dass  jemand  sterbe^ 
und  dass  der  Sünder  leb 
und  das  Himmelreich  ererbe, 
drum  lass 


nur  Krafft  und  Segensfüll 
durch  dein  Herr  Wort  empfangen 
und  begehrts  Heil  erlangen. 
(Bl.  51)    13.     Du  hast  ja  Für  mich  gegeben 
deinen  allerliebsten  Sohn, 
dass  ich  durch  ihn  mechte  leben, 
litt  er  Schläge,  Spott  und  Hohn, 
ja!  den  bittern  Creuzestod 
und  die  grösste  Höllennoth. 
Drum  will  ich  beym  Teufel  sichten, 
mich  in  seine  Wunden  flüchten. 
14.    Jesu,  Jesu,  reich  die  Hände 
Deinem  schier  gefällten  Kind! 
Jesu,  Jesu,  hilf  und  sende 
Deine  Engelschaar  geschwind 
mir  zu  steten  Dienst  und  Schuz, 


21' 


p 


324  Franz  Hättner. 


jenem  Höllenfcind  zu  Tmz, 
dass  er  schimpflich  unterliege, 
aber  ich  im  Glauben  siege. 

15.  Herr,  ich  schling  mit  festen  Armen 
mich  um  dich  und  iass  dich  nicht, 
biss  zu  gnedigra  Erbarmen 
stärke  meine  Zuversicht 

Mache  mich  von  den  Aengsten  frey, 
Zeige  jedem,  ich  sey 
noch  von  dir  nicht  ganz  vergessen, 
auch  dem  Satan  nah  gesessen. 

16.  Tröste  wieder  meinen  Sinn 
und  iass  die  Versuchungsqual 
ein  erwünschtes  End  genommen, 
schenke,  Herr  Jesu,  eine  Zierde 
deinen  werthen  h.  Geist, 

der  ja  unser  Tröster  heisst, 
dass  tT  mich  erqutkk  und  labe, 
wan  ich  Seclenkummer  habe. 

17.  Ja  das  Licht  der  Gottes  Kinder 
sehen  viele,  Herzens  Gast 
komm,  enthalt  mich  ohne  Sünde 


Nehre  Glautw 


18.    Nun  wirst  mich  seufzen  hören, 
heiligste  Drey faltigkeit, 
dann  will  Ich  dein  Lob  vernehmen 
und  den      -  Kampf  und  Streit 

Pack  dich,  pack  dich,  Höllenhund. 
Ich  kann  mit  erfreuten  Mund 
(den  Gott  lässls  mir  doch  gelingen) 
evig  Halleluja  singen. 
IBI.  51']    Herr  D.  Mich.  Walthcr  jun.,  S.  Th.  Professor  zu 
Wittenberg,  hat  Anno  Iöö8  Jungfer  Euphrosynen,  Herrn  D.  Conradi 


h 


iiographie  des  SlEdtpfarrcrs  Wolfgang  Ammon  rtc. 


Victoris  Schneiden,  Med.  Prof.,  Tochter,  geheyratheL    Uhse  P.  l 
p.  988. 

D.  Jo.  Scharffius,  Praeposihis  der  Schlosskirche  zu  Witten- 
berg und  S.  Theo!.  Professor,  hatte  zur  er&ten  ehelichen  Frau 
Euphrosynam  Oaram,  Herrn  Martini  PrestorÜ,  Md.  Doct  u. 
Canonid  zu  S.  Nicol,  in  Magdeburg,  Tochter. 

Herr  Joa.  Sauberti,  S.  Th.  et  professor  zu  Altdorf,  hatte 
Herrn  D.  Hermanni  Conringii,  eines  berühmten  Medici,  Tochter 
A.nnam  Mariam  zur  Ehe. 

D.  Nicolaus  Hunnius,  Siip.  zu  Lübeck,  hatte  zur  Ehe  D. 
Emesti   HettenbachÜ,   Med.   prof.   in  Wittenberg,  Tochter. 

Herr  D.  Paulus  Hofmann,  der  Anno  1704  den  18.  Mart  zu 
"Thorn  in  Preussen  als  Senior  gestorben,  vorher  aber  Superint. 
^in  Torgau  gewesen,  hat  Johannam  Susannam,  Herrn  Abraham 
^feimbaums,  churf.  Sachsischen  Leibmedici  Tochter,  zur  andern 
.^^he  gehabt 

D.  joh.  Oerhardus,  der  berühmte  Theologus,  hatte  auch 
^ines  Medici,  nemlich  D.  Johann  Mattcnbergers  in  Gotha,  woselbst 
^st  auch  Bürgenneister  gewesen,  Tochter  Mariam  zu  seinem  andern 
^^heweib,  die  er  Anno  1614  genommen. 

Also  auch  D.  Woifg.  Franzius,  Theol.  Professor  et  Praepo- 
^itus  zu  Wittenberg,  hat  Anno  16I8  als  Wittwer  mit  Jungfer  Sabina, 
Herrn  Ernesti  HettenbachÜ,  Md.  Dr.  et  Professoris  in  Wittenberg, 
Tochter  sich  vermählt. 

D.  Christoph  Franckiiis,  S.  Theol.  prof.  prim.  zu  Kiel,  hat 
.^^nno  I6ÖÖ  mit  Jungfer  Catharina,  Herrn  Malthaei  Clausens,  Medic. 
Ooct  u.  herzogl.  Holstein.  Leibmedici  Tochter,  Hochzeit  gehalten, 
— h  1704  d-  U.  Febr. 

Herr  Andreas  Caroli,  Abt  im  St  Georgenkloster,  welcher 
^us  Memorabilibus  Ecclesiasl.  See.  XVII.  bekannt,  hat  Herrn 
£alth.  Simons.  Med.  D.  ei  p.  p.  in  Tübingen,  Tochter  Evam 
iMariam  zur  Ehe  gehabt.'! 

<t  Dleic  killen  Ztiitlw  ■«  spilcrer  Zeit,  die  dk  HiuflElEcll  von  Eben  von  Qdsl- 
Itdicn  mtt  Tfichlern  von  Anten  bewerten  ■ollfV,  haben  mit  def  SeIt»ibiQK">phi«'  »Ichu 
mehr  m  Ihtui. 


M 


326  Johannes  Müller, 


Augsburgs  Warenhandel 
mit  Venedig 

und  Augsburger  Handelspolitik  im  Zeitalter 
des  Dre  issig  jährigen  Krieges. 

Von  JOHANNES   MÜLLER. 


Unter  den  auf  das  Rodwesen')  bezüglichen  Akten  des  Augs- 
burger Stadtarchivs  befinden  sich  zwei  einander  ergänzende  Erlasse 
des  Augsburger  Rates  -  der  eine  vom  15.  November  1597,  der 
andere  vom  23.  Juli  1511  -,  die  uns  durch  ihre  Bestimmungen 
selbst  sowie  durch  die  den  Erlassen  vorausgehenden  Verhandlungen 
des  Rates  von  Augsburg  mit  der  Augsburger  Handelswell  höchst 
ehrrejche  Aurschlüsse  sowohl  über  die  Art  des  Warenhandels 
zwischen  Augsburg  und  Venedig  als  auch  über  die  handeis- 
poIitischenAnschauungen  des  Augsburger  Stadtregiments  im  Zeit- 
alter des  Dreißigjährigen  Krieges  gewähren.  Wegen  dieser  doppelten 
Bedeutung  seien  die  beiden  Ratserlasse  hier  £unächst  im  Wortlaut 
mitgeteilt  und  sodann  diejenigen  Bestimmungen  näher  erörtert, 
die  einesteils  die  Betriebsweise  des  damaligen  deutsch-venetianischen 
Warenhandels,  andemteils  die  handelspolitischen  Anschauungen 
des  Augsburger  Stadtrates  in  eine  schärfere  Beleuchtung  rücken. 


■)  Unter  tftoA',  der  obcrdnilKh«)  Form  für  du  Wert  RMK,  venttnd  mm  In 
MitteLftIter  Im  OiUlpenfcbict  Iniclui.  OtBubSndcD  lunichst  die  Rcifacnfolüe,  in  velcher 
die  Puhrl«u<e  einer  Oem«[Rde  die  xv  transportierenden  Waren  inr  Bc< 
förderung  tnccwlesen  cchleltca,  «onus  dsntt  die  Dc<Inituii£  ervuthi:  Recht  des 
Ab  cils  an  dem  Trantporl  von  Kaulmanntgütcrn.  Später  wurde  um  Wort  Rod 
la  einer  liandd»seo|[iaphticheti  Beidchnung,  indem  «  gleich  dem  KhveitcriKbcn  aPorl 
oder  Tdl*  einntriU  aIi  Nunc  FQr  die  einittncn  TruiiportvertiBniJc  drr  OtiaJpaUlader,  «je 
SfidKhvabm«.  Tiralielc.  »ndrinlelh  alt  nrickhnung  f&i  daa  gante  TniuportvcKn  Aber 
die  Oiialptn  Vervenduni;  fand.  Verel.  hlerrs  a.  Börün,  Die  Trampartverfcjiide  md 
da«  Tranipoilrectii  dri  Seti«e!(  im  Mlltetaltn 


lügsEurgs  Warenhandel  mit  Venedig  etc. 


Arlicul  das  Rodwesen  beireffend,  vom  15.  Nov.  1597. 
Nachdem  ein  Ers.  Rhat  der  Stadt  Augsbui^  auK  deren  zu 
»ichlich machung  deß  Rodwesens  inn  die  F.  Grafschaft  Tirol  ab- 
Sesanten   Relationen  sovil  berichts  empfangen,    und   es  sich  sonst 

^uch  in  täglicher  erfahrung  befindet,  das  die  guelfertiger  und  ihre 
«liener  bey  dem  Rodwesen  allerley  mißgebräuch  erwecken,  Un- 
ordnungen bcgeen  und  alle  wolbestellte,  mit  großem  uneosten, 
«nuehe  und  arbeit  angerichte  Rodordnung  seLbs  brechen  und  dannen- 
liero  verursachen,  das  die  Rodfuhrleut,  wenn  sie  schon  unrecht 
handeln,  etlichcrmassen  für  entschuldigt  gehalten  und  die  oberlceit 
-auf  der  Rodfertjgcr  amruefen  gleichsam  bestürzt  werden,  wellichem 
^hail  sie  glauben  oder  beiständig  sein  sollen:  so  hat  ein  ersamer 
Rhat  für  ein  unvermein  den  liehe  nothurft  erachtet,  sollichem  vcr- 
«lerblichem,  einrelssendem  unhail  zeitlich  fürzukommen  und  abzu- 
"Miehren  und  hierin  ein  solüch  mittel  anzustellen,  damit  angcdeute 
J^odordnung  crhaHcn  und  die  oberkeiten  zu  schleuniger  hülff  und 
Fortsetzung  derselben  bewegt  werden  mugen.  Zu  dessen  würklicher 
"handhabung  hat  wolermelter  ein  Ers.  Rhat  hemachfolgende  articul 
approbirt,  auch  dabei  erkannt  und  emsttich  bevollen,  das  dieselben 
-von  den  guelfertiger  und  deren  dienern  steif  und  unverbrüchlich 
gehalten  werden  sollen. 

1.  Sollen  die  jetzigen  guelfertiger,  benamHch  Hannß 
Spaiser,  Burgerm  ei  ster,  Christoph  Lutzenbcrgcr,  beede  zu 
fbssen,  Hannß  Eisengrein  und  Conrad  Fischeret  Consorten, 
Surger  alhie,  Caspar  Mair  von  Venedig  und  Christoph  Wex 
^fon  Landspcrg  {mit  welchen  man  auf  dißmal  genugsam  versehen) 
«Jahin  adstringirt,  gehalten  und  verbunden  sein,  daß  irer  keiner 
awei  oder  mehr  Condutla  auf  einander  anncmcn  und 
'verfüren,  sondern  sie  sollen  sich  dem  ordenlichen  loß  unter- 
geben und  wie  sie  nach  einander  im  loO  troffen  werden, 
alßo  auch  außfaren  und  kainer  dem  andern  ainigcn  eingriff 
Ihuo;  doch  soll  hierinn  der  Kauf- oder  Handelsmann  nit  schuldig 
sein,  eben  dem  guetfertiger,  so  der  nehlste  in  dem  loß  oder  Ordnung 
ist,  sein  guet  aufzugeben  und  zu  vertrauen,  sondern  ime  bevor  und 

I  Irey  steen,  welcher  ime  am  besten  beliebt,  zu  gebrauchen. 

f  2.  Wenn  einer  oder  der  andere  guetfertiger,  wie  sieder 

Ordnung  nach  auf  einander  gecn,  keine  gueler  hatt  oder  mit 


i 


denselben  nit  fertig  werden  kann,  soll  derselbe  dem 
nachfolgenden  weichen  und  sobald  der  mit  sdncn  guetem 
fertig,  ihn  unaufgchallen  fortfahren  lassen. 

3.  Es  sollen  auch  kaincm  guetfertiger  auf  einmahl  mehreres 
alß  auf  der  Unteren  Strassen  27  in  30  wägen  und  auf  der 
Oberen  Strassen  35  wägen  gebunden  und  geladen  werden, 
auch  also  dadurch  die  Verhinderung  und  aufrtig  auf  der  Strassen 
verhütet  werden. 

4.  Wann  nun  die  guetfertiger  mit  ireii  guetem  nach  der 
Ordnung  auf  die  Strassen  kommen,  soll  keiner  dem  andern  für- 
fahren noch  das  geringste  wider  die  Ordnung  fürnemen,  delt- 
gleichen  kain  Qberlohn,  Verehrungen,  essen  noch  trunk 
geben,  dardurch  imc  die  Rodfuhrleut  desto  williger  und  genaigter 
gemacht  wurden,  sondern  mit  seinen  güetern  bey  der  Ordnung  und 
dem  Rodlohn  verbleiben,  und  dem,  so  hernach  kombt,  kain  b&scn 
eingang  erregen. 

5.  Sonderlich  aber,  da  einer  seine  güeter  von  der  Rod 
auf  die  Äx  geben  wolle  oder  wurde:  Soll  derselb  darbey 
kain  falsch  gebrauchen,  dardurch  er  dem,  so  vor  ime  ist,  nach- 
zueilen oder  fürzufahren  und  alsdann  die  Rod  wider  zu  nehmen 
vemiainen  wolt,  und  soll  er  in  soUichcn  fall  dem  ersten 
Ime  allweg  drey  Rodstett  frey  und  bevor  lassen,  alsdann 
und  eher  nit  mag  er,  ob  er  will,  einfahren. 

6.  Im  fall  aber  einer  den  andern  an  einer  Rodslatt 
antreff,  und  der  erst  aus  aigner  Verhinderung  nit  fort- 
fahren kündt  oder  wolt,  soll  der  ander  fortzufahren  macht 
haben,  doch  deiihalben  von  der  Oberkait  zu  seiner  desto  bessern 
beweisung  und  behelf  ein  schein  fflrbringen. 

7.  Und  damit  oberzellem  desto  würklicher  gelebt  und 
nachgesetzt  wcrd;  Sollen  die  Qberdreter  obberürter  Ordnung 
und  articul  für  das  erste  mahl  umb  25  Fl.,  für  das  ander 
umbSOfl.,  und  für  das  3.  mahl  umb  100  fl.,  inn  der  Handels- 
gut bOx  unabießlich  zu  bezahlen,  gestraft,  und  sollich 
strafgcli  zu  ablegung  der  uncostcn  vcrwcndt,  auch  diejenige,  so 
über  des  3.  mahl  weiter  strafwürdig  erfunden  werden  solten,  gar 
von  der  Rod  abgeschafft  werden. 


Augsburgs  Warenhandel  mit  Venfdig  etc. 


8.  Also  soll  auch  den  verordneten  deputierten  zum 
Rodwesen,  so  jeder  zeit  sein  werden,  mit  einem  zusalz  vier 
anderer  handelsleut,  die  sie  ihrem  belieben  nach  zu  sich  ziehen 
mj^n,  frey  und  bevor  steen,  die  guetfertiger  auf  ihr 
öbel  halten,  gar  abzusetzen,  andere  oder  mehrere  an 
ihrer  Stadt  aufzuncmenj  also  das  sie  an  ein  gewisse  anzahl 
oder  Personen  nit  gebunden  sein  sollen.  Und  sollen  diejenige, 
'xrelche  von  inen  soUlchergestalt  aufgenommen  und  zugelassen 
■werden,  dieser  Ordnung  inn  allweg  zugeleben  und  dawider  nit  zu 
liandeln  schuldig  sein. 

9.  Weil  ich  er  oder  welliche  guetfertiger  aber  inn  aintg  veg 
«jieser  Ordnung  sich  nicht  undergeben,  sonder  sollicher  ent- 
lieht, und  von  obgenieUer  straf  oder  andern  hierinn  begriffnen 
^uliculn  sich  auRschließen  wollen:  Dem  oder  denen  solle  hernach 
Scain  guet  mehr  für  die  hiesige  und  Ulmische  Handels- 
leut,  oder  dern  Committenten  aufgegeben,  auch  solHchcs  von 
jedem  handelsmann  seinen  factom,  zur  endtlichcn  nachrichtung, 

sugeschriben  und  bevohlen  werden. 

10.  Die  guetfertiger  so  wol  auch  die  handelsleut,  die 
äre  gQeter  selbst  herausroden,  sollen  auch  schuldig  sein, 
«Jen  verordneten  Büxen  meistern  jedesmal  ein  orden- 
lichen außzug  zuzustellen  und  darin  zu  specificiereni 
-v/2t  sie  auf  jede  condutta  inn  allem  für  hiesige  und  auswerdige 
Handelsleut  für  wahren  aufgenommen  und  herausgefertigt 
Ilaben. 

n.  Jedoch  sollen  diejenigen  handelsleut,  welche  durch 

sich  selbst  oder  ire   aigne  diener   ire  wahren   verfürren 

^*'olen,  nit  begriffen,  auch  dem  loß  nit  underworfen   seini 

sondern  inen  diß  orihs  bevorsteen,  wan  sie  mit  Iren  wahren  gefallt 

'Jnd   fertig,  unverhindert  der  andern  fortzufahren:  aber  daß  sie 

sich  sonst  ebenmeliig  der  Ordnung  inn  allen  dingen  gemäß  verhalten. 

Ergänzung  hierzu  vom  23  Juli  1611. 

12.  Da  sich  von  solcher  zcithero  (d.  i.  1597)  in  der  woll- 

"ftndlung  eine  merkliche   enderung  zugetragen,  so  soll  derwegen 

^Ur  befördenmg  derOueter  hinfOrters  ein  jeder  guetfertiger  auf  ein- 

*^a]  mehreres  nicht  als  auf  der  Untern  straß,  durch  das  Calober, 

"^•^Agen  annemen  15-20,  auf  der  Oberen  straß  durch  das 


i 


"4 


Faicion  20—25.    Die  Rodleutc  sollen  auch  im  loß  vie  zuvor  beide 
Strassen  abwechseln,  damit  kein  siraß  mit  guetern  allein  iiberbäu^^H 
die  andere  dagegen  leergelassen  wird.  ^| 

!3.  Soll  der  gutfertiger  hinfür  jeder  Zeit  die  gueter 
in  eigener  person  auf  der  Strassen  heraus  biß  an  die 
Und  bei  den  guetern  seinj  aber  von  danncn  auf  dem  wasser 
herab  bis  an  ir  gehörig  ort  dürfen  sie  die  gueter  durch  ihre 
diencr  geleiten  lassen,  doch  dasselbige  auf  der  guctfertiger  gcfahr. 
Da  ein  guetfertiger  durch  Ootles  gewralt  oder  sonst  erhebliche 
ursach  der  begieitung  der  gueter  in  eigener  person  nit  beiwohnen_ 
kann,  sollen  ihm  taugcnliche  diener  hieför  zugelassen  sein. 

14.  Die  gueter  sollen  hinfüro  längstens  in  8-9  wo" 
chen  heinigeferligt  sein;  da  einer  über  solche  zeit  ausbleibt 
und  die  Verzögerung  des  Iransportes  nicht  mittelst  genügsamer 
Urkunden  durch  Gottes  gewalt  herbeigeführt  ausweist,  hat  er  für 
jeden  Saum  I  fl.  straf,  bei  11  oder  12  wochen  ausbleiben  fü| 
jeden  Saum  2  f[.  straf  zu  zahlen. 

15.  Die  handelsleut,  so  alhie  nach  Venedig  handelt 
sind  auch  nicht  befreit,  ihr  wahren  außer  der  bestellten" 
guetfertiger  fremden  conduUori  aufgeben  zu  lassen  oder 
für  zwei,  drei  oder  mehr  handelsleut  unter  einem  oder  mehr 
zeichen  herausziisenden.  Da  es  aber  von  einem  oder  andern 
nit  gehalten  wird,  soll  der,  dem  das  guet  gehört  gleich  sowohl  der, 
der  das  guel  fertigt,  laut  ob  angefüerter  rhatsordnung  vom_ 
15.  Nov.  15Q7  gestraft  werden. 

16.  Den  guelfertigeni  kostet  nach  bisheriger  erfahrung  ein' 
säum  guets  von  Venedig  biß  Augsburg  mit  allen  uncosten  insgemein 
16  fl.:  darum  sollen  den  guetfertigern  zur  Widerlegung  ihrer  be- 
mühung  und  um  desto  schleuniger  fortfürung  der  guter  willen,  für 
einen  Saum  (d.  i.  4  Ctr.)  von  Venedig  bis  Augsburg  I6Vi  fl. 
gegeben  werden.  Einen  überlohn,  so  sich  nicht  über  10  Kr. 
erstreckt,  sollen  die  gueterfertiger  künftig  nidit  zu  begehren 
haben. 

17.  Die  guetfertiger  dürfen  von  einem  wollhändler  nicht 
mehr  als  20  ~  24  Ballen  Wolle  in  condutta  aufnehmen,  wofern  sie  bei 
anderen  woHhändlern  auch  gebundene  gueter  haben  können.  In 
mangel  derselben  soll  ihnen  alsdann  zugelassen  sein,  über 


I 


Augsburgs  Warenhandel  mit  Venedig  elc  331 

bestimmte  anzahl  der  20-24  Ballen  von  ihren  wollhändlem  ein 
mehreres  zur  complirung  der  völligen  condutia  anzunelimen, 

18.  Die  guetferciger  sollen  sich  der  straß  nach  Verona  künftig 
genzlich  enthalten  und  beider  Straßen,  der  unteren  und  oberen, 
lugleich  neben  einander  gebrauchen,  sich  der  abwechslung  halber 
dorch  das  loß  vergleichen,  damit  dieselben  jeder  zeit  vermög  der 
Ordnung  gebauet  und  auf  alle  fQrfallende  weg  sowohl  in  slerbens- 
als  andern  lauften  offen  erhalten  werden. 

Zusatz  zur  Rodordnung  vom  15.  November  1597. 

Demnach  auf  die  solicitation  und  richtigmachung  deß  rod- 
»esens  ein  merklicher  uncosten  aufgangen,  so  bisher  dem  gemeinen 
¥erk  zum  besten  von  Particular  Personen  verschossen  worden, 
derowegen  ein  Ers.  Rhat  vor  diesem  bewilligt,  daß  zu  dessen  ab- 
egung  ein  Kreutzer  auf  einen  jeden  Centner  wollen,  so  von 
Venedig  hierher  geet,  geschlagen  werden  soll.^)  Und  sich  aber  be* 
indt,  das  dieße  sach  und  daraus  entsteend  beneficium  nit  allein 
die  wollhändicr,  sondern  auch  alle  andere  handelsleul,  so  sich 
des  Rodwesens  auß-  und  eingebrauchen  und  insonderheit  die 
Botzner  Händler  betrifft:  so  hat  ein  Ers.  Rhat  heut  dato  erkannt, 
das  diejenige  anlag,  welliche  die  handelsleut  nach  Botzen  zu  under- 
haltung  des  Veroneser  Bottens  und  anderer  fürfallender  angaben 
zu  einem  F*fennig  auf  jeden  Centner  irer  gfleter  verschiner  zei 
fürgenonimen  und  bißher  continuirt  so  wol  als  obberürter  Kreutzer 
auf  jeden  Centner  wollen  aufgehoben  und  an  deren  statt  eine 
durchgehende  gleidiheit  i;ehalten  und  nemblich  zween  Pfennig 
auf  jeden  Centner  gucls,  so  von  hinnen  nach  Venedig 
und  Botzen  wie  auch  alle  orlh  in  Italia,  so  sich  dieser 
landstraß  gebrauchen  oder  hcraußgeet,  geschlagen 
Verden  soll,  immer  so  lang  und  vil,  biß  nit  allein  der  uncost 
abgelegt,  sondern  auch  ein  zimblicher  vorrath  auf's  künftig  vor- 
handen sein  würdt  Und  sollen  entzwischen  der  Bolzner  gewohn- 
liche außgaben  aus  dieser  gemeinen  büx  genommen  werden,  lis 
sollenauch  zu  der  Einnamb  zween  Büxenmeister,  als  nemb- 
lich einer  von  Botzncrn  und  der  andere  von  Venediger 
Händlern  verordnet  werden.    Und  ist  diUmal  zum  anfang  von 


■)  Dtna  Audcblac  ^^   I    Krcuhrr  auf  einen  Zmtntr  Wolle  war  cnl  I.  J. 
■uf  Antna  dtT  VolIhlntUcr  AmtiburEt  mm  ftit  bctcliloiMn  vorden. 


int 


I 


332 


Johannes  Mülier. 


Botzncm  Gabriel  Müller  biß  zu  dem  end  des  98.  Jars  und 
dann  von  den  Venedigem  Thomas  fider  biß  zu  end  des  99L 
Jare  verordne!  »erden. 

Wie  aber  die  Einnamb  zu  beslellen,  damit  der  betrug  und 
ungldchheit  fürlcommen  werd:  solliches  wördt  den  außschüssen  deft 
Rodwescns  und  den  Böxenmaistem  zu  bedenken  von  einem  Ers. 
Rhat  bevühlcn  und  heimgegeben. 

Damit   auch    diu    wolbestellte    werk    deU  Rodwesens    mit) 
desto  mehreren!   fleiß  underhaltcn   werd:   so   hat  ein  Ers.  Rhit 
femer  erkannt,  das  glcichwol  die  jetzige  deputierte  zum  Rodwesen 
in  allweg  darbey  verbleiben  sollen,  wann  aber  deren  einer  oder 
mehr  mit  tod  verfahren  wurden,  soll  sollichcs  durch  die  ül 
den  Herrn  Stadtpflegern  und  Geheimen  angebracht  und  durch 
alsdann  die  erledigte  stelle  ergenlzt  werden. 

Decretum  senatus,  15.  November  1597. 


ibrigeo. 


Ehe  wir  nun  auf  diejenigen  Bestimmungen  dieser  Rodordnur 
näher  eingehen,  über  deren  Notwendigkeit  zwischen  den  Augs- 
burger Kaufleuten  erhebliche  Meinungsverschiedenheiten  herrsch- 1 
ten,  sei  auf  zwei  Erscheinungen  des  damaligen  Transportwesenar] 
hingewiesen,  die  uns,  den  Kindern  einer  Ära  milden  freiesten] 
Verkehreeinrichtungen,  absonderlich  vorkommen  müssen,  deai 
Menschen  jener  Zeit  mit  den  dürftigsten  Verkehrsmitteln  aber  alsj 
etwas  durchaus  Selbstverständliches  erschienen;  es  ist  das  1.  deri 
für  die  Quifertiger  vorgeschriebene  Routenzwang  und  2.  der] 
nach  der  Bodenbeschaffenheit  der  einzelnen  Rodbezirke  obrig-j 
keitlich   festgesetzte  wechselnde  Rodlohn. 

Aus  dem  dritten  Artikel  der  Rodordnung  von  1597  ist  er- 
sichtlich,   daß    wie    im    Mittelalter   so  auch   in    der   Neuzeit   nun 
zwei  Handelsstraßen  von  Süd  Westdeutschland  nach  Venedig  be-j 
nützt  wurden,   die  Obere  Straße  durch   das  Falcion   und   die) 
Untere  Straße  durch  das  Katober  (Katober  -    Pievedi  Cadore). 
Die  Obere  Straße,  ursprünglich  die  kürzeste  Verbindung  zwisdiea 
Ulm  und  Venedig  herstellend,  später  aber  auch  von  AugsburgerJ 
Kaufleuten    benutzt,    ging    von    Füssen   über  die  Ehrenberj 
Klause  und  den  Fern  paß  nach  Imsl,  von  da  über  üindeck  und! 
Nauders  zum  Reschenscheideck  und  von  diesem  wichtigen  Pafi 


Augsburgs  Warenhandel  mit  Venedig  etc. 


333 


^^nrdi  das  Vintschgau  nacli  Bozen  und  nach  Trient.  Von  Tricnt 
jjing  die  Straß«  nicht,  wie  man  erwarten  sollte,  durch  das  Etsch- 
lal  nach  Verona,  sondern  schlug  die  östliche  Scitcnrichtung  durch 
das  Val  Sugana  über  Pergine  (Persen),  Castclnuovo  und  Grigno 
<Grimm)  nach  Bassano  ein  und  erreichte  cndUch  über  Castel- 
franco  und  Mestrc  Venedig. 

•  Zur  Benützung  des  Va!  Sugana  lud  die  Kaufleute,  die  auf 
■der  Oberen  Straße  nach  Venedig  zogen,  nicht  blolJ  die  Erwägung 
ein,  daß  sie  dadurch  vom  mittleren  Etschtal  auf  der  kürzesten  Route 
nach  der  Adria  gelangten,  sondern  auch  der  Umstand,  daß  das 
Brentalal  eine  verhältnismäßig  leichte  Umgehung  des  schwierigen 
Bergtores  der  Etsch  vor  Verona  ermöglichte  und  so  die  Kauflcule 
«ovohl  der  hohen  Zollabgaben  zu  Roveredo  und  Verona  als  der 
Plackereien  imd  Haubanfälle  durch  die  im  untern  Elschtal  besonders 
häufig  auftretenden  Strauchritter  überhob.') 

Die  in  dem  12.  und  18.  Artikel  der  Rodordnungenthallenc 
Anordnung,  dal)  die  Gutfertiger,  d.  b.  Spediteure,  die  beiden 
Straßen,  die  Unlere  und  die  Obere,  abwechselnd  gebrauchen 
uod  sich  der  Abwechslung  halber  durch  das  Los  vergleichen  sollen, 
«rklärt  sich  daraus,  daß  die  Obere  Straße  wegen  ihrer  größeren 
Länge  um  jene  Zeit  immer  seltener  benützt  wurde,  ja  daß  die- 
jenigen Handelsleute,  welche  ihre  Güter  nicht  auf  der  Rod,  sondern 
durch  eigene  Diener  nach  Venedig  hinein-  bezw.  von  dort  heraus- 
bcfördem  lieKen,  die  Obere  Straße  am  Anfang  des  17.  Jahrhunderts 
bereits  gänzlich  mieden.  Die  Folge  dieser  Neuerung  war  außer 
einer  bclrächllichcn  Schädigung  derjenigen  Outferliger,  welchen 
durch  das  Los  die  Obere  Straüe  als  Route  zugewiesen  ward,  vor 
allem  die,  daß  die  Rodleute  der  Oberen  Straße  wegen  der  stetig 
zunehmenden  Unsicherheil  der  Rodfuhren  und  der  Minderung  des 
Verdienstes  durch  den  Gütertransport  die  gänzliche  Einstellung 


>)  Ott  In  dm  Aus^burscr  KaUdekrtt  von  23.  Juli  lilll  erUuene  Verbot,  die  Stn8( 
•ach  VfToni  bänflin  K^niüch  lu  vprnicidrn,  «ar  lunichil  allerillnK»  durch  die  i.  ]  IS97 
erfolg  Stelcrnuig  du  ZjaMct  lu  Rnvncda  «rranlalll  voidtn  Aui  tintm  Bcridil  der  Ati(»- 
knga  Huiklflenic  in  den  EUl  Uim-  Valentidi  vom  31.  Jimur  IMH  echt  ober  deutlich 
hervor,  daß  nch  dir  Untichcrti«!!  drr  SinBe  in  der  unicm  Ebch  —  ,,dle  ^tnikn  an  dm 
CiMlinieii  Tirol»  tlnd  nIcM  aJI-arereln  eln(!rlultm  vortfen",  lautn  dk  bett.  Ste:!?  des  *n- 
tttogenen  Scrichla  -  ein  BevcgS'""''  Tür  die  VpnncidunE  dcc  EltchUUlrail«  Mitem  4s 
«hBiKhen  HAnddmlC  eewttai  Ist.  Verc>-  hierin:  HerM'Khe  Scmmlung  von  Merktnlll- 
ndKB  der  Augib.  Stmd:-  UAd  Knritbibliotheli- 


der  Rod  zuerst  bloß  in  Aussicht  stcillen,  bald  aber  auch  zum  guten 
Teil  ins  Werk  setzten.') 

Führte  so  das  Bedürfnis  eines  beschleunigten  Warenverkehrs 
in  den  folgenden  Jahrzehnten  selbst  dazu,  daß  solche  einengenden 
Vorschriften  vie  die  enrähnle  v.J.  1611  über  die  Wahl  der  Route 
seitens  der  Spediteure  tatsächlich  beiseite  gesetzt  wurden  und  die 
Obere  Straße  mehr  und  mehr  den  Charakter  eines  Verkehrsweges 
von  lokaler  Bedeutung  annahm,  so  bewahrte  sich  die  Untere  Straße 
vermöge  ihrer  verschiedenen  Vorzüge  (geringere  Ausdehnung,  leicht 
überschreitbare  f^sse,  günstiger  Anschluß  an  stark  frequentierte 
Seitenstraßen,  wie  an  die  untere  Inntalstraßc)  noch  auf  lange  Zeit 
hinaus  ihre  internationale  Bedeutung. 

Die  Untere  Straße  oder  die  durch  das  Katober  ging  von 
Augsburg  über  das  bayerische  Schongau,  das  zum  Kloster 
Ettal  gehörige  Dorf  Oberammergau,  die  dem  Bistum  Freising  in- 
korporierten Märkte  Partenkirchen  und  Mittenwald  zur  Scharnitz 
bczw.  zum  Paß  von  Seefeld.  Von  da  nach  Tirol  eintretend,  ging  die 
Straße  über  Zirl,  Innsbruck,  Matrei,  den  Brennerpaß  und  Sterzing 
nach  Unterau  bei  Franzenfeste,  bog  hier  nach  Osten  in  das  Puster- 
tal ein  und  verfolgte  dasselbe  bis  Toblach.  Von  Toblach  zog 
die  Strata  d'Allemagna  nach  Süden  über  Holenstein  oder  Landro, 
überschritt  bei  Peutelstein,  halbwegs  z>R-ischen  Landro  und  Cortuna 
d'Anipezzo  (Heiden),  die  venetianischc  Grenze,  begleitete  vom  Pieve 
di  Cadore  (Katober),  am  Verein igungspunkt  der  BoTta  mit  der 
Piave  gelegen,  letztgenannten  Fluß  bis  Capo  di  Ponte,  wendete  sich 
aber  hier  in  genau  südlicher  Richtung  über  Seravalte,  Concgiiano, 
Treviso  und  Mestre  nach  Venedig. 

Die  Untere  Straße  zerfiel,  wie  ein  Blick  auf  eine  historische 
Karle  des  Ostatpengebietes  lehrt,  politisch  in  drei,  einander  an 
Länge  (ca.  20  Meilen)  fast  vollkommen  gleiche  Teile,  die  schwäbisch- 
bayerische Route,  von  Augsburg  bis  Seefeld,  die  Tiroler  Route 
von  Seefeld  bis  Peutelstein  und  die  venelianische  Route,  von  Peutel- 
stein bis  Venedig  reichend.  Jede  dieser  Teilstrecken  stand  unter 
der  Inspektion  von  Deputierten  der  betreffenden  Landes-  oder  Stadi- 
regierung, also  Augsburgs,  Tirols  und  Venedigs,  und  umfaßte  wieder 


']  Verzl.  hlcnn  den  BttitM  drr  Aueitrarger  Wollbhndicr  wm  3&.  Mm  1611  m 
den  Angtbargcr  Stadcrsi  iin  Augib.  Suiliardiiv. 


Aug5bui:gs  Warenhatidel  mit  Venedig  etc. 


335 


dn  gewisse  Anzahl  von  Rodstätten,  so  der  schwäbisch -bayerische 
Anteil  die  Rodorle:  Spöttingen  bei  Landsberg,  Schongau,  Ober- 
ammergau, Parten kirchen  und  Mititenwald.  In  jeder  dieser  Rod- 
stätten war  eine  gewisse  Anzahl  von  [Jauem  bezw.  Büi^ern  durch 
Verträge,  die  zum  Teil  bis  in  die  Mitte  des  U.  Jahrhunderts  zu- 
rückgingen, zur  Rod,  d.  h.  zum  unverzüglichen  Transport  der 
ihnen  anvertrauten  Kaufmannsguter  innerhalb  ihrer  Rodstrecke  und 
in  der  sie  treffenden  Reihenfolge  gegen  einen  gesetzlich  fest- 
gestellten Lohn  verpfhchlct.') 

Wie  aus  dem  16.  Artikel  der  l^odordnung  hervorgeht,  ward  bei 
der  Berechnung  des  Rodlohnes  ebenso  wie  bei  der  Entschädigung 
der  Guifertiger  als  Gewichtseinheit  ein  Saum,  d.  s.  4  Ztr., 
zu  Gründe  gelegt;  nach  den  größeren  oder  geringeren  Terraiti- 
schwierigkeitcn  der  einzelnen  Rodbezirke  wurde  sodann  für  diese 
von  den  Rod  deputierten  der  Lohn  für  einen  Saum  auf  eine  ge- 
wisse Reihe  von  Jahren  festgesetzt.  ^X'ie  nun  gegen  das  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  infolge  der  wachsenden  Geldnot  in  Deutschtand 
die  Preise  für  alle  Lebensbedürfnisse  und  Arbeitsleistungen  rapid 
in  die  Hfthc  gingen,  so  wurde  auch  von  den  Rodfuhrleutcn  des 
Oslalpengebietes  etwa  seit  den  siebziger  Jahren  des  16.  Jahrhunderts 
auf  den  Tagsatzungen  der  Roddeputierten  unablässig  um  Ikssening 
ihres  Lohnes  angehalten  und  eine  solche  auch  zum  großen  Teil 
erwirkt*)  Um  an  einem  Beispiel  darzutnn,  welche  bedeutende 
Steigerung  die  Transportkosten  für  Waren  im  17.  Jahrhundert 
innerhalb  eines  Zeilraumes  von  60  Jahren  erfuhren,  seien 
die    Rodlühne    des  Jahres    1000    denen    des  Jahres    1665   für 


h  CHr  Vcrpfllchtnnig  wxr  In  vielen  Pillen,  t.  B.  cende  bd  den  RodrtlMcn  de* 
Kfavibnch-bayeriKchen  und  dn  Tirnler  Anteili,  eine  auch  viel  «dlCTireliaidc.  Indem  die 
in  die  Rod  «iiicnchriebenen  Baurtn  bp/>.  Etdigti  auch  fiii  rrhiltiinji  vnn  Wrg  und  ^kg 
Innerhalb  ihm  Dciirkn  ntwit  für  dir  Prb«uunK  loe,  ßillenhinWT,  d.  h.  Unter«Und»liliurr 
Itr  dtc  KaulmannteUier,  in  ihren  Rod.iallen  Scrsc  ingen  inuBten.  Die  Zahl  der  Rod1«nte 
In  dncr  Rodilättr  vcchtcltc  rucli  Zeil  und  BcFjnücii  d«  iibtr  jrde  drei  Teilstrecken  ein- 
neMUten  Roddcpmlerlen.  So  «am  nich  einer  InfonnsUon  über  dw  ichvibiKh-biferftdie 
Rodvetcn  v.  Okiobcr  MAI  in  dem  Rodbnirk  AuBiburg-SpültinKeii  8  Bauern,  im  Schüngui 
II  n&isrr  und  E  KloHmeiiler,  im  Ul>er*niinrreiiu  IS  Dauern,  In  Panenlcirchcn  30  Itaucn. 
In  MHtenvUd  34  Baoeni  in  die  .Rod*  «ngrnomnien.  A.u]{ili.  Studturhiv. 

1  Solche  allgcnirine  Bnuriungen  dn  Rädlohnn  landen  z.  B.  durch  die  Tae- 
vtzangtn  ni  Reulte  l.  J.  ]iTl  and  ni  Innsbmck  IHl  sixti;  dtzwtichen  «anlen  abei  auch 
d!c  Fohrtetine  dnielner  Roditilttcn,  «ic  die  der  Schongaoer  in  Jahre  IS7Q,  erblüht. 

Auftb.  Sladurtklv. 


336 


loliann«  Müller. 


die  Strecke  Augsburg-Innsbruck   in   tabellarischer   Form    gegen- 
übergestellt: 


Namen  der  Rodstälten. 


Augsburg^SpöHiTigeti    .    . 

Spöltingcn-Sdiongau    ,    . 
ScJinngau-Oberamniergau . 
O  beranimerga  u  -Partenkirchen 
Partenkirchcn-Mittenwald  . 
MiHenwald-Seefeld   .    .    . 

Secfeld-Zirl 

ZirUlniiübruck 


Sa, 


Cnlfemungcn 
in  Meilen 


5. 
S 

2 
2 

ca-  2 
2 
2 


Lohn  prn  Siuin,  d.  b.  I  Ztr. 
in  KmitcfD 


I.  J.  i«a> 


24  Meilen 


4  n.  8  Kr. 


i.J    1600 


Sfl.  8  Kr. 


Die  Fracht  für  einen  Zentner  gewöhnlichen  Gutes  —  für 
Sciciemraren  und  dergl.  waren  die  Frachtsätze  nämlich  etwas  höher 
-  betrug  also  am  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  ca.  1  fl.,  um  die 
Mitte  desselben  Jahrhunderts  1  fl.  24  kr.,  ein  Unterschied,  der  bei 
den  Transporlkoslen  von  Massengfttern,  wie  Wolle,  Baumwolle, 
Metallen  etc,  für  ein  grofies  Handelshaus  wohl  ins  Gewicht  fiel.') 

Die  stetige  Steigerung  der  Rodlöhne  in  Verbindung  mit  der 
hierzu  seltsam  kontrastierenden  Verlangsamung  des  Transportes  — 
Ende  des  16.  Jahrhunderts  gingen  oft  10  bis  12  Wochen,  anfangs 
des  17.  Jahrhunderts  gar  15  bis  16  Wochen  auf  einen  Waren- 
transport durch  die  Rod,  während  diejenigen  Kaufleute,  welche 
ihreüüter  auf  eigener  Achse  beförderten,  einen  Transport  von  Venedig 
nach  Augsburg  in  6  bis  7  Wochen  bewerkstelligten  —  hatte  zur 
Folge,  daü  die  Benützung  der  Rod  immer  mehr  zurückging  und 
das  Roden  durch  der  Handelsleute  eigene  Diener  stetig  zunahm. 
so  daß  nach  einem  Bericht  der  Augsburger  Rod  deputierten  an  den 
Rat  von  Augsburg  v.  J.  161 1  damals  bereits  ebensoviel  Wolle  durch 
die  Wollhändler  selbst  als  durch  die  Rodfuhrleutc  von  Venedig 
nach  Augsburg  kam. 

Die  Wahrnehmung  des  stetigen  Rückganges  des  vor  wenigen 
Jahrzehnten  noch  so  trefflich  funktionierenden  Rodwesens  bcwog 

>]  Nuh  tlatm  RalibocbluB  ran  16.  Joli  1632  erliidira  die  Outlertieer  von  «iacm 
Saoni  Out»  von  Austborg  nadi  Vcnetllc.  für  den  >ie  bislwr  nur  Wit  fl.  «ftultn  hiKco. 
nunmehr  31  IL 


Augs4>urg$  Warenh«ndcl  mit  Venedig  etc. 


nun  den  Rat  i.  J.  1597  auf  die  Vorstellungen  der  damals  zum  Rod- 
vesen  deputierten  Kaufleutc')  hin  die  oben  zitierte  Rodordnung  vom 
15.  November  1597  aufzurictiten  und  damit  den  oft  und  nach- 
drücklich geäußerten  Wünschen  der  Augsburger  Handelswelt  nach 
Verbesserung  des  Rodwesens  entgegenzukommen.  Schon  im  März 
1581  hatten  nämlich  die  nach  Italien  handelnden  Augsburger  Kauf- 
B  kutc  in  einem  an  den  Rat  ihrer  Vaterstadt  gerichteten  Bedenken 
ihre  Vorschläge  gemacht,  wie  dem  immer  mehr  verfallenden  Rod- 

Iwesen  wieder  aufgeholfen  werden  könnte.  Sie  halten  darin  erklärt, 
daß  an  den  eingerissenen  Unordnungen,  vor  allem  an  dem  langen 
tVerliegenbleiben"  der  Güter,  allein  die  Gutfertiger  schuld  seien, 
indem  dieselben  erstens  auf  eine  Condutla  oft  50-60,  ja  zuweilen 
sogar  80-100  Wagen  annähmen  und  zweitens  bei  der  Abfahrt 
B  von  Venedig  keine  Ordnung  einhielten.  Zur  Hintanhaltung  solches 
eigennützigen  Gebarens  miJlite  den  Gutfertigem  unter  Androhung 
entsprechender  Geldstrafen  auferlegt  werden;  I)  auf  eine  Condutta 
■  nicht  mehr  als  20  —  25  Wagen  aufzunehmen  und  2)  nach  einer 
von  den  Rod deputierten  festgestellten  genauen  Reihenfolge  von 
Venedig  abzufahren.  Zum  Ersatz  für  den  bei  genauer  Einhaltung 
dieser  Ordnungen  etwas  verminderten  Verdienst  der  Gutfertiger 
sollten  diese  die  Güter  aller  nach  Italien  handelnden  Kaufleute 
Augsburgs  allein  zu  befördern  das  Recht  haben.  Diejenigen  Händler 
aber,  welche  ihre  Waren  durch  ihre  eigenen  Diener  herausbefördern 
lassen  wollten,  sollten  von  jedem  Wagen  einen  Gulden  in  die  gemeine 

•  Büchse  der  Kaufleule  zu  zahlen  schuldig  sein  und  diese  Abgabe 
zur  Bestreitung  der  für  das  Rodwesen  aufgehenden  Unkosten  ver- 
wendet werden. 

Diese  Vorschläge  der  nach  Italien  handelnden  Kaufmanschaft 
V.  J.  I58I  machten  nun  die  Roddeputierten  d.  J.  1596  in  ihrem 
Anbringen  an  den  Rat  von  Augsburg  vom  19.  September  1596  zum 
Tdl  zu  ihren  eigenen,  indem  auch  sie  die  übermäßige  Anzahl  von 
Wigen  bei  einer  Condutta  einzuschränken  und  sodann  die  Un- 
ordnung bei  der  Abfahrt  von  Venedig  abzuschaffen  vorschlugen. 

Die  Vorschläge  der  RoddepuUerten  v.  }.  1596  lauteten,  wie 
folgl: 

■)  DI«  Ntmtn  der  tlBinaliKOT  Rodd«putkrten  varcn:  Li^dri,  Pfeltclniinn,  Rkkllii 
■ad  Herd. 

Ardii«  tQr  Kuliursnchichl*.    t,  X  22 


i 


338 


Johannes  Müller. 


Einfaren  und  Überlohn  abzustellen. 

Welcher  die  Rod  an  die  Hand  ncmcn  wolle,  sowohl  Kauf- 
mann als  Quetfertiger,  zuvorderst  mit  den  wollballen,  von  deren 
wegen  die  Rodordnung  angcstelt  ist  worden,  dieweil  sich  kein 
[uhrmann  uff  keiner  Äx  in  die  weite  damit  zu  fahren  der  unge- 
schmcidigkeit  halben  nicht  beladen  kan,  soll  mit  den  guetem  keiner 
dem  andern  einfahren  oder  seine  gueter  oder  wollbalien  auf  einer 
ax  oder  mehr  Kodstätt  umbzufahren  oder  andern,  so  vor  ihm  auf 
der  Straß,  fortzuführen  und  fortzubringen  nicht  macht  haben, 
sondern  in  der  Rodordnung  bleiben  und  also  einer  nach  dem 
andern  seine  wollballen  oder  güeter  auf  der  Rod  fortzutreiben 
un verhinderlich  sein  soll. 

Anzal  der  Rodwägen   in  einer  Condutta  und  Ordnung 

in  Fahren. 

Ein  jeder  Quetfertiger,  wellicher  in  Venedig  nach  Augsburg 
und  Ulm  gueter  annemen  und  auf  der  rod  fertigen  will,  der  soll 
auf  künftig  in  einer  Condutta  mehreres  nicht  dann  bO  Elallcn, 
d.  i.  30  Rodvägen^  auf  einmal  zu  fertigen  in  condutta  an- 
nehmen. 

SoUche  bestimmte  anzahl  der  Rodwägen  soll  auch  uff 
den  Kaufmann,  der  seine  eigne  gueter  durch  die  Rod 
herausferligen  wolle,  verstanden  werden. 

Wofern  aber  ein  Kaufmann  ein  mehreres  als  60  Ballen  in] 
Venedig  für  sein  selbs  aigen  guel  auf  einmal  zu  verführen  bätte^ 
soll  er  uff  den  nächsten   Ballenführer,  so  ihm  nachfolgen  würd, 
vcriiegen  lassen  und  alsdann  abermalen  der  nächstfolgende  nicht 
mehr  als  60  Ballen  uff  die  straß  richten. 

Es  soll  keiner  mit  seiner  condutta  dem  andern  uff  der 
rodstätten  und  niederlagen  eingriff  thun,  sondern  je  einer 
andern  ordentlich  und  ohne   Underbruch   folgen.    -    Und   sol 
der  Kaufmann,  der  also  sein   Ballen    selbs  fertigen  wolle,   von] 
keinem  andern  weder  wenig  noch  viel  wollbalien  anncmnien  und 
nicht  also  Ballenführer  und  Kaufmann  mit  einander  sein,  sondern 
allein  ein  Kaufmann  oder  ein  Ballenführer  bleiben. 

Welcher  einmal  auf  die  Rod  kommen  Ihut,  der  soll  bei  der^ 
Rod  bleiben  und  nicht  die  axfuhr*  mit  überhupfung  der  Rod-j 
Stätten  annehmen.   Die  Ordnung  soll  von  den  Ballcnführcrn  voaJ 


I 

I 


* 

* 
^ 


Augsburgs  Warenhandel  mit  Venedig  etc.  339 


Venedig  bis  gen  Schongau  gehalten  und  voll7ogen  werden.  Bei 
einer  namhaflen  straff,  dann  wellidier  woIUührer  eine  aigne  con- 
dulia  »-ill  haben  und  mit  derselben  durch  andere  uü  oder  nebenzu 
für  andere  fahren,  um  dieselbe  in  ei!  fortzubringen,  der  würde 
ein  geringe  gcltstraff  nicht  vil  achten,  damit  er  seine  Ballen  vor 
andern  hicher  bringen  möchl.  Ob  sich  dann  begebe,  daß  etwan 
einer,  der  vor  den  andern  ob  der  straßen  väx,  uß  mangel  baren 
gelis  nicht  fortkommen,  die  aullzahlung  nicht  thun  köndte  und 
deßhalbcn  mit  den  güetern  still  ligcn  müßte,  alßdann  solle  der 
nächstfolgende  Guetfertiger  zufahren  und  fortzurücken  macht 
haben,  doch  soll  er  von  der  Obrigkeit,  darunter  sich  solUches 
zugetragen,  urkund  und  schein,  daß  dem  also  sey,  für  den  er 
gefahren,  gelt  gemangelt  haben,  bringen  und  auflegen." 

Die  Roddeputierten  richteten  darnach  ihr  Augenmerk  vor 
allem  darauf,  daß  die  Unregelmäßigkeiten,  die  bisher  bei  der  Über- 
holung eines  Wagenzuges  durch  einen  andern  auf  der  Strecke  vor- 
gekommen, künftig  behoben  wurden.')  Gerade  in  letztgenannter 
Hinsicht  sind  damals  seitens  erfahrener  Handelsleute  wohl  die  meisten 
Geschäftskniffe  angewendet  worden;  denn  immer  wieder  wurden 
Klagen  wegen  «Einfahrens  und  Fürbrechens  von  Hintermännern", 
die  entweder  durch  Spendieruiig  sog.  Überlohns  an  die  Fuhrleute 
eines  Rodbezirkes  oder  durch  zeitweisen  Gebrauch  der  eigenen 
Achse  ihre  Vormänner  ein-  und  überholten,  sowohl  bei  den  Rod- 
depulierten  wie  bei  den  betreffenden  Regierungen  seitens  dadurch 
benachteiligter  Rodfuhrleute  vorgebracht  Um  vor  altem  den  Trick 
einzelner  Handelsleute  vorzubeugen,  die  Kod,  sobald  sie  den 
deutschen  Boden  erreicht  hatten,  wiedenini  zu  verlassen,  Fuhrleute, 
die  außerhalb  der  Rod  standen,  zu  bestellen  und  durch  Überhupfen 
der  Niederlagen  einen  Vorsprung  vor  den  auf  der  Rod  ziehenden 
Standesgenossen  zu  gewinnen,  schlugen  die  Augsbiirger  Rod- 
deputierten vor,  daß  das  zeitweise  Fahren  milder  eigenen  Achse 
ganz  verboten  werden  solle,  d.  h.  daß  diejenigen,  die  sich  der 
Hod  bei  einem  Warenlransiwrt  zu  bedienen  angefangen  hatten, 
auch  für  die  ganze  Strecke  an  dieselbe  gebunden  sein  sollten. 

■)  Null  HncRt  Bericht  der  Rad<]fpuli.trten  v.  ].  IM6  war  ent  in  frahlins  din«s 
Jslnr»  unter  v'tn  Baltmrilhmn,  dl«  mit  Itiiui  OQlcrn  tut  dn^r  Rodtütl«  luMinin^osmoßen 
wuta.  «egm  dn  Vci(«.hr«ni  ein  (letiiMgtt  Slicil  lu^cbroditn,  diB  ein«  von  den  vieren 
Sil!  don  Plioc  Keblld>«i 

22" 


I 


340  Johannes  Müller. 


Gegen  diese  den  freien  Verkehr  doch  allzusehr  einschränircn-  — ^ 
den  Vorschläge  der  offiziellen  Vertreter  der  Augsburger  Handds-  — ^ 
velt  wandte  sich  nun  aber  mit  aller  Schärfe  ein  guter  Teil  Mm^ 
der  Augsburger  Kaufleute  unter  Führung  Daniel  Stenglins  und  M^m 
Bernhard  Schefflers  und  erwirkte  durch  seine  energischen  Vor-  — ~m 
Stellungen  beim  Augsburger  Rat  wenigstens  eine  teilweise  Zurfidi-  — z^it- 
Weisung  der  rückschrittlichen  Forderungen  der  Roddeputierten — 
Da  die  geklärten  Anschauungen  dieser  freihändlerisch  gesinnten. 
Augsburger  Handelsherren  über  den  innigen  Zusammenhang^^  xig 
zwischen  möglichst  freien  Einrichtungen  des  Verkehrswesens  undE:»flid 
erfolgreichem  Handelsbetrieb  in  einem  wohltuenden  0^;ensatz  ziK-a-^au 
den  verzopften  Ansichten  der  Roddeputierten  stehen,  so  sollen  die— ^^  ^ 
selben  in  folgendem  etwas  näher  beleuchtet  werden. 

Gegenüber  dem  ersten  Vorschlag  der  Deputierten,   daß  di^-slie 
Zahl  der  in  eine  Condutta  aufzunehmenden  Wägen  25—30  nidi'.«4iit 
Überschreiten  dürfe,  beriefen  sich  Stenglin  und  Genossen  zunächsr.^s-*st 
auf  den   im    Handel   allgemein   gültigen   Grundsatz,    daß    denw^'^ 
Kaufmann  wie  beim  Einkaufen  seiner  Waren  bezüglich  der  Mengr^ge 
so  auch  beim  Verschicken   derselben   kein  Maß   und  Ziel  gesLü,    ^     t^ 
werden  dürfe.    Sodann  wiesen  sie  darauf  hin,  daß  unter  den  jetzr^    "W 
hantierenden  Gutfertigem  erfahrung^emäß   mancher  mit  50  uni^^^f' 
mehr  Wägen  bälder   aus   dem  Lande   zu  kommen   wisse  ate  eitv  ^  ^ 
anderer  mit  20  Wägen,  daß  man  also  mit  der  Einschränkung  de::;^^^ 
W^enzahl  nur  die  Uneriahrenheit  und  Bequemlichkeit  unter  deiv^^" 
Ballenführem  prämiiere.    Endlich  warfen  sie  die  gewiß  nicht  un^ 
berechtigten  Fragen  auf,  ob  sich  die  Ballenführer,  die  künftig  nu: 
25-30  Wägen  in  einer  Condutta  führen  dürften,  mit  ihrer  Famili»  ^  * 
auch  noch  ernähren  könnten,   und   ob  sich   die   nicht  unter  dec^^*'' 
Jurisdiktion   des  Augsburger   Rates  stehenden   auswärtigen  Gufe:*"-*" 
fertiger,  wie  die  von  Landsberg,  Schongau,  Füssen  eta,  auch  cinen^r^™ 
solchen    neuen,   für  sie  schädlichen  Statut  gutwillig  unterwerfeE^t-^" 
würden.   Was  die  letztgenannten  Besorgnisse  betrifft,  die  von  der^t^ 
damaligen  Verteidigern  der  Gewerbefreiheit  in  Augsburg  ofenbai-^*'' 
in  sehr  grellen  Farben  geschildert  wurden,   so  erwiesen  sich  die^^^~ 
sdben   nadi  Annahme  des  Vorschlags  der  Roddeputierten   durcV^^ 
den  Augsburger  Rat  in  der  Folgezeit   nur  zum  Teil  b^ründet:^'^! 
n  CS  ist  uns  wohl  von   einer  Beschwerung  der  Nahnmg  de 


.ugsburgs  Warenhandel  mit  Venedig  etc. 


-JVugsburger  BaÜenfQhrer  aus  dem  Jahre  1611,')  aber  von  keiner 

■  Opposition  der  auswärtigen  Qutführer  gegen  das  neue  Statut  in 
Hjden  Akten  d«  Augsburger  Rodwesens  etwas  überliefert.  Dagegen 
KrSchte  sich  die  Verletzung  des  kaufmännischen  Gnincfsatzes  von 
K^cr  unbeschränMen  Freiheit  des  Einkaufs  wie  der  Verschickung 

der  Handelsgüter   insofern,   als  die  Versendung    von  solchen    auf 

H  <lcr  Rod  in  den  folgenden  Jahrzehnten,  wie  bereits  oben  bemerkt, 

P  in  ganz  auffallendem  Maße  abnahm  und  das  Rodwesen  damit  in 

immer  größeren  Verfall  geriet.    Als  deshalb  Kaiser  Leopold  I.  im 

Jahre  1668  «zur  Hebung  des  seit  geraumer  Zeit  in  tiefen  Abgang 

geratenen  Rodfuhrwesens  durcli  Tirol"  unter  andern  Anordnungen 

auch  die  Iraf,   daß  jede  Anzahl  von  Kaufmannsgütemj  seien  es 

auch  1000  und  mehr  Zentner,   hinfort  auf  einer  Condutta  be< 

fördert  werden  dürften,  niuflte  der  Rat  von  Augsburg  wohl  oder 

übel   seine  einschränkende   Bestimmung  vom  Jahre  1597   bezw. 

■  löl  1  wieder  aufbeben  und  der  Meinung  der  Opponenten  vom 
Jahre  1596,  die  der  natürlichen  Entwickelung  des  Verkehrs  keine 
Schranken    auferlegt    wissen    wollten,    nachträglich    beipflichten, 

»Hatte  das  Augsburger  Stadtregiment  inbezug  auf  die  Größe 
der  Condultas  ganz  dem  System  der  obrigkeillichen  Bevormundung 
gehuldigt,  so  stellte  es  sich  gegenüber  dem  zweiten  Vorschlag 
der  Roddepulierten,  demjenigen  den  Gebrauch  der  eigenen  Achse 
ganz  zu  verbieten,  der  einmal  seine  Güter  auf  die  Rod  gebracht 
habe,  auf  einen  vennillelnden  Standpunkt.  Daniel  Stenglin  und 
Genossen  hatten,  um  die  Absurdität  des  Vorschlags  der  Liedel, 
Pfeifelmann  etc.  darzutun,  in  ihren  Schriften  zunächst  darauf 
aufmerksam  gemacht,  daß  in  Italien  die  Achsfuhr  des  Wassers 
halber  überhaupt  nicht  gebräuchlich  sei,  sondern  daß  alle  von 
Italien  herauskommenden  Güter  eo  ipso  von  Venedig  aus  auf  die 
Rod  gegeben  würden.  Die  tatsächliche  P'olge  der  Annahme  des 
Liedel  -  Pfeifel mannischen  Vorschlags  würde  also  die  sein,  daß 
überhaupt  keine  Güter  mehr  auf  die  Achsfuhr  gebracht  werden 

■  könnten,  ein  Zustand,  der  nicht  nur  allen  seit  Jahrhunderten  auf- 
gerichteten   Rodordnungen,    sondern    überhaupt   allem    gesunden 


^ft  ■)  Vcr^I.  die  e^hon.  bcdctrt  und  Oiilichtcn  der  von  dncm  En.  R>lh  TecorOnete« 

^V  nf  der  Dcpnlirten   dn  RodTnnif  und  du   ecmdiKti  Wollhinilln  t>dli«send«  Wechsel- 


I 


Menschenverstand  schnurstracks  widersprechen  würde.  Denn 
wegen  des  handgreiflichen  Nutzens,  den  der  Gebrauch  eigener 
Achsfuhr  sowohl  für  die  einheimische  Handelsweit  als  auch  für 
die  Rodfuhricute  von  je  gehabt  habe,  sei  dieselbe  auf  allen  Rod- 
stätten zugelassen,  ja  von  der  oberöslerreichischen  Regierung  bis- 
her sogar  noch  begünstigt  worden.  Die  Zoll-  und  Mauterträge 
letzterer  wüchsen  nämlich  in  demselben  Ma&e,  als  die  fremden, 
durch  Tirol  handelnden  Kaufleute  die  eigene  Achse  gebrauchten! 
den  Rodfuhrleulen  komme  das  Achsfahren  aber  insofern  zu  nutze, 
als  sie  von  jedem  Wagen  seitens  der  Kauficutc  eine  besondere 
Rekompens  erhielten.  Den  liauptnulzen  von  der  Achsfuhr  habe 
aber  immer  die  Augsburger  Kaufmannschaft  selbst.  Erstens 
würden  die  Waren,  z.  B.  Spezercien,  Südfrüchte,  Weinbeeren, 
Malvasier,  deren  »Verliegenbleiben"  für  den  Kaufmann  besonders 
nachteilig  sei,  verhältnismäßig  rasch  und  ohne  Schädigung  ihrer 
Güte  an  Ort  und  Stelle  gebracht;  zweitens  würde  die  Rod.  die 
vor  allem  Rohstoffe  für  die  Gewerbe,  wie  Wolle  und  Baumwolle, 
befördere,  durch  die  Beförderung  der  Nahrungs-  und  Genuß- 
mittel  sowie  feinerer  Qe Werbeerzeugnisse  miilelsl  der  Aclisfuhr 
entlastet  und  zur  Bewältigung  des  Transportes  von  Massengütern 
erst  in  den  Stand  gesetzt  Es  sei  notorisdi,  daB  einerseits  jetzt 
weit  mehr  Güter  als  vor  Jahren  auf  die  Straüen  kommen,  daß 
CS  anderseits  wegen  Mangels  an  Vieh,  der  sich  teils  aus  der  jetzt 
noch  anhaltenden  Teuerung,  teils  aus  der  noch  vor  kurzem  herr- 
schenden Infektion  erkläre,  in  Tirol  an  den  nötigen  Rodfuhrleuten 
fehle.  Wenn  also  ein  Kaufmann  seine  Güter  nicht  verfaulen, 
sondern  zur  rechten  Zeit  auf  die  Märkte  und  Messen  bringen 
lassen  wolle,  so  müsse  er  der  Achsfuhr  sich  bedienen  und  könne 
dabei  auch  den  von  den  Rodfuhrleuten  geforderten,  oft  ziemlich 
hohen  Überlohn  nicht  ansehen. 

Dureh  die  Darlegung  dieser  Gründe  wurde  der  Augsburger 
Rat  bewogen,  das  von  den  Roddeputierten  gestellte  Verlangen,  den 
Gebrauch  eigener  Achsfuhren  von  Italien  heraus  ganz  zu  ver- 
bieten, abzuweisen  und  in  dem  5.  Artikel  der  neuen  Rodordnung 
die  wechselweise  Benützung  der  Rodfuhr  und  der  Achsfuhr  wie 
bisher,  doch  unter  der  Beschränkung  zu  gestatten,  dafl  derjenige 
Handelsmann,    der   durchaus    die   Rod    gebrauche    und  dabei 


■^^on  einem  der  eigenen  Achse  vorübergehend  sich  bedienenden 
«aufmann  auf  einer  Rodstätte  eingeholt  werde,  das  Recht  habe, 
■«Jiesem  Hiniermann  um  drei  Rodstälten  vorauszufahren.  Ob 
<i3icse  offenbar  schwer  zu  kontrollierende  Bestimmung  in  der  Folge- 
zeit wirklich  durchgeführt  wurde,  darüber  hegen  in  den  Rodwesen- 
.Akten  des  Augsburger  Stadtarchivs  keinerlei  Nachrichten  vor.  Auf 
jeden  Fall  war  aber  der  praktische  Erfolg  dieser  Maßregel  ein 
^iehr  problematischer,  da  gerade  zu  Beginn  des  17.  Jahrhunderts 
<Jie  Verschleppung  der  Rodfuhren,  wie  schon  oben  bcmerlrt^  immer 
größere  Dimensionen  annahm. 

Die  letzterwähnlc  Tatsache    führte  im  Jahr  löll  zu  einem 

■  letzten  Versuch  der  Anhänger  des  alten  Transportsystems,  mit 
Hilfe  obrigkeitlicher  Bestimmungen  den  freien  Verkehr  möglichst 
zu  unterbinden,  d.  h.  in  dem  gegebenen  Fall  das  Hcrausroden 
der  Kauf mannsgüter  aus  Italien  mittelst  eigener  Diener  der  Handels- 
leute zu  verhindern.  Am  26.  April  I6II  stellten  nämlich  die  Rod- 
deputicrten  an  den  Augsburger  Rat  das  Ansuchen,  daß  die  Rod- 
ordnung vom  Jahre  1597  wegen  der  inzwischen  merklichen  Ver- 
änderungen im  Wollhandel  —  seit  mehreren  Jahren  wurden  große 
Mengen  von  Wolle  aus  den  Niederlanden  und  Frankreich  statt 
aus  Venedig  herbeigeschafft  und  dadurch  der  Verdienst  der  Gut- 
fertiger  sehr  geschmälert  -  in  mehreren  Artikeln  deklariert  und 
agcmehrt  werden  solle,  um  vor  allem  den  gerechten  Beschwerden 
der  Gutferliger  abzuhelfen.  Den  letzterwähnten  Punkt  griffen 
nun  23  Augsburger  Kleinwollhändlefj    die   durch  das  Oebunden- 

■■«ein  der  ihre  Waren  transportierenden  Gutfertiger  an  die  beiden 
StraÜen  durch  Tirol  gegenüber  den  nur  die  kürzere  SlraÜe  durch 
das  Katober  fahrenden  Großhändlern  bedeutend  im  Nachteil 
>Bcaren,  mit  Begierde  auf,  indem  sie  am  28.  Mai  1611  an  den  Rat 
von  Augsburg  die  dringende  Bitte  richteten,  den  fünf  Wollhändlem 
Augsburgs,  die  zur  Verführung  ihrer  Wolle  aus  Italien  eigene 
Oiener  gebrauchten'}^  künftig  solches  zu  verbieten   und  dieselben 


r 


■)  Dlt  Ninirn  d<cwr  tilnf  Oroltliindler  AugibunC*  lui  im«  Zdt  liml: 
fnat  Mnriuet,  Billhu.  Loreiu.   Jalcob  Scppmchmld,    Ltika*   Kliclier  uitd  Zwft. 
S<hcff1«T,     Die  bdd'Cii  erxlcrrri  crkllrtcti   lich  auf  du  Ansuchen  d«  Slidtraln   bereit,   auf 
^fctie  Diener  beim  lomport  ihrer  OQWr  ru  venlchlcn  und  Eich  dem  KodirMCn  lu  unCM- 
ttebcn;  die  dni  leutseninnlen  jnloch.   die  i.  T.  Klb«  >U  Deputierte  über  iii  Rotli 
Kvietit  ■rartn,  »verturiteii  «uf  ihrer  Oplniftn," 


fl 


344  Johsntics  Müller. 


anzuweisen,  sich   gleich   den   gemeinen  Wollhändlem   bei   ih 
Warentransporten  der  Qutferliger  zu  bedienen    oder,    wenn  'Ij^y      ' 

Abschaffung  der  eigenen  Diener  der  Großhändler  nicht  stattfinden 

sollte,  den  Kleinhändlern  zu  gestatten,  daß  ihrer  zwei  oder  drei" 
zusammenstehen  und  sich  einen  eigenen  Diener  zur  schnellen- 
Lieferung  ihrer  WolEe  aus  Venedig  hallen. 

Begründet  war  diese  Bitte  der  kleineren  Augsburger 
Wollhändler  in  folgender  Weise:  Die  Gutfertiger  müssen  unter 
den  jetzigen  Umständen  oft  viele  Wochen,  ja  Monate  auf  ihre 
Unkosten  zu  Venedig  liegen  ^  bis  sie  eine  völlige  Condutta 
erlangen,  und  beschweren  sich  deshalb  mit  Recht  über  die 
Becinlrächligung  ihrer  Nahrung  durch  die  Groliwollhändler; 
2)  die  kleineren  Wollhändler,  die  steh  für  ihre  Transporte 
eine  eigenen  Diener  hallen  können,  werden  durch  die  rasche 
Beförderung  der  Wolle  der  Großhändler  m  ihrem  Geschäfte 
insofern  geschädigt,  als  letztere  die  rasch  wechselnden  Kon- 
junkturen im  Wollhandel  durch  rechtzeitigen  Kauf  und  Ver- 
kauf besser  ausnützen  können  als  die  ersteren,  die  mit  ihrer  Wolle 
kaum  zweimal  des  Jahres  aus  Italien  herauskommen.  Obwohl 
nun  die  Groliwollhändler  in  ihrer  Replik  auf  dieses  höchst  merk- 
würdige Ansuchen  der  gemeinen  Wollhändler  Augsburgs  darauf 
hinwiesen,  daß  die  von  den  Wollhändlern  eingebildete  Intention, 
die  sowohl  dem  gemeinen  Gebrauch  und  Lauf  der  Kommerzien 
als  auch  dem  II.  Artikel  der  1597er  Rodordnung  zuwider  sei,  mit 
nächstem  mit  nicht  geringem  Spott  der  Ausländischen  wieder  auf- 
gehoben werden  müsse,  und  den  Kleinen  den  Rat  erteilten,  um  die 
Konkurrenz  mit  den  Großen  zu  bestehen,  dahin  zu  trachten,  daß 
den  Gutfertigem  in  der  Rodordnung  eine  Präklusivfrist  für  die 
Lieferung  ihrer  Wolle  aus  Italien  gesetzt  werde,  so  erachtete  der 
Rat  von  Augsburg  in  seinem  Dekret  vom  12.  Juli  1611  .zu  Für- 
kommung  aller  Ungelegen  heilen  und  Unordnungen  und  zu  Er- 
haltung des  wohiangestelhen  Rodwesens  für  das  bequemste  Mittel, 
daß  die  eigenen  Diener  beim  Herausführen  der  Wolle  aus  Italien 
gänzlich  abgeschafft  und  alle  Wollhändler  der  bestellten  Gutfertiger 
sich  zu  gebrauchen  angewiesen  werden." 

Mit  diesem  Ralsdekrel  war   »die  Freiheit  der  Commerclen, 
darob  nervus  rei  publicae  haftet",  wie  Daniel  btengUn  und  Genossen 


Augsburgs  Warenhandel  mit  Venedig  etc. 


in  ihrer  Gegenschrift  vom  26.  September  1596  gegen  die  famosen 
Vorschläge  der  damaligen  Roddeputierten  richtig  bemerkt  hatten, 
fast  ganz  aufgegeben,  den  Augsburger  Wollhändlern  das  negotium 
und  die  Straße  gesperrt^  dafür  aber  den  fremden  und  ausländischen 
Kaufleuten  die  Freiheit  an  die  Hand  gegeben. 

Eine  solche  Einschränkung  der  Handeisfreiheit,  wie  sie  der 
Rat  von  Augsburg  mit  seinem  Dekret  vom  12.  Juli  1611  statuiert 
hatte,  konnte  unmöglich  von  langer  Dauer  sein;  dieselbe  ist  denn 
auch  schon  im  Jahr  1627^  also  nachdem  noch  nicht  ein  halbes 
Menschcnalter  seit  ihrer  Aufrichtung  abgelaufen  war,  wieder  be- 
seitigt worden.  Das  Lehrreichste  bei  dieser  Selbstkorrektur  der 
handelspolitischen  Maßnahmen  des  Augsburger  Rates  ist  nun  aber 
das,  daü  die  Urheber  des  Ratsbeschlusses  vom  12.  JuH  1611  zu- 
gleich die  eifrigsten  Befönrorter  seiner  Wiederaufliebung  waren. 
Am  Q.  Januar  1627  richteten  nämlich  die  Wollhändler  Augsburgs 
an  einen  Ers.  Rhat  das  unterth.  Anlangen,  wiederum  eigene 
Diener  zu  HerausfiJhrung  ihrer  Wolle  von  Venedig  halten  zu  dürfen. 
Da  die  Begründung  dieses  Schriftstückes  nach  den  vorher- 
gegangenen diametral  enigegengesetzten  Bemühungen  der  bie- 
deren Wollhändler  auf  ein  besonderes  Inlwesse  Anspruch  machen 
dürfte,  50  sei  dieselbe  unter  Hinweglassung  alles  Nebensächlichen 
hier  dem  Wortlaut  nach  mitgeteilt: 

.Oleichwte  aber  ein  solches  (seil,  die  Abschaffung  eigener  Diener 
beim  Wolltransporl)  deren  damalen  schwebenden  zeit  und  läuff 
halber  erfolgt  ist,  also  könden  E:  Oestr.,  günst  u.  gnäd.  H.  etc 
wir  in  untcrthenigkcil  nicht  verhalten,  daB  es  hierinnen  eine  große 
mulation  und  endcrung  gewunnen,  dergestallt  und  also,  daß,  wie 
man  sich  vor  diesem  der  ordenlichen  Rodstraficn  mit  spedvcning 
der  wollen  durch  die  Fürstliche  Grafschaft  Tyrol  gemeiniglich 
gebraudit  hat,  bei  jetzigen  zeiten  und  Lauften  maistentails  der 
Straß  über  Salzburg  bedienen  thut.') 

*)  Der  Wec  über  S«Libure<  ■I*a  Obrr  Tanris,  ViUach.  Frlmch  oder  Spittal.  lUd- 
Mdt  und  Wtrtm  «iirde  Uli  du  WccbHlKhrihm  du  R(>ildcrulimi:n  und  dcT  iSbrigen 
Auphu'srr  Valihlndlcr  tm  Jahr  16)1  whon  xnfitigB  dc%  IT.  Jahrhundrrtt  inn  cimdnai 
Ancrtwe«*  KiuflraUa  ttafl  der  hclden  Tiraln  StraUcn  btnatu.  Schon  damals  klaelen 
dlodben  übcrr  dir  grQnrrru  Ünkoilpn  (bei  t  tl.  m«ht  aul  Jrden  ZtnlnM-  lU  durch  Tirol) 
iLna  Trimpotl«  gt-gcnilber  dem  Tiansporl  durch  Tirol. 


Demnach  aber  hiedurch  die  in  wohlgedachter  Grafschaft 
Tyrol  wohl  und  reiflich  erwogene  Rodordnung  gar  bald  in  abgang 
gebracht,  hernach  aber  ohne  merkhchen  Unkosten  nicht  wiedemmb 
aufgerichtet  werden  möchte,  in  betrachlung,  daß  die  Rodfuhrleut 
bei  abnemung  der  rodfuhren  ihre  roß  und  vieh,  so  sie  derent- 
wegen halten,  verkaufen  und  allein  ihrem  feldbau  abwarten,  auch 
wann  schon  bisweilen  etwas  von  guetern  bei  ihnen  ankäme,  die- 
selbige  aus  Ungeduld  femer  niclit  als  wie  bisher  verführen  wur- 
den, vermainten  wir  ein  nützliches  miltel  zu  sein,  wann  den 
hiesigen  wollhändlern  sowohl  als  vor  diesem  zu  herausführung 
ihrer  wellen  aigene  diener  vergunt  und  zugelassen  wurden,  und 
solches  neben  anderen  erheblichen  Ursachen  auch  darumb,  die- 
weil  nicht  allein  angeregte  Rodstraß  durch  die  Graf- 
schaftTyrol  wiederumb  in  mehreren  gebrauch  gebracht, 
sondern  auch  ein  jeder  wollhändler  seine  wolt  vil 
fürderlicher  als  durch  die  bestellte  guetfertiger  (welche 
manchmal  mit  notwendigem  gelt  auf  der  stralien  nicht  fflrschen, 
auch  bisweilen  ohnfleißige  knecht  haben)  zu  banden  bringen, 
auch  sein  dargeschossenes  gelt  des  jahrs  über  desto 
öfter  umbkehren  und  zu  nutzen  anwenden  köndte,  da 
er  sonsten  der  guetfertiger  halber  seine  war  mit  seinem 
großen  schaden  oft  manchesmal  lange  zeit  antraten 
mufi.  Dieweiien  dann  noch  über  das  jetziger  zeit  die  stralien 
nach  Satzburg  mit  guetern  sehr  überhäuft,  aber  gar  zu  lang 
unterwegs  verliegen  bleiben,  auch  dannenher  der  säum  um  etliche 
g^ilden  mehr  als  auf  der  Rod  kosten  thut,  also  gelangt  an  E: 
Gestr.  On.  und  großgünsl.  herm  etc.  unser  sambtliches  unterth. 
anrufen  und  bitten,  die  geruhen  bei  solcher  gestalt  und  damit  die 
wollliandlung  bei  hiesiger  Statt  nicht  noch  mehr  ab-,  sondern 
vielmehr  zunehme, ')  gnädig  und  günstig  zuzulassen,  daß  wir  uns 
gleich  als  wie  vor  obangeregtem  Dekret  (doch  denjenigen,  so  sich 
der  bestellten  guetfertiger  gebrauchen  wollen,  unpräjudicierlich) 
zu  herausführung  unserer  wolle  von  Venedig  hinfürters  wiederumb 
aigener  Diener  gebrauchen  mögen.    Dadurch  wird  gemeine  woll- 


1  Nuh  dem  On-Ichl  der  cenKinm  Wallhlntller  vom  2S.  Mal  IQll  wat  die  Zakl 
der  AugibiiTgvr  Wainhlndln  Im  jähr  lötl  nur  nocli  halb  to  K^il  irle  dle^ic«  ta  Cade 
dn  10.  ^lüitlLandrrli. 


handlungbcfürdcrt,  derwohlbestellten  Rodordnung  nichts  adrogiert" 

»(Unterschriften  von  den  14  Wollhändlern  Augsburgs  jener  Zeit.) 
Der  Rat  von  Augsburg  beschloß  am  14.  Januar  1627  ge- 
mifl  dem  Anlangen  der  Wollhändler  »die  Admitü'rung  algner 
Diener  zu  Herausführung  ihrer  Wollen  von  Venedig",  und  so 
war  denn  wenigstens  der  ärgste  Mißgriff  des  Augsburger  Rates 

I  auf  handelspolitischem  Gebiet  zu  einer  Zeit  wieder  gut  gemacht, 
in  der  die  Anspannung  aller  wirtschaftlichen  Kräfte  dem  süd- 
deutschen Handelsem porium  noch  einige  Aussicht  auf  die  Be- 
wahrung seiner  hervorragenden  Slellung  in  dem  damaligen  Welt- 
handel bot  Augsburg  hat  sich  diese  Sonderstellung  unter  den 
süddeutschen  Handelsplätzen  im  Zeitaller  des  DreilJigjährigen  Krieges 
bekanntlich  nicht  zu  bewahren  vermocht,  sondern  istim  Verlauf  dieses 

I  unheilvollen  deutschen  Bürgerkrieges  von  seiner  stolzen  Höhe  so  tief 

I  her^gesunken  wie  wenige  deutsche  Städte  von  ähnlicher  Bedeutung. 

"  Gewiss    haben     die    widrigen    Schicksale    der    LechstadI 

während  des  großen  Krieges  diesen  wirtschaftlichen  Niedergang 
zum  guten  Teil  herbeigeführt.  Aber  angesichts  der  fast  un- 
glaublichen Blölien,  welche  sich  das  Regiment  der  Stadt  auf 
dem  handelspolitischen  Gebiet  vor  dem  Ausbruch  des  großen 
Kampfes  gegeben  hat,  wird  wohl  kaum  ein  Zweifel  darüber  be- 
stehen, daU  Augsburg  auch  ohne  die  unglücklichen  Ereignisse  des 
Dreißigjährigen  Krieges  seine  gebietende  Stellung  unter  den  großen 
Mandelsplätzen  Deutschlands  verloren  hätte.  Das  damalige  Augs- 
bui^rStadtregimenl  wußte  in  dem  sich  eben  anbahnenden  Verkehrs- 
wesen der  Neuzeit  die  großen  Rieht-  und  Zielpunkte,  die  auf  dem 
weiten,  labyrintliisch  verzweigten  Meer  menschlicher  Handelstätig- 
keit allein  Steuer  und  Kompaß  bilden,  nicht  herauszufinden,  sondern 
blieb  vielmehr  bei  seinen  handelspoliüschen  Maßnahmen  stets  in 
sklavischer  Abhängigkeit  von  den  jeweiligen  Meinungen  der  Augs- 
burger Kaufmannschaft  Da  der  letzteren  aber  nach  obigen  Dar- 
l^ungen  im  großen  und  ganzen  eine  tiefere  Einsicht  in  das  Wesen 
der  Volkswirtschaft  mangelte,  so  mußte  das  von  dem  Augsburger 
Rat  eingeschlagene  Verfahren  zu  den  ärgsten  Mißgriffen  in  der 
Handelspolitik  Augsburgs  und  schließlich  zum  Ruin  des  einst  so 
bliihenüen  Handels  der  Stadt  der  Fugger  und  Welser  führen. 


348  Arthur  Kopp. 


Eine  Liederhandschrift  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh. 

(Berlin,  Mgq  720) 
Von  ARTHUR  KOPP. 


Mgq  720  besteht  aus  einem  Vorsatzblatt,  143  schon  bei  der 
Anlage  durchgezählten  Seiten  (nebst  leerer  zu  S.  143  gehöriger 
Rflckseite)  und  drei  zunächst  ursprünglich  frei  gelassenen  Blättern, 
auf  deren  erste  drei  Seiten  Meusebach  das  von  ihm  zusammen- 
gestellte, alphabetische  Register  mit  Bezeichnung  der  Nummern 
eingetr^en  hat  Die  Handschrift  enthält,  auch  bereits  nach  ur- 
sprünglicher Durchzählung  mit  römischen  Ziffern  versehen,  58 
Nummern,  dabei  zweimal  dieselben  Lieder  doppelt:  22  und  32 
45  und  5a 

Anfang  und  Schluß,  S.  1  bis  63  No.  1  bis  27  und  S.  133  bis 
143  No.  54  bis  58,  sind  unverkennbar  von  derselben  Hand  ge- 
schrieben; von  einer  zweiten  Hand  rühren  S.  64  bis  121  No.  28 
bis  47  her;  zweifelhaft  scheint  es,  ob  man  die  dazwischen  Uzen- 
den Blätter  S.  123  bis  127  No.  48  bis  50,  S.  129  bis  132  No.  51 
bis  53  (S.  122  und  128  leer)  auf  eine  dritte  und  vierte  Hand 
zurückführen  oder  eine  davon,  vielleicht  auch  beide,  mit  der  ersten 
meistbeteiligten  Hand  gleichsetzen  müsse. 

Randbemerkungen  Meusebachs  geben  zu  mehreren  Liedern 
die  Quellen  an;  die  Handschrift  gehört  in  die  Zeit  kurz  vor  1700, 
Lieder  späteren  Ursprungs  kommen  darin  nicht  vor.  Von  Druck- 
werken bekannter  Größen  haben  Christian  Weises  Überflüssige 
Gedanken  (1668  u.  ö.)  und  Adam  Kriegers  Neue  Arien  (1676) 
mehrfach  beigesteuert;  der  Volkston  schlägt  öfter  durch,  obschon 
Bestandteile  von  echt  volksmäßigem  Ursprünge  nicht  allzureich 
vertreten  sind.  Studentisches  Wesen  ist  hervorragend  berück- 
sichtigt; außer  einigen  auch  sonst  übeHieferten  und   neuerdings 


Eine  Liederhandschrifl  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.     340 

»nehrfacb  abgedruckten  Liedern  erweckt  Interesse  das  dichterisch 
■ninderwertige,  kullurhislorisch  bedeutsame  Klagelied  eines  ge- 
scheiterten Akademikers  (No.  42).  Ein  paar  Lieder  sind  zu  schmutzig, 
als  daß  sie  wiedergegeben  werden  könnten.  Bemerkbar  machen 
sich  durch  Eigenart  noch  zwei  Tabaksgedichte,  deren  eins  ,Was 
ist  doch  in  der  Welt"  doppelt  in  der  Handschrift  vorkomml,  das 

■  andere  »Rosen  und  Violen"  allen  Kennern  der  neuem  Schriften 
über  volkstflmliche  Lieder  wohlvertraut  ist 

Die  Rechtschreibung  ist,  obschon  es  sich  in  dieser  Hand- 
schrift nicht  um  ganz  ungebildete  Schreiber  handeln  kann,  fehler- 
haft und  verwildert;  ohtie  bisweilen  ein  wenig  nachzuhelfen, 
kommt  man  hier  nicht  weiter.  Doch  soll  meistens  die  wenn  auch 
noch  so  willkürliche  Schreibung  unverändert  bleiben,  wo  sie  nicht 

■  Stören  kann;   der  ursprüngliche  Lautbestand  muß  möglichst  ge- 

■  schont  werden,  um  nicht  ein  falsches  Bild  von  der  Überlieferung 

■  zu  bewirken.  Nur  in  so  nebensächlichen  Dingen  wie  Setzung 
großer  oder  kleiner  Anfangsbuchstaben,  Unterscheidung  von  das 
und  daß,  Schreibung  von  v  statt  u  beim  Wortanfang  und  ähn- 
lichen Kleinigkeiten  send  stillschweigend  neuere  Grundsätze  beachtet 

Die  Handschrift  nach  ihrem  Entstehungsort  zu  bestimmen, 
hält  schwerer  und  bleibt  zweifelhafter,  als  dieselbe  in  einen  ab- 
gegrenzten Zeitraum  zu  versetzen.  Die  studentischen  Beziehungen 
und  ein  Gedicht,  das  den  zwischen  Wolfenbüttel  und  Helmstedt 
gelegenen  Elmwald  erwähnt,  dabei  gleichfalls  aus  dem  Zusammen- 
hange mit  studentischen  Verhältnissen  hervorgegangen  scheint, 
weisen  mit  einiger  Deutlichkeit  nach  der  Helmstedler  Gegend. 
Wenn  demnach  das  Kind  mit  besonderm  Namen  zu  taufen  wäre, 
könnte  man  es  füglich  Helmstedter  Liederhandschrift  nennen,  und 
so  würde  von  dieser  nun  längst  (seil  1809)  eingegangenen  Uni- 
_  vcrsität  ein  ähnliches,  wenn  auch  lange  nicht  so  bedeutendes  Do- 
I  kument  vorliegen,  wie  es  für  die  gleichfalls  (auch  1809)  aufge- 
hobene Hochschule  von  Altdorf  durch  die  Liederhandschrift  des 
Freiherrn  von  Crailsheim  geliefert  ist 

No.  1: 

L  Sinn  und  Witz  hat  der  verlohren, 
Der  da  Lust  zum  Ehslandt  trägt, 


350  Anhur  Kopp 


Der  ein  freyer  Mensch  gebohren 
Und  sich  selbsl  an  Ketten  legt, 
Der  da  selbst  nach  Unglück  ringet 
Und  zum  Sdaven  sich  verdinget, 
In  dem  er  sich  gar  zu  fest 
Durch  die  Eh  verbinden  läüt 

2.  Denn  -»ofOr  darf  ich  jetz  sorgen 
Als  vor  meinen  eignen  Leib, 

Frey  ich  heut,  so  muti  ich  morgen 
Auch  &dion  sorgen  vor  das  Weib; 
Ach  wie  süß  schmeckt  doch  das  Lieben, 
Das  ohn  Pfaffen  wird  getrieben, 
Denn  kompt  erst  der  Pfaff  dabey. 
Wird  aus  Lieben  Sclaverey. 

3.  Mein  Pferd  geht  auf  allen  Weyden, 
Alles  Graß  ist  ihm  gesund, 

Meist  mich  eine  ihr  Feld  meyden, 
Geh  ich  fori  und  wisch'  den  Mund, 
Dank  für  das  was  ich  genoßen, 
Bleibe  danimb  unverdroßen, 
Suche  meinen  Aufenthalt 
Wiederumb  In  frischem  Wald. 

4.  Gelt,  mich  wird  kein  Haber  stechen, 
Soll  ich  täglich  Schule  thun, 

Ringel  rennen,  Lanzen  brechen 
Oder  doch  auf  türkisch  nun 
Mit  den  Schevalinen  werfen 
Und  mein  Eysen  stündlich  schärfen, 
Stets  in  Stich  und  Springen  gehn, 
Soll  ich  wie  ein  Man  bestehn? 

5.  Edle  Frcyheit,  halbes  Leben, 
Die  du  bist  der  beste  Schatz, 
Den  der  Himmel  uns  gegeben, 
Du  behältst  bey  mir  den  Platz, 
Freies  Leben,  freies  Küssen 


Eine  Liederhandschrift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.     351 

.  Und  dafür  nicht  dürfen  büssen, 
Küssen  wenn  es  mir  gefält 
Ist  das  beste  auf  der  Welt 

6.  Alle  Lust  kan  ich  genießen, 
Kein  Kuß  ist  für  mich  zu  scharf, 
Es  mag  wen  es  will  verdrießen. 
Wenn  ich  mich  nur  nennen  darf; 
Komm  ich  in  der  Ehieut  Orden, 
Und  bin  gleich  ein  Vatter  worden, 
Muß  ich  doch  auf  Hoffnung  bloß 
Frembde  Kinder  ziehen  groß. 

7.  Was  ich  jetz  aus  Lieb  verrichte, 
Wird  Tribut  und  Schuldigkeit, 
Wenn  ich  mich  der  Frau  verpflichte, 
Den[n]  sie  gehen  gar  zu  weit. 

Was  die  andern  Liebe  nennen. 
Wollen  sie  vor  Pflicht  erkennen; 
Nur  weg  mit  der  Sclaverey! 
Wer  da  kan  der  bleibe  frey. 

8.  Brüder  wolt  ihr  mich  recht  hören. 
Flieht  den  Ehstand  wie  die  Pest, 

Last  euch  durch  kein  Weib  bethören, 
Ehstand  ist  ein  Hummel-Nest, 
Darinn  mancher  Honig  suchet 
Und  hernach  das  Nest  verfluchet, 
Weil  er  darinn  nichts  antrifft. 
Als  nur  Stacheln.  Staub  und  GiffL 

9.  So  lang  als  man  noch  bestehet 
Wie  ein  Mann  recht  in  der  Welt, 
So  lang  als  von  statten  gehet, 
Waß  der  Frauen  wohl  gefält, 

Soll  man  ja  den  Ehstand  meiden. 
Weil  das  Alter  doch  mus  leyden. 
Will  ich  alt,  grau  und  verstart 
Lieber  seyn  als  jung  vemart 


4    No.  2: 

1.  Es  leuchtet  der  schönen  Amönen  Gesichte, 
Als  breche  mit  Wonne  die  Sonne  herein. 

Die  Augen  so  strahlen  mit  brennenden  Lichte, 
Die  werden  auf  Erden  mein  Morgenstern  seyn, 
Die  Weide,  die  Freude  der  Augen  ist  Sie, 
Am6na  die  schöne  die  treffliche  Die. 

2.  Die  Antvort  der  schönen  Amönen  der  süssen 
Kan  immer  von  neuem  erfreuen  mein  Herz, 
Sie  lasset  mich  blöden  der  Liebe  genies[slen, 
Womit  ich  vertreibe  den  plagenden  Schmerz, 
Der  Himmel  soll  zeugen,  mein  eigen  ist  Sie, 
Amöna  die  schöne  die  treffliche  Die. 

X  Ich  (rücke  der  schönen  Amönen  die  Hände, 
Und  rühre  ihr  prangendes  Wangen-Feld  an, 
So  treiben  wirs  beyde  behaglich  ohn  Ende, 
Sie  lasset  sich  wiülig  wie  billig  umbfahn, 
Wie  Seide  zum  Kleide  noch  schöner  ist  Sie, 
Amöna  die  schöne  die  zarteste  Die. 

4.  Es  lasset  die  schöne  Amöna  sich  iaissen, 
Von  keinem  als  einem,  derselbe  bin  ich. 
Was  andern  beliebte]!  und  müssen  vermissen. 
Mit  dicssen  erfreuet  und  labet  Sie  mich, 

Sie  lieb  ich  auch  innig  und  küsse  nur  Sie, 
Amöna  die  schöne  die  süsseste  Die. 

5.  Amöna  wird  billig  die  schöne  genen[ne]t, 
Ich  darf  mich  ja  üben  im  lieben  bey  ihr, 
Eß  hat  mir  die  nette  ihr  Bette  vergön[nlet, 
Drumb  lob  [ichl  und  preis  ich  die  trefliche  Zier, 
Ich  bleib  ihr  ergeben,  mein  Leben  tsl  Sie, 
Amöna  die  scliöne  mein  Eigenthumb  Die. 

S,  6  No.  3: 

l.  Ich  schifft  wohl  übern  Rhein, 
ich  schifft  wohl  übern  juck  juck  juck, 
ich  schifft  wohl  übern  Rhein 


Eine  Liederhandsdirift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrb.     353 

auf  einem  Lügen-blättelein, 
schneldri  beldri  juck  juck  juck, 
zur  herz  allerliebsten  gir  gir  gir, 
zur  herz  allerliebsten  mein. 

2.  Und  als  ich  nieber  kam  .  .  .  || 
da  krähten  al  die  Hähne  .  .  .  || 
der  helle  Tag  brach  an. 

3.  Ich  kam  fürs  Liebgens  Thür  .  .  .  || 
die  Thür  war  zugeschlossen  .  .  .  || 

der  Riegel  lag  dafür. 

4.  Schöns  Liebgen  laß  mich  hinein  .  .  .  || 
ich  hab  so  lang  gestanden  .  .  .  || 
erfroren  möcht  ich  seyn. 

5.  Ich  lasse  dich  nicht  ein  .  .  .  || 

du  gereds  mir  den[n]  die  Treue  dein  . . .  || 
darnach  laß  ich  dich  ein, 

6.  Die  Treu  gered  ich  dir  nicht  .  .  .  || 
ein  klein  wenig  will  ich  dich  lieb  han  . . .  || 
aber  nehmen  mag  ich  dich  nicht 

7.  Sie  steckt  ihn  hinter  die  Thür  .  .  .  |I 
biß  Vatter  und  Mutter  zu  Bette  wehm  . . .  || 
darnach  zog  sie  ihn  herfür. 

8.  Sie  führt  ihn  auf  das  Haus  .  .  .  || 
sie  band  ihn  Hand  und  Füße  .  .  .  || 
zum  Fenster  warf  sie  ihn  naus. 

9.  Er  fiel  auf  einen  Pflock  .  .  .  || 

er  fiel  drey  Ribben  im  Leib  entzwey  . . .  || 
Darzu  ein  Loch  in  Kopf. 

10.  Der  Fall  der  thät  ihm  weh  .  .  .  || 
gehab  dich  wohl  mein  feines  Lieb  .  .  .  || 
zu  dir  komm  ich  nicht  mehr. 

Ardilv  m  KnltUTKeschlchtc.    I,  3.  23 


354  Arthur  Kopp. 

11.  Schöns  Lieb  verred  es  nicht  .  ■  .  j| 
wenn  dir  der  Schad  geheilet  ist  .  .  .  || 
das  naschen  lästu  nicht 

12.  Und  da  der  Tag  anbrach, 
und  da  der  Tag  an  juck  juck  juck, 
und  da  der  Tag  anbrach, 

da  sprach  er  ich  mus  wieder  hingehn, 
schneldri  beldri  juck  juck  juck, 
und  wo  ich  nächst  gewesen  bin, 
da  mus  ich  wieder  gir  gir  gtr, 
da  mus  ich  wieder  hin. 

Vgl.  Wolkan,  Liederbuch  aus  d.  16.  Jahrhundert:  Euphorion 
6,656  in  10  Str.,  1-6  entspr.  d.  Hdschr.  7te:  .Der  Schwestern,. 
der  war  drey  störendes  Einschiebsel.  8— 10  entspr.  Hdschr.  8— 10. 
Hilarius  Lustig  von  Freuden-Thal,  Zeitvertreiber  Nr.  194  in 
18  Str.  u.  ö. 

S.  9  No.  4:  Ich  ging  auf  einer  wießen  i  mit  mei  ner 
Rosilis  ...  13  vierz.  Str.  Neu  Weltliches  Lieder-Büchlein  No.  17; 
Hans-guck-in-die-Welt  Nr.  10;  Zeib^ertreiber  Nr.  178;  Mgo  231: 
Clodius,  Hymni  Studios.  1669  S.  22;  Mgq  722:  Liedersammlung 
des  Frh.  v.  Crailsheim  1747  S.  466.  FI.  Bl.  London,  Brit  Mus. 
11,522  df  71:  „Drey  schöne  newe  Weltliche  Lieder«  1663.  - 
Kopp,  Volks-  u.  Studenten-Lied  S.  196. 

S.  12  No.  5:  ich  streif  in  wäldern  hinn  und  her  und 
übe  meine  lust  ...  5  zehnz.  {in  der  Hdsch.  8  z.  abget.)  Str. 
ttt  Jagdlied  mit  erotischem  Sinn. 

S.  13  No.  6:  Gestern  lag  ich  auf  dem  bette  i  einen 
mittag  schlaff  zu  thun  ...  8  achtz.  Str.  fft  Vgl.  Mgq  722 
V.  J.  1747  S.  191;  Jena,  Univ.-Bibl.  Ms.  Bud.  f.  352.  I:  Bl.  15b 
in  14,  und  noch  einmal  ebenda  Bl.  61a  in  9  vierz.  Str.  Einzel- 
drucken, welche  das  Lied  bringen,  begegnet  man  Öfter;  die  König- 
liche Bibliothek  zu  Berlin  besitzt  solche  in  größerer  Zahl.  — 
Kopp  a.  a.  O.  S.  102.  - 


Eine  Liederhandschrift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrb.     355 

Der  Schreiber  der  Handschrift  muß  ebenso  wie  derjenige  der 
Jenaer  das  Lied  in  mehr  als  einer  Fassung  gekannt  haben;  er 
gibt  zu  den  ersten  fünf  Strophen  Varianten  und  schreibt  nach  der 
fünften  Strophe  an  den  Rand:  .NB.  andere  schliessen  dieses  Lied. 
mit  dieser  Strophe:  6.  Endlich  zog  ich  leise  abe'  .  .  . 

S.  16  No.  7:  Seht  doch  des  Amors  bauer  poflen.  . 
6  sechsz.  Str.  ftt 

S.  18  No.  8:  Guten  Abend  liebstes  Kindt  ...  16  vierz. 
Str.  —  Christian  Weise,  überflüssige  Gedanken  1668,  1673  (u.  ö.) 
V.  Dutzend,  No.  12,  Str.  1  bis  13,  28,  29,  32  von  46  Strophen 
im  ganzen. 

S.  2!  No.  9:  Als  die  Venus  neulich  sasse  ...  10  sechsz. 
Str.  —  Zeitv.  No.  21;  Hansg.  No.  18;  vgl.  Hoffmannsw.  I  1695 
S.  328,  1725  S.  341  u.  ö.  -  Kopp  a.  a.  O.  S.  161  u.  273. 

S.  24  No.  10:  Daß  ist  mein  blut  nicht  war  i  das  ich 
verliebet  sey  ...  7  vierz.  Str.  ttt 

S.  25  No.  II: 

1.  Eins  stund  ich  auf  des  Morgens  früh 
Und  ging  in  Garten  sonder  Müh. 
Latton  iton  dara  dire  lire  litton. 

2.  Da  begegnete  mir  ein  Edelman, 
Der  sprach  mich  umb  ein  Küsgen  an. 
Latton  iton  dara  dire  lire  litton. 

3.  Ach  mein  Herr  das  kan  nicht  geschehn, 
Mein  Man  der  möchte  sauer  sehn. 

Latton  iton  dara  dire  lire  litton. 

4.  Herr  seyd  ihr  toll  was  kompt  euch  an? 
»Bin  ich  den  toll,  so  sey  es  dan.« 

Latton  iton  dara  dire  lire  litton. 

5.  »Bin  ich  den  toll,  so  mache  mir 
Den  armen  Man  zum  Hörner-Thier." 
Latton  iton  dara  dire  lire  litton. 

23* 


5.  Meine  Frau  küß  ich  wen  mirs  gefält, 
Das  Mäügcn,  so  sie  stille  hält 
Latton  ilon  dara  dire  lire  litton. 

S.  26  No.  12:  Coridon.  1.  Fillis  kanstu  dich  besinnen  i 
Dencksl  du  noch  an  dein  beginnen  . . .  FiUis.  1.  Ja  ich  weis  noch 
wohl  dein  bitten,  |  Deine  recht  verbuhlte  Sitten  .  .  .  zweimal 
8  sechsz.  Str.  =  A.  Krieger,  Neue  Arien  1676,  II  7.  Die  I.  Voce 
enthält  außer  der  Melodie  und  dem  Anfang  «Fillis  kanstu  dich 
besinnen"  nur  die  8  Antwortstropheti  der  Fillis.  Die  II.  Voce 
bietet  die  S  ereten  Strophen,  die  dem  Coridon  in  den  Mund  ge- 
legt werden. 

S.  30  No.  13:  Florellgen  geh  mit  mir  in  garten,  I  die 
Pläiungen  seynd  [schon]  pumpelweich  ...  8  vierz.  Str.  ftt 
Pflaumenlied  mit  obszöner  Bedeutung,  eins  von  den  vielen  der- 
artigen, zum  Teil  noch  fortlebenden,  zum  Teil  stets  neu  wieder 
aufschieüenden;  im  Jahre  190]  war  allgemein  verbreitet  ein  ob- 
szönes Pflaumenlied  mit  dem  Kehrreim  „An  jenem  Baume  !  Hängt 
eine  Pflaume"  u.  5.  w.  Siraßenhändler  verkauften  Ansichtskarten 
mit  dem  scheinbar  ganz  harmlosen  Bilde  der  berühmten  Pflaume, 
wobei  das  Anstößige  nur  in  der  Beziehung  auf  das  als  bekannt 
vorausgesetzte  zweideutige  Lied  steckte. 

S.  32  No-  14;  Ich  armer  hausknecht  habe  nun  |  Mein 
Amptgen  angenommen  ...  9  sechsz.  Str.  =  Weise,  überflUss. 
Gedanken  II  5;  vgl.  Liebes-Rose  (76  Lieder  enthaltend  o.  J.) 
No.  19  (8  Strophen).     . 

S.  34  No.  15:  Ich  will  es  nicht  achten,  ich  will  es 
nicht  thun  ...  6  sechsz.  Str.  =  A.  Krieger,  Neue  Arien  1676, 
111  6  Zusatz. 

S.  36  No.  16:  Ihr  flammenden  haare,  0  schönste 
lieblichkeit  1  Vnd  güldene  waare,  wie  habt  ihr  mich  erfreut 
8  Str.  =  Krieger,  ebenda  II  8.  (Schluss  folgt.) 


Müzellen. 


* 


Miszellen. 

Über  Kinderselbstmorde  im  Anfange 
des  19.  Jahrhunderts. 

Von  Dieudonnc. 


Zu  den  betrfibendstcn  Zeichen  unserB  j-nci^'ösen"  Zeitalters  gehört 
die  in  steter  Zunahme  begriffene  Häufigkeit  der  im  kindlich- Jugend  liehen 
Alter  stattfindenden  Jugendselbstmorde.  Nach  EuJenburg  betrug  die 
Zahl  der  Selbstmörder  unter  20  Jahren  in  Preußen,  auf  je  100000 
Lebende  berechnet:  im  Jahre  1876  21,2,  im  Jahre  1877  23,0,  im  Jahre 
1878  24,1,  im  Jahre  189Ü  war  diese  Zahl  bereits  auf  32,0  gesti^en,  also 
«n  Anwachsen  um  fast  genau  50  Prozent  im  Verlauf  von  nur  20  Jahren. 
In  Berlin,  allein  betrug  im  Jahre  1896  die  Zahl  der  Selbstmötxler  unter 
20  Jahren  43. 

Dass  aber  diese  Kinderscibsl morde  keineswegs  nur  in   unserer  Zeit 
vorkommen,  ergibt  sich  aus  einer  im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  er- 
schienenen statistischen  Arbeit  von  Casper;   Über  den  Selbstmord 
und  seine  Zunahme  in  unserer  Zeit.    (Beiträge  zur  medizinischen 
Statistik  und  Staatsarzneikuiide.  Berlin  182ä).    Casper  weist  darauf  hin, 
daß    mit  den   Fortschritten  der  Kultur  und  mit  der  zimehmenden  Ver- 
feinerung der  menschlichen  Oescllschaft  auch  die  Neigung  zum  Selbst- 
morde in  ihr  wachsen  müsse.     .Nirgends  zeigt  sich  diese  Schattenseite 
der  Kultur  wohl  greüer,  als  wenn  *ir  die  fast  unglaublich  scheinende 
Zunahme  der  Kind  «selbst  morde  in  den  neuesten  Zeiten  betrachten.    In 
<lcn    zehn   Jahren   von    !788  bis  17y7    hatte  sich  in  Berlin   ein  einziger 
Knabe  durch  den  Strang  das  Leben  genommen;  in  den  zehn  folgenden 
Jahren  von  1798  bis   1807  zählten  die  Listen  schon  drei  Knabcnselbst- 
morde  und  in  den  zehn  Jahren  von  1812  bis  1821  fanden  sich  schon  ein* 
unddrciBtg    Selbstmorde  aufgeführt,   bei    denen    bemerkt  wird,  daß   sie 
von  (3)  Knaben  und  (2S)  Lehrlingen  vollzogen  wurden!!    Leider!  zeigt 
sich  diese  Erecheinung,  welche  beweist,  zu  wie  furchtbaren  Resultaten 
eine  zu  rasche  Treibhaus- Erziehung  führt,  die  zu  früh  Gefühle  und  An- 
sichten weckt,    welche  der  unreife  Verstand   noch  nicht  gehörig  zu  be- 
herrschen   vermag,  und  wie  tiefverderblich   von  der  anderen  Seite  eine 
verwahrloste  Erziehung    junger  Menschen    werde,   die  doch   einmal    im 
Zeitalter    der    Kultur    -     und    der   krankhaften    Exaltation    aufwachsen, 
leider,  sage  ich,  zeigt  sich  diese  beklagenswerte  Erscheinung  nicht  etwa 
bloli  in  Berlin,  sondern  auch  andere  Orle  geben  traurige  Belege  dafür." 


3sa 


Mtszellen. 


Von  den  von  Casper  erwähnten  Fällen  von  Kinderselbshnorden  seien 
folgende  angeführt.  In  Oleissen  (Neumark)  erhiSngte  sich  im  Au(^ 
1820  ein  Vieh  h&tender  Knabe  an  einem  Baume  aus  Lebensüberdniss- 
Der  vierzehnjährige  Ochsenjunge  zu  Liebenov  erhängte  sich  im  Dezember 
1821,  weil  CS  ihm  zu  schwer  wurde,  die  vom  Prediger  aufgegebenen 
Sprüche  ru  lernen.  Am  21.  Mai  1822  machte  der  Lehrling  8.  in  einer 
Handlung  zu  S.  {Regierungsbezirk  Frankfurt)  den  Versuch,  sich  zu  ent- 
leiben, indem  er  ein  bloß  mit  Pulver  geladenes  Pistol  in  den  Mund 
setzte  und  abschoß.  Da  hierdurch  bloß  starke  Verbrennung  der  Mund- 
höhle erfolgte,  so  schnitt  ef  sich  mit  dnent  Pacfcniesser  in  den  Hab 
nach  dem  Genick  zu.  Als  auch  diese  Verwundung;  nicht  zum  Zweck 
führte,  lud  er  das  Terterol  «im  zweiten  Male  und  schoH  es  gegen  die 
Slime  ab,  wodurch  die  Hautbedeckungeti  zerrissen  wurden,  lieber- 
Spannung  und  falsches  Elhrgefühl  sollen  die  Triebfeder  gewesen  sein. 
Am  7.  Dezember  1823  erhängte  sich  auf  dein  Vorwak  in  Corsenz  (in 
Schlesien)  der  Dienstjunge  A.,  sechzehn  Jahre  alt,  weil  seine  Dienst- 
kameraden  deshalb,  weil  er  einem  Marionettenspieler  ein  E^ckchen  Tabak 
entwendet,  gedroht  haltem,  nicht  mit  ihm  dienen  zu  wollen.  Ein  Knabe 
von  dreizehn  Jahren  in  einem  Dorfe  des  Kreises  Halle  erhängte  sich 
(1824)  mit  seinem  Halstuche  bloß  deshalb,  weil  er  daran  verzweifelte, 
etwas  zu  lernen  und  zu  begreifen.  Am  5.  März  1821  vergiftete  sich  der 
siebenzctin jährige  Lehrbursche  des  Buchdruckers  K.  in  Breslau  mit  Opium, 
das  er  sich  zu  verschaffen  gewußt  halte  und  das  er  auf  zweimal  in 
Branntwein  zu  sich  nahm  aus  Lebensiiberdnii),  well  er  noch  anderthalb 
Jahre  zu  lernen  hatte.  Am  21.  Oktober  1821  versuchte  die  zwölfjihrige 
Pflegetochter  des  Tagelöhners  R.  in  Breslau  sich  am  hellen  Tage  in  der 
Oder  zu  ersäufen,  angeblich  aus  Furcht  vor  Strafe,  weil  sie  eine  Kaifee- 
tasse zerschlagen  hatte.  Am  12.  Februar  1822  fand  man  den  sechzehn- 
jährigen Sclmeiderburschen  R.  in  einer  Kirche  in  Breslau  unter  den 
Bänken,  er  gestand,  dafi  er  von  seinem  Meister  entwichen  sei  und  eine 
Flinte  mitgeil onimen  habe,  um  sich  zu  erschießen,  wozu  er  auch  schon 
den  Versuch  gemacht,  weil  er  einen  Stock  entwendet  und  verkauft  hatte. 
Am  21.  März  1820  versetzte  der  wi^en  Herumtreibens  im  Arbeitshause 
in  Berlin  sitzende  Korbmach  er  lehrling  K-  «aus  I.ebensöherdrufi"  dem 
gleichfalls  im  Arbeitshause  sitzenden  Knaben  T.  mit  einem  Messer  zwei 
Stiche,  Die  dreizetin  Jahre  alte  Tochter  des  Schleifers  N.  in  Berlin  ent- 
wandte am  27.  November  1820  einer  Freundin  3  Thaler  18  Qr.  und,  aU 
diese  es  entdeckte  und  dem  Vater  anzeigte,  erhängte  sich  die  kleine 
Diebin  auf  dein  Boden  des  Hauses.  Aehnlich  ist  der  versuchte  Sellwl- 
mord  eines  gar  nur  12  Jahre  allen  Kindes,  der  Stieftochter  des  Seiden- 
wirkers Q.  in  Berlin,  die  sich  am  2.  Mai  1821  in  die  Spree  stürzte,  um 
sich  zu  crb^nken,  weil  sie  eines  von  ihr  begangenen  Diebstahls  wegen 
von  ihrem  Pflegevater  Züchtigung  fürchtete.  Der  Sclmsterlehrling  G. 
in  Berlin,  achtzehn   fahre  alt,  entleibte  »ch  am  24.  Mai  1824,  wahr- 


I 


I 


I 


I 


scheinltch  aus  Furcht  vor  Strafe,  da  er  bei  einer  Schlägerei  mit  seinem 
Kameraden  diesen  blutig  geschlagen  halle,  auf  dem  Appartement  des 
Hauses  durch  Oeffnung  der  Pulsadern  am  Halse.  Im  Jahre  1S18  nahm 
sich  sogar  ein  erst  acht  Jahre  altes  Kind,  von  dessen  näheren  Vcr- 
hällntssen  nichts  bekannt  wurde,  das  Leben. 

-Vor  diese  Oatlerie  von  KindeRcIbstmördem  im  Bildersaal  der  Ge- 
schichte der  neue&ten  Zeit',  setzt  Casper  hinzu,  «führen  wir  die  Jugend- 
lehrcr  und  die  Wächter  für  das  körperliche  und  geistige  Wohl  des  Volkes. 
So  ist  denn  in  unserer  Zeit  fitrclitbarer  Ernst  geworden,  was  Claudius, 
den  verschrobenen  Jflngling  Werthtr  parodierend,  vor  fünfzig  Jahren 
noch  in  saliriscli-schcrzhafter  Ucbcrtreibung  dichtete; 

Nun  mag  ich  auch  nicht  länger  !d>en, 
Verhaßt  ist  mir  das  Tageslicht, 
Denn  sie  hat  Franze  Kuchen  gegeben. 
Mir  aber  nicht. 
Jeder  Zusatz  wäre  hier  überflüssige  Dcldamation," 
Casper    sieht    in    diesen    Kinderselbstniorden    einen     schlagenden 
Beweis   für  den   EinHuss  des  Luxus  und  aller  geistigen   und  sittlichen 
Exzentrizität  seiner  Zeit.    Für  die  Häufigkeil  der  Selbstmorde  im  Anfang 
des  IQ.  Jahrhunderts  spricht  auch  das  Vorhandensein  von  .Gescllsdiaften 
cler    Freunde  des  Selbstmordes",   wovon  Casper  einige    Beispiele  an- 
fahrt.   So  erschoß   sich  im  Jahre  1817  ein  Seh losserme ister  F.,  Vater 
von  vier  unmündigen  Kindern.    Er  war  das   letzte  Glied  einer  freund- 
schaftlichen Gesellschaft  von  sechs  Personen,  deren  Grundsatz  Selbstmord 
gewesen.     Drei  von  ihnen  hatten  sich  m  N.  in  ihren  Wohnungen,  der 
vierte  auf  dem  Grabe  seiner  Frau  daselbst,  der  fünfte  in  Eislcben,  der 
wechsle  in  Mainz  erscliossen.     Acht  oder  neun  Jahre  hatte  ihre  freund- 
schaftliche Verbindung  slattgefunden.     Sie  schlössen  sich  ßberall  anein- 
ander, an  öffentlichen  Orten  hielten  sie  stets  zusammem  und  man  hörte 
sehr    oft   die  Grundsätze   des  Selbstmordes    von    ihnen  anpreisen.     Ihre 
übrigen,    weniger    vertrauten    Freunde   fanden   in    diesen     Aeußcrungcn 
einen  tächerlicheci  Heroismus  und  wurden  nur  erst  aufmerksam,  als  der 
x«'cite  und  dritte  Selbstmord  erfolgte.    In  Paris  halte  $ich  ebenfalls  an- 
fangs  des  IQ.  Jahrhunderts  eine  .Gesellschaft  der  Freunde  des  Selbst- 
mordes" gebildet,    deren  Mitglieder   sich    bis   auf   zwölf  bcliefcn-     All- 
jährlich wurden  nach  ihren  Gesetzen  die  Namen  derselben  in  eine  Urne 
gemischt  und  durch  das  Los  derjenige  bestimmt,  der  sich   in  Gegen- 
wart der  übrigen  das  Leben  zu   nehmen  hatte.    »Jedes  Mitglied  dieser 
Gesellschaft  soll  erstens  ein  Mann  von  Ehre  sein,  zweitens  soll  er  Er- 
fahrung haben  von  der  Ungerechtigkeit  der  Menschen,  der  Undankbar- 
keit  eines    Freundes,    der    Falschheit    einer  Gattin   oder  Geliebten  und 
drittens  muss  er  seit  Jahren  eine  gewisse  unbezwlng liehe  Leere  in  der 
Seel«,  ein  Missbehagen  an  allem  haben,  was  die  irdische  Welt  bietet" 


Hlnwel«  auf  ■achslich-famtlehe  Che-  und  Braut«Unds> 
bricffl  dea  i6.  Jahrhunderti.  Auf  die  den kvdrd igen  Etieliriefe  des 
KuHürsleti  Moritz  zu  Sachsen,  aus  den  Jahren  1547-53,  habe  ich  im 
„Archiv  för  die  sächsische  Geschichte"  {N.  F.  VI.  —  1880  — ,  insb«. 
133,"  i.  Verb.  m.  138"  u.  141/2)  bereits  nachdrücklich  hingewiesen;  hier 
mache  ich  auf  die  zwischen  dem  Bruder  jenes,  dem  fast  60  jährigen  Witwer 
und  kinderreichen  August,  und  der  12jährigen  Agnes  Hedvig  von 
Anhall  während  deren  Braulstandszeil  (Ende  1586),  gcwrchsellen  auf- 
merksam. Dieselben  werden  im  K-  S.  Hanptstaatsarchive  (man  vergl. 
Abt.  IM.,  Bd.  51a)  aufbewahrt.  —  Tbdr.  Dstl.-BlsTtz. 

Das  Rebhutin,  dem  Kurffirstcn  August  ein  ml ndenr artiges 

QedOgel-  Zur  überaus  prächtigen,  1561  in  Leipzig  gdeieiten  Hoclizdt 
des  Prinzen  Wilhelm  von  Oranien  mit  dem  einzigen  hinterbliebenen 
Kinde  des  Kurfürsten  Moritz  zu  Sachsen,  Anna,  hatten  die  zur  Dienst- 
wartung  verschriebenen  Vasallen  u.  a.  sich  zv  befleilitgen,  Federwildpret, 
namenttich  Rebhühner,  einzuliefern,  Der  Onkel  der  Braut,  August,  hat 
dazi)  die  Randbcmcrloing  gesetzt:  „Obschon  es  etwas  schimpflich,  auch 
gastieren  läßt"  —  Tbdr.  Ostl.-BlsTtz. 

„Zu  Abwendung  Qberleler  Feilte,  ein  nflzUch  Exerdtlum 
corporla"  sollte,  nach  einem  Befehle  des  sächsischen  Kuradministrators 
Friedrich  Wilhelm,  das  (1597)  für  die  Prinzen,  insbesondere  für  den 
Herzog  Christian  (1.),  zu  Dresden  zu  errichtende  Ballhaus  dienen.  — 

Thdr.  Dstl.-Blswtz. 

Zum  Zustande  des  Kamburger  Theater*  vOr  der  Spiel- 
zelt der  Neuberln  daselbst  (1735}  gibt  der  Zettel  vom  13.  April 
gen.  Js.  einen  charakteristischen  Beitrag,  Es  heißt  dort:  „Den  Herren  Zu- 
schauern zur  besseren  Bequemlichkeit  ist  der  erste  Flat^:  Parterre')  auf 
meine  Kosten  neu  gebaut,  erhöht,  eben  und  rein  gemacht,  so  daß  man 
viel  besser,  als  sonst,  gehen,  stehen,  sitzen  und  zusehen  kann,  ohne  zu 
besorgen,  daß  man  sich  die  Kleidungen  schmutzig  mache."  — 

Thdr.  DstL-Blswti. 

Ein  Zahlsnscberz  auf  einem  Itteren  Gamaida. 

Das  Porträt  des  I7l)Q  gestorbenen  Rechen mcislers  John(e)  (bei  der 
Schützen -Gesellschaft  zu  Leipzig)  trägt  folgende  Figur: 


2 

9 

4 

7 

6 

5 

1 

_3_ 

3 

Ich   bemerke  dazu,  daß  je  drei  unter-  und  nebeneinander,  sowie 

die  in  den  Diagonalen  stehenden  Zahlen  zusammen  15  ergeben;  man  vgL 

auch  Leasings  Kollcktancen.  —  Thdr.  D5tl.-Blswtz. 

■)  Hier  hitlm  Dunen  kein  SHtieehÜ 


4 


Besprechungen. 


Besprechungen. 


Karl  Lampr«cht,  Deutsch«  Oeschichtc.  Ergätizunßsband  I.  und  IL, 
I.  Hälfte  (A,  u.  d.  T.:)  Zur  jüngsten  deutschen  Vergantjciiheit.  Bd.  I: 
Tonkunst,  Bildende  Kirnst,  Dichtung,  Weltanschauung.  Bd.  II,  1 :  Wirf- 
schaftsLcbcn,  Soziale  Entwicklung.  Freibiirg  i.  Br.,  H.  Heyfelder,  1902, 
1903  (XXI.  471  S.;  XVIII,  MO  S,). 

Die  Wendung  Lamprechts  auf  die  jüngste  Oegcn-rart   hat   sicher- 
lich den  FachgcHossen  allgemeine  Überraschung  bereitet.    Man  enrartclc 
sdt  langemeine  unmittelbare  Fortsetzung  der  Darstellung,  die  er  1895  bei 
Bd.  V,  2  abgebrochen  hatte,  und  wohlwollende  Beurteiler  meinten  wohl 
auch,   daß  ein  besonders  tüchtig  fundatnentlerter  neuer  Band  besser  als 
theoretische  ErörterunKcn.   die  einen    rechten    Widerhall    nicht  fanden, 
dem  so  scharf  angegriffenen  Werke  förderlich  sein  würden.    Daß  freilich 
die  Sache  mit  den  ursprünglich  angekündigten  sechs  Bonden  nicht  durch- 
geführt werden  konnte,  war  klar.    Immerhin  ließen  sich  im  bisherigen 
Rahmen  nur  etwa  zwei  Bände  erwarten.   Statt  dessen  hal  nun  Lamprecht 
eine  vollständige  Umkrempeln iig  sein«  Werkes  vorgenommen  und  über- 
dies den  Schlufi   zuerst  veröffentlicht:   die  Gründe  mag  man.  ausführIJcIl 
im  Vorwort  zum  ersten  Ergänzungsband  nachlesen.    Mir  erscheinen  sie 
aber  doch  ein  wenig  künatlich.    Indes  haben  wir  danach  nicht  weiter  zu 
fragen,  sondern  zu  konstatieren,  daß  L.  für  die  „neuere"  und  „neueste" 
Zeit    mehr  Binde    braucht,    als  er  ursprünglich  beabsichtigte,    daß  die 
„Darstellung  des  individualistischen  Zetlallers  (vom  16.  bis  etwa  zur  Mitte 
des  18.  Jahrhunderts)  auf  vier  Bände,  die  Daretellung  dci  darauf  folgenden 
subjektivistischen  Zeitaltere  auf  ebenfalls  vier  Bände  erweitert  worden",  «der 
Anschluß  an  die  Gegenwart  endlich  durch  zwei  Ergänzungsbände  her- 
gestellt" worden  ist,  „deren  einer  von  der  Tonkunst,  bildenden  Kunst, 
Dichtung  wnd  Wel tausch aming  der  jüngsten  Vergangenheit  sprechen  soll, 
während  der  andere  von  Wirtschaft,  Gesellschaft,  Reich  und  Volk  (dieses 
im  weitesten  Sinne  auch  auQcrhaib  der  Reichsgrenzen  genommen)  berichten 
wird".     Die  beiden  Ergänzungsbände  legt  uns  L.  nun  zuerst  vor,  wohl 
hauptsächlich,  weil  er,  selbst  für  alle  Strömungen  der  Gegenwart  lebhaft 
intcressierl,  bei  einer  historischen  Analyse  derselben  nach  seiner  Art  wohl 
das  allgemeinste  Interesse  der  „Modernen"  für  seine  gesamte  Gcschichts- 
MiKhauung,    die   daher  auch    wiederholt   des  breiteren  dargelegt   wird, 
erhofft.   Jedenfalls  ergibt  die  neue  Anlage  des  Ganzen  eine  ganz  andere 
Ausführlichkeit  der  Darstellung  als  in  den  früheren  Bänden.    ÄuÜerlich 


tritt  das  T.  B.  in  folgendem  hervor.  Während  man  im  Text  der  ersJcn 
Bände  auch  die  Namen  selbst  der  bedeulendstcn  Qewährsnilnner,  aur 
die  sich  [jmprechl  zuteilen  sehr  ausgiebig  sl&tzt,  nicht  erwähnt  findei  - 
und  in  eine  flieliende  Geschieh tserzaliluiig  gehören  sie  im  ganzen  auch 
nicht  hinein  -,  finden  wir  bei  diesen  Erg-anzunjsblnden  (immer  ist 
nur  vom  Text  die  Rede)  nicht  etwa  nur  bekanntere  Namen  wie  den  des 
von  Lamprecht  stark  benutrten  R.  M.  Meyer,  sondern  wir  lesen  auch  Sätze 
wie  diese:  „Das  Ganze  der  neuen  Musil«  hat  dann  neuerdings  Ritiseh 
einer  literarischen  Untersuchung  imlenporfen".  Im  zweitt-n  Bande  wird 
einmal  HflSpach  (Verfasser  eines  Werkes:  KnUurproblcme  der  Oegenwart!) 
mit  einem  „Iraurigeii  Wort"  herangezogen  u,  s.  w.  Doch  das  nebenbei. 
Die  G^cnwart,  die  Zeil,  die  die  beiden  Ergänzungsbände  behandeln, 
nennt  Lamprechl  —  seine  Nomenklatur  für  die  früheren  von  ihm  angenom- 
menen Zeitalter  des  Seelenlebens  setze  ich  als  bekannt  voraus  —  „die  Periode 
der  Reizsamkeit"  (Bd.  I,  S.  VIII).  Näher  vird  das  auf  Bd.  I.  S.  Vi  ausgeführt. 
Ich  kann  mir  dabei  nicht  versagen,  eine  von  Lamprecht  doch  wohl  gekannte, 
aber  nicht  genannte  Stelle  aus  dem  Schluß  meines  1S93  erschienenen 
Vortrags  „über  den  Wandel  des  deutschen  Gefühlslebens"  vorher  an- 
zuführen. Es  heiBt  bei  mir  u.a.;  „Ein  Stichwort  für  den  Charakter  des 
modernen  Gefühlslebens  zu  geben  ist  eine  unsichere  Sache.  Aber  es 
scheint,  dali  das  Wort,  das  man  so  vielfach  hört,  und  das  man  heute 
mit  besonderer  Vorliebe  auf  das  Fühlen  tind  Empfinden  der  Zeilgenossen 
anwendet,  das  Wort  „Nervosität"  in  der  Tat  zu  einem  solclien  Stidiwort 
gemacht  werden  kann,  „Nerven"  in  unserem  Sinne  haben  unsere  Vor- 
fahren nicht  gehabt .  .  .  Erb  hat  kürzlich  den  Einfluß  der  Zeitverhättnisse 
auf  die  Nervosität  dargelegt  ....  Aber  er  behandelt  wesentlich  die 
pathologische  Seite  der  Erscheinung,  die  ja  nicht  zu  leugnen  »st  Ein« 
pathologische  Bedeutung  will  ich  aber  dem  Wort,  wenn  ich  es  zur  Be- 
zeichnurig  des  modernen  Gefühlslebens  überhaupt  verwende,  nicht  geben. 
Die  größere  Reizbarkeit  und  Empfindlich  keil  .  .  .  kann  sehr  wohl 
bestehen  und  besteht,  ohne  dall  unser  Gefühlsleben  dadurch  krankhaft 
geworden  ist,-  Laimprecht  sagt:  „Das  jüngste  groli^  Zeitalter  deutschen 
Seelenlebens  .  .  .  geht  . ,  zu  den  modernen  Zuständen  über,  die  psydiisch 
längst  als  die  der  Nervosität  erkannt  sind.  Man  darf  dabei  mit  dem 
Worte  „Ner\'osi1äl"  nicht  ohne  weiteres  den  Begriff  des  Krankhaften  ver- 
binden: es  handelt  sich  nur  um  ein  uns  in  verslirkter  Weise  bevußt 
gewordenes  Leben  der  Nerven,  das  man  vielleicht  besser,  da  emmal  das 
Wort  „Nervosität"  bestimmte  Neben  Vorstellungen  erweckt,  für  den  hier 
gemeinten  Sinn  mit  dem  Worte  ,Reizsamkeit' vertauschen  wird".  Dieser 
atsy  bezeichnete  „Charakter  des  Seelenlebens"  „beherrscht  nun  die  Zeit". 
Diese  „seelische  Oesamthaliting"  ist  für  die  Kunst  maßgebend  wie  für 
die  Dichtung  —  in  beiden  äußert  sie  sich  in  verschiedenen  Formen  des 
Impressionismus,  welcher  Begriff  hin  und  wieder  für  den  der  Rcizsamkdt 
direkt  eingesetzt  wird-,  mit  ihr  hängen  aber  auch  ,,die  modernen  ethischen 


Besprechungen. 


und  melaphysi sehen  Anschauungen,  wie  die  Entwicklung  der  Psychologie 
und  Erkenntnistheorie  und  die  Anfänge  einer  neuen  Wissenschaft"  zu- 
sammen. Das  2eigt  sich  bei  dem  „Wiedergeburtsgedankcn,  der  die  sittliche 
Bewegung  der  Gegenwart  beherrscht".  «He  auf  metaphysischem  Gebiet 
bei  der  „modernen  Sehnsucht  nach  Befriedigung  der  Seele  in  fester  und 
frommer  Weltanschauung".  „Auch  dieWi&sensthaft  folgt  diesem  Charakter". 
und  ein  gleiches  gilt  für  die  , ,soge:;annte  materielle  Kultur"  in  ihrem 
.Zusammenhange  mit  der  sogenannten  grisligen". 

Die  Art  nun,  vie  Lamprecht,  was  hier  ftberhanpt  „zum  erstenmal" 
geschehen  soll,  die  „lieferen  Probleme  der  jüngsten  Kulturentwicklung 
zu  bcrälligen  sucht",  die  Einschachtelung  der  Erscheinungen  unter  be- 
stimmte Begriffe  ist  seiner  Ansicht  nach  ohne  Zweifel  die  einzig  wisseM- 
schaftUche.  Wir  finden  LiUencrons  erste  Periode  als  Beispiel  eines 
,, naturalistisch -physiologischen  Impressionismus",  seine  zweite  Periode 
als  das  eines  „idealistisch-physiologischen  Impressionismus"  bezeichnet;  den 
,,naluralisli  seh -psychologischen  Impressionismus"  finden  wir  in  der  ,, ersten 
Ali  der  Dichtergnippe  um  George  und  hofmannslhal;  den  .jidealistisch- 
psychotogi sehen  Impressionismus"  in  der  zweiten  Art  dieser  Gruppe.  Es 
fibt  auch  einen  „neurologischen  Impressionismus",  und  wir  hören  von 
einem  „individualpsychologischen"  wie  einem  .sozial psychologischen  Im- 
pressionismus". Solche  Terminologie  ist  Laniprechts  Freude  und  manch 
anderer  Leute  Ärger.  Das  letztere  weiß  er  auch ;  er  kommt  einmal  darauf, 
(laß  fdcatismus  und  Naturalismus  zu  allen  Zeiten  vorkommen  und  daft 
man  (entsprechend  seinen  „fünf  Zeitaltern  der  Entwicklung  der  nationalen 
PBydie")„voneinemsymboli£tischen,  ornamentalen,  typisch-konventionellen, 
individualistischen,  subjektivistischen  Naturalismus  sprechen"  könne:  „sogar 
auf  die  Gefahr  hin,  die  grade  unter  den  Historikern  häufigen  -Ismenfeinde 
■schwer  zu  verletzen".  Es  sei  aber  „in  der  Wissenschaft  Klarheit  wichtig« 
als  ein  vielleicht  noch  so  berectitigter  künstlerischer  Widerwille  gegen 
Bcgriffsbildung:".  Ich  blätterie  dieser  Tage,  -  ich  gestehe,  daß  ich  trotz 
des  Lärms,  der  mit  dem  Buch  gemacht  wird,  es  zum  ersten  Male  in  die 
Hand  nahm,  legte  es  auch  bald  wieder  aus  der  Hand  —  in  Chamberlalns 
„Grundlagen  da  19.  Jahrhunderts"  und  fand  folgenden  Salz:  „Wissenschaft 
ist  die  von  den  Germanen  erfundene  und  durchgeführte  Methode,  die 
Weil  der  Erscheinung  mechanisch  arieuschauen".  Nach  dieser  Definition 
isi  Lamprechts  Deutsche  Geschichteeminent  wissenschaftlich.  Diesen  «wissen- 
schafllichcn*  Charakter  beton!  Lamprecht,  der  einmal  letjhafl  bedauerte, 
daS  die  Historiker  so  wenig  philosophisch  gebildet  sden,  und  seinerseits 
die  Geschichte  wie  ein  systematisierender  Philosoph  und  Chemiker 
zugleich  behandelt  und  mit  den  nßligen  -Ismen  ausstaltet,  fa  auch  fort- 
während. Eben  das  Mechanische  dieser  ,, wissenschaftlichen"  Geschichts- 
schreibung ist  auch  ihr  Hauptcharakter.  Gelegentlich  zeigt  sich  für  diesen 
Charakter  bei  Lamprecht  auch  ein  Empfinden,  das  freilich  sofort  unter- 
drückt wird.    Als  er  einmal  mit  seinen  fünf  Zeitaltern  auch  „naturgemÜJJ" 


fünf  enfsprechcnde  Wandlungen  der  bild«iden  Künste  annimmt,  meint 
er,  „diese  geschichtlichen  Erfahrungen  könnten  schemalisch  und 
lußerllch  erecheinen",  bestreitet  das  aber  energisch.  In  Wahrheit 
ist  seine  gnnzc  Theorie  von  den  Ku]iurzei tattern  so  schematisch  und 
luBerlich,  so  medianisch  vie  möglich,  trotzdem  im  einzelnen  an  ihren 
Nachweis  viel  Geist  gesetzt  ist  und  manche  Erscheinungen  auch  richtig 
gedeutet  sind.  Aber  gerade  ihre  gesetzliche  Stabilienmg  (ör  die  gesamte 
Haltung  da  Menschen  der  betreffenden  Epoche,  die  gewalttätige  Kon- 
struktion  verdirbt  die  Sache.  Da  Lamprecht  in  diesen  Ergänzungsbänden 
fortwährend  rgcschichtliche  Röckblicke"  und  „geschichtlich  vergleichende 
Betrachtungen"  für  „notwendig"  hält,  um  „dem  Stoff  tiefere  Bedeutung 
und  historischen  Charakter"  zu  verleihen,  —  üt>crhaupt  stellt  er  den  Leser 
gern  vor  Wiedcrhohingen,  und  auch  aus  seinctn  noch  nicht  veröffentlichten 
Material  (ür  das  17.  und  18-  Jalirhuiidert  wird  viel  verwandt,  vgl.  z.  B. 
II.  Ergänzungsband  S.  69—1 14  —  darf  ich  hier  den  Charakter  des  gesaraten 
Werkes,  soweit  es  bisher  vorliegt,  kurz  bcriihren.  Es  ist  ganz  deutlich 
lind  wird  durch  Lamprechts  Ausführungen  in  der  Vorrede  zum  l.Ergänzungs- 
bande  bestätigt,  duli  die  seelischen  Kulturzeitalter  jetzt  viel  schärfer  zur 
Grundlage  des  Oanzen  gemacht  werden,  als  das  ursprünglich  geschehen 
ist:  daher  die  neuen  Titelblätter  mit  den  entsprechenden  Abteilungen  vor 
der  3,  Auflage  des  I.  Batides,  daher  die  neuen  drei  Abteilungen  u.  s.  v. 
Bekanntlich  will  nun  aber  Lamprecht  seine  Entdeckung  womöglich  nicht 
nur  ftir  die  deutsche  Geschichte  gelten  lassen,  sonderti  hält  es  für  wahr- 
scheinlich, dafi  dieselbe  Stufenfolge  bei  anderen  Völkern  nachzuweisen 
ist:  daher  seine  Betonung  der  allerdings  wichtigen  vergleichenden  Geschichte. 
Neuerdings  {S.  62)  will  er  daliir  nun  nicht  nur  die  europäischen  Kultur- 
völker herangezogen  wissen,  sondern  auch  Cnder,  Chinesen  und  „tcilwets 
auch"  Japaner.  „Und  kümmern  sich  unsere  Historiker  etwa  zumeist 
um  diese  Dinge?  Nein  —  die  nti3ssen  innerhalb  des  engen  Bereichs  der 
europäischen  und  womöglich  gar  nur  innerhalb  der  eigenen  nationalen 
Qe&clticbte  .individuell'  verfahren"  u.s.w.  So  möchte  L  im  letzten  Grunde 
zu  einem  allgemeinen  Entwicklungsschema  gelangen  (man  sieht  den 
mechnnischen  Trieb).  Aber  haben  sich  denn  ntchl  schon  die  einst  an- 
genommenen Kulturstufen  für  die  ersten  Entwicklungsstadien  keineswegs 
als  ailgemeingtiltig  und  überhaupt  in  sich  als  anfechtbar  erwiesen,  jene 
wirtschaftlichen  Kulturstufen  der  Jäger-,  Nomaden-,  Hirtenvöllccr?  Wird 
man  nicht  hoffentlich  auch  einmal  von  den  sogenannten  Perioden  der 
Stein-,  Bronze-,  Eisenzeit  als  haltlos  abkommen?  Kommt  man  nicht 
neuerdings  auch  von  dem  Irrtum  zurück,  in  den  sogenannten  Natmvölkem, 
die  es  ganiicht  gibt,  -  denn  Kultur  ist  fiberall  ~  Vorstufen  zu  sehen, 
auf  denen  einst  auch  die  späteren  Kulturvölker  gestanden  haben,  und 
statuiert  nicht  vielmehr  mit  Recht  auch  bei  ihnen  eigenartige  Entwicklung 
jedes  Volkes  unter  mehr  od«  weniger  lebhafter  Befruchtung  durch  fremde, 
niedere  und  höhere  Kulturen?    Totgendes  ist  daher  meiner  Auffassung 


Besprech  u  ngen . 


nach  Aufgabe  einer  dctilschen  Ocschtdite,  wenn  sie  kullurgeschichllich 
orientiert  sein  will  -  und  ich  denke,  das  demnächst  auch  in  einer 
„Deutschen  KuUiirgeschtchte"  praktisch  durchzuführen:  der  Nachweis  der 
Entwicklung  des  deutschen  Volkes  als  Gesamtheit,  des  deutschen  Menschai 
oder  um  ganz  Lamprechtsch  zu  sprechen,  der  „Entwäclcliing  der  nationalen 
l*s>'chc"  ^Frcy tag  nannte  dies  .deulscheVolksseele")  unter  dem  fortwährenden 
Einfluß  anderer  kulturell  höher  stehender  Völker  (Römer,  Italiener,  Franzosen 
u.  s.  f.),  also  unter  Betonung  des  wechselnden  Verhältnisses  (Verschnielzung, 
Verarbeitung,  Umgestaltung.  Abstoßung)  zwischen  fremden  Kulturen  und 
eigener  Art;  kurz  der  Nacliweis  der  Ditstehung  der  kulturellen  äuXIeren 
und  inneren  Hallung  jeder  Zeit  in  ihren  Elementen,  nach  allen  Richtungen 
und  in  allen  Zusammenhängen.  Von  gröliter  Wichtigkeit  ist  dabei  die 
Differenzierung  der  verschiedenen  Schichten  der  Gesellschaft:  Träger  der 
l]j!Jheren  Kultur  wird  zuweilen  nur  eine,  werden  zuweilen  naehrere  Schichten 
sein:  sie  wird  zuweilen  durch  alle  Schichten  dringen,  aber  in  verschiedener 
\('erse,  und  umgekehrt  wird  die  eigene  Art  sich  reagierend,  umgestaltend, 
neu  schöpfend  in  den  einzelnen  Schichten  verschieden  betätigen.  Also 
nicht  Ziirückführung  auf  ein  üdes  Schema,  sondern  Aufspürung  der  Fälle 
des  Lebens,  seine  Aufdeckung  aber  nicht  in  chaotischem  Durch-  oder 
venrtrrendeni  Nebeneinander,  sondern  unter  Aufzeigung  der  grollen  Richt- 
linien, der  wechselnden  Zielpunkte  der  Oesamihewegung,  deren  Erkenntnis 
den  Haiiptvcert  des  Historiker?  machen  soll.  Niemals  dabei  Isoliertheit  der 
verschiedenen  Bewegungen  und  Strömungen,  immer  Nachweis  des 
Zusammenhangs  mit  anderen,  und  immer,  darin  stimme  ich  formell  ganz 
mit  Lamprcchl  überein.  immer  Entwicklung.  Freilich  bei  Lamprecht  ist 
Entwicklung  anscheinend  nur  die  gesetzliche  nach  Schema  F-  Auch  äußert 
CT  sich  einmal,  um  die  Nichterwähnung  der  noch  fortwirkenden  allen 
Kunst  zu  rcchtfcrligen,  so:  ,jdies  Buch  hat  keinen  statistischen  Charakter, 
sondern  entwicklungsgeschichtlichen,  und  darum  interessiert  hier  nicht 
alles  und  jedes  an  unserer  Zeit,  selbst  nicht  einmal  alles  Bedeutende, 
sondern  nur  der  Inbegriff  derjenigen  Momente,  die  in  entscheidender 
Weis«  den  jüngsten  Vorgang  der  Entwicklung  kennzeichnen".  Trotzdem 
Stimme  ich  seiner  freilich  etwas  emphatischen  Bekämpfung  der  blofien 
„beschreibenden"  Darbietung  des  Stoffes  bei.  „Fermente,  Gärungsmittel 
hinein  In  den  Stoff!  Zersetzen  der  rudis  indigestaque  moles  durch  Urteil, 
durch  Vergleich itng!"  Ganz  meine  Meinung,  und  ebenso  twtonc  ich  dabei 
wie  er  die  Richtung  auf  „die  treibenden  seelischen  Kräfte  des  geschicht- 
lichen Inhalts".  Aber  diese  sind  eben  nicht  so  schön  paragraphenmäßtg 
zu  ordnen,  wie  er  es  tuL  Und  wenn  er  ganz  richtig  Realismus  und 
Naturalismus  zu  allen  Zeiten  findet,  so  mag  man  auch  Symbolismus  oder 
iDdividualismus,  selbst  „Reiz&amkeit"  gelegentlich  auch  zu  anderen  Zeiten 
entdecken  als  in  den  nach  ihnen  benannten  Perioden.  Gleichwohl  ist 
z.  B.  der  ja  auch  sonst  längst  erkannte  Gegenäatz  des  mittelalterliclten 
KonvenlionaJtsmus  zu  einem  ntodemen  Individualismus  durchaus  anzu- 


erkennen,  und  von  einer  Periode  der  „Nervosität"  hibc  ich  ja  selbst 
gesprochen.  Die  Frage  ist  nur.  ob  mit  solchen  Bezeidinungen  die  psychische 
Ocsimthaltung  genügend  erschöpft  ist,  ob  durch  die  schöne  Ordnung, 
Klarheit  und  Einfachheit  wirkliciie,  über  das  Dogmatische  hiniusgebende 
Erkenntnis  gewonnen  wird. 

Indessen  diese  Kritik  der  Grundauffassung  des  Lamprechtschen 
Werkes  im  allgemeinen  vie  der  ErgänzunEsbände  im  besonderen,  die 
freilich  noch  ausführlicher  gegeben  werden  müflte,  soll  von  der  eingehenden 
LeMöre  der  Bände  nicht  abschrecken:  man  wird  vielmehr  bei  derselben 
die  Vielsdtigkett  des  Verfassers,  seine  geistige  Beweglichkeit,  die  Weite 
des  Horizonts  oft  genug  zu  bewundern  Gelegenheit  haben,  und  es  ist 
sehr  wahrsdicinlich,  dall  kein  anderer  Historiker  der  Gegenwart  alle  hier 
behandelten  Gebiete  gleicherweise  beherrscht.  Inhaltlich  an  den  Bänden 
Kritik  zu  üben,,  ist  daher  schwer,  weil  es  eine  solche  Beherrschung 
voraussetzen  würde.  Immerhin  lätlt  sich  feststellen,  daß  Lamprecht  in 
vielen  Partien  stark  von  andern  abhängig  ist.  Das  erkennt  aber  L.  selbst 
im  Vorwort  an  und  bestreitet  das  Recht,  aus  „Spuren  und  Anklängen 
friihercr  Darstelliingen"  Vorwürfe  herzuleiten.  „Wer  dadurch  die 
Originalität  meines  Buches  beeintrichttgt  glaubt,  der  mag  dieses  Glaubens 
bleiben."  Bei  dem  zweiten  Bande,  der  Wirtschaftsleben  und  Gesellschafti- 
entwicklung  „sozial psychisch  und  entwickliing:sgcschichl!ich"  behandeln 
will,  betont  L.  besonders  stark,  „wieviel  sein  Buch  den  Vertretern  der 
Nationalökonomie  verdanke".  Dieser  zweite  Band  ist  im  übrigen  vor 
allem  deshalb  bemerkenswert,  weil  L.  hier  eine  „idealistische  Auffassung 
der  Wirtschaftsentwicklung"  zu  begründen  sudit.  Er  greift  daher  hier 
auch  bis  in  die  Urzeit  zurück  und  sucht  zunächst  „die  bisher  geltenden 
Lehren  von  den  Wirlschaftsstufeu  (von  ihnen  gilt  m.  E.  dasselbe,  was 
schon  über  die  sonstigen  schematischen  Perioden  gesagt  ist,  und  gerade 
diese  Denkweise  der  Nationalökonomen  hat  L,  wohl  zu  seinen  Kultur- 
zeitaltern überhaupt  angeregt)  durch  eine  neue  psychologische  Theorie 
dieser  Stufen  zit  ersetzen".  Auf  sie  kann  ich  hier  nicht  nSher  eingehen: 
jedenfalls  bleib!  der  Versuch,  auch  die  materielle  Kultur  psychologisch 
zu  orientieren,  „die  Entwicklung  der  Wirtschaft  unmittelbar  und  gnind- 
sätzlich  mil  der  Enifaltung  seelischer  Vorgänge  zu  verbinden",  bemerkens- 
wert. Die  Wirtschaftsstufe  der  O^enwart  ist  im  übrigen  nach  L  die  der 
Unternehmung,  vor  allem  der  freien  Unlemelimwng,  die  auch  wieder 
psychologisch  anafysierl  und  mit  der  „Reizsamkcit"  in  Beziehung 
gesetzt  wird,  die  aber  bereits  durch  „ein  Zeitaller  der  gebundenen  Unter- 
nehmung" abgelöst  zu  werden  beginnt.  Zwischen  den  Abschnitten 
„Wirtschaftsleben"  und  „Soziale  Entwicklung"  ist  übrigens  eine  „Merk- 
tafel«  eingeschoben,  die  auch  jene  neuen  Wirtschaftsstufen  aufführt,  und 
zwar,  um  wieder  einmal  diewissenschaftüch-mechanische  Art  und  Lamprcdits 
Bcgriffsbildnereizu  illustrieren,  „nachdem  Einteilungsprinzip  der  seelischen 
Spannung  zwischen  WirtscbaltsbedOrfois  und  QenuU  (dem  Motiv  des 


I 


I 


\  Beprtchungen.  36T 


n    WJrtsdiaftsgedächlnis    und    Wirlschaftsvoraussicht,    der 

■^  Wirtschaftstrieb  und  Wirtachaftsverstand"). 

X-  'St  ein  Hislon'ker,  der  nicht  nach  der  Scliablone  zu 

sich  mit  Ihm  auseinandersetzen,  so  unbequem  das 

'  klüger  aU  viele  andere,  ist  auch  ein  wirklicher 

■'.  er  wird  eine  isolierte  Erscheinung  bleiben, 

'  jcn    Geschichtswissenschaft.     Was   einleuchtet 

.Lstimmen  kann,  ist  mit  der  älteren  kulturgeschicht- 

.1  zu  verbinden:  vas  darüber  ist,  isl  atlzu  subjektiv, 

.ilig,  illusorisch,  als  dalt  es  die  Geschieh tswissenscliaft 

.jchertes  Gut  bergen  könnte.    Ihm  ist  die  Geschichte  mehr 

^ener  denkhafter  Betätigung,  ein  beliebig  dehnbarer  Stoff.     Für 

ücn,  hat  er  merkwürdig  geringen  Sinn.    Es  mag  dner  die  zwd 

•en  Bände  Lamprechts  eingehend  gelesen  haben,  den  wahren  Menschen 

des  späteren    10.  Jahrhunderts  [bei    allen    technischen  Fortschritten  einen 

der  unsympathischsten    und    ausser! Ichs ten  Menschen  aller  Zeiten),   eine 

Neuauflage  des  Menschen  von  1700,  wird  er  nur  sehr  wenig  erfalit  haben: 

4lenn  Lamprecht  selbst  hat  ihn  auch  nur  zum  Teil  erkannt. 

Georg  Steinhauscn. 


I 
I 


E.  ÜMSobert  SctiSnfeld,  Der  IsISndlBche  Bauernhof  und 
•ein  Betrieb  zur  Sagazeit.  Quellen  und  Forschungen  zur  Sprach- 
und  KuUurgeschichte  der  germanischen  Volker.  91.  Heft.  Slraßburg. 
Karl  J.  Trübncr.  1902  (XI,  2flft  S.) 

Das  Jahr  874  ist  das  |ahr  der  Besilzergreifung  Islands,  und  das 
Jahr  tOOO  bedeutet  wiederum  einen  einschneidenden  Wendepunkt  in  seiner 
Geschichte,  weil  in  diesem  jähre  das  Christenlum  allgemein  angenommen 
wurde.  Die  126  Jahre,  die  zwischen  jenen  beiden  Daten  Hegen,  bilden 
den  Zeitabschnitt,  in  den  der  Verfasser  den  Leser  hineiniflhrt,  und  zwar 
hat  er  einen  ganz  bestimmten  Teil  der  Hausallerlümer  zur  Behandlung 
sich  erwählt.  Die  Baulichkeiten  des  isländischen  Bauernhofes,  also  die 
eigentlichen  WohnungsaJtcrliimer  sind  —  was  man  aus  dem  Titel  leider 
nicht  ersehen  kann  —  von  der  Behandlung  ausgeschlossen,  mit  gutem 
Gründe,  denn  sie  sind  bereits  von  Otidmundsson  ausfiihrtich  dargcstcHl. 

Dagegen  macht  Schönfeld  hier  zum  ersten  Male  den  Versuch, 
■die  wirtschaftliche  Seile  von  dem  Leben  des  Isländers  zur  Sagazeit  in 
größerem  Umfange  darzuslellen".  Ob  das  lückenlos  geschehen  Ist,  k.inn 
ich  nicht  beurteilen,  dazu  Übersehe  ich  das  vorhandene  Material  nicht 
deutlich  genug.  Was  aber  dargeboten  ist,  das  darf  als  ein  gutes  Bild 
des  dermaligen  Wirtschaftsbetriebes  auf  der  nordischen  Insel  bemchnet 
•erden.  Im  Omnde  sind  es  die  Nahnmgsaltcrlümer.  deren  Schilderung 
den  Hauptlcll  des  Buches  ausmacht,  dazu  kommt  dann  aber  noch  jn 
einer  Reihe  von  einleitenden  Kapiteln  der  Bericht  über  die  HuHeren 
Verh2ltnisse,  unter  denen  die  Nahrung  gewonnen  wurde. 


366  Besprechungen. 


Der    isländische    Bauernhof    zur    Sagazeit    schied    sich    in    einen 

Winterhof  und  in  einen  Sommerhof.  Jener  als  Hauplgut  lag  im  Tile, 
dieser  sIs  eine  Art  Vonrerk  lag  oben  in  den  Bergen.    Das  zu  ihnen  ge-  — 

hörende  Gutsareal  finden  wir  zunächst  dargestellt,    seine  QröBe  und  -Ki 

seine  Bewirtschaftung,  in  welcher,  den  lokalen  Verhältnissen  entsprechend,  ,  i, 

die  Wcidertrischaft  und  die  Viehzucht  gegenüber  dem  Ackerbau  weitaus  ^^ss 

ßbcrwi^en.    Wir  lernen  dann  dk  Oiitsleute  und  ihr  Gesinde,  unter  dem  m^ 

die  Sklaverd  erst  um  1300  völlig  versdi windet,  in   ihrem    ökononLiscfacn  w 

tind  in  ihrem  sitth'chen  Verhältnis  zueinander  kennen,  es  wird   uns  abo  Oi 

gewissermaßen  äU  Grundlage  ftlr  die  weitere   Darstellung   ein   Teil   der  ~v 

nordischen  Familienaltertijmer  TOTgeführl,  der  für  den  Archäologen  eine  ^"^ 

sehr  willkommene  Zugabe  des  Buch«  Wctel.     Dann    aber  wird    uns  in  »^ 

utiunlerbrochener   Folge  die  ganze  Reihe  der  Quistiert  geschildert,  an  ■^ 

ihrer  Spitze  das  Plerd,  dem  der  Verfaffier  bereits  in  seiner    Dissertation;  ^ 

■Das  Pferd  im  Dienste  des  Isländeis  zur  Sagazett-  1900  eine  Mono- 
graphie gewidmet  hat.  Es  folgen  Rind  und  Schaf,  sowie  Ziegen,  Schweine 
und  Geflügel,  bis  das  Buch  mit  der  Besprechung  der  Gesellschaf tstierc 
im  Besitze  des  Isländers  als  Hund,  Katze  und  Hausbär,  dieses  für  unsere 
Begriffe  etwas  ungemütlichen  Hausgenossen,  seinen  Abschluß  findet. 

Alle  diese  Tiere  werden  nicht  allein  als  Wirtschaftstiere  und  als 
wesentlicher  Teil  des  bäuerlichen  Besitzstands  voriieführt,  sondern  auch 
das  gcmütimäfligc  Verhältnis  de  Besitzers  zu  ihnen,  ihre  Verwertung 
beim  Kultus  wie  zu  Keil-  und  Zauberzwecken  und  endlich  audi  be- 
sondere an  ihnen  haftende  Sitten  und  Gebräuche.  In  letzterer  Hinsicht 
ULÖdite  id]  besonders  au!  die  SchLlderung  der  überaus  merkwürdigen 
Pferdekämpfe  [S.  ViS)  hinweisen,  die  einen  Hauptbestandteil  des  lokalen 
Sportbetriebes  bildeten.  Mit  alledem  rückt  das  Buch  nun  aber  schon 
etwas  aus  dem  engeren  archäologischen  Beiirke  heraus,  und  es  nihert 
sich  -  durchaus  nicht  zu  seinem  Schaden  -  mehr  einer  Darstellung 
des  gesamten  häuslichen  Lebens,  und  das  ist  um  so  mehr  der  Fall,  als  es 
auch  sonst  mancherlei  Hinweise  auf  Kleidung,  Bewaffnung,  Verkehn.vei- 
hältnisse  etc.  bietet,  und  der  Verfasser  bei  den  einzelnen,  Wirtsdiafts- 
ableilungen  immer  schrwillkommeneZusammenslellungen  des  zugehörigen 
Hausrates,  z,  B.  der  Ackergeräte  oder  auch  der  Geräte  für  Milch-  und 
Käsebereitung  (S.  181)  etc.  gibt.  Aus  dieser  Rücksicht  bedauere  ich  es, 
daß  nicht  auch  über  die  Baulichkeiten  wenigstens  eine  kurz  orientierende 
Beschreibung  sich  findet,  umsomehr,  da  der  Verfasser  doch  gelegentlich 
getwungen  ist,  auf  die  innere  Einrichlung,  z.B.  des  Kuhslalles  (S.  173—175} 
oder  des  Schafst&llcs  (5.235),  einzugehen.  Es  wäre  auf  diese  Weise,  und 
bei  der  vorhandenen  Vorarbeit  mit  leichler  Mühe,  eine  völligere  Abrundung 
des  dargebotenen  Bildes  erzielt  worden. 

Dafür  entschädigt  uns  Schönfeld  dann  freilich  reichlich  durch 
das,  was  er  als  wcitjjcreister  Mann  und  als  Kenner  der  gutswirtschafttidien 
Praxis,  in  seine  Darstellung  zu  Vergleichszwecken  hineinflicht,  tmd  dieser 


seiner  praktischen  Erfahrung  dürfte  es  nicht  zum  wenigsten  zu  danken 
sein,  dal)  es  ihm  gelungen  ist,  die  immerhin  nur  beschränkte  Zahl  der 
Quellen  In  so  anschaulicher  Weise  zusammenzufassen.  Ich  will  noch 
erwähnen,  daß  er  in  anerlcennenswcrter  Art  auch  auf  den  des  Altnordischen 
nnkuiKiigen  Ijcser  Rücksidit  genommen  hat,  indem  er  seinen  Citaten 
Überall  die  Überreizung  beifügte. 

Frankfurt  a   M.  Olto  Uuffer. 


Teutonia,  Arbeiten  zur  germanischen  Philologie.  Hrsg.  von 
Wilhelm  Uhl.  Heft  1:  Walther  GloÜt,  Das  Spiel  von  den  sieben  Farben. 
Königsberg  i.  Pr.  1902,  Gräfe  &  Unzer.  (Xtl,  92  S.) 

Uhl  eröffnet  seine  Sammlung,  die  dem  Gesamtgebiet  der  germanischen 
Philologie  gewidmet  sein  soll  und  unter  den  %'er»-andten  und  benach- 
barten Fächern  auch  KuHurgeschiciite  und  Altert iimskunde,  Märchen 
und  Sage,  Recht  und  Sitte  berücksichtigen  will,  mit  einer  Arbeit,  die 
ein  erhebliches  kulturgeschichtliches  Interesse  besitzt.  Qloth  behandelt 
in  gründlicher  Weise  die  beiden  Redaktionen  des  Spiels  von  den  sieben 
Farben  nach  der  philologischen  Seite  hin.  —  die  Spiele  sind  als  Tanz- 
spielc  entstanden  und  zum  Zweck  der  Fastnachtsbeiustigungen  verfaßt, 
übrigens  nicht  von  Rosenblüt  —  schlieltt  an  diese  Untersuchung 
aber  einen  kulturgeschichtlichen  Teil,  in  dem  er  die  Voraussetzung 
der  beiden  Redaktionen  behandelt,  .die  Sitte  nämhch,  durch  bestimmte 
Farben  des  Gewandes  bestimmte  Zustand  lieh  keilen  des  Liebelcbcns  zum 
Ausdrucke  zu  bringen*.  Diese  Ocwandfarbensprache  ist  im  H.Jahrhundert 
häufig  bezeug!  und  leitet  sich  einerseits  aus  der  Farbenfreudigkeit  der 
Zeit,  weiter  aus  der  Veräuüerlichung  des  ritterlichen  Lebens  her,  die  die 
Liebe  als  Spielerei  behandelic.  Auch  die  allegorischen  Neigungen  der 
Zeit  sowie  Einflüsse  des  Tumierwesens  und  der  Heraldik  kommen  in 
Betracht-  Für  Deutschland  sind  aber  wesentlich  wieder  französische 
EinHüsse  von  Wichtigkeit,  die  Qlolh  ausführlich  nachweist.  Auch  in 
Frankreich  sind  Nachweise  der  Ocwandfarbcnsprache  aber  nicht  vor 
dem  14.  Jahrhundert  möglich.  Eingehend  bespricht  Gloth  dann  die  Be- 
doitnog  der  einzelnen  Farben  in  dieser  Sprache,  ein  Kapitel,  das  auch 
die  späteren  literarischen  Quellen  und  volksk-undlichc  Belege  aus  der 
Gegenwart  heranzieht.  Hierfür  sind  zu  dem  von  Qloth  gebrachten 
reichen  Material  sicherlich  noch  manche  Ergänzungen  möglich.  Der 
Verfasser  plant  auch  für  späler  eine  größere  Arbeit  über  die  Farben- 
^  Unche,  darf  aber  des  Dankes  schon  für  das  hier  Gegebene  sicher  sein. 

Georg  Steinhausen. 


Franz  Heinemann,  TeIMconographle.    Wilhelm   Teil    und  sein 

Apfelschuß    im  Lichte   der   bildundcn  Kunst  eines  halben  Jahrtausends 

<15.~20.  Jahrh.)   mit   Beriicksichtigutig   der  Wechselwirkung  der  Tell- 

Pöesie.    Luzem,  Oeschw.  Dolesclial;  Leipzig,  Eduard  Avenarius.    (74  S.) 

Archiv  für  KullurKrtchkhle.    1,  3.  24 


k. 


F 


370 


Besprechungen.. 


Die  vorliegende  Heißige  und  eine  relative  Vollständigkeit  erstrebende 
Arbeit  kann  dazu  dienen,  die  bisher  bei  der  Tcllfragc  nicht  genügend 
berücksichtigte  .Teil-Tradition«  in  der  Kunst,  die  Beweise  aus  .uralter 
Zeit"  geben  sollte,  einmal  auf  ihren  Beweiswerl:  zu  prüfen,  hat  aber  dies» 
Ziel  der  Lösung  der  Frage  nicht  zu  ihrer  eigentlichen  Aufgabe  gemacht, 
vielmehr  allgemeine  kiinst-  und  kulturgeschichlliche  Tendenz.  In  ob- 
jektiver Weise  wird  nach  Jahrliunderten  geordnet,  hier  zum  ersienmal 
das  erhebliche  ikonographische  Material  dargeboten,  der  Einfluß  der 
prosaischen  und  poetischen  Literatur  —  die  also  zeitlich  vonmgefat  —  auf 
die  Tc!I -Darstellung,  die  volkspsychologische  Aitlfassung  und  zeitliche 
Wandlung  der  künstlerischen  Teil-Motive  behandeit,  dabei  das  Material 
im  einzelnen  vorgeführt,  vie  CS  Zeichenkunst,  vervielfältigende  Könste 
Buchillustration,  Malerei,  Plastik,  Kunstgewerbe,  Heraldik  u.  s.  w.  ge- 
währen. Eine  aiißerordentliche  Zahl  trefflicher  Reproduktionen  begleiten 
den  Text,  und  der  beigefilgte  Kommentar  gibt  literarische,  kunst- 
geschichtliche und  sonstige  Einzelnachweise  und  Anmerkungen,  Ein  An- 
hang behaiidelt  die  nordische  Pfeil&chtiUsage  Tokos,  Egüs  und  Wyllyams 
in  der  bildenden  Kunst,  die  Zwischenglieder  zwischen  jener  und  der 
schweizerischen  Apfelschußsage  fehlen  bekanntlich.  Am  Schlüsse  hebt 
H.  mit  Recht  die  durch  ihn  nachgewiesene  .lückenlose  Fortdauer  In 
der  Kunstseele  eines  halben  Jahrtausends'  hervor:  das  „Teilanden ken" 
ist  also  auücrordentlich  lebendig  geblieben.  Aber  andererseits  hat  H.s 
Studie  die  Hoffnung  vernichtet,  »dali  auf  iconographischem  Wege  der 
umstrittenen  Tell-Existenr  eine  Erhärtung  oder  Befestigung  winke*. 
Jedenfalls  war  seine  Arbeit  verdienstlich  und  wird  auch  atigemeine  An- 
erkennung finden. 

Georg  Sleinhausen. 


Feattcfarift  zum  fElnfzigjahrigen  RegierungsjubitSum  S.  K.  H.  des 
OroßheriTOgs  Friedrich  von  Baden  ehrerbietigst  gewidmet  von  dem 
Oroßhcrzogl.  Oeneral-Landesarchiv  in  Karlsruhe  Heidelberg,  C.  >X'intei, 
1902  (203  S.). 

Die  Beiträge  dieser  Festschrift  sind  durchweg,  ihrem  Anlaß  ent- 
sprechend, einzelnen  Persönlich  keilen  des  niarkgräflichen  resp.  groß- 
herzoglichen  Hauses  gewidmet  und  bringen  andererseits,  dem  Beruf  ihrer 
Verfasser  entsprechend,  meist  Mitteilungen  aus  den  archivallschcn  SchStzen 
des  Oencral-landesarchivs.  F.  v.  Wccch  veröffentlicht  ein  höchst  inter- 
essantes Tagebuch  des  Prof,  Joh.  Lor.  Böckmann  Über  »Eine  Schwelzerretse 
des  Markgrafen  Karl  Friedrich  %'on  Baden  im  JuH  1775",  bei  der  er  den 
Markgrafen  begleitete,  K.  Obser  behandelt  «Voltaires  Beziehungen  zu  der 
Markgräfin  Karoline  Luise  von  Biideit-Durladi  und  dem  Karlsruher 
Hofe*  und  stellt  im  Anhang  den  Briefwechsel  Voltaires  mit  der  geistig 
sehr  bedeutenden  Karoline  Luise  zum  ersten  Male  vollstindlg  zusammen. 
Diesen    ersten    beiden    Beiträgen   sind    reichhaltige   Anmerkungen    bd- 


gegeben.  Alb.  Kriege«  Beitrag:  „Die  Vermählung  des  M-irkgrafcn 
Friedrich  Magnus  von  B^den-Duriach  und  der  Prinzessin  Aiigu&le  Marie 
von  Schieswig-Moistein«  bringt  unter  atiderm  einige  furetliche  Privat- 
briefe und  einen  offiziellen  Bericht  über  den  feierlichen  Einzug  in  Dui^ 
iacb,  der  in  mancher  Beziehung  sich  mit  dem  Prinzen 'sehen  Bericht  Qbcr 
den  der  branden burgisdien  Prinzessin  Domlliea  1700  in  Cassel  vergleichen 
lissi,  den  Q.  Schuster  in  der  «Zeitschntt  für  Kulturgeschichle"  Bd-  IX. 
H.  1/2  veröffenUichte,  ebenso  wie  die  folgenden  Mitteilungen  Ober  die 
obligaten  Feste  u.  a.  m.  Karl  Brunnen  Arbeit:  »Die  ErTiehung  des 
Markgrafen  Qeorg  Friedrich  von  Baden-DiirUch  entliält  nach  den  Aliten 
eine  Instruktion  für  den  Prizcplor  von  1585,  sowie  eine  lateinische 
NcujahiSKraluIatioti  und  einen  Brief  Georg  Friedrichs  als  Beilage.  Als 
Spezinten  der  neuen,  von  Lorenz  angeregten  genealogischen  Qeschlchts- 
betrachtung  präsentiert  endlich  O.  K.  Roll«  einen  gtitgemeinten  Versuch, 
der  uns  den  F.infhiß  der  Vererbung  zeigen  soll :  »Zur  Charakteristik 
des  Oroilhetzogs  Karl  Friedrich",  der  nur  beweist,  wie  unsichere  Resultate 
sich  aus  dieser  in  ihren  Zielen  nicht  üblen  Zukunftshistorie  ergeben. 

Im  ganzen  wird  gerade  der  Knllurhistoriker  von  der  trefflichen 
Festschrift  mit  besonderem  Danli  Notiz  nehmen  miissen.  Eine  nicht  nur 
tür  diese,  sondern  auch  für  ähnliche  Arbeiten  geltende  Ausstellung 
mfidite  ich  indessen  noch  vorbringen.  Warum  setzen  die  Verfasser 
lokal  oder  persönlich  spezialisierter  Arbeiten  dieselben  so  wenig  in  Bfr 
Ziehung  zu  den  allgemeinen  kulturgeschichtlichen  Strömungen  oder  be- 
rühren so  wenig  die  Resultate,  die  sich  gerade  aus  ihrer  Arbeit  dafür 
ergebm?  Der  Charakter  der  Reisen  jener  ZHt  erhält  doch  durch 
V.  Weechs  Publikation  mancherlei  Beleuchtung:  die  ältere  Art  der  auf 
den  .Nutzen"  vergessenen  Bildungsreise  ist  noch  nicht  ganz  geschwunden: 
andererseits  wird  das  Naturgefühl  schon  wichtig,  ist  zum  Teil  freilich  noch 
auf  das  „angenehnie",  .lustige*,  .anmutige- gerichtet.  Brunner  müUte  auf 
den  Charakter  der  wesentlich  noch  theologisch-lateinisch  gefärbten  Försten- 
1  oziehung  des  10.  Jahrhunderts  eingehen,  konnte  aber  daneben  feststellen, 
|p«ie  und  wann  die  Kenntnis  der  französischen  und  italienisclien  Sprache, 
das  Reisen  als  Bildungs mittel  schon  wichtig  wird,  und  ähnliche  Belege 
von  anderen,  namentlich  westlichen,  Höfen  bringen.  Kurr,  ich  meine, 
jede  Spezialarbeit  soll  zunächst  auf  eine  allgemeine  Basis  gestellt  werden, 
manches  wird  sich  dann  als  gamicht  eigenartig,  manches  als  stärker  zu 
betonen  erweisen. 
^  Oeorg  Steinhausen. 

1  Tbonas  Spccbt,  Geschichte  der  ehemaligen  Universität  Ditüngen 
(1549-  1804)  und  der  mit  ihr  verbundenen  Lehr-  und  Erziehimgsanstalten 
Ffriburg  l  Br..  Herder,  1902  [XXIV.  707  S.) 

Die  heute  Im  ganzen  vergessene  Universität  Dillingen,  deren  wsent- 
^Oetcllicbte  Paulsen  in  seiner  .Geschichte  des  gelehrten  Unteirichts* 

24" 


372 


Besprechungen. 


auf  einer  Seite  abmicht,  hat  nun  ihren  gründlichen  und  gewissenhaften 
Oesdiichtsschreiber  gefunden,  der  die  Anregung  zu  seinem  Werk  aus 
dem  äußeren  Umstand  empfing,  dait  das  an  ihre  Stelle  gesetzte  Lyceum 
im  Jahre  1904  seine  Säkuiorfeier  begeht.  In  der  Qeistesgeschichte  des 
gesamten  Deutschlands  hat  diese  Universilät  eine  hervorragende  Rolle 
nicht  gespiell:  von  Jena,  Leipzig  u.  a.  zu  schweigen,  sind  auch  katho- 
[ische  Universitäten  wie  Ingohladt  wichtiger  gewesen.  Aber  wer  in  der 
Geschichte  der  Gelehisamkeil  in  Deutschland  etwas  zu  Hause  ist,  wird 
dem  Namen  Dillingen  doch  im  17.  Jahrhundert  des  öfteren  begegnet 
sein.  Es  wirkten  dort  freilich  nur  Theotogen  utid  Philosophen  und  eret 
später  und  nur  in  geringer  Zahl  einige  Juristen.  Die  Hauptbedeutung 
hat  Diilingeti  als  typische  Jesuitenuniversitit.  Von  Kardinal 
Otto  Tnichseß  von  Watdburg  1M9  aus  demselben  Bedürfnis  gegrändet. 
das  wesentlich  auch  die  Führer  der  Protestanten  zur  Reoi^nisation  des 
verfallenden  Schul-  und  Universitätswesens  bestimmte,  dem  Bedürfnis 
nach  besser  vorgebildeten  Geistlichen,  war  die  Universität  1563  an  die 
Jesuiten  übergegangen,  in  deren  Händen  sie  bis  zur  Aufhebung  des 
Ordens  blieb  —  die  (ürstbischölliche  Periode  hat  dann  zum  Eingehen 
der  Anstalt  geführt  Gerade  Haiilsen  hat  die  Unterrichlstätigkeit  der 
Jesuiten  besonders  und  wohl  etwas  zu  stark  anerkannt,  den  Ordea  auch 
geradezu  als  Sludienorden  bezeichnet:  das  Werk  von  Specht  gibt  einen 
tiefen  Einblick  in  dieses  jesuitische  Studienwesen.  Wir  erhalten  auf 
Orund  zuverlässigen  und  ziemlich  vollständigen  QucIlcnTnaterials,  das 
der  Verfasser  fleißig  gesammelt  hat,  eine  sehr  ins  Spetielle  gehende 
Darstellung  der  Organisation  der  Studienordnung,  der  wissenschaftlichen 
Tätigkeit  der  Lehrer,  der  Konviktc  und  Scminaricn,  d«  Verhallens  der 
Studenten  u.  s,  w.  Die  erste  Blütezeit  der  Universität  und  Ihre  dritte 
Periode  treten  natEirgemäß  gegenüber  der  Hauptpcriode,  der  jesuitischoi. 
mehr  zurdck,  sind  aber  nacli  Verhältnis  ebenfalls  eingehend  bctundelL 
Als  zweiter  Teil  des  Ganzen  erscheinen  Urkunden  und  Akten,  darunter 
namenlUch  Lektionsp1!Lne,  Statuten  sowie  Erlasse  an  die  Studierenden. 
Keineswegs  fehlt  es  darunter  an  Quellen,  die  für  die  allgemeine  Uni- 
versilätsKCSchichtc  und  die  Sittengeschichte  von  Wert  sind.  Und  das 
gilt  schließlich  trotz  seiner  Spezialisierung  und  des  Sondercharakters 
der  Dillinger  Universität  von  dem  ganzen  Werk,  dessen  rieißige  und 
sorgsame  Ausarbeitung  unsem  Dank  verdient. 

Georg  Steinhausen. 


Duhr,  B.,  S,  J.  Die  Jesuiten  an  den  deutsclien  FfUstenhQfen  des 
16.  Jahrhunderts.  (ErlKuteningen  und  Ergänzungen  zu  Janssen«  Oe- 
schiditc  des  deutschen  Volkes  II,  4).   Freiburg  i.  B.,  Herder,  1901  (155  S.) 

In  dieser  Zeit,  da  die  Rückkehr  der  Gesellschaft  Jesu  den  O^en- 
stand   beveglesten   Meinungsaustausches   bildet,    wü-d    das   vorliegende 


Thema  ein  lebhaftes,  venn  auch  retn  historisches  Interesse  erwecken. 
Der  bekannte  Verfasser  will  beweisen,  dali  die  schon  von  Zeilgenos&eii 
behauptete  TäKgkeit  von  Jesuiten  als  Hofbcichlväter  weder  den  Ordens- 
grundsätzen noch  den  Tatsachen  entsprochen  habe,  vielmehr  stark  über- 
treben  worden  sei.  Was  er  aus  den  Beschlüssen  der  Generalkon- 
gregationen wie  aus  vertraulichen  Korrespondenzen  dcrOrdecisarchiv«  fiber 
die  Wirksamkeit  an  den  Höfen  von  Wien,  Graz,  Innsbruck  und  München 
beibringt,  beweis«  allerdings,  daß  die  Oberen  der  dauernden  Stellung 
eines  Mitgliedes  als  Hofbeichlvater  mit  Mißtrauen  gegenüberstanden  in 
der  nicht  unbcgründclen  Besorgnis  vor  einer  Schmälerung  der  Ordects- 
inleressen  durch  höfische  Einflüsse.  Wir  raClssen  dann  eben  annehmen, 
dass  ihnen  andere  Wege  für  ihre  Ziele  zweckmäßiger  erschienen;  ihre 
erfolgreiche  Tätigkeit  für  die  Wiedereinführung  des  Kaihol izismus  be- 
streitet wenigstens  auch  Duhr  nicht.  Wenn  er  behauptet,  in  den  evange- 
lischen Territorien  seien  die  katholischen  Untertanen  demselben  Druck 
ausgesetzt  gewesen,  so  vergißt  er  dabei  nur  die  Kleinigkeit,  daJL  deren 
Anzahl  viel  geringer  war  ah  die  der  evangelischen  unter  katholisdien 
'  Füreten.  Wenn  er  meint,  der  Anteil  der  Hofbeichtväter  an  der  Oe- 
wissenhaftigkeit  und  Siltearcinheit  der  Graier  Fürsten  dürfe  nicht  ge- 
leugnet werden,  so  scheint  uns  der  Beweis,  daß  diese  Eigenschaften  nicht 
aucli  ohne  Jesuiten  bestehen  könnten,  nicht  crbradit.  jedenfalls  bildet 
die  maßvoll  gehaltene  Darstellung  eine  werlvolle  Ergänzung  zu  Loseriitis 
Forschungen  über  die  Gegenreformation.  Liebe. 


y  aoldmaon,    Satka,   Danziger  Verfassungskämpfe  urtter  polnischer 

Henschafl  (Leipziger  Studien  VII,  2).    Leipzig.  Teubner,  1901  (VI  und 

tl2l  S.) 
Was  dieser  Arbeit  bcsondcm  Wert  verleiht,  ist  die  Darlegung  dö 
Zusammenhangs  zwischen  wirtschaftlicher  und  politischer  Entwicklung. 
Danzigs  Macht  beruhte  auf  seiner  begünstigten  Stellung  als  einziger 
Ausfuhrhafen  des  kornreichen  polnischen  Hinterlandes,  das,  völlig  vom 
Stromgebiet  der  Weichsel  beherrscht,  städtischer  Kultur  und  eigner 
Handelstätigkeil  entbehrte-  Dazu  kam  die  steigende  Nachfrage  West- 
europas im  sechzehnten  und  siebzehnten  Jahrhundert  infolge  ver- 
minderter agrarischer  l^roduktion.  Die  natürliche  Regierungsform  für  ein 
luf  kommerzieller  Tliätigkeit  beruhendes  Gemeinwesen  war  hier  wie  stets 
eine  Aristokratie,  deren  Lebensinteressen  mit  denen  der  Stadt  zusamnicn- 
fielen  und  deren  Stellung  durch  die  finanzielle  Abhängigkeit  der  pol- 
nischen Krone  noch  besonders  gestärkt  wurde.  Je  mehr  Danzig  infolge 
der  preußischen  und  russischen  Konkurrenz  sein  Monopol  einbüßte,  je 
weniger  der  Rat  sich  den  handelspolitischen  Aufgaben  gewachsen  erwies, 
an  deren  Statt  er  eine  bureaukra tische  Vemallungstätigkeit  treten  ließ, 
■  tun  so  mehr  erstarkte  die  Opposition  der  Bürgerschaft.  Ihr  Organ  war 
H  die  dritte  Ordnung,  so  genannt  im  Gegensatz  zum  Rat  und  zum  Schöffen- 


i 


kolle; ,  Später  als  im  Westen  erlangt  in  diesem  Kollegium  von  100  iManti 
die  Gcrtieinde  1526  etne  Vcrtrelung,  die  wesentlich  den  Kaufleutcn  zu 
gait  kam,  sich  aber  weiterhin  den  Qewcrken  nicbt  verschlie&en  konnte- 
Vor  ihrem  WÄChsenden  politischen  Einfluß  mehr  und  mehr  zurück- 
weichend, endlich  durch  das  Auftreten  des  finanziell  selbständigen  sSdi- 
sischcn  Herrscherhauses  seines  wichtigsten  Rückhalts  bcranbl,  erliegt  der 
Rat  in  den  Veriassiingskämpfen  174S— 52  der  deinokratisclien  Strömung. 
Ihr  siegreiches  Fortschreiten  hat  auf  Grund  der  criialtenen  Ordnungs- 
rezesse  eine  Darstellung  gefunden,  deren  Ausführlichkeit  wesentlidi  lokal- 
geschichtlichen  Interessen  dient.  Lidie. 


Bruno  Woltt-Beckh,  Johann  Friedrich  Böttger,  der  deutsche  Er- 
finder des  Porzellans.  Mit  Böltgers  Porträt.  Stegüti  bei  Berlin,  Friedr. 
G.  B.  Wolff-Beckh  (48  S.) 

In  dieser  gewandt  geschriebenen  Abhandlung  berichtet  der  Ver- 
fasser in  kurzer  Weise  über  das  Leben  des  deutschen  Porzellan -Erfinders 
der  durch  seine  Erfindung  für  den  modernen  Menschen  ebenso  bekannt 
wie  durch  seine  Lebensführung  und  I-ebensschicksale  eine  durchaus  ritsel- 
haftc  PersÖnJichkeit  ist.  Für  die  Geschichte  der  Naturwissenschaften  und 
der  entsprechenden  Bildung  des  Piiblikiims  ist  die  Figur  des  intelligenten, 
aber  gründlich  liederlichen  und  verlogenen  Apothekers,  der  sich  als 
Goldmacher  auszugeben  wuHle,  von  größtem  Interesse,  und  vor  allem 
erscheint  es  uns  kaum  glaublich,  daß  zwei  Könige  wie  Friedrich  1.  von 
Preussen  und  August  von  Sachsen,  denen  wir  geistig  verhällnismlflig 
so  nahe  zu  stehen  glauben,  in  der  Tal  noch  auf  einem  derartigen  natiw- 
wissenschaftlichen  Standpunkte  sich  befanden,  daß  sie  auf  den  frechen 
Schwindel  hereimfal len  konnten.  Bekanntlich  ist  Böttger  von  August 
jahrelang  zwar  gefangen  gehalten,  zugleich  aber  mit  Luxus  und  Wohl- 
leben umgeben  worden,  weit  jener  die  von  ihm  zu  erhoffenden  Gold- 
schütze  fär  sich  zu  sichern  wünschte  Bältger  hat  zwar  verschiedentlich 
die  Freiheit  wiedeiTugewinnen  gesucht,  als  das  aber  vergeblich  war, 
sich  das  ihm  dargebotene  Wohlleben  in  einer  Weise  zu  nutze  gemacht, 
daß  man  sich  nur  wundem  muß,  wie  es  dem  22jührigen  Menschen  im 
Jahre  1707  noch  möglich  gewesen  ist,  seine  durch  den  Grafen  von 
Tschimhausen  veranlaßten  Bemühungen  um  die  Herstellung  des  Por- 
zellans mit  dem  bekannten  Erfolge  zu  krönen.  Damals  ist  es  ihm  ge- 
lungen, die  braune,  sogenannte  Böttgemiasse  zu  finden,  mit  deren  fabrik- 
mäliiger  Herstellung  die  Lebensgeschichte  Böttgers  zugleich  in  die 
Anfangsgeschic htc  der  Meißener  Porzellnnfabrik  hinüberteitet.  Ebenso 
sind  auch  die  anfangs  mitilungenen  Verbuche,  gutes  weito  Porzellan 
herzustellen,  noch  von  Böttger  selbst  im  Jahre  1709  zu  Ende  geführt, 
als  er  durch  einen  Zufalil  auf  die  Ausnützung  des  Kaolins,  des  Haupt- 
bestandteiles des  weißen  chinesischen  PorzeElans,  geführt  wurde.  Böttger 
ist  dann  noch  ein   sdilechter  Fabrikdirektor  geworden,  bis  der  Tod  im 


Besprechungen.  375 


13.  Mäiz  1719  seinem  ausschweifenden  Leben  ein  Ende  machte.  Er  ist 
nur  35  Jahre  alt  geworden. 

Das  alles  sind  keine  Neuigkeiten,  aber  der  Verfasser  hat  sie  so 
Seschickt  zu  erzählen  gewullt,  daß  seiner  Darstellung  eine  weite  Ver- 
breitung zu  wünschen  ist  Wenn  ich  eine  Aussetzung  an  dem  populär 
geschriebenen  Büchlein  machen  darf,  so  ist  es  die,  daB  das  „braune 
Zeug"  zu  wenig  beschrieben  und  auf  seine  technische  und  artistische 
Verwendbarkeit  gamicht  eingegangen  wird.  Auch  hätten  seine  von 
vielen  gleichzeitigen  Fabriken  hergestellten  Nachahmungen  kurz  erwähnt 
werden  müssen,  damit  endlich  auch  weitere  Kreise  sich  darüber  klar 
werden,  daß  nicht  jedes  braune  Stück  aus  Böttgers  Fabrik  hervorgegangen 
ist,  sondern  es  sich  meist  um  Nachahmungen  der  —  an  und  für  sich 
durch  Farbe,  Glanz  und  Oewidit  ziemh'ch  leicht  erkenntlichen  —  echten 
Böttgerware  handelt. 

Schließlich  bemerke  ich  noch,  daß  das  Bildnis,  welches  als  Bött- 
geis  Porträt  auch  von  Wolff-Beckh  dargeboten  wird,  meines  Wissens 
als  solches  nicht  so  unwiderl^lich  sicher  bezeugt  ist,  daß  es  nicht 
wenigstens  mit  einer  einschränkenden  Anmerkung  hätte  versehen  werden 
müssen. 

Frankfurt  a.  M.  Otto  Lauffer. 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


Von  nMeycrsOrosscm  Konversations-Lexikon«, dessen gäni- 
lidi  neu  bearlKJtetc  6.  Auflage  wir  auch  unsern  Leseni  bei  Erscheinen 
des  1.  Bandes  empfohlen  haben,  liegt  bereits  der  2.  Band  (A^tilbe  bts 
Bismarckl  vor,  der  wieder  die  Vorzüge  dieses  ausgezeichneten  Naclischla^c- 
werks  in  gutem  Lieble  zeigt.  Was  für  den  gelehrten  Benutzer,  der  es  ja 
weniger  zur  Belehrung  als  zur  raschen  reststellung  von  Daten  oder  kurzer 
Orientierung  über  ihm  femerliegende  Dinge  benutzen  «Htd,  in  erster  Linie 
in  Betracht  kcmntl,  die  Zuverlässigkeit,  ist  hier  wirklich  nach  Möglichkeit 
gewährleistet.  Wieder  sind  sodann  die  bisaiif  die  neueste  Zeil  fortgeführten 
und  mit  Kenntnis  ausgewählten  üteraturangaben  bei  einzelnen  Artikeln, 
die  den  Suchenden  zu  ausfuhr! ichercr  Belehrung  hinlenken,  lobend  zu 
erwähnen.  Es  ist  ferner,  was  früher  ähnliche  Werke  oft  vermissen  ließen, 
ein  System  ausgedehnter  Verweisungen  durchgeführt.  Endlich  rechtfertigt 
die  bildliche  Ausstattung,  namentlich  für  das  Gebiet  der  natu  nie  isscnschaft- 
lieh -technisch«!  Artikel  u,  s- w.,  den  guten  Ruf  des  Bibliographischen 
Instituts  durcliaus.  Dem  Artikel  Bildhauerkunst  sind  die  zahlreichsten 
Tafeln  (20)  beigefügt  worden,  in  deni  gebotenen  Stoff  geht  das  neue  Lexiken 
zuweilen  zu  veit.  so  wird,  wie  kürzlich  schon  von  anderer  Seite  bemerkt 
wurde,  die  chemische  Terminologie  wohl  allzu  ausgiebig  berücksichtigt,  was 
im  vortiegeuden  Band  namentlich  S-  v.  Aethyl  hervortritt,  ebenso  aber 
auch  die  botanische  und  zoologische  Nomenklatur.  Doch  mag  es  anderer- 
seits wieder  Benutzer  geben,  denen  das  gerade  angenehm  ist. 

Von  der  rüstig  fortschreitenden  2.  neu  bcarbdlclen  Auflag  des  von 
katholischen  Gelehrten  herausgegebenen  »Slaatslexikons"  haben  wir  das 
Erscheinen  des  16,— 29.  Heftes  anzuzeigen.  (Freiburg  i.  Br.,  Herder)  Den» 
auf  anderem  Standpunkt  stehenden  Benutzer  werden  docti  auf  iieutraleni 
Gebiete  genug  befriedigende  Artikel  begegnen;  das  Lexikon  behält  auch, 
ganz  abgesehen  von  seiner  Berechtigung  als  Parteilcxikon,  neben  dem 
u Handwörterbuch  der  Staaiswissenschaften"  durchaus  seinen  Wert,  und  es 
berührt  angenehm,  daß  einzelne  Artikel  bei  der  Liieratnr  auf  diejenigen 
im  Kandwärterbuch  verweisen.  Die  Literaturangaben  sind  indes  zuweilen 
nicht  vollständig  genug.  Auch  lassen  manche  Artikel  gerade  für  uns  eine 
liebevollere  Behandlung  der  geschichtlichen  Seite  wünschen.  Die  .BedQif- 
nisse  der  Gegenwart",  denen  ja  gerade  die  Neubearbeitung  in  vollem  MaSe 
Rechnung  trägt,  sind  freilich  auch  hier  entscheidend  gewesen.  Tiefere  kullur- 


Kleine  MiHeilungen  und  Referate. 


gcschtchl liehe  Kenntnis  z.  B.  könnte  aber  veder  unseren  Nationalökononten 
Tjoch  unseren  Politikern  aller  Parteien,  die  die  Vergangenheit  oft  genug  in 
schreiender  Weise  verkehrt  beurteilen,  schaden.  Das  Lexikon  ist  mit  dem 
letzten  vorli^enden  Heft  jetzt  bis  zur  Mitte  des  IV.  Bandes  geführt  worden 
und  bricht  bei  dem  Artikel  -Papsttum  und  Kaisertum-  ab. 

In  der  -Zeitschrift  für  SozialwisseiiEchaft-  6.  Jahrg.  3.  Heft  bespricht 
Alfred  Vierkanät  in  einem  Aufsatz:  Die  Entwickelung  der  mensch- 
lichen Bedürfnisse  anerkennend  das  ebenso  betitelte  Buch  von 
ß.  Gurevitsch  («schienen  als  4.  Heft  des  19.  Bandes  von  Schmollere 
Forschungen)  und  knüpft  daran  auslührlichcre  kritische  und  ergänzende 
BemerkunBen.  Er  modifiziert  dabei  den  an  sich  berechtigten  Onind- 
gedanken  G.'s,  daü  die  Vorkehrungen  zur  Befriedigung  menschlicher 
Bedürfnisse  keinen  wirtschaftlichen,  sondern  einen  sozialen  Ursprung  haben. 

Eine  grfliidlidie  und  allgemein  interessierende  Studie  hat 
7h.  Siebs  über  den  Kuß  in  den  «Mitteilungen  der  Schlesisclien  Gesell- 
schaft für  Volksikunde"  Heft  X.  No.  1/2  veröffentlicht  (Zur  vergleichen- 
den Betrachtung  volkstümlichen  Brauches:  der  Kuü).  Bekanntlich  hat 
dies  Thema  als  erster  K.  Nyrop  im  Jalire  18Q7  behandelt  (Kysset  og  dets 
historie),  aber  mehr  vom  allgemein  geschichtlichen  Standpunkt  aus,  nament- 
lich auch  unter  Heranziehung  literarischer  Quellen.  Siebs  legi  den  Ton  auf 
■  die  deutsche  Volkskunde,  gibt  zunächst  aber  auch  erst  einen  Ueberblick  über 
die  kullurgesdiichtliche  Bedeutung  da  Kusses  überhaupt,  insbesondere  bei 
den  Juden,  den  Römern  und  in  der  christlichen  Kirche,  und  lehrt  dabei  .den 
KuB  der  Liebe,  der  Verwandtschaft  und  FrcHniJschalt,  den  der  Versöhnung 
und  des  Friedens,  den  der  Gnade  und  der  Vcrehrtnig,  insbesondere  des  reli- 
giJJ&CQ  Kultus  kennen".  Ausführlicli  erörtert  er  dann  in  einer  sprachlichen 
Betrachtung  die  verschiedenen  Benennungen  für  den  Kuss,  die  das  deutsche 
Sprachgebiet  in  gröilter  Fülle  aufweist,  und  sucht  sie  unter  Heranziehung 
venrandter  indogermanischer  Sprachzweige  in  ein  System  zu  bnngen,  um 
am  Schluß  dann  noch  einmal  auf  die  kultiirgeschJchtliche  Erörtemcig 
zurückzugreifen  und  die  Wandlung  und  Enlwickhmg  des  Kusses  der  Uebe, 
der  Freundschaft,  der  Verehrung  zu  beleuchten- 

Die  erste  Probe  einer  Reihe  von  «Skizzen  aus  der  Kultur-  und 
Literaturgeschichte  romanischer  Länder  im  Mittelalter"  von  Leo  Jordan 
(Beilage  zur  Allg.  Ztg.  No.  63)  behandelt  .Ritterliche  Frauenliebe". 
und  betont  einige  beachtenswerte  Züge,  insbesondere  auch  die  Idee  des 
Liebestodes. 

H  Ein  Aufsatz  von  Fritz  Friedrich.  Renaissance  und  Antike  (Bei- 

™  tage  zur  Allg,  Ztg.  No.  60/1)  will  einer  Behauptung  des  so  außerordent- 
lich äberschäizten  Chamberlain,  daß  die  Renaissancekultur,  speziell  Italiens, 
ein  im  Grunde  durchaus  originalfs  Cicwachs,  aus  dem  germanischen  Geiste 
herausgeboren  sei,  in  ihrem  negativen  Teil  näher  prüfen,  dabei  aber  nur 
H  referierend  die  Ansichten  eines  Burckhardt,  Voigt,  Philippi,  Villari  u.  s.  v- 


heranziehen.    Von  der  Betrachtung  der  Kunst  und   Dichtung  zu  dt 
ds*  Weltanschauung    gelanKcntl,    slelll    Pr.    ntin    fest,    liaJl    die    antiker 
Faktoren  der  Renai^sancekullur  recht  ansehnlich  sind  und  jene  These  im 
ihrer  Unbedingtheit  unhaltbar  ist.    Aber  neben  diesen  Faktoren  g^bt 
andere,  und  lange  vor  Ch.  hat  schon  Burckhardt  auf  die  Cinseltigkdl  de 
Namens  ..Renaissance"  hingewiesen  und  die  freie  Originalität  der  Ver- 
arbeitung antiken  Gutes  und  die  mit  ihm  weh  verbindende  Fülle   eigen- 
tütnlichen  Volk^^istes  betont. 

Aus  dem  ..Bibliographe  moderne"  Sept./OkI.  1902  erwihnen  wir- 
P.  Amauidets  Beitrag:  Catalogue  de  Is  biblioth^que  du  chätcau. 
de  Blois  en  1518. 

Auch  ist  iriedcr  eine  Reihe  schulgeschichtlicher  Beitrlge  zu 
erwähnen:  In  den  »Annaien  des  Vereins  für  nassauj^che  Altertumskunde 
u.  Gesch."  33,1  bringt  W.  Diehl  »Beitrilge  rur  Schulgeschichte  der 
Herrschaft  Eppstein";  F.  Otto  setzt  dort  seine  Abhandlung  über  -Nassauische 
Studenten  auf  Universitäten  des  Mittelalters"  fort.  In  den  »Neuen  Jahr- 
büchern f.  d.  klass.  Altertum  u.  s.  w."  X,  10  gibt  E.  Schwahe  «Bcitiige 
zur  ältesten  Geschichte  der  FQrstenschule  zu  Afra  in  .Meülen'. 

Indem  Bflchlein  von  E.  O.  Eickfo,  Die  norddeutschen  Volks- 
stänimc  im  MAiisgewande  (Stuttgart,  1902,  Verlag  Heintdall)  wird  dereine 
oder  andere  eine  Art  Volkskunde  zu  finden  vermuten:  es  handelt  sich  aber 
nur  um  ein  sehr  harmloses,  gutgemeintes  Sammelsurium  von  allerlei  skizzea- 
haften  Notizen  und  Anekdoten  über  die  Volksart  der  heutigen  Ostpreußen, 
Pommern,  Märkcr  u.  s.  w.,  die  z.  T.  gajiz  amüsant  sind  und  im  ganzen 
auch  eine  richtige  Grundauffassung  verraten. 

In  der  "Zeitschrift  für  Sozial  Wissenschaft"  VI,  Jahrg.  Heft  -i/?  gibt 
A.  Löwenstimm  (Aberglaube  und  Verbrechen)  weiteres  Material. 
namentlich  aus  Rußland,  zu  seinem  1 897  erschienenen  Buch:  .At>ergUube 
und  Strafrecht".  Diese  in  erster  Linie  für  den  praktischen  Juristen  be- 
deutsame Beleuchtung  des  Aberglaubens  als  Quelle  der  Verbrechen,  z.  B. 
von  GräbcTschändungen,  Morden,  selbst  Diebstithlcn,  ist  auch  für  das 
Studium  des  Volkstums  recht  interessant.  Zur  Geschichte  des  Aber- 
gUubens  liegen  weiter  Beitrüge  vor  von  T/i.  von  Liebenau  (Von  den 
Hexen,  so  in  Wallis  verbrannt  «urdent  in  den  Tagen,  do  Christoffel 
von  Siltnen  herr  und  richter  war)  im  Anzeiger  für  schweizer.  Geschichte 
34.  Jahrg.  No.  1,  von  einem  Anonymus  (Aberglaube  im  Amte 
Lemberg  [1674|)  in  den  Mitteilungen  und  Umfragen  zur  bayoischen 
Volkskunde  9.  Jahrg.  No.  3  und  von  Tetzner  (Seelen-  und  Erd- 
xännchenglauben  bei  Deutschen,  Slawen  und  Balten)  Im  Qlobos 
Bd.  83  No.  14/5. 

Aus  dem  ..Schweizerischen  Archiv  für  Volkskunde"  VIl.  I 
erwähnen  wir  die  Beiträge  von;  E.  Hoffmann-Krayer,  Schatzgräberei  i.  d. 


Kleine  Mitleilungen  und  Referate, 


Umgebung  Basels  (1726—1727];  V.  Pellatidini,  Spigolature  di  folklore 
tidnese;  A.  Schaer,  Balthasar  Han's  und  Hans  Heinrich  Qrob's  nScliiKzen- 
ausreden";  J.  Pocke,  Die  hölzernen  Milchredinutigen  des  Tarctschtals. 
Schon  in  VI,  3  erschien  ein  auch  die  Historiker  mehr  interessierender  Bei- 
trag von  S.  Singer,  Zur  VoEkskunde  vergangener  Zeiten. 

Ein  Autsatz  von  L.  Wiener  (Die  Geschichte  des  Wortes 
•  Zigeuner")  im  »Archiv  für  das  SUidium  der  neueren  Sprachen«  Bd.  109, 
Heft  3/4  geht  auf  die  Geschichte  der  Zigeuner  selbst  als  auf  die  Grund- 
lage der  sprachlichen  Erörtening  ein,  weist  nach,  daß  ihre  ersten  Spuren 
in  Europa  in  Griedienland  zu  erkennen  sind,  und  machl  die  althergebrachte 
Ansicht  von  ihrer  Herkunft  aus  Ägypten  aufs  neue  wahrscheinlich. 

Die  oi^n  (S.  371)  aufgestellte  Forderung,  lokale  Arbeiten  zunächst 
in  den  Rahmen  der  allgemeinen  Entwicklung  hineinzustellen  und  niemals 
lokale  Dinge  ohne  Beziehung  zu  den  allgemeinen  Strömungen  zu  behandeln, 
wird  von  Q.  Liebe,  wie  in  seinen  sonstigen  Arbeilen,  so  jetzt  in  einem 
Artikel  der  ,rMagdeburger  OeschichtsblätterMS.  177- 189);  .dieKleider- 
ordniingen  des  Erzstifts  Magdeburg*  wohl  erfüllt.  Das  lokale 
Material  geben  ihm  Akten  des  Magdeburger  Staatsarchivs.  ».Die  erste 
Spur  einer  städtischen  Kleid erordnung,  wie  sie  in  Westdeutschland  schon 
im  H.  Jahrliundert  bekannt  sind,  erscheint  in  Magdeburg  in  dem  Streit 
der  Stadt  mit  Erzbischof  Günther.  1432  beruft  sie  sich  auf  ein  alther- 
gebraciites  Recht,  Männern  und  Frauen  innerhalb  ihres  Mauemngs  eine 
standesgemäüe  Kleidung  vorzuschreiben." 

Die  in  Frankreich  geni  publizierten  .livrcs  de  raison"  begegnen 
uns  wieder  in  Arbeilen  vonj.  M.  Lavoret,  Ltudes  sur  la  famÜle  d'  autre- 
fois.  Le  livre  de  raison  de  Fran^ois  Quisard  (In:  Comple 
rcnd»  du  I6<  congres  des  soci^lfe  savantes  savoisieimcs)  und  von  Mesehinet 
de  Ridiemond,  Extraits  du  »livre  de  raison"  de  Fraii^ois  Qillet, 
sergent  royal  k  Saintcs  {1&41-IÖ92)  [Bulletin  hisl.  et  philol.  1902). 

Als  Sonderabdnick  aus  dem  „Bulletin  archfelogique"  ist  in  Paris  ein 
Invenlaire  apres  dküs  du  mobitier  de  rarcbidiacrc  Jacques  Orsini  i 
Sens  (1392)  erschienen. 

Im  .Anzeiger  dfs  Ocrmanischen  Nationalmuseums"  1902  IV  setzt 
H.  SUgmann  seine  Arbeit  über  ndie  Holzmöbel  des  Germanischen 
Museums'  fort  und  behandelt  jetzt  die  bäuerlichen  Bettstätten,  die  meist 
die  im  vomcfimen  und  bürgerlichen  Leben  gebräuchlichen  Formen  des 
IT.  Jh.  aufnehmen  und  weiterbilden,  sowie  die  Wiegen. 

Aus  dem  ,.Antiqiiary''(Marchl903)sei  ein  Artikel  von  CIT-finaoÄrt«)*, 
Mcdieval  lavalories  erwähnt. 

ßn  anonymer  Artikel  der  .Beilage  zur  Allgemeinen  Zeitung'  1903 
No.  37  bringt  Notizen  über  »Ärztinnen  aus  Salerno-,  wesentlich  im 
Anschluß   an  das  Werk  von  Melanie  Upinska,   Histoire  des  femmcs  Me- 


380  Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


dedns  (Paris  1900)  und  schließt  mit  einigen  Belegen  Ober  mitteUlterlidie 
Arztinnen  in  Bayern.  —  Zur  Geschichte  des  ärztlichen  Standes  erwähnen 
wir  einen  in  Sedan  erschienenen  Sonderdruck  aus  der  «Revue  d'Ardennc 
von  J.  VUUUe,  Un  procte  entre  un  Chirurgien  et  des  mMedns  sedanais 
en  1646.  (27  S.)  Ein  in  Fontainebleau  erschienener  Abdruck  aus  den 
.Annales  de  la  Sod^t^  historique  et  archtel.  du  Qätinois'  enthält  eine 
Publikation  von  C.  Forteau,  Comptes  de  recettes  et  de  d^penses  de  la 
maladrcrie  et  l^proserie  de  Saint-Lazare-lez-^tampes  de  1552  it  1556  (23  S.), 
das  >Bulletin  historique  de  la  soci£t£  de  1'  hist  du  protestantisme  francais 
vom  15.  Nov.  1902  eine  solche  von  //.  Lehr,  Un  conipte  d' apothicaire 
du  temps  de  Moli^e  aux  d£pens  de  M.  A.  de  Phelipot,  pasteur  i  Sainte- 
Foy-la-Qrande,  ein  Abdruck  aus  dem  .Bulletin  de  la  soci£t£  fran^ise 
d'histoire  et  de  mMecine"  eine  Artieit  von  V.  Nicaise,  Notes  pour  servir 
ä  l'hist.  de  l'anatomie  au  16«  s.  et  de  la  päiode  pr^v&alienne  (Poitieis, 
17  S.)  Zur  Geschichte  der  Seuchen  trägt  die  Arbeit  von  O.  Brandt  bd : 
Die  Pest  der  Jahre  1707-13  in  der  heutigen  Provinz  Posen,  nebst  ge- 
legentlichen Rückblicken  auf  frühere  Pestepidemien  in  dieser  Gegend  (Zett- 
schrift der  historischen  Gesellschaft  der  Provinz  Posen  17,11). 


Bibliographisches. 


Heinen,  Wie  läßt  sich  fßr  die  kulturhistor.  Unterweisungen  Im  Cie- 
schichtsuntcmchl  der  nötige  Raum  gewinnen?  Projfr.  Saarlouls(I4S.).  — 
E.  SchaamkeU,  Herder  als  Kulturhistoriker  im  Zusammenhang  m.d.allgein. 
geistig.  EntwicltSung  dargestellt.  Progr.  Ludwigslust  (74  S.).  -  Marquis 
de  La  Maziire,  Essai  sur  Tevolution  de  la  civilisation  Indieune-  T.  I.  2. 
Paris  [446,  630  p.).  -  Stanley  Lane-Poole,  Medieval  IndJa  under 
Mohammedan  rule  (712-1764).  London  (XVIII,  449  p.).  -  Annaics 
du  mus^  Guimet  Biblioth^que  d'ftudes.  T.  14:  leRltuel  du  cultcdivln 
journalier  cn  fegypie,  d'apris  le  papyrus  de  Berlin  cl  les  textes  du  temple 
de  S^ti  \rr_  3  Abydos,  par  AUx.  Moni.  Paris  {III,  203  p.).  -  /  Kaersf, 
Die  antike  Idee  der  Ökumene  in  ihrer  politischen  und  kulturellen  Be- 
deutung. Lpz.  <1II,  34  S.).  -  L.  M.  Hartnmnn,  Der  Untergang  der 
antiken  Welt.  lAus:  WUsen  für  aHe.|  Wien  (tV.  77  S.).  -  C.  jentsch, 
Hellenentum  und  Christentum.  Lpz.  (VIII,  303  S.)  -  D.  C.  HesseUng, 
Byzantium  {Oeestelijke  Voroudere  IV).  Haarlem  (VIII,  403  S.).  -  Alfr. 
FaaiU&^  Esquisse  psychologique  des  peuples  europ^s-  2.  6i.  Paris 
(XIX,  550  S).  —  R.  Petersdorff,  Germanen  u.  Griechen.  Überein- 
stimmungen i,  ihr  ältest.  Kultur  L  Anschluß  a.  die  Germania  des 
Tadtus  u.  Homer.  Wiesbaden  1902.  (Itl,  135  5.)  -  A.  Ltjhtrt,  Germain» 
et  Slaves.  Origines  et  croyances.  Paris  (320  p.).  -  K  Lamprecht,  Deutsche 
Geschichte.  2.  Lrg.  Bd.  Zur  jüngsten  deutschen  Vergangenheit  II.  1. 
Hälfte:  Wirtsdiaftsleben  —  Soziale  Entwickle,  l.u.  2.  Aufl.  Freiburg  i.  B. 
{XVIII,  520  S.)  —  ß.  Hfil,  Die  deutschen  Städte  und  Borger  im  M.-A. 
(Aus  Natur  und  Geisteswelt  43.)  Lpz.  (VIII,  151  S.).  —  Hansisches  Ur- 
Icundenbuch.Bd.g.  1463-1470.  Bearb.  v.  ITart.  5/rt>r.  Lpr.  (XLIll,  751  S. 
-  A.  Schlix,  Die  Entstehung  der  Stadtgenieinde  Heilbronn,  ihre  Ent- 
wicklung bis  zum  H.  Jahrh.  u.  das  erste  Heilbrunner  Stadirecht.  Diss. 
Tübing.  (93  S.  1  PI.).  -  Rieh.  Rtymaan,  Gesch.  der  Stadt  Bautzen. 
Bautzen  (VlI,  930  S.).  -  K-  Ooftzke,  Gesch.  d.  Stadt  Demmtn,  auf  Grund 
des  Demminer  Ratsarchivs  etc.  Demmin  (XII,  520  S-).  —  E.  Fnnsdorff, 
Die  Berlinerinnen  im  18.  Jh.  Berlin  (32  S.).  —  C  KUeber^r,  Volkskund- 
liches  aus  Fischbach  in  der  Pfalz.  (Sanunlungen  des  Vereins  1.  baycr.  Volla- 
künde  I)  Kaiscrslatitem  (VII,  130  S.).  -  F.  H.J.  Chauffoar,  Chronique 
de  Colmar,  suivic  des  listes  nominatives  des  obristmaisters,  prcvöts,  stetl- 
maistres,  conseillers  et  syndics  de  Colmar  p.  p.  Andr^  Waltz.  Colmar 
{XI,  189  S.).  -  Monographien  z.  deutschen  Kulturgesch,  hisg.  v.  G.  Stein- 


382 


Bibliographisches. 


hansfn.  Bd.  II:  G.  Ltebf,  Das  Judentum  in  der  dciitschtti  VCTgangc 
heit  Lpz.  (127  S.).  -  /  M.  Oassner,  Aus  Sitte  und  Brauch  der  Metta 
dorficr.  E.  Beitrag  z.  siebenbürg  .-sä  chs.  Volkskunde.  Progr.  Bistri 
[96  S.).  -  Histoire  gin^rale  de  Paris.  Registres  des  dilibirations  d 
burwu  de  la  villc  de  Paris.  T.  X.  (1590-1594).  Texte  idHi  et  anno 
par  Paiü  Gumn.  Paris  <XX.  5Iö  p.).  T.  XI  (1594-1598).  Texte  4 
et  am,  p.  AI.  Tuetay.  ib.  (U  737  p.).  —  fedits  de  poIice  de  la  ville  i 
Montrcuil-sur-Mer  (1419-1519)  p.  Georges  de  Lfiomef.  Abbcville  ( 
152  p.).  -  A.  Lediea.  L'administratron  munidpale  i  Abbeville  au  ta 
Abbeville  (II,  128  p.).  -  R.  Tri^r,  L'administration  municipak  «u 
1530-1545  iExlr.  d.  1.  Rev.  bist. du  Maine)  LeMans  (88p.).  -  />.Ä 
Tigne,  des  origines  ä  1900  (gcogr,,  hiat,  adniinistr.,  inslnict., 
etc.).  Angers  (703  p.).  -  F.  Gregorovius,  Gesell,  d.  Stadt  Rom 
M.-A.  5.  vcrb.  AuH.  Bd.  1.  Stuttg.  (X.  494  S.).  -  H.  Fertig,  Spr 
Land  und  Leute  in  dem  letzten  Jahrlmndert  vor  Christus,  Qynin.«P 
Bamberg  (6S  S.).  —  Moses  Neai  Amis,  Hislorical  Raleigh  from  II* 
dation  in  1792;  descriptive,  biographjca.1,  cducational  etc  Raleigh  (? 
—  P.  Deschamps,  La  Russie  aii  20  e  s.:  son  origine,  ses  moeurt,  §■ 
veloppement,  sa  population  etc.  etc.  Paris  (291  p.).  —  K.  R* 
Volkskurtdliche  StreifzOge.  12  Vorträge  über  Fragen  der  deutsdr. 
Dresden  <VJt,  266  S.).  —  L.  Darapsky,  Altes  u.  Neues  v.  d.  W 
rute.  Lpz.  (70  S.).  —  F.  Tikon,  Un  proces  de  sorcHlcrie  & 
Huy  (32  p.).  —  Atfr.  Schoene,  Über  die  beiden  Rcnaissancrfjc» 
des  B.  und  18.  Jh.  Kiel  (24  S,).  —  Aug.  Vogel,  Oosch.  d.  C 
als  Wissenschaft.  Nach  den  Quellen  dargestellt.  2.  Auq^  ' 
(Xl[,  410  S.).  —  5.  5.  Laurie,  Siudics  in  the  histoiy  of  et 
üpinion  from  the  renaissance.  Cambridge  (VI,  261  S.).  —  F,V 
Zur  Gesch.  d.  Lateinschulen  in  Sachsen,  insbes.  ihr  Verhältais 
U.  ihr  Religionsunten-icht.  Progr.  Schneeberg  (23  S,).  — 
Neue  urkutidliche  Beiträge  z.  Gesch.  d.  gelehrt.  Schulwesen 
Herzogtum  Zwei  brücken.  Progr.  Zwcibrficken  (4S  S.)  —  K 
terialien  zur  Gesch.  d.  Egercr  Lateinschule  1300— HS29.  Nj 
künden  des  Egerer  Stadtarchivs.  Progr.  Obcrgymn,  CßW 
N.  Spifgtl,  Oelehrtenproletariat  und  Gaunertum  vom  Beginn 
Mitte  d.  16,  Jh.  Progr.  Schweinfurt  (58  S.).  —  F.  Tavtm. 
nalisme;  son  histotre;  son  rÖle  politique  et  religieux.  I' 
337  p.).  —  F,  Fanck-Brentano,  U  famUle  fait  I'£tat.  £hK 
mation  de  U  societ^  anlic)ue  et  de  la  soc  moderne.  Paris  (64 
Orandeur  et  Dfcidence  des  classcs  moyennes,  ib.  (M  p 
Grandeur  el  Dccadeiice  des  aristocralics,  ib.  (64  p.).  — 
Oesch.  d,  Adels.  Urspr.  u.  EntwickL  Berlin  (104  S.).  — 
Genlilshommes  campagnards  de  l'ancienne  Trance.  £tui 
ditiort,  r^lat  social  et  les  mocurs  de  la  noblesse  de  pnw'i 
18e  s.     Paris  (430  p.),     —     C.  Lftourneau    ''  "inditi'i 


Bibliographisches. 


hausen.  Bd.  U:  O.  Liebe,  Das  Judentum  in  der  deutschen  VerEanRcn- 
heit,  Lpz.  (127  S).  -  /  M.  Oassner.  Aus  Sitle  und  Brauch  der  Mettnv 
dorfer.  E.  Beilrsg  z.  siebciibürg.-sächs.  Volätskunde.  Progr.  Bistritz 
[96  S.)-  —  Hisloire  gen^le  de  Paris.  Registres  des  d^üMrations  du 
bureau  de  la  ville  de  Paris.  T.  X.  (1590-1594).  Texte  üiii  et  annole 
pnr  fiaai  Gaeritt.  Paris  (XX,  516  p.).  T.  XI  (1594-1598).  Textet. 
et  ann.  p.  AI.  Tuetay.  ib.  (L,  737  p.).  —  £dits  de  police  de  la  ville  de 
Montreuil-sur-Mcr  (141Q-I519)  p.  Oeorg^  de  Lhomet.  Abbeville  (X, 
152  p.).  -  A.  Lediea,  L'administratton  mutiicipale  ä  Abbeville  au  18e  s. 
Abbeville  (II,  128  p.).  -  /?.  Triger,  L'administration  municipale  au  Mans 
1530— 1M5  (Extr.  d.  1,  Rev.  hist.du  Maine)  Le  Mans  (88  pl.  -  P.SauSseaa, 
Tignifv  des  origines  ä  1900  (gcogr.,  hist-,  aditiinistr.,  instrucl.,  agricult. 
etc).  Angers  (703  p.).  -  F.  Gregorovius,  Oesch.  d-  Stadt  Rom  im 
M.-A.  5.  verb.  Aun.  Bd.  1.  Stuttg.  (X,  454  5.).  -  H.  Fertig,  Spanien. 
Land  und  Leute  in  dem  letzten  Jahrhundert  vor  Christus.  Qymn.-Progr. 
Bamberg  (68  S.).  —  Moses  Neat  Amts,  Hi&lorical  Raleigh  froni  its  foun- 
dation  in  1792;  descriplive,  biographical,  educational  etc.  Raleigh  (236  p.). 
—  P.  Desckamps,  La  Russie  au  20  e  s.:  son  origine,  ses  mceuis,  son  dt 
veloppement,  sa  popuIation  etc.  etc.  Paris  (291  p.).  -^  K.  ReaseAei, 
Volkskund liehe  Slreifzüge.  12  Vorträge  über  Fragen  der  deutsch.  Volksk. 
Dresden  (VII,  266  S.).  —  L.  Darapsky,  Altes  u.  Neues  v.  d.  Wünschel- 
rute. Lp2.  (70  S.).  —  F.  Tilton,  Uli  proc«  de  sorcellerie  k  Moxhe. 
Huy  (32  p.).  —  Atfr.  Schoetie,  Über  die  beiden  Renaissancebewegungen 
des  15.  und  IS.  Jh.  Kiel  (24  S.).  —  Aug.  Vogei,  OescEi,  d.  Pidagogik 
als  Wissenschaft.  Nach  den  Quellen  dargestellt.  2.  Ausg.  QQtersloh 
(Xn.  410  S,).  —  S.  5.  Laurie,  Sludies  in  Ihe  histoty  of  educational 
opinion  from  the  renaissance.  Cambridge  (VI,  261  S.).  —  F.  W.Sträver, 
Zur  Ge$ch.  d.  Lateinschulen  in  Sachsen,  insbes.  ihr  Verhältnis  zur  Kirche 
u.  ihr  Religionsunterricht.  Progr.  Schnceberg  (23  S.).  --  P.  Ketper, 
Neue  urkundliche  Beiträge  z.  Gesch.  d.  gelehrt.  Schulwesens  im  früh. 
Herzogtum  Zweibrücken.  Progr.  Zweibrücken  (48  S.)  —  K.  Siegt,  Ma- 
terialien zur  Gesch.  d.  Egerer  Lateinschule  1300—1629.  Nach  den  Ur- 
kunden des  Egerer  Stadtarchivs.  Progr.  Obergymn.  Eger  (143  S.).  - 
N.  Spiegel,  Gelehrt enproletariat  und  Gaunertum  vom  Beginn  d.  14.  bis  zur 
Mitte  d.  16.  Jh.  Progr.  Schveinfuri  (58  S.).  —  f.  Tavemier,  Du  jour- 
nalisme;  son  histoine;  son  röle  politique  et  religieux.  Paris  (XXXll, 
337  p,).  —  F.  Fanck'Brentano,  La  famille  fall  l'ttat.  ttude  sur  la  for- 
mation  de  la  sociale  anlique  et  de  la  soc.  moderne.  Paris  (64  p.}.  —  Ders., 
Grandeur  et  Dicadeiice  des  classes  moyennes.  ib.  (64  p.).  -  Den., 
Orandeur  et  D&adencc  des  arislocralies.  ib.  (64  p.}.  —  H.  v.  Büiow, 
Oesch.  d.  Adels.  Urspr.  u.  Enlwickl.  Berlin  (104  S.).  —  P.  de  Vaissiin, 
Genlilshommes  campagnards  de  l'ancienne  France,  tlude  sur  la  con- 
dition,  r^lat  social  et  les  mceurs  de  !a  noblesse  de  province  du  16c  au 
18e  s.    Paris  (430  p.).    —    C.  Letoumeaa,   La  condiiion  de  la  femme 


BiblioEraphisches. 


dans  les  diverses  races  et  civilüsalions.  Paris  (XVI,  511  p.).  —  A.  Bnfch, 
Die  Stellung  der  Frau  in  der  angelsächsischen  Poesie,  Dis?,  Zürich 
(80  S.)-  ~  A,  Preime,  Die  Frau  i.  d.  allfranzös.  Fabliaux.  Diss. 
Göttingen  (171  S.).  —  A.  Lüdaitz,  Die  Liebeslheorie  der  Provenzalcn 
bei  den  Minnesingern  der  StauferwU.  Diss.  Berlin  (40  5.).  —  G.  Fromm- 
hold, Ober  den  Einfluss  der  Religion  auf  das  Rechl  der  Ot-rmanen. 
(Festreden  der  Univ.  Oreifswald  No.  10.)  Greifswald  (31  S.)  —  G.  H. 
Eüwangv,  The  pleasure«  oi  ihe  table:  an  account  of  gastronomy  frora 
ancient  days  to  present  times  with  a  hist  ol  ils  literature,  schools  and 
mosl  distinguished  artists.  New-York.  —  L.  de  Bfyii^,  L'hjibitation 
byranline.  Recherches  sur  rarchitectur«  dvile  des  Byzantins  d  son  in- 
fluence  en  Europe.  Paris  (XV,  220  p.).  Supplement  fies  ancicnnes 
maisons  de  Constanlinopie)  ib.  (X,  29  p.)  —  K-  G.  SUpbam,  Der 
älteste  deutsche  Wohnbau  u.  seine  Einrichtung.  BaTigeschiclitl,  Studien. 
2.  Bd.  Von  Karl  d.  Gr.  b.  z.  Ende  d.  11.  Jh.  Lpz.  (XV,  705  S.).  - 
Journal  Inikhl  d'Amaad  d'Anäilty  (1624).  Publi'^  p.  Eugene  el  Jules 
Halphen.  Paris  lö9  p.).  —  Journal  intime  de  l'abbc  Muht,  bibüolhecaire 
et  grand-prieur  de  l'abbaye  de  Saiiit-Victor  (17T7— 17821  p.  p.  M.  Tour- 
neux.  Paris  (114  p.).  (Extr.  des  Mfmoires  de  la  soci^-t*  de  l'hist.  de 
Paris  t.  29.)  —  P.  Rhode,  Die  Königsb.  Schützengilde  in  550  Jahren. 
Königsb.  (X,  308  S.).  —  Kinderspel  cn  Kinderlust  in  Zuid-Ncdcrland 
door  A.  de  Cock  mjs.  TeirUnck  II,  3:  Dansspelen.  Gent  (38Q  p,).  — 
L.  £.  W«/,  Die  Prosliliition  bei  allen  Völkern  vom  Altertum  bis  zur 
Neuzeit.  Berlin  (VII,  282  S.).  —  James  £.  Th.  Rogers.  A  hislory  of 
aericulttire  and  priees  in  England  from  1259  to  1793.  Vol.  Vil.  1703 
-  1793.  2  parts.  Oxford  (XV,  966  pO-  -  /  Maliearne,  Recherdies 
hisL  siir  ragriciilture  dans  le  pays  de  Bray.  II  (1583—1707)-  Ronen 
(136  p.l.  —  R.  La/argue,  L'agricullure  en  Umousin  au  I8e  s.  el  Tinten- 
dance  de  Turgot.  These.  Paris  (VlII,  285  p.)- —  £- -B«*,  Die  Geschichte 
des  Eisens  in  lechn.  und  kulturgeschichtl.  Beziehung.  Abt.  V.  Das  19.  Jh. 
Braunschw.  (VII,  1419  S.).  —  W.  Feehner,  Gesch.  des  schles.  Berg-  und 
Hüttenwesens  17-11—1806.  Nach  den  Akten  des  geh.  Staatsarchivs  etc. 
[Aus:  Zs.  f.  d.  Berg-.  Hfltten-  u.  Salinenwesen  i.  prciiss.  Staate.]  Berlin 
(75b  S.).  —  //.  Daiicktr,  Das  mittelaltcrl.  Dorfgewerbc  (m.  Ausschl.  der 
Nahrungsmittel-Industrie)  nach  den  Wcistumsüberlieferungen.  Diss.  Lpz. 
(XI,  137  S,).  —  P.  Rissen,  Hist.  soromaire  du  commerce.  Paris  1902 
(VI,  384  p.)  -  IT.  Stifda,  Über  die  Quellen  der  Handelsstalistik  im 
M--A.  (Aus:  Abhandlungen  der  preiiss.  Akad.  d.  Wiss,  Anh.]  Berlin 
(58S.).  —  O.  Vv/r,  Le  commerce  et  les  marchands  dans  I'ltalic  meridio- 
nale  au  I3e  et  ati  I4e  stecEe.  [Bibliotheque  des  ^oles  fran^MS 
d'Athtncs  et  de  Rome  88.]  Paris.  —  /  Latimer,  The  history  of  the  Society 
of  merchanl  vcnturcrs  of  the  City  of  Bristol.  Bristol  (345  p.).  — 
Invenlaire  des  archives  de  la  Bourse  des  marchands  de  Toulouse  ant^ 
rieures  k   1790  par  5.  Macary.    Toulouse  (103  p.).    —    M.  Haisman^ 


r 


382  Bibliograph  ischcft. 


haasen.  Bd.  U:  O.  Litbe,  Das  Judentum  in  der  deutschen  X'er^nKCn- 
heit  Lpz.  (127  S.).  -  /  M.  Gassner.  Ans  Sitte  und  Brauch  der  Mrttfrs- 
dotftf.  E,  Beilraß  2.  sieben bürg.-säch&.  Volltskunde.  Progr.  Bistritz 
(96  S.)-  —  Hisloire  g^n^rale  de  Paris.  Registres  des  dtüb^rations  du 
bureau  de  la  ville  de  Paris.  T-  X.  (1590-1594).  Texte  *dit*  et  annot6 
p^r  Paai  Quenit.  Paris  (XX,  516  p.>.  T.  XI  {1^94- 1598).  Texte«. 
et  ann.  p.  AI.  Taetay.  ib.  (L,  737  p.).  —  £dits  de  police  de  (a  ville  de 
Monlreuil-sur-Mw  (1419-1519)  p.  Georges  de  Lhamel.  AhhenWt  (X, 
152  p.),  -  A.  Ledieu.  L'administration  municipale  ä  AbbeviTEe  au  18e  s. 
Abbeville  [II,  128  p-j.  -  R.  Triger,  L'administration  municipale  au  Mans 
1530—1545  (Extr.  d.  1.  Rev.  hist.du  Maine)  Le Maus  (88p.).  -  P.S<umMtt, 
Tjgn^r  ^^  origines  ^  IQOO  (geogr.^  hist.,  administr.,  instruct,  agricuiL 
etc.).  AiJget?  (703  p.).  -  F.  Gregorovius,  Oesch.  d.  Stadt  Rom  im 
M.-A.  5.  vert».  Aufl.  Bd.  1.  Stuttg.  (X,  494  S.).  -  M  Tfl^iÄ  Spanien. 
Land  und  Leute  in  dem  letzten  Jahrhundert  vor  Christus.  Gymn.-Progr. 
Bamberg  (68  S.),  —  Moses  Neal  Amh,  Historical  Raleigh  Erom  its  foua- 
dation  in  1792;  descriptive,  biographtcal,  educalional  cic.  Raleigh  (236  p.). 
—  P.  Desckamps,  La  Russie  au  20  c  s.:  son  ongine,  ses  morurs,  son  de- 
veloppement,  sa  population  etc.  etc.  E^aris  (291  p).  —  K.  ReasfhH, 
Volkskundliche  StreiEzüge.  12  Vorträge  über  Fragen  der  deutsch.  Volksk. 
Dresden  (VII,  266  S.).  —  L.  Darapsky,  Altes  u.  Neue  v.  d,  Wünschel- 
rute. Lpz.  (7ü  S.).  —  F.  Tihoii,  Un  proces  de  sorcellerie  i  Moxhc. 
Huy  (32  p.).  —  Alfr.  Sehoene,  Über  die  beiden  Renaissanccbcwegungen 
des  15.  und  18.  Jh.  Kiel  (24  S.).  —  Aug,  Vogei,  Gesch.  d.  Pädagogik 
als  Wissenschaft.  Nach  den  Quellen  dargestellt.  2.  Au%.  OfltersJoh 
(XII,  410  S.).  —  5,  5.  Laurie,  Studies  in  Ihc  history  of  educational 
opinion  from  the  renaissance.  Cambridge  [VI,  261  S.).  —  F.  M^.  Strüver, 
Zur  Gesch.  d.  Lateinschulen  in  Sachsen,  insbes.  ihr  Verhältnis  zur  Kirche 
u.  ihr  Religionsunterricht.  Progr.  Schneeberg  (23  S.l.  —  P.  Kaper, 
Neue  urkund[idbe  Beiträge  z.  Gesch.  d.  gelehrt.  Schulwesens  im  früh. 
Herzogtum  Zweibrücken.  Progr.  Zwdbrßcken  (48  S.)  —  K.  Siegt,  Ma- 
terialien zur  Gesch.  d.  Egercr  Lateinschule  1300—1629.  Nach  den  Ur- 
kunden des  ^crer  Stadtarchivs.  Progr.  Obergymn.  Eger  (143  S.).  - 
N.  Spiegel,  Qelehrtenproletariat  und  Gaunertum  vom  Beginn  d.  14.  bis  zur 
Mitte  d.  16.  Jh.  Progr.  Schweinfurl  i58  S.).  —  E.  Tavernitr,  Du  jour- 
nalisme;  son  histoire;  son  rö!c  pohtique  et  reügieux.  Paris  (XXXII, 
337  p,}.  —  F.  Funck'Brtatano,  La  famille  fall  l'ttat.  fetude  sur  la  for- 
niation  de  la  societ^  anlique  et  de  la  soc  moderne.  Paris  (64  p.).  —  Den^ 
Grandeur  et  Decadence  des  classes  moyennes,  ib.  (64  p.).  —  Dfft, 
Grandeur  et  Dteadencc  des  arislocraties.  ib.  (64  p.].  —  H.  v.  Bäiaw, 
Gesch.  d.  Adels,  ürspr.  u.  Entwickl.  Berlin  (104  S.).  -P.de  Vaissän, 
Gentilshommes  campagnards  de  I'ancienne  France,  ttude  sur  la  con- 
dition.  I'itat  social  et  les  moeurs  de  la  noblesse  de  province  du  lOe  au 
!8e  £.     Paris  ^430  p.).    —     C.  Letourneau,   La  condition  de  la  fcmmfr 


dans  les  diverses  races  ei  civtlisations.  Paris  (XVL  511  p.).  —  A.  Brock, 
Die  StelLutig  der  Frau  in  der  angelsachsischen  Poesie.  Diss.  Zürich 
(80  S.).  —  A.  Preirm,  Die  Frau  i.  d.  altfran7ös.  Fabliawx,  Diss. 
GöHingen  (171  S.).  —  A.  Lüdtritz,  Die  LJebeslheorie  der  Provenzalen 
bei  den  Minnesingern  der  Stnufcrzetl.  Diss.  Berlin  (40  S.)-  —  O.  Fromm- 
hold,  Über  den  Einfluss  der  Keligion  auf  das  Recht  der  Oerraanen. 
(Fesiredcn  der  Utiiv.  Oreifcwald  No.  10.)  Greifswald  (31  S.)  —  O.  H. 
Eilwang^,  The  pleasures  of  the  table:  an  account  of  gostrcmomy  [rom 
ancient  days  to  presenl  times  with  a  bist.  o\  ils  literature,  schoots  and 
mosl  distinguishcd  artists.  Ncw-York.  —  L.  de  BeyUi,  L'habitation 
byranline.  Rccherches  sur  rarchilecture  dvile  des  Byzantins  et  son  in- 
fliien«  en  Eiiropc.  Paris  (XV,  220  p.).  Supplcmenl  (.!«  ancicnnes 
maisons  de  ConstantinopEe)  ib.  (X,  2Q  p.)  —  K.  G.  Stfphani,  Der 
älteste  deutsclie  Wohnbau  u.  seine  Einrichtung.  Baugechithll.  Studien. 
2.  Bd.  Von  Karl  d.  Gr.  b.  z.  Ende  d.  11.  Jh.  Lpz.  (XV,  705  S.).  - 
Journal  incdit  d'Amaad  d'Andäly  (1624).  Publie  p.  Eugene  et  Jules 
Halphen.  Paris  (M  p.),  —  Journal  intime  de  l'abb^  Mulot,  bibllolhecaire 
et  grand-prieur  de  l'abbaye  de  Saint-Victor  (J777— 1782)  p.  p.  M.  Tour- 
neux.  Paris  {\\i  p.)-  (Extr.  des  M^moires  de  la  sod^t^  de  l'hist.  de 
Paris  t.  29.)  —  P.  Rhode,  Die  Königsb.  SchUtzengilde  in  550  Jahren. 
Königsb.  (X,  308  S.).  —  Kinderspet  en  KinderlusI  in  Zuid-NederUnd 
door  A.  de  Coek  enjs.  Teirlindt  H,  3:  Dansspekn.  Gent  (389  p.).  — 
L.  E.  Ifira/,  Die  Prostitution  bei  allen  Völkern  vom  Altertum  bis  zur 
Neuzeit.  Berlin  (VII,  282  S.).  —  James  E.  Th.  Rogers.  A  hisiory  of 
agriculture  and  prices  tn  England  from  1259  to  1793.  Vol.  VII,  1703 
-  1793.  2  parts.  Oxford  (XV,  966  p).  -  /.  Malieome,  Recherches 
bist,  sur  ragiiculture  dans  le  pays  de  Bray.  II  (1583—1707).  Roucn 
(136  p.).  —  R.  Lafargite,  L'agricullure  en  Umousin  au  18e  s.  et  l'inten- 
dan«  de  Turgot.  These.  Paris  (Vlll.  285  p.).  -  I.  ßwA.  Die  Oesdiidjte 
des  Eisens  in  lechn.  und  kulturgcschichl!.  Beziehung.  Abi.  V.  Das  19.  Jh. 
Braunschw.  (VII,  1419  S.).  —  H.  Fechner,  Oesch.  des  schles.  Berg-  und 
Hüttenwesens  1741—1806.  Nach  den  Akten  des  geh.  Staatsarchivs  elc. 
[Aus:  Zs.  f.  d,  Berg-,  Hütten-  u.  Salinenwescn  i.  preuss.  Siaate.]  Berlin 
(756  S-).  —  H.  Dancker,  Das  mittelalterl.  Dorfgewerbe  (m.  Ausschl.  der 
Nahrungsmittel- Industrie)  nach  den  Weist umsüberlieferungen.  Diss.  Lpz. 
(XI,  137  S.j.  —  P.  Rissff/t,  Hist.  sommaire  du  commerce.  Paris  1902 
(VI,  364  p.)  -  W.  Stieda,  Über  die  Qudlen  der  Handdsstatistik  im 
M.-A.  [Aus:  Abhandlungen  der  preuss.  Akad.  d.  Wiss.  Anh.]  ßerün 
(58  S.).  —  G.Yvfr,  Le  commerce  et  les  niarcliands  dans  l'Italie  n;eridii> 
nale  au  13e  et  au  l'le  siMe.  [BiblioltiiJquc  des  ^-coles  (ran^ises 
d'Alheiics  et  de  Rome  88.]  Paris.  —  /  Latimer,  The  history  oJ  the  Sodely 
of  merchant  venturers  of  the  City  of  Bristol.  Bristol  (345  p.).  — 
Inventaire  des  archives  de  la  Bourse  des  marchands  de  Toulouse  ant6- 
rieures  ä   1790  par  S.  Mücary.    Toulouse  (103  p.).    —    M.  Haismaa^ 


382  Bibliographisches. 


hausen.  Bd.  II:  G.  Llebf,  Das  Judentum  fn  der  deulschen  Vef^pngen- 
hdt.  Lpz.  (127  S.).  -  y.  M.  Gassner,  Aus  Sitte  und  Brauch  der  Mettnv 
dorfer.  E.  Beitrag  z.  sieben biirg.-sächs.  Volkskunde.  Progr.  Bistritz 
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^ax  Paul  Gatrin.  Paris  (XX,  516  p.).  T.  XI  (1594- 1M8).  Texte«. 
el  ann.  p.  At.  Taetay.  ib.  (L,  737  p.).  —  fedils  de  policc  de  la  viüe  de 
Montreuil-&iir*Mer  (1419-1519>  p-  Georges  de  Lhomel.  Abbtville  (X, 
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Abbevilte  (II,  128  p.).  —  R,  Triger,  L'admJnistntion  mumcipale  au  Maus 
1530-1545  (tJrtr.  d.i.  Rcv.hist.  du  Maine)  U  Maus  (88  p,).  -  P.Saasseaa, 
Tigne,  des  origines  i  1900  (gcogr,,  bist.,  administr.,  instruct.,  agricuH. 
etc.).  Angers  (703  p.).  -  F.  Orrsorovias.  Oesch.  d.  Stadt  Rom  im 
M,-A.  5.  verb.  Aufl.  Bd.  I.  Stuttg.  (X,  494  5.).  -  H.  Fertig.  Spanien. 
Land  und  Leute  in  dem  letzten  Jahrhundert  vor  Christus,  Gymn .-Progr, 
Bamberg  (08  S-).  —  Moses  Neal  Amts,  Historical  Raleigh  from  its  (oun- 
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Vollakund liehe  Slreifzüge.  12  Vorträge  über  Fragen  der  deutsch.  Volksk. 
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Huy  (32  p.).  ~  Alfr,  Schoene,  Über  die  beiden  Renaissancebewegungen 
des  15.  und  18.  Jh.  Kiel  (24  S.).  —  Atig.  Vogei,  Gesch.  d.  Pädagogik 
ftls  WissenschaFL  Nach  den  Quellen  dargestellt.  2.  Ausg.  Gütersloh 
(XII,  410  S.}.  —  S.  S.  Laarie,  Sludies  in  the  hislory  of  educational 
opinion  Erom  the  renaissance.  Cambridge  (VI,  261  S.),  —  F.  W.Sträver, 
Zur  Gesch.  d.  Lateinschulen  in  Sachsen,  insbcs.  ihr  Verhältnis  zur  Kirche 
u.  ihr  Reltgionsunierricht.  Progr.  Schneeberg  (23  S.).  ~  /■'.  Käptr,. 
Neue  urkundliche  Beiträge  z.  Gesch.  d.  gelehrt.  Schulwesens  im  früh. 
Herzogtum  Zweibrücken.  Progr.  Zweibröcken  (48  S.)  —  K  Sügi,  Ma- 
terialien zur  Gesch.  d.  Egerer  Lateinschule  1300—1629.  Nach  den  Ur- 
kunden des  Egerer  Stadtarchivs.  Progr.  Obergymn.  Eger  (143  S.).  - 
N.  Spi^el,  Gelehrten proletnriat  und  Gaunertum  vom  Beginn  d.  14.  bis  zur 
Mitte  d.  16.  Jh.  Progr.  Schweinfurt  (58  S.).  —  £.  Tavernitr,  Du  jour- 
nalisme;  son  htsloire:  son  röle  polilique  et  retigieux.  Paris  (XXXII, 
337  p.).  —  F.  Fanek-Brtntano,  La  fanijlle  [ait  Tttat.  fetude  sur  la  for* 
niattun  de  la  societe  antiquc  et  de  la  soc-  moderne.  Paris  (64  p.).  —  />rs, 
Grandeur  et  Dtaidence  des  classes  moyennes.  ib.  (64  p.).  —  D«»s, 
Orandeur  et  Decadcnce  des  aristocraties.  ib.  (64  p.).  —  H.  v.  Bälow, 
Oesch,  d.  Adels.  Urspr.  u.  Entirickl.  Berlin  (104  S.).  —  P.de  Vaissäre. 
Gentilshommes  campagnards  de  l'ancienne  France.  £tude  sur  la  con- 
dition,  r^tat  social  et  les  mceurs  de  la  noblesse  de  province  du  I6c  au 
18e  i.    Paris  (430  p.).    —    C  Ltieameaa,   La  cundiiion  de  la  femme 


Bibliographisches. 


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raost  disHnguished  arüsts.  New-York.  —  L.  de  Beyii^,  L'habitation 
byzantine.  Recherdies  sitr  rardiilecture  dvile  des  Byzantins  et  son  in- 
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des  Eisens  in  techn.  und  kullurgeschichtl.  Berichung.  Abt.  V.  Das  19.  Jh. 
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nale  au  13e  et  au  I4e  siecle.  [Bibliolti^que  des  Genies  fran^ises 
d'Alhenes  et  de  Rome  88.]  Paris.  —  /  Latimer,  The  history  of  the  Society 
of  merchant  vciiturers  of  Ihe  City  of  Bristol.  Bristol  (345  p.).  — 
Inventaire  des  archivcs  de  la  Boursc  des  marchands  de  Toulouse  ante- 
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382  Bibliographisches. 


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par  Paiä  Guerin.  Paris  (XX,  516  p.).  T.  XI  (1594- 1598).  Texte  Äl. 
et  ann.  p.  AI.  Tuetay.  ib.  (Lj  737  p.).  —  tA\\%  de  poüce  de  la  ville  de 
Montreuil-sur-McT  (H19-15I9)  p.  Georges  de  Lhomel.  Abbeville  (X, 
152  p.).  --  A.  Ledieu.  L'administration  municipale  i  Abbeville  au  18e  s. 
Abbeville  (II,  128  p.).  -  R.  Trig^,  L'administration  municipale  au  Man». 
1530—1545  (Extr.  d.  1.  Rev.  hist.  du  Maine)  Le  Mans  (88  p.).  -  P.Saasseaa, 
Tigni,  des  origines  k  1900  Ig^ogr.,  hist.,  administr.,  instnict.,  agricuh. 
etc.}.  Angers  (703  p.).  -  F.  Oregorovias.  Oesch.  d.  Stadt  Rom  im 
M.-A.  5.  verb.  Aufl.  Bd.  I.  Sluttg.  (X,  494  S,).  -  H.  Fertig,  Spanien. 
Land  und  Leute  in  dem  letzten  Jahrfiundert  vor  Christus.  Qymn.-Progr. 
Bamberg  (68  S.).  —  Moses  Neai  Amis,  Historical  Raleigh  from  its  foun- 
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Volkskundliche  Streifzüge.  12  Vorträge  über  Fragen  der  deutsch.  VolWsk. 
Dresden  (VII.  266  S.).  —  L.  Darapsky,  Altes  u.  Neues  v.  d.  Wfinschel- 
nile,  Lpz.  (70  S.).  —  F.  Tihon,  Un  procfa  de  sorccllcrie  ä  Moxhe. 
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des  t5.  und  18.  Jh.  Kiel  (24  S.).  —  Aug.  Vogel,  Gesch.  d.  Pädagogik 
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opinioti  from  the  renaissance.  Cambridge  (VI,  261  S.).  —  F.W.Strüva; 
Zur  Oesch.  d.  Lateinschulen  in  Sachsen,  insbes.  ihr  VerhSltnis  zur  Kirche 
u.  ihr  Religionsunlcrricht.  Progr.  Schneeberg  (23  S.).  —  P.  Köper, 
Neue  urkundliche  Beiträge  z.  Gesch.  d.  gelehrt.  Schulwesens  im  früh. 
Herzogtum  Zweibriicken.  Progr.  Zweibrücien  (48  S.)  —  K  Siegl,  Ma- 
terialien zur  Gesch.  d.  Egerer  Lateinschule  I3U0— 1629.  Nach  den  Ur- 
kunden des  Egerer  Stadtarchivs.  Piogr.  Obergymn.  Eger  (143  S.).  - 
M  Spitzt,  Gelehrten  Proletariat  und  Gaunertum  vom  Beginn  d.  14.  btsnir 
Mitte  d.  16.  Jh.  Progr.  Schweinfurt  (58  S,).  —  E.  Tavernitr,  Du  jour- 
nalisme;  son  histoire;  son  röle  politique  et  retigieux.  Parts  {XXXII, 
337  p.).  —  F.  Fttncic-Brentano,  La  famille  fait  I'ttal.  ttude  sur  la  loi- 
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Grandcur  et  Decadencc  des  ciasses  moyennes.  ib.  (64  p-),  —  Ders^ 
Orandeur  et  D&adence  des  aristocraties.  ib.  (64  p.).  —  //.  i*.  Bülov, 
Oesch,  d.  Adels.  Urspr.  u.  Entwickl.  BerUn  (104  S.).  ~-  P.äe  Vaissäre, 
Qcntilsliommcs  campagnards  de  Tanciennc  France,  ttude  sur  la  oon- 
dition,  l'etat  social  et  les  mururs  de  la  noblesse  de  province  du  16e  au 
18e  s.    Paris  (430  p.>.    —    C.  letaurneaii,   la  condition  de  la  fentme 


dans  1«  diver&es  races  el  civil isatfons.  Paris  (X\'h  511  p,).  —  A.Broch, 
Dir  Stellung  der  Frau  in  da  angdsächsi&clien  Poesie.  Diss-  Zfinch 
(SO  S.).  —  A.  Prtime,  Die  Frau  i,  d.  altfranzCs.  Fabüaux.  Diss. 
Göttingen  (171  S).  —  A.  Läderitz,  Die  Liebestheorie  der  Provenalen 
bei  den  Minnesingern  der  Statiferzeil.  Diss.  Berlin  (40  S.).  ~  0.  Fromm- 
h0ld.  Über  den  Cinfluss  der  Religion  auf  das  Recht  der  Oermanen. 
(Festreden  der  Univ.  Oreifswald  No.  10,)  Oreifswald  (31  S.)  —  G.  H. 
EUwangfr,  The  pleasures  of  Ihe  tabJe:  an  account  Df  gastronomy  from 
ancient  days  to  prcsent  limes  wilh  a  hist.  of  its  lilerature,  schnols  and 
mosl  distingur&hed  arlisis.  New-York.  —  L.  d£  Beylif,  L'habitation 
byzanline.  Rechercbes  sur  l'architeclure  civile  des  Byzantins  et  son  in- 
fluencc  en  Europe.  Paris  (XV,  220  p.).  Supplement  (!es  rtncicnnes 
maisons  de  Constantlnople)  ib.  (X,  29  p.)  —  K.  G.  SUphani,  Der 
älteste  deutsche  Wohnbau  u.  seine  Einrichtung.  Baugeschichtl-  Studien. 
2.  Bd.  Von  Karl  d.  Gr.  b.  z.  Ende  d.  11.  Jh.  Lpz.  (XV,  705  S.).  - 
Journal  inAJn  d'Arnaud  d'AndUly  (1624).  Publik  p.  Eugene  et  Jules 
Halphcn.  Paris  (69  p.i.  — Journal  intime  de  l'abbf  Muht,  bibliothecaire 
et  grand-prieur  de  fabbayc  de  Saint-Victor  (1777—1782)  p.  p.  M.  Tour- 
neux.  Paris  (114  p.).  (Extr.  des  M^moires  de  la  SDci>ft^  de  l'hist.  de 
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door  A.  de  Cock  m  Js.  TeirUack  11,  3:  Dansspelen.  Gent  (389  p.).  — 
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agricutture  and  prices  in  England  from  125Q  to  1793.  Vol.  VII.  1703 
-  1793.  2  parts.  Oxford  (XV,  966  p.).  -  /  Malicorne.  Recherches 
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(136  pO-  —  R-  Lafargite,  L'agricuHure  en  LJmousin  au  18e  s.  et  I'inten- 
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des  Eisens  in  tcchn.  und  kullurgcschichll.  Beziehung.  Abt.  V.  Das  19- Jh. 
Braiinschw.  (VII,  1419  S.).  —  H.  Fechner,  Gesch.  des  schles,  Berg-  und 
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(XI,  137  S.).  —  P.  Risson,  Hist.  sommaire  du  commerce.  Paris  1902 
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M.-A.  [Aus:  Abhandlungen  der  preuss.  Akad.  d.  Wiss.  Anh.]  Berlin 
(58  S.)-  —  G.  Vver,  Le  commerce  et  les  marchands  dans  ['Italic  mcridio- 
nale  au  13e  et  au  14e  siecle.  [Bibltolh^ue  des  ^coles  Trani^aises 
d'Athtnes  el  de  Rome  88.]  Paris.  —  /  Latimtr,  The  histor>'  of  the  Society 
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Inventaire  des  archives  de  Ea  Bourse  des  marchands  de  Toulouse  antf- 
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■ 


382 


Bibliographttcbcs. 


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(96  S.).  -  Histoirc  centrale  de  Paris.  Registrcs  des  dfiib^rations  du 
bureau  de  la  vüle  de  Paris.  T-  X.  (1590— 1W4).  Texte  edite  et  innote 
par  A7U/  Gamfn.  Paris  (XX,  516  p.).  T.  XI  (1594- 1598).  Texte  4d. 
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Montreuil-sur-Mer  (1419-1519)  p.  Georges  de  Lhomel.  Abbeville  (X, 
152  p.y.  -  A.  Ledieu,  L'administration  municipale  i  Abbeville  au  18c  s. 
Abbeville  [II,  128  p.).  -  /?.  Triger,  L'administration  municipale  au  Mans 
1530—1545  (Exlr.d.  I.Rev.hist.  du  Maine)  Lc  Mans  (88  p.).  -  P.Sausseau, 
Tign£,  des  origines  ä  1900  (g6ogr.,  bist.,  administr.,  instruct..  agricult. 
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M.-A.  5.  verb.  Aufl.  Bd.  1.  Stuttg.  (X,  494  S.|.  -  H.  Fertig,  Spanien. 
Land  und  Leute  in  dem  letzten  Jahrhundert  vor  Christus.  Oymn.-Progr. 
Bamberg  (68  S.).  —  Moses  Neal  Amis,  Hi&torical  Raleigh  from  Its  foun- 
dation  in  1792;  descriptive,  blographicai,  ednational  etc.  Raleigh  (236  p.). 
-^  P.  Deschamps,  La  Riissie  au  20c  s.:  son  origint,  ses  mccurs,  son  di- 
veloppement,  sa  popuLation  etc.  etc.  Paris  (291  p.).  —  K.  Rmsehet, 
Volkskundliche  Slreifiüge.  12  Vorträge  über  Fragen  der  deutsch.  Volksk. 
Dresden  (VII,  266  S.)-  —  L.  Darapsky,  Alles  u.  Neues  v.  d.  Wßnsdwl- 
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Huy  (32  p.).  —  At/r.  Schoene,  Über  die  beiden  Renaissancebcwcjungen 
des  15.  und  18.  Jh.  Kiel  (24  S.).  —  Aag.  Vogel,  aeach.  d.  Pädagogik 
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Zur  Gesch.  d.  Lateinschulen  in  Sachsen,  insbes.  ihr  Verhältnis  zur  Kirche 
u.  ihr  Religionsuntcm'chL  Progr.  Schneeberg  (23  S.).  —  P.  Kaper, 
Neue  urkundliche  Beiträge  r..  Gesch.  d.  gelehrt.  Schulwesens  im  früh. 
Herzogtum  Zweibrücken.  Progr.  Zweibrücken  (48  S.)  —  K.  Siegt,  Ma- 
terialien zur  Gesch.  d.  h:gerer  Lateinschule  1300—1629.  Nach  den  Ur- 
kunden des  Egerer  Stadtarchivs.  Progr.  Obcrgymn.  Eger  (143  S.).  - 
N.  Spiegel,  Gelehrten  Proletariat  und  Gaunertum  vom  Beginn  d.  14.  bisziir 
Mitte  d.  16.  Jb.  Progr.  Schweinfurt  (58  S.}.  —  f.  Tavernier,  Du  jour- 
nalisme;  son  histoire;  son  röle  politique  et  religieux.  Pans  (XXXII, 
337  p.).  —  F.  Funck-Brrntano,  La  famille  fait  l'Stat.  tlude  sur  U  for- 
mation  de  la  soci6l£  antique  et  de  la  soc  moderne.  Pftris  (64  p.).  —  Ders., 
Orandcur  et  Dteidence  des  classes  moyennes.  ib-  (64  p.).  —  Den^ 
Qrandeur  et  D^dcnce  des  anstocratics.  ib.  (64  p.).  —  H.  v.  Bäiow, 
Gesch.  d.  Adels.  Urspr.  \i.  Entwickl.  Berlin  (104  S).  —  P.  de  Vaissäre^ 
Oentilsbommes  ca]n)3agR3rd5  de  i'anciecine  France,  ^tude  sur  ta  con- 
diticn,  r^tat  social  et  les  mceurs  de  la  noblesse  de  province  du  16e  au 
18e  6.     Paris  (430  p.).     —     C.  Letoameau,   La  conditfon  de  la  femmc 


dans  1«8  diverses  races  et  dvJlisations,  Paris  (XVI,  511  p.).  —  A.Broehf 
Die  Stellung  der  Frau  in  der  angeisichsi&chen  Poesie.  Diss.  Zürich 
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bd  den  Minnesingern  der  Stauferzeil.  Diss.  Berlin  (40  S.).  —  G.  Fromm' 
hold,  über  den  Einfluss  der  Religion  auf  das  Recht  der  Gennanen. 
(Festreden  der  Univ.  Oreifswald  No.  10.|  Oreifswald  (31  S.)  —  O,  H. 
JEliwangtr,  The  pleasnrcs  of  Ihe  table:  an  account  of  gaslrononiy  from 
ancient  days  to  present  times  wilh  a  hist.  of  its  literature,  gchools  and 
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byzantine.  Rectierches  sur  l'architecture  civil«  des  Byzacitins  et  son  'm~ 
fluence  en  Europe.  Paris  (XV,  220  p.).  Supplement  (!es  ancicnnes 
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2.  Bd.  Von  Karl  d.  Or.  b.  z.  Ende  d.  II.  jh.  Lpz.  (XV.  705  S.).  - 
Journal  in^dit  d'Amauä  d'Andiüy  (1624).  Publik  p.  Eug^e  el  Jules 
Halphen.  Paris  <09  p.).  —  Journal  intime  de  l'abb^  Muht,  bibEtofhccaire 
et  grand-prieur  de  I'abbaye  de  Saint-Vidor  (1777—1782)  p.  p.  M.  Tour- 
ncux.  Paris  (114  p.},  (Extr.  des  Mimoires  de  la  societi  de  I'liisl-  de 
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Königsb.  (X,  30S  S.).  —  Kinderspel  eu  Kinderlust  in  Zuid-Nederland 
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d'Alhf  nes  et  de  Rome  88.]  Paris.  —  /  Latimer,  The  history  of  thc  Society 
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ritures  ä    1790  par  S.  Macary.    Toulouse  (103  p.).    —    M.  Huisman^ 


391  Bibliographisches 


L'evplution  du  commerdt  en  Belgrque.  Bnixel!«  (35  p.).  —  £te«-,  Li 
Beigique  commerciale  sous  ['empereur  Charles  VI.  La  Compagnie 
d'Ctetende.  Bn«elles  {XU,  556  p.).  —  Qino  Lttzzatto,  I  banchieri  ebrej 
in  Urbino  nell'etä  ducale;  appunti  di  storia  economica.  Padova  i;83  p.).  — 
M.  Vigne,  La  banque  i  Lyon  du  ISe  au  18e  siede.  These.  Lyon  (248  p.). 
—  //.  Warren,  Story  of  Ihe  bank  of  England;  history  of  English  banScing 
nd  a  gkctch  of  money  market.  London  {^78  p.)  —  Enr.  Meiiüo,  La 
posU  nd  secoli:  appunti  storid.  Roma.  —  Ders^  Le  poste  nel  mezro- 
gäomo  d'ltalia:  ricerche  sloricht  ib.  —  Wsathivp  L.  Marvin,  The 
American  merchanE  marine^  its  history  aad  romance  from  1620  to  1^02 
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gangenheit und  Gegenwart.  Stuttg.  (167  S.).  —  A.  Poussier,  ßtude  sar 
La  Corporation  des  apothicaires  de  Rouen  aux  17e  et  16e  s.  Rouen 
<40  p.  4  pl.).  _ 


Detttiche  Bttch-  and  Ktuotdruckerri,  O.  in.  b.  H.,  Zossen  -  Beilia  SV.  II. 


Mittelalterliche  Notizen  Für  die  Reise  nach  JeruHlem. 


[     Mittelalterliche  Notizen  für  die 
^ft         Reise  nach  Jerusalem. 

^K  Mitgeteilt  von  ULRICH  SCHMED. 

m  Als  ich  vor  einiger  Zeit  behufs  Studien  zu  meiner  jüngsl  er- 

schienenen ilhislrierlen  Schrift;    »Otto  von  Lonsdorf,  Bischof  zu 
Passau    1254-1265",    Würzburg    1903,    in    der   fürsti.    Öttingen- 

IWatlersteinschcn  Bibliothek  zu  Maihingen  bei  Nördlingen  i.  Ries 
veilte,  fand  ich  dank  der  Güte  des  dortigen  Bibliothekars  Dr.  Q.Qrupp 
in  einem  Codex  aus  dem  fünfzehnten  Jahrhundert  (cod.  |[  1,4'* 
25  f.  136 ')'J  die  folgenden  Noli/en  für  die  Reise  nach  Jerusalem. 
Obwohl  diese  Aufzeichnungen  nur  kleinen  Umfang  haben,  so  sind 
sie  doch  sehr  bemerkenswert  für  die  Kenntnis  der  mittelaher- 
lichcn  Pilgerfahrten  nach  dem  heiligen  Lande  und  dürften  daher 
I  nicht  ohne  Bedeutung  sein  für  die  Kulturgeschichte  des  ausgehenden 
Mittelalter?.  Daher  wiil  ich  hier  diese  charakteristischen  Notizen 
nebst  den  nötigen  Erklärungen  geben. 

f.  136':  «gen  ierusalem  ze  ziechen. 

jtem  diß  kauf  zij  venidig:  grien  imber'),  trief),  zuckerkandit«), 
Confet*),  Zuckenosat,  zucker,  weinbör,  inandel,  gagen'),  zßgade*), 
muskatnuJi,  Pfeffer  gestossen,  ymber  gestossen,  Saffaran,  camc- 
fistela*),  zimmret,  triacuß*^,  milen  keren,  manus  Christi  visu,  manus 
Christi  pro  me'"),  Riß"),  keß,  prot  daz  heißt  pischoto*'),  ein  gemach 
stuhl,  2  hämder,  2  näpf,  t  wasserfäölcin,  schmalz,  ein  tnich  alä 
breit  eure  statt  im  schiff  ist,  flasch  wein,  Tällcr  vnd  löffel,  schisEan"), 
Tischlach  vnd  handzwehlen"),  1  pucal,  pretzgen,  2  Tesehlen,  2  grofl 
fleschen,  I  schaub'»),  pött  vnd  waz  dar  zu  gehön'"),  pieftjroli")  fir 
daß  fieber,  pie[t|roli  fir  die  pestelcnlz,  pieltjroli  fir  daß  haupt, 
pye[t]roll  fir  die  rote  riSr,  pflaster  fir  wunden,  I  kössel  mit 
I  docken»'). 

Jtem  von  fenödlg  föhrl  man  gen  zara'"),  da  fint  man  gut 
sur  wein«).   Jtem  von  zara  gen  kurzella"),  da  fint  man  auch,  wöfl 

Arablv  10,1  KuUurgadtldite.  1,4.  2S 


man  bedarf,  jtctn  von  kurzella  gen  raguß"),  da  fint  man  daBsclbe 
gleich.  Jtem  von  raguß  gen  Corfu,  da  vint  [man]  daz  selbe  gleich. 
Jtem  von  Korfii  gen  moden"),  da  vint  man  cammer  vnd  all  not- 
durfft.  Jtem  von  Corfu  [moden]  gen  Kandia'*),  da  fint  man  mal- 
feser")  vnd  all  notdurfft  umb  ain  recht  gelL  Jtem  von  Kandia 
gen  rodiß"),  da  fint  man  auch,  wöß  man  bedarf.  Jtem  von  rodiß 
gen  zipem  daß  heißt  zu  salim*'),  da  fint  man  auch  allerhi  [Konfel], 
Jtem  von  zipern  gen  gafo**)^  da  staut*")  man  ab  uf  daß  heilig 
land.  Jtem  von  gafo  gen  rome»"),  da  flndt  man  auch  ze  kauften, 
waß  man  will,  jtem  von  roma  gen  ierusalem,  da  findet  man  auch 
zu  kauffen,  waß  man  will;  man  mag  sich  auch  in  die  kost  ver. 
dingen.    Jtem  darnach  fin  man  den  menschen  an  all  hailig  stötL 


1)  HandKltrlllt'n-Vtridchnlt.  I.  tilllle  S.  31,  v.  Dr.  G.  Oiupp,  NftnUinsni  UVT. 
*)  logwet,  miEcflttiikcndn  Mttlcl;  ■)  triet,  diicl  bcicichnti  eine  mll  Wein  Ectrinktt  ■»< 
mit  QnrOn,  Zimmt  und  ZncktT  betlTCule  Wcillbrottctidbc ;  'I  Kindiizucker;  *)  Knalekl; 
■)  gßgta  beißt,  sich  hin  und  her  «icffcn,  nicb  dem  Zuummtnluiie  musa  ein«  Speiie, 
OevCri  oder  dersi,  sFinHnl  Min;  '}  iSgide,  auch  hiervon  2^11  tUuelb«:  *i  vcmuUich  ein 
HcUmitle!  aus  Fdiülimmcl  (oimej  bcieilct;  ")  trutull  itl  Thetitk,  ein  engrbtiftic«  L'niTVrul- 
licÜinitlcl  (Oei^neiri):  ")  vihneheinllth  seweihu  Brote  In  der  form  einer  Hind:  ■')  Reit: 
»}  im.  blKOtto,  ZwietMck;  »}  Schllstelii:  "l  TtKhIULli  und  lltndlilfhn  ;  lundcwthl  (Cr 
Kandluch  jelil  noch  in  Sclmbcn  jjcbriuchüdi ;  ")  Khaubc,  giubb[ppja  (ilil.),  jape.  (fra.). 
trab,  Unpr.,  bntekhnci  ein  luis««,  vdtn  bit  tat  die  Ftiik  icchtndes  Oberkldd,  das  vdk 
beiden  ücuhlecbleni  EHn£ai  vuide;  in  ein^r  andcrm  BcdnitunK  lil  dioe«  Wort  Jetzt  noch 
in  SüdJeuncItland  gebriucblicb,  unter  Schopm  (Jupne,  Joppe)  vereteltt  man  itui  dai  en£- 
anliejcende,  kurie  Obergr»*nd  uiTobl  dct  MinnEr  als  aiirh  der  Frauen;  *)  Im  Mhlelalter 
vu  et  Sine,  sein  Bell  mit  auf  Rtiitn  lu  nehmen;  diese  Qevotinheit  erhielt  »ich  bei  den 
Vomebmen  wgat  hh  1«  dai  IQ  Jahrliundert;  »i  vermutlicb  eine  Arl  öl;  "j  Decke!; 
")  Zara,  an  dn  dalmatinischen  Küste;  ")  Ptliiivein;  ")  CuTzola;  ")  Raguu;  ")  Mcfhani. 
ModO'n;  »)  Kandii  aiil  tOeia;  'J  MaJviaier,  ein  im  Mttieltller  »ehr  gtKhAiner  Wda: 
")  Rhodui,  dcirl  tlarb  aiil  der  Hdmkrhi  )«n  dn  rUgerfahrl  nach  dem  heiligen  Lande 
Kenoe  Chriitopb  der  Kämpfer  von  Bayern  im  Jahre  lt93;  es  schelnv  daH  der  hier  ange- 
geben e  Keiseweg  der  üblichste  war;  '^^  Cjpern,  SaJamli  (Kon«iantit,  Hac'os  Seistoa); 
"t  Jafia  U<^ppei;  "t  abilrigtii.  *■!  Rimlch  (Romvla),  ein  Südtchen  in  r4läflina  an  der 
SirxJIe  von  jalfa  nach  Jerusaieni  Gelegen.  Im  .Milielalter  vtt  Ramleh  die  übliche  Slstion 
der  JerutalemplIfCT,  daher  jetit  nocti  die  (rollen  Kospiie  doTl. 


I 


Das  Archiv  der  Ortsgerichten  zu  Rudelsdorf  enthält  neben 
mehreren  alten  Aktenstücken  einen  interessanten  kleineren  Folianten 
in  Qroß*Oklav,  ein  Rechnungsbuch  der  Kirchfahrt  Knobelsdorf  mit 
Rudelsdorf  in  der  Ephorie  Leisnig.  Der  Band  enthält  15  Jahres- 
rcchnungcn  und  umfaßt  den  Zeitraum  von  1586  bis  1601.  Er  ist 
vollständig  bis  auf  den  Jahrgang  1591  und  gut  erhallen.  Von 
einem  2.  Rande,  der  die  folgenden  Jahrgänge  enthiell,  sind  nur 
wenige  Blätter  noch  vorhanden,  Bruchstflckc  aus  den  Jahren  1603, 
1612,  1619  und  1626.    Sie  sind  dem  ersten  Bande  lose  beigefügt 

Wie  aus  den  jeder  Jahresrechnung  vorangestellten  Kopfnoltzen 
hervorgeht,  geschah  die  Rechnungslegung  alljährlich  zu  Beginn 
des  Kirchenjahres  durch  die  beiden  Kirchväler,  denen  neben  anderen 
Funktionen  die  Verwaltung  des  Kirchen  Vermögens  oblag.  Sie  war 
öffentlich  und  erfolgte  in  Gegenwart  des  Orlspfarrers  vor  ver- 
sammelter Gemeinde.  Die  Rechnung,  die  vom  Schreiber'),  i-do 
man  Verrechnung  hart  gehalten",  gemäß  den  Berichten  und  Be- 
legen der  Kirchväler  angefertigt  war,  wurde  hierbei  vorgetragen 
und  von  der  Gemeinde  richtig  gesprochen.  Das  Fadt  zog  in  den 
meisten  Fällen,  wie  aus  der  Verschiedenheit  der  Handschrift  zu 
erkennen  ist,  der  Pfarrer.  Im  Anschlüsse  hieran  erfolgte  die  Neu- 
wahl der  Kirchväter;  aus  jedem  der  beiden  Dörfer  wurde  einer 
gewählt. 

Die  Rechnungslegung  war  für  die  Kirchgemeinde  ein  Fest 
Sie  geschah  Sonntags  und  zwar  in  der  Wohnung  des  Knobels- 
dorfer  Kirchvaters.  Und  um  die  ganze  Sache  nicht  zu  langweilig 
zu  machen,  wurde  aus  der  Kirchkasse  Bier  aufgelegt  In  jeder 
Rechnung  sind  dazu  30  bis  35  Groschen  ausgeworfen. 


I 


■}  Schal  mdstci. 


25* 


Von  den  15  jaliresrechnungen  gebe  ich  nur  die  erste  voll- 
ständig wieder.  Sie  ist  typisch  ffir  die  anderen,  die  nur  noch 
in  dem  Kapitel  der  »gemeinen  Ausgaben'  Interesse  erveckea 
Ich  füge  darum  von  diesen  Ausgaben  noch  die  Jahrgänge  1594, 
1599  und  1600  bei. 

Was  zunädist  die  Einnahmen  betrifft,  so  setzen  sich  dieselben 
aus  4  Konten  zusammen,  den  Kuhzinsen,  Kapital  Zinsen,  Kollekten 
und  den  «gemeinen"  Einnahmen.  Die  wichtigste  EInnahmequelk 
bildete  der  Zins  von  den  sogen,  ewigen  Kühen.  Diese  ewigen 
Kühe,  auch  Qotteskühe  oder  eiserne  Kühe  genannt,  waren  bäuerliche 
Realiasten,  dauernde  Renten,  die  am  Grund  und  Boden  der  ein- 
zelnen Besitzungen  hafteten.  Sie  datierten  schon  aus  der  Zeit  der 
Kirchengründung  und  Entstehung  der  beiden  Dörfer.  Da  die 
Kirclie  eines  festen,  laufenden  Einkommens  nicht  entbehren  konnte 
und  zur  Dotierung  der  Pfarrstelle  die  ausgeworfene  Hufe  Landes 
und  der  Fruchtzehnt  nicht  ausreichend  erschienen,  so  war  den 
Koloni&tenbauern  eine  aligemeine  Kirchenanlage  auferlegt  worden, 
deren  Erträgnisse  teils  dem  Kirchenärar,  teils  dem  Pfarrer')  zuflössen. 
Diese  Kirchenanlage  basierte  auf  dem  Umfange  der  bäuer- 
lichen >X'irtschaft;  sie  war  zunächst  nach  der  vorhandenen  Hufen- 
zahl ausgeworfen  worden,  wobei  jede  Hufe  mit  einer  Steuer  im 
Werte  eines  Groschens  belegt  wurde.  Mit  den  fortschreitenden 
Zeitverhältnissen  änderte  sich  indes  die  Bewertung  dieser  Steuer- 
einheit im  Jahre  1575  betrug  sie  2  Groschen,  und  1586  ist  «e 
mit  3  Groschen  angesetzt.  Diese  Steuereinheit  hieß  im  Volksmunde 
eine  ewige  Kuh. 

Die  Bezeichnung  mag  daher  röhren,  daß  dem  niedergehaltenen, 
naiv  denkenden  Bauern  die  Größe  der  Wirtschaft  vor  allen  Dingen 
in  dem  Stande  der  Viehhaltung  zum  Ausdruck  kam.  Der  Ver- 
mögensstand der  einzelnen  Sassen  wurde  nach  der  Anzahl  der 
Kühe,  die  zu  halten  er  im  stände  oder  auch  berechtigt  war,  ab- 
geschätzt, und  für  die  der  Kirche  zu  leistenden  Gefälle  bildete 
sich  der  Ausdruck  „Kuhzinsen"  heraus  im  Unterschied  von  den 
Hufcngeldern,  die  als  landesherrliche  Steuern  in  das  Amt  abzu- 
führen  waren. 


')  Vgl.  da  VcrIitMn  Artikel  über  um  .EinkoniiiK»  ddPfarren  tu  Knobcbdotf  im 
IQ.  Jifartiunden*  In  d4R  MKlrilnngen  dn  Verelni  fiür  SUltltcll«  Volkskmndc;  1903,  3  HcH. 


^^^^^^V  Aus  allen  Kirchrech  tiungeti. 

^B  Die  Venei}ung  der  Kuhzinsen  auf  die  beiden  Dörfer  ist  indes 

^   nicht  einheitlich  diirchgeföhrl.    Beide  Ortschaften  sind  nach  ihrer 

I  lufenzahl  fast  gleich  groß,  und  doch  erscheint  Rudelsdorf  ziemlich 

um  das  Dreifache  höher  belastet  Während  Knobeisdorf  auf  seine 

20   Hufen  20  Oolieskühe  zu  versteuern   hatte,  entfielen   auf   die 

^   21   Hufen  von  Rudelsdorf  deren  51;  während  Knobeisdorf  159& 

^K   ein  Neuschock  an  Kuhzinsen  zahlte,  brachte  Rudelsdorf  2  Neuschock 

^1  33  Groschen  auf. 

^  Der  Widerspruch  löst  sich,  wenn  man  die  Zehntregister  zinn 
I         Vei^Ieich  heranzieht.  Nach  den  Registern  von  1575  und  1617  waren  ^^^ 
H  die  Rudelsdorfer  Bauern  von  der  Leistung  eines  Zehnten  an  die             ^^H 
"     Kirche  entbunden.   Nur  3  waren  für  ihre  Anteile  am  sogen.  Zehnt-  ^^H 
ffeld  mit  dem  vollen  Frlrapszehnt  der  betreffenden  Parzellen  nflichtip.  m 


P 


k 


ftld  mit  dem  vollen  Ertragszehnl  der  betreffenden  Parzellen  pfhchlig, 
Was  die  Hgemeinen"  Einnahmen  betrifft,  so  sind  deren  immer 
nur  wenige.  Sie  setzen  sich  hauptsächlich  zusammen  aus  Erb- 
2insen  von  einem  Hufengut  in  Knobeisdorf,  aus  den  Qottespfennigen, 
<iie  bei  Besitzwechseln  von  dem  Käufer,  «um  desto  mehr  Glück 
«nd  Segen"  zu  haben,  der  Kirche  verehrt  wurden,  aus  etwaigen 
"Vermächtnissen  und  dem  Erlös  aus  Honig  und  Wachs. 

An  Vermächtnissen,  die  der  Kirche  »beschieden"  wurden,  finden 
sich  in  den  erwähnten  Jahren  folgende: 

1587:30  Groschen  von  Blasius  Kirhach, 
1589:30        .  N     iVlaits  Mengen  Seligen, 

1596:30        .,  „     Urban  Kirbach, 

24        H  w     Andres  Schneider, 

1598:1  n.  Schock      „     Michel  Puschmanns  Witwe, 
1601:30  Groschen     „     der  alten  Urban  Kirbachin, 
1  gut  Schock  if    Zacharias  Weisse. 
Um  den  Bedarf  an  Wachs  zu  decken,  hielt  die  Kirche  eine 
Anzahl  Bienenvölker.    Die  Pflege  der  Bienen,  die  in  der  Rechnung 
von    1594  als  Gottesbienen  aufgeführt  werden,   lag  den   Kirch- 
vätem  ob.    Sie  schnitten  Honig  und  Wachs  und  erhielten  für 
ihre  Mühewaltung  ein  Zehrgeld  von  3  Groschen.    Ebenso  hatten 
sie  die  Kirchenkerzen  in  gemeinsamer  Arbeit  anzufertigen,  wofür 
sie  dienfalls  3  Groschen  zur  Zehrung  bekamen.   So  heißt  es  1612: 
-3  g.  verzertl  Als  man  halt  2  Bar  Lichte  in  die  kirchen  gemachtt." 
Das  überschüssige  Wachs  und  der  Honig  wurden  verkauft. 


Die  Menge  des  Honigertrajrs  ist  für  die  einzelnen  Jahre  nicht 
angegeben.  Nur  1602  findet  sich  der  Eintrag:  «34  g.  Aus  Honig- 
kauf f,  sind  4  kannen  gewest.» 

Insgesamt  stellte  sich  der  Erlös  aus  der  Bienen  Wirtschaft  in 
folgender  Weise: 

Honig:  Wachs: 

1586:18  Groschen 

1587:46         d  8  Groschen 

1588:50  «  18 

1589:32  -  3  - 

1590:1  Neuschock  38  Gr.   3 

1592:54  Groschen 

1593:46         .  16 

1594;  I  Neuschock  38  Gr.  - 

1595:2  Neuschock 

1596:  -         -  -  Or.  - 

1597:4'/i  Groschen 

1598:30 

1599:1  Neuschock  12  Gr.   7 

1600:1  ,.  45     ..    23  -  9J 

Überdies  war  Zacharias  Weisse  in  Rudelsdorf  verpflichtet,  im 
Bedarfsfälle  statt  der  3  Groschen  Kuhzinsen  I  Pfund  Wachs  an 
die  Kirche  abzuführen.  Meist  entrichtete  er  aber  die  Zinsen  in 
Geld.  So  heißt  es  in  der  Rechnung  von  1592:  A  tt  Wachs  von 
einer  Eysern  kue  hatt  Zacharias  Weisse  3  g.  dafür  bezaltt" 

Der  normale  Preis  für  ein  Pfund  Wachs  betrug  also  3  Groschen. 
Dem  entspricht  auch  der  Erlös  aus  dem  Wachsverkauf  vom  Jahre 
1599,  wo  aus  2'/,  Pfund  7  Groschen  ..gemarktet-'  wurden. 

Bezüglich  der  Ausgaben  ist  zu  bemerken,  daß  der  größte  Teil 
der  verfügbaren  Gelder  durch  die  bauliche  Unterhaltung  von  Kirche, 
Pfarre  und  Schreiberei  (d.  i.  die  Schule)  aufgebraucht  wurde. 
Die  Gebäude  waren  alt  und  erheischten  fortwährend  Reparaturen. 
Schon  im  Jahre  1539  fanden  die  Visitatoren  die  Pfarre  in 
arg  verwahrlostem  Zustande.  »Die  Behausung  ist  sehr  bofl*, 
trugen  sie  in  das  Protokoll  ein;  und  im  Jahre  1555  notierten  sie: 
-Geringe  Behausunge,  sollen  bauen.«  Und  wenn  ihrer  Anordnung 
auch  Folge  gegeben  wurde  und  sie  1575  .ein  zinilich  behausung' 


i 


Aus  alten  Kirchrechnungen.  391 


vorfanden*),   so   blieben   weitere  Ausbesserungen   mehr   als    zur 
Genüge. 

Zum  Schlüsse  meiner  Bemerkungen  möchte  ich  einen  Posten 
der  Ausgaben  noch  besonders  hervorkehren,  der  in  den  letzten 
Jahrgängen  unsers  Rechnungsbuches  oft  mit  ziemlicher  Belastung 
auftritt  Das  sind  die  Almosen,  die  die  Kirche  Hilfesuchenden 
gewährte.  Sie  unterstützte  nach  ihrem  Vermögen  die  Brandkala- 
mitosen  in  den  sächsischen  Gemeinden,  die  notleidende  Bevölkerung 
des  Gebildes  in  Zeiten  der  Teuerung  und  zahlreiche  Einzelpersonen, 
die  bittend  an  ihre  Thüre  klopften.  So  finden  sich  folgende  Einträge: 
1595:  1  g.  Abgebrantten  Leutten  von  der  Windau, 
2  g.  Ein  Armen  vertrieben  pfarrer, 

2  g.  Abermals  ein  vertrieben  pfarrer, 

1  g.  Ein  armen  vertrieben  Schulmeister  aus  Osterreich, 
1  g.  Ein  Armen  Weib  von  Heintz, 

6  ^  dem  blinden  Schreiber  von  Mockritz, 
l'/i  g-  Ein  vertrieben  Capelan  aus  Osterreich. 

1596:  1  g.  Einem  armen  pfarrweib, 

1  g.  Einem  armen  Handverggesellen, 

3  g.  Einem  Abgebranntten  pfarrer  von  Reichenau, 

2  g.  Einem  Armen  pfarrer  der  zu  koldiz  zu  Haus  ligt, 

6  -j  Einem  Armen  Buch  Druckergesellen, 
1  g.  Einer  Armen  blinden  Frau, 
l'/i  g.  Einem  Armen  vertrieben  pfarrer, 

1  g-  Abgebrantten  leutten, 

2  g.  Abgebrantten  pfarrer. 

1612:  1  g.  Der  Schulmeisterin  in  der  glaßhutten, 

1  g.  M.  Georgio  steinhart,  pfarrer  zu  Brettenau,  von  Jesu- 

viten  wegen  der  Lutterisch  lehr  vertrieben, 
1  g.  Abgebranten  von  Rochlitz, 
1  g.  Vertrieben  pfarrer  Jacob  Kneitter  von  Medeburgk. 
1  g.  6  ^  abgebrantten  von  Langen  Wetzendorff, 
1  g-  abgebrantten  Caplan  von  Vrdrauff. 
Des  weiteren  lasse  ich  die  oben  erwähnten  Rechnungen  selbst 
folgen. 


^  Vilitatiomprotokolle  I.  Kgt,  Hanptstuturchiv  lu  Dreiden. 


302  Theodor  Vogel. 

Anno  1586. 
Vorzeidinus  Aller  einnahmen  vnd  außgiben  der  Idrdien 
zu  knobelfi.DorR  im  86.  Jar  geschehen.  Dazumall  kirdi- 
vetter  geweßen  peter  SchUling  zu  knobelSdorf^  Barttel 
Zaspet  zu  RudelBdorff.    Den  9.  Decembris  86. 

Oeoi^gius  Megander, 
pferiierr  daselbst 

Rest  des  85.  Jahrs. 

Sieben  Naue  schodc  Neun  vnd  Zwanzig  groschoi  vnd 

Adit  Pfennige. 

Von  diesem  alten  Rest  Ist  15  N.  seh.  30  g.  von  Idchvetem 

von  Merten  Mertig  vmb  3  N.  seh.  vnd  42  g.  erkauft  wnxlen.   Wie 

den  der  Zedeln  vom  ahn  ügende  Zeigett 

Rest  im  85.  Jar. 

3  N.  scho.  47  g. 

Einnahme. 

Kfle  Wie  viel  vnd  bey 

tnhm  sie  stehen. 

Knobelßdorff: 

iij  g.  Tomas  kiiiiach     1  kue 

iij  g.  peter  Helsig  1  kue 

vj  g.  Michel  Buschman  2  kue 
viiij  g.  Anthonius  kidner  3  kue 

vj  g.  Nickel  Rudelt  2  kOe 
viiij  g.  Matts  Vogel  3  kue 

iij  g.  Michel  Mebes       1  kue 

iij  g.  Valten  Schilling    1  kue 

vj  g.  Mertten  gleisberg  2  kue 

iij  g.  Bendix  Lange       1  kue 

iij  g.  Anders  Schneider  1  kue 

iij  g.  Blasius  kune         1  kue 

iij  g.  der  pfarherr  1  kue 

Summa  20  Kue. 

Dauon  die  Zinse 

j  Nau  scho.  je  von  einer  kue  3  g.  Zinse. 

Einnahme  von  Rudetßdorff. 


Aus  alten  Kirchredinuneen.  393 


xviij  g.  Anders  fronhuffel 

6  kue 

iij  g.  Jacob  Weidler 

1  kue 

iij  g.  Barttel  Behrmann 

1  kue 

viiij  g.  Valtten  kuhnat 

3  kue 

iij  g.  Barttel  Schilling 

1  kue 

vitij  g.  Mertten  merttgen 

3  kfle 

viiij  g.  Matts  Merttgen 

3  kue 

XV  g.  georg  möller 

5  kue 

xij  g.  Tomas  kürschner 

4  kue 

viiij  g.  Anders  Benwiz 

3  kue 

viiij  g.  pauI  Benvriz 

3  kue 

iij  g.  Hans  Lindner 

1  kue 

vj  g.  Anders  Möller 

2  kue 

vj  g.  Hans  Lindner 

2  kue 

iij  g.  Ilgen  Zimmerman 

1  kue 

iij  g.  Zacharias  Weisse 

1  kue 

iij  g.  Asmus  Rudeltt 

1  kue 

vj  g.  Michel  Morgenstern 

2  kue 

viiij  g.  Barttel  Zaspel 

3  kue 

XV  g.  Mertten  gleisberg 

5  kue 

Lat.  51  kue 

Dauon 

ij  N.  scho.  33  g. 

Summa  71  kue,  ie  von  einer  3  g.  facit  3  N.  scho.  33  g. 

Dauon  gehörtt  dem  pfarher  2  M.  scho.  22  g 

[.  bleibett  der  kirchen 

j  scho.  xj  g. 

Einnahme  von  funff  kuhen  der  kirchen  Allein  zu  stendig 

Knobelsdorff 

3  g.  Petter  Zimmerman    I 

kue 

Rudelsdorff 

3  g.  Mertten  mertgen      1 

kue 

3  g.  Asmus  Rudelt          1 

kue 

3  g.  Barttel  Zaspel          1 

kue 

3  g.  Barttel  Behrman       1 

kue 

Lat  15  g. 

Je  von  einer  kue  3  g.  Zinse. 

Summa  Aller  kue  Zinse  der  kirchen  zu  stendig 

r 


1  I<^  scho.  26  g. 
Einnahme  des  Aufigeliegen  geldes  von  36  N.  sdio.  Hauptsummt 
Je  von  einem  scho.  3  g.  Zinse. 
KnobelBdorS. 
3  g.  peter  Helsig  1  scho. 

15  g.  Midid  pusdiman         ^  scho. 
18  g.  Antbonius  Iddner        6  sdio. 
6  g.  Nickel  Rudelt  ^  sdio. 

3  g.  Jacob  Zimmerman        1  sdio. 
IVt  g.  peter  Schilling  Junior  30  g. 
Lat  15  sdto.  30  g 
Dauon  die  Zinse  46  g.  6  J 
Je  von  einem  scha  3  g. 
Rudetsdorff 
3  g.  Matts  Mcrttgen     I  scho. 
6  g.  Mertten  mer^ien  2  sdia 
3  g.  Oeoige  M6Iter     t  scha 
9  g.  Anden  Bcnviz     3  scha 
3  g.  paul  Benwiz         1  sdio. 
6  g.  Anders  MöUer     2  scho. 
3  g.  Zacbarias  W^sse  1  scho. 
6  g.  Asmus  Rudelt      2  scho. 
6  g.  Michel  Morgenstern  2  scho. 
6  g.  Barttel  Zaspel       2  scho. 
lOVs  g.  Barttel  Bermann  3  scho.  30  g. 
Suma  des  geldes  20  scho.  30  g. 
Dauon  die  Zinse  j  N.  scho.  IV»  g 
Suma  Aller  gelt  Zinse  j  N.  scho.  48  g. 
Einnahme  des  erbetten  geldes. 
xj  ^  am  Christag 

2  g.  4  .,f  an  purificationis 

1  g.  3  -j  an  sontag  Jnuocauit 

5  -rf  an  oculy 
1  g.  9  ■;<  an  Palmarum 

3  g.  3  -rf  an  ostertage 

1  g.  t  ^  an  1.  sontag  ostem 

2  g.  6  -^  an  5.  sontag  ostern 


Aus  alten  Kirchrechnungen.  395 

2  g.  8  -if  an  pfingsten 

1  g.  xj  -4  an  3.  sontag  trinitatis 

1  g.  6  'S  an  9.  sontag  Trinitatis 

2  g.  3  ^  1  h.  am  14.  sontag  trinitatis 

3  g.  1  -j  an  19.  sontag  trinitatis 

1  g.  xj  ^  an  22.  sontag  Trinitatis 

2  g.  -  •;}  an  2.  sontag  adiients 

Ut  29  g.  3  ^  1  h. 
Gemeine  einnähme. 
17 Vi  g.  aus  Honig  kaufftt 

5  g.  auß  alten  Schöben  von  der  Schreiberey  kaufFtl 

6  ^  gottspfenig  von  Simon  Bredschneiders. 
XXX  g.  Erbgelt  von  Mertten  gleisbergic  eingehoben. 

6  4  von  llgen  Zimmermans  Crbkauff, 
UL  53  g.  6  -rf. 
Außgab  für  brott  vnd  Wein:  86: 

9  -j  an  Christag 
1  g.  9  -^  an  purificationis  mariae. 
X  -!f  an  sontag  Inuocauit 

5  'S  in  oculi 

8  -j  an  palmarum 
1  g.  3  -j  an  Ostern 

6  -:*  an  1.  sontag  ostem 
1  g.  I  -j  an  5.  sontag  ostern 
1  g.         an  pfingsten 

1  g.  5  -^r  an  3.  sontag  trinitatis 
1  g.  2  .j  an  6.  sontag  trinitatis 
6  -!f  an  9.  sontag  trinitatis 
1  g.  4  ^  an  14.  sontag  trinitatis 

9  -4  an  17.  sontag  trinitatis 
1  g.         am  23.  sontag  trinitatis 

6  -;f  an  2.  sontag  aduentus 
Lat  15  g.  2  + 
Gemeine  Ausgaben  15:86: 
34  g.  Verzehret  An  der  kirchrechnung  vnd  Visitation 

In  der  fasten, 
vj  g.  Dem  Visitator  dismal 


3M 


Theodor  Vogd. 


xj  g.  für  Zaunslecken  zu  des  Pfarrers  zäune 
xiij  g.  für  glockcnslrenge 

iij  g.  Verzehret  Wie  man  hu  den  Biehnen  gesehen  hat 
1  g.  von  der  Jiirchen  aitszureumen  vnd  von  des  pfarrers  grab 

zu  fyllen. 
1  g.  von  des  Schreibers  zäun  zu  machen 

1  g.  für  ein  Bred  in  die  kirchen  zu  dietlen 

2  g.  &  -i  für  Nagel  In  die  kirche  vnd  zu  der  pfar  zu  decken 
xviij  g.  für  Schoben  vff  die  Schreiberei  zu  decken 

6  V  presens  dem  Schreiber  Reminiscere 
1  g.  von  kirchen  gerette  zu  Waschen 

6  -4  presens  trinilaiis 

4  -i  für  ein  Deschgeti  in  die  kirchen 
ij  g.  denen  die  da  haben  die  Bienen  faßen 

4  -4  für  papier  ins  Register 

4  g.  für  fenster  Remen  zu  des  pfarres  fenster. 

3  g.  für  ein  Eysseme  Schuppen  zu  den  grebem 
xij  g.  den  Hern  Superten.  do  er  den  pfar  inuesürt 

2'i  g.  ein  potten  der  ein  Schreiben  von  Hern  Superten  bracht 

5  g.  für  eine  eiche  zu  einer  Rinnen  zu  des  Pfarrers  feuermeuer 
I  g.  für  ein  Bred  in  die  Rinnen  zu  decken 

1  g.  zu  kunnegelde  Herr  Adams  Erben  Bey  dem  I^arschall 
zu  Olzdorf  eingeleglt 
6  -!  presens  Michel  dem  Schreiber 
6  4  presens  Lude 
3  g.  den  Zimmerman,  der  die  Rinnen  gemacht  iiatt 
1  g.  zu  glockenschmehr 
8  g.  verzehrt  Do  man  Verrechnung  gehallten. 
Summa  Aller  Ausgabe 
Sechs  Naue  schock  13  g.  6  -;. 
Summa  von  Stiiüa  gezogen  sampl  dem  Alten  Rest  des  85.  Jahrs 
vnd  des  86.  Jahrs  vberdrifft  die  einame  die  Ausgabe 

funff  Naue  schock  Zwey  vnd  funffzig  groschen  5  y  I  h. 
Welchs  die  Kirchveler  vber  ein  Jahr  sampt  dem  Andern  eiiikomen 
Zue  berechnen  schuldig  sein. 

Bern.  I  «  Wachs  bey  Zacharias  Weissen 
Zue  Rudelsdorff. 


Aus  alten  Kirchrecbnungen.  397 

1594. 
Gemeine  Ausgaben  im  94.  Jare. 
xxxij  g.  An   der   Idrchrechnung   verzehr«   vnd  do    der 
Kirchvatter  berechnung  hat  gethan. 
6  -4  Quartal  den  Schreiber 
3  g.  verzehrtt   Als   die   Kirchvetter   zu    den    Gottes 
Bihnen  gesehen. 

3  g.  verzehrtt  die  kirchvetter  Als  sie  Lichte  gemachtt. 
3Vs  g.  vor  Ein  Eysen  zu  des  pfarres  kacheloffen 

V  g.  von  des  Schreibers  Zaun  zu  machen 
36  g.  von  Schoben  in  die  pfarre  zu  machen  vnd  zu 
decken 
1  g.  Einem  armen  Weibe  , 

1  g-  Abgebranten  leutten  von  Grünstein 

1  g.  von  kirchengerette  zu  waschen 

6  ^  den  Schreiber  Reminiscere 
6  -i  Quartal  Trinitatis 

2  g.  den  Armen   leutten   zue  Mei&sen    zu    erbauen 

ihrer  Kirchen. 
12  g.  vor  kalck  zu  der  leich  Hallen 
18  g.  dem  Maurer  von  der  Leich  Hallen  zu  machen 
1  g.  vor  Ein  bredt  zu  der  leich  Hallen 
3'/i  g.  dem  Zuforder,  der  dem  meuer  zufördertt 
1  g.  vor  Nagell  zur  leich  Hall 

4  g.  vor  Zigel  zur  leich  Hall 
23  g.  vor  kalck  2  scheffel 

6  g.  Furlohn  von  Zigel  vnd  kalck  von  Döbeln  raus 

zu  fuhren. 
18  g.  vor  Mauer  vnd  Dach  Zigl 
36  g.  vor  Weisse 
14  g.  vor  14  bretter 

3  g.  vor  schvertze 

6  4  vor  menge 

6  ^  Nagell  Eisern 
42  g.  vor  Ein  fenster 
48  g.  vor  das  glasefenster 
1  N.  scho.  36  g.  dtn  Meuem  lohn 


12  g.  6  -d  dem  Zufördcrer:  5  tag 

7  g.  6  rf  von  den  kirchen  wider  aus  reumen 
42  g.  von  des  pfarres  fenstcm  zu  machen  in  nau  bici 

vnd  naue  Remen  zu  sezen  vnd  eins  naue. 
8  g.  6  J  von  des  pfarres  vnd  Schreibers  Offen  zn  bessern 

6  .j  Quartal  Midiel  dem  Schreiber 
12  g.  dem  pfarrer  zum  Sinodo 
6  g.  dem  Zimmerman  von  den   nauen  Schüblingen 
vff   der    Badstuben    vnd    nauen    Benken    vmb 
kacheloffen  7U  machen 
XX  g.  von  des  pfarres  Born  zu  machen  vnd  zu  beschütten 
X  g.  von  des  pfarres  thenne  zu  machen 
1  g.  zu  glockenschmehr 
I  g.  An  der  grosse  glocken  zu  machen  ein  rad( 

8  g.  An  der  vorrechnung  verzehrtt  vnd  do  man  halt 

die  Register  vmb  geschrieben.') 


1590 
Gemeine  Ausgaben  Anno  99. 
36  g.  An  der  kirchrechnung  vnd  do  der  kirchvaller  berechnung 
gethan. 
6  -d  Quartal  dem  Schreiber  Lucie  zur  presenz 
6  -f  von  der  grossen  glocken  riemen  zu  bessern 
6  ^  von  einer  Bank  in  der  pfarsluben  zu  machen 
24  g.  Zur  Visitation  vff  befel  der  Herrn  Visitatom 

2  g.  den  Armen  Leutten  von  Schein 

6  -i  Quartal  Reminiscerc 
15  g.  vor  glockenstrenge 

3  g.  für  Bande  vnd  Nagel  an  kästen 
3  g.  vorzcrt  die  kirchvetter,  Als  sie  zu  den  Bienen  gesehen. 

IV«  g-  zugebust  als  das  Bir  zur  Visitation  ist  bezaltt  vorden. 
I  g.  von  kirchengerette  zu  waschen 

6  V  Quartal  trinilatis  dem  Schreiber 


>)  Am  Schliiue   dn  Kjuscnbrrichls  Ut  noch   t-rrnictkl:    1    N.  kIid.   40   g-,  welche 
die  Kirchfart   n  KnobelBdaHt  vnd  Radclüdorfl    einftleet.  Ali  nun  die  kirclw  renoairl 

VTid  KTTcttici     bty  Solchen  gelde  uln  g^veini  T  Alte  icho.  BOiniube  pmcheii, 

do  dn  kirchvAtier  tun  20  vmb  ein  zulden  nehmen  mÜMen,  Hernicher  ibtr  bilde  veibolien, 
äti  einm  «inb  ein  s'OKlien  halt  gellen  lotlen,  dann  iit  dem  kirehMtler  T  £.  absiuiKeii- 


Aus  alten  Kirchrpchnungen.  399 

5  g.  von  des  Schreibers  Scheuer  zu  decken 
4  g.  vor  Schindel  Nagel 

3  g.  vorzert  die  kirchvetter,  als  sie  Lichte  gemacht 
3  g.  für  ein  Eyseme  schuppen 

xj  -4  für  ein  band  vnd  Na^el  in  die  ober  Kirchthüre. 
6  4  Quartal  Crucis 
2  g.  von  des  Schreibers  Back  Offen  hartt  zu  machen 

2  g.  zu  glockenschmehr 

29  g.  dem  Meuer  von  zweyen  kellern  zu  machen  vnd  in  der 

kirchen  von  zweyen  steinen  aus  zu  hauen 
24  g.  dem  Zimmerman  von  der  keller  schwellen  vnter  zu  ziehen 
9  g.  zu  spoln  vnd  zu  kleiben  in  der  Scheune  vnd  keller 

3  g.  dem  Zuförderer  vnd  wieder  ab  zu  reumen 

8  -4  für  ein  haspen  vnd  2  Eyssen  an  die  kellerihür 
1  g  2  ^  vor  Nagel. 
16  g.  für  ein  Eyche  furlohn  vnd  ab  zu  hauen 
14  g.  Bottenlohn  nach  meissen  vffzweymal wegen derpfar bauen 

2  g.  Botten  lohn  nach  Oschaz,  Als  der  pfarr  seit  predigen 

6  4  Einem  armen  gebrechlichen  manne 
2\'a  g.  von  des  pfarres  fenster  zu  bessern 
29  g.  1  ~i  für  Brett  in  der  kirchen  zu  dielen  vnd  des  pfar 
Badstuben  wie  kellerthür  vnd  gibel  zu  vorschlagen 

4  g.  3  ^  für  ßrednagl 

l'/s  g-  für  ein  band  vnd  Haspen  vnd  an  wurffgen  an  de& 
pfarres  kuestell 
1  g.  einem  Armen  feltschreiber 
1  g.  Einem  vortriebenen  pfarre 

6  -i  ein  gebrechlichen  manne  von  finsterwalde 
1  £•  Abgebrantten  Becken  von  meissen 
6  4  Eynem  Armen  lamen  mann 
37  g.  Schindel  zu  des  pfarres  feuer  meuer  wand  vnd  Schreiber 
Scheune  damit  zu  decken 

3  g.  3  -!f  für  Schindel  Nj^l  dismal 

30  g.  1  -rf  Arbeitter  lohn  Etliche  tag  zu  arbeitten,   in    der 

kirchen  zu  thieln,  in  der  pfar  zu  decken  vnd  zu  kleiben. 
8  g.  vorzertt,  wie  man  hatt  Verrechnung  gehaltten. 


400  Theodor  Vogel. 


1600. 
Gemeine  Ausgaben. 
36  g.  An  der  kirchrechnung  vorzert  vnd  do  der  kirchvatter 
berechnung  gethan 
4  g.  3  ^  für  eine  Rodehaue  zur  kirchen 
1  g.  Quartal  dem  kirchner  2  Mal 
l'/i  g-  Armen  Abgebranten  leutten 
1  g.  vor  kirchen  gerette  zu  waschen 
3  g.  vorzert  die  kirchvetter,  Als  sie  zu  den  bienen  ge- 
sehen haben. 
6  -4  Quartal  trinitaL 
1  g.  von  des  Schreibers  Zeune  zu  bessern 
'7  g.  4  -tT  von  Schoben  in  der  pfar  zu  machen 

7  g.  von  Schoben  Auff  zu  decken  in  der  pfarre 
6  g.  von  des  Schreibers  kessel  zu  bessern 

12  g.  dem  pfarrer,  Als  er  gen  Oschaz  zum  Sinodo  gezogen 

1  g.  Einem  Armen  manne 

6  ^  Quartal  Crucis 

3  g.  Botten  lohn  gehn  nossen  wegen  der  Rudelßdorffer 

band  Arbeit  in  der  pfarre 
41  g.  6  -j  für   Zaungertten   vnd    Arbeitterlohn   von    des 

pfarres  nauen  krezgartten  vnd  die  Andern  Zeune  zu 

bessern 
30  g.  An  des  pfarres  Röhrwasser  zu  Erbeitter  lohn 
2  Altte  scho.  von  des  pfarres  Stuben  vnd  küchen  zu  kleiben 
47  g.  für  Bretter  zu  der  kirchen 

8  g.  für  eine  eiche  zur  kirchspitzen 

2  g.  dem  Schiffer  gesellen  Drankgeltt,  den  han  Auff  die 

Spitze  zu  setzen 
1  scho.  24  g.   dem    Schiffertecker    von    den    kirchen    thurm    zu 
machen 
50  g.  für  Schiffer  steine 

4  g.  den  Zimmerleutten  von  der  kirchen  spitze  zu  machen 
1  scho.  12  g.  dem  Schiffertecker  ferner  Auff  rechnung  geben 

2  g.  von  den  Sparnen  Auff  das  gewelbe  zu  machen 
I  g.  dann  Auff  zu  setzen 
I  gutt  scho.  dem  Schiffertecker  Abermals  geben 


Aus  tltoi  Kirchrechnungen.  401 

4  g.  dem  furman,  der  die  Bretter  in  die  pfar  vnd  Anderswo 

hingefurt 
4  g.  Den  Beiden  Kirchvettern,  do  sie  die  Bretter  kaufft 
vnd  eichen  geholett  zu  der  pfarstuben  schwelle  vnd 
Nagel  geholett  vnd  sonsten  viel  mühe  gehabett. 
38  g.  für  Zwey  Rispen  zu  der  pfarstuben 
2  g.  die  kirchvetter  dismal  verzehret^  Als  sie  die  Rispen 

gekaufft. 
xj  g.  3  -j  die  Bauleutte  vorzehrtt,  Als  sie  die  pfarshiben 
vordinget  dem  Zimmerman. 
3  Naue  sehe,  dem   Zimmerman   Auff   rechnung   geben  den   10. 
sontag  trin. 

1  g.  dem  kirchvatter,  Als  er  Schiffer  geholet^  Bottenlohn. 

2  g.  den  beiden  kirchvettem,  Jeden  1  g.,  Als  sie  das  holtz 

zu  den  shiben  fenstem  her  geschafft  haben. 
2  g.  den  beiden  kirchvettem,  Jeden  1  g.,  Als  sie  die  Altte 

Stuben  eingerissen  haben. 
2  g.  dem    kirchvatter  Jeden,   Als   sie   die   klrche   dem 

Schiffertecker  vordinget  haben. 
2  g.  den  kirchvettem  Jeden  1  g.  Als  sie  das  holtz  zum 

gevelbe  hergeschafftt 
2  g.  den   beiden   kirchvettem  Jeden    1   g.,   Als  sie  den 
Arbeittem  Abgelonett,  den  Zimmerleutten  vnd  Schiffer- 
teckem. 
10  g.  von  des  pfarrs  Backoffen  zu  hauben  vnd  zu  bessern 
50  g.  für  bretter  zu  dem  gewelbe 
19  g.  Abermals  für  bretter  zu  der  pfarstuben 
2Vi  g.  für  Maß  zu  der  pfarstuben  vnd  Esterich. 
'2yi  N.  scho.  dem  Zimmerman  das  lohn  gar  entrichtet  von  der 
Stube 

14  g.  6^  für  Nagel  vnd Auch  für  Spamagel  zur  kirchen 

1  N.  scho.  9  g.  dem  Schifferdecker  Abermals  entrichtet. 

7  g.  für  einen  halben  scheffl  kalck  zur  kirchen 
4  g.  für  2  Stengen  holz  zur  kirch  Spitze. 
2  g.  der  den  Schiffer  Auffgetragen  vnd  Abgereumet 
14  g.  für  Bretter  zur  Pfarstuben 
22  g.  Von  der  pfarstuben  zu  dielen 

Archiv  t&r  KnltarKacbldite.    I,  *.  26 


4ttr 


Theodor  Vofid. 


4  g.  den  ZimergeseHen  zu  drankgelt  geben 
10  g,  6  -j  dem  Meuer  von  des  pf4UTfi$  kachel  offen 

zu  machen  '  '.  ?  j 

3Vi  g.  für  ein  virtl  Italic  zu  des  pferres  offen  fus 
10  g.  für  ein  halb  schock  kacheln  zu  des  pfarres  offen' 

8  4  von  des  Pfarres  offen  zu  machen 
42  g.  für  die  fenster  in  der  pfäfstuben 
30  g,  vorzehrt,  Als  die  Naue  stuben  ist  vorferttigel  worden 
6  g.  vorzertt,  Als  man  hat!  die  Register  vmb  geschrieben 
2  g.  zu  glocken  scbmehr 
'20  g.  von  den  Schiffer  steinen  zu  hellen  vff  Zwqen  mBif' 
Suniniä  ausgäbe  ingemein 
21  Scho.  i9  g. 


1 

1 


De«  ilalicnischen  Prieters  il  Theologen  Vincenzo  Laurtfici  R«'m.  403 


Des  italienischen  Priesters  und 
Theologen  Vincenzo  Laurefici  Reise 

durch  Deutschland, 
die  Niederlande   und   England    (1613). 

Von  ihm  selbst  beschrieben. 
Mitgeteilt  von  WALTER  FRIEDENSBURO. 

I. 

Wenn  man  wol  das  Reisen  zum  Vergnügen  als  eine  spezifisch 
moderne  Erscheinung,  die  zur  Signatur  unseres  Zeitalters  der 
Eisenbahnen  und  Dampfschiffe  gehört,  bezeichnen  mag,  so  be- 
greift sich  dochj  daß  es  auch  früher  in  keinem  Zeilalter  gänzlich 
an  Leuten  gefehlt  hat,  die  man  als  die  Vorläufer  der  gewaltigen 
Massen  von  Vergnügungs reisenden  der  Gegenwart  wird  betrachten 
dürfen,  nämlich  Personen,  die  sich  auf  Reisen  begaben,  ohne 
einen  geschäftlichen,  wissenschaftlichen,  gesundheitlichen  oder  son- 
stigen bestimmten  Anlaß  und  ohne  ein  anderes  Ziel  zu  verfolgen,  als 
ihre  Muße  inmitten  fremder  Gegenden  und  Menschen  in  angenehmer 
Weise  zu  verbringen.  Allerdings  gehörte  früher,  vor  der  Erfindung 
der  Eisenbahnen  und  der  Ausbildung  des  Völkerrechts,  bei  der 
Mangelhaftigkeit  der  Verkehrsmittel,  den  Belästigungen  durch  Zölle 
und  sonstige  Schranken,  mittels  derer  sich  nicht  nur  ein  Staat 
gegen  den  anderen,  sondern  insgemein  auch  kleinere  und  kleinste 
Teile  eines  gröüercn  staatlichen  Ganzen  gegen  einander  abschlössen, 
und  vor  allem  bei  der  Rechtsunsicherheit,  unter  der  der  Fremde 
sich  bewegte,  stets  ein  gewisser  Wagemut  dazu,  um  die  relative 
Sicherheit  der  gewohnten  heimischen  Zustände  freiwillig  mit  allen 
Unbequemlichkeiten  und  selbst  Gefahren  zu  vertauschen,  die  mit 
dem  Reisen  verknüpft  waren. 

So  sind  denn  auch  Reisebeschreibungen  aus  der  Vorzeit  wie 
diejenige,  die  wir  hier  mitteilen,  nicht  allzu  häufig.    Unsere  kleine 

20* 


Waltrr  Pnedensbur^. 


Schrift  rührt  von  einem  italienischen  Geistlichen  her  und  gehört 
den  Zeilen  unmittelbar  vor  Ausbruch  des  dreißigjährigen  Krieges 
an.  Indem  sie  uns  durch  große  Teile  des  südlichen  und  v-estlichen 
Deutschlands,  durch  die  Niederlande  und  bis  nach  England  führt, 
verbindet  sie  mit  der  Schilderung  der  Erlebnisse  des  Verfassers 
vielerlei  Mitteilungen  über  alles  das,  was  lelzlercra  in  den  besuchten 
Ländern  und  Städten  charakteristisch  erschien,  und  da  der  Italiener 
ein  offenes  Auge  und  im  allgemeinen  ein  unbefangenes  Urteil 
zeigt,  so  ist  dxis,  was  er  notiert,  insgemein  gut  beobachtet  und  wird 
auch  der  Aufmerksamkeit  des  Oeschichtsfrcundcs  und  insbesondere 
des  Kulturhistorikers  nicht  ganz  unwert  sein. 

Wir  entnehmen  die  Reisebeschreibung  dem  70.  Bande  der 
Biblioteca  Pia  oder  Piorum  des  Vatikanischen  Archivs,  einer  von 
letzterem  im  18.  Jahrhundert  erworbenen  Sammlung  von  Abschnfl- 
bänden  vermischten  Inhalts,  in  denen  gar  manches,  sonst  nicht  er- 
haltene Dokument  der  Nachwelt  aufbewahrt  geblieben  ist  Die 
Frage  allerdings,  auf  welchem  Wege  ein  Stück  in  diese  Sammlung 
gekommen  ist,  läßt  sich  nur  sehr  selten  beantworten;  auch  im 
vorliegenden  Fall  werden  wir  uns  bescheiden  müssen  zu  konstatieren, 
daß  die  vorliegende  Abschrift,  wenn  auch  dem  verlorenen  Original 
nicht  gleichzeitig,  doch  anscheinend  korrekt  und  soc^älüg  ihre 
Vorlage  wiedergibt. 

Im  be2eichneten  Sammelband  nimmt  unsere  Reisebeschreibung 
die  Blätter  115  bis  I22a  ein;  auf  der  Rückseite  des  letzten  Blattes 
wird  der  Verfasser  genannt,  es  ist  »Vincenzo  Laurefici,  teologo 
del  signor  ca,rdinal  Barberino".  Dagegen  fehlt  es  an  einer  Zeit- 
angabe oder  wenigstens  der  Bezeichnung  des  Jahres,  in  dem  die 
Reise  unternommen  wurde;  hierfür,  wie  für  alles  weitere,  sind 
wir  an  die  Schilderung  selbst  und  die  in  ihr  etwa  dargebotenen 
Anhaltspunkte  gewlesen. 

Und  an  solchen  fehlt  es  auch  nicht.  Wir  finden  vor  allem 
einen  Reichstag  erwähnt,  der  zu  Regensburg  versammelt  ist.  Dort, 
am  Orte  des  Reichstages,  befindet  sich  unser  Autor,  er  tritt  von 
dort  aus -und  zwar  in  den  ersten  Septembertagen -seine  Reise 
an.  Welcher  Reichstag  ist  damit  gemeint?  Die  ferneren  Angaben 
des  Verfassers  ermöglichen  es,  diese  Frage  in  einer  allen  Zweifel 
aussch liessenden  Welse  zu  beantworten.  Unser  Reisender  nämlich 


trifft  in  London  den  gelehrten  Isaak  Casaubon  an;  dieser  aber 
hatte  erst  nach  dem  Tode  König  Heinrichs  IV.  von  Frankreich 

L(t  Mai  1610),  einem  Rufe  Jakobs  I.  folgend,  seinen  Wohnsitz  nach 
Ifngland  verlegt  Hier,  in  der  enghschen  Hauptstadt,  verbrachte 
er  den  Rest  seines  Lebens  und  starb  bereits  am  l.  Juli  1614. 
Somit  gewinnen  wir  für  unsere  Reisebeschreibung  das  Jahr  1609 
als  terminus  post  quem  und  1614  als  terminus  ante  quem.  Inner- 
halb dieser  Periode  aber  haben  sich  die  Stände  des  deutschen 
Reiches  nur  einmal  versammelt,  nämlich  im  Jahre  1613^  wo  Kaiser 
Mathias  in  Regensburg  seinen  einzigen  Reichstag  abhielt;  auf  den 
24.  April  1613  berulen,  wurde  die  Versammlung  am  13.  August 
eröffnet  und  am  22.  Oktober  geschlossen.  Damit  haben  wir  also 
unsere  Reisebeschreibung  bis  aufs  Jahr  bestimmt:  die  Reise 
Laurefici's  hat  1613  stattgefunden.') 

Nicht  mit  gleicher  Bestimmtheit  vermögen  wir  anzugeben, 
■wie  unser  Reisender  nach  Regensburg  gekommen,  mit  anderen 
Worten:  wessen  Gefolge  oder  Begleitung  er  angehört  hat;  denn 
■wir  werden  nicht  annehmen  wollen,  daß  er  selbständig  und  für 
sich  allein  den  Reichstag  aufgesucht  habe  oder  etwa  rein  zufällig 
nach  Regensburg  gelangt  sei.  Das  wird  auch  durch  den  Schluß 
der  Rciscbcschreibung  ausgeschlossen,  wonach  Laurefici,  nachdem 
inzwischen  der  Reichstag  zum  Abschluß  gekommen  war,  dem  Kaiser 
^  nach  Oberösterreich  nachreist  —  offenbar,  um  seinen  Herrn, 
der  In  der  Begleitung  Mathias'  verblieben  sein  muß,  wieder  auf- 
zusuchen. Es  fragt  sich  nun,  wer  dieser  Herr  unseres  Theologen 
gewesen  sei?  Jedenfalls  nicht  der  Kardinal  Barberini,  wie  man 
zunächst  veniiuten  würde;  denn  dieser,  Maffco  Barbcrini,  der  Be- 
gründer der  Grolle  seiner  Familie,^  war  nicht  in  DeutschEand; 


I 


i>Det  SchitiB  Ut  lotvln^nul,  diß  n  luclt  dnivh  die  Angabe  iii  Anfang  der  Reiirbe- 
■thrcibunc  nicht  er»chüriert  wird.  Autor  hat*  RtKenibuig  »ni  .UonncrsWg,  dm  l.S^pMinlJo-' 
VCfliwen.  Im  Jaht«  IdJJ  ninillch  )i*l  d«"  *,  Scpiriiiber  richi  lul  dnen  Donn?[itiiK>  "^1 
«brt  1614.  Oflrnbai  liegt  rntvrdrr  ein  ^tirtib-  odet  dn  rrinnM)in£lJchl«r  VOT.  —  Du 
Jtia  lei*  «ire  äbrisens,  venn  es  noch  veilerei  Er4neruns>en  btdOrfte,  luch  dadurcli  uatt- 
KkkMtcn,  cIiU.  wir  Cauubun,  lo  auch  der  von  unserem  Autor  ebcfifitU  noch  IcbriiiJ  aw- 
gCBoffRiic  Munis  Weiler  von  Augiburg  binnen  Jthrcstriil  clanich  emorbm  iil  (t  O-  Innl 
lftM>.  Wir  gtTijintn  hicriuv  iber.  ichdnt  mir,  auch  eimen  Hinveit  auf  die  Abtanunici- 
leil  nmerer  ReiKbcicJircibung;  augriifällifi  halle  derAutot.  da  er  »ein  Werhchen  rcdificrlc, 
BOtii  krtnc  Kmdc  von  dein  Tode  ittätr  Ott  Ouaubon,  nocA  Welten;  dl«  Abfinung 
■ntifi  ilao  drr  RelM  telbaC  binnen  wenigen  Monaten  grfot[[l  «e^n. 
^  >|  Er  batitz  1^23  den  päpttlichen  Thron  alt  Urbu  VIU  (t  1M4I. 

■ 


er  versah  damals  die  päpstliche  Leg;ation  in  Bologna.')  AU  Ver- 
treter des  Papstes  dagegen  volinten  dem  Reichstage  von  Regens- 
biirg  der  Kardina!  Ludwig  Madruzzo  Bischof  von  Trient  als 
apostolischer  Legat  und  der  Bischof  von  Melfi  Pladdus  de  Marra 
in  der  Eigenschaft  eines  ordentlichen  Nuntius  bei.  Von  diesen  ver- 
ließ Madruzzo  den  Reichstag  bereits  am  12.  Oktober,*)  in  einem 
Augenblick,  da  Laurefici,  ohne  der  Heimreise  zu  gedenken,  noch 
in  der  Ferne  verweilte;  augenscheinhch  war  er  also  in  seinen 
Dispositionen  nicht  an  die  Bewegungen  Madruzzo's  gebunden. 
So  bleibt  als  die  wahrscheinlichste  Annahme,  daü  Laurefici  zur 
Begleitung  des  genannten  Nuntius  gehört  habe,  der  auch,  wie  es 
seines  Amtes  war,  ohne  Zweifel  nach  dem  Reichstag  in  der  Um- 
gebung des  Kaisers  verblieben  sein  wird.  Der  Kardinal  Bar- 
berini,  als  dessen  Theologe  unser  Autor  bezeichnet  wird,  mag 
diesen  fDr  längere  oder  kürzere  Zeit  dem  Nuntius  beigegeben 
haben.  Das  genauere  entzieht  sich  atleniings  unserer  Kenntnis^ 
in  den  Akten  des  Kardinals  Maffeo  aus  dieser  Zeit^)  wird  Laure- 
fici nicht  erwähnt,  die  Nuntiaturakten  des  Bischofs  von  Melfi  abtr 
sind  in  Rom  nicht  vorhanden.*)  War  jedoch^  wie  zu  vermuten, 
Laurefici  dem  Nuntius  unterslelh  und  in  dessen  Begleitung  nach 
Regensburg  gekommen,  so  fand  sich  am  Reichstag  wohl  keine  Ver- 
wendung für  ihn,  und  die  Muße,  die  ihm  dergestalt  erwuchs,  hat 
dann  Laurefici  zu  jener  Reise  benutzt,  deren  Beschreibung  vrir 
hier  mitteilen. 

Laurefici  war  im  Reisen  kein  Neuling;  wie  er  gelegentlich  er- 
wähnt, hatte  er  sieben  Jahre  früher,  also  im  Jahi^  1606,  schon 
einmal  -  wir  wissen  nicht,  bei  welcher  Veranlassung  -  die  Nieder- 
lande besucht.  Klar  war  ihm,  daii  er  nicht  in  dem  Habtt  des 
katholischen  Geistlichen  werde  reisen  können;  erwählte  ein  Laicn- 


■}  Ein  Britfrtgii'trr  Bwbcrinl»  all  Legtlcn  von  Bologna,  von  1611  bis  I6U  reichend, 
find«  Sich  Im  VMtluniKhw  Archiv  (Viri»  Potiik,  \-ol.  IM/. 

•■[  Ueb«  Midntziuii  Anlcilnihmc  »m  K(ifcniburn«r  Kciclnüig  igt  adnc  «om 
D.  NoveinbrT  1613  dili'rrte  Rdilioiic  della  dirta  Imprnile  Im  Vilikan.  Archiv  Bar^»iaiu  I 
v&l.  llVIlfi,  Vel.  aach  lein  Drlctreciitcr  in  Rom.  Bibt.  Birbvrfm  0<W  Vitikan.  AicUv) 
UtV,  1. 

■)  Vsl.  oben  Anmerkung  1. 

*5  Nor  find«!  »Ich  do(t  »uch  »«n  Mam  «In  B«iiotii  ülwr  den  Reichttag:  R«la(iune 
dclh  dieu  iDipcrlale  di  EtiUiboica  dcir  anno  Ibl3.  data  da  moniicnor  di  MdN  amtiO: 
BorElnti.  I.  vol.  11^/1  IC. 


Des  italienischen  Piieslers  u.  Theologen  Vincenzo  Laiirefici  Reise.   407 


kostüm,  das  er  uns  nicht  ohne  Humor  beschreibl;  einen  Anzug 
von  mehrfarbigem,  wohl  karrierten  oder  gestreiften  Londoner  Tuch; 
dazu  kaufte  er  in  Nürnberg  ein  gutes  Schwert  Er  glich  so  einem 
reisenden  Kaufmann;  da  er  indessen  nicht  für  einen  solchen  gelten 
wotlle,  so  suchte  er  durch  die  Wahl  einer  etwas  phantastischen 
Kopfbedeckung  den  alizu  soliden  Eindruck  seiner  Erscheinung  zu 
modifizieren  und  zog  nun,  wie  er  sich  ausdrückt,  als  ein  Mittel- 
ding zwischen  Soldat  und  Kaufmann  einher.  Eine  bestimmte 
Route  wählte  er  nicht,  sondern  ließ  es  darauf  ankommen,  wohin 
ihn  seine  Neigung  und  jeweils  sich  darbietende  Gelegenheit  führen 
würde.  Nur  eine  Vor^ichlsmafJregel  traf  er;  er  teilte  seine  Bar- 
schaft in  zwei  gleiche  Teile  und  tat  jede  Hälfte  in  eine  besondere 
Börse,  von  denen  die  eine  für  die  Hinreise,  die  andere  für  die 
Rückreise  bestimmt  war;  die  Erschöpfung  des  ersten  Beutels  sollte 
ihm  dergestalt  eine  Mahnung  sein,  der  Heimreise  zu  gedenken. 

Wir  folgen  unserem  Autor  ein  wenig  auf  seinen  Fahrten. 

Nachdem  er  am  4.  oder  5.  September  Regensburg  verlassen 
halte,  nahm  er  seinen  Weg  auf  Nürnberg.  Die  mannigfaltigen 
Industrien  der  alten  Reichsstadt  erfüllten  ihn  mit  Bewunderung, 
doch  kann  unser  Reisender  seine  Mißbilligung  darüber  nicht  ver- 
hehlen, daß  in  Nürnberg,  wo  der  katholische  Kultus  streng  ver- 
boten ist,  gieichwol  Katholiken  schnöden,  irdischen  Gewinns  halber 
sich  niedergelassen  haben.  VonNümbergaus  schließt  sich  nun  unser 
Autor  Kaufleuten  derStadt  an,  die  zur  Frankfurter  Herbstmesse  reisen. 
Aber  die  Gesellschaft  gefällt  dem  nüchternen  Italiener  nicht  be- 
sonders; er  klagt  über  den  großen  Aufwand  und  die  Schlemmerei, 
der  sich  seine  Begleiter  unterwegs  hingeben;  jede  Mahlzeit  ge- 
staltet sich  zu  einem  förmlichen  Gelage,  Musik  darf  nicht  fehlen: 
sie  begleitet  zumal  das  unter  sonderlichen  Bräuchen  sich  voll- 
ziehende unmäßige  Pokulieren.  An  und  für  sich  ist  freilich  unser 
Autor  auch  kein  Verächter  eines  guten  Trunkes;  köstlich  nmndet 
ihm  der  Frankenwein  in  Würzburg,  wo  gleichzeitig  auch  sein 
katholischer  Sinn  sein  Genüge  findet;  steht  doch  schon  seit  40 
Jahren  an  der  Spitze  des  Bistums  Julius  Echter,  der  aus  der  Diözese 
die  Ketzer  verjagt  hat  und  die  Jesuiten  begünstigt;  die  wahre 
Ruhmestat  des  Bischofs,  die  Anlegung  des  Hospitals,  das  noch 
heute  seinen  Namen  fortleben  läßt,  entgehl  freilich  dem  Blick  des 


I 


406 


Walter  Friedtnsburg. 


Besuchers.  Doch  vird  Wßrzbiirg  nur  flüchtig  berßhrt;  es  geht 
weiter  Mainabvrärts  auf  Frankfurt  zu.  Barken  auf  dem  Fluß  mit 
allerlei  Waren  gefüllt,  künden  die  Nähe  der  blühenden  Stadt  an; 
in  Frankfurt  selbst  aber  nehmen  besonders  die  Bücherläden  die 
Aufmerksamkeit  Laureficis  in  Anspruch;  er  zählt  deren  sechzig, 
die,  wie  er  zu  seiner  Betrübnis  konstatieren  muß,  zu  einem  guten 
Teil  Ketzerbücher  vertreiben,  Drucke  aus  Genf,  Wittenberg  und 
StraBburg,  die  die  einzelnen  Buchführcr  gegen  einander  aus- 
tauschen. 

In  Frankfurt  löst  sich  die  Reisegesellschaft  auf.  So  kann 
Laurefici  hier  einige  Tage  verweilen^  die  er  benutzt,  um  das  Leben 
und  Treiben  der  Messe  näher  zu  beschauen;  auch  unternimmt  er 
einen  Ausflug  nach  «Neu-Gcnf",  d.  i.  Hanau,  wo  kurz  zuvor 
eine  Kolonie  gewerb  fleißiger  calvinistischer  Flamländcr  entstanden 
war,  die  um  ihres  Glaubens  willen  aus  dem  Vatcrlande  vertrieben, 
auch  in  dem  streng  lutherischen  Frankfurt  keine  Aufnahme  ge- 
funden, dagegen  von  dem  Landgrafen  Ludveig  I.  von  Hessen- 
Darmstadt  die  Erlaubnis  erhalten  hatten,  sich  in  seinem  Gebiet 
niederzulassen  und  dort  nach  ihren  religiösen  Bräuchen  zu  leben. 

In  Frankfurt  fand  sich  eine  neue  Reisegesellschaft  zusammen, 
nämlich  zwei  Kaufleute,  die  nach  Amsterdam  reisten,  ein  Holländer 
und  ein  Italiener.  Mit  ihnen  zog  laurefici  zuerst  nach 
Mainz,  wo  er  das  Jesuitenkolleg  besuchte,  dann  ging  es  zu  Schiff 
Rheinabwärts.  In  Bingen  ließ  sich  unser  Reisender  die  Sage  vom 
M^useturm  erzählerij  in  Koblenz  sah  er  die  Mündung  der  Mosel, 
aber  erst  in  Bacharach  wurde  Station  gemacht  und  zwar  um  am 
Altar  des  Bacchus  (»Bacchi  Ära")  zu  opfern,  eine  Obliegenheit, 
der  sich  unser  Autor  mit  Vergnügen  unterzog;  fand  er  doch 
heraus,  daß  Bacharachs  Ruhm  als  vorzüglicher  Weinort  nicht  un- 
berechtigt sei:  seinen  Wirt  aber  mit  dem  weingerötelen  Gesicht 
vergleicht  er  einem  Silen;  dieser  erscheint  ihm  als  der  Typus  des 
deutschen  Weinwirts  überhaupt 

In  Köln,  der  Stadt  der  heiligen  drei  Könige,  wo  es  so  viele 
Kirchen  geben  soll,  wie  Tage  im  Jahr,  verweilt  die  Gesellschaft 
vier  Tage,  da  der  Hollander  hier  seine  ebenfalls  des  Handels  be- 
flissenen weiblichen  Bekannten  aufsuchen  will,  die  sich  auch 
unsers  Verfassers  freundlich  annehmen.     Endlich  geht  es  weiter, 


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an  der  von  Spaniern  und  Italienern  besetiten  Festung  Rheinberg 
vorbei,  wo  Laurcfici  seine  Landsleute  begrQßl,  über  die  holländische 
Grenze;  ein  dort  mitten  im  Rhein  belegenes  Fort  der  Holländer 
wird  besichtigt,  dann  geht  die  Fahrt  weiter  bis  Amhem,  wo  man 
landet.  Über  Utrecht,  wo  der  Verfasser  der  nüchternen  calvinischen 
Art  der  Gottesverehrung  gedenkt,  Tührt  der  Weg,  dessen  Ziel  die 
wunderbare  Sladt  Amsterdam  bildet.  Deiche,  Gräben,  schiffbare 
Kanäle  bezeichnen  die  Route,  die  Stadt  scheint  ganz  im  Wasser 
zu  liegen,  überragt  von  dichten  Reihen  von  Mastbäumen;  füllen 
doch  nicht  weniger  als  dreizehnhundert  Handelsschiffe  den  Hafen. 
In  Amsterdam  verlassen  unsem  Verfasser  seine  Reisegefährten;  er 
überbringt  aber  Empfehlungsbriefe  an  gewisse  Kaufleute  in  Am- 
sterdam, natürlich  katholischer  Konfession,  die  ihm  dann  die  Be- 
kanntschaft aller  Sehenswürdigkeiten  vermitteln.  Die  Katholiken, 
vernimmt  er  bei  diesem  Anlaß,  erfreuen  sich  bei  dem  Handelsvolk 
weitgehender  Toleranz;  allerdings  ist  die  Messe  verboten,  aber 
tatsächlich  kümmert  sich  die  Regierung  nicht  um  das,  was  ein 
jeder  in  seinem  Hause  treibt.  Eine  nicht  unbedeutende  Zahl  ka- 
tholischer Priester  lebt  in  Amsterdam;  man  kennt  sie  ganz  gut, 
läßt  sie  aber,  sofern  sie  nur  nicht  selbst  die  Aufmerksamkeit  auf 
sich  ziehen,  unbehelligt 

Unser  Verfasser  staunt  über  die  Größe  und  BLOte  Am- 
sterdams und  die  vielen  gemeinnützigen  Anstatten,  Hospitäler, 
Waisenhäuser  u.  s.  w;  auch  die  Töchter  der  Freude  sind  ka- 
serniert. Im  ■ilndienhaus"  betrachtet  er  die  Trophäen  aus  dem 
spanischen  Kriege.  Übrigens  ist  die  Stadt  noch  in  der  Er- 
weiterung begriffen;  ein  neues  Amsterdam  entsteht  neben  dem 
alten  -  offenbar  unter  der  Einwirkung  des  hergestellten  Friedens 
nach  so  langen  kriegerisch-unruhigen  Zeiten.  Das  Straßenbild 
Amsterdams  erhält  seinen  Charakter  durch  die  Kanäle  („Grachten") 
mit  baumbcflanzten  Kais;  zu  dem  Bilde  der  Landschaft  aber  ge- 
hören auch  die  Windmühlen,  die  ebensowohl  einer  mannigfachen 
Industrie  wie  der  Austrocknung  des  Bodens  dienen.  Zwar  zum 
Anbau  von  Körnerfrucht  eignet  sich  das  Terrain  nicht;  wol  aber 
gewährt  es  saftige  Wiesen  zu  ausgedehntester  Viehzucht.  Der 
holländische  Typus  tritt  dem  Verfasser  besonders  in  den  Milch- 
mädchen entgegen,  frisch  und  anmutig  wie  aus  Milch  und  Rosen 


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zusammengesetzt,  vor  allem  »blitzsauber«;  treibt  man  doch  —  so 
erscheint  es  dem  Italiener  —  mit  der  Reinlichkeit  einen  förmlichen 
Kulhis  in  Holland. 

Nach  Amsterdam  besucht  Laurefici  Harlem,  dessen  feine 
Leinwand  er  rühmt,  und  Leiden  mit  seiner  vieEgefeienen  Hoch- 
schule. Unser  Verfasser  muß  zugeben,  daU  die  Lectoren  der 
Philosophie  und  der  Humaniora  vortrefflich  sind;  die  Theologie 
freilich  riecht  ihm  nach  caJvinischer  Ketzerei.  Es  folgt  Haag,  welches 
im  Gegensatz  zu  dem  beweglen  Handelszentrum  Amsterdam 
den  Eindruck  einer  vornehmen  Villensladt  macht;  hier  residiert 
«Seine  Exzellenz",  nämlich  der  Stalthalter  Qraf  Moritz  von  Oranten. 
Mit  der  Geschichte  der  Oranier  ist  auch  das  benachbarte  Delft  — 
freilich  in  trüber  Weise  —  verknüpft;  dort  endete  Wilhelm  der 
Befreier  sein  Leben  unter  dem  Dolche  des  Meuchelmörders.  Von 
Delft  wird  noch  am  gleichen  Tage  Rotterdam  erreicht,  der  Well- 
geschichte angehörend  als  Geburtsort  des  Erasmus,  dessen 
Denkmal  unser  Reisender  bewundert.  Dann  geht  es  zu  Wasaer 
nach  Dortrecht  und  weiter  bis  in  die  äußersten  Teile  von  Seeland, 
welches  von  zahlreichen  Wasserläufen  durchschnitten,  aus  lauter 
einzelnen  Inseln  zu  bestehen  scheint. 

Der  Verfasser  gelangt  bis  Vliessingen,  wo  ihm  die  Lust  kommt, 
nach  England  überzusetzen.  Trotz  ungünstigen  Wetters  akkordiert 
er  mit  einem  Schiffer  und  sticht  in  See;  aber  der  Weltengang 
treibt  ihn  zurück,  nachdem  er  kaum  den  Hafen  verlassen.  Unser 
Reisender  gibt  daher  den  Plan  auf  und  besteigt  statt  dessen  am 
nächsten  Tage  ein  Fahrzeug,  das  ihn  nach  Flandern  bringen  soll; 
unterwegs  aber  gerät  er  in  eine  recht  bedenkliche  Situation.  Andert- 
halb Stunden  vor  Sluys  nämlich  bleibt  das  Schiff  wegen  des  nie- 
drigen Wasserstandes  liegen ;  erst  die  nächste  Flut  kann  es  wieder 
flott  machen.  Da  aber  die  Mitreisenden  es  sämtlich  vorzogen,  obwohl 
der  Abend  nicht  mehr  fem  war,  den  Weg  his  zur  Stadt  auf  dem  Deich 
zu  Fuß  zu  machen,  so  wollte  auch  unser  Italiener  nicht  allein  auf  dem 
Schiff  ausharren,  sondern  schloß  sich  den  übrigen  an,  machte  aber 
alsbald  die  unerfreuliche  Wahrnehmung,  daß  er,  durch  sein  Oepick 
und  einen  langen  Mantel,  sowie  den  Säbel  an  der  Seite,  beschwert, 
mit  jenen  nicht  Schritt  zu  halten  vermochte,  sondern  auf  dem 
morastigen  Boden  des  Deichs  nur  langsam  und  mit  Anstrengung 


Des  italienischen  Priesters  u.  Theologen  Vincenzo  Ijurefici  Reise.   411 


vorwärtskam.  Darüber  brach  nichtnurdie  Dämmerung  herein,  sondern 
es  Itam  auch  ein  dichter  Nebel  auf,  der  dem  einsamen  Wanderer 
den  Anblick  der  Stadt,  der  er  zustrebte,  sowie  selbst  den  seiner 
vor  Ihm  hergehenden  Mitreisenden  bald  gänzlich  entzog.  Dabei 
(eilten  sich  die  Deiche  vielfach  und  Wind  und  Regen  machten 
die  Situation  noch  unbehaglicher.  Aitch  entsann  sich  unser  Rei- 
sender schauriger  Geschichten  von  Fremden,  die,  in  diesen  Ge- 
genden allein  angetroffen,  von  den  Bauern  ermordet  sein  sollten. 
So  schritt  er  in  nichts  weniger  als  behaglicher  Stimmung  nur 
unsicheren  Fußspuren,  wo  er  deren  wahrnehmen  konnte,  folgend, 
in  fast  völliger  Dunkelheit  geraume  Zeit  aufs  Geratewohl  vorwärts, 
bis  er  zu  seiner  unermeßlichen  Erleichterung  auf  einen  Kanalann 
stieß,  jenseits  dessen  das  Kastell  von  Sluys  emporragte.  Man 
sandte  ihm  von  dort  ein  Boot  zur  Überfahrt  und  ließ  ihn  auch 
zuvorkommend  trotz  der  späten  Shinde  in  die  Stadt  ein. 

Das  dergestalt  noch  glücklich  verlaufene  Abenteuer  entmutigte 
unseren  Reisenden  so  wenig,  daß  er  vielmehr  alsbald  auf  seinen 
Plan,  den  Britischen  Inseln  einen  Besuch  abzustatten,  zurückkam 
und  ihn  dieses  mal  auch  zur  Ausführung  brachte.  Er  ging  über 
Brügge  und  Nieuport  nach  Dünkirchen,  wo  er  ein  Schiff  fand, 
das  Im  Begriff  war,  nach  England  Segel  zu  machen.  Nicht  ganz 
ohne  Gefahr  wegen  der  vorgelagerten  Sandbänke  gelangte  man 
in  die  Mündung  der  Themse  und  landete  in  Gravesend.  Hier 
wurde  eine  Barke  bestiegen,  die  in  anmutiger  Fahrt  nach  London 
führte.  Großartig  war  vom  Fluß  aus  der  Anblick  der  Stadt,  über 
deren  Ausdehnung  unser  Reisender  staunte;  im  Innern  freilich  fiel 
ihm  unliebsam  die  Unsauberkeit  und  die  Enge  der  Straßen  auf. 
Unter  den  zahlreichen  Kirchen  notiert  er  die  Paulskirche  und 
SL  Peter,  oder,  wie  wir  gewohnt  sind  zu  sagen,  die  Westmlnster- 
abtci,  mit  den  Gräbern  der  englischen  Könige,  unter  denen  Laure- 
fici  das  Grabmal  des  crsien  Tudor  hervorhebt;  weniger  gefällt 
ihm  das  Monument,  welches  der  letzten  Tudor,  der  grollen  Feindin 
des  Katholizismus,  Elisabeth,  errichtet  Ist,  und  er  kann  sich  nicht 
versagen,  an  der  prunkenden  Inschrift,  die  die  Ruhmestaten  der  jung- 
fräulichen Königin  aufzählt,  von  seinem  Slandpunkl  aus  Kritikzu  üben. 
Den  regierenden  König  Jakob  I  Stuart  sah  er  zu  Hamptoncourt 
und  hernach  auch  In  London,  doch  gibt  er  nicht  an,   welchen 


Eindruck  er  von  dem  Monarchen  erhalten.  Aber  mehr  als  alles 
inleressiert  unseren  Beobachter  das  allgemeine  Leben  und  Treiben 
der  Weltstadt,  wie  es  sich  auf  den  Straßen  und  besonders  auf 
den  Märkten  kundgibt.  Er  bewundert  die  riesenhaften  Vorräte, 
die  er  auf  diesen  aufgestapelt  findet.  Dabei  vermerkt  er  als  eine 
England  eigentümliche  Sitte,  daß  die  Bäuerinnen,  die  ihre  Waren 
zu  Markt  bringen,  zu  Pferde  erscheinen.  Auch  die  Damen  der 
Gesellschaft  reisen  zu  Pferde:  wie  unser  Berichterstatter  meint, 
um  ihre  Schönheit  desto  besser  zu  Gesicht  zu  bringen.  Ein  ihm 
trefflich  mundender  Leckerbissen  sind  die  Austern;  in  ganzen  Schiffs- 
ladungen herbeigeführt,  sind  sie  so  billig,  daß  er  sich  daran  nach 
Herzenslust  gütlich  tun  kann,  er  vergleicht  sie  den  erlesensten 
Produkten  seiner  fieimat.  Aber  der  Aufenthalt  in  den  Tabcmen 
wird  unserem  Reisenden  durch  eine  sehr  leidige  Gewohnheit 
verdorben,  der  die  Engländer  seil  kurzem  fröhnen:  das  ist  das 
Tabakrauchenj  über  das  Laurefici  die  Schale  seines  Zorns  ausgiefit; 
wir  sehen  daraus,  eine  wie  große  Verbreitung  das  Rauchen  bereits 
damals  in  England  oder  wenigstens  in  der  Hauptstadt  gefunden 
halte. 

Erfreulicher  für  Laurefici  war  die  kirchliche  Toleranz,  die  er 
im  Inselreich  gegen  Erwarten  antraf.  Man  hatte  ihm  geraten, 
seine  Bücher,  unter  denen  sich  ein  Brevier  und  andere  geistliche 
Lektüre  befand,  in  Flandern  zurückzulassen,  und  er  war  diesem 
Rate  gefolgt,  fand  dann  aber,  daß  die  Visilalion  beim  Eintritt  in 
England  weitaus  nicht  so  streng  gehandhabt  wurde,  wie  man  ihm 
vorgestellt  hatte,  sodaß  er  bedauerte,  jene  Bücher  von  sich  gelassen 
zu  haben.  Auch  im  übrigen  bemerkte  er,  daß  man  den  Katholiken 
nicht  allzu  scharf  auf  die  Finger  passe.  Fand  er  doch  bei  den 
Buchhändlern  sogar  Schriften  von  Jesuiten.  Auch  halle  in  den 
Häusern  der  katholischen  Gesandten  täglich  Messe  statt,  und  die 
Polizei  ließ  es  geschehen,  dali  selbst  Einheimische  sich  zur  Teil- 
nahme einstellten.  Den  Fremden  aber  kamen  sogar  die  Gastwirte 
in  der  Weise  entgegen,  daß  sie  ihnen  Freitags  und  Samstags  Fasten- 
speisen vorsetzten. 

Inzwischen  geht  die  Zeit  zu  Ende,  die  sich  Laurefid  für 
den  Aufenthalt  in  England  angesetzt  hat;  aber  nur  mit  Schaudern 
gedeiTkt    er    der   Rückfahrt,  die   in  jener   herbstlichen  Jahreszeit 


I>es  iUEienisdien  Priesters  u,  Theologen  Vincenzo  Laiirefici  Reise.   4t3 


recht  stürmisch  ru  werden  verspricht.  Oleichwoht  muß  es  gewagt 
sein.  Er  gehl,  indem  er  unterwegs  noch  Canterbury,  die  Stadt 
des  heiligen  Thomas,  flüchtig  kennen  lernt,  nach  Dover  und  ver- 
traut sich  einem  nach  Calais  bestimmten  Schiffe  an.  Die  Über- 
fahrt rechtfertigte  dann  allerdings  seine  Befürchtungen.  Eine  Gondel 

■  führt  ihn  an  das  außerhalb  des  Hafens  liegende  Schiff;  während 
ersterc  von  den  Wellen  geschaukelt  wird,   muiJ  er  im  Sprunge 

_  das  von  dem  Schiff  niederhängende  Tau  ergreifen  und  sich  so 
I  an  Bord  schwingen.  Da  steht  er  dann  an  den  Mastbaum  gelehnt, 
die  Blicke  starr  auf  einen  Punkt  geheftet,  da  ihm  der  Schwinde! 
nicht  erlaubt,  den  Kopf  zu  bewegen.  Ohne  Wissen  der  Passagiere 
führt  der  Kapitän  im  Schiffsraum  Pferde  mit,  die  während  des 
Sturmes  einen  entsetzlichen  Lärm  vollführen,  sodaß  die  Mitreisenden 
verlangen,  sie  ins  Meer  zu  werfen.  Nur  mit  Mühe  rettet  der 
Kapitän  seine  kostbare  Ware.  Endlich  kommt,  nachdem  man 
zuerst  westwärts  gegen  Boulogne  hin  abgetrieben  war,  Calais  in 
Sicht    Kaum  gelandet  schickt  Laurefici  ein  brünstiges  Dankgebet 

»zum  Himmel;  er  fühlt  sich  wie  aus  enger  Haft  entronnen,  ja 
ganz  England  erscheint  ihm  wie  ein  riesiges  Gefängnis,  dessen 
Insassen  vom  tosenden  Meer  bewacht  wcrdenl 

IAls  unser  Verfasser  in  Calais  eintrafj  war  der  Heringsfang 
auf  dem  Höhepunkt;  er  bewundert  die  Menge  der  Fische,  nie 
hat  er  deren  so  viel  beisammen  gesehen.  Die  Weiterreise  ging 
dann  an  der  Küste  entlang  über  Qravelingen,  Dünkirchen,  Nieuport 
nach  Ostende,  welches  Laurefici  noch  halbwegs  in  Trümmern  vor- 
fand. Von  Oslende  gelangt  er  nach  ßritgge.  Er  hätte  gewünscht, 
I  von  hier  aus  durch  Lothringen  und  das  burgundische  Land  die 
Schweiz  zu  erreichen  und  durch  diese  nach  Oberdeutschland 
zurückzukehren;  doch  fand  er  keine  Reisegesellschaft,  und  allein 

■  zu  reisen  erschien  allzu  gewagt.    So  entschloß  er  sich,  die  Route 
nach  Köln  einzuschlagen.     Unterwegs  sah   er  den   im  Bau  be- 

Igriffenen  neuen  Schiffahrtskanal,  der  von  Ostende  über  Brügge 
nach  Gent  führte;  dreitausend  Arbeiter  waren  daran  tätig.  Der 
Weg  führte  über  Löwen,  an  de^en  altberühmter  Universität,  einer 
Hochburg  des  Katholizismus,  Laurefici  einige  der  damaligen  Größen, 
vor  allen  Dupiiy  (Puteanus),  den  Nachfolger  des  sieben  Jahre 
zuvor    verstorbenen    Justus    LipsiuSj    hörte.     Weiter    ging    es 


über  Namur  mit  der  Mündung  der  Sambre  in  die  Maaß  und 
dann  durch  den  grollen  Kohlen-  und  Eisenbezirk,  dessen 
Zentrum  Lüttich  ist  War  die  Reise  bisher  meist  zu  Schiff  ge- 
gangen, so  zog  unser  Autor  auch  jetet,  statt,  wie  er  anfangs  be- 
absichtigt hatte,  den  direkten  Weg  nach  Aachen  einzuschlagen,  die 
Weiterfahrt  auf  der  Maaß  vor,  die  ihn  bis  Mastricht  brachte. 
Hier  aber,  vo  er  nun  den  F!uR  verlassen  mußte,  vernahm  er  zu 
seiner  Bestürzung,  daß  der  Weg  über  Land  durch  Räuber  und 
allerlei  Gesindel  unsicher  gemacht  werde.  Er  versah  sich  daher 
mit  einem  bewaffneten  Oeleitsmann  und  kam  so  auch  ungefährdet 
nach  Aachen,  dessen  heiße  Quellen  er  bewunderte;  er  vermerkt 
dabei,  daß  hier,  wie  Oberhaupt  in  ganz  Deutschland,  Frauen  auch 
die  Männer  beim  Baden  zu  bedienen  pflegen.  Auch  die  QaJmei- 
gmben,  die  einzigen  der  Welt  nach  der  Versicherung  unseres 
Autors,  besichtigte  dieser.  Aber  mit  großer  Unruhe  sah  er  der 
Fortsetzung  der  Reise  entgegen;  nach  dem,  was  man  ihm  in  Aachen 
-  wo!  übertreibend  -  mitlcille,  sollte  eine  organisierte  Räuber- 
bande, die  ihren  Mittelpunkt  in  Bonn  habe,  seit  zwanzig  Jahren 
weit  und  breit  die  Wege  unsicher  machen;  zahlreiche  geheimnis- 
volle Mordtaten  wurden  ihr  zur  Last  gelegt  Allerdings  sei  man 
der  Bande  neuerdings  auf  die  Spur  gekommen,  aber  sie  auszu- 
rotten sei  noch  nicht  gelungen.  Auch  abgedankte  Soldaten  sollten 
marodierend  umherschweifen.  Allein  unser  Reisender  hatte  keine 
Wahl;  die  Zeit  war  schon  vorgeschritten,  und  der  bedenklich  ab- 
nehmende Inhalt  seiner  zweiten  Geldbörse  gestattete  ihm  nicht 
mehr,  weite  Umwege  zu  machen.  Doch  nahm  er  sich  zwei 
Wallonische  Soldaten,  denen  er  freilich  auch  nicht  ganz  traute, 
mit  und  bewaffnete  sich  mit  einer  Pistole,  von  der  er  dann  freilich 
zu  seiner  großen  Erleichterung  keine  Gelegenheit  fand  Gebrauch 
zu  machen.  Einmal  nur  traf  er  mit  vier  Bewaffneten  zusammen, 
die  ihm  verdächtig  erschienen;  aber  es  stellte  sich  dann  heraus, 
daß  jene  nicht  auf  Gewalttat  sannen,  sondern  ebenso  wie  er  selbst 
zu  ihrem  Schutz  bewaffnet  einherzogen;  die  beiden  kleinen  Ge- 
sellschaften taten  sich  dann  zusammen  und  passierten  mit  einander  die 
gefürchteten  Waldungen,  ohne  weitere  Abenteuer  zu  erleben. 
Allein  die  überstandene  Furcht  wirkt  noch  in  der  Beschreibung 
Laureficis  nach;  er  kann  sich  nicht  enthalten,  hier  einige  heftige 


Des  italienischen  Priesters  u.  Theologen  Vincenzo  Laurefici  Reise.   415 

Ausfälle  gegen  die  Deutschen  zu  machen;  deren  gepriesene  Einfalt, 
meini  er,  sei  lediglich  Unwissenheit  und^  wenn  man  ihnen  nach- 
rühme, daß  sie  frei  von  Lastern  seien,  so  gelte  das  höchstens 
soweit,  wie  sie  das  Laster  nicht  kennen;  haben  sie  aber  mit  einem 
Lasier  Bekanntschaft  gemacht,  so  sind  sie  darauf  mehr  versessen 
und  halten  es  hartnäckiger  fest,  als  irgend  eine  andere  Nation. 
Wir  lassen  diese  Urteile  unseres  geängstigten  Reisenden  auf  sich 
beruhen,  indem  wir  ihnen  objektiv  nur  das  entnehmen,  d&li  unsere 
Landsleute  bei  den  Romanen  damals  in  dem  Rufe  altvaterischer 
Ehrbarkeit  standen  -  und  ganz  unverdient  wird  dieser  gunstige 
Leumimd  vielleicht  nicht  gewesen  sein. 

Um  aber  zu    Laurefici    zurückzukehren,  dessen   Reise   sich 
bereits  ihrem  Ende  zuneigte,  so  bot  sich  ihm  von  Köln  aus  die  gern 
xpahrgenommene  Gelegenheit,  bis  Frankfurt  mit  dem  Posikurier 
zu   reisen;  die  Poststraße   führte  nicht  am  Rheinstrom  entlang, 
sondern  abzweigend  durch  die  Gebirge  oestlich  vom  Flusse,  für 
die  unser  Reisender  den  viel  angewandten,  schwer  zu  lokalisierenden 
Ausdruck  „Hercynischer  Wald"  braucht;  dieser  durchzieht,  sagt  er, 
Deutschland  wie  ein  breites  Band.    Bei  Limburg  wurde  die  Lahn 
tjbersehritten;  andere  Zwischenstationen  werden  uns  nicht  namhaft 
gemacht.  Von  Frankfurt  aus  ging  es  dann  zur  Donau,  aber  nicht 
geradeswegs  nach  Regensburg,  sondern  unser  Reisender  gedachte, 
«he  er  zu  seinem  Ausgangspunkt  zurückkehrte,  noch  das  attbe- 
rühmte  Augsburg  zu  besuchen.    Direkte  Verbindung  dorthin  fand 
er  aber  nicht,  sondern  ging  über  Nürnberg  und  Weissenburg  i.  N. 
Von  Augsburgs  Größe  und  Bedeutung  empfing  er  den  günstigsten 
Eindruck:  er  stellt  die  Stadt  noch  über  Nürnberg,  wobei  allerdings 
der  Umstand  auf  sein  Urteil  nicht  ohne  Einfluü  geblieben  zu  sein 
scheint,  daß  Augsburg,  anders  wie  das  «perx'erse"  Nürnberg,  ihm 
jioch  einen  teilweis  katholischen  Eindruck  machte.    So  rechnete 
«r    es    steh    auch    zum    höchsten    Vergnügen    an,    den    Kory- 
phäen   der   katholischen    Partei    in    Augsburg,    den     gelehrten 
Alarcus    Welser,    dem    er    einen    Empfehlungsbrief   überbrachte, 
gesehen    und   gesprochen   zu    haben.     Im    besonderen   gedenkt 
Laurefici  unter  den   Einrichtungen  Augsburgs  der  gerade  durch 
<jie    Einfachheit    ihrer    Konstruktion    imponierenden    städtischen 
"Wasserkunst. 


Von  Augsburg  ging  es  weiter  nach  Ingolstadt    Die  Reise  bo 
weder  Beschwerden  noch  Gefahren;  doch  ließ  die  Furcht  vor  de 
Pest,  die  in  den  anliegenden  Landen  ausgebrochen  war  und  sich 
weiter  verbreitete,  kein  rechtes  Behagen  aufkommen.    In  Bayern 
versuchte  man  durch  Bewachung  der  Grenzen  sich  zu  schützen. 
So  hatte  unser  Reisender  auch  am  Thore  von  Ingolstadt  dn  Verbö 
zu  bestehen, welches  dadurch  erschwert  Minirdeidaß  dieVerstindigung 
wegen  der  Verschiedenheft  der  Sprachen  mangelhaft  war.    Unser 
Autor  gibt  selbst  zu,  daß   er  das  Deutsche  nur  »etnigemianen- 
verstand;  trotzdem  kann  er  einen  Ausfall  auf  die  » Dickköpfigkeit' 
der  Deutschen  nicht  unterlassen;  in  Holland,  Flandern,  England 
und  Frankreich  sei  die  Verständigung  stets  in  der  einen  oder 
anderen  Weise  ohne  viel  Umstände   bewerkstelligt  worden,  nur 
die  Deutschen  ließen  sich  nicht  herbei,  zvim  Vorteil  der  Ausländer 
«ine  .^gebildete«  Sprache  zu  lernen,    Ist  der  Vorwurf  berechtigt, 
den  übrigens  Laurefids    Darstellung  von  seiner  ganzen  übrigen, 
ohne  Störung  verlaufenen   Reise  durch   Deutschland    selbst  zu 
widerlegen  scheint,  so  müßten  seither  die  Verhältnisse  sich  gänzlich 
in  ihr  OegenleÜ  verkehrt  haben. 

Daß  Ingolstadt  als  Hauptsilz  des  Jesuitismus  eine  Stadt  nach 
dem  Herzen  unsers  Berichlerstalters  war,  läßt  sich  denken.  Er 
berichlet  uns,  daß  Jesuiten  fast  alle  Lehrstühle,  abgesehen  von 
einzelnen  in  der  juristischen  und  medizinischen  Fakultät,  besetzen, 
und  beschreibt  uns  das  großartige,  mit  einem  Konvikt  verbundene 
Kolleg  des  Ordens,  das  ihm  die  Brüder  bereitirilHg  zeigten; 
besonders  freundlich  empfing  ihn  Pater  Jakob  Greiser,  der  ihm 
nach  deutscher  Sitte  den  Willkommentrunk  in  vorzüglichem  Wein 
darbrachte. 

Auch  die  Stadt  Ingolstadt  hatte  unser  Reisender,  den  un- 
günstige Witterung  dort  länger  als  geplant  festhielt,  Gelegenheit 
zu  betrachten.  Er  rühmt  die  starken  Befestigungen;  im  Innern 
fiel  es  ihm  unangenehm  auf,  daß  die  zahlreichen  Kühe  und  Schafe 
die  Luft  in  den  Straßen  verpesteten,  was  übrigens,  fügt  er  hinzu, 
auch  in  vielen  anderen  deutschen  Städten  der  Fall  sei. 

Endlich  gestattete  das  Wetter  die  Weiterreise.  In  Regensburg 
aber  fand  Laureftci  die  Seinen  nicht  mehr  vor.  Der  Reichstag 
■war  mittlerweile  geschlossen  worden  und  die  Mehrzahl  der  Ver- 


sammellen  hatte  dem  Kaiser,  der  nach  Wels  in  Oberösterreich 
gegangen  war,  das  Geleit  gegeben.  Dorthin  eilte  auch  Laureftci; 
in  Linz  landete  er  nach  fünftägiger  Flußfahrt;  einen  iTag  später 
erreicht  er  Wels,  wo  er  das  Reisegewand  wieder  mit  dem  priester- 
lichen Omal  verlauschte.  Es  war,  wie  er  uns  mitteilt,  der  25.  No- 
vember, seine  Reise  hatte  also  rund  80  Tage  gedauert  - 

m         Viaggio  per  Alemagna,  Inghilterra  e  Fiandra. 

II  giovedl,  che    fu  alli  4')  dt  settembre,  partii  di  Ratisbona  et  il 

£iomo   segitente  arrivai  a  Norimberga*),  ta  qiial  non  solo  per  1a  molti-    Nürnbcra, 

tudine  degli  artefici,  per  la  bellezza  delle  fabriche  et  politczia  delle  strade, 

piazze  c  ponti,  t  incomparabile  con  Ic  prime  cittä  di  Oermania,  tna  an- 

cora  per  il  sito  amenissimo  e  per  il  fjume,  che  con  gran  destrezza  i  stato 

accomodato  all'uso  de'molini,  da'qiiali  net  medesimo  tempo  ^  madnato 

il    erano    e  burattata^)  sottilmenle   la  farina.  ni  corre  nel  resto  oüoso  il 

Pegnitio,  che  cosi  ^  chiamalo  qitesto  fiiitnc,  ma  fe  costretto  dall'industria 

di  quella  gentc  a  ridurre  ü  Ferro  in  varie  sorti  di  vasi  et  istntmenli,  et 

a  lirare  In  ftio  il  rame  e  l'ottone;  le  spetierie  et  il  farro*)  son  franti  col 

benefillo  delfistasa  acqua,  con  la  qiiale  viene  ancora  esercitato  l'artefido 

della  carta.  alTlntorno  si  veggono  alcuni  giardini  as&ai  curiosi,  dove  quei 

mercanti  Italiani  hanno  Irasporlato  Fichi,  naranci°)  et  altre  plante,  li  cui 

frutti,  essendo  ävi   peregriHi,  sono  moUo  stimati,  quanto  questa  dtti  mi 

piacque  nelle  cosc  sudette,  tanto  mi  fu  odiosa  et  esecrabtie  per  t'ostinato 

Lateran esimo,  non  pennettendo  cssercitio  della  reÜgion  cattolica  in  tutto 

il  suo  territorio;   onde  io  mi  mara^-igiiai  di  qiiei  noslri  Kabani  che,  per 

aviditä  det  guadagno,  vi  si  (rattenesscro,  non  gli  esscndo  lecito  sentir  la 

messa  se  non  a  trc  leghe  lontano,    che  sono  15  miglia  de'nostri.   su   la 

giurisditione  di  Bainberga.  le  chiese,   beitch>t  profanate,  son  nondinieno 

da   quei    ministri    Luterani    tenute   polile   con    tutte  le  loro    imagini  et 

ornamenti. 

»Voicndo  io  di  qua  passare  a  Francfort,  m'accompagnai  per  piü  sicu-   Aiifbnich  nub 
rezza   con    li  mercanti  che  andavano  a  quella  fjera;    ma  non  restai  poi       rrwMutt. 
sodisfatto  della  loro  compagnia,  perch^  pct  tutti  gli  alloggiamenti  non  si 
faccano  semplici  banchetti,  ma  nozze  mallina  e  ^iera,  le  tavotc  cran  colme 
di  vivande  et  trinceralc  per  dir  cosi  di  bichicroni,  che  si  toccavano  l'nn 
con  l'altro.  a&sistevano  per  tutio  li  musici  con  i  loro  istnintenti,  al  suon 


t  t)  Vlelmetir  d»  5.?  ivfl.  di«  CInIcihitiE). 

1  1  Ein«  ■ufinhrnclir  Sclilldnune  NISTiibfres  ■»;  lUIl^nlKhtr  fedtr  vom  Jihn  IMT 

(ton  OlTOlaino  Faldli   hat«  Ich  kfinÜTh  <ra  K.  Krft  dn  ,,MH'trnuTiiEm  dn  Veftini  fdr 

Onchichle  ütt  Sbdt  Näntberg"  vcittenl licht. 

k>|   bnrallarc  tißtr  »bbiiril<>rr  e±  bciittln, 
tun  =  Spcli,  Dinktl, 
•nnd,  Apfel sinrnbiuiDC. 
Aicbiv  tut  KulturECKltichl^    1,  I.  27 


de'quali  si  bevea  in  vari«  e  »träne  foEgic,  rt  alla  fine  la  fesia  st  risolvea 
per  ta  plü  parte  iii  inibriachezza;  e  durö  questo  ca^^e^'ale  quätro  giomi, 
che  mi  parvero  un  niese,  per  la  ütrada  si  viddero  alcune  buone  terre,  e 
WirebHrfr  passammo  per  la  bclla  dtti  di  Herbipoli,  instgne  pa  jl  Meno  che  la 
dividc,  e  per  la  copia  del  viijo  che  ivi  nasce,  i)  mecltorc  che  sia  in  lulla 
la  Franconia.  per  le  chiese  et  per  il  vescovo  dcgno  di  scmpitcma  lodc. 
havendo  cacciato  via  tiilti  gli  heretici,  arrichito  11  vescovato  di  nove 
Intrite,  risloralo  nella  diocese  molti  lempÜ  et  cretlo  nella  citti  un  coU^o 
nobilissimo  de  padri  Giesiiiti'). 

In  questo  paese  et  airintonio,  dovunquc  scorre  il  Meno,  lecoUiae 
FnnWuri.  omate  di  vigne  rendeano  urata  visla  per  tutto  sino  a  Francfort,  dovc 
trovammo  il  fiuine  pieno  di  barche  mercantili  et  la  citta  dentro  ingom- 
brata  di  varie  merci  di  tutte  le  parti  d'Europa.  i  librari'),  che  non 
haveano  manco  di  60  botteghe,  spacdavano  la  lor  mercantia  senza  trovar 
trappo  danari  permtitando  Tun  con  l'altro  t  libri,  de'quaü  non  piccola 
parte  era  d'herelici  vecchi  e  modemi,  usciti  principalmente  di  Otnevra, 
Vittemberga  et  Argentina.  qui  mi  trattcnni  piü  di  qiici  die  occorreva, 
alletlato  dalla  novitä  che  giomalmente  porgeva  h  fiera.  et  ancora  per  le 
carezze  fattemi  dalli  agenti  de'signori  Torreggiani^),  che  m'alloggiorono 
con  grandissima  cortesia.  non  lasdirö  dt  dire  dell'Bbondanza  de' 
buonisslmi  frutti  di  qtiesta  clttä,  tra'quali  le  persiche  non  cedeano  a 
quelle  d'Italia.  prima  die  di  qua  partissi,  andal  in  una  dni  due  leghe 
Hiniu.  vicina,  chiamala  Affanau*),  novamente  edificata  con  bei  dtsegno  d 
architetlura,  et  habitata  tutla  da  Calvinisti,  i  qtiali  v'han  fabricate  duc 
chiese  in  fonna  rotonda  et  congiunte  insieme,  nell'iinadeqiuli  »' pndica 
in  Tranzese  et  nell'altra  in  fiamingo,  e&^etido  tiitti  qtiei  cittadini  o  dell' 
una  o  dell'altra  natione,  e  rassembra  a  puiilo  que)  logo  uni  nova  Ginevra 
d'Alemagna, 
Plan  bii  Ho\.  In  qucsto  lempo  io  haveva  disegnaito  d'arrivare  a  Colonia;   nia 

land  mgehui,  jssendomi  per  sorte  incontrato  con  un  Olandese  tt  un  Italtano,  ambidue 
tiiercanti  assai  garbati.  mi  lasciai  per^uadere,  dovendo  essi  andare  in 
Amstcrdamo,  di  scguir  la  loro  compagnia.  ma  quel  che  mi  spinse  fu  il 
vedere  quel  fiume  Meno,  che  sl  dotcemente  correva  aH'ingiCi,  et  il  Reno, 


'■}  Oenwinl  ist  Juliua  Echter  von  Meipelbrimei,  der  von  1^73  bil  1617  der  VürtbUTget 
Dtfitesc  Tonttiid,  Du  Wür(bui)[cr  Jeiaitcitk-QUcK  gehl  freilich  geitiu  Kcnoniinrn  nicht  aal 
Julius  nirück,  londeni  et  t^atind  In  W.  Khon  seit  ISOl  ein  Ovirnutiani,  vdcAB  IM7 
r«orE»nUiert  und  in  ein  förmUclie»  Jetuilenlcollea  iini(£e»inde1l  wurür.  Jutiiu  er»cilertc 
dann  dies  [nititui  i.J.  1S8I  in  einer  UniveniUii.  an  der  mciit  Jernten  lehrten. 

1}  Über  die  rrenktuftcr  BAclieriiinM,  derc])  t'mutx  bi«  mm  Autbrudi  dei  JOjBirign 
Krieget  in  bctlnndlEtm  Sldicn  vir.  vgl.  >ntwn,  DeuUche  Octchicbl«  Vll.  S.ttl— «U. 

■)  Florentiner  BanUuui. 

<)  Sot  Der  Kinie  Ist  -  *oM  durch  dm  Ati«thrc!bcr  -  arg  enlttetU:  «ie  iiu  dem 
fallenden  hervaisehl,  lit  dir  Sladl  Hanau  gemeint,  deren  neticr  Tdl  1597  durtJi  calvistuliehe, 
au«  ilirem  Vaterlind  verlrlebeiie  riamllndFr  und  Walloiini,  die  In  dem  Titherltchen  Prenkiart 
keine  Autnahme  tanden,  Kc^rundel  «urde.  Sie  führten  äeiden-  und  Walleffreberri,  Silt>er' 
und  Ootdarbelt  ein  und  hoben  dadurch  die  Bedeiitunu  und  den  Wohliland  der  Stadt. 


i 


De  italicnisclitn  Priestera  u.  Theologen  Vittcenzo  Laurefici  Reise. 


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I 


benche  ancor  da  nie  non  vislo,  pur  mi  tiravi  3  pigliars)  buona  occasione 
d'andar  a  seconda  fln'in  Gianda,  ond'io  finalmente  m'inbarcai.  TUtesso 
giorno  hebbi  tempo  di  veder  Magatiza  con  tutte  le  diicse  principali, 
palazzo  vescovile  e  colEcgio  de'padri  Qcsuiti'],  ma  non  posseiti  parlare 
al  padre  Beccaro,  com'io  desidenvo.  U  notte  caminammo  molte  miglia. 
et  doppo  d'esscrci  n'posati  alquanto  in  terra  continuammo  il  viaggio, 
finctie  1a  mati'cia  arrivammo  ad  una  piccola  terra  posta  nel  tnezo  del 
Reno,  la  qiiale,  come  alcutii  prattici  d  nanorono,  Tu  ivi  da  un  vescovo 
Maguntitiü  edificata  per  lugire  il  flageilo  de'topi.  da'quaU  nondimcno, 
non  gli  giovando  1a  difesa  dell'acqua  ni  delle  mura,  Fu  per  divin  volcre 
finalmente  roso  et  mangiato.  al  sinistro  lato  de!  Reno,  prima  che  s'arrivi 
a  Colonia,  vi  ^orga  la  Moseila  denlro  e  fa  un  bellissimo  angolo,  nel 
quale  pace  Confluentia.  cilti  assai  gcntile  dcl  vcscovo  di  Trevere;  ma 
inanzi  che  Fussimo  a  questo  loco,  smontammo  per  vedere  una  terra  famosa 
in  tutta  la  Germania  per  il  buon  vino  di  Reno  che  ivi  si  raccoglie,  chia- 
mata  Bachara,  quasi  Bachi  ara,  come  da  alcuni  i  interpretata,  e  da 
Tedesch)  non  solo  6  amata,  ma  con  devotione  visilala  e  riveriti.  qui 
bisognö  che  ancor  noi  sodi$facesinio  alTinvIolabil  rito  di  bevere  un  gran 
bichJere,  e  poi  fummo  honürati  da  uno  di  quei  hosti,  che  pareva  apunto 
iin  Silcno,  dun  buon  vaso  d'elelto  vino,  che  ci  bastö  per  molte  leghe. 
tutto  questo  tratto  che  ^  bagnato  dat  Tlume,  i  cinlo  di  colli,  che  fan  non 
iolo  argine  al  gran  padre  Reno,  ma  ancora  corona  di  fertili  viti;  onde 
con  gran  curiositä  dalla  gente  Alemanna  son  coltivate  et  con  gnn 
rispetio,  anzi  religione  guardatc,  non  senza  ragione,  perchi^  il  Liquore  i 
3I  delicato  che  non  cede  a  qua!  si  voglia  piü  suave  Albano*)  o  pi£i 
esqtiisito  Caprarola,  secondo  il  ginditio  che  ptiö  dame  il  mic  gtisto.  il 
se^ente  niatino  si  scoprimo  le  toiri  piti  alte  di  Colonia,  et  poi  a  poco 
habbimo  perfettamente  la  prospettiva  della  ciltä,  nella  quale  enhrati  ci 
disputimmo  in  qua  e  in  li  vedendo  le  co&e  piü  degne,  che  sono  molte, 
ma  in  particolare  ti  tre  maggi  e  le  reliqule  nel  tempio  di  san  Qerione  e 
di  sanl'Orsola,  vcramcntc  amcntrande.  il  numcro  delle  chiese  di  qiiesta 
cittä  h  pari  all!  giomi  dell'anno,  e  non  volendo  io  al  principio  consentire 
che  fussero  tarile,  poi  vedendonc  gran.  parte,  cessai  d'essere  piü  contuinace. 
in  quRto  mezo  che  d  tralcnevamo  in  Colonia,  andamnio  a  vedere  la  lanlo 
nomtnata  forlezza  di  Mulem '),  ma  trovammo  che  non  corrispondeva  alla 
fama.  il  mercante  OLandese  della  nostra  compagnia  havea  molii  parenli 
in  Colonia,  e  la  maggtor  parte  erano  donne  anch'esse  mercante^e,  dalLe 
quali  ogni  giorno  eramo  banchettati,  et  non  era  possibüe  di  distacarci, 
sc  io,  vedendo  che  erano  passati  quatro  giomi,  non  havessi  fatto  violenza 

■)  Hin  mit  dRCm  Oyniniiiunt  verbunilcim  JciTiK^nkoIkg  bdUnd  in  Maini  idt  156), 
_  um  ]SSt  loll  «  TOO  SfhülCT  gezlbH  htben.    Janssen,  DfuM^ti«  Ucichichie  Vit,  S.  Sit 

■  >i  Atbano.  dns  der  „Cittelll  Roidaiu",  der  Wdnortr  bei  Rom,  Hiaptart  des 
I  AlbinergebirKct.  -  CapriToU  iit  ein  ElcrxMldtchen  uii*elt  Vitetbo.  berübnit  durch  den  um 
I         -Alt  MLtte  4n  li.  JaluhoDtterb  ntiiuten  prlctiliKen  Palusa  raraew. 

■  ■>  MHIhcim  ■.  R. 

ft  27" 


D«r 
Mluidümi. 


Die  Mowi- 

in  Und  (IHK. 
Cobleni. 

QidMracii, 


Der 

Rhein«  ei  II. 


Käln. 


MQItieün, 


Fahrt 
rhtlnitivlris. 


Ciemcrtch ; 
Rticlnbfre. 

Fort  Sehtr 

{„Scbcnlcni- 

tdiante"). 

AmhrTn 


UU«hL 


Asnitmijuii. 


RrlMhoMüm, 


alle  donne,  che  non  voLevano  lascJarci  parIJre,  e  liberato  da  cMC  i 
compagni,  coi  quali  entrai  subito  in  barca  s^uendo  U  nosiro  vlag^, 
c  menlre  radevamo  hor  una  ripa  del  R«io  «  hor  un'aitra,  smoDlavamo 
spesso  a  vedert  quei  bei  luoghi  e  cittä  dello  stato  di  Cleves,  tra'qualt 
Düsseldorf  et  Embrig')  ci  parsero  di  pn'i  coruidentione.  Ira  queste  duc 
cittft  cRlmberga*)  lenula  con  bunna  guamigtone  de  Spa^nuoli  c(  Italiani, 
coi  quali  stammo  im  pCKO  a  rag^onare;  et  poi,  navigando  pii'i  a  basso, 
d  accostammo  al  forte  di  Schir*)  degli  Oiandesi  siluato  nel  mezo  drl 
Rcno,  onde  h  stimato  inKpugnabile,  il  govematore  essendo  cortese  ci 
lasciö  vedere  tutto  benlssimo.  pi  era  il  terzo  giomo  che  partimmo  da 
Colonia,  quando  arrivamtno  a  Namem*),  cittä  pur  soggetia  atli  stati  e 
capi  detia  Oheldiia,  posta  dove  il  Reno  si  divide  in  dui  bracd  e  rende 
isola  tutta  I' Gianda,  el  essendo  hormal  satü  deUa  navigatione,  d  risoi- 
vemmo  di  far  il  resto  della  stiada  sino  ad  Amsterdamo  per  terra,  et 
montati  sui  carri ,  che  qui  come  anco  per  tutta  Olanda  si  iisano  in  una 
strana  foggia  senza  titnone,  come  quelli  degü  antichi,  non  intenniltendo 
di  caminare  qiiasi  tutta  ia  nolte,  il  giomo  segucTitL"  [ummo  a  Vereche*), 
citti  bcllissima  ei  oriiata  d'iin  supcrbo  tcmpto,  ma  gii  contamitiato  et 
ridotto  alla  forma  Calvinislica,  come  sono  tulli  glt  altri  d'Olanda,  che 
contengono  solo  il  pulpito,  la  niensa  e  le  tavole  del  decalogo.  di  qua  ci 
Irasferimiiio  in  Amsterdamo,  et  II  Camino  trii  parx'e  mintbile  perli  dicchi. 
(ossi  e  cattali  navigabili,  tirati  per  tutio  in  maniera  che  per  le  campagne 
non  piii  si  vedcano  case  et  alberi,  che  vele  et  antennc-  la  \nsta  d' Amster- 
damo era  bcllissima,  perch^  non  solo  appanvan  H  püi  eminent!  edifidi, 
ma  ancora  a  tato  alla  cittä  si  scorgea  come  una  gran  xlva  d'alttssimi 
pini,  ch'eran  l'alberi  delle  navi  in  si  gran  copia  ivi  adunate.  Ia  citti  e 
tiitia  in  acqua,  ma  dnla  di  fortissime  mura  con  le  suc  porte  propor- 
lionatf;  son  perö  le  mura  n^  laterilie")  ni  di  pietra,  ma  di  terra,  tanto 
ptü  slabili  quanio  men  temono  il  cannone. 

Inanzi  cti'io  eniri  in  Amsterdamo,  dtr^  brevemente  come  io  mi  tnn* 
nuassi  in  tante  dttä.  et  genll  hereliche,  senza  che  mi  fosse  mal  Fatta  una 
minima  resistenza.  prima  che  io  partissi  da  Rali&bona,  ancorch^  non 
havessi  dcüberato  di  passar  tanto  oltre,  per  11  buon  consiglio  di  molti 
amici  mi  feci  un  habito  corto  di  panno  mischio  di  Londra,  per  poter 
senza  sospetto  caminar  per  tutto;  il  che  mi  riusd  assai  commodamcnte. 
poich^  mai  nissun  mi  guarxtä  o  dimandö,  e  tanio  piii  che  il  vestito  di 
colore  era  accompaKiialo  d'ucia  buona  spada,  die  havevo  cotnpri^}  in 


>]  Emmerich. 

*)  Rhtlnb«it  zwisdint  DuSilinri;  und  ^cmI. 
^  Dm  Pari  nitikrt  nkhl  mcht,  n  \U  «ohi  In  der  Ocgend 
Khinie  lu  suchen. 
•)  Anthrm. 

>)  Wahl  eriUielH  «iH  Ütcrcche. 
■)  S.  V.  1.  <li  matlonl,  von  ZicselsielDea. 
'j  P*r  compnl«. 


der  heutigen  Schnifec*>  ^^ 


Des  italienischen  Priesters  u.  Theologen  Vincenzo  Laurefid  Rdse.   421 


Norimbcrga;  ma  in  ogni  modo  al!*ap|»ren«i  era  slimato  piü  mercante 
che  soldato,  la  qiml'  opinlone  iton  volendo  die  s'haves&e  di  nte,  aggiunsi 
al  capcLio  un  cordone  alqtianto  fanUstico;  ma  restai  tutlavia  eteroclito 
tra  il  soldato  et  il  mercante,  onde  in  aicune  piazze  mercantili  non  tnanc^ 
Chi  mi  si  accosUssc  per  faritii  vedere  diamanti. 

Entrato  che  fui  in  Amsterdamo,  la  compagnia  che  per  tanti  giomi 
havevo  godutä,  mi  lasdö,  es&endo  gii  arrivata  al  Hn  deE  &uo  viaggio: 
onde  io  rimasi  alquanto  maiinconico,  finchfe  fui  consolaio  da  un  mercante 
dclla  stessa  cittä,  al  quäle  portal  uiia  letlera  di  raccomandalione,  et  ne 
riceveüi  niolte  carezze,  non  solo  di  Ictiermi  scco  in  buona  ricreatione 
nella  pmpria  casa,  ma  ancora  d'accorapagnarmi  et  farmi  vedere  minuta- 
Riente  le  cose  piü  notabili  di  quella  cittä,  Ira  quali  fu  la  boraa  de'mer- 
canti,  che  t  una  bella  machina  növamente  edlficata  sopn  un  cana.(e  con 
rieche  bot^be  nella  parte  superiore,  e  te  chiese  che  sono  moHe,  poiche 
cinqiie  ne  hanno  gh  Annabaiisti,  ahrciante  et  piii  li  CaJvinisti,  che  non 
gti  bastando  le  veccfaie  ne  han  fatto  due  nove  assai  belle  et  soniuose; 
Ei  Luterani  et  gli  hcretici  d'Inghiltcrra  et  altre  sette  ne  posseggono  cia- 
scheduno  una:  solo  a'Cattolid  «  denegalo  l'essercitio  publice  della  vera 
reltgioTie.  e  ben  vero  che  nelle  loro  case  non  gli  k  falta  inqul^tione  o 
prohibitione  ni«$una,  eccetfo  della  predica  et  della  ntessa,  che  non  gli  la 
voglion  permeitere  manco  in  privato,  per  paura  che  non  si  faccin  conven- 
licoli,  che  quanto  at  rcslo  non  si  curano  comc  ognun  vogll  crcdcre  o 
opaare.  ma  non  ostante  questo  il  mio  hospite  ogni  mattina  sentlva  la 
messa,  alla  quäle  io  sempre  assistei  sl  per  la  devotione  come  per  con- 
fermargli  la  mia  profcssione,  percht  egti,  quando  Io  gli  resi  la  lettcra, 
m'havcva  dimandato,  ma  con  modeslta,  se  io  era  cattoüco.  la  quäl 
proposta  fu  da  lui  fatta  a  fin  dj  potermi  invitare  al  divin  sacrifido,  che 
ivi  secrelamente  si  facea.  molti  atlri  quivi  et  per  tutti  II  Stati  nelle  lor 
case  fan  celebrare,  con  tutto  che  aicune  volle,  essendogli  fatta  la  spta, 
sian  constretti  ä  pagaie  200  fiorini  o  essi  o  li  preti,  li  quali  per  lutti 
quei  pae&i  sono  in  buon  nuinero  e  vanno  in  habilo  secolaresco,  e  non 
sono  affato  incognlti  a  qucUi  herctid  ne  airi&tesso  magistrato. 

Si  possono  ancora  annoverare  tra  le  cose  segnalate  che  io  viddi  di 
questa  citti,  l'hospitale  degli  huomitii  e  quello  delle  donnc,  ambidui 
molto  ben  serviti,  la  casa  degli  orfaneEli,  il  serragUo*)  di  quelle  che  non 
hanno  saputo  (are  se  non  troppo  disonestamente  la  meretrice,  essendo  in 
quello  riiichiusc  et  severamcnle  trattatc.  un'altro  serraglio  ci  t  delli  gio* 
vani  disubidienti  e  sviali.  a' quali  fan  segare  il  durissimo  Icgno  Brastle. 
nutrendoli  a  pane  et  acqua  fincJie  si  etnendarto.  vi  i  un  altro  ho&pltak 
per  li  povcri  o  vccchi  o  stropiati,  sI  huotnini  come  donne,  molto  bene 
e  polilamciite  termlo;  ma  per  fare  tutte  quelle  opere  hanno  havuto  assai 
fadliU,.  havendone  edificalo  et  soslenundone  la  magglor  parte  dalla  de~ 


Die    Sehent- 
vonAmttenUm. 


KiUioliUn  In 
AmitndxBL 


Hoopitiler, 

AtfniillclM  Ot- 

tüudc  ui«. 


>)  SemgILg  [von  Mtnre)  bedeutet  altpinrin  dnea  nmMeMtn,  dabd  In  licl)  ibft- 
KtalMMfin  Ort 


b 


)» Indlcnliiu» 


I 


Kudlc. 


khitltveiliclir. 


Wlndmühltn 


Vfehzucbt. 


slruttione  di  tanti  ronvnti  e  moiusterii,  dt'quaü  non  solo  ä  sodousut- 
part  l'entrate,  ma  ancora  hanno  indcgnam«nte  tntUlo  i  luoghi  sacri, 
comc  si  vede  partrcolannente  dove  stavano  li  pidn  Certosini,  la  cni  cfaiesa 
fl  etile  son  convcrtile  in  tante  lavernc.  dovt  vanno  spesso  a  imbritctrei. 
la  ca&a  dclle  mcrcantie  deH'Indie,  ndla  quak  risiede  un  magistnto  par- 
Ifeolar«,  e  diegna  d'csstr  messa  in  questo  nunicro  per  li  molti  aromati 
et  richezze  che  conliene,  et  per  li  trolei  che  ivi  spiegano  delle  vinte  e 
mbbale  n&vi  Spagnuole.  li  cinali  son  beltissimi,  perch^  son  tulti  netti, 
lungfai,  larghi  e  dritti,  con  biiomssiinl  ponti  congiunti,  e  d'una  parte  et 
l'altra  vi  i  la  strada  assaj  ampia  con  una  fila  d'alberi  longo  l'acqua,  dove 
continuamente  scherzano  i  cigni.  principalmentc  nc'canali  d'acqua  dolce 
che  vien  dal  fiume  Amstil,  da  cui  ha  preso  i1  nnmc  ia  citti;  et  qucsti 
amalj  son  separat!  da  quelli  d'acqua  salsa  con  porte  di  legno,  per  le 
qtiali  quando  son  iroppo  pient,  11  fanno  sgorgarc  ne'salsi.  le  barche  pas- 
sano  dall'uni  aU'altri  aspelUndo  che  call  o  creschi  il  mar«;  aescendo 
entrano  ne'canali  dolri,  c  mancando  possono  passore  da'dolci  ne'salsJ. 
le  navi  di  gabbia']  ch'io  conlai  aH'hora,  erano  mitte  irecento;  ma  il 
gennaro,  quando  svemano  quasi  intte,  arrivano,  come  molü  dcgni  di  fede 
aflennano,  al  numero  di  dua  milla  quatrocento.  neU'istesso  mare  stanno 
molti  galeoni  da  guerra,  ma  in  panicolare  ce  re  sono  quatro  novi  mira* 
bilmente  armali. 

Li  molini  a  vento  atCrove  servono  solamente  a  macinare,  et  qui  non 
solo  a  batter  fem  et  far  carta,  raa  ancora  a  secare')  pacsi  patudosi  e 
votar  lossi  d'acqua,  e  di  quesli  se  ne  vede  una  gran  quantili  per  tutte 
quelle  contrade,  i  qualt,  soffiando  il  venio,  lavorano  da  per  se  e  fan 
sbalzar  (uora  l'acqua  con  grand'impeto  sena  che  nessuno  v'assista,  ba- 
stando  che  ogni  tanii  giomi  si  riveghino,  il  lerreiio  bcnchf  infecondo 
di  legname  ei  di  grani,  che  con  le  navi  traggono  da  pacsi  forastieri,  e 
nondimeno  terlilc  d'erba,  ondc  nodtisce  motte  vacche  che  fan  latte,  butiro 
et  caso')  in  grandis&ima  abondanza,  e  le  contadine  vengono  giomalmente 
con  le  lor  barchette  a  famc  spaccio  nella  citli,  e  la  natura  le  ha  fatte  cosl 
candide  e  belle,  che  paion  miste  dell'i&tessa  latte  con  fresche  e  vermigÜc 
rose:  e  perö  mi  parc  che  si  possi  perdonare  a  un  certo  nostro  Italiano, 
che  dis$c:  se  mi  fusse  stalo  dato  in  sorte  di  na^cer  contadino,  non  a(- 
trove  harei  sapulo  desiderar  la  mia  contadinanza!  riovemo  per  11  gbiacd 
sono  impediti  li  pascolt,  ma  havcndo  l'cstä  raccolto  fieno  a  sufridenza, 
con  quello  mantengono  Ic  vacrhe  grasse  nelle  case,  e  le  mungono  e  fanno 
i  »oliti  butiri,  essendo  propriainente  qui  dove  il  latte 
,non  aestatc  novum  nee  frigore  deflL' 


■1  Oibbli  bcdmtf  tul  fititta  Schiff«  der  Mankorb:  untrr  u*i  Ü  obbll  «chrinca 
hin  —  im  Ocgtnuii  in  dn  e>1(V"'  '^  gunia  (Oilttrtn)  -  die  KiuHalirlciKbitlt  gftntitii 
*a  «ein. 

1  1>.  i-:  Mccu*. 

•)  D.  i.:  ntcio. 


I 


I 


I 

I 


Hollludiidic 
Relnllcbkeil. 


Harlem. 
Leiden. 


non  creda  perö  atcuno  che,  perchi  ho  detto  che  tengono  le  vacche  nelle 
case,  pfT  qucslo  habiiino  sordidamenle;  anzi  piacessc  a  Dio  che  molti 
nelle  citti  d'altr«  provinde  vivesscro  cosi  politi  neue  loro  case  come  le 
villane  d' Gianda,  delle  citiadine  non  parlo,  perchc  nclla  ncttera  son 
tinto  curios«  che  arrivano  alSa  5ii|>erslitione.  ßran  parte  deU'istesso  ler- 
reno,  che  ingrassa  gli  animali,  ^  buono  a  hruggiare  con  molto  comtnodo 
de'paesani'). 

La  rroUiludine  delle  genti  tli  questa  citiä  scmpre  va  crescendo,  et 
essende  stata  agi^andiU  una  volta,  hora  Tamplif  10100  la  seconda,  et  di- 
giä  si  distribuivano  i  siti  delle  case. 

Essendo  stato  in  Amslerdamo  a  bastanza,  uscü  fuora  in  una  di 
quelle  carrazzette,  e  caminando  sempre  sopra  un  Inngo  dieco,  arrivai  a 
.Htfletn,  cittä  non  solo  mercantite  di  tele  finissime,  ma  ancora  forte  el 
'Mit.  ma  mollo  piii  bello  trovai  Leidon,  chec  il  Lugdunutn  Batavonim, 
do\-e  mi  trasferii  Ü  scgttente  giorao,  el  viddi  quello  studio,  et  sentit  al- 
aioi  leitori  in  humanitä  (che  in  questa  proressione  sono  eccellenlissimi) 
e  qualche  filosoFo.  mi  accostai  alla  scuola  di  teologia,  ma  puz7^va  di 
Calvinismo,  e  perö  non  mi  vi  fermai. 

Non  molto  lontano  da  Leidon  i  la  Haia  o  Haga,  piü  tosto  villa  »■0"»«>i»ig 
che  dttä,  ma  gentite  el  deliüosa  per  i  canali,  laghetU  et  boschetti  che 
dentro  contiene.  qui  risiede  il  magistrato  ü'Otanda  et  delU  Stati.  in  un 
apparlamerito  del  palazzo  publice  liabita  il  conle  Mauritio*},  del  quale 
jvi  non  si  parla  sc  non  col  nome  üi  .Sua  Rccellenza-.  havendo  io  mirato 
in  un  gran  salone  terrcno  li  lunghi  ordini  delle  bandjere  ncmiche  ivi 
superbamente  poste  et  distese,  andai  a  vedere  il  detio  conle,  che,  aecom- 
pagnato  d'allebardieri  (privilegio  a  lui  solo  concesso,  come  il  tttolo  dcll' 
eccellenzaj  andava  alla  stalla.  viddi  ancora  il  conte  Enrico  suo  fratello"), 
c  poi  partii  per  Delfe,  citti  piii  bella  e  cclebre  per  la  morte  del  principe 
d'Orangc*).  nel'istesso  giomo,  per  la  vidnanza,  anivai  a  Rollorodamo, 
nobil  riilä  e  piena  per  lulte  le  strade  di  vascelü  mercsniiü  e  grata  al  suo 
Erasmo,  a  cul  ha  eretlo  una  slatua').  lin  a  questo  luogo  venni  sempre 
per  terra,  ma  qui  m'imbarcaj  [vr  Dort  o  Dordrccht,  ditä  anch'cssa  belia 
e  gentile  eu  la  Foce  della  Mosa,  come  Rotterodamo  su  la  foce  del  Rciio; 
i  qu2lä  fiumi  ricevendo  qui  copiosamente  il  Ilusso  dcl  marc.  paion 
l'istesEO  niare,  onde  le  grosse  navi  vi  possono  commodamente  navigare. 
di  qua  bi&ogna  necessariamente  andar  per  acqua  chi  vol  far  il  viaggio  di 
Zclanda,   e  perö  salito  in  un  vassello   passai  a  Villenslat  fortezza '] ,  et 


Manu 
von  Oranin 


Delfl 
K  otterdun, 


DonTcdil. 


')  Dn  VerffttWT  (ctieini  vcn  der  Torft>neitime  ni  «predien:  i-  v.  u. 

-)  Dtr  Sutthtller,  Ci>f  Moriti  von  Oruiien,  f  IU5 

>)  F:ie4rich  Heinrich,  licrnitti  Mciiiti'  Nathlolgti  i'ri  dti  SUIlhiHcrrJKdc 

*)  HitT  «iinle  bckanmlicb  Wilhelm  voa  Oiitiicn  am  ID.  Joli  1M4  von  Bilihaiar 

Otnfi  nmordrt. 

*)  n»t  Brr>n»<SUndbild  Ott  Eniraut  in  RoTtenliin  rOtirt  Yon  dm  tioUlndiscltca 

Buiinriiicr  und  Bilüliau«  Hradrlk  d»  K«y«»  (HÖT-1421J  hw. 
*}  WillentOd. 


4M  VaUer  ntedenboEB.  i^:  -^■ 

iuü  fotjrg^mdn  alcune  di  qudi'lK^  nrinnuBO  «UtValdBiiai^  dw« 
I'Hltfnia  delh  ptrte  dl  ooddeate  et  di  tatte  l'inie  TifhiicIlAr'  U.  piA 

MMiWtiwa.  bdkf  per  la  frequentla  de'huKU  haUtill  et  per  k  cfttt  dl  MOdebnc^ 
h  qtttle,  bendii  ^  alqwnto  meditcrnuMi,  aoadloieno  rioeve  le  gnn 
Mvl  In  MBO  et  hl  buon  ooauncrdo  dl  mercmH.  da  MOdebaix  xm*  ^ 

WMii«aL  dM  k^  kmtuu  FIcmIii^  et  vi  ri  m  con  i^in  guäo  md  emi.  aoo  & 
ri  gnude  come  MikHnng,  ms  «ml  plik  forte  poifai  snl  Itto  dd  mmi^  o 
per  dir  mcglio  te  Uto  et  kj^  al  mtxt  e  ki  rioeve  par  dentn  c  coa 
MK  k  navl;  et  easendo  ooil  gnm  forkm,  k  kotoao  aaoon  bi  pcgno 

I  i 

^  Taktoin  mH  MUiMImte  nd  VUoibirN. 
^  VlkMiiwa  gMtte  »  dn  Phnddldf.  dk  M  dNi  AbiAhd  te 
nriüfen  dcü  Stattn  nd  Eaglaail  v.J.  13»  dw  B«ltaden 
Mi  «I  «CM  sKii  alddnrIdMvWIciEü,  ■!■  de  nkc  ILJAob  L  HM 
.  <Uc  Nlcdnlnide  pwligibcB. 

(ScUttBMKg 


Eine  Liederhandscbrift  aus  der  zveiten  Hilfte  des  17.  Jahrh.      425 


Eine  Liederhandschrift  aus  der 
zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh. 

(Berlin,  Mgq  720) 
Von  ARTHUR  KOPP. 


II. 
S.  36  No.  17:    Ihr  Freunde  last  uns  lustig  seyn  t   bey 
gutem  hier  und  kühlem  wein  ...  6  zehnz.  Str.  =  Kri^er,  ebenda 
IV  4;   Hoffmann,  Jahrbuch  d.  d.  Univ.  1,  407;   Keil,  Studentenl. 
S.  43. 

S.  40  No.  18:  Ihr  leut[e]  wolt  ihr  mein[er]  lachen,  | 
Das  ich  ein  bisgen  kleiner  bin  ...  8  sechsz.  Str.  ^  Weise, 
überfl.  Gedanken  IV  5. 

S.  42  Nr.  19: 

1.  Komm  du  schöner  Abent-schein 
Und  ergötze  meine  Pein, 

Die  vorhin  den  langen  Tag 
Meinen  Geist  zu  martern  pflag. 

2.  Zwar  der  Morgen  zeigte  mir, 
Daphnis,  deines  Mundes  Zier, 
Doch  weil  alles  kunte  sehn, 
Durfte  weiter  nichts  geschehn. 

3.  Nun  sich  Luna  zu  uns  kehrte 
Wird  der  eitlen  Furcht  gewehrt, 
Weil  die  Zeit  der  finster[n]  Nacht 
Unser  Küsse[n]  süßer  macht 

4.  Phoebus  und  sein  helles  Licht 
Dienet  vor  Verliebte  nicht, 

Liebe  mus  im  Dunkeln  seyn  — 
Koni[m]  du  schöner  Abent-schdn. 


426 


Arthur  Kopp. 


Im  Bcrgliederbüchlein,  das  ititl  dieser  Handschrift  etwa  gleich- 
zeitig') ist,  S.  115,  steht  das  Lied  mit  3  Strophen,  die  dritte  der 
vorstehenden  fehlt: 

Komm  du  schöner  Abend-Schein 
Und  verkürz  mir  meine  Pein  :[: 
Die  vorhin  die  ganze  Nacht 
Unser  Küssen  süße  macht,  die  etc. 

Zwar  der  Morgen  zeugte  mir 

Daphnis  deines  Monden  Zier  :|: 

Doch  weil  alles  konte  sehen, 

Dorfle  weiter  nichts  geschehen,  doch  etc. 

Venus  und  sein  helles  Licht 
Diente  vor  Verliebte  nicht  :;: 
Die  Liebe  muß  in  dunkeln  seyn, 
Komm  du  schöner  Abend-Schein,  die  etc. 
Des  Schlesischen  Helicons  auserlesener  Gedichte  Ander  Teil, 
1700  S,  121: 

Komm  du  schöner  Abendschein, 
Und  ergötze  meine  Pein, 
Die  vorhin  den  langen  Tag 
Meinen  Qeist  zu  martern  pflag. 

Zwar  der  Morgen  zeigte  mir 
Daphnis  deines  Mundes  Zier, 
Doch  weil  alles  konnte  sehn, 
Dorfte  weiter  nichts  geschehn. 

Nun  der  Mond  zu  uns  sich  kehrt, 
Wird  der  eitlen  Furcht  gewehrt, 


')  Man  Im  Um  BrreliedcrbCichlcin  blthcr  Itnin«  in  die  Zelt  um  1740,  damit  aba 
um  4  bli  S  J^nrtaol«  la  tpü  iniifsclTl.  Mm  vtird«  dibri  dnrch  <fai  79.  Lied  (S.  9B> 
ircegtlühTl,  dmen  cnte  Strophe  UuiM: 


AutbeuCh«  bit  inaii  Bieten. 
Ttintitii»  in  den  viertiigstm  Jahr, 
Hondenmahl  taniend  Ob i den, 
Ürri(<ehen  liuienj  aotli  füt»'iht. 


Z«ey  huncteii  nnd  lary  und  Mdrliig 

0*b  man  auf  ein  QtumI, 

D«  «Tirden  Ktir  ertreuet 

Der  Gevcrken  eine  {roHC  Zahl. 


MäAi    man    sich   dk  .Uühe,    in    der   Qeichiclile   dn  »ächiiKhen  Bergbaus   uchn- 
rgrachtn,  io  linclR  man,  daß  erom  IH^US  Qnlden  im  Jahre  IMO  zu  Mar^cnberg   aa  iiei 
Ueverhe  verteilt  «urden.    Im  AaKbloS  in  dleaeri  rdcfaen  Seien  p.h  a  ein  Llrd,   „Seyt.l 
fronb  Ditd  rrölicl)  alle,  aal  .Marienbet£e  inn  der  Siai".  in  li  Strophen,  vovan  4,  Blnlidij 
S— II,  lU  be«Oi>de[«a  Lied  in    ili«   «piiere   grolle  Bergliedeiuminlung    SbetKrganKen  >iDd. 


Eine  Liedertaa^dschrift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jabrh.     427 

Weil  die  Zeit  der  finstren  Nacht 
Unser  Küssen  süße  macht 

Jener  Sonnen  helles  Licht 
Dienet  vor  Verliebte  nicht, 
Liebe  muB  im  Dunkeln  seyn, 
Komm  du  schöner  Abendschein. 

S.  43  No.  20:  Labellgen  schwur  hoch  und  theuer  |  Sie 
traute  noch  glaubt[e]  mir  nicht  ...  11  vierz.  Str. 

S.  45  No.  21:  Nun  sich  der  Tag  geendet  hat  |  Und 
keine  Sonn  mehr  scheint,  |  Schiäfft  alles  was  sich  abgematt  | 
Vnd  waß  zu  vor  geweint  10  Str.  ■=  A.  Krieger,  Neue  Arien  1676 
!  8;  Bergliederbchl.  S.  120  Nr.  104. 

S.  47  No.  22: 

1.  Verschwiegen  seyn  ist  meine  Lust, 
Das  ist  die  beste  Kunst  im  Lieben, 
Wem  diesses  ist  nicht  recht  bewust, 
Muß  offt  ein  Wieder-  will  betrüben, 
Er  kompt  zum  öfftem  in  Gefahr, 
Wenn  Er  sich  last  die  Zung  verführen, 
Und  muß  zu  letz  auch  ganz  und  gar 
Der  Liebsten  Gunst  und  Gnad  verliehren. 

2.  Ich  halte  meine  Zung  im  Zaum, 
Waß  ich  mit  Winken  kan  verrichten, 
Ich  geb  den  Worten  keinen  Raum, 
Muß  ich  auch  anders  ihr  verpflichten, 
Ein  Winkgen  kan  niemand  verstehn 
Als  dem  es  zu  verstehn  gegeben, 
Die  Worte  so  zum  Mund  ausgehn 
Die  bleiben  offter-  mahls  bekleben. 

3.  Drumb  zweifei  nicht,  mein  liebes  Kind: 
Ich  bleibe  wie  ein  Stein  verschwi^en. 

Ich  weis  du  bist  ja  so  gesinnt, 
Daß  du  mir  nimmer  kanst  vorlügen, 


428 


Arthur  Kopp. 


Ich  will  verriegeln  meinen  Mund, 
Will  nimmer  Zungen  Band  anschliessen, 
Und  keinem  Menschen  machen  kund, 
Wie  ich  kan  deiner  Ounst  geniesen. 

4.  Fahr  nur  mit  deiner  Liebe  fort 

Es  soll  dich  nimmermehr  gereuen, 

Du  hast  nun  deiner  Liebe  Wort, 

Mich  soll  erst  deine  Gunst  erfreuen, 

Du  bist  in  sicherer  Revier, 

Ich  schwebe  noch  in  trüben  Welleti, 

Dennoch  will  ich,  mein  Kind,  nach  dir 

Mein  Schiff,  mein  Mast  und  Seegel  stellen. 
Dasselbe  Lied  noch  einmal  unten  S.  77  No.  32,  nur  I  2  in  5 
kömpt   zu   olftem    II  1  Zunge  in  3  gebe  7  Munde  III  1  Drümb 
zvcifelt    5    versiegeln   6   aus[s)chließcn    7   keinen     8  genießen 
IV  3  Port 

S.  48  No.  23:  Albanie  gebrauche  deiner  Zeit  |  Und  laB 
den  liebes  lüslcn  freycn  Zügel  ...  6  sechsz.  Str.  =  Herrn  von 
Hoffmannswaldau  u.  andrer  Deutschen  .  .  .  Gedichte  I,  16^  S.  3b 
{Vf.  C  H.  V.  H.),  1725  S.  36  u.  ö. 

S.  50  No.  24:  Fillis  lag  im  Bett  allein  |  als  ich  tmtt  ins 
Zimmer  ein  .  .  .  13  siebenz.  Sb*.  Neu  Weltliches  Lieder- Büchlein 
(0.  J.)  No.  29  in  14  Sh-.  I  bis  V  =  Hs  1-5,  VI  fehlt  in  der  Hs, 
VII  bis  IX  =  7-9,  X  =  6,  10  fehlt  im  Uederbüchleln,  XI  u. 
XU  =  n  u.  12,  XIII  fehlt  in  der  Hs,  XIV  =  13.  Vgl.  noch 
Rothmann,  Lustiger  Poete  S.  249  in  15  Str.  Kopenh.  Ms.  Thott.  4 
1102  S.  281  No.  128  Fhillis  lag  im  Bett  allein,  vie  ich  trat  zu 
ihr  hinein  ...  10  Str. 


S.  55  No.25:  Laureite  bleibstu  ewig  Stein 
Str.  =  Hoffmw.  I  1695  S.  327,  1725  S.  340  u.  ö. 


5  sechsz. 


S.  56  No.  26:  Daß  dich  du  schwartzer  Dieb  I  Was  hastu 
da  zu  naschen  ...  25  vierz.  Sir.  f  t  t  Flohjs^d  auf  dem  Leibe 
des  Liebchens. 


Dasselbe  Lied  findet  man  in  der  Berliner  Handschrift  Mgo 
231:  die  Hymni  Studiosorum  des  Clodius,  Leipzig  1669,  ent- 
haltend: mit  13  achtzeiligen  Strophen.  Als  Urheber  der  Melodie 
■\pird  Schel,  als  derjenige  des  Textes,  wenn  man  den  verwischten 
SchriftzQgen  trauen  darf,  M.  Weise,  das  ist  Christian  Weise,  ge- 
nannt Die  beiden  handschriftlichen  Fassungen  stimmen  recht 
£;enau  miteinander  überein,  die  vier  letzten  Zeilen  fehlen 
jedoch  in  Mgq  720.  Wegen  der  grenzenlosen  Derbheit  und 
Schlüpfrigkeit  dieses  Qedicht  dem  jugendlichen  Weise,  der  noch 
f  n  späteren  Jahren  fast  ebenso  schlimme  Sachen  verfaßt  hat,  ab- 
sprechen zu  wolten  liegt  kein  Grund  vor. 

S.  61  No.  27:') 

1.  Lustig  zu  Felde  mit  Hunden  und  Winden, 
Ob  sich  noch  heute  ein  Wiltpret  mag  finden, 
Lustig  ihr  Jäger  und  Jägers-  geschlecht, 
Blasset  das  Hifft-  und  Jäger-  hom  recht 

I 

2.  Koppelt  mit  Koppeln  die  hurtigen  SpQrer, 
Führet  mit  Stricken  die  Winde,  ihr  Führer, 
Aber  was  kompt  uns  da  zu  Gesicht? 

Ein  junges  Häsgen  heut  feil  es  uns  nicht. 

3.  Lasset  uns  eilen:  wir  möchten  im  Thauen 
Etwan  den  Hasen  im  Lager  noch  schauen, 
Lampo  es  komm  dir  zu  leyd  oder  lieb  — 
Lustig!  jetzt  gilt  es  den  laurenden  Dieb. 

4.  Löset  die  Koppeln,  dort  will  ich  mich  setzen, 
Komm  ich  eins  hinter  den  Hasen  zu  hetzen, 
Lampo,  du  soll  mir  die  Mühe  fürwar 

Redlich  bezahlen  mit  Haut  und  mit  Haar. 

5.  HolEa  juch  holla,  traft  tralf  nach  einander 
Wackerloß,  Steckerbusch,  Keckerbusch,  Klander, 
Holiah  juch  holla,  juch  laut,  juch  laut. 
Trachtet  dem  Hasen  mit  Fleis  nach  der  Haut. 

6.  Hetzet:  da  laufet,  da  fliehet  der  Hase. 
Hetzet!  da  Irückt  er  sich  nieder  im  Grase, 


1)  Str.  IV  Z.  3  (Olt  nur  nur  dir.  VI  1  UuRct  der  fliehet. 


Hetzet!  da  giebt  er  sich  wieder  heraus, 
Hetzet!  nun  setzt  es  den  härtesten  Strauß. 

7.  Reite  du  Jäger-knecht,  reite  geschwinde, 
Rette  den  Hasen  und  peitsche  die  Winde, 
Weide  du  aus,  ich  will  b!assen  die  weil, 
Damit  die  Stluber  bekommen  ihr  Theil. 


8.  Ehrlicher  Lampo,  wie  ist  dirs  ergangen, 
Daß  du  dich  giebest  so  balde  gefangen, 
Aber  nun  wird  dir  die  Ehre  geschehn, 
Daß  du  gespicket  zur  Taffei  wirst  gehn. 

5.  Deinen  Todt  wird  man  zum  Tröste  der  Deinen 
Reichlich  mit  Reinischem  Weine  beweinen, 
Capem,  Oliven,  auch  Gurken  zugleich 
Folgen  als  Freunde  nebst  hinter  der  Leich. 

10.  Lustig  zu  Felde,  zu  fangen,  zu  jagen, 
Obs  gleich  nicht  glücket  zu  jeglichen  Tagen, 
Eine  glücksehlichc  Stunde  dk  macht, 
Daß  an  viel  böse  wird  nimmer  gedacht 

Anders  verläuft  ein  ähnlich  beginnendes  Gedicht  von  Joh,  Risl: 
Parnali  1668  S.  343;  Hans^guck-in-die-Welt  No.  16;  Hil.  Lustig 
V.  Frcudenthal,  Zeit-Vertreiber  No.  200  .rLustig  zum  Feld«  mit 
Pferden  und  Wagen". 


S.  &4  No.  28;  Die  gantze  Weldt  liebet  Vormals  habe 
ich  ieder  Zeit,  das  Lieben  gantz  veracht  ...  11  achtz.  Str 
Gantz  neuer  Hans  guck  in  die  Welt  (o.  J.)  No.  77  in  14  Str.  1 
bis  6,  8,  10,  9,  12,  14  entspr.  d.  Hs.  Jungfern-  und  Junggesellen- 
Lust  S.  17  No.  10  in  14  Str.  entspr.  Hansg.  8le  Str  Hansg. 
=  VI,  6  u.  7  =  VII  u.  VIII.  Rothmann,  Lustiger  Poetc  S.  291 
in  II  Str.    Fl.  Bl.  Yd.  7910  St.  1. 

S.  6S  No.  29:  Als  ein  Studiosus  in  Krieg  zog. 

I.  Wo  kämpfet  Mars  itzundt  |  Wo  donnern  die  C*r- 
thaunen  ...  7  achtz.  Str.  Liebesrosen  1747  No.  25  in  9  Strophen. 

Vd  7906  St.  57:  Vier  schöne  Neue  Lieder.  Das  Erste.  Wo 
k.impft  Mars  im  Feld?  Wo  sausen  die  Granaten?  ...  6  Str. 


Vgl.  Hoffmann:  Jahrbuch  d.  deutschen  Univ.  v.  Hnr.  Wuttke  I 
(1842  5.  3Q1  bis  421:  Alte  Studentenlieder)  S.  412.  Hoffmann, 
Gesellschaftsiteder  No.  303.    Keil,  Studenten lied er  S.  129. 

S.  71  No.  30:  Von  der  heutigen  Freundschafft 
1.  Wenn  ich  dieser  Erden-bau  |  Überlege  v.  recht 
beschau  |  Halt  ich  daß  es  ailes  sey  1  List  Betrug  v.  Heuchelcy. 
16  Str.  löte:  Dornen  stechen  hart  v.  sehr,  |  Falsche  Zungen  noch 
viel  mehr,  \  Falsche  Freunde  haben  Gifft,  \  Daß  durch  Leib  v. 
Seele  trifft.  Vgl.  Des  Eibischen  Schwanen -Schaffen  Hyphantes 
(d.  i.  Q.  H.  Weber)  Poetische  Musen,  1661  (Abgewechselte 
Liebes-Flammen  1672  Titelauflage  davon,  wobei  nur  Bogen  A  ge- 
ändert i^t)  Bl.  G  8  »Wann  ich  dieser  Erden  Bau"  17  vierz.  Str. 

S.  75  No.  31: 

1.  Und  wans  nicht  wil],  so  wil[l|  es  nicht, 
Was  soll  ich  den[n]  viel  Irauren, 

Weil  es  micr  nicht  an  Mulh  gebricht, 
Wil[l]  ich  die  Zeit  ablauren» 
Ich  weis,  es  fält  der  Tag  noch  ein. 
Daran  mein  Glück  wirdt  beßer  seyn. 

2.  Es  ist  auch  nicht  gesagt,  daß  heul 
Mus  dts  undt  ienes  kommen. 

Das  Glücke  kompt  erst  zu  seiner  Zeit 
Und  wirdt  mier  nicht  benommen, 
Drümb  wart  ich  mit  Gedult  darauf 
Und  lau  den  Himmel  seinen  Lauf. 

3.  Warümb  soll  ich  mich  fCir  der  Zeit 
Ümb  dis  und  ienes  gremen, 

Wann  noch  die  Stund!  ist  nicht  bereit, 
Last  Gott  sich  nichtes  nehmen, 
Was  mier  der  Himmel  zugedacht, 
Das  mus  mier  werden  wo!  gebracM. 

4.  Wer  in  der  Hoffnung  straucheln  will, 
Der  fäll  gar  leicht  zu  Boden, 

Und  wer  in  Lauf  nicht  haltet  still, 


432 


Arthur  Kopp. 


Der  stirbt  in  seinen  Odem, 

Drümb  wer  ohn  Eyl  nur  hoffet  viel, 

Kompt  endlich  nach  gewöndschten  Ziel. 

S.  77  No.  32:  Die  Liebe  ist  verechwiegen.  Verschwiegen 
seyn  ist  meine  Lust  ...  4  achtz.  Str.  =  No.  22. 

S.  79  No.  33:  Ein  anders  dergleichen.  1.  Ihr  Auen,  Berg 
und  Büsche  ...  8  vierz.  Str.  HoHmannsw.  III  ]703,  1725,  S.  90 
(u.  ö.)  in  7  Str.  Rothmanns  (Rottm.)  Lustiger  Poete  1711  (I7I8) 
S.  225  ebf.  in  7  Str.  Geländer,  Der  Verliebte  Studenle  1714  S.  3Q3, 
QcdicUte  1716  (bezw.  1721)  S.  206  in  je  14  Str.  Es  liegt  hier 
der  in  damaliger  Zeit  nicht  vereinzelte  Fall  vor,  daß  ein  Dichter 
ein  als  Prachtstück  betrachtetes  Gedicht  überarbeitete,  dann  !aber 
als  Eigentum  für  sich  in  Anspruch  nahm  und  mit  seinen  eignen 
Gedichten  drucken  ließ.  Dies  Gedicht  enthält  schon  die  Berliner 
Handschrift  Mgo  231:  Clodius,  Hymni  Studios.  1669  S.  21  in 
7  Str.  FI.  Bl.  Yd  7909  St  44:  Sechs  schöne  neue  WelUiche  Lieder» 
Das  Erste.  Wer  ist  der  Juden  ihr  Antichrist,  etc.  Das  Zwcytc. 
Ihr  Auen,  Bach  u.  Büsche  .  .  .  Das  Sechste.  Hör  an,  wer  kann 
die  Liebe  trennen,  weil  etc.  (Bildchen).  Gedruckt  in  diesem  Jahr. 
2.  Ihr  Auen  ...  7  Str.  Yd  7^10  St.  5:  Sieben  schöne  Neue 
Lieder.  Das  Erste.  Jctzo  geht  es  in  das  Feld  .  .  .  Das  Vierte. 
Ihr  rauhe  Berg  und  Büsche  .  .  .  Das  Siebente.  Kurz  sind  meine 
Lebens-Tage.  Ganz  neu  gedruckt.  (78)  4.  Ihr  rauhen  Berg  .  .  . 
10  Strophen,  mit  seltsamen  Entstellungen  und  Fehlem.  Femer 
Yd  7921.  30;  7925.  42  u.  ö. 

S.  81  No.  34:  Ich  armes  kindt  wie  einsam  mus  ich 
leben  ...  6  vierz.  Str.  Chm.  Weise,  überfl.  Qed.  1668  (u.  ö.) 
III  6  in  9  Strophen,  wovon  I  bis  3,  5,  8  und  9  der  Handschrift  ent- 
sprechen.   Yd  7914  SL  I  »Sammlung  Lieder  u.  Arien«  KöIno.J. 

No.  26Q. 


S.  83  No.  35:  Die  stumme  Liebe.    I.  Die  Lieb  ist  vol  ver- 
drus,  I  Denn    was    ich    einig    lieb    ich    meiden    raus  .  . 
7  sechsz.  Str. 


Eine  Uederhandschrift  aus  der  zveften  Hälfte  des  17.  Jahrh.     433 

5.  85  Nr.  36:  Vnruhige  Liebe.  1.  Nun  hatt  die  stille 
nacht  dis  runde  angetast  ...  7  viei^.  Str. 

S.  87  No.  37:  Ach  soll  ich  armes  kindt  nicht  klagen,  j 
Weil  ich  in  meinen  jungen  Tagen  |  Mus  ohne  Man  v.  Helffer 
seyn  ...  9  sechsz.  Str. 

Yd  7925  St  44 :  Fünf  auserlesene  und  neue  Abschieds-Arien. 
Die  erste.  Ach  soll  ich  armes  Kind  nicht  klagen  ...  5  neunz.  Str. 
Die  Antwort  auf  das  vorige.  Ach,  ach,  was  hat  mich  doch  be- 
troffen ...  5  neunz.  Str. 

S.  QONo.  38:  Falscher  Seffer  (l- Schäffer)!  ist  es  recht  | 
Daß  du  ietz  von  mier  wilt  fliehen  ...  9  achtz.  Str.  =  Gabr. 
Voigtländer,  Allerhand  Oden  u.  Liedei'  I  1650  No.  65;  Neu 
Weltl.  Lieder-Büchlein  o.  J.  No.  70  ebf.  9  achtz.  Str. 

S.  94  No.  39: 

1.  Klippen,   Felsen,   hohe  Berge, 
Finstre  Wolken,  tiefe  Thal, 

Vogel,  Lufft  und  Waßer-wellen, 
Wilde  Thier  und  Echo-schall, 
Helfet  mein  Unglück  beweinen, 
Höret  an  mein  schweie  Klag, 
Helfet  Felßen,  helfet  Steine, 
Sonst  mir  niemandt  helfen  mag. 

2.  Euch  will  ich  mein  Unglück  klagen 
Und  bekennen  in  der  Still, 

Was  mich  also  sehr  thut  plagen 
Und  was  mir  geschieht  zu  viel: 
Ich  mus  nun  von  Cloris  scheiden  —  ^ 
Sehet  an  al  meine  Pein, 
Sag[t]  ob  auch  ein  größer  Leiden 
In  der  ganzen  Welt  mög  seyn. 

3.  Unglück  spannet  seinen  Bogen, 
Zielt  auf  mich  mit  seinen  Pfeil, 
Hat  die  Schnur  schon  aufgezogen, 
Will  durch  schießen  mich  in  Eyl, 

Archiv  für  Kulturgeschichte.    1,  A.  28 


Und  ich  weis  von  keinen  Sünden, 
Wan  ich  al  mein  thun  betracht, 
Weiß  kein  Ursach  nicht  zu  finden, 
Warumb  Unglück  mich  so  plagt') 

4.  Manche  haben  lauter  Freud  [cn], 

Ich  weis  nichts  von  keiner  Freud, 

Wißen  nichts  von  keinen  Leiden, 

Nur  von  lauter  Froäichkeit, 

Andre  sindt  ganz  neugebohren 

Leben  mit  BMchcidenheil, 

Ich  zum  Unglück  bin  erkohren, 

Sterben  mus  in  Tra[u]rißkeiL 
In  4  nach  Reihenfolge  und  Wortlaut  entsprechenden  Strophen 
bietet  diesen  Klagegesang  auch  das  Berglicderbüchlein  S.  117 
No.  101;  in  5  Strophen  besser  und  vollständiger  die  zu  Jena  be- 
findliche Handschrift  Ms.  Bud.  f.  352.  I.  Bl.  73a;  in  10  Strophen 
als  eigentliches  Original  ein  geistliches  Lied  eine  zu  München 
bcündlichc  Handschrift:  Cgm  4038.  4".  Bl.  124b.  Sehr  oft  ist  das 
Lied  eingeschachtelt  in  ein  andres,  welches  beginnt  »Alles  kommt 
zu  seinem  Ende«.    Vgl.  Erk-Böhme,  Liederh.  II  S.  469  No.  68L 

S.  96  No.  40:  Hier  lieg  ich  nun  mein  Kindt  in  deinen 
Armen  ...  7  vierz.  Str.  ^  Bergliederbüchlein  S.  53  No.  43  ebf. 
7  Str.  Hansg.  No.  43  u.  48  z.  Bez.  d.  Weise. 

S.  98  No.  41:  So  solst  du  nun  armseeligster  Printz 
vergehen  ...  5  sechsz.  Str.  Kehrreim;  Ach  Schmertz,  ach  Leid, 
ist  keine  Rettung  da?  |  Stratonica!  Dahinter:  Strolonica.  I.  Er- 
hebliches Klagen  (so  für  Strat.  Vergebt.  Klagen]  v.  Hoffen  be- 
trigct  ...  3  vierz.  Stf. 

Jungfern-  u.  Junggesellen-Lust  No.  12  So  soltstu  nun  arm- 
seiger Printz  vergehn  .  *  .  5  Str.  entspr.  d.  Hs. 

Die  Merckwördige  Vater-Liebe  Oder  Der  vor  Liebe  sterljende 
Antiochus  Und  Die  vom  Tode  errettende  Stratonica  Von  Joh. 
Chrn.  Hallmann  (1684)  S.  18;  So  solstu  nun,  arrascelgcr  Printz, 
vergehn  ...  5  Str. 

>)  Str.  111  Z   »  mit  rinwii  NB  von  indcter  H«nd  iußcfügl. 


rhandschrift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.     437 

kaum  dediniren 
(hen  kan  Lathein. 

Venus,  die  du  micli 
Unzucht  angetrieben, 
wie  die  Seele  sich 
^tert  ob  d^n  geilen  Lieben, 
Ä'ie  ein  schand-verhurtes  Weib 
In  mier  heiße  Brunst  erwecket 
Und  mier  neulich  angestccket 
Den  sonst  frisch  gesunden  Leib. 

tO.  Ja  es  thut  mir  eben  weh, 
Daß  ich  soll  ein  Vatter  heißeii 
Und  befreyet  von  der  Eh 
Gleich  wohl  etlich  Kinder  speisen, 
So  nach  mier  genennet  sindt,  • 

Welche  mier  auf  freyer  Gauen 
Keine  Ruh  und  Frieden  laßen, 
Biß  ich  etwas  für  sie  find. 

U.  Undt  was  fahr  ich  weiter  fort? 
Weil  ich  einmahl  untergangen, 
Werd  ich  schwerlich  an  den  Port 
Meine[r]  Wohlfart  mehr  gelangen ; 
Merke,  daß  die  späte  Reu 
Offtmals  eine  matte  Seele 
Mit  vergebncn  Sorgen  quele  — 
Scelig,  der  von  Lastern  frey! 

S.  106  No.  43:  Armseeligster  Adon,  verlaßenster  auf 
erden  ...  5  vierz.  Str. 

S.  107  No.  44:  So  ist  den  schon  der  stab  gebrochen, 
I  Mein  Kindt  v.  bleibt  es  dan  dabey  ...  9  sechsz.  Str. 

S.  HO  No.  45:  Was  ist  doch  in  der  Welt  |  Daß  vns 
kan  recht  ergötzen  ...  II  sechsz.  Str.  Kautzsch,  Tobacks- 
Bruder  1684  S.  25  bis  28,  1690  S.  20  bis  24  in  13  Str.  Jena,  Ms. 
Bud.  f.  332  I  BI.  107  a  bis  109  in  13  Str.  u.  ö. 


Und  ein  Zehren-Trank  bestellef, 
Wen  das  Glück  sich  zu   gesellet, 
Folgen  Kummer  ohne  Zahl. 

5.  Wenn  ich  meiner  Jahre  Frist 
Mit  spadt  reifen  Sin  erwege, 
Find  ich,  daß  mich  Glückes  List 
Auf  den  breiten  WolIust-Siege 
Biß  her  habe  eingeführl, 

Daß  ich  eine  Stras  gegangen, 
Wo  Narcis  und  Rosen  prangen 
Und  kein  Leide  \nrdl   verspührt. 

6.  Meine  Keh][el  hab  ich  offt 
Mit  Lyäus'  Kost  benetzet,') 
Und  auf  solche  Freund'  gehofft, 
Die  bcym  schmausen  zu  gesetzet, 
Jetzundt  da  der  Boden  lehr, 

Last  man  mich  alleine  sitzen 

Und  auf  meinen  Schultern   schwitzen  — 

Jeder  fraget:  Wer  is  der? 

7.  Bein  und  Knochen   stndt  ganz  todt, 
Mark  und  Safft  ist  ausgesogen, 

Ich  bin  nur  des  Pofels  Spotl, 
Bachus,  du  hast  mich  betrogen 
Und  zu  einem  Hohn  gemacht, 
AI3e  Heller  sind!  versoffen 
Und  hab  doch  kein  Erb  zu  hoffen, 
Ach,  wo  hab  ich  hingedacht! 

8.  Würfel,  Karlen   und  das  Bredt 
Haben  mier  die  Zeit  geraubet, 
Erst  siudiren  ist  zu  spät  - 
Hätt  ich  dis  für  längst  geglaubet, 
Welt  ich  schon  Magister  seyn 
Undt  cum  Laude  praesidiren, 


^  Sir.  VI  2  H  tu)tniii(hen  nnü  bcndKl  nunmthr  KilWift  Uwtt 


Eine  Liederhandschrift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jabrh.     437 


Der  ich  letz  kaum  decliniren 
Noch  verstehen  kan  Lathein. 

9.  Falsche  Venus,  die  du  mich 
Nur  zur  Unzucht  angetrieben, 
Siehe,  wie  die  Seele  sich 

Foltert  ob  den  geilen  Lieben, 
Wie  ein  schand-verhurtes  Weib 
In  mier  heiße  Brunst  erwecket 
Und  mier  neulich  angestecket 
Den  sonst  frisch  gesunden  Leib. 

10.  Ja  es  thut  mir  eben  weh. 
Daß  ich  soll  ein  Vatter  heißen 
Und  befreyet  von  der  Eh 

Gleich  wohl  etlich  Kinder  speisen, 
So  nach  mier  genennet  sindt,  • 

Welche  mier  auf  freyer  Gaßen 
Keine  Ruh  und  Frieden  laßen, 
Biß  ich  etwas  für  sie  find. 

lt.  Undt  was  fahr  ich  weiter  fort? 
Weil  ich  einmahl  untei^angen, 
Werd  ich  schwerlich  an  den  Port 
Meine[r]  Wohlfort  mehr  gelangen ; 
Merke,  daß  die  späte  Reu 
Offtmals  eine  matte  Seele 
Mit  vergebnen  Sorgen  quele  — 
Seelig,  der  von  Lastern  frey! 

S.  106  No.  43:  Armseeligster  Adon,  verlaßcnster  auf 
erden  ...  5  vierz.  Str. 

S.  107  No.  44:  So  ist  den  schon  der  stab  gebrochen, 
I  Mein  Kindt  v.  bleibt  es  dan  dabey  .  .  .  Q  sechsz.  Str. 

S.  HO  No.  45:  Was  ist  doch  in  der  Welt  |  Daß  vns 
kan  recht  ergötzen  ...  11  sechsz.  Str.  Kautzsch,  Tobacks- 
Bruder  1684  S.  25  bis  28,  1690  S.  20  bis  24  in  13  Str.  Jena,  Ms. 
Bud.  f.  352  I  Bl.  107  a  bis  109  in  13  Str.  u.  ö. 


438 


Arthur  Kopp. 


S.  115  No.  46:  Rosen  v.  Violen  |  Mögen  Kinder 
holen  ...  7  sechsz.  S(r.  Vgl.  Kaulzsch,  Tobacks- Bruder  16S4 
S.  231  u.  ft.  Hoffmannw.  I  1695  S.  380  u.  ö.  Kopp,  Volks-  u. 
Studenten-Lied  S.  215. 


S.    118    No.   47:   Claris   dir  zu   dienst  ich    lebe  ... 
t  achtz.  Str. 


S.  123  No.  48:  Bewege  dich  nicht,  was  dir  auch  ge- 
schieht ...  9  vierz.  Str. 

Mit  diesen  wenigen  wolte  seinen 
Brüderlichen  Freind  sich  bester 
maßen  recommendiren 

.  .  B. 

5  Strophefi  dieses  Liedes  bietet  eine  Münchner  Handschrift: 
Cgm  4088.  4".  El.  I24a  .Resignata  mens.  1.  Bewöge  dich  nit, 
Wan  dir  was  geschiclit"  ...  5  Str.  (No.  39  in  derselben  Handschr.) 

S.  124  No.  49:  Mars  last  jezt  zur  Taffei  blasen  .  .  . 
Ssechsz.  Str.  Kehrreim  außerdem  -  Hexameter:  In  bellis  lesonant 
pomp,  pomp,  trarara,  traratara,  puff,  puff.  [2  Silben  zu  viel,  lies: 
p.  p.  lara  tantara  p.  p.|  —  Hil.  Lustig  v.  Frcudenth.  Zeitvertr. 
No.  169;  Hansguckindiew.  No.  23;  Mgo  231:  Clodius,  Hymni 
Studios.  1669  S.  26  in  6  Str.  Fl.  Bl.  Ye  1776  ,Drey  schöne  newe 
Lieder«  o.  O.  u.  J.    Keil,  Studentenl.  S.  127. 

S.  126  No.  50:  Nechst  als  Mopsus  freyen  wolte,  ging 
Er  erst  zum  Doctor  hin  ...  7  sechsz.  Str.  Derselbe  Stoff  ist 
behandelt  in  einem  Siteren  Liede,  beginnend  »Ein  Jungfrau  selbst 
den  Arzt  anspricht"  Hil.  Lustig  v.  Fr.  Etv.  No.  138,  und  schon 
früher  bei  Demanttus,  Conviv.  ConcenL  Farrago  1609,  Melchior 
Franck,  Recreationes  Mus.  1614  u.  ö. 

S.  129  No.  51:  Brunei  ich  mus  gestehn,  ich  lieb  und 
bin  ganlz  fertig  ...  5  achtz.  Str. 


Eine  Liederhandschrift  aus  der  zweiten  Hilfte  des  17.'Jahrh.     439 


S.  130  No.  52: 

1.  Du  Elmfen]  Wald. 
O  Aufenthalt, 

So  viel  berühmter  Hirten, 

Hast  mich  bisher 

Drey  Jahr  und  mehr 

Gewürdigt  zu  bewirten; 

Nun  aber  geh 

Ich  weg,  ade! 

Ich  mache  mich  von  hinnen 

Und  suche  mir 

Ein  Lust-Revier 

Von  andern  Dryadinnen. 

2.  Ich  hatte  mich 
Ganz  fast  in  dich') 

O  süßer  Orth  verliebet, 

Ob  du  mich  schon 

Mit  Spot  und  Hohn 

Hast  mannigmahl  betrüb[e]t, 

Die  Mi^^nst  hat 

Manch  heifies  Bad 

Mir  zuzurichten  pflegen, 

Der  blaße  Neid 

Hat  allezeit 

Gelaurt  auf  meinen  Wegen. 

3.  Verfolgung  schrie: 
Hie  ist  er,  hie! 

Ich  wil  ihm  eins  versetzen; 
Verleümbdung  sprach: 
Ich  tracht  ihm  nach 
Wil  seinen  Ruhm  verietzen. 


O  aber  seh^ 

Mein  Unschuld  steht 

Und  schwingt  die  Sieges-Fahne ; 

Es  grünt  mein  Preiß, 

Weil  ich  durch  Fldfi 

Den  Weg  zur  Tugend  bahne. 

4.  Ein  Palmen-Ast 
Wird  von  der  Last 

Zur  Erden  nicht  gedrücket, 

Er  steigt  empor 

Und  kömpt  hervor 

jemehr  [er]  wird  gedrückeL 

Der  Donner  knalt 

Im  Lorberwald 

Und  schadet  keinen  Stamme, 

Der  Offn  und  Herd 

Macht  nur  bewehrt 

Das  Silber  durch  die  Flamme. 

5.  Auch  meinen  Muth 
Bricht  keine  Gluth, 

Kein  Wetter,  keine  Bürde, 

Ich  schmiege  mich 

Geduldiglich 

Und  bleib  in  meiner  Hürde. 

Kein  Kröten-Gifft 

Kein  Unheyl  trifft, 

Mich  gänzlich  zuverderben, 

Kein  Domen-Riß, 

Kein  Schlangen-Biß 

Gereich[e]t  mir  zum  Sterben.') 


>)  Str.  H  Z.  3  Ober  .guti  lut'  cetctzte  Zahlen  a-1  Mllca  UmtlelliuiK  der  Worte 
bezeichnen,  aber  die  Umstellung  würde  den  Sinn  eher  schiditcn  als  beben. 

')  V 12  gereicht  mir  znm  verderben,  ■verderben*  sodann  durchsestrichen  und  .tterbcn' 
dafflr  getetit. 


^■^         440                                        Arthur 

Kopp.                               ^^^^^^^H 

^^^^           6.  Ich  gell  und  sing 

8.  Ich  werd  allein                  ^^m 

^P              Aiß  guter  Ding 

Noch  übrig  seyn                         ^^H 

Und  ruhig  in  Oewiften, 

Von  denen,  die  mich  plagten,            1 

Das  grimmich  Thier 

Die  Tag  und  Nacht                     ^^1 

Der  Wolf  hat  mir 

Darauf  gedacht,                              ^^B 

Auß  Furcht  offt  weichen  müßen. 

Wie  sie  mich  bald  verjagten;            M 

Er  läuft  und  flieht, 

Nun  sind  sie  fort                        ^^M 

Wenn  er  mich  sieht, 

Von  diesen  Orth,                         ^^H 

Und  schlept  die  lahme  Lende, 

Und  ich  muü  auch  verreisen;      ^J 

Dis  ist  die  Kraffl 

Der  Schäffer-zunft                        ^^M 

Und  Eigenschafft, 

Zusammen-kunft                            ^^B 

Die  Unschuld  meiner  Hände. 

Wird  mich  noch  öffter  preisen.         1 

7.  Was  hat  mein  Feind 

9.  Es  ist  ja  kaum                     ^^M 

Doch  wohl  gemeint, 

In  Wald  ein  Baum.                     ^^H 

Was  hat  er  mich  geherret? 

Auf  deßen  weicher  Rinde           ^^H 

Er  hat  mir  doch 

Man  nicht  von  mir                     ^^H 

ßishero  noch 

Bald  dort  bald  hier                     ^^| 

Die  Weide  nicht  gesperret. 

Was  eingeschnitzet  finde,            ^^H 

Der  klare  Bach 

Drümb  gute  Nacht!                     ^^M 

Ist  vor  (wie]  nach 

Hier  ist  volbracht                        ^^M 

Von  ihm  noch  ungetrüblcllj 

Mein  leydcn  und  ergötzen,          ^^H 

Die  Schäfferin 

Ich  zieh  izt  ab,                           ^^H 

Hat  wie  vorhin 

Wil  meinen  Stab                           ^^H 

Ans  Ende  mich  gcliebct 

Von  nun  an  weiter  setzen.          ^^H 

Vorbilder  für  die  in  diesem  Gedicht  angewandte  Strophen-        1 

form  lassen  sich  seit  Beginn  des 

16.  Jahrhunderts  ununterbrochen         ■ 

Dutzende  nachweisen. 

J 

S.  132  No.  53:  Verzagter, 

pfuy  dich  an!   wie  stehcstu  ^^B 

hier  und  Irlumcsl  ...  5  achtz.  Str.  -^  Hoffmw.  IV  1708  S.  132,        | 

1725  S.  108  u.  ö. 

_J 

S.  133  No.  54: 

m 

I.  Ist  ein  Leben  in 

1  der  Welt.                                  ^H 

Das  mir  etwan  wohl 

^H 

So  ist  das  Studenten-lcbcn,                                           ^^| 

Qott  ha^  gegeben, 

1 

J 

Eine  Ltederhandschrift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrii.     441 

Merkt  mich  eben, 

Wer  der  Weisheit  Freund  seyn  mag, 

Folge  dem  Studieren  nach. 

2.  Seynd  [e]s  nicht  Opifices, 
Seynd  sie  doch  Artifices, 

Wie  geschwind  auf  Instrumenten 
Die  Studenten 
Mit  den  Händen 
Musidren  all  zu  guth, 
Daß  sich  alls  erfreuen  thut 

3.  Früh  so  bald  die  Sonn  aufgeht, 
Wenn  der  Haus-hahn  hat  gekräht, 

Wenn  der  Schmid  fängt  an  zu  schmeißen, 

Nimbt  das  Eisen, 

Will  es  schweisen, 

Die  Studenten  ins  gemein 

Schon  über  ihren  Büchern  seyn, 

4.  Im  Collegio  gehts  erst  an, 
Da  sieht  man  was  Weisheit  kan, 
Da  mus  alles  disputlren, 
Opponiren, 

Refutiren, 

Nicht  ein  Viertel-stündgen  klein 

Man  ein  Zeit  kan  müssig  seyn. 

5.  Andre  noch  in  Betten  stecken, 
Sich  mit  weichen  Federn  decken, 
Diesser  greift  erst  nach    dem  Hemmet 
Der  sich  kemmet, 

Jener  stemmet 

Sich  und  will  doch  nicht  heraus, 

Jener  wäscht  das  Maul  erst  aus. 

6.  Wenn  sie  kommen  ins  Oottes-haus, 
Sind  sie  geschwind  mit  Büchern  raus, 
Thun  sich  also  bald  entbinden 

Von  den  Sünden 


«     .-f     *  '  -       •     Artbur  Kopp. 


Und  empfinden 

In  dem  Ha2«i  Reu  und  Uyd 

Bitten  umb  Bumherzig^telt 

7.  Zu  Hause  geschwinde  nach  den  Tkdi 
Oehn  sie  an  ihr  Artieit  friadi, 

Wenn  andere  das  Olaft  umbkelncn, 

Bedw  lehren, 

Laffen  hören, 

Wenn  man  Idopfet  mit  der  Kum, 

Hebt  äch  Ihr  Studieren  an. 

8.  Wenn  ^  denn  studieren  sdir, 
Dafi  ihnfn]  wird  der  Kopf  so  schwer, 
Qeb[e^  ^  hcy  Nadit  späteren, 
Musidren 

Und  voltfahren 

Eine  solche  Lusttnricd^ 

Dafi  sich  Leib  und  Sed  erfreut 

9.  Stört  man  ihre  Lustbarlcdt, 
Heben  sie  bald  an  einfn]  Streif 
Greifen  alle  nach  den  Degen, 
Gehn  en^;egen, 

Zu  erlegen 

Den  der  ihn  ['n]  was  hat  gethan  - 

Trutz,  fang  einer  Händel  an! 

10.  Vivant  omnes  ins  gemein, 
Die  den  Studenten  günstig  seyn! 
Ha  sa  vivant  studiosi, 
Generosi, 

Animosi, 

Vivant  omnes  Jungferlein, 

Die  den  Studenten  gfinstig  seyn. 

Ohne  die  siebente  Strophe  bietet  auch  Mgq  734  &  586  das 

Lied,  und  zwar  vorstehende  Strophen  in  der  Reihenfolge  1,  3,  2, 

5,  6,  4,  8,  Q,  10,  mit  folgenden  Abweichungen:  Str.  I  Z.  3  Ist  es 

das  4  geben  5  merck  II  I  Seynd  sie  2  Sind  sie  6  also  gut  III  4 


Eine  Uederhandschrift  aus  der  zireiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.     443 


auf  das  Eysen  5  schweißen  IV  4  ii.  5  speculiren,  laboriren  6 
Viertelstündiein  7  Können  sie  da  V  1  Wen  andre  in  Federn  2 
Betten  3  Jener  6  Sitzt  7  Dieser  VI  1  Kommen  sie  2  mit  den 
Büchern  herauß  VIII  1  studieret  2  ihnen  —  zu  schwer  3  Gehen 

5  verführen  IX  2  Fangen  sie  3  dem  Degen  6  Diesen  der  ihn 
waß  gethan  X  l  alle  2  Die  Studenten  gönsti'g  seyn  3  Vivant  alle 

6  und  7  Vivant  alle  Jungfreulein,  die  Studenten- Liebsten  seyn. 

Vgl.  Zeitvertr.  No.  80;  Rothmanns  (Rottmanns)  Lustiger 
Poete,  I7I1  (1718)  S.  259;  Hoffmann:  Jahrbuch  d.  d.  Univ.  1, 
409;  Oesellsclil.  Nr.  289  (2.  Aufl.  II  S.  57);  Keil,  Studenten). 
S.  57.  Fl.  Bl.  Yd  7909  St  54  eine  der  Nachahmungen  und 
Übertragungen  auf  andre  Stände  „Ist  ein  Leben  in  der  Welt,  das 
vor  andern  mir  gefällt,  ist  es  das  Rothgiesser  Leben"  .  .  . 

S.  136  No.  55:  So  nehmet  ihr  brüder  was  freudigkeit 
bringet  ...  6  vierz.  Str.  =  Neu  WcUl.  Lieder-Büchlein  No.  52; 
Hoffmann:  Jahrbuch  d.  d.  Univ.  I,  413;  Liebes-Rose  No.  38; 
Keil,  Studenten!.  S.  59. 

S.  137  No.  56: 

1.  Guler  Freund!    Ist  der  Weg  gut  drausen? 

R.  Ich  hab  ihn  nicht  geschmeckt 

2.  Gehen  die  Wind-Mühlen  umb? 
R.  Es  ist  mir  nie  keine  begegnet 

3.  Du  magst  mir  wohl  ein  wunderhahrer  Geselle  seyn. 
R.  Ich  bin  kein  Gesell,  ich  hab  ein  Weib. 

4.  Ey  das  wer  gut 
R.  Es  war  mir  aber  nicht  gut 

5.  Wanimb  daß? 
R.  Sie  war  gar  alt  und  ungestalL 

6.  Ey  dali  war  böß. 
R.  &  war  mir  aber  nicht  höß. 

7.  Warumb  daß? 
R.  Sie  hat  viel  Gelt,  sie  hat  viel  Gelt 

8.  Ey  das  war  gut 
R.  Es  war  mir  aber  nicht  gut 

9.  Warumb  daß? 
R.  Es  waren  lauter,  lauter  Kupfcr-Pfennige. 


^ 


R.  Es  war  mir  aber  nicht  böß. 

11.  Wanimb  daü? 
R.  Ich  zog  auf  die  Dörfer  und  betrog   die  Bauern  und 

kauft  mir  Uutcr  Sehwein  darumb. 

12.  Ey  das  war  gut 

R.  Es  war  mir  aber  nicht  gut 

13.  Warumb  daß? 

R.  Als  ich  die  Schwein  gekaufet  hatte,  lis  ich  dieselben 
schlachten,  meine  Frau  will  Schmak  daraus  brennen,  zünds  Haus 
an,  zQnds  Haus  an  und  brennet  es  ganz  hinweg. 

14.  Ey  das  war  böß. 
R.  Es  war  mir  aber  nicht  böl^- 

\5.  Warumb  daß? 

R.  Ich  baute  mir  wieder  ein  neues,  ein  neues. 

16.  Ey  das  war  gut. 

R.  Es  war  mir  aber  nicht  guL 

17.  Warumb  dafi? 

R.  Als  ich  das  Haus  gebauet  hatte,  will  mein[c]  Frau 
oben  auf  daselbigc  steigen  und  will  sehen  wie  es  gebauei  is^  feil 
herun-ter  und  bricht  den  Hals  entrrey. 

15.  Ey  das  war  böß. 
R.  Es  war  mir  aber  nicht  böß. 

19.  Wanimb  daß? 

R.  Ich  nahm  mir  wieder  ein'  junge,  ein'  junge. 

20.  Ey  das  war  gut 
R.  Es  war  mir  aber  nicht  gut 

21.  Warumb  daß? 
R.  Zuvor  als  die  alte  hatte,  giengich  zu  den  jungen, nun  aber" 

ich  die  junge  habe,  kommen  andere  Pursch  hin  wieder,  und  vist- 
tiren  und  buchslabiren  die  meine. 

22.  Ey  das  war  böft. 

R.  Es  war  mir  aber  nicht  böD. 

23.  Warumb  daß? 

R.  Ich  Hab  ein  freyen  Suff  dabey,  ein  freyen  Suff  dabey. 

24.  Ey  das  war  gut. 

R.  Ja  das  war  gut  Runda  Runda  6tc 


Eine  Liederbandschrift  aus  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrh.     445 

Vgl.  dazu  Qoedeke,  Gnindr.  il»  S.  62:  Dritter  Theil  Never 
Deutschen  Weltlichen  Lieder  .  .  .  Durch  Nie.  Zangium,  I6I7 
No.  17:  Dialogus.  Guter  Freundt  ist  der  Weg  gut  draußen. 
Diese  Fassung  druckt  ab  Bolte,  Parallelen  zu  dem  Dialoge 
von  LoUius  und  Theodericus:  Zeitschrift  f.  vgl.  Litteratur- 
gesch.  N.  F.  1,  375.  Hier  wird  auch  bereits  unserer  Hand- 
schrift gedacht.  Weitere  Nachweisungen  zu  diesem  eigen- 
artigen Fragespiel  gibt  Bolte  sodann  in  derselben  Zeitschrift  4, 
103  u.  226. 

Auf  irgend  welchen  geheimen  Seitenwegen  mufi  die  launige 
Schnurre  sich  durchzuschlagen  und  bis  auf  unsre  Zeit  im  Volks- 
munde zu  behaupten  gewußt  haben.  Seltsamerweise  beginnt  eine 
Sammlung  von  Witzen,  die  steh  einführt  unter  dem  Namen 
•Mikosch,  der  ungarische  Witzbold"  (6.  Aufl.  1890,  20.  Aufl.  1899) 
mit  folgender  Geschichte : 

Mikosch  b^egnet  seinem  Freunde  Schandor,  den  er  lange 
nicht  gesehen;  es  entspinnt  sich  zwischen  ihnen  folgendes 
Gespräch: 

Mikosch:  Servus,  Schandor,  wie  gehfs? 

Schandor:  Dank'  ich  —  hob'  ich  g'heirath! 

Mikosch:  Oh,  is  das  gutt! 

Schandor:  Nit  gonz  gutt! 

Mikosch:  Baratom,  warum? 

Schandor:  Hob'  ich  Ölte  'kriegt! 

Mikosch:  Oh,  dos  ist  schlecht! 

Schandor:  Nit  gonz  schlecht! 

Mikosch:  Warum? 

Schandor:  Hat  Ölte  Haus  g'hobt! 

Mikosch:  Oh^  is  das  gutt! 

Schandor:  Nit  gonz  gutt! 

Mikosch:  Warum? 

Schandor:  Ischtem,  ts  Haus  verbronnt! 

Mikosch:  Oh,  dos  is  schlecht! 

Schandor:  Nit  gonz  schlecht! 

Mikosch:  Erdek  —  warum? 

Schandor:  Is  sich  Ölte  mit  verbronnt! 

Mikosch:  Ohh,  —  dos  —  is  —  gutt! 


lichts,  wir  müssen  betteln, 
Nimb  du  den  ledern  Sack,  nJmb  ich  den  Stecken. 

2.  Wir  beyde  beyde  haben  nichts,  wir  müssen  garten, 
Geh  du  in  das  Dorf  hinein^  will  ich  draussen  warten. 

3.  Wir  beyde  beyde  haben  nichts,  wir  müssen  stehlen, 
Hernacher  wen[n]  du  henken   must,  so  thu  dich  Oott  be- 
fehlen. 

4.  Wir  beyde  beyde  haben  nichts,  wir  müssen  henken. 
Wenn  du  nun  auf  der  Leyter  stehst,  so  wolstu  mein   ge- 
denken. 

5.  Der  Henker  gönt  dir  guts,  er  läßt  dich  beten, 
Legt  dir  den  Strick  umb  den  Hals  darzu  die  Ketten. 

6.  Hernach   so  kompt  der  schwarze  Rab,  der  ist  dein  Enge!, 
Der  Galgen  ist  der  Olocken-stuhl,  bistu  der  Schwengel. 

Zusammen  hiermit  geh&rt  das  spätere  Volkslied  .Ick  und 
mein  junges  Weib  können  schön  tanza"  Erk,  Neue  Sammlung 
deutscher  Volkslieder,  I.Heft  1849  S.  U  No.  9;  Erk-Böhme, 
Liederhorl  II  S.  748  No.  081  u.  ö. 

S.  140  No.  58:  Was  ist  doch  in  der  Welt,  das  uns  kan 
recht  ergötzen  ...  11  sechsz.  Str.  =■  No.  45. 

5.  N.^^ 

Ach  soll  ich  armes  Kind  nicht  klagen 87  3'«*«; 

Atbanie  gebrauche  deiner  Zeit 48  i^^ 

Als  die  Venus  neulich  säße 21  ^  J 

Armseligster  Adon,  verlassenster  auf  Erden  ....  106  ^3  " 

Bewege  dich  nicht,  was  dir  auch  geschieht   ....  123  49 

Brünett  ich  muü  gcstehn,  ich  lieb 129  V 

Claris  dir  zu  Dienst  ich  lebe 118  « 

Das  ist  mein  Blut  nicht  wahr,  daß  ich  verliebet  sey  .  24  '^ 

DaÜ  dich  du  schwarzer  Dfeb 56  ^ 

Die  Lieb  ist  voll  Verdruß 83  ^ 

Du  Elmwald,  o  Aufenthalt 130  51 

Eins  stund  ich  auf  des  Morgens  früh 25  " 

Es  leuchtet  der  schönen  Amönen  Gesichte    ....  4  ^ 

Falscher  Schäffer,  ist  es  recht 90  ^^ 

Fillis  kanstu  dich  besinnen  . 26  '^ 


Eine  Liederhandschrift  aus  der  zvdten  Hälfte  des  17.  Jahrh.  447 

Fillis  lag  im  Bett  allein 50  24 

Florellchen  geh  mit  mir  in  Qarten 30  13 

Qester  lag  ich  auf  dem  Bette 13  6 

Outen  Abend,  liebstes  Kiod 18  8 

Outer  Freund,  ist  der  Weg  gut  draußen 137  56 

Hier  lieg  ich  nun  mein  Kind  in  deinen  Armen     .    .  96  40 
Ich   armer  Hausknecht  habe  nun  mein  Amptgen  an- 
genommen        32  14 

Ich  armes  Kind,  wie  einsam  muß  ich  leben ....  81  34 

Ich  ging  auf  einer  Wiesen 9  4 

Ich  schifft  wol  öbem  Rhein 6  3 

Ich  streif  in  Wäldern  hin  und  her 12  5 

Ich  will  es  nicht  achten,  ich  will  es  nicht  thun      .    .  34  15 

Ihr  Auen,  Berg  und  Büsche 79  33 

Ihr  flammemden  Haare,  o  schönste  Lieblichkeit    .    .  36  16 

Ihr  Freunde,  last  uns  lustig  seyn 36  17 

Ihr  Leute  wollt  ihr  meiner  lachen 40  18 

Ist  ein  Leben  in  der  Welt 133  54 

Klüfte,  Felsen,  hohe  Berge 94  39 

Komm,  du  schöner  Abendschein 42  19 

Labellchen  schwur  hoch  und  theuer 43  20 

Laurette  bleibst  du  ewig  Stein 55  25 

Lustig  zu  Felde  mit  Hunden  und  Wagen     ....  61  27 

Mars  läßt  jetzt  zur  Tafel  blasen 124  49 

Nflchst  als  Mopsus  freyen  weite 126  50 

Nun  hat  die  stille  Nacht  dies  Runde  angetast    ...  85  36 

Nun  sich  der  Tag  geendet  hat 45  2  t 

O  du  wechselbares  Glück 100  42 

Rosen  und  Violen  mögen  Kinder  holen 115  46 

Seht  doch  des  Amors  Bauerpossen 16  7 

Sinn  und  Witz  hat  der  verloren 1  I 

So  ist  denn  schon  der  Stab  gebrochen 107  44 

So  nehmet  ihr  Brüder  was  Freudigkeit  bringet     .    .  136  55 

So  sollst  du  nun  armseiger  Prinz  vergehn    ....  98  41 

Und  wenns  nicht  will,  so  will  es  nicht 75  31 

Verschwiegen  sein  ist  meine  Lust 47  22 

und  .  77  32 


Verzagter,  pfui  dich  an 132 

Vormahls  hafa  ich  jederzeit  das  Lieben  ganz  veracht .  64 

Wann  ich  dieser  Erden  Bau 71 

Was  ist  doch  in  der  Welt HO 

und  .  140 

Wir  b^de  beyde  haben  nichts 139 

Wo  kämpfet  Mars  jebund    ...     - 68 


Aus  dem 
Kabinette  Friedrichs  des  Grossen. 

Streiflichter  auf  Personen  und  Zustände. 
Von  JULIUS  VON  PFLUQK-HARTTUNG. 

Unter  den  zahlreichen  Aktenstücken  aus  der  Zeit  Friedrichs 
d«  Großen,  welche  im  Geheimen  Staatsarchive  zu  Berlin  verwahrt 
werden,  befindet  sich  eine  Sammlung  von  starken,  tetiwets  geradezu 
dickleibigen  Bänden,  welche  den  Titel  führt:  »Extracte  von  denen 
im  Kgl.  Kabinet  zum  Vortrag  gewesenen  Sachen".  Dieselben 
beginnen  bald  nach  dem  siebenjährigen  Kriege  im  Jahre  1764. 
Anfangs  erweisen  sie  sich  noch  weniger  umfangreich;  je  für  das 
einzelne  Jahr  «in  Band.  Aber  die  Menge  der  Eingänge  steigerte 
sich,  so  daß  von  1772  bis  1782  zwei  Bände  für  jedes  Jahr  nötig 
wurden,  außer  1778.  Seit  1783  läßt  die  verarbeitete  Masse  nach, 
dieses  Jahr  hat  nurnocheinen^  1784  und  85  bieten  sogar  zusammen 
nur  einen  Band,  worauf  das  Sterbejahr  des  großen  Königs  1786 
wieder  deren  zwei  aufweist  —  Die  einzelnen  Bände  sind  von 
verschiedenem  Umfange,  im  Ganzen  nehmen  sie  im  Laufe  der 
Zeit  zu. 

Der  Inhalt  der  Bände  wird  durch  den  Titel  angedeutet  Es 
handelt  sich  nicht  um  amtliche  und  politische  Dinge,  sondern  um 
Privatangelegenheiten,  um  Immediateingaben  von  Privatpersonen. 
Um  die  Übersicht  der  bisweilen  weitschweifigen  Schriftstücke 
zu  erleichtem,  wurden  diesell>en  nach  einem  bestimmten  Schema 
in  einen  Auszug  gebracht  und  diese  tagtäglich  unter  einander 
weg  mit  Nummern  versehen  auf  lose  Bogen  geschrieben,  und 
zwar  so,  daß  sie  nur  die  rechte  Seife  derselben  einnahmen. 
Die  losen  Blätter  wurden  nach  dem  Gebrauche  zusammengelegt 
und  schüeülich  eingebunden.    Die  linke  Seite  jeden  Blattes  blieb 

Anhiv  fQr  Ku!1urB«chlchtf.    1,  4.  29 


4-lS       iM^My»  ^''         Arthur  Kopp. 

Verzagter,  pfui  dich  an 132  53 

Vormahls  hab  ich  jederzeit  das  Lieben  ganz  veracht .  Ö4  2S 

Wann  ich  dieser  Erden  Bau 71  30 

Was  ist  doch  in  der  Welt 110  45 

und   .140  58 

Wir  beyde  beyde  haben  nichts 139  57 

Wo  kämpfet  Mars  jelzund    . &8  29 


.J.n  -. 


Aus  dem 
Kabinette  Friedrichs  des  Grossen. 

Streiflichter  auf  Personen  und  Zustände. 
Von  JULIUS  VON  PFLUGK-HARTTUNO. 

Unter  den  zahlreichen  Aktenstücken  aus  der  Zeit  Friedrichs 
des  Großen,  welche  im  Geheimen  Staalsarchivc  zu  Berlin  verwahrt 
werden,  befindet  sich  eine  Sammhing  von  starken,  teilweis  geradezu 
dickleibigen  Bänden,  welche  den  Titel  führt:  i.E\tracte  von  denen 
im  Kgl.  Kabinet  zum  Vortrag  gewesenen  Sachen".  Dieselben 
beginnen  bald  nach  dem  siebenjährigen  Kriege  im  Jahre  1764. 
Anfangs  erweisen  sie  sich  noch  weniger  umfangreich;  je  für  das 
einzelne  Jahr  ein  Band.  Aber  die  Menge  der  Eingänge  steigerte 
sich;,  so  daß  von  1772  bis  1782  zwei  Bande  für  jedes  Jahr  nötig 
wurden,  außer  1778.  Seit  1783  läfJt  die  verarbeitete  Masse  nach, 
dieses  Jahr  hat  nur  noch  einen,  1784  und  85  bieten  sogar  zusammen 
nur  einen  Band,  worauf  das  Sterbejahr  des  großen  Königs  1786 
wieder  deren  zwei  aufweist.  —  Die  einzelnen  Bände  sind  von 
verschiedenem  Umfangej  im  Ganzen  nehmen  sie  im  Laufe  der 
Zeit  zu. 

Der  Inhalt  der  Bände  wird  durch  den  Titel  angedeutet  Es 
handelt  sich  nicht  um  amtliche  und  politische  Dinge,  sondern  um 
Privatangelegenheiten,  um  Immediateingaben  von  Privatpersonen. 
Um  die  Übersicht  der  bisweilen  weitschweifigen  Schriftstflcke 
lu  erleichtern,  wurden  dieselben  nach  einem  bestimmten  Schema 
in  einen  Auszug  gebracht,  und  diese  tagtäglich  uiiter  einander 
weg  mit  Nummern  versehen  auf  lose  Bogen  geschrieben,  und 
zwar  so,  daß  sie  nur  die  rechte  Seite  derselben  einnahmen. 
Die  losen  Blätter  wurden  nach  dem  Gebrauche  zusammengelegt 
und  schließlich  eingebunden.    Die  linke  Seite  jeden  Bialtes  blieb 

Anhiv  ffir  Kultiugnchichle.    I,  4.  39 


450 


Julius  von  PFlugk-Hartlung. 


Für  die  Entscheidung  d«s  Königs  frei.  Diese  wurde  nicht  aus- 
rührlich,  sondern  nur  in  kur/en  Schlagworlen  und  Sätzen  mitgeteilt 
Es  sind  die  berOhmten  Randbemerkungen,  in  denen  der  Geist 
des  Königs  so  bezeichnend  zutage  Irill.  Erst  pflegten  sie  mit 
Tinte,  später  gewöhnlich,  dann  ziemhch  ausschließlich  mit  Bleistift 
geschrieben  zu  werden.  Anfangs  machlc  der  König  seine  Be- 
merkungen gern  selber  und  zwar  eigentlich  immer  mit  Tinte, 
daneben  kam  Vertretung  durch  Kabinettsscicrctarc  auf  (zunächst 
durch  Eichel  und  Cocpcr),  die  in  dem  letzten  Jahrzehnte,  als 
Friedrich  alter  und  schwächer  wurde,  herrscht.  Nunmehr  ließ 
sich  derselbe  am  frühen  Morgen  während  der  Ordnung  der 
Haarfrisur  und  des  Zopfes  die  Auszüge  von  dem  belr.  Kabinetts^« 
Sekretär  vorlesen,  dem  er  alsdann  seine  Antworten  dikticrle.        ^| 

Auch  noch  eine  weitere  Eigenschaft  der  Extractbändc  muß 
erwShnt  werden.  Seil  dem  30.  Juni  I77S  beginnt  man  die  Ent- 
würfe einiger  wichtiger  Antworten  jedem  Tage  beizufügen.  Um 
sie  leicht  kenntlich  zu  machen,  schrieb  man  sie  auf  bUugrauel^| 
Papier,  was  bis  1782  mehr  oder  weniger  regelmäßig  durch- 
gefiihrl  war. 

Wie  schon  gesagt,  finden  sich  in  diesen  Extracten  die  nicht 
amtlichen  Eingänge  an  den  König  verzeichnet  Es  sind  deßhalb 
in  ihrer  Mehrzahl  Gesuche.  Schon  im  Jahre  1744  hatte  der  König 
bekannt  gemacht,  daß  jeder  seine  Bitten,  Gesuche  und  Beschwerden 
eigenhändig  bei  ihm  anbringen  und  der  genauesten  Erwägung 
versichert  sein  dürfe.  Weil  nun  aber  Jeder  Oesuchsstcller  seinen 
Wunsch  begründete,  so  bieten  jene  durch  22  Jahre  fortlaufenden 
aber-  und  abertiusende  von  Briefen  ein  ungemein  reiches  und 
unmittelbares  Bild  der  Vcrhäimisse  und  Lebensumstände.  Für 
KuHur-  und  Familiengeschichte,  für  Sitten,  AckertMu,  Handel  und 
Städicwesen  sind  die  Extracte  eine  Quelle  ersten  Ranges.  Nicht 
minder  ausgiebig  erweisen  sie  sich  für  das  Wesen  des  Königs: 
seine  Entscheidungen  lauten  strenge  und  sachlich  und  verraten 
nicht  selten  einen  geradezu  beängstigenden  Scharfblick,  der  sofort 
alle  Hintergedanken  des  Bittstellers  durchschaut  Gemüt  zeigt 
sich  selten,  am  ersten  da,  wo  es  sich  um  ihm  näherstehende 
Personen,  wie  um  Zielen,  handelt,  für  dessen  Wohlergehen  er 
sehr  besorgt  ist     Stets   hat    Friedrich    das  Wohl  seiner   Unter- 


Aus  dem  Kabinette  Friedrichs  des  OroOen. 


tancn,  noch  deutlicher  das  des  Staates  vor  Augen:  gegen  die 
Staatsrftjson  tritt  altes  andere  zurück.  Entscheidungen  werden 
deshalb  nicht  seifen  vom  Standpunkte  der  Finanzen  getroffen; 
allem  Produktiven,  d.  h.  wirklich  und  nicht  blos  scheinbar  Leisten- 
den ist  der  König  geneigt,  weniger  zugänglich  hingegen  zeigt 
er  sich  für  die  Not  der  Witwen  und  hilfsbedürftigen  Töchter. 
Die  demütigste  Bitte  ereielt  keine  Wirkung,  wenn  sie  nicht  be- 
gründet und  berechtigt  erscheint,  und  auch  dann  wird  ihre  Er- 
füllung oft  durch  Geldmangel  unmöglich.  Eine  ungemeine 
Personal-  und  Sachkenntnis,  ein  erstaunliches  Gedächtnis,  selbst 
für  Kleinigkeiten,  kommt  dem  gestrengen  Landesherrn  zu  statten. 

Unter  solchen  Umständen  kann  es  gewiß  Interesse  bean- 
spruchen, wenn  wir  die  Zeit  des  grofien  Friedrich  durch  Mitteilung 
einer  Auswahl  seiner  Briefregesten  mit  ihren  Randbemerkungen 
dem  Leser  vor  Augen  führen.  Wir  haben  dafür  eines  der  spateren 
Jahre,  nämlich  1780,  gewählt,  weil  sich  da  die  Leiden  und 
Leidenschaften  des  Krieges  beruhigt  hatten  und  das  Land  sein 
Alltagsgepräge  angenommen  hatte. 

Ueberblicken  wir  vorher  kurz,  was  jene  Briefe  uns  lehren. 
Schroff  steht  der  Adel  noch  neben  dem  Bürger,  während  der 
Bauer  ständisch  dem  Düirgcrlichen  bereits  nahcgerückt  ist  Rück- 
sichtslos nimmt  der  Künig  den  Adel  für  Heer  und  Staat  in  An- 
spruch, sucht  ihndafüraberalsSland  und  in  seinen  Privilegien  und 
Besitzungen  zu  halten,  ohne  freilich  ausreichende  Mittel  zu  haben, 
so  dass  er  ihn  in  dem  Streben  zu  nützen  bisweilen  geradezu 
schädigt  Ein  liefer  Notstand  hat  weithin  den  Adel  ergriffen,  viele 
seiner  Glieder  sind  durch  den  Krieg  verarmt,  andere  invalide  ge- 
worden, ganze  Familien  sind  vernichteJ,  weil  der  Vater  und  die 
Söhne  vor  dem  Feinde  gefallen,  sie  Wunden  oder  schleichenden 
Krankheiten  erlegen  sind,  so  daü  nur  noch  die  Witwe  und  hilf- 
lose Töchter  übrig  blieben,  die  bei  der  erst  gering  ausgebildeten 
Erwerbsmöfilichkeit  tatsächlich  Hunger  leiden.  Gegen  diese  ge- 
waltigen Opfer  an  Gut  und  Blut,  die  der  Adel  auf  dem  Altäre  des 
Vaterlandes  gebracht  hat,  kommt  die  Bevorzugimg  desselben  bei 
Offizierslellen,  die  Besetzung  einiger  Dsmenstifter  mit  adeligen 
Frauen  und  Mädchen,  die  gelegentliche  Aushilfe  der  Einzelnen 
bei  weitem  nicht  auf.    Die  Rechte  des  Adels  waren  in   der  Not 

7SP 


^ 


4S2 


JaHus  von  Pfluglc-Hartutng. 


der  Zeit  vielfach  nur  zu  sehr  zii  Püichten,  zu  einer  Stärkung  der 
Krone  geworden.  Als  eine  adelige  Wirtie  bittet,  ihren  Sohn  zu 
verabschieden,  damit  er  das  in  Schulden  geratene  väterliche  Gut 
übernehmen  könne,  vird  sie  zurückgewiesen;  ähnlich  ergeht  es 
einem  adeligen  unverheirateten  Mädthen,  deren  sechs  Brüder  im 
Kriege  gefallen  sind.  Laufende  Pensionen  gewührl  der  König 
äußerst  selten,  gewöhnlich  heißt  es:  „es  ist  nichts  da";  und  wenn 
er  gewährt,  so  sind  es  zwei  Taler,  deren  drei  und  dergleichen. 
Während  er  adeligen  angesehenen  Frauen  jede  Unterstützung 
versagt,  bewilligt  er  einer  Arbeiterfrau  zwei  Taler.  Man  sieht, 
der  König  verfuhr  keineswegs  voreinKt'noninien.  Nun  besaß  der 
Adel  aber  vielfach  nicht  die  Mittel,  seine  Güter  zu  halten  oder 
andere  zu  erwerben.  Daraus  entstanden  die  sonderbarsten  Gesuche 
an  den  König,  um  aus  der  Bedrängnis  herauszukommen.  Das 
einfachste  wäre  natürlich  gewesen,  das  Gut  zu  verkaufen;  kauf- 
kräftig aber  erwiesen  sich  nur  Bürgerliche:  das  Bürgertum 
erschien  hier  als  wirlschafllicli  notwendige  Ergänzung  des 
Adels.  Diese  wichtige  Tatsache  ließ  Friedrich  ungcrßhrt:  er 
wollte  nicht  adelige  Güter  in  bürgerlichen  Händen  sehen  und  schlug 
deshalb  die  Gesuche,  einen  derartigen  Verkauf  zu  erlauben,  ab; 
einiual  mit  der  Begründung,  die  Bürger  sollen  keine  adelige  Frei- 
heit haben.  Die  Folge  wird  in  den  meislen  Fällen  nicht  Hülfe, 
sondern  Unglück  gewesen  sein:  der  Bankerott  des  Bittstellers, 
Ein  wenig  von  der  aristokratischen  Denkart  liegt  auch  in  der 
Entscheidung,  daB  keine  Kanfleute  bei  den  Husaren  eingestellt 
werden  dürfen,  und  doch  hat  dies  einen  tieferen  Sinn.  Friedrich 
wollte  bei  der  Reiterei  wesentlich  Leute  vom  Lande  haben,  die 
nicht  blos  reiten  konnten,  sondern  mit  Pferden  aufgewachsen 
waren  und  sie  deshalb  zu  behandeln  verstanden. 

Aber  nicht  blos  in  den  Kreisen  des  Adels  gab  es  viele  Be- 
dürftige, auch  die  berühmte  Dichterin  Karschin  konnte  schreiben, 
sie  sei  bestandig  kränklich,  und  sie  erhält  dann  in  Gnaden  4  Taler. 
Eine  Witwe  von  75  Jahren  bekommt  den  Bescheid,  sie  solle  warten, 
bis  eine  Pension  frei  würde.  Eigentümlich  mutet  uns  die  Armut 
Berlins  an.  Aus  den  verschiedensten  Gegenden  der  Stadt  liegen 
Gesuche  von  Hausbesitzern  vor,  daB  sie  nicht  die  Mltlcl  besäßwi, 
ein  Haus  zu  bauen,  ein  solches  zu  vergrößern  oder  auszubessem. 


und  daß  deshalb  der  König  dies  tun  möge.  Auch  die  Schöne- 
berger  Bauern  beklagen  sich,  sie  seien  zu  ami,  um  ihre  Häuser 
reparieren  zu  können  —  jetzt  heißen  die  Leute  Millionenbauern. 
Eine  unsägliche  Dürftigkeit  und  Kleinlichkeil  blickt  überall  her- 
vor. Man  erkennt,  aus  wieviel  Trübsal,  Kummer  und  Hunger 
sich  Preußen  damals  emporgearbeitet  hat. 

Der  König  hatte  also  allen  Grund  zur  größten  Spai-samkcit 
und  zur  stärksten  Ausprägung  des  Staatsinteresses.  Seine  fiska- 
lischen Entscheidungen  erscheinen  oft  hart,  aber  nur  so 
konnte  dem  armen  Staate  aufgeholfen  werden.  Als  eine  Witwe 
bittet,  ihren  im  Dienste  stehenden  Sohn  zur  Bewirtschaftung 
ihrer  Güter  n;  entlassen,  wird  sie  abschlägig  beschieden,  weil  sie 
sich  andere  helfen  könne;  als  aber  ein  Papierfabrikant  dem 
Könige  klagt,  er  vermöge  sich  nicht  zu  hallen,  weil  seine  Gläu- 
biger ihn  drängten,  da  bürgt  der  knauserige  Landesherr  für  ihn, 
denn  »eine  Fabrique  ist  eine  sehr  gute  Sache,  die  möchte  nicht 
gern  übern  Hauff  gehen  lassen™.  Aus  diesen  Gründen  erklärt 
sich  auch,  daß  die  Juden  bei  den  verschiedensten  Anlässen  Por- 
zellan der  königlichen  Fabrik  zu  Berlin  kaufen  mußten,  selbst, 
wenn  sie  gar  keine  Verwendung  dafür  hatten.  Es  galt  dem  Gebieter, 
seine  Fabrik  in  die  Höhe  zu  bringe».  Um  alles,  selbst  die  ent- 
legensten Dinge,  bekünutierte  er  sich,  überall  griff  er  ein  mit 
staatlicher  Bevormundung,  selbst  in  reine  Privatangelegenheiten. 
In  seinen  Augen  gab  es  solche  eigentlich  überhaupt  nicht,  jeder 
Staatsbürger  war  ihm  eben  ein  Bruchstück  des  Staates.  Als  ein 
Berliner  Glaser  Glas  aus  Ralibor  beziehen  will,  verweist  er  ihn 
auf  Löwenberg.  Alles  soll  möglichst  im  Lande  hergestellt  werden; 
der  König  selber  braucht  keine  ausländischen  Sachen.  Er  legt 
Gewicht  darauf^  daß  jeder  mit  dem  Platze,  den  der  Staat  ihm 
angewiesen  hat,  zufrieden  ist,  Stellen  Veränderungsgesuche  lehnt 
er  durchweg  ab.  Dabei  hält  er  auf  gute  Zucht.  Die  nachträg- 
liche Heirat  zur  Legitimierung  eines  natürlichen  Kindes  findet 
keine  Gnade  vor  seinen  Augen.  Nach  unserem  Empfinden  hat 
die  Allmacht  des  absoluten  Königtums  bisweilen  etwas  geradezu 
Schreckliches.  So,  wenn  ein  Vater  bittet,  seinen  Sohn,  der  zehn 
Jahre  auf  Festung  gesessen,  auf  Lebenszeit  einzusperren,  weit  er 
sich  nicht  bessere.    Der  König  genehmigt  es,  wenn  keine  Besse- 


J 


454 


Julius  von  PflugJc-Harttung. 


ruDg  zu  hoffen  sei.  Nur  dadurch  wird  man  mit  der  furchtbaren 
Allgewalt  einigermaßen  versöhnt,  daü  sie  nicht  irillkörlich  gehand- 
habt wird  und  alle  trifft  ohne  Ansehen  der  Person,  gleichviel  ob 
es  sich  um  einen  Bettler  handelt  oder  um  einen  Prinzen. 

Von  der  preußischen  Justiz  hat  der  Gestrenge  eine  hohe 
Meinung.  Als  ein  gräflicher  Gerichtsherr  sich  über  einen  Bauern 
beschwert  und  Untersuchung  fordert,  meint  der  Könige  da  «ürde 
so  wie  so  eingeschritten,  hierum  brauche  sich  der  Beschwerde- 
führer nicht  zu  bekümmern.  Sind  die  Arbeiter  widerspenstig, 
so  greift  der  starke  Ann  des  Staates  ein.  In  Müüärstrafen  erweist 
er  sich  hart,  er  bestätigt  fast  immer  das  Urteil  des  Kriegs- 
Gerichtes.  Dabei  zeigt  er  selber  starken  Qesetzessinn;  weil  andere 
ihre  Schranken  nicht  überschreiten  sollen,  hit  er  selber  es 
auch  nicht.  Als  er  gebeten  wird,  eine  Äbtisstnstelle  zu  besetzen, 
lehnt  er  es  ab,  weil  die  Schwestern  freies  Wahlrecht  besitzen. 

Die  Allmacht  des  Königs  bewirkte,  daß  man  alles  von  ihm 
erwartete.  Eigentlich  jeder,  der  etwas  auf  dem  Herzen  hatte,  fühhc 
sich  vollauf  berechtigt,  an  den  König  zu  schreiben,  wodurch  er 
der  Vertrauensmann  seines  Volkes  wurde.  Hier  erscheint  der  ab- 
solutistische Staat  noch  patriarchalisch.  Man  glaubt,  eine  große 
Familie  vor  sich  zu  habenj  deren  Haupt  der  KOnig  ist  So  kommt 
es  denn,  daß  einige  Qesuchsteller  förmlich  mit  ihm  handeln  nach 
der  Formel:  gewähre  mir  dies,  dann  leiste  ich  dir  dafür  das. 
Naiv  erscheinen  die  Anträge  oft,  sie  konnten  aber  auch  unver- 
froren sein,  z.  B.  bat  ein  früherer  österreichischer,  also  fremder 
Oberleutnant,  ihm  das  Haupimannspatent  zu  verleihen,  damit  er 
eine  vorteilhafte  Heirat  zu  schließen  vermöge. 

Wir  lassen  jetzt  die  Excerpte  des  Jahres  1783  einzeln  in  sach- 
licher Gruppierung  folgen,  dabei  bemerkend,  daß  die  Schreibweise 
beibehalten  «Tirde,  die  Namen  dagegen  durchweg  auf  die  Anfangs- 
buchstaben verkürzt  sind.  Die  Auswahl  geschah  entweder  nach 
dem  Inhalte  der  Eingaben  oder  wegen  der  Randbemerkungen. 
Letztere  sind  nie  eigenhändig,  stets  mit  weichem  Bleistift  flüchtig 
hingeworfen,  und  deshalb  bisweilen  schwer  lesbar,  zumal  wenn 
sich  die  Buchstaben  verwischt  haben. 


Die  Wittwe  des  verstorbenen  General  Lieutenant  v.  K.,  welcher 
vor  4  Jahren,  für  den  Kopff  des  Alexander,  so  aus  Jaspis  ge- 
arbeitet, durch  den  Lccteiir  Ca«  800  R.  Th.  versprochen  worden, 
bittet  ailcrunterthänigst,  ihr  gedachte  800  R.  Th.  alEergtiädigst  aus- 
zahlen zu  lassen.  -  Ich  bäte  sie,  doch  Geduld  zu  haben,  jetzundcr 
ginge  das  ohnmögSich  an,  vielleicht  mit  der  Zeit  kauffe  es  ihr 
wohl  mahl  ab,  aber  jetzt  kann  ich  das  nicht  thun. 

Die  Poetin  Karschin  hieselbst  bittet  alleninterlhänigst  ihr^  da 
sie  seit  einiger  Zeit  beständig  kränklich  ist,  eine  Gnadensbezeigung 
wiederfahren  zu  lassen.  —  Vier  Thaler. 

Eine  v.  K.  zu  alt  Koltziglow  in  Pommern,  deren  6  Brüder, 
welche  bey  der  Armee  gestanden,  im  siebenjährigen  Kriege  ge- 
blieben sind,  und  welche  nichts  weiter  zu  leben  hat,  bittet  aller- 
unterthänigst,  ihr  eine  kleine  Pension  allergnädigst  zu  accordiren. 
—  Ist  nichts  da. 

Die  Wiltwe  eines  vor  16  Jahren  hieselbst  verstorbenen  Colo- 
nisten  Nahmens  Bläsigen,  welche  sich  durch  schwere  Arbeit,  so 
sie  nunmehr  in  ihrem  72  jährigen  Aller,  nicht  mehr  verrichten 
kan.zeither  erhalten  hat,  bittet  allem nterthän igst,  ihr  einige  Unter- 
stützung allergnädigst  zu  accordiren.  —   Sollen  2  Thaler  geben. 

Eine  Lieutenants  Witlwe  v.  W.  zu  Neu  Wedell  bittet  aller- 
nnterthänigst  in  ihrem  75  jährigen  Aller,  ihr  zu  ihrem  nothdQrff- 
tigen  Unterhalt  eine  Pension  allergnädigst  zu  ertheilen.  — 
Warlen  bis  was  vacant  wird. 

Eine  Wittwe  Nahmens  F.,  deren  verstorbener  Mann  als  ein 
Colonisl  anher  gekommen  war,  bittet  alleruntcrthänigsl,  in  ihren 
72jährigen  Alter  ihr  zu  ihrem  Unterhalt  eine  Unterstützung  aller- 
gnädigst zu  accordiren.  —  Zwey  Gulden  geben. 

Die  Wittwe  des  im  ersten  Schlesischen  Kriege  in  anno  1741 
gebliebenen  Lieutenant  v.  B.,  Zielenschen  Regiments,  welche  in 
ihrem  40jährigen  Wittwcn  Stand  sich  zu  Ragnit  ihren  Unterhalt 
kümmerlich  erworben  hat,  bittet  allerunterthänigst,  ihr  in  ihrem 
nunmehrigen  hohen  Aller  eine  kleine  Pension  allergnädigst  zu 
accordiren.  —  Ist  nichts  da. 

Die  Wittwe  des  verstorbenen  Obristen  und  Intendant  v.  B. 
öberschikket  alicmntcrthänigst  den  ihm  confenrct  gewesenen  Orden 
pour  le  merite  und   bittet  allerunterihänigst,    ihr  zur  Erziehung 


^ 


456  Julius  von  Pflugk-Harttung. 


ihrer  4  unenrachsenen  Kinder,  von  welchen  sie  nicht  meldet,  ob 
es  Söhne  sind,  eine  kleine  Pension  allergnädigst  zu  ertheiten.  - 
Wo  sollen  alle  Pensions  herkommen,  ist  Nichts  da. 

Der  Fähnrich  v.  K.,  Kellerschen  Regiments,  bittet  allerunter- 
thänifist  nach  nunmehr  erfolgtem  Absterben  der  Äbhssin  des 
Jungfräulichen  Oosters  ad  sanctam  Ciaram  zu  Qlogau,  seine  Cou- 
sine die  Baronne  von  K.,  welche  an  diesem  Cioster  die  einzige 
von  Adel  ist,  zur  Abrissin  dabey  allergnädigst  zu  verordnen.  - 
Sie  haben  die  Wahl;  Ich  confirmire  solches  nur  und  kann  also 
weiter  nichts  bey  der  Sache  thun. 

Der  von  dem  nunmehrigen  von  Ingerslebenschen  Regiment 
in  anno  1756  als  Obrist  Lieutenant  dimitlirte  Major  v.  D.  bittet 
allenmterthänigst,  ihm,  da  er  nunmehr  in  seinem  Töjährigen  Alter 
nichts  mehr  zu  leben  hat,  eine  kleine  Pension  allergnädigst  zu  er- 
thellen.  ~  (Wird  abgelehnt). 

Der  gewesene  Obrister  v.  B.,  dem  es  am  nothdörftigstcn 
Unterhalt  fehlet,  bittet  allcrunterthänigst,  ihm  eine  nur  kleine 
Pension  allergniSdigst  zu  accordiren.   -    (Wird  abgelehnt). 

Der  V.  T.  zu  Bernstadt,  welcher  5  Söhne  zum  Dienst  erzogen 
hat,  dadurch  aber  von  Mitteln  ganz  entblößet  worden  ist,  bittet 
allerunterthänigst,  ihm  eine  Unterstützung  zu  seinem  Unterhalt 
allergnädigst  zu  ertheilen.  -  (Wird  abgelehnt). 

Der  Lieutenant  v.  B.,  Braunschen  Regiments,  meldet  aller- 
unterthänigst, daß  sein  Schwager,  der  gewesene  Capitaine  v.  IC 
zu  Lillehn  in  Pommern  verstorben,  und  dessen  hintcriasscnc  Kin- 
der in  der  grösten  Armuth  sich  befinden,  und  bittet,  zwey  seiner 
Niecen  An  wartschafften  auf  vacant  werdende  Stellen  bey  dem  Stifte 
Heiligengrabe  allergnädigst  zu  ertheilen.  —  Es  sind  schon  so 
viele,  und  wenn  Ich  sie  auch  gebe^  so  kommt  dabey  doch  nichts 
heraus,  denn  sie  müßen  an  30  Jahr  warten,  so  viele  sind  ihrer  schon. 

Die  Witlwe  des  verstorbenen  Obristen  v.  W.  dancket  allcr- 
unterthänigst, für  die  ihr  allergnädigst  erlheilcte  Pension  von  100 
R.  Th.  jährlich,  und  bittet,  wegen  ihrer  gar  großen  Armuih,  ihr 
die  dieserhalb  zu  entrichtende  Chargen  und  Stempel  Jura  aller- 
gnädigst  zu  erlaßen.    —  üeht  an. 

Die  Wittwe  des  vor  zwey  Monathcn  verstorbenen  Canonrer 
Reichelm,   dem   im    vorletzten   Kriege  bey  Welsscnfels  ein  Bein 


durch  eine  Canonen  Kugel  weggeschossen  worden,  bittet  alierunter- 
Thänigst,  in  Ansehung  ihrer  Armuth,  ihre  beyden  Söhne  von  12 
und  7  Jahren  im  Potsdanischen  Weysen  Hause  allergnädigst  auf- 
nehmen zu  lassen.  -  Das  geht  an. 

Die  Wittwe  des  Musquetiers  Stellhof  bittet  allerunterthänigst, 
ihren  13Jahre  alten  Sohn,  dem  sie  keinen  Unterhalt  länger  geben 
kann,  allergnädigst  versorgen  zu  lassen.  -  Ins  Waysenhaus  kann 
sie  ihn  ja  bringen. 

Der  beym  Cadetien  Corps  gestandene  Lieutenant  v.  P.  bitte, 
allerunterthänigst,  da  er  nichts  zu  leben  hat,  ihm  eine  Versorgung 
allergnädigst  zu  accordiren.  -  (Wird  (abgelehnt). 

Der  Lieutenant  B.,  Berlinschen  Land  Regiments,  bittet  aller- 
unterthänigst, wegen  seiner  unheilbaren  Blessuren  ihn  im  Invaliden 
Hause  allergnädigst  aufnehmen  zn  lassen.  -  Zwey  Thaler 
schicken. 

Der  Premier  Lieutenant  v.  N.  vom  Bosniacken  Regiment,  welcher 
im  letzten  Kriege  unter  dem  Commando  des  Obristcn  von  Ooelzen 
am  Neille  Fluß  gestanden,  und  mit  40  Mann  Dragoner  und 
Husahren  den  13.  January  a.  p.  auf  einen  Troup  Österreicher 
von  200  Pferden  bey  Nickelsdorff  eingehauen  und  davon  13 
Rerde  und  9  Mann  zu  Gefangenen  gemachet  hat,  bittet  aller- 
unterthänigst, in  Ansehung  der  den  14i^  Januar>'  bey  Fugmantel 
vom  Feinde  ihm  genommenen  2  Pferde  und  sämnitlicher  Equipage, 
die  er  als  ein  armer  Officier  sich  wieder  anzuschaffen  außer  Stande 
ist,  ihm  eine  Unterstützung  allergnädigst  zu  accordiren.  -  Ich 
habe  nicht  viel  gutes  gehört  von  die  Bosniaquen. 

Der  General  Major  v.  R  zeiget  auf  die  ihm  erlheilele  Ordre 
allerunterthänigst  an,  daß  nicht  sowohl  durch  seine  langjährige 
Dienst  faliguen,  als  durch  verschiedene  Fälle  mit  dem  Pferde, 
sein  Cörper  dergestalt  ruiniret  worden,  dall  er  den  rechten  Ann 
nicht  mehr  recht  gebrauchen  kann,  daß  insbesondere  die  Brust 
und  das  Creutz  bey  ihm  dergestalt  gelitten,  daß  wegen  kurlzen 
Athen  und  Stiche  in  der  Brust,  er  das  Reiten  nicht  mehr  aus- 
hallen kan,  und  dali  ihm  seine  Kopf  blcssur  das  Gedächtniß  un- 
gemein geschwächet  hat,  und  bittet  wiederhohlcnllich,  ihm  den  ge- 
suchten Abschied  mit  einer  mäßigen  Pension,  wovon  er  noihdürftig 
leben  könne,  allergnädigst  zu  accordiren.    -    Der  Wein  wird  wohl 


mehr  Schaden  gethan  haben  wie   aJles  andere.     Bey  der  Revue 
werde  ihn  sehen. 

Ein  Tuchmacher  Nahmens  MülJcr  hieselbsl,  welcher  dutch 
den  Verlust  der  Augen  sich  mit  Frau  «nd  sieben  Söhnen  in  die 
elendeste  Umstände  befindet,  bittet  allerunlerthänigsl,  ihm  eine 
Unterstützung  zu  seinem  Unterlialt  allcrgnädigst  zu  accordiren. 
-  Zwei  Thaler  geben. 

Der  21  Jahr  bey  dem  reitenden  Feld  Jäger  Corps  gestandene 
nunmehro  mit  dem  Förster  Dienst  zu  Köritz,  Amts  Neustadt  an 
der  Dosse,  versorgete  Nahmens  Berner,  bittet  allerunterthänigsl, 
ihm,  da  er  seinen  Dienst  nidit  gerne  mit  Schulden  antreten  möditer 
die  dieserhalb  zu  entrichtende  182  R.  Th.  Chargen  und  Stcmpel- 
Jura  allcrgnädigst  zu  erlassen.  -  Nein  das  geht  nicht  an. 

Der  invalide  Sergeant  T.  bittet  allerunterthänigst,  ihm  den 
Todlen  Gräber  Dienst  zu  Halle,  den  der  dimittirte  Unter  Officier  M. 
bereits  erhalten  hat,  da  derselbe  sich  eher  wie  er  sich  ernähren 
kann,  allergnädigst  ertheilen  zu  lassen.  -  Geht  an,  m'O  ich  es  zu 
vergeben  habe. 

Der  gewesene  Premier  Lieutenant  nunmehrige  Accise  Brigadier 
V.  F.  zu  Dirschau  in  West  Preußen  bittet  allerunterthänigst,  der 
General  Accise  und  Zoll  Administration,  daß  sie  ihn  mit  einem 
convenableren  Dienst  versorge,  allergnädigst  Ordre  zu  erlheilen.  — 
JVlan  kann  ihm  keinen  andern  Dienst  geben,  als  den  er  vor- 
stehen kann. 

Der  Forst  RaÜi  Reiche  zu  Alt  Ruppin  bittet  allenmtcrthänigst^ 
in  Ansehung  seiner  49jährigen  Dienstleistung  und  kränklichen 
Umstände,  ihm,  seinen  Dienst  dem  gewesenen  Regiments  Quartier 
Meister  Kalsch,  Hordtschen  Frey  Regiments,  welcher  ihn  Zeil  Lebens 
zu  unterhalten,  sich  engagiren  wird,  abtreten  zu  dürfen,  die  Er- 
laubniß  allergnädigst  zu  erlheilen.  -  Ist  nichts,  geht  nicht  an;  was 
versteht  ein  Quarttermeister  von  Forsbjpesen. 

Zwey  Deputirtc  aus  dem  Glalzschcn  Creyse  bitten  allerunter- 
thänigst, den  Einwohnern  desselben,  in  Ansehung  der  värcnd  dem 
letzten  Kriege  erlittenen  Schäden,  damit  sie  sich  davon  erhohlen 
und  conserviren  können,  eine  Unterstützung  allergnädigst  zu 
accordiren.       Geduld,  wenn  Ich  nach  Schlesien  komme. 


Aus  dem  Kabinette  Friedrichs  des  GroOen. 


Der  bey  dem  ehemaligen  Regiment  von  Nassau -Usingen 
gestandene  Capitain  v.  M,,  welcher  erster  Director  bey  dem  Feld- 
Lazareth  der  2.  Armee  gewesen  ist,  bittet  allerunterthänigst,  bis  tm 
seiner  anderweitigen  Versorgung  mit  einem  Dienst,  ihm,  zu  seinem 
und  seiner  famille  Unterhalt,  eine  Unterstützung  allergnädjgsl  zu 
accordiren.  —   Ist  nichts.    Windbeutel. 

Der  V.  Th-,  welcher,  auf  die  ihm  allergnädigst  ertheilete  Ver- 
sicherung, ihn  bey  einem  Husaren  Regiment  zu  placiren,  seine 
Demission  aus  Chur-Sächsischen  Diensten  gesuchet  hat  und  anjetzo 
in  Berlin  sich  befindet,  -  bittet  aÜerunterthänigsl,  ihn  allergnädigst 
zu  placiren.  -  Soll  nur  warten,  bis  Ich  beßer  bin. 

Der  wegen  einer  bey  Collin  erhaltenen  schweren  blessur  am 
Kopff  dimittirte  Ritt  Meisler  v.  K.,  bittet  allerunterthänigst,  in  An- 
sehung seiner  22jährigen  Dienste,  ihm  die  durch  Absterben  des 
Obristen  v.  B.  erledigte  Intendanten  Stelle  alferginädigst  zu  er- 
theiten.  —  Ist  schon  vergeben. 

Der  gewesene  Major  des  von  Wolffendorf sehen  Regiments 
und  nunmehriger  Land  Rath  zu  Hagen  in  der  Grafschaft  Marck 
V.  K.  bittet  allenmterthänigst,  seinen  zwey  Jahr  bei  dem  Märckschen 
Cammer  Deputations  Collegio  als  Referendare  stehenden  Sohn 
ihm  zur  Sublevatio  bey  seinem  durch  bl«suren  geschwächten 
Cörper  mit  Genehmigung  der  Stände  allergnädigst  adjungiren  zu 
taßcn.  -  Nein,  ist  nichts.  Kinder  sollen  nicht  zu  Land-Räthen 
genommen  werden,  das  ist  wieder  die  Gesetze. 

Der  Director  der  tcutschen  Comedie  Doeblinj  dem  seine 
Schau  Spiele  hicselbst  bey  Gelegenheit  der  Hoff  Trauer  auf  drey 
Wochen  untersaget  worden,  bittet  allerLintcrthänigst,  da  er  auf 
solchen  Fall  seine  Bande  würde  mQIien  auseinander  gehen  lassen, 
ihm  seine  Schau  Spiele  morgen  wieder  anfangen  zu  dürfen,  aller- 
gnädigst zu  erlauben.   -   Zu  Anfang  künftiger  Woche. 

Ein  in  Österreichischen  Diensien  gestandener  Premier  Lieute- 
nant V.  B.  zu  Halberstadt,  welcher  in  Königlichen  Landen  sich  zu 
etabliren  willens  ist,  bittet  allerunterthänigst,  damit  er  um  so  eher 
eine  vortheilhafte  Heyrath  außerhalb  Landes  schließen  könne,  ihm 
ein  Capitaine  Paten!  allergnädigst  zu  accordiren.  -  (Keine  Antwort.) 

Der  Sohn  eines  bemittelten  Hamburger  Kauffmanns  Nahmens 
Hasse,    welcher   hieselbst    auf  Schulen   gewesen    und   nunmehr 


460 


Julius  von  Pflugk-hkrtlung. 


22  Jahr  all  ist,  bittet  allenintertluinigst,  da  er  im  militaire  Dienst 
sich  /u  poussiren  wünschet  und  reiten  kann^  ihn  bey  dem  Zictcn- 
schen  Husahren  Regiment  allergnädigst  zu  placiren.  -  Nein,  bey 
die  Hussaren  werden  keine  Kaufleute  genommen. 

Der  bey  dem  Hordtschcn  Frey  Regiment  gestandene  Capitaine 
V.  L-,  welcher  bey  allen  im  letzten  Kriege  vorkommenden  Ge- 
legenheiten sich  distinguirt  hat,  bittet  wiederhohlenüich,  ihn  als 
Stabs  Capitaine  bey  einem  Regiment  oder  als  Capitaine  in  der 
Suite  anderweitig  allergnädigst  zu  placiren.  -  Solche  {unge  Leute, 
die  nehme  Ich  nicht  als  Capitalns.  Wenn  Er  aber  wie  Lieutenant 
dienen  will,  dann  will  Ihn  bey  einem  Infanterie  Regiment  an- 
setzen, denn  Er  inuB  nur  wilkn,  daß  ein  gruUtr  Unterschied  ist 
zwischen  den  Frei  Regimentern  und  regulären  Irouppen. 

Die  verwittwete  v.  U.,  deren  einziger  mit  ihrem  verstorbenen 
Mann,  dem  ehemaligen  CaplLain  nunmehrigen  von  Saldenschoi 
Regiments,  erzeugter  Sohn,  welcher  in  der  Cadetten -Schute  zu 
Stolpe  erzogen  wird,  nunmehr  das  löte  Jahr  erreicht  hat,  bittet 
alleruntcrthänigst,  denselben  bey  dem  van  Saldenschen  Regiment 
allergnädigst  zu  placiren.  -  So  jung  nehmen  sie  nicht  bey  die 
Regimenter.  15  Jahr  ist  zu  jung,  17,  IS  wenigstens  muß  Ex  alt 
seyn.    Muü  erst  in  der  Cidclten  Schuhle  in  Stolpe  erzogen  werden. 

Der  auf  Werbung  zu  Sladt  Um  im  Schwarlzburgschen  comman- 
dirte  Lieutenant  v.  U'.,  Schwartzschen  R^iments,  bittet  allerunter- 
thänigst,  da  er  bereits  14  Jahre  Off icier  und  durch  den  Einschub, 
so  das  Regiment  gehabt,  erst  einer  der  jüngsten  Second  Lieutenants 
ist,  ihn  allergnädigst  zu  avanciren,  -  Er  kann  ja  nlcltt  vor  avan- 
circn,  hatt  ja  nichts  gclhan,  vorzüglich,  die  sich  hervorthun,  die 
werden  distinguiret,  die  aber  weiter  nichts  thun,  müssen  ihre 
tour  abwarten. 

Der  Major  und  Conimandeur  Hessen  Casselschen  Regiments 
V.  P.,  dessen  beyden  Söhne  als  älteste  gefreylc  Corporals  bey 
gedachtem  Regiment  stehen,  billet  allerunterthänigst,  da  der  älteste 
davon  bey  Gelegenheit  des  Abgangs  dc-s  Lieutenant  v.  S.,  von  dem 
Obrislcn  V.  ß.  zum  Fähnrich  in  Vorschlag  gebracht  werden  wird, 
den  zweiten,  der  ebenfalls  die  Jahre  und  Größe  hat,  bei  seinem 
gefrcylen  Corporals  Tractamcnt,  auch  zum  Fähnrich  zu  avanciren, 
welches  ihn,  da  er  noch  Ö  andere  Söhne  hat,  sie  ebenfalls  gut 


erziehen  zu  lassen,  encouragiren  «'ird.  -  Sie  haben  ein  Hauffen 
desetlion  gehabt  in  der  Campagne,  sind  nicht  fleißig  gewesen, 
haben  nicht  gehörig  Acht  gegeben,  die  Leute  nicht  in  Ordnung 
gehalten,  seine  Sohne  müssen  warten,  bis  der  four  sie  trifft 
(Diese  beiden  v.  Pirch  haben  es  bis  zu  Generalleutnants  gebracht 
und  sich  namentlich  im  Feldzuge  1815  ausgezeichnet.) 

Der  General  von  Zielen,  welcher  sich  für  Verkältungen  sehr 
in  acht  nehmen  muli,  biltet  allerunterthänigst,  da  die  Tieger  Decke 
nur  Qber  den  leichten  Tolniann  oder  Coriii&ole  gelragen  werden 
kann,  ihm  allergnädigst  zu  erlauben^  daß  er  selbtge  zurücklassen 
und  in  dem  Parade  Peh^  erscheinen  und  so  die  Revue  mitmachen 
dürfe.  —  Er  möchte  sich  ja  hübsch  in  Acht  nehmen  und  lieber 
gamicht  mit  herausgehen,  wenn  es  gar  zu  kalt. 

Der  Staabs  Rittmeister  v.  L.,  Zietenschen  Husahren  Regiments, 
welcher  bey  der  itzigen  Veränderung  eines  neuen  Commandeurs 
im  Regiment  die  Escadron,  so  eben  an  ihn  gestanden,  nicht 
erhalten  hat,  bittet  allerunterthänigst,  da  er  seinem  devoir  in 
Krieges  Zeiten  auf  das  äußerste  genflget  hat,  wovon  seine  erhaltene 
blessuren  das  sicherste  Zeugniß  geben,  Ihm,  in  Ansehung  seiner 
20jährigen  Dienste,  die  Versicherung  seines  hiemächslen  Avance- 
ments, zu  seiner  Rechtfertigung  vor  der  Welt,  allergnädigst  zu 
ertheilen.  -  Was  halt  Er  denn  zu  klagen.  Commandeure  setze 
ich,  wie  Ich  will,  besonders  wo  die  Regimenter  so  faul  sind,  wie 
das  V.  Ziethen.  Da  muß  ich  wohl  einen  Conimandour  haben,  der 
sie  ein  bisgen  wieder  In  Ordnung  bringt. 

Der  General  Major  v.  E.  überschikkel  allerunterthänigst  die 
über  den  Füsilier  C.  seines  Regiments,  wegen  Desertions  ComplotS 
und  verschiedener  begangenen  Diebstähle,  abgesprochene  Krieges 
Rechtliche  Senlentz,  worin  demselben,  nach  Anleitung  der  Krieges 
Articuls,  30  Mahl  großen  Lauffen  in  drey  Tagen  durch  200  Mann 
und  zehen  jährige  Festungsarbeil  zuerkannt  worden.  -  Confirmirl. 

Der  General  Lieutenant  v.  F.  überschikket  allerunterthänigst 
die  über  dem  Füsilier  Raat  seines  Regiments,  welcher  aus  dem 
Mccklenburgschen  gebürtig  ist,  und  als  er  wegen  unternommener 
Desertion  gestraffet  werden  sollen,  <iaSi  er  ein  Schinder  gewesen, 
fälschlich  von  sich  angegeben,  abgesprochene  Krieges  Rechtliche 
Sententz,  worinn,  nach  Anleitung  des  37.  Krieges  Articuls,  erkannt. 


462 


Julius  von  PTIugk-Harttung. 


Jan  er  mit  dem  Strauphesen  bestraffet,  zum  Schelm  gemachet  und 
auf  Zeit  Lebens  zur  Vestuiigs  Arbeit  abgeliefert  werden  soll.  — 
Das  wollen  wir  so  machen,  da  das  nicht  wahr  befunden.    Em 
aber  Spitzruthen  laüfeti;,  dann  3  Monath  auf  die  Vestung  schtckea. 
und  dann  unter  ein  Garnison  Regiment  geben.    Das  ist  besser.! 

Der  V.  A.  zu  Königsberg  in  Preußen,  dessen  ältester  Sohn  in 
der  Armee  placiret  gewesen,  aber  wegen  seiner  schwidlichen  Auf- 
führung cflssircl  und  zu  zehen  jährigen  Vestungs  Arrest  in  Pitlau 
condamniret  worden,  bittet  allem nterthän igst,  da  die  Zeit  seines 
Arrestes  zu  Ende  gehet,  und  er  nicht  das  geringste  Zeichen  von 
Besserung  an  sich  verspüren  lasset^  ihn,  damit  er  sich  nicht  in 
das  größte  Unglück  stürlzen  könne,  die  Zeit  seines  Lebens  in 
Arrest  zu  Pillau  aufbehalten  zu  lassen.  -  Wenn  keine  Beßerung 
zu  hoffen,  so  habe  Ich  nichts  dagegen. 

Der  Cammcrherr  v.  P.  bey  der  Prinzessin  von  Preußen,  dessen 
bey  dem  Regiment  von  Roeder  als  Cornet  gestandener  Sohn  zu 
seiner  Bestrafung  und  Besserung  bis  auf  weitere  ordre  auf  der 
Vcstiing  Olalz  bleiben  sollen,  meldet  allenmierthänigst,  dati  sein 
anderthalb  jähriger  Arrest  denselben  zur  Erkcnntniß  seiner 
Fehler  gebracht,  und  daß  der  Conimandant  Obrist  von  Regler 
ihm  das  Zeugniß  giebet,  daß,  bey  der  ihm  die  letzte  Zeit  ver- 
stattelen  mehreren  Freyheil,  er  alle  Hoffnung  zu  einer  besseren 
Conduite  mit  Grunde  von  sich  hoffen  läßet,  und  bittet,  diesen 
seinen  einzigen  Sol)n  die  allerhöchste  Gnade  wiederfahren  zu 
lassen,  Ihr  noch  ein  Mahl  bei  einem  Infanterie  Regiment  in  einer 
kleinen  Garnison  zu  placiren.  -  Ich  weilJ  nicht,  was  Kr  gethan 
hat,  ich  werde  darum  erst  schreiben. 

Der  ehemalige  Major  in  der  Infanterie  v.  M.,  dessen  Sohn, 
vor  beynahe  fünf  Jahrenj  zu  seiner  CorrecÜon,  als  gefreyttr 
Corporal  bey  dem  von  Ingerslebenschen  Regiment  mit  dem  Be- 
fehl gesetzet  worden,  daß  er  nicht  vor  gänzlich  gebesserter 
Conduite  zum  Officier  vorgeschlagen  werden  sollte,  bittet  aller- 
unterthänigst,  da  nach  der  Versicherung  seines  Chefs  sowohl  als 
seines  Capitaine  er  während  der  letzten  Campagne  sowohl  als 
sonst  eine  untadelhaffte  Aufführung  geäußert,  er  auch  bereits 
26  Jahre  alt  ist,  ihn  nach  seiner  tonr  zum  Officier  allergnädigst 
vorschlagen  zu  lassen.  -  Wo  Er  glaubt,  daf}  Ich  das  alles  noch 


Aus  dem  Kabinette  Friedrichs  des  Qroßen. 


wißen  soll.    Er  muß  doch  was  gethan  haben.    Ich  werde  mich 

also  erst  darnach  erkundigen. 

Die  Wittwe  des  verstorbenen  Presidenten  v.  G.  gebohrenc 
V.  B.  zu  Berlin,  deren  Sohn,  der  ehemalige  Lieutenant  v.  G.,  wegen 
seiner  damahlige  Unarten,  auf  ihr  allem nterthänig^tcs  Gesuch 
vor  drey  Jahren  zu  Vestungs  Arrest  nach  Pülau  gebracht  worden, 
billet  allem  nie  rthänigst,  da  nunmehr,  nach  denen  ihr  von  dem  in 
Piliau  comnundirenden  Capitaine  H.  und  General  Lieutenant  v.  St 
gegebenen  Nachrichten,  dessen  Conduite  sich  gebessert  hat,  und 
er  sittsamer  geworden  ist,  den  General  Lieutenant  von  St.  zu  ge- 
dachten ihres  Sohns  Erlassung  allergnädigsl  Ordre  zu  erlheilen.  - 
tch  muß  erst  wissen,  was  Er  gethan. 

Der  General  Major  v.  L.  überschikket  arierunterthänigst  die 
Dber  den  Staabs  Capilaine  v.  N.  imd  die  drey  Lieutenants  v.  Seh. 
V.  H.  und  v.Y.  seines  Regiments  abgesprochene  Krieges  Rechtliche 
Sententz,  in  welcher,  da  obgedachte  drey  Lieutenants  den  26. 
October  Abends  um  9  Uhr  einen  Apolhecker  Gesellen  Nahmens 
Wolff,  der  ihnen  auf  der  Straße  begegnet,  angegriffen  und  ge- 
schlagen, sich  dabey  der  bloßen  Degens  bedienet,  und  ihm  an  der 
lincken  Hand  zwey  und  im  Gesichle  eine  obgleich  nur  leichte 
Wunden  beygebrachl,  hicrnechst  noch  an  eben  dem  Abend  um 
10  LIhr  vor  das  Quartier  des  Staabs  Capitaine  v.  N.  gegangen, 
und  als  derselbe  nach  ihrem  Verlangen,  da  er  bereits  im  Bette 
gelegen,  zu  ihnen  nicht  herausgekommen,  sich  sehr  unanständiger 
Worte  gegen  ihn  bedienet^  und  am  folgenden  Tage  der  Lieu- 
tenant von  Y.  den  Stabs  Capitaine  von  N.  auf  der  Parade  ange- 
rufen,  und  als  er  nicht  hören  wollen,  ihn  einen  schlechten  Kerl 
und  Kirclien  Dieb  genannt,  -  auch  da  ihm  die  Obristen  v.  B. 
und  V.  W.  befohlen,  still  zu  seyn,  diesen  Befehlen  nicht  gehor- 
samet,  sondern  dagegen  gesaget,  er  rede  die  Wahrheit,  und  fort- 
gefahren zu  schimpfen,  bis  er  in  Arrest  gefiihret  worden,  dem 
Staabs  Capitaine  v.  N.,  welcher  zu  dem  Verdacht,  em  Kclchtuch 
bey  sich  gestecket  zu  haben,  dadurch  Anlaß  gegeben,  dal!  er,  als 
ein  Bataillon  des  Regiments  v.  Luck  im  letzten  Kriege  einige  Tage 
in  Johannsberg  gestanden,  des  Abends  in  der  Capelle  daselbst 
gewesen,  und  es  zweyeii  Füsiliers  vorgekommen,  daß  er  solches 
bey  sich   gestekket,  da  es  doch   nur  sein    eigenes  Schnupfftuch 


J 


4M 


Julius  von  Pfluglt-Hartlung. 


gewesen,  auch  in  der  Capcllc  kein  Kclchtuch  vermiftet  worden, 
ein  sechs  monatücher  Vestungs  Arrest  denen  Lieutenants  v. 
H.,  und  von  S.  auch  ein  sechs  monathlicher  Vestungs  Arrest, 
dem  Lieutenant  v.  Y.   aber,  da  er,  außer  seinen  Vergehungen, 

auf  öffentlicher  Parade  gegen  die  Subordination  gehandelt,  die 
Cassation  und  ein  jähriger  Vestungs  Arrest  zuerkannt  worden.  - 
Das  ist  eine  garstige  Sache,  das  Kriegs  Recht  confimirc  ich  und 
die  Officiers  werde  Ich  von  hier  zuschicken. 

Der  Graff  v.  Seh.  auf  Schoenermarck  zeiget  alleruntcrthänigst 
an,  daß  ein  aufwieglerischer  Bauer  Zimmermann,  aus  seinem  in 
der  Ucker  Marck  gelegenen  Gute  Schapow,  ihn,  als  seine  Ge- 
richts Obrigkeit,  mit  frivolen  Klagen  über  ihn  unaufhörlich  fati* 
guirel,  und  bittet  aller unterlhänigst,  da  allen  Untertlianen  gleiches 
Recht  wiederfahren  muß,  dieses  Bauem  Klagen  und  Aufführung 
gegen  ihn  auf  das  genaueste  untersuchen  und  ihn,  nach  befundenen 
Umstanden,  allen  Vasallen  zum  Beyspiel,  oder  diesen  Bauern 
andern  aufrührischen  Bauem  zum  Exempel,  auf  einer  eclalanten 
Art  betreffen  zu  lassen.  -  Das  wurde  so  wohl  geschehen,  darum 
hätte  er  sich  nicht  zu  bekümmern,  sonsten  hätte  noch  nichts  davon 
gehöret 

Der  Beamte  zu  Wansleben  im  Magdeburgschen  Amts  Rath  K^ 
welcher  seit  vorigen  Trinitalis  das  Amt  Wansleben  in  Pacht  über- 
nommen hat,  zeiget  aüerunterlhänigst  an,  daß,  obgleich  er  die 
dazugehörige  Unterthanen  auf  alle  nur  mögliche Arth  zu  conser- 
viren  suchet  und  besonders  denen  Beschwerden,  so  sie  wieder  den 
vorigen  Beamten  gefuhret,  abhelffliche  Maaßegiebet,  selbige  jedoch 
durch  Aufwiegelung  ihm  das  Dröschen  und  verschiedene  oeco* 
nomische  Arbeiten  wieder  zu  versagen  anfangen,  so  sie  keines- 
wegs umsonst,  sondern  für  Lohn  und  zwar  des  Jahrs  nur  wenig 
Tage  verrichten  müßen;  und  bittet,  da  wegen  des  von  denen 
Unterthanen  verweigerten  Dröschens,  das  gewonnene  Qetreyde 
nicht  nur  in  den  Scheunen  liegen  bleibet  und  das  Vieh  wegen 
Mangel  des  Strohs  und  Futters  beynahe  für  Hunger  umkonnnen 
muß,  sondern  auch  der  Acker  zur  künftigen  Emdte  ungedungen 
und  völlig  unbereitet  bleibet,  wodurch  er  an  den  Bettel  Stab  kommet 
und  die  Amts  Pacht  zu  bezahlen  auUer  Stande  gesetzet  wird,  der 
Magdeburgschen    Cammer   ihm    eine    schleunige    Unterstützung 


wieder  die  dasigen  Unterthanen  zu  ihrem  eigenen  besten  zu  leisten, 
allergnädigst  aufzugeben.  —  Von  der  Cammer  und  Justitz  müssen 
hinschicken  an  Orth  und  Slelle  und  untersuchen  die  Sache,  wer 
die  Aufwiegeier  sind;  die  Dienste,  die  sie  einmahl  schuldig  sind, 
müssen  sie  doch  leisten. 

Die  verehelichte  Nahmens  D.,  deren  im  Cleveschen  gelegenes 
Gut  wätirend  ihrer  Minderjährigkeil  verkauffel  worden,  bittet 
ailerunterthänigst,  die  dasigen  Gerichte  ihr  nunmehr,  da  sie  majo- 
renn ist,  Rechenschaft  diescrhalb  zu  geben,  allergnädigst  anhatten  zu 
lassen.  -  An  die  Justitz  schicken. 

Sieben  Bauern  aus  dem  Marien werderschen  Stadt  Dorff  Ober- 
feld zeigen  ailerunterthänigst  an,  daß  im  Monath  August  a.  p. 
ihr  arbeits-  und  wirlhschaffts-Vieh,  so  wie  es  alle  Jahr  geschiehet, 
von  dem  Marien  wer  derschen  Acciseamt  aufgezeichnet  worden,  und 
daß,  weil  sie  das  junge  und  frembde  Vieh,  welches  niemahls 
aitgezeiget  worden,  nicht  angezeiget  haben,  sie  133  R.  Th.  Strafe, 
welche,  da  sie  bereits  48  R.  Th.  cxemtions  Kosten  bezahlen  müssen 
—  sie  gänzlich  ruiniren  würde,  bezahlen  sollen,  und  bitten  ailer- 
unterthänigst, nach  erforderten  der  Marienwerderschen  Cammer 
Bericht,  gedachte  Strafe  ihnen  allergnädigst  zu  erlaßen.  -  Wollen 
es  erlassen  vor  dies  mahl,  aber  sie  sollen  dergleichen  nicht  wieder 
thun  und  ihre  Sadi  richtig  angeben,  sonst  werden  sie  desto  mehr 
gestraft  werden. 

Der  Dr.  Bernoulli,  Mitglied  der  Academie  der  Wissenschaften, 
bittet  allerunterihanigst,  seinen  Anverwandten  Nauman  aus  Neu- 
schatcl,  welcher  Kgt.  Agent  in  Parma  ist,  zu  einer  Forderung, 
so  er  an  zwey  Schuldnern  in  Parma,  die  eine  von  750Ü0  livrcs, 
die  andere  von  12,000  livres,  hat,  welche  er,  um  viele  Chieanes 
zu  vermeiden,  niclit  gerne  gerichtlich  ausklagen  möchte,  durch  ein 
Vorschreiben  an  den  Infant  Herzog  von  Parma  allergnSdigst  zu 
verhelfen.  -  ich  bin  ja  kein  advocat  Er  kann  seine  Sache  ja 
selbst  ausmachen,  wenn  sie  rechtmätiig  ist,  und  hatt  Er  nicht  recht, 
so  hilft  das  alles  nichts. 

Der  Post  Meister  K.  zu  Posen,  welcher  1772  dem  gewesenen 
Ritt  Meister  und  Brigade  Major  v.  W.  370  Ducalen  auf  einen 
Wechsel  geliehen  hatte,  und  für  welche  Schuld  der  verstorbene 
General  Lieutenant  v.  B.  caviret  hat,   bittet  allerunlerlhänigst,  da. 

Archiv  lür  KullurüCKhicWe.    1,  i.  30 


4fi6 


Julius  von  Pflugk-Harttung. 


er  mit  dieser  seiner  Schul dforderung  vom  General  Audttoriat 
abgewiesen  worden,  ihn  dazu  allergnädiest  verhelfen  zu  lassen.  - 
Ans  Gen.  Auditoriat.  Die  können  ihm  gehörig  antwonen,  der 
W.  ist  fängst  todt. 

Der  Schäfer  Borchert  zu  Koestin  bey  Stettin  bittet  allerunter- 
thänigsl,  ihm,  seines  verstorbenen  Vaters  Bruder  Wittwe  zu  hey- 
ralhen,  die  Dispensation  allcrgnädigst  zu  erthcüen.  -  Geht  an. 

Die  wegen  eingestand  liehen  Ehebruchs  von  ihrem  Mann  dem 
Major  V.  S.,  Usedomschen  Regiments,  geschiedene  gebohrene 
V.  N.  bittet  alle nintcrthän igst,  da  derselbe  seines  thcilsauch  einen 
Ehebruch,  ob  er  zwar  dieserhalb  vom  Krieges  Consistorio  zum 
Reinigungs  Eyd  gelassen  worden,  begangen  ha),  gedachten  Major 
V.  S.  von  ihrem  Vermögen  gänzlich  abweisen  und  dagegen  ihr, 
so  lange  sie  unerheyrathet  bleibet,  monathlich  ein  Qewißes  zu 
ihrer  Subsistance  zu  reichen,  auch  ihr  ihre  sämmtlichc  Docu- 
mente  von  ihrem  Vermögen  auszuantwortcn,  anhalten  zu  lassen.  - 
Das  gehört  vor  die  Justitz,  kann  mich  darin  nicht  mehren. 

Die  von  Steinäcker,  welcher  der  Conscns  zur  Heyrath  mit 
dem  Commcrcien  Rath  und  juchten  Fabriquen  Entrepreneur  zu 
Fiddichow  in  Pommern  W.  aus  dem  Grunde,  weil  sie  vor  dessen 
Scheidung  von  seiner  ersten  Frau  einen  verdächtigen  Umgang 
mil  ihm  gehabt,  abgeschlagen  worden,  bittet  allerunterthänigst,  sie 
und  ihr  bereits  mit  demselben  gezeigeles  Kind  auf  immer  un- 
glücklich scyn  würden,  ihr  die  Bcwilligimg  sich  mil  dem  p.  W. 
ehelich  copuliren  zu  laßen  allergnädigst  zu  accordiren.  -  (Ohne 
Antwort  abgelehnt). 

Der  Lieulenant  von  der  Artillerie  R.  bittet  allerunterthänigst, 
ihm  den  allerhöchsten  Consens  zu  seiner  mit  der  gelaufften  Jüdin  T., 
■welche  eine  solche  Erziehung  erhallen  hat,  daß  er  eine  glückliche 
Ehe  rail  ihr  zu  führen,  sich  mit  Grunde  versprechen  kann, 
verabredeten  Heyrath  allergnädigst  zu  accordiren,  und  verpflichtet 
sich  dabey,  nach  seines  alten  Vaters  Tode,  sein  nicht  geringes 
Vermögen  von  Fricdcbcrg  in  der  Wetterau  in  Königliche  Lande 
zu  ziehen  und  sich  darinn  für  immer  zu  etablieren.  -    Ist  nichts. 

Der  Major  Print7  von  Holstein -Beck,  Seh  li  eben  sschen  Regiments 
bittet  allerunterthänigst,  ihm,  als  eine  besondere  Gnade,  den  aller- 
höchsten Consens  zu  seyner  verabredeten  Heyrath  mit  der  jüngsten 


Aus  dem  Kabinette  Friedrichs  dC9  OroBen. 


Tochter  des  Etats  Minister  Grafen  von  Schlieben  zu  Königsberg 
a11erg:nädigst  zu  ertheilen,  und  ihm  auf  solchen  Fall  seinen  Urlaub, 
welcher  den  16.  FebruarÜ  beendiget  seyn  wird,  zur  Berichtigung 
seiner  Heyrath  auf  4  Wochen  allergnädigst  zu  verlängern.  -  An 
Gen.  Schlieben,  bey  dem  jungen  Menschen  muß  was  Obergeschnappt 
seyn,  solcher  junger  Mensch,  was  will  der  heyrathen,  das  ist  ja 
nichts,  ßberdem  muß  er  keine  gute  Erziehung  gehabt  haben.  Ich 
weiß  gamicht,  was  das  mit  ihm  ist. 

Der  Leobschützsche  Land  Ralh  v.  H.,  leget  seinen  allerunter- 
Ihänigsten  Dank  für  das,  durch  seine  Ernennung  /um  West 
Preußischen  Cammer  Presidenten,  ihm  bezeigte  Vertrauen  aller- 
höchst Sr.  Königl.  Majestät  zu  Füßen,  und  bittet  derselbe,  da^ 
wann  er  solchen  Posten  annehmen  sollte,  seine  in  Schlesien  ge- 
legenen Güter,  welche  er  sich  zu  erhalten  wünschet,  bey  seiner 
Entfernung  nicht  so  als  seither  bewirthschafftet  werden  möchten, 
ihn,  von  Annehmung  des  ihm  zugedachten  Posters,  allergnädigst 
zu  dispensiren,  und  ihm  dagegen  das  in  Leobschützsche ii  Creyse 
gelegene  -  dem  Jesuiten  Orden  vormahls  zuständige  Gut  Schillers- 
dorff  allergnädigst  zu  conferiren.  -  Wenn  Er  es  nicht  annehmen 
will,  so  werde  einen  andern  nehmen. 

Die  Gräfin  v.  M.  gebohrene  Gräfin  v.  D.,  welche,  zur  völligen 
Bezahlung  ihrer  im  Demminschcn  Creyse  acquirirten  Güter  Wolde 
und  Schossow,  wozu  noch  10,000  R.  Th.  erfordert  werden,  um 
Aufhebung  des  von  der  Ost  Preußischen  Regierung,  auf  ihre  in 
Preußen  ausstehende  Gelder  gelegten  Arrest,  den  15.  Octobcr  a.  p. 
allerunterfliänigst  eingekommen,  bittet,  damit  ihr  dieserhalb  keine 
Hindemisse  von  gedachter  Ost  Preußischen  Regierung  weiter  Im 
Wecge  geleget  werden  mögen,  der  Pommerschen  Regierung,  — 
welche  von  der  importance  und  Gewißheit  der  von  erwehnten 
Gütern  gemachten  Acquisition  das  sicherste  Zeugniö  wird  ablegen 
können,  Bericht  darüber  allergnädigst  zu  erfordern.  —  Ich  kann 
nichts  gegen  die  Regierung  thun,  und  da  versiert  auch  das  Interesse 
ihres  Sohns  dabcy. 

Der  schlesisdie  Ober  Forst  Meisler  v.  W.,  welcher  mit  seinem 
ohngcfähr  40,000  R.  Th-  betragenden  Vermögen  in  Schlesien  sich 
possessioniret  zu  machen  gesonnen  ist,  bittet  allem merthänigst, 
ihm  das  dazu  erforderliche  Schlesische  incolet  allergnädigst  zu 

so* 


JuÜHS  von  PniJeVHärttuBg. 


accordieren.  -  Er  kann  ja  seine  Güther  in  der  Neu-Mark  oder 
wo  er  sie  hat,  behalten. 

Eine  verehelichte  v.  W.  gebohrene  v.  SL  zeiget  allerunter- 
thänigst  an,  daß  ihr  Mann  auf  seinem  bey  Stettin  gelegenen  Oute? 
Curow  seil  einiger  Zeit  versdiiedene  Unglücksfälle  geliabt,  und 
bittet,  da  solche  ihr  Vermögen  vcn  8000  R.  Tli.  mit  absorbiret 
haben,  ihr  ein  Gnaden  Geschenk,  wovon  sie  hieniechst  leben 
könne,  allergnSdigst  zu  ertheilen.  -  Das  ist  meine  Schuld  niclit, 
warum  halt  sie  ihr  Vermögen  nicht  besser  conserviret. 

Der  vorniahls  bey  der  Iiöchstseeligen  Prinzessin  von  PreußcnJ 
Königl.  Hoheit  geslandene  Camnier  Herr  Graff  v.  M.,  welcher  diC' 
bey  Stettin  gelegene  Demitowschen  Güter  besitzet,  bittet  allenintcr- 
thänigst,  damit  er  durch  Bezahlung  der  darauf  hafftenden  Schulden 
sich  solche  conserviren  könne,  ihm  ein  Darlehn  von  40  bis 
50,000  R.  Th.  zu  2  pro  Cent  allergnädigsl  zu  accordircn.  -  Ist 
nicht  gescheit,  wenn  Er  leihen  will,  muQ  er  bey  Kaufleule  gehen. 
Ich  leihe  keine  Gelder. 

Der  Land  Rath  v.  B.  des  PyrJtzschen  Creyses,  welcher  die  in 
gedachten  Creyse  gelegene  Güter  Schoenenwcrder  und  Hohen- 
walde,  um  sein  darinn  stehendes  Vermögen  zu  retten,  mit  Be-i 
friedigung  der  übrigen  Gläubiger,  aus  dem  Concurs  übernehmen, 
müssen^  bittet  alleruntertliänigst,  damit  er  sich  und  seinen  drey  in 
der  Armee  dienenden  Söhnen  diese  Güter  conserviren  könne,  ihn» 
von  denen  für  Pommern  bestimmten  Mcliorations  Geldern  ein  A[n)- 
lehn  gegen  mäßige  Zinsen,  zu  Bezahlung  der  Schulden  allergnädigst 
zu  accordiren.  -  Das  geht  nicht  an,  das  sind  ja  keine  MelioraÜons. 

Der  gewesene  Capitaine  v.  M.,  dessen  4  Söhne  in  der  Armtc 
dienen,  und  dem  vor  einiger  Zeit  der  allerhöchste  Consens  zum 
Verkauf!  seines  in  der  Neu  Marck  gelegenen  x'erschuldeten  Gutes 
Sellin  an  einen  Bürgerlichen  abgeschlagen  worden,  bittet  aller- 
unterthänigst,  seinem  bey  dem  Regiment  von  Zielen  als  Lieutenant 
stehenden  Sohn  die  Erlaubniß,  die  Wittwc  des  verstorbenen  Jäger 
Meister  Z.,  mit  welcher  er  30,000  Thalcr  erhalten,  und  dadurch 
sein  Gut  bey  der  Familie  conserviret  werden  könnte,  zu  heyrathen^ 
allergnädigst  zu  erlheilen.  -  Gut. 

Die  verwittwete  v.  W.  gebohrene  v.  Z.  zu  Schönau  jn 
Schlesien,  deren  4  Söhne  in  der  Armdc  dienen,  bittet  allerunter- 


Aus  dem  Kabinette  Fmdricbs  des  OraBoi. 


thänigst,  ihrem  Sohne  dem  Rittmeister  v.  W.,  welcher  die  väter- 
lichen GQter  Rövessdorff  im  Hirsch bergschen  und  Linderbusch 
und  Eisenhul  im  Lignltzschen  Crej'se  annehmen  müssen,  d^mit 
er  solche  ordentlich  bewirthschaften  könne,  die  d^mission  aller- 
gnädigst  zu  ertheilen.  -  Sie  ist  ja  selbst  da.  Sind  so  viele,  die 
ihre  Qiither  administriren  lassen  und  verpachten,  also  braucht  sie 
ihn  dazu  nicht,  sie  kann  es  auch  so  machen. 

Die  V.  K.  gebohrene  v.  Seh.  bittet  wiederholenüich,  ihrem  bey 
dem  Leib  Cfirassier  Regiment  als  Cornet  stehenden  26  Jahre  alten 
Sohne,  zur  Übernehmung  seines  verstorbenen  Vaters  Gutes  Hohen 
Erxleben,  den  Abschied  allergnädigsl  zu  ertheilen.  -  Was  ihr  ein- 
fiUIt  Sie  soll  ihren  Sohn  hübsch  da  lassen.  Wenn  alle  Leute, 
die  Güther  hätten,  den  Abschied  nehmen  wollten,  so  würde  keiner 
bey  der  Armee  bleiben. 

Der  V.  B.  auf  Groß  Kloden  bey  Gurau,  dessen  drey  Söhne 
in  der  Arm«  dienen,  bittet  allerunterthänigst,  da  bei  seynera  an- 
gehenden Aller  er  seine  Guts  Wirthschaft  nicht  länger  besorgen 
kann,  seinem  bey  dem  von  Arnimschen  Regiment  als  Lieutenant 
stehenden  ältesten  Sohne,  zum  besten  seine(r)  Familie,  den  Abschied 
allergnädigst  zu  ertheilen.  -  Er  kann  ja  sein  Guth  verpachten. 
Es  sind  ja  vielfach  Officier  bey  der  Armee,  die  Oüther  haben, 
die  wohl  6000  R.  Th.  revenues  bringen,  und  die  doch  dienen. 

Die  verwiltwete  Obristin  v.  M.  bittet  allerunterthänigst,  ihr  in 
der  Graffschaft  Mark  gelegenes  sehr  verschuldetes  Out  Rockholtz, 
zur  Bezahlung  der  Schulden,  an  einen  Bürgerlichen  verkauften  zu 
können,  die  Erlaubniß  allergnädigst  zu  ertheilen.  -  Nein,  an 
«inen  Adelichen  muß  sie  es  verkauften. 

Der  V.  G.  zu  Velpe  bittet  allerunterthänigst,  sein  im  Kirch- 
spiel Ladbergen  gelegenes  kleines  Gut,  mit  adclichcn  Freyheiten, 
dem  Post  Meister  Kriege  verkauften  zu  können,  ihm,  gegen  Ent- 
richtung von  2(X)  R,  Th.  zur  Chargen  Gasse,  allergnädigst  zu 
erlauben.  -  Nein,  an  einen  Bürger  nicht,  die  sollen  keine  adeliche 
Freiheit  haben.    Geht  nicht  an. 

Der  Lieutenant  v.  Gh.,  Knobclsdorffschen  Regiments,  bitte! 
allerunterthänigst.  seiner  Mutter,  ihr  in  PreuUen  gelegenes  ver- 
schuldetes Gütchen  Numcitcn,  welches  sonst  unvermeidlich  in 
Conctirs  kommen  wird,  an  den  Amts  R^th  Schimmelpfenig  ver- 


470 


Julius  von  Pflugk-Harttung. 


kaufen  zu  können,  ablergnädfgst  zu  erlauben.  -  Nein,  an  einen 
Adelichen,  sind  schon  so  viele  Oüther  in  bürgerlichen  Händen. 

Die  am  abgewichenen  IQ.  Juny  zu  Janickendorff  unterm  Amte 
Zinna  abgebrandte  Unterthanen,  32  an  der  Zahl,  deren  Oehöffte 
alle  zusammen  nur  mit  4077  Rthaler  in  der  Feuer  Societät  ge^cher 
gestanden,  bitten  allerunterthänigst,  ob  sie  zu  ihrer  Wieder- 
herstellung das  empfangene  Bau  HoJtz  allein  mit  2303  R.  Th.  be- 
zahlen sollen,  ihnen  die  '/itheilige  Bezahlung,  desselben  und  das 
ganze  Stamm  Geld,  damit  sie  für  dessen  Betrag  vollends  ausbauen 
können,  allergnädigst  zu  erlassen.  -   Kaum,  ob  das  angeht 

Der  Königl.  Enten  Fänger  Coswig  bey  Potsdam  zeiget  aller- 
unterthänigst an^  daß  die  See  zum  Enten  Fang  mit  Schliff  und 
Kraut  dergestalt  verwachsen  ist,  daU  sie,  ohne  geräumet  zu  werden, 
zum  Enten  Fangen  nicht  wie  bisher  gebrauchet  werden  kan,  und 
bittet  allerunterthänigst,  die  zur  Räumung  derselben  nach  dem 
Anschlage  erforderliche  Kosten  ä  365  R.  Th.  allergnädigst  zu 
accordiren,  auch  ihm,  zu  Erhaltung  seiner  vielen  Kinder,  an  seine 
Wohnung  noch  eine  Stube,  die  etwa  150  R.  Th.  kosten  wird,  an- 
bauen zu  lassen.  -  Nictits. 

Der  in  anno  1764  aus  Ba(y)reuth  verschriebene  und  mit  einem 
halben  Mause  in  Potsdam  ctablirte  Schmiede  Meister  Zuleger  bittet 
allerunterthänigst,  ihn  mit  einem  Vorschuß  von  200  R.  Th^  zu 
Anschaffung  der  nötigen  Materialien,  damit  er  sein  Melier  besser 
fortsetzen  könne,  zu  begnadigen.  —  Nein,  das  geht  nicht  an. 

Ein  ausrangiiler  Mousquetier  Raninischen  Regiments  Nahmens 
Weber,  welcher  in  Lebus,  woselbst  er  sich  mit  seiner  Frau  und 
drey  Kindern  vom  Tagctöhnen  ernährt,  ein  ganz  baufälliges  kleines 
Hauß  besitzet,  bittet  alÜerunterthänigst.  ihm  zum  neuen  Bau  des- 
selben, nach  dem  gefertigten  Baukosten  Anschlage,  372  R.  Tb. 
allergnädigst  zu  accordiren.  -  An  die  Cammer,  die  muB  zusehen, 
wie  ihm  in  etwas  zu  helfen. 

Der  Capitaine  v.  O.,  welcher  das  Schadhafte  an  dem  Orange 
Saal  zu  Monbijou  und  die  verfallene  Schalung  an  der  Spree  be- 
sichtiget hat,  meldet  allerunterthänigst,  daß  wegen  des  auf  den 
Dächern  liegenden  Schnee,  und  wegen  des  hohen  Wassers,  die 
an  beyden  zu  machende  Reparaturen  zu  bestimmen  nicht  angehet^ 
und  bittet,  ihm    allergnädigst    7u    erlauben,  daß    nach    einigen 


Aus  dem  Kabinette  Friedrichs  des  Großen. 


471 


Monathen,  wenn  der  Winter  vorüber,  das  >3fasser  etwas  gefallen 
seyn  wird,  er  diese  Reparaturen  aufnehmen  und  einen  genauen 
Anschlag  davon  anfertigen  möge.  -   Qul,  auf  das  Frühjahr. 

Der  Hof  Rath  Wewer,  welcher  ohneweit  der  Langen  Brücke 
ein  HauU  besitzet,  bittet  alleruntertliänigst,  ihm  die  Erlaubniß,  ein 
eisernes  Gitter  vor  solches  zu  ziehen,  nach  darüber  von  der  Bau 
Commission  erforderten  Bericht,,  allergnädigsl  zu  ertheilcn.  -  Wenn 
er  keinen  Platz  von  der  StraJle  nimmt,  so  dependirt  das  von  ihm 
an  die  Bau  Commission. 

Ein  Glaser  Meister  hieselbst  Nahmens  Sachse,  welcher  an  der 
sogenannten  Insui  Brücke  ein  Hauß,  so  sehr  baufellig  ist,  und  er 
nicht  repariren  lassen  kann,  weil  ihm  die  Mittel  fehlen,  besitzet, 
bittet  alleruntertliänigst,  ihm  solches  allergnädigsl  neu  erbauen  zu 
lassen.  -    Ist  nichts. 

Die  Schwestern  des  Major  v.  P.,  Thadderschen  Regiments, 
bitten  alleruntertliänigst,  damit  derselbe  sein  verschuldetes  bey 
Wollin  gelegenes  Gut  Paulsdorff  conserviren  und  ste  ihren  Sitz 
darauf  behalten  können,  zur  Wiederherstellung  und  Ausbesserung 
der  darauf  befindlichen  verfallenen  Gebäude,  ihnen  eine  allerhöchst 
gefällige  Unterstützung  allergnädigst  zu  erthcilcn.  -  Geht  nun 
nicht  an,  wo  soll  allens  herkommen,  sie  sind  nicht  recht 
gescheut. 

Die  Colonisten  zu  Neu  Schöneberg  bey  Berlin,  welche  ihre 
baufällig  gewordene  Häuser  zu  repariren  aulJer  Stande  sind,  bitten 
allerunterthänigst,  zur  Reparatur  derselben,  ilmen  eine  Unter- 
stützung allergnädigst  zu  erlheilen.  -  Das  müssen  sie  sich  selbst 
machen,  und  ihre  Häuser  hübsch  im  Standt  unterhalten. 

Der  vor  30  Jahren  aus  dem  Würiernbergschen  hieselbst  sich 
etablirte  Lohgerber  Meister  Goering,  welcher,  ein  ihmeigenthümlich 
gehörigen  in  der  Schlesiger  Straße  belegenen  wüsten  Heck  Landes 
zu  bebauen,  gesonnen  ist,  bittet  allerunterthänigst,  ihm  die  Bau 
Materialien  dazu  allergnädigst  zu  schenken,  und  das  von  ihm  zu 
erbauende  Hauß  zum  [jeipeluiriichen  Frey  Hause  allergnädigst 
zu  declariren.  Gut,  was  das  Bau  Material  ist,  wegen  des  andern, 
das  gehört  vorm  Magistrat. 

Der  Berlinsche  Bürger  und  Schlächter  Meister  Schaefer  bittet 
allerunterthänigst,   sein   in  der   hiesigen  Stall  Schreiber  Gasse   in 


472 


Julius  von  Pfliigk-Hftrttung. 


Cöln  besitzendes  baufilliges  Hauß,  welches  zu  retabljren  er  keine 
Mittel  hat,  ihm  allergnädigst  neu  erbauen  zu  lassen.  -   (Abgelehnt). 

Der  Strunipff  Fabricant  Polack,  welcher  in  der  Mauer  Straße 
auf  der  Friedrichs  Stadt  hieselbst  ein  baufälliges  Hauli  besitzet, 
biliet  allerunterthänigst,  ihm  zu  dessen  Reparatur,  einen  Vorschuß 
von  500  R.  Th.  allergnädigst  zu  ertheilen.  -  (Abgelehnt). 

Die  Wittwe  B.,  welche  ein  am  Oensdarmes  Platz  hieselbst  ge- 
legenes Hauß  zum  schwartzen  Adler  genannt,  besitzet,  bittet  aller-j 
unterthätiigst,  da  zu  dessen  neuen  Bftu  sie  keine  Mittel  hat,  solcliw 
aus  Königliclier  Frcygebigkeit  allergnädigst  neu  erbauen  zu  lassen.  — 
Geduld,  wird  alles  successive  kommen,  alles  anfein  mahl  geht  nicht  an. 

Der  Nahmens  Nouvel,  dessen  in  der  Leipziger  Straiie  hieselbst 
gelegenes  Eck  Hand,  aus  Königlicher  Freygebigkeil  neu  erbauet 
worden,  bittet  allerunterthänigst,  den  Thell  dieses  Hauses,  SO  in 
der  Friederichs  StralJe  gelegen  ist,  und  welchen  er,  da  er  nur. 
wenig  Mittel  und  eilf  Kinder  hat,  seinem  neuen  Hause  nU 
gleich  bauen  kann,  ihm  allergnädigst  neu  aufbauen  zu  lassen.  - 
Geht  nicht  an,  ist  schon  alles  aufgesetzt,  was  gebauet  werden  soll. 

Der  bey  dem  Münsterschen  Frey  Regiment  gewesene  Capi- 
taine  Weigandt  meldet  allerunterthänigst,  daß  er  das  Geheimnifi 
besitzet,  mit  einem  gewiUen  Zusatz,  der  wenig  kostet,  mit  2  Pfund, 
Mehl  3  Pfundt  Brodt,  welches  bey  entstehender  Theuerung  von 
guten  Nutzen  seyn  könnte,  backen  zu  lassen;  und  ist  allerunter- 
thänigst erbötig,  auf  dazu  erhaltene  Ordre,  die  Probe  davon  aller- 
unterthänigst einzuschikkcn.    -   (Wird  abgewiesen). 

Der  Elb-Schiffer  Nahmens  Hering  meldet  allerunterthänigst, 
daß  ihm  eine  Arth  Jüttlandischer  wollener  Strümpfe  aus  dem  Ge- 
brauch derselben  bekannt,  so  gegen  das  Podagra  von  sehr  guten 
Gebrauch  sind,  und  fraget  an,  ober  einige  Paar  davon  allerunter- 
thänigst presentiren  soll.  -  Ich  danke  ihn  gar  sehr,  ich  brauche 
keine  ausländische  Sachen. 

Einer  Nahmens  Muth  in  Ba(y)reuth,  welcher  alle  Metalle  zu 
vergolden,  und  sie  bestandig  rein  zu  erhalten,  ohne  daß  sie  ihren 
Glantz  verlieren,  verstehet,  bittet  allerunterthänigst.  ihn  allergnädigst 
in  Diensten  zu  nehmen.   -   (Abgelehnt). 

Deraus  dem  Reich  gebürtige  Berlinsche  Seh losser  Meister  Uebi^ 
bittet,  ein  Husaren  Säbel  Gefäß,  so  er  noch  nach  seiner  InventicmJ 


Aus  dem  Kabinette  Friedrichs  des  Qrofien. 


verfertiget  hat,  ob  solches  für  die  Armee  von  Nutzen  seyn  könne, 
allergiiädigs.t  untersuchen  zu  lassen.  -  Damit  kommt  nichts  heraus. 

Der  Ingenieur  Lieutenant  B.  meldet  allerunterthänigst,  daß 
•einer  Nahmens  Laurent  aus  Reims,  welcher  Thierfelle  zu  Örben 
verstehet,  eine  Färberey  in  Berlin  oder  in  Königsberg  zu  etabliren 
und  dazu  Eleves  zu  formiren  Willens  ist,  und  bittet,  was  er  ihm 
darauf  antworten  soll,  ihm  atlergnädigst  zu  wißen  thun.  —  Der- 
gleichen sind  hier  schon. 

Die  Seiden  Stoff  Fabricanten  Jessen  und  Gordemin  hieselbst 
überreichen  allerunterthänigst  einige  Probe  Stoffe,  so  sie  in  ihren 
hiesigen  Fabriquen  verfertigen  lassen,  und  bitten,  ihnen  die  Be- 
stellung einiger  von  den  sieben  reichen  Roben,  so  allerhöchst 
Sr.  Königl.  Majestät  jährlich  in  denen  Baudouinsclien,  Girandschcn 
und  Bernhardschen  Fabriquen  anfertigen  lassen,  zur  Aufnahme 
ihrer  Fabriquen^  ailergnädigst  zu  accordiren.  -  Ist  mir  rechtsehr 
lieb,  daU  es  so  gut  ginge,  aber  Ich  kann  ihm  jezt  nichts  abkaufen, 
sie  können  es  ja  verkaufen  an  andere. 

Der  Commission  Rath  K-nieldet,  daßermitderfahrenden  Post 
von  BresEau  nach  Berlin  2  Kisten  Ungarische  Weintrauben  und 
2  Kisten  Ungarische  Mirabellen  abgesandt,  auch  daß  der  diesjäh- 
rige Ungarische  Muscateller  Most  außerordenthch  deUcat  und 
fett  und  den  härleslen  Frost  eher  als  warme  Witterung  beyni 
Transport  vertragen  könne.  -  Qiii,  aber  sind  halb  faul  angekommen, 
wenn  es  im  November  geschehen,  so  wäre  es  besser,  aber  jetzt 
(im  Januar)  ist  es  zu  spät. 

Der  Buchhändler  K-  zu  Königsberg  in  Preußen,  dem  wegen 
seiner  Papiermacherey  die  durch  die  Königsbergsdie  Cammer 
be/eigete  allerhöchste  Zufriedenheit  zur  großen  Aufmunterung 
dienet,  bittet  allenmterlhänigst  zur  Beruhigung  seiner  in  ihn  drin- 
genden Creditoren,  die  Zeit,  zu  welcher  er  die  ausgemittelte 
7723  R.  Th.  zum  dedommagemenl  des  verbaueten  Holtzes  der 
Dämme  und  Schleusen,  so  ihm  zur  Einrichtung  seines  Etablisse- 
ments versprochen  worden,  und  ihm  als  boniCication  zukomtnen, 
erhalten  soll,  ailergnädigst  zu  bestimmen,  und  demKönigsbergschen 
Hoff  Gericht,  ihn  bis  daliin  gegen  die  Zudringlichkeit  seiner 
Crcditoren  zu  schützen^  ailergnädigst  aufzugeben;  weil  er  sonst, 
die  mit  vielen  Kosten  ins  Land  gezogene  10  frembde  Papicrfabri- 


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474 


JuUus  von  Priugk'Hiirttung. 


canten  sich  zurück  zu  begeben,  nicht  abhalten  kann,  30  angestellte 
Arbeiter  brodtlos  werden,  und  12Coloni$1en  Familien  nicht  würden 
können  angesetzet  werden,  auch  überhaupt  ein  Etablissement, 
welches  das  einzige  seiner  Arth  im  Lande  ist,  und  durch  welches 
das  ganze  Papiermacher  Wesen  in  Preuüen  in  wenig  Jahren  auf 
einen  andern  Fuß  hätte  gebracht  werden  können,  wieder  eingehen 
wird.  -  An  die  Regienmg  zu  schreiben,  sie  möchte  die  Credl- 
toren  zur  Nachsicht  persuadiren,  so  lange,  bis  ich  Ihm  was  gebe. 
Ich  sagte  gut  dafür,  daß  Er  gewiß  was  kriegen  würde,  nur  nicht 
gleich  heute  oder  morgen.  Eine  Fabriqiie  ist  eine  sehr  gute 
Sache,  die  möchte  nicht  gern  übern  Hauff  gehen  laßen. 

Der  Berlinsche  Glaser  Meister  Holtzmann  und  Consorten, 
welche  in  anno  1777  einen  Paß  auf  10  Kistc(n)  weiß  Tafel  GlaS 
aus  der  ohnweil  Ratibor  befindlichen  Glaii  Hütte  erhalten,  bitten 
allerunterthänigst,  da  solches  Glali  nunmehr  verbrauchet  ist,  ihnen 
auf  anderweitige  10  Kisten  weiß  Tafel  Glaß  von  eben  daher  einen 
Pali  allergnädigst  zu  ertheilen.  -  Warum  so  weit.  Löwenberg  ist 
näher  und  das  Glas  da  ist  eben  so  gut,  da  will  ihm  wohl  einen 
Paü  accordircn. 

Eine  Capitaine  Wittwe  v.  R.,  welche  arm  ist,  und  sich  in 
Berlin  aufhält,  meldet  allenmterthänigst,  daß  sich  daselbst  eines 
Seyden  Fabrikanten  Nahmens  Combet  Sohn  an  sje  adressiret 
und  ihr  versprochen  hat,  daß,  wenn  er  zur  y\nlegung  einer  Seyden 
Zeug  Fabrique  beneficiret  würde,  er  sie  in  ihren  armen  Umständen 
gerne  assistiren  wollte,  und  bittet,  obgedaclUen  Seyden  Zeug  Fabri- 
canten  7U  seinem  Etablissement  die  erforderliche  Unterstützung 
allergnädigst  zu  accordiren.  -   Ist  nichts. 

Der  bey  der  Feld  Krieges  Comniissariats  Canzley  in  Sachsen  ge- 
wesene Canzelist  T.,  von  Qeburth  ein  Sachse,  welcher  sich  in  Berlin 
aufhält,  bittet  allerunterthänigst,  damit  er  seine  in  Sachsen  zuriJck- 
gelaßene  Familie  kom(m)en  laßen  und  sich  etabliren  könne,  ihm  eine 
anderweitige  Versorgung  allergnädigst  zu  accordiren.  -  An  das 
General  Directorium  oder  an  Scliulenburg.  Ich  kenne  die  Leute 
nicht,  ob  sie  was  nutze  sind. 

Die  Vor  und  Hinler  Pontmersche  Gutsbesitzer  bitten  allerunter- 
thänigst, ein  Landschaftliches  Credit  Werck  in  Pommern,  so  wie  ii» 
der   Chur  und    Neu-Mark  zu   ihrer  Conservation  allergnädigst 


Aus  dem  Kabindfe  Friedrichs  des  Öroflen.  475 

crrichlen  zu  laßen.  —  Das  wird  ein  bischen  schwer  seyn, 
bis  trinitatis  Geduld.  Im  Junio  wollen  sehen,  wie  das  zu 
machen,  in  Stargard,  wenn  ich  zur  Revue  bin,  sollen  sie 
mir  einige  von  ihnen  dahin  schicken,  dali  ich  mit  ihnen 
darüber  spreche. 

Der  Driesensche  Schutz  Jude  P.  M,,  welcher  nach  beyge- 
brachten  Attesten,  die  dasige  wollen  Zeug  nahmentlich  Tuch  Fab- 
riquen,  durch  die  den  Tuch  Machern  gelhane  Vorschüsse,  in 
merkliche  Aufnahme,  so  daß  bereits  schon  feine  TQcher  in  Driesen 
fabriciret  werden,  gebracht  hat,  blHet  allenirterthänigst,  ihn  von 
Übernehmung  des  auf  ihn,  für  die  Ansetzung  seiner  Söhne,  re- 
partirten  Berliner  Porcelaine,  so  er  abzusetzen  gar  keine  Gelegen- 
heit hat,  damit  er  denen  Driesener  Tuch  Fabricantcn  femer  Vor- 
schüsse thun  und  ihnen  ihre  Tücher  abnehmen  könne,  allergnädigst 
zu  dispensiren.  —  G.  S. 

Das  Potsdamsche  Uhrmacher  Gewerck,  welches  bereits  aus 
sechs  Meistern  inclusive  zwey  Willwen  bestehet,  bittet  allerunter- 
thänigst,  in  Ansehung  ihres  sehr  geringen  Verdienstes,  dem  Pols- 
damschen  Magistrat,  welcher  einen  von  Wien  anhero  gekommenen 
Uhr  Macher  Nahmens  Claar  annoch  ansetzen  will,  solches  zu 
untersagen.   -   An  den  Magistrat. 

Der  Schulz  Jude  Mendel  Ahraham  zu  Königsberg  in  Preußen 
bittet  allerunterthänigst,  damit  er  seinen  Handel  mit  Nutzen  für 
Preußen  nach  Curland,  Pohlen  und  Rußland  cxtendiren  könne, 
ihm  und  seinen  sämmtlichen  Desccndenten  überall,  -  gleich  denen 
christlichen  Kauffleuthen,  zu  handeln  und  Häuser  in  allen  König- 
lichen Staaten  zu  kauffen,  allergnädigst  zu  erlauben,  und  ist  da- 
gegen allerunterthänigst  erbötig,  —  1500  R.  Th.  zur  Chargen 
Casse,  500  R,  Th.  zur  Stempel  Casse  zu  entrichten,  auch  für  1000 
R.Th. Berliner  Porceliaine  zum  auswärtigen  d^bit  zu  übernehmen.  - 
(Wohl  abgelehnt). 

Des  Schutz  Juden  zu  Stargard  Lewin  Philipp  Ehefrau,  welche 
in  Ansehung  ihrer  Männer,  deren  sie  bereits  4  gehabt,  verschie- 
dentlich Porcelaine  aus  der  Berliner  Manufactur  nehmen  müssen, 
so  sie,  da  sie  auswärtig  keine  Connoissances  hat,  nicht  absetzen 
könne,  bittet  allerunterthänigst,  sie  von  der  ihr  abermahls  auferlegten 
Obemehmung  Berliner  Porceliaine  fflr  300  R.  Th.,  da  sie,  bey 


ihren  schlechten  UmstStiden,  das  jährliche  Schutz  Geld  ä  l60R.Th. 
kaum  aufbringen  kann,  allergnädigst  zu  dispensiren.  -  O.  S. 

Die  Kinder  des  verstorbenen  Schutz  Juden  Moses  Isaic 
zeigen  allerunterthänigst  an,  daß  ihre  Schwester,  welche  zur  christ- 
Hchen  Religion  übergetreten  und  getauffet  worden,  dabey  nur 
bloß  zur  Absicht  gehabt,  ihrer  Passion  fär  den  Artillerie  Lieute- 
nant R.  ungebunden  nachzugehen,  und  bitten  den  Groß  Canzler 
V.  Carmer,  daß  sie  gegen  gedachte  Ihre  Schwester,  nach  dem 
vorlangst  emanirten  Juden  Reglement,  bey  dem  Testament  und 
Willen  ihres  verstorbenen  Vaters,  nach  jüdischen  Recht  ohne  An- 
sehung, daß  sie  eine  Christin  geworden,  gcschülzet  «erden  soll,  allcr- 
gnädigst  aufzugeben.  -  Ich  habe  damit  nichts  zu  thun,  ob  sie 
Jüdisch  oder  Christlich  ist,  die  Heyrath  habe  ich  untersagt,  und 
soll   sie  nur  nach  ihres  Vaters  Testament  gehen. 

Der  Professor  und  Depulirte  bei  den  General  Staaten  Camper 
danket  allerunterthänigst  für  die  dtstinguirte  Reception,  womit  er 
begnadiget  war,  und  bittet,  ihn  zum  Membre  der  Berlinschen  Aca- 
demie  der  Wissenschaften,  da  er  bereits  ein  Mitglied  der  Londner, 
Pariser  und  Peters burgschen  Academien  ist,  allergnädigst  aufnehmen 
zu  lassen.  -  Er  hatt  nichts  academisches  gemacht.  Keine  Wercks 
gesehen  von  ihm. 

Der  Chur  Sächsische  Bibliothecaire  Dassdorff  bezeiget  aller- 
unterthänigst seine  devoteste  Freude  über  den  Eintritt  allerhöchst 
Sr.  König],  Majestät  Qeburths  Tage,  und  überreichet  eine  teutschc 
Poesie,  worin  er  die  Dankbarkeit  Sachsens  für  den  durdi  Aufrecht- 
erhaltung der  teutschen  Freyhett  genoßenen  Schutz  schildert.  - 
Compliment. 

Der  Caminer  Diener  A-  bittet  alternnterthSnigst,  ihm  in  diesem 
neuen  Jahre  allerhöchst  Sr.  Königlichen  Majestät  sieh  zu  Füßen 
legen  zu  dürften,  die  Erlaubniß  allergnädigst  zu  ertlieilcn. —  Dank 

Der  BresSausche  Oberanits  Ratti  v.  Haugwitz  meldet  aller- 
unterthänigst seines  Vaters  Absterben,  und  empfiehlet  die  sämt- 
liche von  Haugwitzsche  Familie  allerunterthänigst  zu  femer« 
allerhöchsten  Gnade  und  Proleclion.  -  Es  thut  mir  recht  leid, 
just  habe  ihm  das  Grafen  Patent  geschickt.  Icli  hoffe,  Sie  werden 
ihrem  Vater  folgen,  denn  das  wäre  ein  sehr  ehrlicher  Mann  gcwwen. 


Besprechun£:en. 

WeltKeschicht«.  Unter  Milarbeit  von  TTiomas  Achelis  usw,  heraus- 
gegeben von  Hans  F.  Helmali.  Bd.  II.  Ostasien  und  Ozeanien.  Der 
Indische  Ozean,  Von  Max  von  Brandt,  Heinrich  Sckiirtt,  Kart  WfuU 
und  Emil  Schmidt.  Mit  10  Karten  usv.  Leipzig  und  Wien,  Biblio- 
graphisches Institut,  1902  <638  S.). 

Der  vorliegende  Band  gehört  zu  denen,  die  das  verdienstliche  Ziel 
gerade  dieses  (Unternehmens,  der  gebildeten  Welt  auch  jene  in  der  Re$;cl 
bisher  aiiDerhalb  der  geschichtlichen  Betrachtung  stehenden  Teile  der 
Menschheit  näher  zu  bringen,  besonders  denilich  zeigen.  Japan,  China 
und  Korea  werden  von  M.  v.  Brandt,  Hochasien  und  &it>irien  von 
Heinrich  Schurtz,  Anstralien  und  Ozeanien  von  Ksrl  Weuie,  Indien  von 
Emil  Schmidt,  Indonesien  von  Heinrich  Schurtz,  die  gschichUiche  Be- 
dentung  des  Indischen  Ozeans  von  Kari  Weule  mehr  oder  weniger  aus- 
führlich behandelt.  Der  für  die  Gesamtgeschichte  der  Menscliheit 
wichtigste  und  schon  immer  mit  besonderem  Interesse  angeschene 
Teil,  Indien,  ist  auch  am  besten  bearbeitet  wonien.  Das  Kapitel:  Die 
Erschlienung  Indiens  durch  Europäer  und  die  Kampfe  um  seine  wirt- 
schaflliche  Beherrschung  (1498—1858),  das  wesentlich  äußere  Ereignisse 
bringt,  hätte  durch  Einfügung  eines  Überblicks  über  die  begehrten 
materiellen  Schätze,  die  Europa  Indien  verdankt,  wie  über  gewisse  indische 
Kultureinflüssc  auf  geistigem  Gebiet,  denen  schon  für  das  Mittelalter  vor- 
sichtig hätte  nachgegangen  werden  können,  nur  gewinnen  können. 
Übrigens  betont  der  Herausgeber  im  Vorwort  seinen  bcso^nderen  Anteil 
an  der  Überarbeitung  gerade  der  Abschnitte  über  Indien,  wie  er  fiber- 
haupl  hcn'orhebt,  daH  erst  durch  seine  Arbeit  das  Ganze  aus  einer  Summe 
von  fünfzig  bis  sechzig  Monographien  jtu  rCiner  wiricUchcn  Lebens- 
geschichte  der  Menschheit"  gestaltet  sei.  Wir  unsererseits  können  uns 
nicht  zutrauen,  alle  die  im  Rahmen  dieser  Weltgeschichte  behandetCcn 
Gebiete  fachgeniäD  zu  beurteilen,  zumal  die  meisten  Bände,  wie  auch  der 
vorliegende,  mehrere  kompetente  Kritiker  erfordern  würden,  beschränken 
uns  zunächst  vielmehr  unter  Vorbehalt  einer  kritischen  Betrachtung  dieses 
oder  jcTien  Teiles  durch  einen  Spezialkcnner  auf  ein  Referat  vom  all- 
gemeingeschich Hieben  Standpunkt  aus.  Und  da  scheint  nun  gerade  der 
Zusammenschluß  zu  einem  großen  Oamcn  nicht  immer  genügend  ge- 
lungen, vor  allem  deshalb,  weil  tiichi  alle  Mitarbeitet  —es  gilt  dies  namentlich 
auch  von  anderen  bänden  —  von  großen  allgemeinen  Gesichtspunkten 


ihren  schlechten  Umständen,  das  jlhriichc  Schutz  - 


kaum  aufbringen  kann,  allergnäüigst  ^"disp^„,j^„^„,^p^,j^ 

Die   Kinder    des    verstorbenen   Schi^^uung  mit  wcH«cichicht- 

zeigen  allerunterthänigst  an,  daß  ihre  Sc*,!!  darf  für  den  vorHegimdcn 

liehen  Religion    übergetreten   und    «^irti  die  Zuverlässigkeit  dnKlnrr 

bloß  zur  Absicht  gehabt,  ihrer  P-  ■^™"  ^,"'"'''*J!r  ^"ir^r' 

„  ,        ,  .  ,      lumenUich  von  Scliurtt  beart>atel«i 

nant  R.  ungebunden  nachzuge     _^  ^^^^^  ^^^  er  sich  freiticb  weh 

V.  Carmer,  dall  sie  gegen  ^  ,„,  eigenen  früheren  Arbeiten  begnügt 
vorlängst  cmanirlen  Jud^  .^  lernen  können,  und  aucti  gegen  Schuiu 
Willen  ihres  versterbe*  ./.■'■  '■  ^  scheinen  uns  die  gerade  von  ihm 
u  -.  A^a^i^^„»^  .^püiikie  über  oberfUchliche  Allgenieinheiten 
sehung,  daß  Sie  eine         .  ^r>^  ^^^  ^^^  geschichüiche  Wichtigkeit  de* 

gnädigst  aufzuge»        ^^^  jedenfalls  stärken,  und  weiten  Kreisen  wM 
Jüdisch  oder  i      .  .^jdhdten  rciclic  Belehrung  bringen  können, 
soll    sie  nur    -'-'y'  Georg  Sleinbausen. 

^r«clit.    Die  altteslameniHche  SchXtzung    des 

begn*  i^^und   ihre   religionsgeschichtliche   Grundligc 

ile»-  ^*%-,  Thomas  und  Oppermann,  1901  (VIII,  144  S.). 

r        .'j/«Oi'S"i'lc   alttcstamentiichc  Studie    ist   von   gleich   hohem 
''^f»  dtn  Kulturhistoriker  wie  fßr  den  Theologen.    Qiesebrecfal 
^^  flclverhandelte  Problem   der  Bedeutung   der  Namen    und  des 
VT^tfOii  insbesondere  in  neuer  und,  wie  uns  scheint,  durchaus  zu- 
,0^  Weise   an.     Mit  Preudc   folut  man  seiner  methodisch  trefflidi 
f^j^iea   und   mit   gesundem  Wirklichkeitssinn   durchgeführten   Dar- 
/*j^Er  stein  eist  das  I*roblcm    In  seiner  Bedeutung  klar,    indem  er] 
H^ aufmerksam  macht,   wie  häufig  in  einer  uns  frecnd  geroTdeoen, 
''Jiiu'"  durch  die  Bibel  noch  geläufigen  Art  die  Wendung  -der  Name 
!!Mi"   im  Alten  Testament  eisciieinl.     Nachdem  er  dann  die  mannig- 
^jien  Verbindungen,  in  denen  sie  vorkommt,  zusammengestellt  und  so 
jfia  Leser  einen  Oberblick  über  das  Material  verschafft  bat,  führt  er  ihm 
^  bisherigen  ErkliSrungsversuche  vor  Augen,  wobei  er  die  theologischen 
>u1oritäten    meist    mil    ihren   eigenen    Worten    reden   läßt.     Eine   kune 
Kritik  zeigt  das  Ungenügende  des  bisher  gebotenen.   Nunmehr  wird  der 
teser  auf  ein  ganz  anderes  ücbict  geslcllt:    an  der  ttand  ethnologischer 
Werke   des  Dänen  Christoffer   Nyrop,   des   Freiherm   von  Andrian    und 
des   Engiänders    E.  B.  Tyior,    wozu    Einzelarbciten    von    Krotl,    Erman, 
Zimmern  u.  a.  koninien,  wird  der  Menschheitsglaube  Qber  die  Bedeutung 
der  Namen    dargelegt;    »Der   Name    Uigt   für  die  primitive  Menschheit 
diniontschen   Charakter";  er   ist    .ein    von  seinem  Träger   relativ  unab- 
hängiges, atxjr  für  sein  Wohl  und  Wehe  hochwichtig«  i*arallelwesen  zum 
Menschen,  das  seinen  Träger  zuglddi  darstellt  und  beeinnuill*.    Von 
hier  aus  ergibt  sich  die  Anwendung  auf  das  Alte  Testament  von  seilst. 


Besprechungen. 


\. 


^^^^V         W  Stirfe  der  prophetischen  Religion   die   ursprftngUche  Vor- 
^^^^H  der  dem  ausgemfenen  Kamen    innewohnenden   Kraft,  den 

^^^^H  -rufen  urtd  zu  zwingen,  in  eine  höhere,    das  mecfaanisch- 

^^^^1  'nchr  abstreifende  ethiscEie  Anschauung  von  dem  Kultus 

^^^^P  ikten  Onadenmiltel,  von  dem  Gebet  als  einem  ethischen 

^^^^^  .1  fibergegangen  ist.    Aber  er  hat  vollständig  recht,   jene 

^B  j  betonen  und  ihre  Nachvirkiingen   auch  In  der  höheren 

^H  jrm  aufzuweisen.    Niemand  wird  es  Q.  verargen,  dafj  er  nicht 

^H  .schlägigen  Stellen  aush"ihrlich  erörtert  (einzelne  schwierigere  sind 

^H  Anhang  besprochen),  sondern  äidl  mit  den  Hauptfragen  begnügt-  Sc 
!^^  gehandelt  er  noch  die  Hyposlasierung  des  Namens  als  Repräsentanten  der 
Gottheit,  die  man  nicht  nennen  will:  .Der  Name"  oder  »Sein  Name» 
Btehl  oft  geradezu  für  Qott;  so  in  einer  Reihe  merkwürdiger  südarabisclier 
Eigennamen,  über  die  besonders  Hommel  gearbeitet  hat.  Wie  im 
Heidentum  Astarie  auch  itName  Baals-  helBt  und  man  von  einem  genius 
Jovis  redet,  so  wird  im  Alten  Testament  der  Engel  Jahves,  um  ihn  mit 
Jahve  in  allernächste  Beziehung  zu  setzen,  zum  Träger  des  Natnens 
Jahves  gemacht.  Der  Name  Jahves  im  Tempel  stellt,  ausgehend  von  der 
Anrufung  und  doch  von  dieser  sich  lösend,  Jahves  lolcale  Gegenwart  im 
Tempel  dar,  zumal  für  die  fortgeschrittenere  Anschauung,  die  Jahve  selbst 
nicht  mehr  so  lokalisieren  mochte.  Das  häufig  vorkommende  feierliche 
•Jahve  ist  sein  Name*  erklärt  sich  so  als  Höhepunltt  der  Anrufung:  Indem 
der  Name  ausgesprochen  wird,  tritt  die  darin  enthaltene  Kraft  in  Wirksam- 
keit. ~  Q.  hat  sich  auf  die  neutestamentliche  Fortsetzung  nicht  ein- 
gelassen:  von  ihr  handeH  W.  HeitmüUer  in  seiner  Schrift  .Im  Namen 
Jesu",  1902,  die  ganz  unabhängig  von  O.'s  Arbeit  entstanden,  in  der 
Hauptsache  zu  demselben  Resultate  kommt,  daß  der  Name  zunächst  als 
das  ausgesprochene  Wort,  das  mit  Kraft  b^abt  ist,  gedacht  sei.  Wie 
weit  sich  das  auf  neutestamentlichem  Gebiet  durchführen  läfit,  haben  wir 
hier  nicht  zu  fragen.  Die  beiden  Arbeiten  sind  charakteristische  Zeugen 
für  eine  starke  Strömung,  die  gegenwärtig  in  der  theologischen  Forschung 
immer  deutlicher  hervortritt,  die  biblischen  Schriften  wirklich  historisch, 
d.  h-  ganz  aus  ihrer  Zeit,  auch  aus  den  Vorstellungen  und  Empfindungen 
der  Zeit  zu  erklären,  deren  Abweichung  von  den  unsrigen  man  sich 
immer  klarer  bewußt  wird.  Dabei  ergibt  sich  von  selbst  das  Bestreben, 
mit  der  allgemeinen  Religionsgeschichte  Fühlung  zu  gewinnen.  Eine 
solche  Eingliederung  in  das  Ganze  der  Wissenschaften  hat  noch  immer 
der  Spezialforschung  großen  Nutzen  gebracht.  Die  theologische  Forsdiwng 
hat  d>er  dabei  nicht  nur  zu  lernen,  sie  hat  auch  zu  geben:  birgt  doch  die 
von  ihr  bearbeitete  Literatur  die  zugleich  reichste  und  klarste  religions. 
geschichtliche  Entwicklung,  wie  Harnack  in  seiner  Kektoratsrede  Über 
die  Aufgabe  der  theologischen  Fakultäten  und  die  allgemeine  Religions- 
geschrchte  (1901)  fein  dargelegt  hat.    Gerade  In  dem  religtonsgeschicht- 


480 


Besprechungen. 


liehen  Vergleichen  ei^bt  sich  schließlich  aucli  die  rechte  Abschätzung 
für  das,  icas  die  biblische  ReligionsentTJckliing  über  slle  inderen 
Religionen  hinausgeführt  hat:  die  Heilighaltung  des  Namens  Gottes  ist 
für  uns  jetit  eben  doch  etwas  andere«  als  ein  Namentabu. 

von  Dobscbülz. 


Fr.  Kamperl,  Alexander  der  Qrofie  und  die  Idee  des  Welt- 
imperiunis  in  Prophetie  und  Sage.  Gnindlinien,  Materialien  und 
Forschungen.  Freibiirg  i.  Br.,  Herder,  1901  (XI,  192  S.).  a.  u.  d.  T. 
Studien  und  Darstellungen  aus  dem  Gebiete  der  Geschichte,  im  Auffrage 
der  GörresgcseUschnfl  und  in  Verbindung  mit  der  Redaktion  d« 
Historischen  Jahrbuches  herausgegeben  von  H.  Grauicrt,  l.  Band,  2.  u- 
3.  Heft. 

Ft.  Kampery,  ein  Schüler  von  Prof.  Orauerl  in  München,  durch 
verschiedene  Arbeiten  zur  mitlelalierlichen  Kaisersagc  schon  wohlbekannt, 
verfolgt  hier  dies  Thema  bis  in  seine  letzten  Wurzeln.  Er  «eigt  teil- 
veise  im  Anschluß  an  Ed.  Meyer,  wie  die  Idee  des  Weltreichs  in  Assur 
und  Babylon  entstand,  wie  sie  im  Perserreich  einem  großen  sittlichen 
Gedanken,  dem  Kampf  des  Guten  (Ahura  Mazda)  gegen  das  B6fie 
{Angra  Maynu}  eingeordnet  wird  und  im  Judentum  die  religiöse  Weihe 
erhült,  die  im  Gedanken  der  civitas  dei  bleibende  Bedeutung  erlangte. 
Daneben  halten  die  Griechen  über  das  Herrsdierideal  spekuliert:  es  sollte 
den  Fürsten  und  den  Weisen  vereinigen.  Solche  Ideen  lieben  es  aber 
nicht  abstrakt  m  bleiben:  sie  werden  veranschaulicht  in  den  groflen 
Persönlichkeiten,  die  das  Staunen  ihrer  Zeilgenossen  und  die  Besrundening 
der  Nachwelt  erregen,  auf  die  man  darum  auch  ßberlrägt,  was  an  uralten 
mythologischen  Konzeptionen  im  VollcsbevcuOtsein  schlummert,  so  durch 
Er^nzung  und  Korrektur  das  historische  Einzelbild  zur  Höhe  der  Idee 
erhebend.  Nächst  Sargon  von  Akka,  Nabuchodonosor  von  Babel  und 
dem  Perser  Kyros  bot  sich  da  keine  Gestall  so  sehr  als  die  Alexanders  d.  Gr., 
dessen  unerhörte  Erfolge  zusammen  mit  dem  Eindruck  seiner  Person  und 
der  Eigenart  seiner  Politik  den  tiefsten  Eindnick  schon  auf  die  Zeit- 
genossen madien  mul>ten.  So  kann  es  nicht  wundernehmen,  daS  sich  um 
ihn  bald  ein  reicher  Sagenkreis  rankte.  Und  doch  ist  es  ein  Problem, 
wie  es  möglida  war,  daü  die  wirkliche  Alexandergeschidite  einen  so 
völlig  verschiedenen  Nebenläuter  erhielt,  wie  er  sich  vor  allem  in  dem 
vjclberühmten ,  das  Mittelalter  hindurch  immer  neu  bearbeiteten,  in  alle 
Sprachen  fibersetzten,  mannigfach  umgediclileten  Alexandenoman  des 
sogen.  IVudokallislhenes  darstellt.  Kampers  sucht  nun,  von  der  g^en- 
wärtig  allgemein  angenommenen  Anschauung  ausgehend,  daß  dies  nicht 
Volksdiclitung,  sondern  gelehrtes  Machwerk  sei,  den  Spuren  von  E.  Robde, 
Ausfeld,  Kroll  u.  a,  folgend^  tiefer  in  diese  Komposition  einzudringen. 
Er  unterscheidet  in  der  Hauptsache  drei  Elemente:    I.  das  phantastische 


Besprechungen. 


des  damals  modernen  hellenistischen  'Reiseronians,  der  ans  Alexander  ein 
Zerrtrild  von  Abenteurer  niachl,  der  in  alle  Fabeüänder  eindringt  und 
alle  Fabeltiere  bekämpft  -  KhnUche  Motive  bieten  die  späteren  apokryphen 
Apostelgeschichten,  wofür  ich  auf  meinen  Aufsatz  -Der  Roman  in  der 
altchrislUchen  Ulteraiur-  hinweisen  kann  (Deutsche  Rundschau  \*taf2.  April); 
hierher  mag  man  auch  mm  teil  rechnen  Alexanders  Uegegnung  mit  den 
Brahmanen  Indiens,  ein  Seitenstfick  zu  der  bekannten  Dfogenescpisodc, 
in  der  die  philosophische  Konzeption  des  Weisen  dem  Füretenideal  ent- 
gegentritt. -  2.  das  orientalisch-mythologische,  wonach  Alexander,  der  Sohn 
Ammon-Ra's  oder  des  letzten  Königs  von  Ägypten  Nektanebo.  als  ein 
solarer  Qott,  ein  Held  gleidi  Oilgamcb,  NiniriKl.  Dionysos,  Herakles  er- 
scheint, der  unier  unsäglichen  Mühen  sich  den  Weg  zum  Lebensquell 
oder  Lebensbaum  bahnt,  tiierher  gehören  die  Züge,  wie  Alexander  - 
Gilgames  ähnlich  -  sich  in  die  Tiefe  des  Meeres  herabläfit,  angeblich 
um  Perlen  zu  suchen;  ein  Tisch  verschlingt  Ihn  samt  dem  gläsernen 
Faß,  in  dem  er  taucht,  und  setzt  ihn  entfernt  ans  Ljnd  -  vgl,  die 
Jonassage;  Kampers  kann  für  dies  Motiv  auf  Useners  SintfEutsagen  ver- 
wcisenj  und  den  dort  geführten  Beweis,  daß  sich  in  dem  vom  Fisch  ans 
Land  getragenen,  wie  ursprünglich  wohl  in  dem  rctlendcn  Fisch  scllMt. 
die  Epiphanle  des  Gottes  darstellt;  femer  Alexanders  Venuch,  auf  rwei 
zusammengekoppelt cn  Adlern  zur  Sonne  aulzufliegen;  ferner  der  Zug 
Alexanders  mit  360  Soldaten  auf  Stuten,  deren  junge  man  im  Lager  ge- 
lassen, durch  I2t3giges  Finsteiland  nach  dem  OOttergarten ,  wo  alles  zu 
Oold  und  Edehtein  wird:  hier  ist  auch  die  glänzende  Ixtwnsfiuellc,  ein 
gesalzener  Fisch  wird  in  Ihr  sofort  lebendig,  aber  durch  seines  Koches 
Schuld  erlangt  Alexander  selbst  nichts  von  dem  Wasser,  sondern  kehrt, 
von  zwei  Vögeln  gewarnt,  un verrichteter  Sache  um;  eben  damit  hängen 
aber  auch  die  Enählungen  von  Alexanders  Besuch  in  der  ganz  goldenen 
Stadt  der  Sonne,  auf  dem  Oötterbcrg,  in  der  Königsburg  des  Kyros  und 
vor  allem  in  der  Residenz  der  Semiramis  zusammen,  wohin  der  Erzähler 
die  Hofhaltung  der  Königin  Kandake  von  MeroS  verlegt.  Kampers  weist 
Überzeugend  nach,  daß  hier  eine  große  geographische  Verwirrung  vorliegt: 
Meroe  ist  an  die  Stelle  des  Oöllerberges  Mcru  getreten,  nicht  Äthiopien, 
»OTiderr  die  Gegend  am  persischen  Meerbusen,  wo  die  Qölterinsel  gesucht 
wurde,  ist  gemeint;  Kandake  vertriH  die  Stelle  einer  mythischen  Figur, 
die  sowohl  in  Semiramis  als  in  der  Königin  von  Saba  erscheint,  und  In 
Sambele  (Sabbe),  der  chaEdäischen  Sibylle,  direkt  auf  die  Göttin  Sabitu 
im  Oi!game5-epos  zurückgeht;  noch  in  späten  rabbinischen  und  arabischen 
Legenden  ist  sie  ein  androgyncs  Oeistwesen,  dem  Liebesgespenst  Lilith 
venrandl.  Damit  stimmt  denn,  daß  auf  den  Zug  Alexanders  zu 
Kandake  auch  seine  Begegnung  mit  dem  GoK  Sarapis  und  dem  göttlich 
gewordenen  Wettherrscher  Scsonchosis  x-erlegt  wird;  jener  entspricht  dem 
Gott  Ea  mit  dem  Kultbeinamcn  ^arapsi,  dieser  dem  Ahn  Ut-napiätim  im 
GilgameS-epos.  Nur  daß  in  all  diesen  Episoden  der  liefe  mythische 
Anülv  Hlr  KuliurgeKhiditc.    I,  4.  31 


482 


Besprechungen. 


Gedanke  ins  romanhafi-abenteiierliche  verzerrt  ist:  ja  selbst  lächerlidie 
Züge,  wie  die,  daß  Alexander  einen  WcKweiser  nach  dnn  Land  der 
Seligen  aufstellt,  fehlen  nicht  <Ps.  Callisth.  II,  41).  -  Ein  3.  Faktor  im 
Alexa.ndaTQinan  ist  der  jüdiscti-messianische.  Alexander  wird  mit  der 
alten  Wcissagutig  von  Qog  und  Magog  als  den  feindlichen  Völkern  der 
EnUzeit  (Ezech.  38.  39)  in  Verbindung  gebracht:  aber  nicht  nur,  daß  er 
sie  eingeschlossen  haben  ioll  (ein  Widerhall  seiner  Oründiing  von 
AJexandria  Eschate  an  der  Nordostecke  der  zivilisierten  Weit,  gegen  die 
wilden  Mongolenhorden),  sondern  er  Ist  auch  als  derjenige  gedacht,  der 
sie  am  Ende  der  Tage,  wenn  sie  wieder  hervorbrechen,  definitiv  besiegt, 
teils  als  Messias,  teils  als  Vorlfinfer  desselben  (Messias  ben  Joseph, 
Dhulqamajm  der  rabbinisdien  und  islamischen  Tradition,  vo  »ch  die: 
Messiasidee  in  die  des  Vöikerbczwingeis  und  die  des  Friedefflrslen  spaltet) 
damit  ist  die  Idee  der  Wiedererfteckiuig  des  WelthcrrscherSj  aber  auch  die 
andere  der  ReicIisüberEabe  an  Oott  selbst,  bezw.  Chrislus  gegeben.  — 
Zwischen  jener  altorictilalisch-mylhischcn  und  dieser  jQdisch-tnessianischen 
Auffassung  steht  gleichsam  vermittelnd  eine  parsistische,  welche  in 
zoroastrischen  Weissagungen  und  in  dem  sog.  Rcfigioiisgespräch  am 
Hof  der  Sassaniden  vertreten,  von  dem  unter  dem  Stcni  geborenen 
Messias  handelt.  ^  Daß  alle  diese  Gedanken,  die  teilweise  ast  in  sehr 
jungen  litterarischen  Kompositionen  hervortreten,  alt  sind,  beweist  Kampers 
einmal  damit,  daß  er  zeigt,  wie  ihre  Entstehung  sich  nur  unter  dem 
frühen  Eindruck  der  Persönlichkeit  Alexanders  begreift,  wie  sie  sogar  die 
echte  historische  Tradition  bei  Arrian  beeinfluHlen  (die  von  viele«  für 
geschieh ttich  genommene  Erstflnimng  der  Felsenburg  in  Sogdiane  sweist 
sich  als  Kopie  nach  einer  Ninussage);  sodann  durch  den  Hinweis  auf 
gelegentliche  Andeutungen  bei  alten  Zeugen  wie  Cicero,  Josephiis,  Plinlus, 
schließlich  durch  die  Rolle,  welche  die  Alexanderidec  tind  der  Alexander- 
kult  in  der  römischen  Kaiscrzcit  gespielt  hat. 

Es  ist  eine  erstaunliche  Fülle  literarischer  Denkmäler,  Ober  die 
Kampers  von  seiner  These  aus  Licht  verbreitet  hat  —  ich  erwähne  noch, 
dafi  In  geschickter  Weise  die  Resultate  in  Form  eines  Vortrages  voran- 
gestellt, dann  als  Materialien  und  Forschungen  eine  Reihe  von  Einzel- 
untersuchungen beigegeben  sind,  die  u.  a.  außer  Ps.  Kaliisthcncs  und  der 
sonstigen  Alexanderdidilnng  ausführlich  die  Sage  von  dem  Priesterkönig 
Johannes,  f^eudo-Methodius,  Pseudo-Daniel,  die  Elias-Apokalypse  und  die 
Tiburtina  unter  steter  Verwertung  der  neuesten  Litteratur  und  Auidnander- 
setzung  mit  Bousset,Geffken,  Sackur  u.a.  behandeln.  Manches  w3re  vielleicht 
durch  andere  Stoffverteilung  noch  klarer  hervorgetreten.  Daß  die  larktüre 
nicht  gera,dc  zu  den  leichten  gehört,  ist  freilich  teilweise  auch  In  dem  etwas 
Qberladenen  Slil  begründet:  die  Hauptschuld  daran  trSgt  aber  der  Stoff, 
das  vDurchcinanderfluten  der  Sagen".  E&  gehört  angestrengteste  Arbeil 
und  ein  nicht  geringes  Maß  von  Kunst  d*«i,  hier  mit  sichtender  Haod 
Ordnung  und  Klarheit  zu  sclialfen.    Das  ist  Kampers  im  ganzen  vohl. 


Besprechungen.  483 


gelungen.  Ich  sehe  es  gerade  in  unserer  Zeil  als  ein  groRes  Verdienst 
an,  so  nachdrücklich  wieder  die  Ideengeschichle  zur  Geltung  zu  bringen; 
und  zumal  die  kulturgeschichth'che  Forschung  sollte  dies  beherzigen. 

Ohne  Zweifel  ist  auch  die  Theorie,  daß  alte  mythologische  Stoffe 
beliebig  auf  historische  Perwinen  übertragen  werden,  deren  Erscheinen 
die  Phantasie  des  Volkes  bcherrechl,  gerade  in  dieser  Anwendunu  auf 
Alexander  d.  Gr.  in  hohem  Grade  berechtigt.  Gegen  viele  Einzelaus- 
föhrungen  aber  muß  ich  doch  starke  Bedenken  erheben.  Kampers  ist 
nicht  Überall  der  Gefahren  Herr  geworden,  die  diese  Methode  mit  sich 
bringt,  daß  man  vielfach  etwas  souverän  mit  dem  Material  umgeht, 
beliebig  die  Zusammenhänge  prelit,  um  neue  Kombinationen  herzustellen, 
Postulate  für  beM'iesene  Tatsachen  nimmt,  auf  denen  man  dann  fröhlich 
weiterbaul,  über  entlegenen  mythologischen  Znsamraen hängen  die  natür 
lichsten  littcrarischen  Ableitungen  vergilit  usw.  Einige  Beispiele  dafür. 
In  Orac  Sibyll.  V,  373  heißt  es:  Gottes  Zorn  werde  sich  auf  den  Gefilden 
Mazedoniens  entladen;  in  374  (wovor  übrigens  nach  Gcfflcen  ein  Vers 
ausgefallen  ist);  Gott  werde  hiilfe  bringen  aus  dem  Westen,  dem  König 
zum  Verderben;  Kampers  liest  aus  v.  373  heraus,  der  vom  Ostrn  her 
wiederlcchrende  Kaiser  werde  nicht  nach  Rom.  sondern  nach  Mazedonien 
ziehen  -  also  sei  nicht  Nero,  sondern  Alexander  gemeint;  aus  v.  374: 
Alexander  werde  als  der  helfende,  rettende  Herrscher  vom  Westen  ge- 
weissagt -  für  die  Orientalen  kam  ja  Alexander  vom  Westen,  aber  doch 
nicht  fijr  einen  in  Macedonien  spielenden  Entscheidungskampf,  der  an  die 
Schlacht  bei  Philippi  gemahnt.  Bei  Haymo  von  Halbcrstadt  (9.  Jahrh.) 
glaubt  Kanipers  noch  aHmythologi^che  Züge  zu  finden  in  der  Erzählung : 
Evilmorodach  sei  von  seinem  Vater  Nabuchodonosor  zu  König  Jojakim 
ins  Gefängnis  gesperrt  worden  und  habe  nach  des  Vaters  Tode  die 
Herrschaft  nicht  zu  übernehmen  gewagt,  weil  sein  Vater  wieder  lebendig 
werden  könnte,  bis  Ihm  Jojakim  zum  guten  geraten  habe:  ist  das  mehr 
als  eine  echt  rabbinische  Klügelei  über  die  Stelle  Jer.  &2.  3U.  (2.  KÖn.25, 
27 f.)  eduxit  eum  de  domo  carcerJs  et  locutus  est  cum  eo  bona 
unter  Verwendung  von  Dan-  5,  19,  der  Schilderung  königlicher  Allmacht 
quos  volcbal  interficiebai  et  quosvolehat  percnticbat {richtiger 
vivere  Eaciebat)  Jn  der  Umformung  quando  vult  moritur  et 
quando  vult  rcsurgit?  Ich  kann  dann  nichts  von  mythischer 
Heroisierung  Nabuchodonosors  und  von  der  Sage  vom  entschwundenen 
und  wiederkehrenden  Kaiser  finden.  In  einem  lateinischen  Sermon  unter 
dem  Namen  Ephraems  oder  Isidors,  den  Caspari  publiziert  hat,  heißt  es 
et  iam  regnum  RomanornmtolliturdemedioetChristianorum 
(vielleicht  ist  Christi  zu  lesen)  Imperium  Iradiiur  deo  et  Patri  et 
tunc  erit  consummalio.  Wo  sieht  hier  etwas  von  Alexanders  Kron- 
niederlegung  in  Jerusalem?  es  ist  I.  Kor.  15,  24  und  weiter  nichts!  Welcher 
Zusammenhang  besteht  zwischen  dem  Ei.  aus  dem  ein  Draclie  süilüpft/ 
bei  Alexanders  Geburt  und  der  Geschichte  der  Livia,  die  aus  einem  0 

31- 


1 


ornkeit,  oh  sie  einen  Sohn  oder  eine  Tochter  gebären  wird?  Wir  können 
nicht  so  alle  Einzelheiten  hier  durchgehen,  um  zu  zeigen,  wie  weit  das 
Beweismaterial  sich  reduziert.  Es  bedarf  dessen  auch  nicht;  denn  die 
Hauptthese  wird  trotz  alloleni  bestehen  bleiben.  Nur  würde  diese  ganze 
Art  mythologischer  Forschung  bedeutend  an  Kredit  gewinnen,  wenn  sie 
es  lernte,  sich  zu  bcscli ranken,  nicht  alles  in  ihrer  Art  erklären  zu  wollen 
und,  auf  das  schwache  Slützwcrk  vieler  ehizelner  Kleinigkeiten  verziditend, 
ihren  Bau  auf  wenige  massive  Pfeiler  zu  begründen. 

von  DobschQtz. 


Theodor  Freiherr  v.  d.  Qoltz,  Geschichte  der  deutschen  Land- 
wirtschaft Bd.  I,  Von  den  CRteri  Anfängen  bis  zum  Ausgang  des 
18.  Jahrhunderts.  Stuttgart  und  Berlin  1902,  J.  G.  Cotta  Nachfolger 
{Vin,  485  S.). 

Ein  hervorragender  Vertreter  der  Landwirtecluftslehre  legt  uns  hier 
ein  mit  ernster  Qriindlichkeit  gearbeitetes  Werk  vor,  »das  Resultat 
25j3.hrigcr  Studien*,  dessen  Haitptwcrt  darin  besteht,  dalS  dieses  wichtige 
Kapitel  der  Wirtschaftsgeschidite  nicht  von  einem  eigentlichen  Wirtschafts- 
liistohker,  sondern  von  einem  historisch  stark  interessierten  genauen 
Kenner  des  betreffenden  Gebiets  der  Wirtschaft  selbst  geschrieben  ist 
Wird  so  der  Historiker  viel  von  dem  Werke  lernen  können,  so  ist  der 
Verf.  bestrebt  gewesen,  vorher  von  den  Historikern  zu  lernen.  Es  mufl 
aber  doch  ansgesprochen  werden^  datl  in  dieser  Beziehung  insbesondere 
fGr  das  Mittelalter  der  Verf.  sich  den  Resultaten  neuerer  historischer 
Forschung  nicht  immer  genügend  genähert  hat.  Selbst  der  von  ihm 
sidiUich  mit  besonderer  Vorliebe  behandelte,  auf  die  schriftlichen  Quellen 
selbst  zurückgehende  und  mit  stark  betonten  eigenen  Resultaten  aus- 
gestattete Abschnitt  über  die  älteste  Zeit  der  Germanen  wird  zwar  auch 
bei  manchen  Historikern  Beifall  finden,  ist  aber  doch,  ganz  abgesehen  von 
der  Möglichkeit  anderer  Auffassung,  gerade  nach  Seite  der  Benutzung 
neuerer  Forschungsergebnisse  nicht  einwandsfrei.  Namentlich  das  1901 
erschienene  Werk  von  Moriz  Heyne  Ciber  das  deutsche  Nahrung^wessen 
von  den  ältesten  geschichtlichen  Zeiten  bis  zum  16.  Jahrhundert  durtle 
nicht  ignoriert  werden,  von  der  Berücksichtigung  ^■on  Büchern,  wie  etwa 
E.  H.  Meyer's  Deutscher  Volkskunde,  Schrader's  Reallexikon  der  indo- 
germanischen Aätertumsicunde  zu  schweigen.  Gerade  die  auf  die  Ergeb- 
nisse sprachlicher  Studien  gestützte  wichtige  Arbeit  Heynes  hfltte  den  Veif. 
vielleicht  dazu  gefllhrt,  eine  seiner  Orundanschauungen,  nämlich  eine 
außerordentlich  niedrige  Einschätzung  des  agrarischen  Betriebes  der 
Germanen,  cinigermallen  zu  revidieren,  wobei  die  Annahme  eines  sehr 
niederen  Ackerbaus  durchaus  bestehen  bleiben  konnte.  Auch  schlieilt 
das  nicht  aus,  daß  viele  Ausfühningen  des  Verfassers  gerade  in  diesem 
Abschnitt  sehr  beachtet  werden  müsben.  Sehr  richtig  wird  im  allgemeinen 


Besprechungen. 


vom  Verf.  auf  die  große  kulturelle  Verschied enheit  der  germanisch en 
Stämme  hingewiesen,  ebenso  darauf,  daß  man  bei  Verwertung  autiker 
Quellen,  namentlich  des  Plinius,  zu  unterscheiden  hat,  ob  sich  diese  auf 
das  Land  Oetmanien,  also  auf  da*  römische  Gebiet,  oder  aiif  das 
germanische  (unabhängige)  Volk  tieziehen.  Werden  die  Germanen  im 
ganzen  vom  Verf.  unterschätzt,  so  wird  die  Periode  Karts  des  Groflen 
in  ihrer  Bedeutung  fCir  die  deutsche  LandvirtschafI  wieder  über^hätzt. 
V.  d.  Goltz  hat  sich  entgehen  lassen,  daß  das  Capilulare  de  villis  neuer- 
dings mit  Recht  als  für  das  eigentlich  deutsche  Gebiet  nicht  beweis' 
kr.^ftig  angesehen  wird  und  wesentlich  ft'ir  -wc^tfränVische  VerhSItnlsse 
charakteristisch  ist.  Die  römischen  Einflüsse  andererseits  auch  auf  Deutsch- 
land in  einer  vid  frfiheren  Zeil  hätten  einer  eingehenderen  Prfifung  bedurft, 
a]ssieaufS.82ff.  vorgenommen  wird.  Mancherlei  Bedenken  werden  dann  die 
Ausführungen  über  die  späteren  sozialen  Verhältnisse  erregen,  so  schon 
diejenigen  auf  S.  94  ff.  Für  das  Mittelalter  hat  die  Niclilbenulzung  der 
Arbeiten  v.  Belows  dem  Werke  entschieden  geschadei.  Eine  solche  hätte 
auch  den  vom  Verf.  für  das  16.  Jahrhundert  richtig  betonten  Unterschied 
der  bäuerlichen  Verhältnisse  im  Osten  und  Westen  schärfer  charakterisieren 
helfen  können,  FQr  das  15.  und  16.  Jahrhundert  halte  wohl  auch 
Janssen's  Geschichte  des  deutschen  Volkes  dem  Verfasser  zwar  nicht  durch 
den  eigenen  Text,  abw  durch  Hinweis  auf  manches  Material  dienen  können. 

Der  Hauptgesich Ispunirt  des  Verf,  für  das  Mitlelalter,  .daR  in  ihm 
die  groHe  Masse  der  deutschen  Volksgenossen  zu  einer  den  Bedürfnissen 
der  ganzen  Nation  entsprechenden  Ausübung  des  Ackerbaues  erzogen 
wurde",  ist  richtig  und  wichtig,  ebenso  wichtig  aber  auch  die  Fest- 
stellung in  der  dem  Ganzen  vorausgeschickten  Übersidit  über  die  Oesamt- 
entwickelung,  daß  trotz  lokaler  Verbesserungen  die  Landwirtschaft  sehr 
lauge  auf  derselben  Stufe  blieb  und  erst  um  die  Mitte  des  18.  Jahr- 
hunderts die  Überzeugung  von  der  Notwendigkeit  nner  durchgreifenden 
Reform  Plati  griff,  für  die  dann  erst  im  IQ.  Jahrhundert  freie  Bahn 
gemacht  wurde.  .In  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  haben  der 
landwirtschaftliche  Betrieb  und  die  ländliche  Bevölkerung  grossere  Ver- 
änderungen durchgemacht  als  in  dem  ganzen  Jahrtausend  vorher.* 

Davon  wird  nun  der  2.  Band  wohl  ausführlich  berichten,  und  wenn 
wir  Goltz  hierin  als  bewährtem  Führer  folgen  werden,  so  gilt  das  auch 
schon  von  den  letzten  Teilen  des  vorliegenden  Bandes,  insbesondere  dem 
3.  Abschnitt,  der  bereits  die  »Versuche  zur  Umgestaltung  der  Landwirt- 
schaft in  der  2,  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts"  behandeil.  Freilich  nntt  bei 
der  nun  einsetzenden  gröfleren  Spezialisierung  wie  auch  schon  bei  dem 
vorhergehenden  Kapitel  über  die  «Anfönge  der  landwirtschaftlichen 
Literatur"  das  Interesse  der  Historiker  vor  dem  der  Fachgenossen  des 
Verf.  etwas  zurück.  Doch  wird  dasselbe  das  verdienstliche  Werk  durchaus 
veiler  begleiten.  Ceorg  Steinhausen. 


Paul  Webvr  Die  IveJnbildcr  aus  dem  13.  Jahrhundert 
im  Hessenhofe  zu  Srhmalkaldcn.  Sondcrabdntck  ans  dcf  -Zeit- 
schrifl  für  liild«de  Kunst*.  Leipzig  und  Berlin,  Verlag  von  E.  A.  Seemann, 
1901  (24  Selten  mit  10  Abbildungen  im  Text  und  3  TafeSn). 

Schon  1890  ist  über  den  Bilderzyklus  im  jetzigen  KellerfTcschoH  des 
alten  „ Hessen hofes"  zu  Schmalkalden  eine  mit  sieben  LJchtdrucktafeln 
ausgcslattcte  Abhandlung  von  Otta  Gcrland  erschienen,  die  manches  ge- 
sicherte Forschungsergebnis  bietet  und  u.  ».  auch  bereits  festgestellt 
hat,  dafl  es  sich  bei  diesen  Wandmalereien  nicht,  wie  man  früher  annahm, 
um  Szenen  aus  dem  Leben  der  heiligen  Elisabeth,  sondern  um  Illu- 
strationen zu  Hartmann  von  Aues  Artusroman  «l-weiti  mit  dem  Löwen" 
handeil.  Inzwischen  konnte  nun  aber  eine  Anzahl  weiterer  Darstellungen 
in  jenem  Kel1etT.iiime  nachgewiesen  und  von  der  dichten  Schicht  von 
Kohlenstaub,  Moder  und  stellenweise  noch  haftender  Tünche,  unter  der  sie 
bei  mangelnder  Beleuchtung  bis  dahin  so  gut  wie  unsichtbar  geblieben 
waren,  befreit  werden.  Da  hierdurch  »der  Umfang  des  Bilderkreises 
fast  um  das  doppelte  gewachsen  war',  so  verlohnte  es  sich  bei  der 
hohen  Bedeutung  dieses  frühen  Denkmals  der  Profanmalcrci  in  der  Tat. 
eine  neue  Veröffcntltchung  davon  /u  veranstalten,  In  der  vorliegenden 
Schrift,  die  von  11  Textabbildungen  und  drei  farbigen  Tafeln,  worunter 
zwei  Doppeltafeln,  begleitet  wird  und  gleichzeitig  in  der  Zeitschrift  für 
bildende  Kunst  und  in  einer  Sonderausgabe  für  den  Buchhandel  erschien, 
hat  sich  im  Einverständnis  mit  Senator  O.  Qerland  Paul  Weber  dieser 
Aufgabe  unterzogen.  Die  Lösung  darf  als  eine  in  jeder  Hinsicht  wohl 
gelungene  bezeichnet  werden.  Die  erwähnten  Tafeln  geben,  was  von  den 
Wandgemälden  noch  zu  erkennen  ist.  getreu  wieder,  und  der  Text  der 
Abhandlung  erörtert  mit  grolkr  Sachkenntnis  und  überall  auch  auf  die 
allgemeinen  kulturellen  Gründe  der  Erscheinungen  eingehend  alle  Fragen, 
die  sich  an  die  tnteressanleti  Malereien  knüpfen.  Der  erste  Abschnitt 
bietet  einen  Überblick  über  die  Profanmalercten  des  deutschen  Mittelalters 
bis  zum  U.Jahrhundert,  wobei  auch  derSchildeningen  bei  zeitgenössischen 
deutschen  und  französischen  Dichtern  verschiedentlich  gedacht  wird. 

Wenn  sich  an  Denkmälern  der  Profanmalerei  vor  MOO  flberhaupl 
wenig  genug  erhallen  hat,  so  „versagen  sie-,  wie  der  Verfasser  hervorhebt, 
..für  das  12.  und  13.  Jahrhundert,  also  für  die  eigentliche  Bh'dejeil  der 
ritterlichen  Kultur,  fast  völlig."  Und  eben  in  diese  LQcke  treten  die 
Wandgemälde  im  ehemaligen  ErdgeschoH,  jetzigen  Kellergeschoß  im  Hes- 
senhote,  dessen  Geschichte  und  Beschreibung  der  zweite  Abschnitt  der 
Abliandhing  ge^ridmel  ist.  Der  dritte  umfaßt  die  Beschreibung  der 
Wandgemälde  selbst  und  ihre  Erklärung  an  der  Mand  von  Harlmaiin 
von  Aucs  Dichtung.  Dem  Verfasser  wird  «  aber  schließlich  doch  iwei- 
felhaft,  ob  der  Maler  auch  wirklich  Hartmanns  Werk  und  nicht  vjelmclir 
die  weit  küaere  Fassung  des  Iweinstoffes,  wie  sie  uns  in  der  kellischen 
Erzählung  .Die  Dame  von  der  Quelle",  dem  sog.  Mabinogf, 


ier  kellischen     ^^M 
erhalten  ist.    ^H 


vor  Augen  gehabt  habe.  Indessen  hat  ntuerding?  F.  I'arzer  in  seine 
Bwprcchung  von  Webers  Schrift  (Literaturblalt  für  german.  und  roma- 
nische Philologie,  XXIV  1Q03  Sp.  150  f.)  diese  Frage  mit  schlagenden 
Gründen  zu  Ounslen  des  Hartmannschen  Romans  entschieden.  Der 
vierte  Abschnitt  behandelt  den  „Zweck  des  ausgemalten  Gemaches  im 
Hcssenhofe",  das  aäs  ehemaliac  Trinkstube  ähnlich  der  im  Hause  zur 
Zinne  zu  Dießenhofen  in  der  Schweiz  (Anfang  des  14.  Jahrhunderts),  die 
mit  Wandmalereien  nach  Neldharts  Schwan kdidilung  vom  .Veilchen', 
Darstellungen  aus  Reinette  Fuchs,  Sinnbildern  Für  Wein,  Weib  und  Oe- 
sang  in  tum  Teil  sehr  derber  Faasung  u.  s.  w.  geschmückt  isl,  erltannt 
wird.  Besonders  verdienstlich  sind  sodann  die  Untersuchungen  über  die 
Technik  der  Alalereien,  Ober  die  der  fünfte  Abschnitt  berichtet,  während 
der  sechste  sich  mit  der  künstlerischen  Würdigung  der  Gemälde 
befallL  Gerade  in  diesem  Teile  der  Abhandlung  findet  sich  manche 
gute  Beobachtung  und  manche  treifende  Bemerkung  zur  deutschen  Alter- 
tumskunde. Ich  verweise  beispielsweise  auf  die  Stellen,  die  von  den 
konventionellen  Bewegungen  und  Gesten,  von  den  Trachten  und  Waffen 
und  ihrer  gewissenhaften  Wiedergabe  durch  den  Maler  handeln,  hlüt 
Recht  wird  hier  auch  hervorgehoben,  daß  für  Art,  Anordnung  und 
Ausführung  der  Bilder  offenbar  die  Teppichwcriterei  vorbildlich  gewesen 
ist.  Ja,  es  wäre  viclleiclit  erlaubt  gewesen,  noch  einen  Schritt  weilerzu* 
gehen  und  die  Wandmalereien  der  Trinkstube  geradezu  als  Surrogate 
fiir  die  iedenfalls  viel  teuereren  gewirkten  R&cklaken  zu  bezeichnen.  Der 
siebente  und  letzte  Abschnitt  endlich  beschäftigt  sich  mit  der  Entstehungszeit 
der  Schmal kaldener  Wandgemälde,  als  die  auf  Grund  eingehender  stil- 
kritischer Vergleichung  namentlich  auch  mit  den  Denkmälern  der 
Miniaturmalerei  sowie  nach  den  Anhaltspunkten,  die  insbesondere  Tracht 
und  Bewaffnung  ergeben,  .die  erete  Hälfte  bis  Mitte  des  13,  Jahrhunderts" 
festgestellt  wird.  Der  Verfasser  schlielit  mit  der  Ankündigung  einer 
späteren  zusammenfassenden  Bearbeitung  der  Profankunst  des  13.  Jahr- 
hunderts, von  der  man  nach  der  vorliegenden  Probe  die  besten  Erwar- 
tungen hegen  darf,  und  mit  dem  Wunsche,  daü  inzwischen  seine  Einzel- 
studie dasu  beitragen  möchte,  ,die  Fäden  zwischen  den  beiden  Schwester- 
wis&enschaften,  Literatur-  und  Kunstgeschichte,  die  sich  gegenseitig  gerade 
für  diesen  Zdtraum  so  wenig  entbehren  können,  etwas  enger  ziehen  zu 
helfen."  Diesem  Wunsche  können  wir  uns  vorbehaltlos  anschließen. 

Th.  Hampe. 


M.  Rabenlechner,  Der  Bauernkrieg  in  Steiermark  (1525). 
Freiburg  i.  B.,  Herder  IWI  (Erläuterungen  und  Ergänzungen  zu  Jansseos 
Geschichte  des  deutschen  Volkes,  11.  Bd.  5.  Heft).  (\'III,  5ö  S.) 

Der  bisherige  Mangel  einer  zusammenfassenden  Darslelltcng  der 
sieirischen  Unruhen  1525  mußte  wohl  eine  Anregung  zu  vorliegender 
Schrift   geben,  aber  die  gehlen   Erwartungen   erfülH  sie  keinesw^. 


488 


Besprechungen. 


Ein  Verständnis  der  damaligen  sozialen  Erschütlerungen  erfordert  als 
llnl«p'""t'  '■■'"P  möglichst  breit  angelegte  Würdigung  der  wirtschaft- 
lichen Vcrhällnisse,  deren  Richtung  je  nach  der  Eigenart  des  behandelten 
Terrllorlums  verschieden  sdn  wird.  Ein  solcher  von  R.  nicht  weiter 
verfolgter  Hinweis  liegt  in  der  Tatsache,  daß  in  Steiermark  die  Haupt- 
träger  der  Bewegung  die  Bergknappen  sind.  Für  R-,  der  die  Frage  des 
wirtschaftlichen  Drucks  nur  sfrcift,  bleibt  das  Treibende  die  Predigt 
Luthers  von  der  Vernichtung  der  geistlichen  Fürsten  —  eine  von  Janssens 
auf  einen  Zitatenu/usl  gestütrien  Behauptungen,  die  schnellfcrtig  über- 
nommen wird.  Ohne  auf  die  kausalen  Zusammenhinge  einzugeben  wird 
daTin  der  im  Anschluß  an  die  Salzburger  Ereignisse  im  Jahre  1525  aus- 
gebrochene steirische  Aufruhr  geschildert,  der  nach  einem  flüchtigen, 
durch  die  Oehonamsverweigming  der  R^eningstriippen  vemnlaßten 
Erfolge  mit  einer  Niederlage  endete.  Die  ausschließliche  Benutzung  ge- 
druckten Materials  schließt  die  Aufdeckung  neuer  Gesichtspunkte  dabei  aus. 

G.  Liebe. 


0.  Etllaetr,  Philipp  Meknchthoti.    Ein  Lebensbild.    Berlin  1902. 
H.  Heyfelder  <624  S.) 

Seit  Karl  Schmidts  Biographie  (1861)  ist  zur  Aufhellung  der  vid- 
.wiiigen  reichen  Lebensarbeit  Melanchthons  ein  so  gewaltiges  Material  in 
Quellen  und  Einzeluntersuciiuit^en  zu  Tage  gefördert  worden,  dzll  die 
Forderung  einer  neuen  zuMmmenlassenden  Darstellung  dringend  geworden 
war.  Es  entspricht  durchaus  dem  Wirken  und  Wesen  des  iVUnnes,  daß 
ein  Literarhistoriker  sich  dieser  Arbeit  unterzogen  hat  Ihm  ist  die  Auf- 
gabe seines  Helden  eine  doppelte:  die  Ausbildung  einer  weltlichen  Wissen- 
schaft durch  die  Univer^itätsreform  und  die  entscheidende  Formulierung, 
der  neuen  religiösen  Errungenschaften.  Die  Lösung  dieser  doppelten  Auf- 
gabe hat  £.  in  einer  meist  etwas  nüchternen,  aber  klaren  und  übereicfat- 
liehen  Darstellung  entwickelt;  gründliches  Ausschöpfen  und  kritische 
Würdigung  der  ausgedehnten  Vorarbeiten  wird  man  ihm  nachzurühmen 
haben.  Aber  er  hatte  sich  noch  ein  höheres  Ziel  gesteckt:  die  Veran- 
schaulichung von  Melanchthons  geistiger  Pei-sönlichkeit.  Sie  zu  rer- 
stehen  ist  um  so  wichtiger,  als  in  ihr  die  Wurzeln  verhängnisvoller  Ent- 
wicklung auf  beiden  Gebieten  ihres  Einflusses  liegen,  der  dogmatischen 
Streitigkeiten  und  der  Überschätzung  klassischer  Bildung.  Zum  psycho- 
logischen Verst.indnis  dieser  nervösen,  reflektierenden  GeJchrtennatur,  bei 
der  der  InteUekl  den  Willen  weit  überwog  und  unter  der  Milde  des  Auf- 
tretens große  Reizbarkeit  sich  barg,  hat  E-  aahlreidie  feine  Bemerkungen 
beigesteuert.  Aber  in  dem  breiten  Strome  der  theologischen  Erörterungen 
kommen  sie  nicht  recht  zur  Geltung,  und  wir  werden  uns  dem  Eindruck 
nicht  entziehen  können,  dall  uns  Melanchthons  Gestalt  bd  Hartfelder,  wenn 
auch  nur  als  Praeceptor  Oermaniac  behandelt,  plastischer  entgcgentritu 


Bei  einer  so  wenig  einheitlichen  Peisonlichkeil,  deren  bedeutende  Lei- 
siungen  grade  auf  ihrer  Eindnicksfähigkeit  beruhen,  wäre  ein  (ieferes 
Eingehen  auf  die  Zeitströtnungcn  erwünscht  gewesen,  wie  es  in  groß- 
zügiger Weise  Berger  für  Luthers  Wirken  gelungen  ist,  Was  E.  in  den 
höchst  anziehenden  Anfangs-  und  Schlufikapiteln  über  die  Stellung 
Melanchthons  zu  den  wtsÄnschaftlichen,  sittlichen  und  politischen 
Anschauungen  der  Zeit  bringt,  erweckt  den  Wunsch,  daß  diese  Be- 
handlungsweise  für  das  ganze  Werk  batimmend  geworden  wäre.  Ist  es 
doch  die  Tragik  in  Melanchthons  Leben,  daß  er  in  seiner  Seete  den 
Gegensatz  der  beiden  ringenden  Zeilströmungen  durchkämpfen  muUte, 
der  wissenschaftlichen  Ideale  des  Humanismus,  zu  denen  ihn  seine  Neigung 
zog,  und  des  überraächügen  religiösen  Elements,  dem  jene  vor  ihrer 
vollen  Entfaltung  weichen  mußten.  Das  beigegebene  Bildnis  entspricht 
weit  mehr  den  oben  angedeuteten  Charaktenügen  als  das  bekanntere, 
dem  Dürer  lu  viel  des  eignen  markigen  Wesens  beigelegt  hat,  indessen 
härte  der  Verlag  wohl  den  Urheber  (Holbein)  beifügen  können.  Leider 
macht  sich  der  Mangel  an  Quellcnnachweisen  auch  für  den  Text  bemerkbar. 

O.  Liebe. 


Wilhelm  Suida.  Die  Genredarstellungen  Albrechl  Dürers 
(Sluditn  zur  deutschen  Kunstgeschichte  Hefl  27).  Straßburg,  J.  H.  Ed. 
Hotz  <Hel(z  di  Mündel),  1900  (124  Seilen). 

Wenn  man,  noch  ohne  das  vorliegende  Buch  zu  kennen,  sich  die 
Frage  vorlegt,  wie  müßte  eine  Arbeit  öberdie  Genrcdarstellungen  Atbrecht 
Dürere  angepackt  werden,  um  der  Wissenschaft  wirklich  nützliche  und 
fruchtbare  Ergebnisse  zu  liefern,  so  wird  die  Antwort  vorzugsweise  zwei 
Richtungen  weisen.  Es  wird  einerseits  gefordert  werden  müssen,  daß  die 
Darstellungen  mit  den  Elementen,  aus  denen  sie  steh  zusammensetzen, 
eine  ikonographische  Behandlung  erfahren,  indem  ihre  Entwicklung 
bis  auf  Dürer  und  in  Dürere  Schaffen  klar  gelegt  wird ;  datiebcn  aber 
mütite  in  sorgßltigem  Eingehen  auf  Dürers  Wesen  und  Wirken  gezeigt 
werden,  welche  Bedeutung  das  Genre  in  seiner  Kunst  gehabt,  welche 
Rolle  es  darin  gespielt  hat.  Beide  Richtungen  hat  nun  auch  Suida,  das 
ist  nicht  m  verkennen,  in  seinem  Buche  zu  \-erbinden  gesucht;  aber 
er  ist  seines  Stoffes,  der  in  der  Tat  eine  gereifte  Kraft  erfordert  hätte, 
leidicr  in  keiner  Weise  Herr  geworden  und  hat  noch  dazu  das  ganze 
wenig  geschickt  aufgezäumt.  Namentlich  die  ikonographische  Entwicklungs- 
geschichte ist  sehr  zu  kurz  gekommen  und  als  Einleitung  von  den  einzel- 
nen Darelellungsgruppen  ganz  gesondert;  den  Quellen,  wie  sie  auch 
für  die  bildliche  Wiedergabe  in  der  Literatur  flieücn,  ist  kaum  nachge- 
gangen, und  das  wenige,  was  etwa  im  .Schluß"  hieriiber  beigebracht 
wird,  ist  wiederum  ohne  organischen  Zusammenhang  mildem  eigentlichen 
Thema.    So  macht  das  Buch,  wenn  auch  hübsche  und  selbst   feine  Be- 


I 


4Q0  Besprechungen. 


merWungcn  und  Beobachtungen  nichl  ganz  fehlen,  doch  im  Allgemeinen 
den  Eindruck  einer  nach  einem  ziemlich  eiligen  Streifzuge  durch  eine 
Annhl  grQßerer  Museen  und  Kupferstich liabinette  rasch  zusammen- 
gestellten,  unausgereiften  Zelte!  kästen- Arbeit,  bei  der  weder  der  Kunsl- 
noch  der  Kulturhistoriker  seine  Rechnung  findet.  Th.  Hampe. 


Hans  <\\ugmtt.  Die  moderne  Selbstbiographic  als  historische  Quelle. 
Eine  Untersuchung.     Marburg,  N.  ü.  Elwert,  1903  (VIII,  168  S.). 

Der  Hauptsatz  der  vorliegenden  Untersuchung  ist.  daß  die  moderne 
Selbstbiographic  -  wohl  zu  unterscheiden  von  der  älteren,  kunstlos  und 
schlicht  Süssere  Erlebnisse  beichtenden  Lebensbeschreibung  —  als  eine 
Tochter  des  Romans  angesehen  werden  mu6.  Die  Hauptquclle  dieses 
romanhaften  Elements  ist  das  Stimm ungsmilieu  zur  Zdt  der  Abfassung, 
nach  dem  auch  das  Vergangene  gewertet  wird.  Den  Nachweis  dieser  B^ 
hauptung  an  einem  speziellen  Fali  versucht  der  2.  Teil  durch  Prüfung 
ausgewählter  Abschnitte  aus  der  Selbstbiographie  der  Fnu  Roland.  Mehr 
aber  als  die  Bedeutung  dieses  in  seiner  Allfiemeinheit  und  Schärfe  doch 
virileicht  nicht  ganz  unanfechtbaren  Satzes  für  die  quellen  kritische  Bt 
handlung  der  modernen  Selbstbiographie  interessiert  uns  an  dieser  Stelle 
die  von  Olagnu  gegebene  Entstehungsgeschichte  der^Ibai,  die  das  roman- 
hafte Element  als  wesentliches  Element  von  Anfang  an  aufweist  und  vor 
allem  den  psychologisch-individua listischen.  Grundzug  als  Hauptcharakter 
der  Gattung  ergibt.  Ganz  richtig  betont  Ol.  das  aufgeregte  Innenleben 
des  18.  Jahrhunderts  als  wichtigstes  Moment,  das  zur  dnseitigen  Beachtung 
des  inneren  Menschen,  zur  Selbstbeobachtung,  zum  Gefühlskultus,  zu  der 
von  Goethe  betonten  »altgemeinen  Offenherzigkeit",  zur  Bekenntnissucht 
und  Scelcnbcichte  führte.  Die  Entstehuntc  dieser  für  den  Ursprung  de 
modernen  Selbstbiographie  wie  des  psychologischen  Romans  und  Briefes 
SO  wichtigen  innerlichen  Strömung  hätte  aber  etwas  eingehender  be- 
handelt werden  sollen,  zumal  darüber  bisher  noch  recht  wenig  zutrcfTendes 
gesagt  ist.  Die  wenigen  Andcntungen  Ul.'s  in  dieser  Beziehung  kon- 
statieren mehr  die  Talsachcn.  Zwar  wird  bei  Rousseau  betont,  .wie  viel 
er  der  ihm  voraufgehenden  literarischen  Entwicklung  und  namentlich  dem 
Aulschwung  des  Romans  verdankt',  aber  im  Ganzen  erscheint  doch 
bei  Gl.  der  innerliche  Zug  Rousseaus  allzusehr  als  zuei«  von  ihm  betont. 
wenn  er  auch  als  erster  gerade  in  die  Selbstbiogiaphie  .die  psycho- 
logische Betrachtungsweise  einführte".  Die  Erwähnimg  des  Einflusses 
des  enulischen  Familienromans  hätte  den  Blick  einmaf  schärfer  auf  Et^£- 
land  richten  sollen.  Und  die  zwar  wesentlich  als  ein  Kunstwerk 
Goethes  anzusehctiden,  aber  doch  .in  die  Seele  der  Freundin  verfaüten- 
»Bekenntnisse  einer  schönen  Seele'  hätten  zur  Rückvcrfolgung  des  aus 
religiöser  Aufgeregtheit  entspringenden  Inncnkultus  führen  können,  zu 
den  ptetistischen  Briefwechseln  usw.,   und  vielleicht   ergab  sich  dann  im 


Besprechungen. 


letzten  Grunde  eine  unumwundenere  Bestätigung  des  Bezoldschen  Salzes: 
.Die  ßdauschung  des  eigenen  Herzens  ist  christlichen  Ursprungs".  OUgau 
ist  in  der  Anmerkung  auf  S.  2G  auf  ganz  richtigem  Wege,  verfolgt  ihr 
aber  nicht.  Übrigens  betont  er  andi  bei  dem  von  ihm  als  Nachfolger 
Rousseaus  beliandclteii  Karl  Pbili|)p  Moritz,  der  im  .Antun  Reiser"  die 
psychologische  Richtung  schon  in  geradwu  wissenschaftlicher  Absicht 
betreibt,  den  Einfluß  des  .pietistischen  Luftkreises ",  in  dem  der  Verf. 
aufwuchs. 

Bei  dem  zweiten,  die  Angaben  der  Frau  Roland  an  erhaltenen 
Briefen  kontrollierenden,  aber  nur  auf  das  von  spateren  Stimmungen  ab- 
hängige romanhafte  Element  gerichteten  Teil  erscheint  zuweilen  fraglich, 
ob  die  Abweichungen  von  der  Wahrheit  lediglich  der  ergänzenden 
Phantasie  und  nidil  bewul3tem  Streben  der  Eigenliebe  entspringen. 

Betnibend  und  charakteristisch  für  den  in  neuerer  Zeit  immer 
wachsenden  Mangel  an  Sprachgefühl  sind  die  schwerlich  als  Druckfehler 
anzusehenden  .gelungendsten  [t)  Teile".  Im  übrigen  sei  das  verdienst- 
liche Büchlein  der  Beachtung  unserer  Leser  empfohlen. 

Qeorg  Steinhausen. 


Paul  Kafalmaon,  Die  öffentliche  Meinung  in  Sachsen  wahrend  der 
Jahre  1806  bis  1812.  Gotha  (F.  A.  Perthes)  K>02.  8«.  121  S.  (=  Ge- 
schichtliche Untersuchungen  hgg.  von  Karl  Lampreclil  H.  1). 

Die  „öffentliche  Meinung"  ist  schon  mehrmals  O^enstand  historischer 
Untersuchung  gewesen.  Ich  criunerc  hier  an  Johannes  Hallers  Deutsche 
Publizistik  in  den  Jahren  1668-  1674,  Heidelberg  1392,  an  des  Unter- 
zeichneten Öffentliche  Meinung  in  Deutschland  über  den  Fall  StraBbnrgs. 
München  18Q6.  und  anOeorg  Mentz'  Vortrag  über  die  deutsche  Publizistik  im 
17.  Jahrhundert,  Hamburg  ISii?.  Vor  nicht  allzulanger  Zeit  hat  ein  Dok- 
lorand  die  Hallung  der  deutschen  Publizistik  während  des  nordameri- 
kanischen Unabhüngigkeitskrieges  bearbeitet,  und  im  vorigen  Jahre  hat 
nun  Paul  Rühlmann  die  öffentliche  Meinung  in  Sachsen  wihrtnd  den 
Jatirr  1806  bis  1S12  geschildert. 

Der  Verfasser  hätte  seine  Schrift  gerade  so  gut  »die  öffentliche 
Meinung  in  Leipzig"  nennen  können,  denn  sowohl  Dresden  wie  das  übrige 
Sachsen  treten  in  der  Abhandlung  Leipzig  gegenüber  ganz  bedeutend 
zurück.  Doch  dürfen  wirRflhlmann  darum  nicht  unrecht  geben,  denn  Leipzig 
ist  tHM-eits  seit  1750  Mittelpunkt  des  deutschen  Buchhandels  und  so  auch 
deutsclie  Lifteraturcentrale  und  beeinflusst  auf  dies«  Weise  nicht  nur 
Sachsen,  sondern  ganz  Deutschland.  Das  kleine  Buch  ist  in  neun  Ka- 
pitel, denen  sich  kurze  SchluElbemerkungen  anschlictten,  eingeteilt.  Wichtig 
ist  vor  allen  Dingen  das  zweite  Kapitel,  in  dem  Methode  und  Quellen- 
material  der  Untersuchung  dargelegt  werden,  i^itungen  kommen  nur  in 
sehr  bescheidenem  Malte  in  Betracht,  weit  radir  die  übrigen  publizistischen 


1 


i 


ErreugnissCj  Qelegenheilsschriften,  Aufrufe  und  ProklamaliOTien,  zeitge- 
nössische Briefe,  Tagebücher  und  Erinnerungen,  Reisebeschreibungen, 
amtliche  Erlasse  und  Bekancitnuchungen.  die  Berichte  der  politiscben 
Polizei,  endlich  die  gesamte  säclisisclie  scliöngeistige  Litleratur  jener  Tage. 
Es  u-ird  lins  dann  gezeigt,  welch'  konservaüvem  Zugedas  gesamte  geistige 
Leben  in  Sachsen  bis  iiir  Schlacht  bei  Jen»  gefolgt  vtf,  in  einem  Lande, 
das  seit  1763,  auCier  einigen  Bauernunruhen,  keinen  Krieg  mehr  gesehen 
hatte.  Die  1806  lebende  Generation  konnte  sich  einen  Feldzug  gir 
nidil  vorstelle]],  hi  den  Wirrnissen  der  Zeit  glaubte  man  allgemein  an 
Preußens  Mission  und  an  den  Sieg  seiner  Waffen,  und  zwar  ging  die 
Menge  in  dieser  Zuversicht  so  -weit,  dal!  sie  die  am  13.  Oktober  1806  in 
Leipzigcncheinenden  französischen  Patrouillen  füreinen  Teil  derzersprengten 
auf  der  Flucht  begriffenen  französischen  Armee  hielt 

Der  14.  Oktober  1806  und  die  durch  Jena  voliständig  vcränderlen 
polititclien  Konjunkturen  bceJnf]uHlen  natürlich  such  die  .Öffentücbc 
Meinung".  Kureachsen  wird  Königreich,  Napoleon  zeigt  sich  so  liebens- 
würdig wie  möglich  und  schützt  die  Einwohner  vor  den  Härten  des 
Krieges.  Die  .Leipziger  Zeitung"  bringt  im  November  Sdimähartileel 
gegen  Preußen,  den  friihercn  Bundesgenossen,  und  verunglimpft  seine 
k&nigliche  Familie.  Ihren  Möhepunlit  erreicht  die  Napoleonbegeisterung 
im  Juli  1807,  als  der  Kaiser  in  der  festlich  geschmückten  Residenz  weilte. 
Man  feiert  ihn  als  Frieden  bringer,  ats  Beschützer  von  Handel  und  Ge- 
werbe. Doch  der  Friede  will  nicht  kommen,  und  die  unaufhOriichen 
Truppen durchzüge  belästigen  das  Land  schwer.  Die  allgemeine  Sehn- 
sucht nach  Frieden  bezeichnet  in  dieser  Zeit  der  Militirschriftsteiler 
August  RQhle  von  Liüenstecn  (vgl.  Allg.  D.  Biogr.  29,  611  ff.)  mit  den 
Worten:  „Em  Krieg,  der  nicht  völüg  ausgcfochlen,  ein  Frieden,  der  un- 
aufhörlich auf  den  Krieg  gerüstet  und  gefailt  ist,  sind  gleich  verderblich 
und  verwünschenswert."  So  beginnt  die  allmähliche  Entfremdung  gegen- 
über dem  französischen  Sysleuie.  Gegen  Ende  des  Jahres  1808  b<tpBnt 
die  Verbreitung  ethisch-pädagogischer  Ideen.  Die  nationale  Wieder- 
geburt hann  nur  ducch  die  türziehung  herbeigeführt  vcrden,  durch 
.die  Erziehung  des  Geschlechts  zu  deutschem  Männermui".  Doch  diese 
Gedankenwelt  wurde  jäh  unterbrochen  durch  die  Episode  des  Jahres  1809. 
Die  öffentliche  Meinung  wird  von  nrcj  Strömungen  beherrscht:  die  eine 
ist  die  etwas  demokr.ilisc!i  «efirbtc,  deutsch-nationale,  östeneich-freund- 
ttche  Richtung;  diese  ist  am  stärksten  zu  Anfang  des  Feldzuges.  Die  andere 
wird  hervorgerufen  durch  die  Milicrfolge  der  österreichischen  Waffen  und 
durch  das  Auftreten  der  Braun&chwelger  in  Sachsen.  Sie  ist  streng  sächsisch, 
legitimislisch  und  franzoscn  freund  lieh  und  nimmt  nach  dem  Scbönbruoner 
frieden  den  Charakter  der  Reaktion  an.  Der  Krieg  endigt  rwar  günstig 
für  Sachsen,  für  die  öffentliche  Meinung  aber  wird  er  Verhängnis  voll. 
Die  nationale  Gefühlswelt  war  wachgerufen,  zugleich  wurden  aber  auch  die 
glänzenden    Hoffnungen    vernichtet.      Die  Folge    des  Jahres    waren    die 


I 


I 


Besprechungen. 


politische  Zensur  unJ  Polizei.  Ein  sächsisch-französisches  Überwachungs- 
sj-slem  «-urde  organisiert.  OroRes  Inleressc  erregten  besonders  die  Be- 
gebenheiten in  Spanien-  Begreif  11  chei-w-cise  war  dies  der  fratiiösisclien 
Re^erung  sehr  unangenehm,  und  die  Nachrichten  über  Spanien  konritea 
nur  unter  dem  Deckmantel  von  ReisebeschreibunEren,  die  $ich  sehr  gOnstig 
Qber  die  Bewohner  des  Landes  itiHerten,  ins  Publikum  vandem.  Ebenso 
war  es  für  PoHliker  sehr  gefährlich,  sich  irgendwie  »über  die  Hoffnung 
eines  Friedens  mit  England-  ausEusprechen.  Die  Tendenz  irar:  Unter- 
dr(icl<ung  der  Presse,  Die  politische  Pohzei  sollte  die  Regierung  vor 
den  geheimen  politischen  Zirkeln,  vor  allem  vor  den  Umtrieben  des 
Tugmdbundes  schützen,  dessen  Wirkung  man  bei  weitem  flberschShite. 
Die  Machthaber  fürchteten  den  V'olksauf stand.  Das  ganze  Spionage- 
system drückte  die  öffentliche  Meinung  zu  blolier  Oerüehtbildung  herab, 
und  so  entstand  eineganzenischiedene  Abneigung  gegen  die  nipoleonische 
Herrschaft,  die  besondere  durch  die  Konfiszierung  und  Verbrennung 
englischer  Waren  in  Leipzig  Nahrung  erhielt.  In  den  Kreisen  der 
litterarisch  Gebildeten  bewirkten  romantische  Elemente  den  Umschwung. 
Im  Mai  1S12  versammelt  Napoleon  in  Dresden, bevorerg^en  Rußland  zu 
Felde  zieht,  noch  einmal  olle  seine  Satrapen  um  sich  ;  doch  wird  er  sehr 
kühl  aufgeiiomtueit,  ganz  im  Qegen^lz  zu  dein  begeisterten  Cnipfangfünf 
Jahre  früher.  Man  sucht  sich  Jetzt  über  die  Verhältnisse  in  RuOland, 
mit  dem  man  sympathisierte,  gerade  so  zu  unterrichten  wie  einige  Jahre 
vorher  Ober  Spanien.  Die  Ankunft  von  Prlvatnachrichlcn  Über  den 
Brand  von  Moskau  und  den  Rückzug  Napoleons  bringt  die  Volksstimmung 
zu  offenem  freudigem  Ausdruck.  Am  28.  Dezember  1SI2  wurde  das 
berüchtigte  29.  Bulletin  in  Leipzig  bekannt  gegeben.  Vom  Jahre  1813 
erwartete  man  Unerhörtes,  wie  sich  aus  einem  Briefe  August  Mahlmanns 
(vgl.  Allg.  D.  Biogr.  20,  97  f.)  ergiebt:  »Die  13  wird  sicher  ihre  Eigen- 
schaft bewahren!" 

Leider  wurden  Sachsens  Frflhlingshoffnungcn  durch  dte  Schlacht  von 
OroAgöischen  (2.  Mai  1813)  vernichtet.  Die  preussi&che  Invasion  und  die 
nachfolgenden  Ereignisse,  die  Gefangennehmung  des  Königs,  die  Ver- 
handlungen des  Wiener  Kongresses,  die  «sächsische  Präge"  dämpften  den 
nationalen  Aufschwung  und  brachten  den  auch  heute  noch  bekannten 
sächsischen  Partikular) smus  hervor. 

Die  Arbeit  ist  unter  Lamprechts  Leitung  im  Historisdien  Seminar 
der  Universität  Leipzig  entstanden.  Sie  ist  recht  flott  geschridien,  man 
«rmOdet  beim  Lesen  keinen  Augenblick,  und  die  Spannung  wird  bis  zur 
letzten  Seite  aiifrechlerhaJten.  Auf  S.  115  hat  sich  ein  kleiner  Irrtum 
eingeschlichen:  der  Kaiser  von  Österreich  heiÜt  nicht  Franz  Joseph,  son- 
dern Franz. 

Karl  Hötscher. 


Jwan  Bloch,  Der  Ursprung  der  Sypliilis.  Eine  medizinische  und 
Ifulturgescliichtliclie  Untersuchung.  Erste  Abteilung.  Jena,  Oustav  Fischer, 
1901.    (XIV,  313  S.) 

Die  grauen  Volksltrankhdten  dürfen  neben  dem  rein  medirinisdien 
auch  ein  ganz  ausgesprochenes  ktilturgeschichthches  Interesse  beanspruchen. 
Oft  ist  allerdings  der  enge  Zusammenhang  zwischen  Krankheit  und  dem 
jeweiligen  Stande  der  Kultiir  nur  zu  wenig  gewürdigt  worden  und  gerade 
in  der  Medizingescliichte  hat  dfree  Vernachlässigung  zu  manchen  Irrtümern 
geführt.  Augenfälhger  als  heute  wohl  Irelcii  uns  die  großen  Krankheiten 
früherer  Zeilen  in  ihrer  Dgenart  entgegen  als  ein  Produkt  all  der  zahl- 
reichen Komponenten,  die  die  Kultur  des  Menschen  bilden  und  die  ebenso 
in  seinen  politischen  und  sozialen,  in  seinen  physischen  und  psychischen 
Verhältnissen,  wie  in  den  seiner  Kulturarbcir  entzogenen  atmosphärisdicn 
und  telliirischen  Bewegungen  gegeben  sind.  Kur  unter  den  vorhandenen 
kulturellen  Verhältnissen  konnten  sich  diese  grollen  Krankheiten  so  oder 
so  gestalten,  und  wie  also  Hungersnot,  Krieg,  Wohnungen,  Sittlichkeit, 
das  gesamte  gcscälschaflliche  Leben  ihren  Gang  beeinflußte,  so  war  ihre 
Wechselwirkung  auf  all  diese  Faktoren  eine  vollkommene. 

MuQ  also  die  Geschichtsforschung  der  großen  Seuchen  neben  der 
Ergründung  ihres  pathologischen  Charakters  sich  jedesmal  der  kulturellen 
Einflüsse  aufs  Deutlichste  bewußt  sein,  muß  sie  zur  KISnmg  dieser  oft 
dunkeln  Erscheinungen  das  ganze  Leben  der  Mensdiheit  und  der  sie  um- 
gebenden Natur  aufs  Innigsie  betrachten,  so  muß  sie  vor  allem  auch  mit 
jenen  psychologischen  Faktoren  sich  vertraut  machen,  die  als  notwendiger 
Ausfluß  des  Zeitgeistes  von  entsdieidctidem  Einfluß  waren  auf  die  Auf- 
fassung der  beireffenden  Krankheit,  die  Theorie  ihrer  Entstehung,  ihren 
Verlauf,  ihre  Therapie  ~  kurz  ihre  ganze  Geschichte.  Nur  so  kann  es 
der  modernen  historischen  Pathologie  gelingen,  selbst  rein  medizinische 
Rätsel  zu  lösen,  die  bisher  der  Lösung  harrten. 

Audi  die  Frage  nacli  dem  Ursprung  der  Syphilis  wartet  noch  auf 
ihre  cndgiltige  Entscheidung.  Gegenwärtig  aar  die  Ansicht  herrschend, 
daß  die  Syphilis  schon  im  Altertum  in  Europa  bekannt  gewesen  sei  und 
daß  die  große  Qeschlechlspest,  die  unerhört  grausam  am  Ende  des 
15.  Jahrhunderts  die  zivilisierte  Welt  im  Sturmlaul  durchzog,  nur  durch 
Veränderung  ihres  epidemischen  Charakters  aus  einer  lokalen  zu  einer 
konstitutionellen  Krankheit  geworden  und  als  solche  ein  Novum  sei.  Für 
diese  Ansicht  wurde  eine  große  Zahl  von  Belegstellen  aus  mcdirinisdien 
und  Laienschriftstellern  des  .\ltcrtunis  und  Mittelatlers  herangezogen,  von 
denen  viele  in  der  Tat  geeignet  eischienen,  die  Existenz  der  Allertums- 
syphiiis  wahrscheinlicli  zu  machen. 

Ein  sicherer  Beweis  erechien  aber  einer  Minderzahl  von  Forschem 
nicht  erbraclil  zu  sein :  weder  waren  die  allgemein-pathologischen  Momente 
genügend  berilcksichligt,  noch  konnte  die  kritische  Wünligimg  der  Quellen 
des  15.  und  lö.  Jahrhunderts  befriedigen.    Diese  Minderheit  vertrat  viel- 


i 


mehr  die  Ansfdit,  daß  die  Syphilis  durch  die  Mannschaft  des  Columbus 
1403  nach  Spanien  j-ebracht  und,  bfgünsligt  durch  die  politischen  Er- 
rignisse  der  Jahre  H')4/95  (Karls  Vllt.  Feldzug  in  Italien),  zu  epidemischer 
Ausbreiluiig  gelanfl  sei. 

Namentlich  bei  den  Pathologen  fand  diese  Theorie  Anklang.  Audi 
den  Krankheiten  sind  gewisse  Grenzen  ihrer  Eigenheiten  gcstccltt,  inner- 
halb deren  sie  atierdings  Veriincieningen  unlerlit^en  können.  Aber 
nirgends  haben  wir  bisher  ein  Beispiel  dafür,  daß  eine  Krankheil  aus 
einer  lokalen  eine  konstitutionelle  verden  kann.  Das  hat  tausendfältige 
Erfahrung  bewiesen. 

War  also  schon  hierin  für  die  Skepsis  der  AUertumssyphilis  g^cn- 
über  ein  berechtigter  Grund  gegeben,  so  mußte  sie  immer  wieder  von 
neuem  genährt  werden  durcli  die  zeitgenössische  Schilderung  der  Epidemie 
des  15.  Jahrhunderts.  Wie  eine  Sturmflut  brauste  die  Seuche  durch  die 
Welt,  wehrlos  fand  sie  die  von  ihr  noch  nie  berührte  jungfräuliche 
Menschheil.  Das  grauenvolle  Entsetzen  der  Laien,  die  Ratlosigkeit  der 
Arzte  galt  einer  nie  gekannten  und  geahnten,  einer  für  sie  vollständig 
neuen  Krankheit,  bei  der  sie  keinen  Anklang  fanden  in  der  antiken 
Pathologie. 

So  entstand  schon  in  den  ersten  Jahren  eine  sehr  große  Literatur, 
und  mehr  als  400  Namen  für  die  OESchlcchtspest  mußten  die  Verlegenheit, 
die  nichts  mit  den  neuen  Erscheinungen  anzufangen  wußte,  maskieren. 

Diesen  Tatsachen  gegenüber  kann  eine  rein  chronologische  Beweis- 
führung nichts  bedeuten.  Aus  den  Tatsachen  muß  die  Chronologie  erklärt 
und  aufgehellt  werden,  nicht  aus  der  Chronologie  die  Tatsachen,  und 
indem  Verfasser  diesem  Leitsalz  folgend  in  eine  sehr  gründliche  und,  wie 
es  nicht  andere  sein  kann,  detaillierende  Kritik  einfrill,  deckt  er  im  ersten 
Teil  seiner  Arbeit  die  mannigfachen  Irrtümer  und  Fälschungen  in  der 
Geschichtsschreibung  der  Syphilis  auf,  die  bisher  lür  bare  Münze  ge- 
nommen wurden,  Uud  führt  die  Zahlenangaben  auf  ihren  wahren  Wert 
zun'ick.  Die  Angäben  dts  Dfliaido,  P/trus  Martyr,  Bodmann  uTid  anderer 
Kronzeugen  für  die  Existenz  der  Syphilis  in  fiuropa  vor  14Q3  können 
von  jetzt  an  keine  Beweiskraft  mehr  haben  und  es  muß  als  feststehend 
erachtet  werden,  daß  die  Seuche  in  Spanien  14Q3,  in  Italien  HOl  zum 
ersten  Male  auftrat. 

Dieser  Nachn^eis  muIJte  unbedingt  einmal  erbracht  werden, 
um  Überhaupt  der  Frage  näherzutreten,  wo  die  Heimat  der  netten 
Krankheit  zu  suchen  ist.  Der  zweite  TeiL  des  ß/ocA'schcn  Buches  gibt 
darauf  die  Antwort.  Rückwärtsschreitend  von  dem  gut  bekundeten  Auf- 
treten der  Syphilis  in  lt.iitcn  führt  uns  der  Verl,  zu  ihren  friihesten  Spuren 
nach  Spanien.  Die  zeitgenössischen  Aufzeichnungen  des  Arztes  Dfax 
de  Isla,  des  Schriftstellers  Ovtedo,  des  Geistlichen  Las  Casas  sind  die 
Dokumente  für  den  Beweis,  daß  die  Syphilis  in  Zentralamerika  schon 
vor  CoCtinibus  heimisch  war  und  daß  sie  an  Bord  der  columbischen 


496 


Besprechungen. 


Segler  Europa  erreichlc  Die  Art  ihrer  Ausbreitung  über  den  empfäng- 
lichen Boden  der  ganzen  alten  Welt  schließt  die  Ke'te  der  Beweise  Für 
den  amerikanischen  Ursprung  der  Lustseuche, 

Wer  heutzutage  diese  Ansicht  vertrat,  tnulite  es  sich  gefallen  lassen, 
da£  ihm  Dilettantismus,  Nachbeterei  und  andere  schöne  Dinge  vor- 
getrorfen  wurden,  und  es  gehört  die  feste  Überzeugung,  einem  der 
größten  Irrtünier  in  der  Geschichte  der  Medizin  auf  der  Spur  zu  sein, 
dazu,  die  mühevollen  Untersuchungen  noch  einmal  anzustellen.  Man 
Icann  es  dem  Verf.  nicht  absprechen,  da^D  er  mit  großer  Sachkenntnis  und 
einer  unbestedilichen  Krilik  an  seine  Aufgabe  gegangen  ist  und  daß  er 
--  vie  K  zu  fordern  ist  -  neben  dem  Eingehen  auf  Details  immer  den 
Blick  auf  das  Ganze  der  Zeit  gerichtet  hat.  Die  Methodik  seiner  Forschung 
erscheint  etnwandsfrei  und  seine  Behauptungen  sind  bewiesen.  Bei  der 
Besprechung  dieses  Buches  war  es  Pfüchtdö  Referenten  Partei  zu  ergreifen. 

In  der  zvcEten  Abteilung,  die  demnächst  erscheinen  wlrd^  sqII  das 
behandelt  werdenj  was  nicht  bestanden  hat,  die  AKertumssyphilis. 

Ernst  Heinrich. 


Ktdne  Mitteilungen  und  Referate. 


Kleine  Mitteilungen  und  Referate. 


Der  „Allgemeine  Verein  für  deufeche  IJtenilur"  zu  Berlin  hat  als 
neueste  Publikation  „Kulturgeschichtliche  Sludien"  von  Christian 
Meyer  herausgegeben  (304  S.),  sich  damit  aber  schverlich  ein  Verdienst 
eiworb«).  Zur  Aufkllrung  über  den  sehr  industriell  veranlagten  Verfasser 
dieser  Studien  diene  folgendes.  Sie  sind  nicht  allein,  was  man  ja,  zumal 
sie  den  Untertitel  „gesammelte  Aufsätze"  tragen,  ohne  weiteres  als  zulässig 
erachten  muß,  bereits  einmal  in  einer  Zeilschrift  erschienen  —  was  aber 
nirgends  gesagt  ist  — ,  sondern  sämtlich  l>ereilE  wiederholt  abgedrucitt, 
ja  sie  sind  meist  einzeln  ausserdem  im  Buchhandel  cischienen.  No.  1 : 
„Die  Parias  der  alten  Gesellschaft",  ist  zuerst  (oder  gibt  es  noch  frühere 
Abdrücke?)  1S80  in  den  „Preußischen  Jahrbüchern"  48  S.  207  ff,  unter 
dem  Titel;  „Die  recht-  und  friedlosen  Leule"  trschiencn.  wörtlicli  auch 
als  käufliches  Heft  193  der  „&unm]ung  gemeinverständlicher  Vorträge', 
(Hamburg  1S94|.  No.  2:  „Zur  Geschichte  des  deutschen  Adels"  ist  zuerst, 
in  wörtlich  derseltwn  Fassung,  in  den  ,,Preussischen  Jahrbüchern"  46 
S.  Hoff-,  223ff.,  1893  sodann  tn  der  damals  von  Meyer  herausgegebenen 
„Zeitschrift  für  deutsche  Kulturgeschichte"  IH  S.  145ff.,  241  ff.,  ein  Teil 
davon  (in  den  vorliegenden  Studien  S.  8ö  Ef.)  wieder  als  einzeln  käufliches 
Heft  103  der  -Sammlung  gemeinverelandlicher  Vorträge-  (Hamburg  ] 800) 
erschienen.  No.  3:  ■Altöslcrrcichische  Kulturbildcr-  ist  wörtlich  in 
seinen  beiden  Teilen  zuerst  in  den  ,PrcuR.  Jahrbuch em"  46  S.  53  ff., 
47  S-  404  Ef.  erschicnenj  der  II.  allein  wörtlich  unter  dem  Titel  «Österreich 
und  die  deutsche  Kultur  im  vorigen  Jahrhundert*  1891  in  der  -Zeit- 
schrift für  deutsche  Kullurgeschichte'  l  S.  270fl.  und  als  Heft  250  der 
■Sammlung  gemeinverelandlicher  Vortrage-  wieder  im  Buchhandel 
(Hamburg  1896).  No.  4  (Schluss):  -Die  I;ntwtck]ung  des  moilenien 
Slädtebüi^erlums-  ist  als  einzeln  käufliches  Heft  58  der  ..Deutschen  Zelt- 
und  Streitfragen"  N.  F.  IV  eischienen,  außerdem  in  der  «Zeitschrift  für 
deutsche  Kultiu-geschichte"  1898  111  S.  1  ff.  Vielleicht  kann  man  auch  noch 
mehr  Abdrücke  dieser  »Studien«  auftreiben.  Wenn  ich  Zeil  hätte,  würde  ich 
mich  einmal  in  den  Sonntagsbeilagen  der  -Vossischen  Zeitung",  der  .Nord- 
deutschen Allgemeinen  Zeilung",  der  .Täglichen  Rundschau*,  die  der  Verl. 
alle  gem  verborgte,  umsehen.  Das  Schlimme  ist  endlich,  dass  der  Verf.  sich 
nicht  einmal  die  Mühe  genommen  hat,  die  vor  zwanzig  und  mehr  Jahren 
Archiv  Idr  KulturgnchicMc.    t,  4.  32 


498 


Kleine  Mitt«ilungtM  und  Referate. 


Reschricbcnen  Artikel  einiRennaßen  den  Rcrade  auf  diesen  Gebieten  sehr 
einschneidenden  neueren  Forschungen  anzupassen  oder  überhaupt  davon 
Notiz  zu  ndinien. 

Ein  verdienstlicher  Aufsatz  von  Hugo  XClnekUr:  .Die  Bedeutung] 
der  Phönizier  für  die  Kulturen  des  Mittelmceres",  der  in  der' 
Zeitschrift  für  Sozial  Wissenschaft  1903  Heft  6  und  7  erschienen  ist,  geht 
der  hergebrachten,  .durch  die  Brille  griechischer  Überlieferung«  sehenden 
Beurteilung  der  Pliönizier  zu  Lctbe,  in  denen  .man  die  Vertreter  des 
Orients  sah  und  deren  Bedeutung  man  nach  der  des  ganzen  Orients 
beurteilte".  Durch  eingehende  Prüfung  ihrer  geschichtlichen  VcrhäUnisse 
und  ihrer,  der  der  Araber  in  Nordafrika  vergleichbaren  Ausdehnung  slreifl 
er  ihnen  viel  von  dem  .Olanz-  abr  ader  sie  in  der  allen  Auffassung  uii:- 
stnhlte'.  Und  so  vermindert  sich  auch  sehr  die  kulturelle  Stellung  der 
Phönizier,  denen  der  Grieche  alles,  was  der  Orient  erzeugte,  zuschrieb, 
weil  sie  es  ihm  als  KaiiFleute  brachten,  W.  meint,  .daß  das  kleine 
Lätidcfaen,  dessen  ganze  Bedeutung  in  seineu  Häfen  lag.  nichte  vesent* 
lichcs  in  selbständiger  Entwicklung  der  Kultur  geleistet  haben  kinn". 
Den  Metropolen  am  Euphrat  und  Nil  gegenüt>er  waren  die  Phönizicr- 
städle  doch  nur  tcleine  Vennitller  der  KulturschStze,  nicht  deren  ErTCUger. 

In  der  .Deutschen  Monatsschrift  für  das  gesamte  Leben  der 
Oegenwart"  Jahrgang  II,  Heft  7  und  8  handelt  Fr.  Naaek  in  ansprechender 
Weise  über  „Antike  Kunst  und  Kultur  im  Lichte  der  groUen 
Ausgrabungen",  d.  h.  zunächst  Ober  die  grossen  Resultate  der 
Schlieinannschen  Ausgrabungen,  dann  eingehend  über  diejenigen  in 
Olympia  und  dessen  kuU-  und  kulturgeschichtliche  Bedeutung. 

Aus  der  Nuova  Antotogia  Fac.  759  sei  ein  Aufsatz  von  C  Barha- 
gaiio  notiert:  La  rovina  economica  della  Grecia  antica. 

lu  Heft  2  des  91.  Bandes  der  ..Historischen  Zeilschrih*  lißl 
Carl  Neumanrt  seinen  auf  der  Heidelberger  Historikervcrsararalung  ge- 
haltenen Vortrag:  .Byzantinische  Kultur  und  Renaissance- 
Kultur"  abdrucken.  Er  will  .die  Grundlagen  der  byzantinischen 
Kultur,  soweit  das  und  wie  das  in  außermechanischen  Bereichen  möglich 
ist,  analysieren-,  ihr  Wesen  mit  der  Renaissance,  der  das  starke  antikce 
Element  gleicherweise  iiuiewohnt,  kontrastieren  und  dadurch  auch  besser 
in  die  Renaissance  hineinsehen  lehren.  In  Byzani  .blieb  ein  altes 
Element,  die  römische  Überlieferung,  Herr  und  vermochte  auf  die  Dauer 
sowohl  Christentum  wie  Barbarentum  an  ihrer  frden  Entfaltung  zu 
hindern-.  Anders  in  Itahen.  .Die  Betrachtung  byzantinischer  Kultur 
und  ihrer  Unfruchtbarkeit  kann  uns  von  dem  Wahn  befreien,  als  sei  die 
Antike  das  eigentlich  zeugende  Leben  In  der  großen  iulienischen  KuUur- 
bewegung  des  ausgehenden  Mittelaltcre  gewesen.  Wir  müssen  die  Akzente 
verschieben,  die  willkürlich  von  Humanistenhändcn  gesetzt  und  verteilt 
worden  sind.    Wir  werden  daran  festhalten  müssen,  üaB  die  mitteUlter- 


Ijche  christliche  Erziehung  und  das  sogenannic  Barbarentum  die  Lebens- 
kräfte der  hetkömmlich  so  bezeichneten  Renaissance  Ktwcseti  sind,  und 
d»ß  die  Wiedererweckung  der  Aniilce  ein  förderndes  und  segensreiches 
Element  nur  so  lange  ge^i-esen  ist.  als  sich  die  Antike  in  der  Rolle  des 
Bcglcitens,  in  der  pädagogischen  Rolle  zufrieden  gegeben  hat."  Bei  dem 
neuen  geistigen  Menschen  kam  es  nicht  .aul  das  ürwecken  der  Antike" 
an.  sondern  «auf  ein  Reifwerden  niittelalteri icher  Kultur*. 

tn  der  von  imserm  Herausgeber  früher  redigirten  Zeitschrift  für  Kultur- 
gesdiichtc  Bd.  II  S.  241  ff.  gab  H.  Simonsfrld  überaus  intcressajtte  Mit- 
teilungen aus  »einem  venelianischen  Reisebericht  aber  SüddeutschEand,  die 
Ostechweiz  und  Oberitalien  aus  dem  Jahre  H92",  der  als  spätere  Abschrift 
in  einer  Handschrift  der  Markusbibliothek  überliefert  ist.  Jetzt  ver- 
öffentlicht S.  diese  Abschrift  im  italienischen  Originaltext  unter  Heran- 
ziehung und  Vergleichung  einer  später  gefundenen  andern  Handschrift 
(der  Trivulztana)  in  den  Miscellanea  della  R.  Deputazionc  Veneta  di  Storia 
Patria  Ser.  11  Vol.  IX  (llinerario  di  Germania  dell'anno  1492,  auch 
gesondert  erschienen).  Wir  machen  auf  die  bei  dem  Mangel  an  ähnlich 
detaillierten  Quellen  über  das  damalige  Deutschland  höchst  wichtige 
Publikation,  die  uns  ja  durch  jenen  früheren  Auszug  schon  näher  gebracht 
ist,  nachdrückiidi  aufmerksam. 

!n  den  .Forschungen  zur  brandenb.  u.  preuß.  Oeachichtt"  16,  1 
behandelt  P.  van  Niessen  „Städtisches  und  territoriales  Wirt- 
schaftsleben im  märkischen  Odergebiet  bis  zum  Ende  des 
M.  Jahrh.". 

Den  Überragenden  Einflull  der  französischen  Wissenschaft  im  M.-A. 
zcijft  der  Aufsatz  von  H.  Schuck,  Svenska  Pariserstudier  itnder 
medeltiden  (Kyrkohistorisk  Ärsskrift  IM  kg.)-  Der  Beginn  der  Abhand- 
lung findet  sich  schon  im  Jahrg.  1  der  Zeitschrift. 

\m  Verlage  von  C.  A.  Schwetschke  und  Sohn  in  Berlin  wird  Atm- 
x\itcy\^Walter Friedensburg nn  „Archiv  für  Reformationsgeschichtc" 
herausgeben,  das  der  Verein  für  Reformalionsgcschichte  unlerslOtzen 
wird.  Die  sich  bei  der  heutigen  übermäßigen  literarischen  Produktion 
und  insbesondere  bei  dem  Reichtum  von  Zeilschiiften  ergebenden  Be 
denken  gegen  eine  neue  SpezialZeitschrift  werden  mit  dem  Hinweis  auf 
die  Wichtigkeil  gerade  der  zu  behandelnden  Epoche  und  die  Reichhaltig- 
keit des  für  sie  noch  nicht  erschlossenen  QucIIenmalerials  zerstreut,  für 
dessen  Veröffentlichung  das  Archiv  eine  Sammelstelle  bilden  soU, 

Für  die  satirische  Stimmung  bei  Beginn  des  16.  Jahrhunderts  und 
die  damalige  überaus  derbe,  volkstümliche  Art  ist  eine  Auswahl  rech 
bezeichnend,  A\k  Josef  K'ieppv  aus  einer  Sammlung  des  Adelphus  MuHng 
in  den  .Studien  zur  vergleichenden  Literalurgescliichte"  111,2  unter  dem 
Titel:  »Sprüche  und  Anekdoten  aus  dem  elsässischen  Humanis- 

32' 


1 


f^ 


J 


soo 


Kleine. Milteitungen  und  Retcrale. 


mus*  gibt.    InsiMsondcrc   wird    das  Bild    von    dem   derben  Rcfornieif«r 
Geilers  von  Kii&erberg  durch  dieselbe  tn  vieler  Beziebung  ergänzt. 

Wonjanssens  deutscher  Geschichte  (Freiburg  i.  B.,  Herder)  liegt 
nunmehr  auch  der  6.  tiand,  der  bekanntlich  die  Fortsetzung  der  Schilderung^ 
der  „KulturTustande  seit  dem  Ausgang  des  Mittelalters  bis  zum  Beginn  des  j 
drei Higj ährigen  Krieges"  enthält  und  sich  mit  dem  Wirtschaft] ichen,  dem 
gesellschaftlich  eil  und  dem  religiös-sittlichen  Leben  beschäftigt,  in  einer] 
jieneri,  der  n.  und  14.  Auflage  vor,  die  wieder/..  A/ä/ormit  großem  Fleiß' 
besorgt  hat.  Wir  verweisen  auf  die  früher  in  der  Zeilschrift  für  Kultur- 
geschichte gegebene  Besprechung  dieses  reiches  Material  enthaltenden 
Bandes:  unsere  Ausstellungen  stnd  wenigstens  bezüglich  gewisser  AuBer- 
lichkeiten  behoben.  Indessen  bleibt  auch  hier  das  Register  7.  T-  auf 
dem  allen  fehlerhaflen  Standpunkt.  Der  Reiseschriftsleller  Samuel  Kiechel' 
wird  jetzt  im  Text  richtig  geniinnt,  im  Register  immer  noch  Sam.  Kircher; 
Quade  von  Kinkelbach  und  Lauterbeck  heiltt  es  jetzt  richtig  im  Text,  im 
Register  immer  noch  Quaden  und  Lauterbecken.  Das  Register  Ist  in- 
scheinend  überhaupt  nicht  neu  bearbeitet:  die  dort  angefCihrten  neueren 
Schriflsteiler  z.  B.  sind  nur  mit  den  schon  in  der  fdiheren  Auflage  von 
ihnen  zitierten  Stellen  aufgeführt,  so  ist  der  Hcrdusgcber  dieser  Zeitschrift, 
der  in  der  neuen  Auflage,  was  ihm  ja  nur  erwünscht  sein  kann,  sehr  häufig 
zitierl  ist,  im  Register  nur  mit  den  drei  Zitaten  der  FrtJheren  Auflage 
vertreten.  Übrigens  Kälten  wir  es  für  richtiger  gehalten,  wenn  die  Zu- 
sätze der  neuen  Aufhge  sich  nicht,  wie  meist,  auf  Einfügung  von  Zitaten 
in  die  Anmerkiinfjcn  beschränkt,  sondern  häufiger  eine  Verarbeitung  des 
Textes  selbst  herbeigeführt  hätten.  Am  meisten  hatte  sich  der  Heraus- 
geber im  Kapitel  über  das  Hexenwesen  mit  neuen  Erscheinungen  abzu- 
finden, insbesondere  mit  dem  Buch  von  Hansen,  dessen  nach  unserem 
Urleil  richtige  Onindanschauung  natnrgcmäli  nicht  anerkannt  wird. 
Daß  CS  andererseits  ganz  unzulässig  ist,  dem  Protestantismus  gar  keine 
oder  eine  geringere  Schuld  beizumessen,  gestehen  aber  auch  wir,  ebenso 
wie  wohl  fiaiisen,  ruhig  z.U. 

Von  den  »Veröffentlichungen  der  Historischen  Landes- 
Kommission  für  Steiermark»  (Graz,  Selbstverlag  der  Historisd« 
l.andes- Kommission)  liegen  wieder  eine  Reihe  von  Archivberichten  vor, 
so  als  No.  XIV:  Styriaca  und  Verwandtes  im  Landespräsidial-Archiv  und 
in  der  k.  k.  Studien-Bibliothek  zu  Salzburg  von  V.  v.  Kroncs  (über  andere 
Salzbui^cr  Archive  Hegen  schon  ältere  Reiseberichte  von  v  Zahn  voi^,  als 
No.  XVI:  Milleilunicen  aus  dem  k.  k,  Statthaltcrci-Archive  zu  Graz 
von  Anton  Kapper,  die  aber  nur  als  Anfang  anzusehen  sind  und 
mit  der  CJruppe  Acta  Misccllanea  beginnen.  Na.  XV  btelel  eine 
gründliche,  uns  hier  aber  r-ichl  n.iher  inlei-essterende  Abhandlung  von 
Felix  Zub:  Beiträge  zur  Uenealogie  und  Qesdiidite  der  steirischen 
Liechtenstelne. 


Zwr  Ocsthichl«  der  geisligen  Bewegungen  imd  Slr&mungcn  beiru- 
tragen,  ist  ein  besondere  eifrig  gepH^es  Ziel   der  von  Ludwig  Keller 
herausgegebenen     „Monatshefle     der     Comenius-OeseHschaft*. 
Wir  notieren  in  dieser  Beziehung  neuerdings  aus  Bd.  XI  Heft  11(12  einen 
Aufsatz   von  Emil  Breaning  fiber  Tlicodor    Goltüeb  v.  Hippel,  dessen 
geistige   und  kulturelle  Bedeutung   wenigstens  in  einigen  Hauptpunkten 
charakterisier!  wird,  und  Kfii<f^  Abhandlung:    Die  i^altgeseUschaftm  <Ur 
deutschen  Meistosingtr  und  die  verwandten  Sozietäten.     Letiterer  geht 
von  dem  Qedanken  aus,   daQ  die  der  römischen  Wellkirche  ablehnend 
gegenüberstehenden  Elemente  schon  früh  die  horm   genossenschaftlicher 
Vereinigung  gewählt  hätten,    um  im  Rahmen   einer  ertaubten  weltlichen 
Tätigkeit  ihre  verbotenen  Kulthandlungen  zu  bewahren.    Wie  nach  seiner 
Meinung  im  Mittelaller  insbesondere  die  Oilden  und  Zünfte  als  Rückzugs- 
linie dafür  gedient  haben,  so  soll  nun  auch  bei  den  Meistere] ngeiii  unter 
dem  Mantel   der  Pflege  der  Kunst  ein  religiöses  QemcinschaftsJeben  be- 
standen haben,  das  in  geheimnisvoller  Form  ein  fest«  System  religiöser 
Über^cugting  entwickelte  und  bewahrte.    Noch  weiler  zurück  auf  diesem 
Wege  führt  Keiien,  Abhandlung  in  Bd-  Xll,  Heft  3i4:  „Die  Anfänge  der 
Renaissance   und  die  Kultgesellschaßen   des  Humanismus   Im    13,  und 
14.  Jahrhundert",  die  einen  engen  Zusammenhang  zwischen  den  in  Italien 
seit  dem    13.  und   14.  Jahrhundert   politisch    wie  gesellschaftlich  immer 
wichiigeien  Gilden  und  H-indwcrkenränften,  in  denen  uralte  Traditionen 
des  Orients   lebten    und    neue  Beziehungen   durch  den  Handel   gepflegt 
wurden,  in  denen  weilcr  die  von  der  Kirche  bekämpften,  aus  Mitgliedern 
alter  Stände  sich  rcknitierendeTi  Brüderschaften  geheimen  Charakters  ihre 
Rücknigslinie   gefunden  haben  soElen,   mit  den  nKuHgescIlschaften*    der 
Akademien  konstruiert.  Im  w^enllichen  handelt  er  dabei  von  den  Floren- 
tiner Sozietäten  des  13.  und  14.  Jahrhunderts.    Auf  dem  Boden  dieser  Be- 
wegungen läßt  er  nun  auch  Dante  und  Petrarca  erwachsen  sein,  wodurch 
diese  Dinge  erst  größere  Bedeutung  für  die  geistige  Entwicklung  des  Abend- 
landes nach  seiner  Meinung  erhalten.    Und  die  groflen  Künstler,  die  das 
Erbe  Dantes  und  Petrarcas   fortpflanzten,    entstammten  dem  Boden    des 
Handwerks  und  fanden  in  den  Akademien  nicht  nur  ihre  gesellige,  sondern 
auch  ihre  geistige  Heimat.    -  Mit  den  von  Keller  immer  wieder  in  den 
Vordergrund   gestellten  geistigen  Genossenschaften  hangt  ferner  ein  jetzt 
aufs  neue  in  Heft  5/7  des  Xtl.  Bandes  vcröflratlichler  Aufsalz  (Gottfried 
Wilhelm  Leibniz  und  die  deutschen  Sozietäten  des  17.  Jahrhunderts}  zu- 
sammen,  der  im  übrigen  auch  der  Bedeutung    Leibnizens  in  mehrfacher 
Beziehung  genechl  ?.u  werden  suchl.    In  Heft  lj2  des  XII.  Bandes  betont 
Keiler  auch   die   noch    immer  nicht   gelösten  Probleme,   die  hinter  der 
Vehmc  stecken,  skizziert  den  Gang   der  bisherigen  Forschung  und  weist 
auf  den  Zusammenhang  der  Gerichte  mit  der  Ketzerverfolgung  hin  („Ober 
den   Gfkeimbitnd  der  Vehme  und  der  Vehmgenossen").     In   demselben 
Heft  lindel  sich  noch  ein  qucllenmäniger  Aufsatz  von  O.  Schuster  über 


j>^ 


den  1406  geboren«!!  eigenartigen  Schvänner  „Markgraf  Johann  von 
Brandenburg  und  seine  Beziehungen  zur  Alctiemie  und  zum  Humints* 
mu5".  Über  die  erstercn  ist  wenifTstens  noch  etwas  tatsÄchliches  zu  eniteren, 
über  die  letzteren,  deren  Bedeutung  äberhaupt  nicht  überschätzt  werden 
darf,  gxmichcs  sicheres.  Eine  Rolle  wird  der  auf  die  Plaesenburg 
hrrufene  Ariginus  gespielt  haben. 

Zur  Ceschichtc  des  geistigen  Lebens  tiigt  weiter  ein  Aufsatz  von 
H.  Scknbert,  Gelehrte  Bildung  in  Schweidnitz  im  15.  und 
16.  Jahrhundert"  bei  (Zcilschr.  des  Vereins  f.  Oesch.  und  Altertum 
Schlesiens  Bd.  27). 

Im  Auftrage  der  CcsellschaN  für  Thcatei^eschichte  beabsichtigt 
Hans  Devrient  in  Weimar  ein  „Archiv  für  Thcalcrgeschichte" 
herauszugeben.  In  der  Tal  Ist  auf  diesem  Oebiet  noch  viel  zu  tun,  und 
eine  Zentratslelle  für  die  notwendige  Sammelarbelt  wird  sich  bald  ein- 
bürgern. Der  Herausgeber  1^  auch  Wert  darauf,  das  Interesse  der 
Historiker  für  srin  Gebiet  zu  enrecken.  Insbesondere  möchten  auch  die 
Archivare  den  Theaterakten  größere  Aufmerksamkeit  schenken.  Rat&- 
Protokolle  und  dergl.  sind  oft  dafür  vertvoll.  Natürlich  soll  ,^lles  fem 
bleiben,  vas  nicht  mit  d«T  Geschichte  de  Theaters,  sondern:  mit  der 
Geschichte  des  Dramas  zu  tun  hat". 

Im  Globus  Bd.  84,  Heft  1  behandelt  R.  MieUie  „Die  Ausbreitung 
des  sächsischen  Bauernhauses  in  der  Mark  Brandenburg." 

Beachtenswerte  allgemeine  Bemerkungen  über  Bauemkullur  und 
Bauemkunst  enthalten  die  Ausführungen  O.  Ltuiffen  Über  „Die 
Bauernstuben  des  Germanischen  Museums"  (Anzeiger  des 
germanischen  National mtiscu ms  1903,  Heftl),  denen  zunächst  einleitende 
Bemerkungen  über  die  Entwicklung  der  bisherigen  IJauemhausfofKliung 
!^o»■ie  Über  das  deutsche  Bauernhaus  und  seine  Einrichtung  voraus- 
geschickt werden. 

Das  wachsende  Inlerese  für  die  Geschichte  aller  Ixbensgebietc  zeigt 
die  Existenz  einer  eigenen  Zeitschrift  für  die  Geschichte  der  Landwirt- 
schaft, der  „Landwirtschaftlich-historischen  Bl älter",  die 
M.  QünU  jetsl  im  2.  Jahrgang  hcrau^ibt  Aus  den  uns  vorliegenden 
Nummern  heben  vir  die  Aufsatrreihe  des  Herausgebers:  „Der  landwirt- 
schaftliche Betrieb  in  Deutschland  im  17.  Jahrhundert"  hervor. 

In  dem  „Korrespondcnzblalt  des  Ocsamtvcreins  der  deutschen  Ge- 
schieh tsvcreine"  wende!  sich  td.  Anthes  in  einem  Aufsatz  „Zum  Kapitel  vod 
den  römischen  Heizungen"  gegen  das  1901  erschienene  Buch  des 
Technikers  O.  Krell,  AltrOmlsche  Heizungen,  und  sucht  nachzuweisen, 
ilaD  dieser  zu  seiner  Arbeit  nicht  genügend  gerüstet  war  und  es  ihm 
,.iu  keinem  Punkt  gelungen  ist.   die   iiberiieferte,  gleicherweise  auf  die 


Kldne  Mitteilungen  und  Referate.  503 

Berichte  der  antiken  Schriftsteller  wie  auf  die  Fundberichte  geendete 
Ansicht  von  dem  Wesen  der  Hypokausis  zu  erscbüttem,  geschwdge 
denn  durch  die  sdnige  zu  beseitieen". 

Aus  dem  Qiomale  degli  Economisti  (Qennaio  1903)  notieren  vir 
den  Beitrag  von  R.  Soidi:  L'industria  della  lana  in  Firenze  dal 
secolo  XIV  al  secolo  XVI. 

Der  um  die  Geschichte  der  Handelsschulen  eifrig  bemühte  B.  Zi^tr 
veröffentlicht  neuerdings  dnen  Aubatz  Ober  ,^as  Muster-Kontor  als 
Unterrichtsprinzip  im  18.  Jahrhundert"  (Verbandsblätter.  Kaufmännische 
Reform  19.  Jahrg.,  No.  16, 17).  Er  ei;ganzt  den  früher  in  der  „Zeitschrift 
für  Buchhaltung"  XI,  No.  5  erschienenen  Aufeatz  dessdben  Verfassers: 
„Das  Muster-Kontor  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts." 

Q.  Henning  behandelt  in  den  „Deutschoi  geogiapfa.  Blättern"  "26, 1 
„den  Handel  an  der  Ouineaküste  im  17.  Jahrhundert". 


9M 


Bibliographisches. 


Bibliographisches. 


L.  Zitier,  Das  Wesen  der  Kultur.  Lpz.  (VI,  192  S.).  —  /?.  Qarbe. 
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deutsche  Mystik  während  d,  13.  jh.  (KulturzusSinde  d.  d.  Volkes  während 
d.  13.  Jh.  III].  1-3,  Aufl.  Freiburg  £.  Br.  (XXXI,  473  S.).  -J.Janssen, 
Oesch.  d.  deiilsdi.  Volkes  seit  d,  Ausg.  d.  Mittelaltere.  VIII:  Kultur- 
zustände  IV:  VolksvJrtsch. ,  gesellscliaftlidie  u,  n^ligtös-sittL  Zu&tänd^^ 
Mcxenwcscn  u.  Hcxcnverfolgung  bis  z.  B^titn  d.  SO-j.  Kri^es.  Ei^nzt: 
u.  hrsg.  V.  L  Pastor  13.  u.  14.  AuR.  Freibutg  (LVI,  778  S.>.  — 
P.  Simson,  Gesch.  d.  Stadt  Danzig  (Gedanensia  8.  Bdchen).  Danzig  (V, 
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^A 


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An  essay  of  Ihe  developmrnt  ol  libraries  and  their  filtings,  froni  the 
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54T3  DnitKhe  Bnch-  ttnd  Knnstdnickerd,  O.  m.  b.  H.,  Zossen-Beriln  SW.U. 


Soebfo  xnä  In  (Im-  H«r4*r*«h«ii  V«rtBg«h>ndli)ns  tu  PrallHirf  I   Br. 
tclitrnrn  und  dutch  >1Jc  KiidilMnilliii^iKti  ru  bc^irlira. 

Dr.  CraH    Michael    *=;,  J. : 

Geschichte  des  deutschen  Volkes  "^'"  •'^"*"»"- 

^uiTi  Aii»KJii){  du  Milldilld«.     y/.  ^ 


Jalirhnnitm    bjt 


/Urtriri    Bind:    ItouUeti»  WIiMMebaTI   «n>t  il«utiiah>  Mjktlk  oSltrnNJ  4m 
dnlMkot«!  J ihitoBitotti.    Crsl«  bl^  dnti«  AufUice.    iX>:X1l  und 
«7-«i  M    MO;  K*.   in  Orl>>-lrtnwuHlbanri  mir  t  nUnndiri)  M    S.«i 
Frfilitr  tlnd  tnditcnrri; 
I:r«I«[  Band:  DeaUchlaafta   nIrUelisniInkv,  ■M*ll«olMnilfli»  ud  rt>«M> 
Uch*  KÜtäarie   nikread   dnt   dri-Iai^lint*D  Jalirhnn4i>H*.     Utitt«,  imi- 
verändertt  Auflauf.    '^"^  "■   *8i  M.  i.      ;  gtb.  M.  t.tO. 
Zvrltrr    nand      IUIlKiA*>iilttürh»    KaiUado,    KrKlohUBf    uut    riit«nifhl 
irUrnd  4«a   <lr)>l(rhat«n  Jahrkiuiilcrtii.    &r>lr  bt*  drille  Autlact. 
(XXXll  u.  410)  M.  e.     ;  ei*.  M.  6.- 
Dm  Vcrk  M>1J    in   6   Itii  T  lUndrn    tmi  )c  300  hi*  SOO  SHIen  itn  Furtnat  und 
mit  4tt  AüHUltune  von  }nn^mu  (IcvlncHlf  dr*  d'^iivhcn  Vollm  fTtrhcmpn. 


Johftnnes  Janssen: 


Geschichte  des  deutschen  Volkes  5SÄ*"'^.'?1? 

^  Aditci  HtrtiJ:   TvIhtnIrlKrkanilrhv,  Ki-trllKrhsfllkb*  ■■■t  rrllglün^dllllflif 

^^  Xnallnde.      llcxtBi>tii«a     and     Mfx<«T*rroltiiK     bl*    (■>■>    HmIiib    Jpi 

PnJtaUibrlflun  Krl*f:>f.  Elnflmtl  und  li«rtii«i!rG*tK-n  rom  Ludwig  Pulor. 

Drclichiit«    uad    vict  cthnlc.    vIcITtch    vritin^crlc    und   rci- 

mrhr^c  Audd^t     il.VI    n.  77B)  M  'SM;    geb.    in  Lfinwtnd    M.  10.     , 

m  HatlrfrsiK  M.  lO.oO. 

Von   dnn   linvurineriidrti  nnchirhltwrrli   li^Kcn  bi*    (flil  S  cinfcln  Utin)c^<c 

Binde  vot. 


BrlSuterunj^en    und    Ergänzungen  zu  Janssens  Ge- 
schichte des  deutschen  Volkes.     ',1;^';;='"^;^^"" '"*'*" 

111    nind.    S    Heft:    Karnaloi   In    dro    fnUahnD    lOM-IMT.     Von    Dt. 
Hainrlch  Schrobe.    (XXtl  d.  131)  M.  JjA 

Miertnit  iit  der  III.  Band  voltsttndic    fUV  a.  »34)  M.  9JB0:  tck  In  Orlg.- 
Lcin«indbiiid  II. }& 

fMUii  tldt  und  |Ml*r  Rand  drr  .Crlliitnnnceii'  itt  rinirin  Uvilidi 


Die  Verschuldung;  des  Hochstifts  Konstanz 
im  14.  u.  15.  Jahrhundert.  ^'.".V^^'^fSTÄÄi^ri;^ 

■itwItH  i«n  nr   Prani  Keller,     z'-  B*     \yili  a    104)  M.  3.- 


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