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6/o.S
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ARCHIV
FÜR
WISSENSCHAFTLICHE UND PRACTISCHE
THIERHEILKUNDE.
HERAUSGEGEBEN
VON
Dr. F. ROLOFF,
GEHEIMER MEDIZINALRATH UND PROFE8SOR,
DIUKCTOR DER KÖN1GL. TUIERARZNEISCIIULE ZU BERLIN.
R E D I G I R T
VON
proe. c. f. Müller und Prof. dr. j. w. schütz,
LEHRER DER KÖNIGL. THIERARZNEISCHULE ZU BERUN.
Siebenter Band.
Mit 3 lithographirten Tafeln und 1 Holzschnitt.
BERLIN, 1881 .
Verlag von August Hirschwald.
NW. Uuter den Linden 6$.
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Inhalt des siebenten Bandes.
Erstes und zweites Heft.
Seite
I. RalofT, Bericht über die Königl. Thicrarzneischule zu Berlin (1879 80) 1
II. Ellenberger, Zur Anatomie und Physiologie des dritten Magens der
Wiederkäuer. (Hierzu Tafel I.). 17
III. Feser, Zur Dosirung des Strychninnitrats bei subcutaner und interner
Anwendung (Fortsetzung). 59
IV. Pütx, Ueber Wesen und Behandlung des sogen. Uufkrcbses. 79
V. Munk, Ueber den Einfluss der Fütterung auf die Milchbildung bei Ziegen 91
VI. Braun, Nochmals der Galop.107
Referate und Kritiken.
Willems, Nouvelles r^cherches sur la pleuropneumonic exsudative
de l’espece bovine, et sur Pinoculation de cette maladic (Lei¬
st ikow). 113
Brown, Report on Texas fever (Pauli).121
Möller, Die Hufkrankheiten des Pferdes, ihre Erkennung, Hei¬
lung und Verhütung (Siedamgrozky).125
Kleinere Mittheilungen.133
Amtliche Erlasse.150
Personal-Notizen.163
Orittes Heft.
VII. BofTmelster, Ueber Celluloseverdauung. 169
VIII. Möller, Ueber die Pilze der normalen Kuhmilch. (Hierzu Taf. II. Fig. 1—6) 198
IX. Jansou, Ueber zwei Fälle von Enchondrom. (Hierzu Taf. II. Fig. 7) . 207
X. Pauli, Panzerartiges Sarcoma medulläre von dem Psalter eines Rindes.
(Hierzu Taf. II. Fig. 8 u. 9) .214
XI. Miller, Ueber das Wesen des Hufkrebses. Einige Bemerkungen zur
Referate und Kritiken. (
Erwiderung des Herrn Prof. Pütz.221
Zur Frage der Immunität und Prädi9position der Thiere für Milz¬
brand (Pauli).233
Wilkens, Grundzüge der Naturgeschichte der Hausthiere (Egge¬
ling) .240
411087
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IV
Inhalt des siebenten Bandes.
Seit«
Kleinerejdittheilungen.243
Personal-Notizen.*■.260
Viertes und fünftes Heft.
XII. Ellenberger und Hoffmeister, Ueber die Verdauungssäfte und die Ver¬
dauung des Pferdes.265
XITI. Ellenberger, Folgen derbeiderseitigen FacialisdurchschncidungbeimPferde 311
XIV. Seiiuuer, DicWundinfectionskrankheitcn, deren Verhütung und Behandlung 321
XV. Grebe, Ueber einen Fall von Knochenrotz.336
Referate und Kritiken.
Fes er, Die Buchner’schen Forschungen über die Milzbrandätiologie 342
M u n k, Physiologie des Menschen und der Säugethierc (E11 e n b e r g e r) 371
Beyer, Reichsgesetze und Preussische Landesgesetze über Abwehr
und Unterdrückung von Viehseuchen nebst den zur Ausführung
derselben ergangenen Vorschriften (Müller).378
Kleinere Mittheilungen.380
Amtliche Erlasse. 393
Personal-Notizen.401
Sechstes Heft.
XVI. Roloff, Die Zwangsimpfung bei der Unterdrückung der Lungenseuche 409
XVII. Ellenberger und Hoffmeister, Ueber die Verdauungssäfte und die Ver¬
dauung des Pferdes. (Hierzu Taf. III, Fig. 1—6).333
Referate und Kritiken.
Taubner, Die Anästhetica (Tereg).457
Peters, Die Fissuren des Fcsselbeins vom Pferde (Möller) . . 462
Annual Report of the Veterinary Department of the Privy Council
for the year 1880 (Müller).463
Kleinere Mittheiiungen.470
Amtliche Erlasse.494
Personal-Notizen.495
Literatur.501
Digitized by t^ooole
I.
Bericht über die Königl. Thierarzneischule zu Berlin
(1879 80).
Von
F. R o 1 o f f.
An dem Unterriebt in der Thierarzneischule nahmen Theil:
im Sommer-Semester 1879: 152 Eleven, 4 Hospitanten;
im Winter-Semester 1879/80: 174 Eleven, 20 Hospitanten.
Der thierärztlichen Fachprüfung unterwarfen sich Michaelis 1879:
30 Candidaten. Von denselben bestanden 20 die Prüfung vollständig;
7 erhielten im ersten (klinischen), 1 im zweiten (anatomischen) Prü¬
fungsabschnitt und 2 in der Schlussprüfung die Censur „ungenügend“.
Von den Candidaten, welche die Prüfung nicht bestanden hatten, voll¬
endeten 7 dieselbe Ostern 1880.
Berieht über die Anatomie.
Von Prof. Müller.
Während des Winter-Semesters 1879/80 nahmen an den Prä-
parirübungen in der Anatomie Theil:
in dem Quartal October-Deceraber 1879: 28 Civil-Eleven und
36 Militär-Eleven, zusammen 64 Studirende:
in dem Quartal Januar-März 1880: 45 Civil-Eleven und 78
Militär-Eleven, zusammen 123 Studirende.
Im Ganzen sind 46 Pferde angekauft und zunächst zu den Ope-
rations-, sodann für die anatomischen Uebungen verwendet worden.
Leider stösst die Beschaffung solcher Pferde mit jedem folgenden
Jahre auf grössere Schwierigkeiten; namentlich in der zweiten Hälfte
des Winter-Semesters sind derartige Pferde schwer und nur zu erheb¬
lich höheren Preisen anzukaufen. Eine zweckentsprechende Beschäf-
l
Archiv f. . ijMnsch. u. prakt. Thierheilk. VII. 1 u. 2.
Digitized by C^ooQle
2
ROLOFF,
tigung der zahlreichen Studirenden war demgemäss nur dadurch zu
ermöglichen, dass vielfach Theile von Cadavern der in den Anstalts¬
kliniken gefallenen Pferde und getödteten Hunde benutzt wurden und
dass die Berliner Abdeckerei sich bereit zeigte, ganze Cadaver und
einzelne Cadavertheile für den anatomischen Unterricht zu liefern.
Von der Abdeckerei erhielt die Anatomie im Winter-Semester
1879/80: 24 Köpfe von Pferden; 2 Köpfe, 4 Vorderschenkel und 2
Hinterschenkel von Rindern; die Cadaver von 2 Kühen, 5 Kälbern,
12 Schafen und 8 Schweinen. Hierdurch wurde es möglich, dass in
der Vorlesung über Anatomie fast durchweg frische Präparate von
Wiederkäuern und Schweinen demonstrirt werden konnten.
Von den Cadavern der in der Anstaltsklinik gefallenen Pferde
wurden verwendet: 12 Köpfe, 20 Vorderschenkel, 10 Gehirne und die
Geschlechtstheile von 2 Hengsten. Der Rumpf und die Hinterschenkel
solcher Cadaver dürfen nach einem Abkommen mit der Abdeckerei
für die Präparirübungen nicht benutzt werden, und die Eingeweide
werden für die Verwendung zu demselben Zweck durch die Section
in der Regel vollständig untauglich gemacht.
Bei eintretendem Mangel an Präparaten sind zahlreiche Hunde
— namentlich zu Muskelpräparaten — verwendet worden.
Tabellarische Zusammenstellung der in den Kliniken ?nm 1. April 1879 bis mm
31. Mär* 1889 behandelten nnd untersuchten Thiere.
I. Klinik für grosse Hausthiere.
Von Prof. Dieckerhoff.
A. Spitalklinik.
1. Zur Behandlung eingestellt.
Namen der Krankheiten.
Zahl
der
Pferde.
geheilt
A u
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o
Oi
8
rQ
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ho
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'55
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ho
fl
fl
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Hfl
<D
ho
gestorben
I. Contagiöse, infectiöse und
parasitäre Krankheiten.
Rotz.
13
11
2
Influenza.
153
102
15
4
—
32
Latus
166
102
15
4
11
34
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Bericht über die Kgl. Thier&rzneisohule.
3
Namen der Krankheiten.
Zahl
der
Pferde.
geheilt
gebessert >
p
s g ä E
’©
A
ca
bo
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0
i g e
2
TJ
2
S>
gestorben
Transport
166
102
15
4
11
34
Faulfieber.
5
4
—
—
—
1
Acute Kreuzlähmung...
4
2
—
—
1
1
Räude .
8
4
3
1
—
—
Flechte .
9
6
2
1
—
—
Läuse .
II. Organkrankheiten.
Krankhtn. d. Gehirns, Rücken¬
marks und der Nerven.
2
2
Hydrocephalus acutus.
27
15
6
—
1
5
Hydrocephalus chronic.
13
—
4
8
—
—
Gehimcongestion.
8
6
2
—
—
—
Epilepsie.
6
2
—
4
—
—
Tetanus.
30
4
3
2
1
1
Lähmung des N. facialis
2
—
—
1
1
1
Lähmung des N. cruralis
Krankheiten des Kopfes und
Halses.
Krankheiten der Respira¬
tionsschleimhaut.
1
1
Nasencatarrh.
Druse (Strengei, Kropf,
9
7
2
—
—
—
Angina).
Krankheiten der Maul- und
Rachenschleimhaut
59
48
8
3
Aphthen .
4
3
1
—
—
—
Myxome.
Krankheiten d. Kehlkopfes.
Kehlkopfspfeifen (Tra¬
1
1
cheotomie) .
Krankheiten des Schlund¬
kopfes und des Schlundes.
4
4
Pharyngitis.
4
3
1
—
—
—
Fremdkörp. im Schlunde
Krankheiten der Zähne.
2
2
—
Zahnfisteln.
Sonstige Zahnfehler (Ca-
ries, unregelmäss. Ge¬
biss etc.).
Krankheiten des Ober- und
Unterkiefers.
Fissur der Zwischen¬
4
3
1
75
65
10
kieferbeine .
1
1
—
—
—
—
Fractur des Unterkiefers
Krankheiten des Auges.
2
1
1
—
—
—
Conjunctivitis.
2
2
—
—
—
—
Latus
448
287
59
25
V
15
62
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4
ROLOFF,
Namen der Krankheiten.
Zahl
der
Pferde.
geheilt
gebessert ^
0
CO
ungeheilt c ^ j
i g e
$
:o
<v
hß
gestorben
Transport
448
287
59
25
15
62
Keratitis traumatica....
11
7
4
—
—
—
Grauer Staar.
1
—
—
1
—
—
Periodische Augenent-
zündung.
1
1
—
—
—
—
Krankheiten des Ohres.
Warzen am Ohr.
1
1
—
—
—
—
Wunden.
23
18
3
2
—
—
Krankheiten der Brust.
Krankheiten der Bronchien,
Lungen, der Pleura.
Bronchitis.
22
15
5
2
—
—
Lungenemphysem.
5
1
—
4
—
—
Pleuritis .
11
7
3
1
—
—
Catarrhal. Pneumonie .
45
28
2
—
3
12
Angeborene Dislocation'
der Luftröhre.
1
—
—
1
—
—
Melanosarcome.
2
—
—
2
—
—
Krankheiten des Herzens
und der Gefässe.
Varix (Thrombose in der
Schenkelvene).
1
—
—
—
—
1
Krankheiten der Verdauungs¬
organe.
Gastricismus.
152
140
10
1
—
1
Kolik.
226
170
10
1
1
44
Enteritis.
5
2
1
—
—
2
Krankheiten der Harn- und
Geschlechtsorgane.
1
Nephropyelitis.
1
—
—
—
—
Hämaturie.
2
1
1
—
—
—
Dysurie.
2
1
1
—
—
—
Blasensteine .
2
—
1
—
—
1
Metritis .
3
2
1
—
—
—
Vaginitis.
2
1
1
—
—
—
Abortus.
2
2
—
—
—
—
Nymphomanie.
1
—
1
—
—
—
Diabetes insipidus.
2
—
1
1
—
—
Samenstrangfistel.
7
5
—
—
1
1
Phimosis.
2
2
—
—
—
—
Paraphimosis .
1
1
—
—
—
—
Warzen am Schlauch .
2
2
—
—
—
—
Carcinom am Schlauch
2
1
1
—
—
—
Abscess am Schlauch .
1
1
—
—
—
—
Castrationen.
29
28
. —
—
—
1
Latus
1016
724
105
42
20
125
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Bericht über die Kgl. Thierarzneischule.
5
Namen der Krankheiten.
Zahl
der
Pferde.
geheilt
gebessert >
0
s g ä i
-*-3
*55
p
bC
0
0
i g e
-M
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o
bC
gestorben
Transport
1016
724
105
42
20
125
Krankheiten des Rumpfes und
des Beckens.
Hautentzündung.......
4
4
Wunden.
25
18
6
—
—
1
Abscesse.
4
4
—
—
—
—
Extravasate.
5
4
1
—
—
—
Schulterlahmheit.
l
—
—
1
—
—
Brustbeule .
21
13
6
1
—
1
Contusion der Hüfte...
6
5
1
—
—
—
Druckschäden an der
Brust.
3
2
1
_
_
_
Druckschäden am Wi¬
derrist ..
12
7
2
1
1
1
Brustbeinfistel.
6
2
1
3
—
—
Widerristfistel.
3
1
1
1
—
—
Beckenbrüche respect.
Brüche des Darm¬
beines ..
16
3
4
8
1
Nabelbruch.
1
1
—
—
—
—
Tumoren am Bauch ...
1
—
1
—
—
—
Krankheiten der Vorder- und
Hinterextremitäten.
Krankheiten der Haut und
des Unterhautzellgewebes
Wunden.
83
66
15
2
Hautentzündung.
29
20
5
4
—
—
Eczem .
6
4
2
—
—
—
Mauke .
35
25
7
3
—
—
Stollbeulen.
9
6
3
—
—
—
Oedem.
4
4
—
—
—
—
Blütextravasat.
7
6
1
—
—
—
Phlegmone.
69
46
20
3
—
—
Elephantiasis .
2
1
—
1
i —
—
Abscess.
2
2
—
—
—
Fibrome.
12
11
1
—
—
Krankheiten der Muscula-
tur, der Sehnen und Seh¬
nenscheiden.
Entzündung der Mus¬
keln, Sehnen u. Sehnen¬
scheiden einschliess¬
lich der Gallen .
120
74
34
12
Zerreissung des Schien¬
beinbeugers .
4
1
1
2
_
—
Durch schneidung der
Achillessehne.
1
—
—
1
( —
—
Latus
1507
1054
218
85
21
129
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6
ROLOFF.
Namen der Krankheiten.
Zahl
der
Pferde.
geheilt
gebessert ^
0
CO
ungeheilt ^
n g e
-M
S
T3
'S
<D
bO
gestorben
Transport
1507
1054
218
85
21
129
Krankheiten des Periosts
und der Knochen.
Fractur des Hufbeines
1
1
Periostitis u. Exostosen
18
13
5
_
_
_
Bruch des Femur.
1
—
—
—
1
Krankheiten der Gelenke.
Periarthritis.
16
12
2
2
Arthritis .
45
22
14
6
3
Distorsion (Fesselge¬
lenk) .
7
4
2
1
Spatlähmheit .
118
66
45
7
_
—
Rohbein.
4
2
i
1
_
_
Schale.
27
14
11
2
—
—
Krankheiten des Hufes.
Hufentzündung (chro¬
nische , Quetschung,
Wunden etc.).
136
95
36
5
Ghron. Hufgelenkslahm¬
heit.
13
8
3
2
Steingallen.
168
117
40
11
—
—
Hufknorpelfistel.
43
22
15
6
—
—
Hufknorpelentzündung.
2
2
—
—
—
—
Ehehe .
36
23
10
2
_
1
Kronentritt .
27
20
6
1
_
_
Vernagelung .
18
14
3
_
1
Nageltritt.
10
6
3
1
—
—
Hohle Wand .
8
4
3
1
_
Strahlfäule .
3
3
_
_
Strahlkrebs.
6
3
2
1
_
_
Hornspalte .
22
12
8
2
—
—
Zwanghuf.
10
5
2
3
_
_
Knollhuf.
1
_
1
_
—
_
Ossification des Huf bein-
knorpels .
2
1
1
Necrose d. Fleischwand
2
—
2
—
—
—
Krankheiten der Schweifrübe.
Caries .
1
1
Hypertrophie des Nie¬
derziehers d. Schweifes
1
1
Wunden.
1
1
_
_
_
_
Melanosarcome.
3
2
1
—
—■
—
Summa
2257
1527
435
139
21
135
I
Digitized by Google
Bericht über die Kgl. Thierarzneischale.
7
Operationen.
Ausser den kleinen Operationen, als Abscesseröffnen, subcutane Injectionen,
Wundheften etc., wurden folgende Operationen ausgeführt:
Zahl
Zahl
Namen
der
Namen
der
der Operationen.
Operatio-
der Operationen.
Operatio-
nen.
nen.
Applicationen des Glüheisens
i
Transport
200
bei Lahmheiten von:
Brustbeule.
15
Spat.
20
Extravasate .
9
Schale...
17
Caries der Schweifrübe .
1
Sehnenentzündung.
39
Hornspalte (Niete gelegt)
8
chron. Gelenkentzündung
Gallen.
6
Zähne ausgezogen.......
49
5
Myotomie.
1
Periostitis .
5
Tenotomie.
6
Exostosen.
3
Neurotomie .
28
Sonstige Operationen.
Spat .
Brustbeinfistel ..
Widerristfistel.
Samenstrangfistel.
Knorpelfistel .
Phimosis.
Geburtshülfe bei einer
84
3
6
6
3
1
1
Tracheotomie.
Exstirpation von Tumoren.
Warzen...
Fibrome.
Stollbeule.
Carcinome.
Melanosarcome .
Castrationen .
4
6
7
6
2
2
29
Stute.
1
Summa
372
mmm
Latus
200
2. Zur Untersuchung auf Gewährsfehler eingestellt.
Namen
der Mängel.
Zahl
der
Pferde.
Namen
der Mängel.
Zahl
der
Pferde.
Transport
285
Behaftet waren mit:
Lahmheit.
8
Dummkoller.
120
Beisssucht.
2
Dämpfigkeit.
40
fehlerhaftem Gebiss.
3
Stätigkeit.
24
Thrombose i. d. Art. crur.
2
Spat.
5
Cryptorchismus.
1
Kehlkopfspfeifen.
82
chron. Lungenleiden_
2
Hornspalten.
1
Lungenbluten .
1
grauem Staar .
3
Hypertrophia cordis.
1
innerer Augenentzündg..
1
Arthritis deformans.
1
Keratitis.
1
Krippensetzen .
7
cbron. Huflahmheit.
2
Rotz .
3
Strahlkrebs .
4
Beckenbruch.
1
Schale.
1
Nicht behaftet mit gesetzt.
Periarthritis..
1
Fehlem wurden befunden .
253
Latus
285
Summa
570
Digitized by ^.ooQle
8
ROLOFF,
Zusammenstellung.
Krankheitsfälle. 2257
Auf Gewährsfehler untersuchte Pferde. 570
Totalsumme 2827
B. Poliklinik.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
I. Contagiöse, infec-
Transport
426
tiöse und parasitäre
Pharyngitis ..
3
Krankheiten.
Fractur d.Unterkiefers
2
Influenza .
30
Z^hnfisteln, Zahnca-
Faulfieber...
1
ries u. sonstige Zahn-
Entozoen .
5
fehler (unregelmässi-
Räude.
10
ges Gebiss, lose
Läuse .
5
Zähne etc.) .
Quetschungen u. Blut-
823
II. Organ kran kheiten.
extravasate am Kopfe
2
Krankheiten des Gehirns,
Krankh. Geschwülste
3
Rückenmarks und der
Conjunctivitis .
86
Nerven.
Keratitis.
18
Gehirncongestion.
4
Grauer Staar.
6
Hydrocephalus acutus
5
Schwarzer Staar .
2
Hydrocephalus ehren.
20
Period. Augenentzdg.
7
Epilepsie .
13
Parotitis.
2
Vertigo.
8
Ohrfistel.
1
Tetanus .
11
Wunden.
52
Kreuzlähme .
2
Abscesse.
61
Lähmung d.N. radialis
2
Genickfisteln .
5
n des N. facialis .
12
Krankheiten der Brust¬
„ d. N. ischiadicus
Krankheiten der Haut.
1
organe.
Bronchitis, Lungen¬
Prurigo.
7
emphysem u. Pneu¬
144
Flechte.
29
monie .
Urticaria.
Krankheiten des Kopfes
und Halses.
Krankheiten der Respi¬
6
Herzfehler .
Krankhtn. d. Verdauungs¬
organe.
Gastricismus, Ente¬
4
rationsorgane.
Nasencatarrh u. Druse
(Strengei, Kropf, An¬
ritis und Kolik.
Krankheiten der Ham- u.
Geschlechtsorgane.
870
gina) .
187
Metritis .
2
Kehlkopfspfeifen.
1
Polyurie.
14
Rachencatarrh.
47
Dvsurie.
8
Glossitis traumatica .
5
Hämaturie .
2
Zungenruptur resp
Vaginitis .
2
Aphthen.
15
Samenstrangfistel ....
8
Latus
426
Latus
2553
Digitized by Google
Bericht über die Kgl. Thierarzneischale.
9
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Transport
2553
Paraphimosis.
2
Fibrome am Schlauch
6
Carcinome .
3
Nymphomanie.
1
Phlegmone a.Schlauch
5
Krankheiten des Rumpfes
und Beckens.
Hautbluten .
2
Wunden.
133
Oedem vor der Brust
10
Abscesse vor der Brust
6
Tumor an der Schulter
4
Brustbeule.
24
Brustbeinfistel..
4
Druckschäden.
82
Widerristfistel.
6
Beckenbruch .
4
Leistenbruch.
2
Contusion der Hüfte
28
Krankh. Geschwülste
5
Krankheiten der vorderen
u. hinteren Extremitäten
Phlegmone.
170
Elephantiasis.
15
Wunden.
175
Hautentzündung.
110
Mauke .
45
Stollbeule .
10
Oedem .
15
Blutextravasate.
18
Abscesse .
72
Entzündung der Mus¬
keln , Sehnen und
Sehnenscheiden incl.
Gallen.
317
Kurbe.
5
Piephackc.
5
Periostitis.
45
Fracturen.
5
Exostosen.
34
Periarthritis.
45
Arthritis.
55
Distorsion d. Kronen¬
gelenks .
10
Distorsion des Fessel¬
gelenks .
82
Schulterlahmheit.
8
Latus
4121
Transport
Schale.
Spatlahmheit.
Tumor albus.
Subluxation.
Krankh. Geschwülste
Warzen.
Krankheiten des Hufes.
Hufentzündgn. (Quet¬
schungen der Huf¬
lederhaut .
Chron. Hufgelenks¬
lahmheit..
Steingallen.
Hufknorpelfistel .
Rhehe .
Necrose d.Fleischwand
Kronentritt.
Vernagelung .
Nageltrittt.
Strahlkrebs .
Strahlfäule.
Hornspalten.
Lose Wand .
Zwanghuf.
Knollhuf.
Verknöcherung d.Huf-
beinknorpels .
Krankheiten des Schweifes.
Melanosen .
III. Sonstige Fälle.
Tracheotomie gemacht
Zur Untersuchung auf Män¬
gel wurden vorgeführt:
Zur allg Untersuchung
Zur Untersuchung auf
Dämpfigkeit.
Dummkoller.
Spatlahmheit.
Trächtigkeit.
Augenfehler.
Alter.
Stätigkeit.
Kehlkopfspfeifen.
Rotzverdächtigkeit ...
4121
38
166
3
5
6
6
696
28
305
18
37
6
54
38
12
9
6
66
7
5
8
3
5
4
159
16
12
1
12
2
11
1
9
9
Summa 5884
Digitized by Google
10
ROLOFF,
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Castrirt wurden:
Ziegen (männliche).
Schaf (männliches).
Schweine (männliche).
2
1
Transport
Behandelt wurden Ziegen an:
Gastricismus .
Epilepsie .
18
4
2
15
Gebärmuttervorfall.
2
Latus
18
Summa
26
5884
Totalsumme
5910
II. Klinik für kleine Hausthiere.
Von Dr. Möller.
A. Spitalklinik.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Krankheiten d. äusseren Haut.
Transport
322
Sarcoptes.
24
Panophthalmitis.
1
Acarus folliculorum.
6
Exophthalmus.
2
Eczem.
78
Blepharitis traumatica...
1
Heipes .
4
Cataracta.
1
Ungeziefer.
1
Parotitis u. Periparotitis
1
Krankheiten der Bewegungs-
Otitis externa ..
37
Organe.
Ulceration d. Ohrknorpels
9
Knochenbrüche.
49
Blutohr .
7
Luxationen u. Distorsionen
Arthritis.
Periostitis .
Caries.
Rheumatismus.
5
9
2
2
11
Geburtshülfe.
Castration .
Ohren und Schwanz coupirt
18
6
160
Neubildungen.
54
Contusionen.
10
Struma.
Intoxication.
1
Wunden..
59
1
Abscesse.
21
Constitutionelle Krankheiten.
Phlegmone.
6
Chlorose..
1
Muskelentzündung .
1
Rhachitis .
1
Muskelz'rreissung.
1
In fections kran kheiten.
Contractur der Gastro-
Staupe .
85
cnemii .
1
Tollwuth .
1
Krankheiten d. Sinnesorgane.
Beobachtg. auf Tollwuth
190
Conjunctivitis .
13
Krankheiten des Central¬
Keratitis ulcerosa.
6
nervenapparates.
Keratitis traumatica.
4
Gehirn- und Hirnhaut¬
Trichiasis.
9
entzündung .
4
Latus
322
Latus |
903
Digitized by t^.ooQle
Bericht über die Kgl. Thierarzneischale.
11
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Transport
903
Transport
1173
Lähmungen . .
47
Icterus.
2
Epilepsie .
38
Prolapsus recti.
1
Eclampsie.
5
Periproctitis phlegmonosa
5
Krankheiten desCirculations-
Bandwurm.
20
apparates.
Hernien.
2
Herzfehler mit Ascites...
4
Krankheiten des Urogenital-
Krankheiten d. Respirations •
apparates.
apparates.
Hämaturie.
3
Bronchial catarrh.
42
Polyurie.
1
Pneumonie.
15
Ischurie.
1
Hydrothorax .
1
Urethritis catarrhalis ....
3
Penetrirende Wunde der
Strictura urethrae.
1
Brustwand.
1
Cystitis catarrhalis.
1
Diphtherie der Rachen¬
Entzündung der Inguinal¬
schlei mhaul .
1
drüsen .
2
Epistaxis .
6
Orchitis .
2
Krankheiten des Digestions¬
Phimosis .
4
apparates.
Paraphimosis.
3
Fremdkörper in der Ra-
Prolapsus vaginae.....
2
chenhöhle .
4
Metritis.
3
Fäule des Zahnfleisches.
7
Harnsteine.
1
Gastricismus.
33
Diarrhoe.
17
Summa
1230
Rrpphmhr
15
Zum Vergiften .
2184
v erstoprang. ..
Oft
Totalsnmme
3414
Latus
1173
X V Wllu UUiUAv
B. Poliklinik.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Krankheiten d. äusseren Haut.
Transport
962
Sarcoptes.
263
Periostitis.
3
Acarus folliculorum.
68
Arthritis u. Periarthritis
70
Herpes .
49
Rheumatismus.
39
Eczem.
304
Muskelentzündung .
4
Dermatitis.
152
Muskelzerreissung.
2
Urticaria.
8
Contusionen.
57
Emphysem der Subcutis
5
Wunden.
164
Depilation.
8
Abscesse.
50
Ungeziefer.
8
Extravasate .
43
Krankheiten der Bewegungs¬
Phlegmone.
7
organe.
Panaritium...,.
16
Knochenbrüche.
64
Bursitis .
4
Luxation und Distorsion
33
Latus
962
Latus
1421
Digitized by t^.ooQle
12
ROLOFF.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Namen
der Krankheiten.
Summa.
Transport
Krankheiten d. Sinnesorgane.
Conjunctivitis .
Keratitis ulcerosa.
Keratitis traumatica.
Keratitis pannosa.
Cataracta.
Amaurosis.
Cyclitis.
Trichiasis.
Prolapsus bulbi.
Prolapsus lentis .
Otitis externa .
Ulceration d. Ohrknorpels
Blutohr .
Parotitis.
Geburtshülfe.
Castrationen.
Ein gewachsene Krallen ent¬
fernt und sonstige kleinere
Operationen.
Neubildungen .
Struma.
Phosphorvergiftung.
Constitutionelle Krankheiten.
Chlorose...
Rhachitis .
Infectionskrankheiten.
Staupe .
Krankheiten des Centralner¬
venapparates.
Gehirn- und Hirnhaut¬
entzündung .
Lähmungen .
Coma .
Epilepsie .
Eclampsie.
Neuralgie.
Tetanus.
Krankheiten des Circulations-
apparates.
Herzfehler mit Ascites...
Krankheiten des Respirations¬
apparates.
Laryngitis catarrbalis ...
1421
Transport
2631
Bronchialcatarrh.
255
160
Asthma.
13
25
Pneumonie.
22
97
Nasencatarrb.
6
10
i Epistaxis .
1
8
Hydrotborax .
. 9
4
Krankheiten des Digestions-
4
apparates.
11
1 Diphtherie.
20
1
Fremdkörper.
26
3
Pharyngitis .
20
176
Stomatitis.
4
31
Gastricismus.
310
91
Verstopfung.
116
7
Diarrhoe.
111
k
Brechruhr .
28
2
Ascites.
33
Icterus .
4
Fäule des Zahnfleisches.
27
22
56
Zahncaries.
2
Prolapsus recti.
6
15
Mastdarmfisfel.
4
Tenesmus.
5
i
Atresia ani .
1
Hernien .
6
1
Bandwurm.
44
9
Krankheiten des Lymph-
apparates.
244
Lymphadenitis und Peri-
adenitis .
14
Lymphangitis .
Krankheiten des Urogenital¬
3
47
apparates.
74
Hämaturie.
4
2
Harnsteine.
2
72
Phimosis.
3
13
Präputialcatarrh .
6
6
Urethritis catarrhalis ....
19
3
Cystitis catarrhalis.
3
Vaginalcatarrh .
6
Prolapsus vaginae.
2
4
Metritis.
10
Mastitis.
5
Orchitis .
2
6
Entzündung d. Scrotum
1
Latus
2631
Summa
3784
Digitized by
Google
Bericht über die Kgl. Thierarzneischale.
13
III. Obductionen.
Von Prof. Dr. Schütz.
In dem Jahre vom 1. April 1879 bis ult. März 1880 sind 149
Pferde obducirt worden. In nachstehendem sind die tödtlich gewor¬
denen Krankheiten ohne Rücksicht auf die unmittelbare Todesursache
verzeichnet.
Krankheiten.
April
3
Juni
1
"3
r
87
*->
V)
-
bC
3
<
d
u
-Q
-«-»
ST
C/J
Octbr.
Novbr.
Decbr. |
Januar
Februar g?
März
Summa.
Infectionskrankheiten.
Rotz .
—
1
4
2
1
1
2
‘ 3
3
—
—
1
18
Krankheiten des Nervensystems.
Tetanus .
2
1
2
—
2
1
—
—
—
—
—
—
8
Chron. Gehirnwassersucht....
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
1
Acute Gebirnwassersucht.
-
—
1
1
1
—
—
—
—
—
—
—
3
Gehirnentzündung.
—
—
—
—
1
—
—
—
—
—
—
1
Krankheiten des Respirations¬
apparates.
Pneumonie.
2
2
1
1
1
—
—
1
2
3
2
2
17
Bronchopneumonie .
—
2
—
—
1
—
2
1
—
—
—
2
8
Gangränöse Pneumonie .
1
2
2
1
—
1
—
—
1
—
—
1
9
Pleuritis.
1
1
2
—
—
2
—
1
—
3
—
—
10
Krankheiten des Circulations-
apparates.
Endocard. valvul., tricuspid.
et pulmonal, ulceros.
—
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
1
Thrombose der Art. axillar.,
subscap. et brachial.
—
—
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
1
Thromb. der Art. meser. ant.
et ven. portar.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
—
—
1
Krankheiten des Verdauungs¬
apparates.
2
Faccalstase im Coecuin .
1
—
1
1
1
—
—
1
—
—
—
7
„ „ Rectum .
—
1_
1
—
—
—
—
—
1
1
1
—
4
„ „ Duodenum....
—
,-
—
1
—
—
—
—
—
—
—
1
2
Tympanitis. .
—
—
1
—
1
—
—
—
—
1
—
—
3
Volvulus des Dünndarms ....
—
4
—
—
1
—
—
—
—
2
—
—
7
Drehung des Colon .
1
—
1
—
2
5
—
1
—
—
2
—
12
Strangulation des Dünndarms
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
Strangulation des Colon.
—
—
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
1
Hernia incarcerata interna ...
—
—
—
1
—
—
—
—
—
1
1
—
3
Latus
9
I 13
17
9|l5
11
4
7
g
12|
7
118
Digitized by t^.ooQLe
14
ROLOFF,
Krankheiten.
April
'S
53
Juni
1
'B
87!
s.
3
t£
P
<
Septbr.
Octbr. |
Novbr.
Decbr.
1
4
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u.
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B
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Summa.
Transport
Hämorrhagische Magen- und
9
13
17
9
15
11
4
7
8
12
6
7
118
Darmentzündung.
1
—
—
2
2
—
—
—
—
1
—
—
6
Diphtherie des Dünndarms...
—
—i
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
1
Diphtherie d. Colon u. Coecura
Embolie der Dünndarm- und
—
—
—
—
—
—
—
—
1
—
—
1
Dickdarmarterien.
VI. Krankheiten des Geschlechtsappa¬
rates.
1
1
1
3
Samenstrangtistel (Operation)
—
1
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
2
Diphtherie der Blase .
VII. Krankheiten des Bewegungsappa¬
rates.
1
1
Carionecrose des Hufbeins ...
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
Necrose des Hufbeins.
Caries des Tibio-astragal-Ge¬
—
—
—
—
—
—
1
—
—
—
—
1
lenks.
Fractur des Scham- und Sitz¬
—
—
—
—
—
—
1
—
—
—
—
1
beins.
—
—
—
—
—
1
—
—
—
—
—
—
1
Fractur des Femur.
—
—
—
—
—
—
1
—
—
—
—
—
1
Phlegmone.
Ruptur des Kronen- und Huf¬
1
1
—
2
1
—
—
—
1
—
—
—
6
beinbeugers .
TW. Geschwülste.
—
—
—
—
—
—
—
1
—
_
—
—
1
Riesenzellensarcom der Milz .
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
Myom des Jejunum.
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
Melanosarcom am Widerrist .
Riesenzellensarcom der Mesen¬
—
—
1
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
terialdrüsen .
—
—
—
1
—
-
—
—
—
—
—
—
1
Riesenzellensarcom am Colon
—
—
—
—
—
—
—
1
—
—
—
1
Summa
12
18
21
15
18
12
6
10
9
14
6
8
149
Die pathologisch-anatomischen Uehungen finden in der Art statt,
dass im Sommer die Studirenden des 6. Semesters an einem wöchent¬
lich dreistündigen praktischen Cursus theilnehmen, wobei der Fach¬
lehrer die Technik erörtert und die anatomischen Veränderungen er¬
klärt, und dass im Winter diejenigen Studirenden des 7. Semesters,
welche als Praktikanten der Klinik für kleine Hausthiere zugetheilt
sind, mithin jedesmal der 4. Theil der Studirenden des Semesters,
täglich von 11 Uhr unter Leitung des Fachlehrers Sectionen an
Pferden, Hunden etc. ausführen.
Ausserdem haben im Sommer die Studirenden des 6. Semesters
an den pathologisch-histologischen Uebungen theilzunehmen.
Digitized by Google
Bericht über die Kgl. Thieraizneisohule.
15
Die Menge des Materials gestattet es, dass die genannten Uebun-
gen ununterbrochen stattfinden.
IV. Ambulatorische Klinik.
' Von Lehrer Eggeling.
In der Zeit vom 1. April 1879 bis 31. März 1880 sind in der
ambulatorischen Klinik in der Stadt Berlin und den benachbarten
Ortschaften 375 Besuche gemacht worden. Es wurden in Summa
untersucht und behandelt:
a) wegen Seuchen und Heerdenkrankheiten:
4 Rindviehheerden,
15 Schafheerden,
1 Schweineheerde;
b) wegen sporadischer Krankheiten, wegen Gewährsfehler, zur
Vornahme von Sectionen, zur Ausführung von geburtshülf-
lichen Operationen und Castrationen:
441 Stück Rindvieh,
49 Schafe,
5 Ziegen,
63 Schweine.
Diese Krankheiten vertheilen sich der Zeit des Vorkommens und
der Art nach wie folgt:
Jahr.
Monat.
Zahl
der
Be¬
suche.
Sem
Herd
he
’S §
^ fe
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1
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3
—
41
16
—
3
Juni .
29
—
1
—
31
—
4
5
Juli .
39
—
1
—
44
—
—
4
August.
38
_
1
—
46
3
—
4
September.
34
—
—
—
35
—
—
12
Octobsr.
39
—
3
—
36
—
—
4
November .
22
—
2
—
20
18
—
10
December .
23
2
2
—
21
2
—
3
1880
Januar .
24
—
2
—
34
8
—
5
Februar .
29
—
—
—
43
2
—
—
März .
25
— i
52
—
1
—
Summa
375
4
15
1
441
49
5 1
63
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16
ROLOFF, Bericht über die Kgl. Thierarzneischule.
Seuchen und Heerdenkrankheiten.
Namen der Krankheiten
Rindvieh-
heerden
i n
Schaf-
heerden
Schweine¬
heerden
Maul- und Klauenseuche.
1
1
1
Pockenseuche.
—
5
—
Magenwurmseuche.
—
2
—
Leberegelseuche.
—
2
—
Drehkrankheit .
—
1
—
Räude .
1
—
—
Rhachitis.
—
2
—
Lupinen Vergiftung.
—
2
—
Lungenseuche.
2
—
—
Summa
4
15
1
Einzelne Krankheitsfälle, Untersuchungen, Obductionen
und Operationen.
Namen der Krankheiten.
Rindvieh
Stückz«
&
ca
xi
o
CG
er
Ziegen
Schweine
Krankheitsfälle.
Contagiöse, infectiöse, parasitäre, constitutio-
nelle Krankheiten.
40
—
—
6
Krankheiten des Gehirns und Rückenmarks.
16
15
—
—
„ der Knochen und Gelenke.
41
1
5
—
„ der Circulationsorganc.
17
—
—
—
„ der Respirationsorgane.
26
5
—
2
„ der Digestionsorgane .
84
9
—
3
„ der Ham- und Geschlechtsorgane
44
1
—
—
„ des Euters.
40
12
—
—
* der Haut und Unterhaut.
43
—
—
1
Neubildungen der Haut.
7
* —
—
1
Fusskrankheiten.
19
6
—
—
Untersuchung auf Gewährsfehler .
36
—
—
—
Obductionen.
26
—
—
—
Operationen.
Behandlung von Schwergeburten.
2
—
—
—
Castrationen.
—
—
—
50
Summa
441
49
5
63
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II.
Zur Anatomie und Physiologie des dritten Magens der
Wiederkäuer.
Von
Professor Dr. Ellenberger»
(Hieran Taf. L)
Der dritte Magen der Wiederkäuer hat wegen seiner eigentümlichen
anatomischen Verhältnisse, der Blätterbildung in seinem Innern, seiner
verschiedenen Ausbildung bis zum gänzlichen Fehlen in der Wieder¬
käuerreihe u. s. w. von jeher das Interesse ganz besonders in An¬
spruch genommen. Trotzdem ist, soweit mir bekannt, noch keine
Arbeit veröffentlicht worden, die sich speciell mit den Functionen und
der Anatomie dieses Organs beschäftigt hat 1 ). Die Ansichten über
die Verrichtungen des Psalters finden sich in den verschiedenen Lehr-
und Handbüchern der Physiologie und in Arbeiten niedergelegt, welche
sich mit anderen Theilen des Verdauungstractus der Ruminantien be¬
fassen. Einige Angaben aus derartigen Werken und Artikeln werden
genügen, um uns eine Anschauung über die Ansichten der bekannte¬
sten Autoren über die Functionen des Psalters zu geben.
Tiedemann u. Gmelin 2 ) schreiben dem genannten Organ fol¬
gende Verrichtungen zu: 1) Secretion eines sauren verdauenden Se-
cretes; 2) mechanische Zerkleinerung, mechanisches Zerreiben des Fut¬
ters zwischen den Blättern durch die diesen aufsitzenden Wärzchen;
3) Resorption der zwischen die Blätter gelangten flüssigen und gelösten
Nährstoffe; 4) theilweises Auspressen der flüssigen Massen nach dem
4. Magen.
1 ) Es existirt in dieser Richtung nur die Arbeit von Krazowski, die aber
nur die Entwickelung des Psalters behandelt: Krazowski, Untersuchungen über
die Entwickelung des Omasus. Dorpat 1880.
2 ) Tiedemann u. Gmelin, Die Verdauung naoh Versuchen. 1826.
ArdÜT f. wlssenseh. u. prakt. ThierheUk. VIL 1 u.2. 2
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18
ELLENBERGER,
Vink 1 ) meint, dass die Speisen in dem Psalter mit einer Menge
Flüssigkeiten, welche die hier gelegenen Gefasse absondern, vermengt
und zwischen die Blätter eingeknetet würden. Das Flüssigste werde
dann fortwährend herausgepresst.
Haubner 2 ) nimmt an, dass der Verlust, den die Nahrungsmittel
an Flüssigkeiten im 3. Magen erleiden, auf mechanische Weise durch
Herauspressen der Flüssigkeit nach dem Labmagen Ijin bewirkt werde.
Er fand, dass das Futter im Psalter eine nicht unbedeutende Ver¬
änderung erleidet und glaubte, dass dieselbe durch einen sauren Saft
bewirkt werde, den der Psalter secernire.
Von der Secretion eines sauren Saftes im 3. Magen sprechen
auch Gurlt 3 ), Veith 4 ), Erdelyi 5 ), Hering 6 ), Tiedemann u.
Gmelin, während Ranke 7 ) nur dem Labmagen die Fähigkeit zu¬
schreibt, ein Secret zu produciren, und auch Valentin 8 ), Weiss 9 ),
Schwab l0 ) der Secretionsthätigkeit des Psalters nicht Erwähnung thun.
Die neueren Autoren, wie Fürstenberg 11 ), Schumacher 12 ),
Leisering 13 ), Franck 14 ), Wilckens 15 ), Wildt 16 ), Colin u. A.
bestreiten direct, dass der Psalter secernire. Die saure Reaction seines
Inhalts soll seine Ursache in den dort ablaufenden Zersetzungspro¬
cessen finden und der mehrfach dort gefundene verdauende Saft vom
Labmagen aus hingelangt sein.
Alle Autoren wissen, dass die in den Psalter eintretenden, stark
! ) Vink, Vorlesungen über das Wiederkauen des Rindviehes. 1779.
2 ) Haubner, Ueber die Magenverdauung der Wiederkäuer. 1837.
3 ) Gurlt, Lehrbuch der vergleich. Physiologie der Haussäugethiere. 1865.
4 ) Veith, Handbuch der Veterinärkunde. 1822.
5 ) Erdolyi, Versuch einer Zoophysiologie. 1820.
Ä ) Hering, Physiologie für Thieräi?te. 1832.
7 ) Ranke, Grundzüge der Physiologie des Menschen. 1875.
8 ) Valentin, Lehrbuch der Physiologie des Menschen. 1844.
9 ) Weiss, Specielle Physiologie für Thierärzte. 1860.
10 ) Schwab, Lehrbuch der Physiologie. 1821.
u ) Fürstenberg u. Rohde, Die Rindviehzucht nach unserem jetzigen
rationellen Standpunkte. 1873.
,2 ) Schumacher, Fühling’s Zeitschrift V, 342. 1874.
13 ) Gurlt, Handbuch der vergleichenden Anatomie der Haussäugethiere.
5. Aufl. 1873.
,4 ) Franck, Handbuch der Anatomie der Hausthiere. 1871.
,5 ) Wilckens, Untersuchungen über den Magen der wiederkauenden Haus¬
thiere. 1872.
16 ) Wildt, Henneberg’s Journal XXII, 1. 1874.
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Anatomie n. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
19
durchfeuchteten Massen in ihm ärmer an Flüssigkeiten werden, sodass
man den Psalterinhalt stets mehr oder weniger trocken findet. Sie
sind aber verschiedener Meinung darüber, wodurch der Flüssigkeits¬
verlust bedingt wird. Leisering nennt den Psalter passend ein
Exsiccationsorgan, ohne sich zu entscheiden, wie die Exsiccation zu
Stande kommt.
Fürstenberg, Franck, Fr. Müller 1 ), Schumacher u. A.
nehmen an, dass der 3. Magen seinem Inhalt die Flüssigkeit durch
Resorption entziehe, während Tiedemann u. Gmelin dies nur für
einen Theil der Flüssigkeit zugeben. Franck nennt den Psalter be¬
sonders zur Resorption geschickt, und ein anderer neuerer Autor
nennt ihn sogar ein Resorptionsorgan von ausserordentlicher Wirk¬
samkeit.
Valentin, Weiss, Schwab, Wildt dagegen erwähnen die
resorbirende Thätigkeit des Psalters gar nicht; Colin und Haubner
bestreiten sie direct und glauben, dass der Flüssigkeitsverlust durch
Auspressen der flüssigen Massen nach dem Labmagen zu Stande
komme.
Peyer, Duverney, Colin 2 ) nehmen an, dass die Nahrungs¬
mittel im 3. Magen mechanisch zerkleinert, verrieben werden und
also in der That die schon von Haubner beobachtete Veränderung
erleiden. Auch Chabert 3 ) u. A. sprechen von einer Pressung u. dgl.
der Futtermassen.
Diese Literaturangäben mögen genügen, um den Stand der Frage
zu kennzeichnen, die uns im Nachstehenden beschäftigen wird. Es
würden alle weiteren derartigen Notizen werthlos sein, weil keiner
der etwa noch zu nennenden Autoren den Gegenstand speciell bear¬
beitet hat. Die Urtheile entbehren der positiven Basis. Nicht einmal
die anatomischen Verhältnisse des Organs waren klargestellt, als die
Urtheile ausgesprochen wurden. Das Wenige, was ich angegeben,
genügt, um zu zeigen, wie verschiedener Meinung die Autoren über
die Frage waren resp. sind, welchen Zweck der Psalter zu erfül¬
len hat.
Einige der citirten Forscher nehmen an, dass der Psalter einen
verdauenden Saft secernire, durch welchen wirkliche Verdauungsvor-
1 ) Müller, Fr., Lehrbuch der Anatomie der Haussäugethiere. 1871.
2 ) Colin, Tratte de Physiologie des animaux domestiques. 1871.
s ) Chabert, Des Organes de la digestion dans les Ruminants. 1797.
2 *
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20
ELLENBERGER,
gänge im Psalter bedingt würden. Andere bestreiten diese Ansicht
entschieden. — Eine Anzahl Autoren sieht den 3. Magen als ein
wesentlich resorbirendes Organ an. Dem entgegen stehen andere For¬
scher, welche es für unmöglich halten, dass der Psalter dieser Function
vorstehe. Nach ihnen ist derselbe ein Zerkleinerungs- und Macera-
tionsapparat. Noch andere Forscher schreiben dem Organ verschie¬
dene Functionen zu, sowohl die der Zerkleinerung, als die der Re¬
sorption und die des Auspressens der Flüssigkeiten etc.
Wie aus diesen Angaben ersichtlich, hat jede Arbeit, welche sich
mit der Erforschung der Functionen des Psalters befasst, folgende
Fragen zu lösen:
1) Liefert der 3. Magen ein verdauendes Secret?
2) Auf welchem Wege kommt der Flüssigkeitsverlust des Psalter¬
inhalts zu Stande?
3) Ist der Psalter ein Resorptionsorgan, ein Resorptionsmagen?
oder wird die Exsiccation seiner Futtermassen durch Aus¬
pressen des Flüssigen bewirkt?
4) Ist der Psalter ein mechanischer Zerkleinerungsapparat ? 4 )
Nach meiner Anschauung muss ein Urtheil über die Functionen
eines Organs, namentlich wenn dieselben experimentell nicht genügend
erforscht werden können, stets auf die Kenntniss der anatomischen
! ) Die Lösung dieser Fragen gedachte ich in ähnlicher Art und Weise her¬
beizuführen , wie dies in meiner Arbeit über die Functionen des Blinddarms ge¬
schehen ist. Detaillirte, genaue Angaben über die descriptive, vergleichende und
mikroskopische Anatomie des Organs sollten die Arbeit einleiten und die Basis
für die weiteren Betrachtungen und den experimentell-physiologischen Theil dar¬
bieten. Verschiedene Umstände haben mich verhindert, diese Absicht voll auszu¬
führen, sodass ich genöthigt bin, meine Untersuchungsresultate nur in Form von
Beiträgen zu veröffentlichen. — Die Bearbeitung des anatomischen Theiles hatte
mein Schüler und Freund Max Taubner übernommen. Ihn ereilte der Tod, ehe
er die Arbeit ausführen konnte. Da ich durch nothwendigere Arbeiten in meiner
neuen Stellung nicht die nöthige Zeit finden konnte, um diesen Theil der Arbeit
nunmehr selbst in der geplanten Ausdehnung liefern zu können, so musste ich
mich darauf beschränken, nur das unbedingt Nothwendige und physiologisch
Wichtige aus der Anatomie zu liefern. Endlich stellten sich den vivisectorischen
Forschungen Schwierigkeiten entgegen, deren ich vorläufig nicht Horr werden
kann und auf deren Besprechung ich an anderer Stelle nochmals zurückkommen
werde. — Wenn ich sonach auch kein abgeschlossenes Ganze bringe, so glaube
ich doch, dass die Resultate meiner Untersuchungen geeignet sind, die aufgestell¬
ten Fragen ihrer Lösung wesentlich entgegenzuführen und weiteren Untersuchun¬
gen als Grundlage zu dienen.
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer. 21
Einrichtung desselben basirt sein. Bau und Structur eines Organs
geben immer bedeutende Fingerzeige für die Beurtheilung der Verrich¬
tungen desselben. Oft genügt die anatomische Kenntniss eines Organs
allein, um mit Sicherheit seine Functionen bestimmen zu können.
Deshalb sende ich die Anatomie des Psalters der ruminirenden
Hausthiere meinen weiteren Betrachtungen über denselben voraus, be¬
merke jedoch, dass ich aus der makroskopischen Anatomie nur das¬
jenige erwähnen werde, was physiologisch von Wichtigkeit ist; alles
Andere ist in den Handbüchern der Anatomie genügend beschrieben.
I. Anatomisches.
Der ovale, ellipsoide Psalter hat seine Lage zwischen der Haube
und dem Labmagen derart, dass der bei weitem grösste Theil seines
Innenraumes über einem Canal liegt, der schief von oben nach unten
vom 2. zum 4. Magen fuhrt. Es erhebt sich also der Psalter über
seine beiden Nachbarmägen. An seiner unteren Wand befinden sich
zwei Oeffnungen ziemlich dicht neben einander. Ein stark musculöser
Abschnitt, der sich sowohl vorn als hinten in zwei musculöse Pfeiler
spaltet, welche die betreffenden Oeffnungen begrenzen, führt von der
einen zur anderen Oeffnung und ist von Wilckens „Brücke“ genannt
worden. Die höher gelegene, vordere, engere Oeffnung führt zur
Haube, die hintere, tiefer gelegene, weitere, spaltförmige zum Lab¬
magen. Diese letztere wird von vorn und seitlich halbkreis- resp.
hufeisenförmig von einer sehr starken Muskelwulst, der Fortsetzung
der Musculatur der Brücke, umgeben. Auf diesem Schliessmuskel
endet seitlich eine grosse Reihe von Blättern, während er nach vorn
und in der Mitte frei von diesen ist. Hier erhebt sich eine halb-
mond- resp. halbkreisförmige Falte, die, wenn sie erhoben ist, wie
ein Segel das Lumen des Psalters von dem des Labmagens abgrenzt.
Sie stellt keine wirkliche Klappe dar; es ist nur eine Falte, die
durch die bedeutende Ausbildung der lockerer^ Submucosa zu Stande
kommt und die bei Contractionen des die Labmagenöffnung umgebenden,
soeben beschriebenen Muskelwulstes grösser und höher wird und bei
Rückstauung des Labmageninhalts sich segelartig gegen die Blätter,
an denen sie einen Halt findet, aufschlägt und so dessen Rück¬
tritt durch den freien Raum unter den Blättern in die Haube ver¬
hindert. Diese Falte ist auf der dem Psalter zugekehrten Fläche mit
Psalterschleimhaut bekleidet, welche mit vielen geschwungenen Leist-
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22
ELLENBERGER,
eben und sehr dicht stehenden und sehr kleinen, conischen, wenig
verhornten Papillen besetzt ist, während die andere Seite durch Lab¬
schleimhaut gebildet wird. Die Psalterhaubenöffnung zerfällt eigent¬
lich in zwei Abschnitte, in einen oberen, den die Schlundrinne, die
vom Schlunde aus an der oberen Hauben wand zum Psalter verläuft,
einnimmt, und einen unteren Theil, der in die Haubenhöhle sieht und
von der Brücke nach unten begrenzt wird. Die Decke der Oeffnung,
das Ende der Schlundrinne, wird beiderseits durch musculöse Seiten¬
wände mit dem durch die Brücke gebildeten Boden verbunden. Beim
Erheben der Brücke muss sonach das Schlundrinnenende zu einem
Canal geschlossen werden.
An der Innenwand des Psalters beobachten wir Folgendes:
Zunächst erheben sich auf der oberen resp. inneren Fläche der
sog. Brücke zwei von der Haube zum Labmagen longitudinal und
parallel zu einander verlaufende, mit stark verhornten, hohen, spitzen
Papillen besetzte, gewulstete Leisten, die eine beim Rinde ca. 4 Ctm.
breite, mit Längsfalten versehene, schwach vertiefte Rinne begrenzen,
die ich der Kürze halber Psalterrinne l ) nennen werde. Nach rechts
und links von den Leisten ist die Schleimhaut eine kurze Strecke
ohne besondere Bildungen.
Weiter aber erstrecken sich von den beiden Seitenwänden und
der oberen Wand zahlreiche Falten, die sog. Blätter in das Lumen
des Psalters. Diese Falten sind längsgerichtet von der Psalterhauben -
zur Psalterlabmagenöffnung; sie liegen sehr dicht an einander, sodass
sie an der Basis einander direct berühren. Jedes Blatt hat einen
gewölbten, an der Psalterwand ansitzenden, und einen freien, gegen
das Centrum des Ellipsoids gerichteten Rand. Allerdings überragt
ein Theil der Blätter mit dem freien Rande das Centrum nicht unbe¬
deutend, sodass der Vereinigungspunkt der Blätter mehr gegen die
Psalterrinne hin liegt und der freie Rand dieser Blätter nach dieser
hin sieht 2 ).
Aus dieser Betrachtung erhellt, dass der Ursprungsraum der
*) Ich stimme mit Krazowski vollständig darin überein, dass es unrichtig
ist, die Psalterrinne, wie es die meisten Anatomen thun, als Fortsetzung der
Schlundrinne zu betrachten.
2 ) Zur Vermeidung schwerfälliger Umschreibungen werde ich den Vereini¬
gungspunkt der am meisten in das Lumen vorspringenden Blätter (der, wie ge¬
sagt, unter dem Centrura gegen die Brücke liegt) in der weiteren Betrachtung
als Centrum bezeichnen.
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magons der Wiederkäuer.
23
Blätter ein viel grösserer ist, als der für ihre Endung bestimmte.
Wenn nun alle Blätter die gleiche Länge haben sollten, so müssten
sie bei dem angegebenen Verhältniss am Ursprung ungemein dick
sein und gegen das Ende immer dünner und dünner werden.
Da dieses aber nicht der Fall ist, da im Gegentheil der freie Rand der
Blätter, namentlich in der vorderen oder Haubenhälfte des Psalters, eine
wulstforraige Auftreibung zeigt und dicker ist als die Ursprungsstelle,
so ergiebt sich daraus, dass es unmöglich ist, dass die sämmtlichen
Blätter das Centrum resp. den tiefer gegen die Brücke gelegenen Ver¬
einigungspunkt erreichen. Die Blätter würden dort keinen Platz fin¬
den. Deshalb kann nur eine ganz beschränkte Anzahl von Blättern
das Centrum erreichen, alle anderen müssen früher enden. Da aber
der Innenraura gegen das Centrum successive ab- und gegen die Ur¬
sprungsstelle der Blätter successive zunimmt, so können auch die
Blätter, die nicht die höchste Höhe erreichen, nicht alle von gleicher
Höhe sein, wenn sie den Raum erfüllen sollen, sondern die Blätter
müssen in verschiedener Höhe ihr Ende finden. Wenn die einen viel¬
leicht 3 / 4 so hoch sind wie die höchsten Blätter, so können andere
nur die Hälfte und noch andere nur V 4 u. s. w. so hoch sein. Da¬
durch, dass die Blätter in verschiedener Höhe enden, d. h. mit ihren
freien Rändern dem Mittelpunkte verschieden nahe kommen, gelingt
es, den Raum in dem ellipsoiden Körper mit Blättern auszufüllen,
die peripher dicht neben einander entspringen und mit ihren freien
Rändern central gerichtet sind.
Am besten ersieht man das Verhalten der Blätter auf einem
senkrecht zur Längsaxe durch die Mitte des Psalters geführten Quer¬
schnitt Es erscheint der ganze, ein Oval darstellende Innenraum,
dessen längste Achse von oben nach unten geht, von Falten und dem
zwischen diese kuchenförraig eingepressten Futter angefüllt; nur der
kleine Raum, der sich zwischen dem Ende der höchsten Blätter und
der Psalterrinne befindet, pflegt frei zu sein. Die der Mitte des Ovals
am nächsten liegenden, d. h. die an der grossen Curvatur des Psal¬
ters entspringenden Falten, stehen dem ideellen Höhendurchmesser
parallel, die entfernteren bilden einen Winkel zu demselben, der um
so mehr an Spitze verliert, je weiter entfernt die Blätter von der
Mitte sind, d. h. je tiefer sie an den Seitenwänden entspringen. Dies
geht so weit, dass die untersten, die entferntesten Blätter, die nahe
den Leisten der Psalterrinne ihren Ursprung finden, fast in einem
rechten Winkel zum Durchmesser stehen.
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Google
24
ELLENBERGER,
Die Längsansicht der Blätter ergiebt, dass sie sämmtlich am
Haubenende mit einer mehr oder weniger starken Wulst entspringen.
Erst in einer gewissen Entfernung von der Haubenöffnung, so dass
diese von Blättern frei ist, steigen sie zu ihrer vollen Höhe an, indem
sie sich plötzlich bedeutend verdünnen. Dieses Ansteigen erfolgt
je nach der Höhe der Blätter in verschiedener Entfernung von der
Haubenffffnung. Die grössten Blätter haben den kürzesten Wulst,
steigen also am nächsten an der Haubenöffnung zur ganzen Höhe an;
die mittelgrossen schon bedeutend später u. s. w. Auf diese Weise
wird es vermieden, den Mittelpunkt der Ellipse zu verengern. Es
wird so erreicht, dass zwischen den freien Rändern der Blätter und
der Psalterrinne ein von Blättern freier, zum Passiren von Stoffen,
die nicht zwischen die Blätter eintreten sollen, geeigneter Raum bleibt.
Von der Anfangswulst der Blätter aus setzt sich eine kleine Wulst
am freien Rande der Blätter bis zum Ende derselben fort. Diese
Randwulst nimmt allerdings immer mehr ab, je mehr das Blatt sich
seinem Ende an der Labmagenöffnung nähert.
Durch das angegebene Verhalten der Blätter, deren genauere
Grössen Verhältnisse für unsere Betrachtung ohne Interesse sind, wird
der gesammte Innenraum in eine Anzahl Kammern, Nischen, einge-
theilt, die zu beiden Seiten und an der Rückwand absolut, nach der
Brücke relativ geschlossen, und nach der Schlundrinnenabtheilung der
Hauben- und nach der Labmagenöffnung zu offen sind.
Die wenigen den Mittelpunkt erreichenden Blätter theilen den
gesammten Innenraum in 10—14 grosse Kammern, diese werden wie¬
der durch kleinere Blätter, deren freier Rand aber dem Centrum noch
ziemlich nahe kommt, in secundäre Kammern eingetheilt und diese
abermals durch noch kleinere Blätter in wieder kleinere Fächer etc.
Der relative Verschluss dieser Räume gegen die Brücke resp. die
Psalterrinne hin wird dadurch erreicht, dass die Blätter an ihrem
freien Rande gewulstet sind, so dass die gleichgrossen Blätter mit
diesem an einander stossen; die kleineren Blätter legen sich mit diesem
gewulsteten Rande an die Fläche grösserer an. Hier wird der Ver¬
schluss noch dadurch gebessert, dass sich dicht unter der Anlagerungs¬
stelle an dem grösseren Blatt eine Leiste erhebt, die mit Warzen
besetzt und geeignet ist, das in der Kammer befindliche Material vor
dem Herunterfallen zu schützen.
Es bleibt also immer zwischen je zwei Blättern ein Raum. Die
Blätter liegen nur mit dem freien Rande dicht an der Fläche grösserer
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
25
an, oder sie berühren einander gegenseitig mit den dicken, freien
Rändern, wenn sie gleich gross sind. Auf den Blättern resp. Falten
stehen in ziemlich regelmässigen Abständen, dicht geordnet, warzen¬
förmige, makroskopische Hervorragungen, sog. Papillen. Dieselben
sind um so grösser, je näher sie der Haubenöffnung stehen. Sie gehen
dort in eine feste, hornige Spitze aus und erreichen beim Rinde zum
Theil eine Höhe von 5 Mm.; die solide Hornspitze nimmt */ 4 , ja bis V 3
der ganzen Höhe ein und wird nach unten hohl, indem sie die ganze
Papille überzieht. Die gesaramte Haubenhälfte ‘) der Blätter ist mit
solchen grossen spitzen Papillen (beim Rinde 2—5 Mm. hoch) besetzt,
die sich zum Theil auch noch auf die andere Hälfte erstrecken. Am dich¬
testen stehen sie am freien Rande, woselbst sie auch besonders stark
entwickelt sind und sich am weitesten gegen das Labmagenende erhal¬
ten. Je weiter sie sich vom Haubenende entfernen, je mehr verlieren
sie an Spitze, je abgerundeter werden sie: es werden aus zackigen
Gebilden allmälig knötchenartige Hervorragungen. Die Warzen zeigen
eine gewisse Regelmässigkeit in der Anordnung, sie sind häufig in
Reihen angeordnet, die sich senkrecht gegen den freien Rand richten;
dann sieht man sie wieder dem Verlauf der Blutgefässe folgen und
dendritische Figuren bilden. Ueber den grösseren Blutgefässen be¬
merkt man häufig kleine Leistchen, auf denen höhere Papillen stehen.
Zwischen den grossen, mehr oder weniger spitzen Warzen bemerkt
man schon in der Haubenhälfte erst zerstreut, dann häufiger kleine
abgerundete, körnchenartige, weniger verhornte Papillen. Dieselben
nehmen nach hinten immer mehr an Zahl zu, je mehr die hohen
Papillen abnehmen, sodass schliesslich im letzten Drittel die Blätter
nur noch mit diesen kleinen, rundlichen Papillenknötchen und Körn¬
chen besetzt sind, die am kleinsten und unscheinbarsten auf der vor¬
deren Fläche der den Psalter vom Labmagen scheidenden Falte sind.
Während so der vordere, gegen die Haube zu liegende Theil der
Blätter mit seinen hohen, spitzen Vorragungen einer Egge zu ver¬
gleichen ist, erscheint die Fläche des'hinteren, d. h. des Labmagen-
theils der Blätter mehr wie eine Schmiederaspel oder eine Feile. Mit
hornigem Ueberzug sind alle Warzen versehen; bei den einen ist es
eine Hornspitze, bei den anderen eine Hornkappe.
*) Zur Vereinfachung der weiteren Betrachtung denken wir uns den Psalter
in zwei Hälften, eine vordere und hintere, eine Hauben- und Labmagenhälfte,
getheilt und sprechen so vom Labmagen- und Haubentheil der Blätter etc.
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26
ELLENBERGER,
Die sämmtlichen Papillen stehen so, dass ihre Basis nach vorn
gegen die Haube, ihr freies Ende dagegen gegen den Labmagen ge¬
kehrt ist.
Ausser diesen auf den Blättern stehenden und ausser den schon
beschriebenen, auf den Lippen der Schluudrinne vorkommenden Pa¬
pillen sind noch eigenthümliche Hervorragungen um die HaubenöfFnung
zu erwähnen, die aber dem unteren, dem Brückentheil der Oeffnung
fehlen.
Am oberen, halbkreisförmigen Theil der Oeffnung, dem Schlund-
rinnentheil, stehen in regelmässigen Abständen ausserordentlich grosse,
kolbige, bluraenkohlartige, in ein Büschel von Hornspitzen ausgehende
Hervorragungen, die in Reihen geordnet sind, sodass ihre Richtung
genau in die Richtung des freien Randes der höchsten Blätter fällt,
und der freie Raum zwischen je zwei Reihen in eine primäre Kammer
führt. Es finden sich beim Rinde um die Oeffnung neben einander
ca. 12 Reihen. Die Zahl der eine Reihe bildenden Hervorragungen
ist verschieden. Manchmal sind es nur 2—3 Papillen.
Die gesammte innere Fläche des Psalters ist mit einer Horn¬
schicht überzogen, welche hohle, an der Spitze durch Verdickung der
Wand solide Vorsprünge zeigt zur Aufnahme der beschriebenen Pa¬
pillen. Die ganze Hornschicht kann im Zusammenhang in grossen
häutigen Abtheilungen, wenn der Magen längere Zeit gelegen hat,
abgezogen werden. Die untere Fläche der abgezogenen hornigen Mem¬
bran zeigt Vertiefungen, die obere Erhöhungen. Die Membran zeigt
bedeutende Widerstandsfähigkeit gegen Säuren, Alkalien und künst¬
lichen Magensaft; tagelange Einwirkung des letzteren vermochte die
Haut nicht zu zerstören.
Von weiteren Angaben über die makroskopischen Verhältnisse
des Magens ist nur noch wichtig, dass sein Fassungsvermögen beim
Rinde ungefähr y 4 desjenigen des Pansens erreicht. Die Beschrei¬
bung der Flächen, Ränder, Winkel, Begrenzungen etc. unterlasse ich,
weil sie für unsere Aufgabe unwichtig sind.
II. Histologisches.
Betrachten wir nunmehr, nachdem wir das mit unbewaffnetem
Auge Erkennbare besprochen haben, zunächst einen Querschnitt durch
ein Psalterblatt mit dem Mikroskop.
Wir sehen an einem solchen Schnitt beiderseits am meisten nach
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
27
aussen eine streifig erscheinende, bei Picrocarmintinction sich gelb
färbende Schicht, welche die gesamrate, durch die bereits beschrie¬
benen makroskopischen Papillenvorsprünge unebene Oberfläche über¬
kleidet. Es ist dies das Stratum corneum der Blätter; dasselbe besteht
aus platten, verhornten Schüppchen, die unter einander zu grösseren
Blättchen verklebt sind, wodurch in der Seitenansicht das faserige,
streifige Gepräge hervortritt. In concentrirten Alkalien und Säuren
quellen die Schuppen auf, werden hell, klar und zellartig, schliesslich
durchsichtig und unsichtbar. Gegen verdünnte Säuren und Alkalien
zeigen sie bedeutende Resistenz; ebenso gegen Magensaft. Brachte ich
Epithelfetzen, die von den Psalterblättern einige Zeit nach dem Tode
abgezogen waren, mit Magensaft, der auf seine Wirksamkeit geprüft
war, in den Verdauungsofen, so wurden die tieferen Epithelien auf¬
gelöst, die oberen widerstanden aber einer mehrere Tage andauernden
Verdauung; sie blieben in zusammenhängender Schicht erhalten. Aus
diesen Thatsachen folgt, dass wir es hier in der That mit einer Horn¬
schicht zu thun haben. Aut die Hornschicht folgt nun beiderseits
eine Lage abgeplatteter Epithelzellen von länglich ovaler oder spindel¬
förmiger Gestalt, die auf den makroskopischen Papillen in Anpassung
an deren Form halbmondförmig gebogen erscheinen. Hieran schliessen
sich eckige, polygonale Zellen von der verschiedensten Gestalt; con-
cave, gebogene Ränder der einen Zelle greifen in den gewölbten Rand
der Nachbarzelle ein u. s. w., sodass die verschiedensten Formen von
Zellen zu Stande kommen. Der Zellleib ist weich, granulirt und mit
vereinzelten, stark glänzenden Fettkörnchen ausgestattet; der Kern
isc deutlich und besitzt einen oder mehrere Kernkörperchen.
Die tiefste Zelllage besteht aus mehr oder weniger rundlichen,
schwach eckigen, meist pentagonalen, selten hohen, länglichen Zellen,
deren Leib deutlich granulirt und deren Kern verhältnissmässig gross ist.
Die sämmtlichen bis jetzt beschriebenen Zelllagen stellen das
Stratum epitheliale dar. Dasselbe ist während des Lebens an das
Unterliegende fest angeheftet, wie wir dies bei frisch geschlachteten
Thieren wahrnehroen können. Einige Zeit nach dem Tode jedoch
kann das Epithel, ebenso wie das des Pansens, in zusammenhängender
Schicht abgezogen werden.
Der Epithelschicht liegt die Propria mucosae an, welche die be¬
schriebenen makroskopischen, sich frei über die Oberfläche erhebenden,
von der Epithelschicht überzogenen Papillen bildet. Das diese über¬
kleidende Epithel ist dadurch ausgezeichnet, dass die Horschicht dicker
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ELLENBERGER,
ist als zwischen den Papillen; namentlich haben die im Haubentheil
vorhandenen keilförmigen Papillen eine hohe, solide Hornspitze am
freien Ende, während sie im Uebrigen becherartig von der verhornten
Membran umhüllt werden. Die auf die Hornschicht folgenden Zellen
sind gebogen, gekrümmt und verhältnissmässig platt mit in der Mitte
durch den Kern aufgetriebenem Zellleib.
Die Propria mucosae besteht wesentlich aus Bindegewebe, elasti¬
schem Gewebe und Gefässen. Das Bindegewebe ist nach dem Epithel
dichter, entgegengesetzt lockerer gewebt. Die Membran ist sehr reich
an elastischem Gewebe; dieses bildet ein zusammenhängendes Netz,
das von der Musculatur bis zum Epithel reicht. Stärkere elastische
Fasern resp. Bündel steigen fast senkrecht von der Muscularis zum
Epithel in die Höhe und lassen durch Verzweigung ein feinmaschiges
Netz zwischen sich. Diese Verhältnisse können am besten studirt
werden bei Behandlung der Schnitte mit Kalilauge oder Ameisensäure.
In dem elastischen Netz liegt das lockere, lockige Bindegewebe, dessen
Faserbündel einander in verschiedenen Richtungen durchkreuzen und
so ein mehr oder weniger engmaschiges Gewebe bilden, das, je näher
am Epithel, je engmaschiger, je dichter verfilzt ist. Das beschriebene
Gewebe ist, abgesehen von den gewöhnlichen fixen Bindegewebszellen,
ziemlich reich an Wanderzellen und enthält auch vielfach die Waldeyer-
schen Plasmazellen.
Die Propria mucosae treibt in das Epithel zottenartige, kegel¬
förmige Vorsprünge, die nur auf Schnitten, nicht aber von der Fläche
aus sichtbar sind, weil die Thäler zwischen denselben durch die be¬
reits beschriebenen Epithelzellen ausgefüllt werden, und weil ferner
eine Lage dieser Zellen und die Hornschicht über die Spitzen dieser
Papillen hinwegzieht, sodass durch sie keine freien Hervorragungen,
keine Unebenheiten gebildet werden. Diese Papillarschicht findet
sich sowohl zwischen als auf den makroskopischen Papillen. Sie
wird erst der Forschung genügend zugänglich, wenn das Epithel
entfernt ist. Dies geschieht durch Maceration im warmen und
kalten Wasser, durch Behandeln mit Alkalien u. s. w. Am schönsten
lässt sich die Papillarschicht durch folgendes Verfahren demonstriren:
Man überbindet das eine Ende eines an beiden Enden offenen Cylin-
ders mit einem Theil eines Psalterblattes, füllt sodann denselben theil-
weise mit Magensaft und stellt ihn in ein Gefäss, welches ebenfalls
Magensaft enthält, sodass das Blatt also beiderseits der Wirkung des
Magensaftes ausgesetzt ist. Nachdem der Magensaft bei einer Tempe-
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Anatomie n. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer. 29
ratur von 35—40° eine Zeit lang (12—24 Stunden) eingewirkt hat,
kann man die Epithelschicht, ohne dass die Papillen irgendwie lädirt
werden, entfernen. Nunmehr sieht man die Papillen wie die Zotten
des Dünndarms frei über die Oberfläche hervorragen. Dieselben be¬
stehen aus dicht verwebten, zarten Bindegewebs- und elastischen Fa¬
sern mit den bekannten Bindegewebs- und vereinzelten Wanderzellen.
Nicht selten sieht man auch eine oder mehrere spindelförmige Muskel¬
zellen in den genannten Papillen, sodass also vereinzelte Muskelzellen
bis zum Epithel herantreten. An gut injicirten Präparaten nimmt
man in der Regel eine Blutgefässschlinge in denselben wahr. Diese
zottenartigen Vorragungen finden sich, wie gesagt, auch an den ma¬
kroskopischen Papillen, sodass diese dadurch den Charakter der zu¬
sammengesetzten Papille erhalten. Die ganze Oberfläche einer grossen
Papille, deren Epithel entfernt ist, erscheint ziemlich dicht mit diesen
Zotten besetzt.
An die Propria mucosae schliesst sich nach innen jederseits eine
auf dem Querschnitt quer zum Faserverlauf durchschnittene Schicht
von glatten Muskelfasern an, worauf wieder jederseits eine Lage
locker gewebten Bindegewebes folgt. In der Mitte des Querschnittes
des Blattes liegt sodann, jederseits an diese beiden lockeren Binde-
gewebsschichten anstossend, nochmals eine Lage glatter Musculatur,
deren Fasern im Schnitt der Länge nach getroffen sind und die dicker
ist, als die beiden seitlichen Muskellagen zusammengenommen. Be¬
trachtet man aber einen solchen Querschnitt des Blattes, der bis zum
freien Rande desselben reicht, so sieht man, wie die mittlere Muskel¬
schicht gegen das Ende des Blattes immer dünner wird und schliess¬
lich ganz verschwindet, während die seitlichen immer stärker werden
und am freien Rande eine Wulst bilden, die nur aus der Propria
mucosae mit der Epithelschicht und dieser Musculatur besteht.
Ausser dem Besprochenen sehen wir in den Blattquerschnitten
noch häufig starke Blutgefässe, die in der mittleren Musculatur liegen
und seitliche Aeste abgeben, welche unter der Papillenschicht da¬
durch, dass sie sich unter einander vereinigen, gewissermassen zwei
Seitengefässe darstellen, von denen aus wieder die sich in den makro¬
skopischen und mikroskopischen Papillen verzweigenden Gefässe weg¬
ziehen. Auf den Verlauf der Blutgefässe und Nerven komme ich
noch näher zu sprechen.
In Bezug auf die makroskopischen Papillen ist noch Folgendes
za erwähnen: Sie stellen llervorragungen der gesammten Schleimhaut
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ELLENBERGER,
dar, zeigen also die beschriebenen Verhältnisse dieser. Sie sind reich
an elastischem Gewebe und enthalten stets nicht unbedeutende Men¬
gen glatter Musculatur, welche in directem Zusammenhänge mit den
beiden seitlichen Muskelhäutcn stehen. Hierdurch sind sie befähigt,
sich zu bewegen und zu widerstandsfähigen, starren, steifen Gebilden
zu werden. Drüsige oder folliculäre Gebilde habe ich in den Blättern
nicht gefunden.
Ueber den Bau der Aussenwand des Psalters giebt uns ein
Querschnitt folgenden Aufschluss: Wir sehen zunächst am meisten nach
aussen, also an der den Blättern resp. dem Psalterluraen entgegen¬
gesetzten Seite, eine dünne, bindegewebige Membran, die Serosa. Sie
ist durch eine lockere Subserosa, die oft viel Fettgewebe enthält und
in der man häufig quer- und längsgeschnittene Gefässe wahrnimmt,
an die nächste Schicht befestigt, welche ein aus glatter Musculatur
bestehendes Stratum darstellt, dessen Fasern quer durchschnitten er¬
scheinen. Dieselben sind in Bündel geordnet, welche durch Binde-
gewebszüge, die von der Subserosa zur Submucosa ziehen, verbunden
werden. (Diese Verhältnisse sind am schönsten an Picrocarminprä-
paraten demonstrirbar.) Mit dieser Muskelschicht ist nach innen eine
zweite, dickere, 3—4fach stärkere Muskelschicht verbunden, deren
Fasern mit dem Schnitt verlaufen, also vom Messer längs getroffen
sind. Ihr schliesst sich eine Membran an, die wesentlich aus Bün¬
deln lockeren Bindegewebes, die ein weitmaschiges Geflecht bilden,
und elastischem Gewebe besteht. Sie enthält ausserdem noch grosse
Gefasse und Nervenstämme und stellt die Submucosa dar. Weiter
nach innen folgt dann wieder eine dünne Muskellage, deren Fasern
querdurchschnitten sind und die als Muscularis mucosae aufzufassen
ist. Auf ihr ruht die Propria mucosae, die ebenso gebaut ist, ebenso eine
Papillenschicht bildet u. s. w., wie wir dies an den Blättern gesehen
haben. Bedeckt ist sie von dem Stratum epitheliale, das auch keine
Verschiedenheiten von dem der Blätter nach weisen lässt.
Nicht nur die gesammte Schleimhaut bildet durch Verdoppelung
resp. Faltenbildung die Blätter, sondern es zieht auch ein Theil der
äusseren Musculatur in dieselben hinein. Die beiden seitlichen Mus¬
kelschichten sind die Fortsetzung der Muscularis mucosae, die ihnen
innen anliegende lockere Bindegewebslage ist die Submucosa und die
centrale Muskelschicht stammt von dem inneren Stratum der eigent¬
lichen Musculatur.
An einem quer durch die Brücke geführten Schnitt beobachtet
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Anatomie n. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
31
man zunächst, dass das Stratum epitheliale und proprium mucosae
in derselben Weise gebaut ist, wie an der übrigen Wand. Die Mus-
culatur zeigt folgendes Verhalten: Am meisten nach innen gegen das
Epithel sieht man Bündel quer getroffener, also von vorn nach hinten
longitudinal verlaufender, glatter Muskelfasern, die oft weit aus ein¬
ander liegen; jede der erwähnten zahlreichen Längsfalten enthält ein
derartiges Bündelchen. Eine bedeutende Stärke zeigen diese Bündel
in den Lippen der Psalterrinne.
Auf diese einzelnen Bündel folgt eine zusammenhängende Muskel¬
schicht, deren Fasern längs getroffen sind, also von einer Seite zur
anderen verlaufen. An sie nach aussen schliessen sich wieder ver¬
einzelte Bündel einer quer getroffenen, also longitudinal gerichteten
Musculatur. Zwischen den Muskelbündeln liegt Fett- und Binde¬
gewebe.
Ein Schnitt durch das Segel zeigt, dass dasselbe in der Mitte
eine schwache Muskelschicht enthält, die vorn von der wie ge¬
schildert beschaffenen Psalter-, hinten von der Labschleimhaut über¬
zogen ist.
Aus den vorbeschriebenen Bildern, resp. aus der Betrachtung der
betreffenden Schnitte ergiebt sich für den Bau des Psalters ira All¬
gemeinen Folgendes:
Die Psalterwand ist aus drei Häuten aufgebaut, der Serosa, Mus-
cularis und der cutan gebauten Mucosa. Am meisten nach aussen
liegt die Serosa, welche den ganzen Magen überzieht, eine sehr lockere
Subserosa besitzt, die oft fettreich ist und grosse Gefassstämme ent¬
hält. Die mittlere Haut, die Muskelhaut, besteht aus zwei Schichten.
Die äussere Schicht besteht aus Fasern glatter Musculatur, die longi¬
tudinal von der Hauben- zur Labraagenöffnung verlaufen; sie ist von
unbedeutender Stärke und besteht an der Brücke nur aus vereinzelten
Bündeln.
Die zweite, innere Schicht verläuft circulär von der Brücke über
die grosse Curvatur hinweg bis wieder zur Brücke auf der ande¬
ren Seite.
Diese Schicht erstreckt sich zu einem kleinen Theil in die Blätter
hinein und bildet in diesen die centrale Muskelschicht, deren Fasern
vom Ursprung der Blätter senkrecht zum freien Rande derselben hin¬
ziehen; sie erreichen jedoch den freien Rand nicht vollständig, son¬
dern enden an dem Randwulst der Blätter, der aus longitudinal von
vom nach hinten verlaufenden Muskelfasern besteht. Dieser Rand-
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32 ELLENBERGER,
willst stellt also die Insertionsstelle der centralen Blattmuscula-
tur dar.
Von der zweischichtigen Muscularis nach innen liegt die lockere
Submucosa mit Gefass- und Nervenstäraraen und von ihr nach innen
wieder die Muscularis mucosae, deren Fasern longitudinal von der
Haube zum Labmagen verlaufen. Beide Schichten helfen die Blätter
mitbilden, sodass jederseits in den Blättern eine Muskelschicht liegt,
deren Fasern von dem Ursprung der Blätter am Haubenende, wo¬
selbst sie eine bedeutende Wulst bilden, zur Labraagenöffnung ver¬
laufen, indem sie sich oben am freien Rande der Blätter besonders
anhäufen, wodurch die Randwulst entsteht. Der Muskelapparat der
Blätter besteht also aus einer starken, centralen, vom peripheren
Ursprung der Blätter zum freien Rande verlaufenden, und zwei dün¬
neren, seitlichen, vom Haubenanfang zum Labmagenende der Blätter
gehenden Muskelschichten. Die erstere steht mit der Ringfaserschicht
der Muscularis der Aussenwand in Verbindung, während die letzteren
eine Fortsetzung der Muscularis mucosae, gewissermassen eine Faltung
dieser Wandschicht darstellen.
Nach innen von der Muscularis mucosae liegt die Propria mu¬
cosae, die ein Stratum papillarc besitzt und durch Verdoppelung die
Blätter wesentlich mitbildet. Sie ist von einem Epithel überzogen,
das die Blätter mantelartig bekleidet und dessen oberste Schicht
stets verhornt ist.
Speciell erwähnt zu werden verdient noch die Brückenmusculatur.
Die innen unter der Mucosa liegende Längsfaserschicht besteht zu¬
nächst aus vereinzelten Bündeln, die sich in den I^ängsfältchen finden.
Gegen die Psalterlabmagenöffnung werden die Bündel stärker und
vereinigen sich zu einer grösseren, zusammenhängenden Schicht in der
Psalterrinne. Diese Schicht theilt sich aber sogleich wieder gabelig
in zwei Hälften, von denen die eine rechts, die andere links an den
Muskelwulst der genanten Oeffnung herantreten und diesen begleiten.
Auf die longitudinale Schicht folgt nach aussen eine quer ge¬
richtete, die beiderseits in die Kreisfaserschicht der übrigen Psalter¬
wand übergeht. An ihrem Ende, also an der Labmagenpsalteröffnung,
bildet diese Schicht plötzlich eine wulstartige Verdickung, die sich
scharf absetzt und mit der sich, wie erwähnt, die longitudinalen Fasern
verbinden. Die Wulst hat beim Rinde ca. 2 Ctm. Durchmesser und er¬
streckt sich nicht allein auf die Breite der Brücke, sondern beiderseits
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
33
weit über dieselbe hinaus, die beiden Seitenlippen der Labmagen-
psalteröffnung bildend und so deren Sphincter darstellend.
Der Sphincter ist also eine partielle Verdickung (d. h. Faser¬
vermehrung) der Quermusculatur der Brücke und deren Verlängerung,
der Kreismusculatur der Psalterwand. Der Sphincter liegt rechts und
links nicht genau an der Oeffnung, sondern entfernt sich von der¬
selben, sodass eine Anzahl von Blättern nicht auf ihm enden, son¬
dern noch über ihn hinausgehen.
Der Sphincter geht jederseits an seinen beiden Enden allmälig
in die übrige Psaltermusculatur über, indem er sich verbreitert und
dünner wird. Die Schleimhaut über dem Muskelwulst führt eine
dünne Muscularis mucosae, welche in die Musculatur des Velum
übergeht.
Auf die Quermusculatur der Brücke nach aussen folgt wieder
Längsmusculatur, die aber keine geschlossene Schicht darstellt, son¬
dern in einzelnen Bündeln auftritt. — Vermöge der Quermusculatur
vermag der unter den Blättern gelegene Canal bei den Contractionen
des Psalters (besonders der Ringmusculatur) bedeutend verengt zu
werden.
Die innere Längsmusculatur nähert die beiden Oeffnungen ein¬
ander und zieht besonders die vordere gegen die Labmagenöffnung
heran, woselbst der fixe Punkt ist.
Der Verlauf der Blutgefässe im Psalter gestaltet sich wie folgt:
Die in die Subserosa eintretenden Hauptstämme gehen mit ihren
Aesten schräg durch die Musculatur des Psalters zur Submucosa,
woselbst sie längs gerichtet sind. Von diesen Längsstämmen
treten stärkere Gefässäste in die Blätter. Diese Abzweigungen er¬
folgen in ziemlich regelmässigen Zwischenräumen. Die gedachten
Aeste verlaufen meist ungetheilt von der peripheren Basis der Blätter
mit der centralen Musculatur in nahezu senkrechter Richtung und fast
parallel unter einander gegen den Faltenrand. Nach dem Rande zu
convergiren sie selbstredend etwas. In der Nähe desselben theilen
sie sich häufig in zwei Aeste und verbinden sich meist in ähnlicher
Weise bogenförmig unter einander, wie die Rami intestinales arteriae
mesentericae superiorifc equi; die Gefässbogen sind jedoch in der Regel
mehr gestreckt, sodass durch das gedachte Verhalten ein dem Falten¬
rande parallel verlaufendes Gefäss entsteht.
Gegen den Haubenanfang und das Labmagenende der Blätter hin
wird der angegebene parallele Verlaut der Gefässäste insofern modi-
A fehlt f. wiseensch. n. prakt. Thierheiik. VII. 1 u. 2. 3
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ELLENBERGER,
ficirt, als die Gefässe dort gegen die mittleren Gefässe hin bedeutend
convergiren. Es liegt dies in den morphologischen Verhältnissen der
Blätter begründet. Am Haubenende sieht man nicht selten vom An¬
fang des Muskelwulstes ab bis zu dessen Ende und unter Umständen
noch darüber hinaus ein grösseres Gefäss am freien Rande desselben
hinziehen und von hier aus Zweige in das Blatt senden. Diese ziehen
gegen den peripheren Blattursprung, laufen also den besprochenen
Gefassen entgegen, mit denen sie in Anastomosen treten.
In den nach unten an den Seitenwänden (gegen die Psalterrinne
hin) entspringenden Blättern verlaufen die Gefässe mehr convergirend,
sie kommen von der Hauben- und Labmagenöffnung und lösen sich
in der Regel bald auf.
Zwischen den beschriebenen Hauptästen, den grossen Primärästen,
treten auch kleinere Gefässe, die kleinen Primäräste, von den Stäm¬
men der Submucosa aus in die Blätter ein. Sie gehen jedoch sehr
rasch Theilungen ein und anastomosiren mit Zweigen der Hauptäste
der Blätter. Diese senden nämlich auf dem ebe n beschriebenen Wege,
ohne sich zu theilen, in ziemlich regelmässigen Entfernungen nach
vorn und hinten, rechts und links Zweige ab, die sich auflösen und
sich vielfach unter einander oder, wie schon gesagt, mit den Zweigen
der kleinen Primäräste verbinden und kleine Felder abgrenzen. Die so
gebildeten, zwischen den Aesten gelegenen, durch deren Verbindung
begrenzten Felder werden durch Zweige dieser Grenzäste und theil-
weise durch feine Gefässchen von den Priraärästen versorgt. Die in
die Felder eingehenden Zweige lösen sich rasch auf, oft tannenbaum¬
ähnlich, oder auch büschelähnlich, oder auch einfach dendritisch.
Durch reichliches Anastomosiren entsteht ein schönes, regel¬
mässiges Capillarnetz. Jedes Feld ist mit einem derartigen Netz ver¬
sehen. Die Felder anastomosiren sämratlich unter einander, da ja
jedes Grenzgefass an jeder Stelle zwei Feldern gemeinsam ist und an
beide Capillaren giebt. Das gesammte Capillarnetz der Mucosa liegt
möglichst oberflächlich, direct unter dem Epithel, und zwar in der¬
selben Ebene. Nur da, wo die Papillen sind, erhebt sich das Netz
über diese Ebene. In jede makroskopische Papille geht von den ge¬
nannten Zweigen aus ein stärkerer Gefässzweig, der in derselben auf
der einen Seite dem Rande folgend, gebogen aufsteigt und auf der
anderen Seite wieder herabgeht. Von diesem Gefass gehen einerseits
Zweige in das Innere der Papille und bilden dort ein Capillarnetz,
andererseits gehen welche nach aussen, die in die mikroskopischen
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
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secundären Papillen eintreten und dort enden. Das Verhalten der
Blutgefässe in den kleinen, mikroskopischen Papillen ist verschieden.
Entweder bilden sie dort nur eine Schlinge, oder es kommt auch zur
Bildung eines kleinen Capillarnetzes, aus dem ein kleines Vencn-
stäramchen hervorgeht. Die Venen verlaufen ähnlich wie die Arterien
und mit ihnen. Sie sind klappenlos, ihre kleinen Zweige bilden Netze,
die oberflächlicher als die Arterien liegen. Sie können in den Blät¬
tern vom Stamm aus bequem durch einfachen Einstich in denselben
injicirt werden.
Die Lymph’gefässe veranschaulichte ich vermittelst der Einstich¬
methode. An den dünneren Partien der Blätter misslingt die In-
jection fast regelmässig, weil die Spritzenspitze meist in die Sub-
mucosa eindringt, in welchem Falle die Injectionsmasse wohl die
Maschen dieser, nicht aber die Lymphgefasse füllt. Am geeignetsten
zur Injection sind die Blätter am Haubenende, nahe am Muskelwulst,
die Schleimhaut um die Haubenöffnung herum und die Psalterrinne.
Wesentliches Erforderniss beim Injiciren ist, dass die Spitze der
Spritze möglichst oberflächlich bleibt. Wenn die Spitze bei entferntem
Epithel so oberflächlich liegt, dass sie frei zu liegen scheint, kann
man fast sicher auf das Gelingen der Injection rechnen. An den so
hergestellten Präparaten erkennen wir, dass die Lymphgefasse ein
zusammenhängendes Capillarnetz in der Mucosa bilden, das aber tiefer
als die Blutgefasscapillaren liegt, welche sehr dicht unter dem Epithel
gelagert sind. Die bedeutendere Weite, die Ungleichmässigkeit in der
Dicke, die Unregelmässigkeit des Netzes u. s. w. lassen die Lymph-
capillaren leicht von den Blutgefasscapillaren unterscheiden. In die
makroskopischen Papillen erstrecken sich die Lymphgefässe ebenfalls
hinauf, sie bilden dort periphere Capillarnetze, aber immer tiefer, also
mehr gegen das Centrum der Papille gelegen, als die Blutgefässe.
Ausser den injicirten feinen, durch Wände abgeschlossenen Lymph-
gefassen dringt die Injectionsmasse auch in einzelne unregelmässige
Räume, Lücken, Saftspalten. Ein wirkliches System der letzteren war
nicht darstellbar.
Die Lyraphgelassstämrae liegen in der Submucosa, meist in der
Nähe der Blutgefässe; sie beanspruchen kein besonderes Interesse.
In Bezug auf die Lage der Blutgefässe im Querschnitt der Blätter,
d. h. auf die Tiefe, in der die Gefässe im Gewebe, in der Wand liegen,
ist Folgendes beachtenswerth: Die beschriebenen, mehr oder weniger
parallel laufenden Hauptgefasse der Blätter, die Primäräste, liegen
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ELLENBERGER,
central, in der centralen Blattmusculatur; von ihnen gehen beider¬
seits die Aestchen durch die Seitcnmusculatur und bilden dort durch
Vereinigung Gefässe, die nach aussen von der Seitenmusculatur ge¬
lagert sind; von diesen noch weiter nach aussen liegt das von ihren
Aestchen gebildete subepitheliale Capillarnetz, über das die Capillar-
netze der Papillen wieder hervorragen. Die Lymphcapillaren liegen
zwischen den Blutgelasscapillaren und der Seitenmusculatur. (So er¬
scheinen die Verhältnisse bei einem Querschnitt durch ein injicirtes
Blatt, während der oben geschilderte Verlauf durch die Flächenansicht
ersichtlich wird.)
Wenn ich den Verlauf der Gefässe in dem nach innen von der
Submucosa gelegenen Theil der Wand und in den Blättern genauer
beschrieben habe, so kann ich mich um so kürzer in Bezug auf den
hierzu nach aussen gelegenen Wandtheil fassen. Die Gelasse bieten
hier in ihrem Verlauf nichts Besonderes. Sie bilden in der Muscula-
tur wie gewöhnlich Maschen, deren Richtung sich dem Faserverlauf
anpasst u. s. w., wie wir dies vom Magen, Darm u. s. w. zur Ge¬
nüge kennen.
Ueber das Verhalten der Nerven, ihrer Endigung etc. habe ich
nur feststellen können, dass sich in den Blättern ein Nervennetz be¬
findet, das sich ähnlich wie die Nervennetze in der Darmwand ver¬
hält, und dass in diesem Netz ganglionäre Anschwellungen nicht
selten sind. Das eigentliche Ende der Nerven vermochte ich nicht
zu constatiren. Zur Untersuchung des Verhaltens der Nerven spaltete
ich zunächst die Blätter, sodass ich die einfache Mucosa und Sub¬
mucosa zur Untersuchung benutzen konnte. Nachdem das Epithel
entfernt war, kamen die betreffenden Blätter entweder in verdünnte
Essigsäure, oder in ziemlich concentrirte Ameisensäure; darauf in
V 4 procentiges Goldchlorid, oder in Goldchloridnatriumlösung; hier
blieben sie V 4 — 2 Stunden, dann kamen diejenigen Theile, die vorher
in Essigsäure lagen, wieder in damit angesäuertes Wasser und wurden
untersucht, sobald sie dunkelviolet wurden. Die anderen Schnitte
kamen 48 Stunden in erst verdünnte, dann concentrirte Ameisensäure.
In ähnlicher Weise wurden auch Schnitte durch Wand und Blätter
behandelt. In den Flächenpräparaten sah man dann hier und da
grössere Nervenstämme in gerader Linie quer durch das Gesichtsfeld
ziehen. Neben ihnen sah man feine und feinste, dunkel erscheinende
Fäden, die auch meist einen gestreckten Verlauf zeigten, einander
durchkreuzten und so Netze bildeten, die in verschiedener Höhe lagen.
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
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An anderen Stellen beobachtete man, wie von einer verdickten Stelle
aus nach drei, vier, fünf verschiedenen Richtungen schwarz gefärbte
Fäden hinzogen. An einzelnen der feineren Fasern traten längliche,
spindelförmige Anschwellungen auf. Zu erforschen, wie diese Nerven-
netze eigentlich ihr Ende finden, ob die Nervenzweige ins Epithel ein-
dringen, gelang mir trotz aller aufgewandten Mühe nicht. Die Gold-
chloridmethodc ist leider eine zu heimtückische. Die Präparate miss¬
lingen zu oft. Mit Osmiumsäure vermochte ich nur die grösseren
Nerven zu untersuchen, die feineren wurden bei Anwendung dieses
Hülfsmittels nicht sichtbar. Die feineren Fasern sind sämmtlich
marklos.
Bewiesen wird durch das Vorstehende, dass in den Blättern ein
nervöser Apparat liegt, der mit Ganglien ausgestattet ist. Dieser
Nervenapparat dürfte dem Plexus submucosus des Darmcanals ent¬
sprechen.
In Bezug auf die Psalterwand beobachtete ich Folgendes: Zog
ich nach Entfernung der Serosa die dünne äussere, longitudinale Mus¬
kelschicht von der circulären ab und behandelte sie in der bespro¬
chenen Art und Weise mit Gold, so fand ich an der Innenfläche
der Muskelfasern ebenfalls Nervennetze. Die spindelförmigen An¬
schwellungen sah ich jedoch nicht; ebenso wenig gelang es mir, die
ganglionären Schwellungen an den Vereinigungspunkten von mehreren
Nerven zu finden. Dagegen fand ich an einzelnen Stellen Haufen
multipolarer Ganglienzellen, die durch Fortsätze unter einander ver¬
bunden waren. Bemerkt sei, dass die untersuchten Präparate von
der grossen Curvatur entnommen waren. — Hieraus geht hervor,
dass der Psalter eigene intramusculär gelegene Nevencentren in seiner
Wand besitzt.
Mit dieser anatomischen Thatsache stimmt auch das Ergebniss
des physiologischen Experimentes. Bei Reizungen des peripheren
Vagusstammes am Halse traten keine Contractionen des Psalters auf,
während die anderen Mägen sich stark contrahirten. Auf directe
Reize reagirten die drei anderen Mägen; der Psalter meist nicht, nur
bei Reizung bestimmter Stellen traten Contractionen an demselben auf.
Dass sich nach dem Tode bei Erschlaffung der anderen Mägen
der Psalter stark contrahirt findet, beweist ebenfalls seine Unabhängig¬
keit von den anderen Mägen, d. h. das Vorhandensein eigener Centren 1 ).
Auf diese Verhältnissse komme ich in einem besonderen Artikel spe-
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ELLENBERGER,
III. Physiologisches.
Aus den vorstehend geschilderten anatomischen Verhältnissen ver¬
mögen wir eine Reihe physiologischer Schlussfolgerungen mit mehr
oder weniger Sicherheit zu ziehen. Ehe wir zur Beantwortung der
vier uns gestellten Fragen schreiten, wollen wir zunächst die Frage,
wie das Futter zwischen die Blätter gelangt, wie es dort gehalten
und wie es nach dem Labmagen hinbewegt wird, beantworten. Der
geeignetste Weg für die Futtermassen, welche zwischen die Blätter
eintreten sollen, ist offenbar der durch die Schlundrinne. Harms 1 )
sowohl als Lemoigne 2 ) haben, wenn auch in verschiedener Art und
Weise, zur Genüge erklärt, wie der Inhalt der Haube in die Schlund¬
rinne gehoben werden kann. Es kann nicht meine Aufgabe sein, auf
diesen Punkt näher einzugehen. Es steht zweifellos fest, dass die
Haube und die Musculatur der Haubenpsalteröffnung im Stande ist,
die Futtermassen dem oberen Theil dieser Oeffnung entgegen zu heben.
Dieses Heben macht es den Massen möglich, in die Kammerräume
zwischen die Blätter zu treten. Ja, es bleibt demselben gar kein an¬
derer Weg als der zwischen die Blätter; denn der Psaltercanal ist durch
Erheben der Brücke bedeutend verengt, sodass die groben Futter¬
massen diesen Weg nicht einschlagen können. Warum Wilckens
annimmt, dass von unten, von der Haube und Brücke herauf, kein
Futter zwischen die Haube und Brücke gelangen könne (S. 17 1. c.),
vermag ich nicht einzusehen; wie es auch unverständlich ist, dass der
gedachte Autor glaubt, die Schlundrinne könne wohl zusammenhän¬
gende Bissen wiedergekauten Futters, nicht aber Flüssigkeiten beför¬
dern. Dass diese Anschauung unrichtig und dass die nach unten offene
Schlundrinne wohl im Stande ist, Flüssigkeiten zu befördern, beweist
Leisering 3 ) durch ein sehr einfaches und leicht anzustellendes Ex¬
periment, worauf ich besonders aufmerksam machen möchte — doch
dies nur nebenbei.
Unsere Betrachtung beginnt mit dem Moment, in welchem die
Futterbissen in die Psalterhaubenöffnung eintreten. Da sie, wie
cieller zu sprechen. Momentan bin ich noch mit der experimentellen Erfoschung
dieser Frage beschäftigt.
') Zeitschrift für Thiermedicin und vergleichende Pathologie. 1876. 3.Bd.
2 ) Recueil de mddecine vöterinaire. 1876. p. 481.
3 ) 1. c. S. 397.
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
39
angegeben, durch die Schlundrinnenabtheilung dieser Oeffnung kom¬
men, so gelangen sie sofort zu den beschriebenen „vogelklauen¬
artigen“ Warzen, welche den Bissen in Abtheilungen zerlegen und
den Weg anzeigen, den diese zu nehmen haben, nämlich den in die
Primärkammem, woselbst wieder Theilungen der Futtermassen statt¬
finden zum Eintritt in die Secundär- etc. Kammern. Den Rücktritt
des Futters von den „Vogelklauen“ in die Haube hindert die zusara-
mengedrehtc Schlundrinne (Lemoigne).
Sobald der Bissen, von der Schlundrinne kommend, die Schleim¬
haut der Haubenpsalteröffnung berührt, tritt durch diesen Reiz eine
Reflexwirkung an der Musculatur der Blätter auf. Durch diese Mus¬
kelwirkung werden die Blätter sämmtlich im gespannten starren
Zustande dem Bissen entgegengeführt. Durch die Contraction
der starken Muskelwulst am vorderen Ende der Blätter, die den
einen fixen Punkt derselben, den der Längsmusculatur bildet, werden
sie dem Bissen entgegengebracht. Eine von den Muskelwülsten auf
die Seiten- resp. Längsmusculatur der Blätter vorschreitende Con¬
traction muss diese vorziehende Wirkung auf die Blätter ausüben.
Gleichzeitig aber werden diese durch Mitwirkung der centralen Mus¬
culatur gesteift und gespannt. Diese wirkt vom peripheren Blatt¬
ursprung, von der Ringmusculatur, woselbst ihr fixer Punkt ist, auf
den stark gespannten Randwulst, wo sie sich inserirt. So müssen
durch diese gegenseitige Muskelwirkung der centralen Musculatur
einer- und der Seitenmusculatur andererseits die Blätter zu starren,
festen Scheidewänden werden. Bedenkt man nun, dass der Canal
unter den Blättern durch das Erheben der Brücke verengert ist, und
dass die Blätter frei gegen die Haubenpsalteröffnung gekehrt sind,
gewissermassen in dieselbe hineinragen, so ist es klar, dass den Fut-
terraassen gar kein anderer Weg bleibt, als der in die Kammern,
zwischen die Blätter, und zwar um so mehr, als die Blätter vorn
geradezu mit Greifwerkzeugen, den Warzen, die sämmtlich durch die
Muskelwirkung starr und fest geworden, ausgerüstet sind. Sobald der
Bissen in die Kammer eingetreten ist, erschlafft die Längsmusculatur
der Blätter und letztere kehren in ihre Lage zurück, die Bissen mit
sich Führend. Das Herausfallen des Bissens aus der Kammer ver¬
hindern die nach hinten und oben gerichteten Warzen und der im
anatomischen Theil beschriebene Verschluss der Kammern durch Rand¬
wülste und Leisten. Dazu kommt noch, dass die oben beschriebenen
Verhältnisse der Blätter es bedingen, dass die Futterküchen in den Kam-
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ELLENBERGER.
mern auf einer schiefen Ebene ruhen und dass sie einander durch
Gegendruck in der Lage erhalten, wie die Ziegel in einem Gewölbe.
So also ist es möglich, dass sich die Futterküchen ohne irgend welche
Muskelanstrengung jn den Kammern halten können, dass sie nicht
gegen die Brücke herabfallen.
Die Bewegung des Futters nach dem Labmagen geschieht durch
Wirkung der Wand- und Blattmusculatur. Jede Contraction des
Magens hat ein Ausweichen des Futters gegen den Lab¬
magen zur Folge, weil die Futtermassen wegen der Warzen
nicht nach vorn ausweichen können. Nur nach oben und hinten
können sie ausweichen, nicht nach vorn und unten. Mit der Ver¬
engerung des Psalterraumes ist auch stets ein Heben der Blätter
verbunden, weil deren centrale Musculatur von der verengernden
Kreismusculatur entspringt, und so wird der Inhalt aus den unteren
Räumen der Blätter in die oberen, in die secundären, tertiären und
quaternären Kammern geschafft. Ueberall aber wird der Inhalt durch
die Warzen ergriffen und gehalten und in der Richtung seiner Bewe¬
gung bestimmt, indem die frei nach hinten gerichteten vielen Tau¬
senden von Warzen ein Zurücktreten des Futters verhindern und so die
Bewegung gegen den Labmagen hin befördern.
Jede aus irgend welchen Gründen eintretende Bewegung des
Psalters und jeder äussere Druck auf denselben hat nothwendig ein
Vorrücken seines Inhalts gegen den Labmagen zur Folge, wie jeder
Druck auf eine mit Klappen versehene Vene und jede Wandcontrac-
tion derselben, den Inhalt gegen das Herz hin treibt. Die Warzen
versehen denselben Dienst wie die Venenklappen.
Die gedachte Bewegung des Psalterinhalts wird noch dadurch
unterstützt, dass von der Haube fortwährend Futtermassen nachge¬
schoben werden, deren Rücktritt, wie oben angegeben, behindert ist,
die also schiebend als vis a tergo auf den Psalterinhalt wirken.
Dass die Musculatur der Blätter einen besonderen Einfluss auf
die Vorwärtsbewegung der Futterküchen direct ausübe, ist unwahr¬
scheinlich. Wenn dies der Fall wäre, so müssten die Blätter ihren
fixen Punkt am Labmagenende nehmen, sie müssten dort ihren Mus¬
kelwulst bilden, sodass die Blätter bei der Muskelwirkung nach hinten
geschoben und so die Futtermassen nach dort bewegt würden. —
Nun liegt aber der Muskelwulst vorn, eine Bewegung der Blätter nach
diesem Punkte hin kann demnach nicht fördernd auf die Vorwärts¬
bewegung der Futterküchen wirken. Daraus ersehen wir, dass der
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
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Muskelapparat der Blätter nicht den Zweck hat, für die Entleerung
des Psalters zu sorgen. Da er nun ebenso wenig zum Halten der
Futterküchen in den Kammern, wenigstens nicht in der Stärke, wie
er besteht, nothwendig ist, so fragen wir mit Recht: was ist der
Zweck des Muskelapparates? Einen Zweck haben wir bereits kennen
gelernt, nämlich den, die gesteiften Blätter zum Ergreifen des Bissens
vorzufiihren, und den, durch Heben, Verkürzen der Blätter die Wir¬
kung der Warzen zu unterstützen und das unten gelegene Futter nach
oben in die kleinen Kammern zu heben. Dies allein erklärt aber
die Stärke des Muskelapparates nicht. Deshalb müssen wir uns nach
einer weiteren Aufgabe desselben umsehen. Diese besteht nach meiner
Ansicht darin, eine Verkleinerung der groben, mangelhaft verkleiner¬
ten, namentlich der nicht wiedergekauten Futterstoffe zu bewirken.
Damit treten wir an die Lösung der Frage 4 heran.
Wie die anatomische Betrachtung lehrte, ist die Längsmusculatur
der Psalterwand, welche eine Verkleinerung des Längsdurchmessers
bei ihrer Contraction bewirken könnte, nur sehr unbedeutend, während
die Ringfaserlage stark, oft drei- bis vierfach stärker als die erstere
ist. Wenn demnach eine Contraction des Psalters in toto, der Ge-
sammtmusculatur erfolgt, so wird dadurch wesentlich der Querdurch¬
messer verringert, der Magen wird im Querdurchmesser verengt, da¬
durch wird der Raum zwischen den einzelnen Blättern kleiner, die
sämmtlichen Kammern werden enger, das in ihnen liegende Futter
wird also gepresst, gequetscht. Bei dieser Gesammtcontraction des
Psalters müssen aber nothgedrungen auch Bewegungen der Blätter
eintreten. Vor allen Dingen werden die Blätter, deren Warzen durch
die Muskelwirkung starr und steif geworden sind, nach vorn gegen
den Muskelwulst bewegt, sodass die sämmtlichen Warzen wie die
Zinken einer Egge den sich nach hinten verschiebenden Futterküchen
durchziehen und so verkleinernd, zerreibend, zerreissend auf die Theilc
des Kuchens wirken. Damit diese Wirkung eine recht energische sein
kann, werden die Blätter durch die Wirkung der centralen Musculatur
im Höhendurchmesser etwas verkürzt und dadurch etwas verdickt,
vor Allem aber gesteift. Dass der Verschluss der Kammern bei diesen
Vorgängen verbessert wird durch Verdickung des sich verkürzenden
Randwulstes und Verengerung des Raumes, ist selbstverständlich.
Selbstredend wird der Verschluss nicht so fest, dass nicht Flüssig¬
keiten abtropfen könnten; es bleiben im Gegentheil schon wegen der
durch die Warzen bedingten Unebenheit der Ränder kleine Rinnchen,
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ELLENBERGER,
Canälchen, durch welche beim Pressen des Kammerinhalts durch die
Contraction der Psalterwaud Flüssigkeiten abtropfen und abfliessen
können, wodurch der Inhalt trockener wird und leichter zerrieben
werden kann.
Dass die Blätter auch, während die Hauptwandmusculatur ruht,
besondere Bewegungen vollziehen, wodurch sie an einander vorbei¬
gleiten, ist sehr wahrscheinlich. Uebrigens tritt schon bei der Con¬
traction der Psalter wand eine successive Bewegung der Blätter ein,
weil die Aussenwand nicht gleichzeitig an allen Stellen sich contra-
hirt,. sondern allmälig, und weil dieser Contraction die Blattmus-
culatur folgen, sodass es also beispielsweise Vorkommen muss, dass
ein Blatt sich vorbewegt, während ein anderes bereits wieder in seine
Lage zurückkehrt, sich also in entgegengesetzter Richtung bewegt,
u. s. w. Da diese Bewegungen fortwährend stattfinden, werden auch
die Futtermassen fortwährend von den zackigen Warzen durchzogen.
Da der Psalter sich, wie jeder Sachverständige weiss, immer in einem
gewissen Contractionszustande befindet, so werden die starren Warzen
fest und tief in das Futter eingepresst, was schon dadurch bewiesen
wird, dass man bei jeder Untersuchung des Panseninhalts an der
Fläche der Futterküchen tiefe Eindrücke von den Warzen findet. Es
ist nun selbstverständlich, dass bei den gedachten Bewegungen eine
Zerkleinerung der Futtermassen im Psalter durch die tief eingedrück¬
ten, den Futterküchen durchziehenden Warzen eintreten muss. Wenn
die Warzen in der Haubenhälfte wie die Zinken einer Egge, wie Haken
zerreissend wirken, so wirken die mit knötchenartigen Warzen besetz¬
ten Blätter im Labmagentheil wie eine Schmiederaspel, wie eine Feile
zerreibend auf die inzwischen trockener gewordenen Futtermassen.
Es kann also, wie aus Vorstehendem hervorgeht, gar keinem
Zweifel unterliegen, dass der Psalter als Zermalmungsapparat, als
Kaumagen sehr gut eingerichtet ist. Das Futter muss in ihm zer¬
kleinert werden; das lehrt uns die Kenntniss der anatomischen Ein¬
richtung des Psalters. Die Thatsache, dass die Zerkleinerung wirk¬
lich stattfindet, zeigt die Untersuchung des Psalterinhalts, der ein¬
fache Augenschein. Das Futter am Labraagenende ist viel feiner
verrieben etc., als das am Haubenende (cf. Haubner). Der Augen¬
schein kann aber trügen. Deshalb musste ich den bestimmten Beweis
der Richtigkeit dieser Angabe erbringen. Zu diesem Zwecke stellte
ich eine Reihe von Versuchen an.
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer. 43
A. Der Psalterinhalt wurde wie folgt behandelt:
I. 1) 20 Grm. des Inhalts aus dem Haubentheil wurden mit 300 Grm.
Wasser geschüttelt und in einen Cylinder gefüllt;
2) dasselbe geschah mit derselben Quantität Inhalt aus dem Labma¬
gen theil.
Während sich in dem zweiten Cylinder die festen Bestandtheile rasch senkten,
Mieb in dem ersten Cylinder eine 6 Ctm. hohe Schicht aus grob zerkleinerten
Massen oben schwimmen. Erst nach 2 Stunden senkte sich auch diese.
Nach 4 Stunden betrug der Bodensatz im ersten Cylinder 12 Ctm. und im
zweiten nur ö l / 2 Ctm.; nach 48 Stunden im ersten Cylinder noch 10 Ctm., im
zweiten 4.9 Ctm.
II. In je einen von zwei grösseren, 500 Grm. Wasser fassenden Cylindern
wurde die gleiche Menge Inhalt aus dem Hauben- resp. Labmagentheii in der¬
selben Weise eingefüllt. Nach 3 Stunden hatte der Inhalt des Labmagenendes
einen Bodensatz von 4, der des Haubenendes von 11 Ctm. gebildet; nach 48
Stunden betrug der Bodensatz noch 3 resp. 9 Ctm.
III. Ein Versuch mit zwei Cylindern von 14 Ctm. Durchmesser, mit 2500
Grm. Wasser und je 50 Grm. des resp. Inhalts ergab nach 2 Stunden vom In¬
halt des Labmagentheils einen Bodensatz von 1,2. vom Haubentheil von 1,9 Ctm.
IV. Durch ein Sieb wurden 40 Grm. des Inhalts vom Haubentheil mit
Wasser durchgeschlemmt, der Rückstand gesammelt, lufttrocken gemacht und
gewogen. Dasselbe geschah mit 40 Grm. des Inhalts vom Labmagentheii.
Der Rückstand im Siebe betrug beim Labmagentheii 1,5, beim
Haubentheil 5.5 Grm., d. h. von ersterem 4, von letzterem 13 1 2 pCt.
V. Das Durchgeschlemmte wurde in Cylinder von 18 Ctm. Durchmesser
gegossen. Der Bodensatz betrug beim Labmagentheii 9, beim Haubentheil 11
Theilstriche. Das Sieb hatte also noch gröbere Theile des Inhalts des Hauben-
theils durchgelassen. Es drückt also das Verhältnis des Rückstandes noch nicht
die ganze Grösse des Unterschiedes aus. sondern auch die durch das Sieb durch-
gegangencn Massen, die aus dem Haubentheil stammen, sind gröber, weniger
zerrieben, verkleinert, als die aus dem Labmagentheii.
B. Mit dem Psalterinhalt einer zweiten Kuh geschah Folgendes:
I. 50 Grm. Inhalt vom Haubentheil des Psalters kamen in einen 1000-
Gramm-Cylinder, der mit Wasser gefüllt war. und wurden gründlich durchge¬
schüttelt. Ebenso geschah es mit derselben Quantität Labmagentheilinhalt. Der
entstandene Bodensatz betrug von dem ersteren 240, von letzterem 145 Ccm.
II. Bei einem gleichen Versuch mit 50 Grm. Inhalt im 500-Gramm-Cylin-
der betrug der Bodensatz vom Haubentheilinhalt 300 Ccm., der vom Labmagen¬
theii 180 Ccm.
III. In Cylindern von 14 Ctm. Durchmesser bildeten 50 Grm. Inhalt in
2500 Grm. Wasser 2,5 Ctm. Bodensatz vom Inhalt des Haubentheiis und l.G
Ctm. von dem des Labmagenendes.
IV. Der Rückstand von je 50 Grm. Inhalt, die mit Wasser durch
ein Sie b geschlemmt wurden, betrug vom Haub en theilin halt 10,9
Grm. = 22 pCt. und vom Labmagentheilinhalt 2,11 Grm. = 4 pCt.
V. Das Durchgeschlemmte bildete in einem Gefäss von 18 Ctm. Durch-
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messer bei ersterem 14 Mm., bei letzterem 11 Mm. Bodensatz. Es bestand also
auch das durch das Sieb Durchgeschlemmte des Haubentheils noch aus viel grö¬
beren Futterpartikelchen, als das des Labmagentheils, wie das Verhältniss des
Bodensatzes bestimmt darthut.
Die Resultate der vorstehend verzeichneten Sedimentirungs- und
Sehleramversuche dürften genügen, um zu erweisen, dass der Inhalt
des Labmagentheils viel feiner ist, aus viel feineren Partikelchen be¬
steht, viel weniger grobe Theile, lange Halme u. s. w. enthält, als
der Haubentheilinhalt, und dass das Futter im Psalter in der That
im bedeutenden Masse verkleinert wird, sodass der Psalter einen
wirklichen Kaumagen darstellt, der den Zweck hat, das mangelhaft
gekaute, namentlich das nicht wiedergekaute Futter zu zerkleinern.
Dass in den Psalter auch nicht wiedergekautes Futter gelangt, lehrt
jede Untersuchung des Psalterinhalts. In der Haubenhälfte des Psal¬
ters finden wir oft Futter, das aus langen Heu- und Strohhalmen
besteht und genau so aussieht, wie das nach dem ersten Kauen nach
unten gelangte Futter. Der Psalter ruminirt also das, was nicht zur
Rumination in der Maulhöhle gelangte; er verhindert, dass zu grobe
Massen in den* mit zartem Epithel bekleideten Labmagen kommen.
Er ist gewissermassen der Wächter dieses Organs.
An die Beantwortung der Frage 4 schliesse ich die der Frage 2 und
3 an. Bei der vorstehenden Betrachtung bemerkte ich bereits, dass bei
den Contractionen des Magens nothwendig ein Auspressen des Futter¬
kuchens stattfinde und dass die Flüssigkeiten bei diesem Pressen nach
unten über die freien Blattränder gegen die Psalterrinne abfliessen
müssen. Theilweise würde die Flüssigkeit auch schon nach unten
abfliessen ohne besonderen Druck. Das ist so selbstverständlich, dass
es weiterer Worte nicht bedarf. Die Folge dieser Verhältnisse muss
nun nothgedrungen die sein, dass der Kammerinhalt oben gegen die
grosse Curvatur ärmer an Flüssigkeiten sein wird, als unten, gegen
die freien Ränder hin. Um zu beweisen, dass dies nun thatsächlich
der Fall ist, machte ich folgende Experimente:
1. Aus der Mitte des Psalters eines Rindes wurden 4,9 Grm. Inhalt aus
dem oberen Theil einer Kammer und 5,8 Grm. aus dem unteren Theil derselben
im Trockenofen ausgetrocknet und der Rückstand gewogen. Dieser betrug aus
dem oberen Theil 1.5. aus dem unteren 1 Grm., d. h. die obere Masse ent¬
hielt 28 pCt. Trockensubstanz und 72 pCt. Flüssigkeit, die untere
18 pCt. Trockensubstanz und 82 pCt. Wasser. Der erstere enthielt
also 10 pCt. Wasser weniger als der letztere.
2. 6,37 Grm. Inhalt des unteren Theils einer Kammer am Labmagenende
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer. 45
des Psalters oines anderen Rinde9 und 4,104 Grm. vom oberen Theil hinter-
liessen das erstere 1,358, das letztere 1.634 Grm. Trockensubstanz, d. h. das
erstere bestand aus 78,6 pCt. Wasser und 21,4 pCt. Trockensub¬
stanz, das letztere dagegen aus 60 pCt. Wasser und 40 pCt. Trocken¬
substanz. Das unten gelegene Futter enthielt also 18 pCt. Wasser
mehr als das oben gelegene.
3. 6,026 Grm. Inhalt vom vorderen oberen Theil einer Kammer und
6,813 Grm. vom vorderen unteren Theil derselben hinterliessen ersterer 1,240,
letzterer 1,194 Grm. Trockensubstanz; das erstere enthielt also 79,4 pCt. Wasser
und 20,5 pCt. Trockensubstanz, das letztere 82,5 pCt. Wasser und 17,5 pCt.
Trockensubstanz. Der unten gelegene Inhalt war also vorn nur um
3 pCt. reicher an Wasser als oben, welche Thatsache vollkommen meinen
obigen Schlussfolgerungen entspricht. Vorn kommen fortwährend neue durch¬
feuchtete Bissen an, es kommt fortwährend neue Flüssigkeit zum Inhalt hinzu,
daher vorn der geringe Unterschied des Wassergehaltes zwischen oben und un¬
ten, trotz des Auspressens.
4. Aus dem Psalter eines Schafes wurden 1,426 Grm. Inhalt aus dem
oberen Theil einer Kammer und 2,364 Grm. aus dem unteren Theil derselben
entnommen und getrocknet. Der Rückstand vom ersteren betrug 0,417, der vom
letzteren 0,430 Grm., d. h. das oben gelegene Futter enthielt 70,7 pCt.
Wasser und 29,3 pCt. Trockensubstanz, das untere 81,8 pCt. Wasser
und 18,2 pCt. Trockensubstanz. Das untere Futter war also 11 pCt.
reicher an Wasser, als das oben gelegene.
Im Querdurchmesser sind die Futterküchen gleichmässig trocken resp. feucht.
Die vorstehenden Versuchsergebnisse bestätigen, dass im Psalter
eine Exsiccation der Futtermassen stattfindet; vor Allem aber be¬
weisen sie, dass in der That das in den gegen die Psalter¬
rinne, d. h. in den unteren Theilen der Kammern des Psal¬
ters gelegene Futter wasserreich ist und bedeutend mehr
Wasser enthält, als das oben gelegene Futter. Diese That¬
sache unterstützt meine Anschauung, dass der Wasserverlust des Fut¬
ters einmal dadurch zu Stande kommt, dass das Wasser schon von
selbst nach unten abtropft und dann dadurch, dass die Futterküchen bei
den Contractionen des Magens ausgepresst werden. Das ausgepresste
Wasser fliesst gegen die Psalterrinne ab, die es in den Labmagen beför¬
dert Hierdurch würde eine Erklärung für das Zustandekommen der Ex¬
siccation des Psalterinhalts, für die Thatsache, dass man den gedachten
Inhalt bei der Untersuchung stets viel trockener findet als den anderer
Magen, gefunden sein. Dieses letztere Factum wird aber auch noch
durch andere Umstände erklärt. Schon Haubner u. A. haben darge-
than, dass Flüssigkeiten und dünnbreiige Massen den Psalter sehr gut
passiven können, ohne zwischen die Blätter zu treten. Sie gehen die
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ELLENBERGER,
Psalterrinne, den Psaltercanal entlang, direct in den Labmagen. Reine
Flüssigkeiten müssen diesen Weg zum grössten Theil einschlagen,
weil sie zu wenig zusammenhängend sind, deshalb von den Warzen
nicht erfasst, von den Blättern nicht gehalten werden können, mögen
sie nun aus der Haube oder aus dem Schlunde die Schlundrinne
entlang kommen. Reine Flüssigkeiten fliessen unzweifelhaft in dieser
nach unten offenen Rinne entlang, ohne dass dieselbe irgend welche
besondere Contraction etc. zu vollziehen braucht, wie sie dies thut,
wenn sie grobe Futtermassen aus der Haube bekommt. Von den so
anlangenden Flüssigkeiten geht ein Theil vermöge der Attraction der
Flüssigkeitstheilchen an der Psalterwand zwischen die Blätter, der
grösste Theil fliesst aber sofort in die Psalterrinne und von da in den
Labmagen. So ist es auch mit den dünnbreiigen, weniger zusammen¬
hängenden Massen, die aus der Haube in den Psalter übertreten, sie
gehen theil weise ebenfalls den Psalcercanal entlang in den Labmagen,
während die grob zerkleinerten und zusammenhängenden Futtermassen
unbedingt zwischen die Blätter treten und ebenso ein Theil des gut
zerkleinerten Futters. Da also ein bedeutender Theil der Flüssig¬
keiten der Haube und des Pansens gar nicht in die Psalterkamraern
gelangt, sondern da reine Flüssigkeiten und sehr dünnflüssige Futter¬
massen direct in den Labmagen überfliessen, so erklärt dies schon
zum Theil die trockenere Beschaffenheit des Psalterinhalts.
Dazu kommt aber noch ein anderer Umstand, nämlich der, dass
schon in dem Moment, in welchem die Blätter stark durchfeuchtete
Massen erfassen, von der Musculatur der Schlundrinnenabtheilung der
Haubenpsalteröffnung überliefert erhalten, diese schon von selbst und
durch den Druck der Musculatur einen Theil ihrer Flüssigkeit durch
Abfliessen gegen die Psalterrinne verlieren.
Kommt nun hierzu noch das vorbeschriebene Moment des Aus-
pressens in den Kammern, so kann uns die Thatsache nicht mehr
überraschen, dass der Psalterinhalt trockener ist als der der anderen
Mägen.
Man muss aber, wie die vorstehende Betrachtung lehrt, bei Er¬
klärung dieser Thatsache zwei Momente scharf unterscheiden und aus
einander halten, nämlich 1) den Umstand, dass überhaupt viel
weniger Flüssigkeit mit den festen Theilen der Nahrung
in die Kammern gelangt, als in die anderen Mägen, und
2) dass ein nicht unbedeutender Theil der dahin gelangten
Flüssigkeit durch die P s al te reo ntr actio ne n ausgepresst
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Anatomie n. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
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wird. Drückend auf den Psalter und so auspressend auf den Kam¬
merinhalt wirkt ausser den Wandcontractionen des Psalters auch der
Pansen beim Ruminiren und das Zwerchfell beim Athmen.
Die vorstehenden Auseinandersetzungen beantworten einen Theil
der Frage 3. Es ist nun aber noch die Frage: in wie weit kommt
der Flüssigkeitsverlust des Psalterinhalts durch Resorption der Flüs¬
sigkeit durch die Psalterschleimhaut zu Stande?
Dass die Psalterschleimhaut im Stande ist, zu resorbiren, ist
keine Frage. Jede, auch eine cutan gebaute Schleimhaut vermag zu
resorbiren. Die Frage kann nur die sein: ist die Psalterschleimhaut
besonders geschickt zu dieser Function, ist der Psalter ein
Resorptionsmagen oder, wie auch behauptet wird, ein Resorptions¬
organ von ausgezeichneter Wirksamkeit?
Die Antwort hierauf kann nur verneinend ausfallen, wie die
anatomischen Verhältnisse lehren.
Die Psalterschleimhaut ist mit" mehrschichtigem Pflasterepithel
in bedeutender Dicke überzogen, dag dem unterliegenden Gewebe fest
anliegt und erst längere Zeit nach dem Tode leicht ablösbar wird.
Die oberste Schicht dieses Epithels stellt eine zusammenhängende ver¬
hornte Membran dar. Das Psalterepithel ist schwer permeabel, wie
das Pansenepithel. Versuche mit Kalilauge zeigten, dass die Zellen
sehr resistent waren. Goss man Kalilauge auf die Schleimhaut¬
flächen, so löste sich das Epithel leicht ab, aber bei beiden Mägen
gleich rasch und leicht; bei der mikroskopischen Betrachtung sah
man, dass die Hornschicht der Kaliwirkung lange widerstand, nament¬
lich die Hornspitzen und Hornkappen der Papillen. Der Einwirkung
künstlichen Magensaftes widerstand die Hornschicht ganz und gar.
In der Haubenhälftc besonders ist die Epithelschicht so dick, so fest
angeheftet, die Homspitzen der Warzen sind so bedeutend, dass man
unmöglich annehmen kann, hier werde bedeutend resorbirt.
Durch die Dicke der Epithelschicht des Psalters ist es bedingt,
dass die Blutgefäss- und Lymphgefässcapillaren weit von dem zu
Resorbirenden entfernt sind, namentlich die Lymphgetässe, die unter
den Blutgefässen liegen. Das Verhalten der Gefasse ist nicht wie an
einem Resorptionsorgan, sondern wie an der äusseren Haut.
So geht also aus dem anatomischen Bau unzweifelhaft hervor,
dass der Psalter für die Function der Resorption nicht günstig ge¬
baut ist.
Um aber eine noch festere Basis für mein Urtheil zu gewinnen,
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ELLENBERGER,
gedachte ich, dieser Frage auch experimentell näher zu treten, um
den Beweis für die Richtigkeit der Deutung der anatomischen Facta
erbringen zu können. Zu diesem Zweck müssten nach meiner Ansicht
folgende Wege eingeschlagen werden. Einmal könnte die Labmagen-
ötfnung unterbunden werden, damit das Abfliessen der Flüssigkeit
verhindert würde, darauf müsste eine Untersuchung des Psalterinhalts
stattfinden; zweitens würden beide Oeffnungen abzubinden sein, damit
der Psalter ganz isolirt ist, und dann würde durch Injection einer im
Blute leicht nachweisbaren Masse von der Brücke aus die Geschwin¬
digkeit etc. der Resorption zu beweisen sein; und endlich drittens
könnte durch Anlegung einer Fistel an der Labmagenöffnung die Con-
sistenz etc. des aus dem Psalter etc. Austretenden ermittelt werden.
Die Schwierigkeiten, welche sich der Ausführung dieser Opera¬
tionen entgegenstellten und auf die näher einzugehen überflüssig sein
dürfte, Hessen mich schliesslich auf diesen Weg verzichten. Vielleicht
gelingt es mir später, die Operationen auszuführen, oder vielleicht
wird ein geschickterer College durch meinen Artikel angeregt, diese
oder andere zu demselben Ziele führenden Operationen vorzunehraen.
Vorläufig musste ich mich damit begnügen, auf einem anderen
Wege weitere experimentelle Beiträge zur Lösung der betreffenden
Frage zu liefern.
Ich beschloss, das Diffusions vermögen verschiedener thierischer
Häute zu prüfen und mit dem der Psalterschleimhaut zu vergleichen,
um auf diesem Wege einen Fingerzeig für die Resorptionsfahigkeit
der Psalterschleimhaut zu gewinnen. Die Diffusibilität einer Membran
steht natürlich stets im Verhältniss zu ihrer Resorptionsfähigkeit.
Vorversuch.
Es wurden drei an beiden Enden offene Cylinder von gleicher Stärke an
dem einen Ende mit je einem Stück der Schleimhaut vom Dickdarm, vom Psalter
und vom ersten Magen überspannt. In jeden Cylinder wurden 40 Grm. einer
CarminlÖsung eingebracht. Die an der anderen Seite offenen Cylinder tauchten
mit dem geschlossenen Ende in Bechergläser, welche mit einer Z / A procentigen
Kochsalzlösung gefüllt waren, und zwar so tief, dass der Flüssigkeitsspiegel im
Cylinder in einer Ebene mit dem im Becher sich befand.
Nach 5 Stunden war die Darmschleimhaut roth tingirt, die anderen Häute
und die Flüssigkeiten im Becher unverändert. Nach 20 Stunden waren auch die
anderen Häute, aber leichter gefärbt.
Nun brachten wir zur CarminlÖsung eine Lösung von Natrum sulfuricum.
Schon nach 2 Stunden war im Becher die Schwefelsäure nachweisbar, am stärk¬
sten da, wo die Darmhaut übergespannt war.
Nach ca. 30 Stunden wurden, weil noch keine Färbung in den Bechern
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer. 49
nachweisbar war, die Cylinder gehoben, sodass nur ihr unteres Ende eintauohte
und so aus der Diffusion Filtration wurde. Nach 15 Stunden war durch die
Schleimhaut vom ersten und dritten Magen ca. 3 / 4 der Carminlösung durchge¬
treten; durch den Darm nur Spuren und zwar deshalb, weil die Submucosa eine
Fettschicht enthielt, die nicht abpräparirt werden konnte.
Nach dem Abnehmen der Häute zeigte sich die Schleimhaut des Darms sehr
stark, die des ersten und dritten Magens nur schwach gefärbt. Die Darmschleim-
haut hatte sich am raschesten imbibirt; sie liess aber wegen der Fettschicht in
der Submucosa keine gefärbte wässerige Flüssigkeit durch.
Bemerkt sei noch, dass, wie in dem oben beschriebenen Vorversuch, so auch
in den noch anzugebenden Experimenten, die Schleimhäute stets so aufgebunden
wurden, dass ihre Epithelschicht der im Cylinder enthaltenen Flüssigkeit zuge¬
kehrt war.
Nach diesem Vorversuch wurden nun mit denselben Häuten Diffusionsver¬
suche zur quantitativen Bestimmung ihrer Durchlässigkeit gemacht; Herr Dr. Hof¬
meister, demichzu besonderem Dank für seine vielfache freundliche Unterstützung
bei meiner Arbeit verpflichtet bin, hatte die Güte, sich der Mühe dieser Bestimmun¬
gen zu unterziehen. Da die Schleimhaut des Rinderdarms sehr schwer abzupräpa-
riren war, so verwandte ich Schleimhaut vom Pferdedarm und die gesammte
Darmwand vom Rinde, sodass stets vier Versuche nebeneinander gemacht wurden.
Es wurde das eine offene Ende der gleich weiten Cylinder mit einem Stück
der Schleimhaut vom Pferdedarm, Psalter, Wanst und der gesammten Darmwand
des Rindes geschlossen. Die Psalterschleimhaut wurde durch Spaltung eines
Blattes gewonnen. In die Cylinder kam eine bestimmte Quantität einer bekann¬
ten Lösung, ebenso in ein Becherglas eine bestimmte Menge einer anderen Lösung
(meist Kochsalz). Die Cylinder wurden so tief in die Becher eingetaucht, dass
die Flüssigkeitssäulen in gleichem Niveau standen (Dialysator).
Die Becher befanden sich auf dem Wasserbade. Die Lösungen waren der¬
art, dass sie möglichst wenig fremdartig auf die Häute wirken konnten. Die
Cylinder zeigten einen Durchmesser von 2,2 Ctm., der untere Rand einen solchen
von 3,2 Ctm. Die Höhe der Säule im Cylinder betrug bei 40 Grm. 9,5 Ctm.
Versuch I.
A. Mit Schleimhaut vom dritten Magen:
265 Grm. 3 / 4 procentiger ClNa-Losung im Becher,
40 „ „ schwefelsaures Natron im Cylinder.
B. Schleimhaut vom ersten Magen:
300 Grm. obiger Lösung im Becher,
40 „ der schwefelsauren Natronlösung im Cylinder.
C. Dickdarmwand vom Rinde:
250 : 40 Grm.
D. Dannschleimhaut vom Pferde*.
250 : 40 Grm.
Nach 2 Stunden konnte im Becher D bereits starke Schwefelsäurereaction
nachgewiesen werden. Nach 4 Stunden schwache Reaction bei C. Nach 7 Stun¬
den schwache Reaction bei A und B.
Archiv t. wicccnach. u. pr&kt. ThierheUk. VII. 1 u. f. 4
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ELLENBERGER,
Nach 22 Stunden wurde der Versuch unterbrochen und die quantitative
Bestimmung vorgenommen. Dieselbe ergab Folgendes*.
Die Darmschleimhaut hatte durchgelassen 0,12 Grm. S0 4 Na
Magen III „ » 0,04 „ „
Magen I * * 0,03 „ „
die Dickdarmwand * r 0,03 * ,,
3
Versuch II.
Es wurde umgekehrt wie bei Versuch I verfahren, also 40 Grm. Kochsalz
in die Cylinder und schwefelsaure Lösung in die Becher gebracht, sodass das
Epithel jetzt der Kochsalzlösung zugekehrt war.
Die Ergebnisse der Prüfungen auf die Kochsalzreaction waren ungefähr die¬
selben, wie in Versuch I. Die Analyse, welche nach 20 ständiger Diffusion vor¬
genommen wurde, ergab Folgendes.
Durch die Schleimhaut vom Magen III war diffundirt 0,08 Grm. CI Na
durch dieselbe vom Magen I * „ 0,17 „ *
durch die Mastdarmwand „ „ 0,05 „ „
durch die Darmschleimhaut „ „ 0,145 „ „
Die beiden vorstehenden Versuche ergaben demnach, dass
durch die Darmschleimhaut das Dreifache von schwefelsaurem Na¬
tron und das Doppelte vom Kochsalz diffundirt war, als von Ma¬
gen I und III. Die gesammte Dickdarmwand diffundirte weniger als die Magen¬
schleimhaut, und die Schleimhaut von Magen I ein wenig schlechter als die von
Magen III.
Versuch III.
In Ermangelung von Schleimhaut des Pferdedarms wurde nur mit Schleim¬
haut vom ersten und dritten Magen und der Darmwand des Rindes experimentirt,
indem in jeden Cylinder 40 Grm. einer 3 / 4 procentigen Kochsalzlösung, zu der
2 Grm. Traubenzucker zugesetzt waren, eingebracht wurden. In die Becher ka¬
men 300 Grm. der einfachen 3 / 4 procentigen Kochsalzlösung.
Nach 22 Stunden war in den Bechern noch keine Zuckerreaction einge¬
treten, die Flüssigkeitssäule in den Cylindern dagegen gestiegen.
Versuch IV.
Die mit den genannten Häuten verschlossenen und wie angegeben gefüllten
Cylinder wurden, weil der Diffusionsversuch kein Resultat ergab, gehoben, sodass
nur noch die unteren Enden eintauchten. (Zu bemerken ist, dass die Häute sich
schon 22 Stunden in warmem [30 °] Wasser befanden, dass also das Epithel
schon stark macerirt sein musste.)
Nach 17 Stunden waren diffundirt:
durch Magen I 0,124 Grm. Zueker,
durch den Darm 0,35 „ „
durch Magen III 0,66 ,, ,,
Zur Controle des vorstehenden Versuchs stellten wir einen neuen Filtrir-
versuch mit frischer Psalterschleimhaut an. Nach 24 Stunden war die Flüssig-
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
51
keit im Cylinder um ca. 5 Mm. gestiegen. Im Becher schwache Zuckerreaction.
Nach 30 Stunden waren 42 Grm. anstatt 40 Grm. im Cylinder; in den Becher
waren nach dieser Zeit nur 0,08 Grm. Zucker filtrirt.
So gross war also der Unterschied der Diffusibilität der frischen zur alten
Psalterschleimhaut.
Versuch V.
Zur weiteren Fesstellung der Diffusibilität des Zuckers nahmen wir noch¬
mals einen Diffusionsversuch vor und zwar mit der Schleimhaut des Pferde¬
darms und alter Psalterschleimhaut. Diese war 5 Tage alt, aber im Kalten
aufbewahrt worden, im Gegensatz zu der Schleimhaut in Versuch IV, die im
warmen Wasser sich befunden hatte.
Nach 3 Stunden zeigte die Flüssigkeit in dem Becher, in welchem sich der
mit Darmschleimhaut geschlossene Cylinder befand, allerdings schon sehr deut¬
liche Zuckerreaction. Nach 23 Stunden dagegen erst schwache Reaction bei
Magen III. ln 24 Stunden hatte die Darmschleimhaut 0,9 Grm. Zucker durch¬
gelassen, die Schleimhaut vom dritten Magen nach 60 Stunden erst 0,2 Grm.;
dagegen war die Flüssigkeit im Cylinder nach 60 Stunden um 6 Grm. vermehrt.
Es geht aus diesen Versuchen hervor, dass für eine Zucker¬
lösung die Diffusionsfähigkeit der Darmschleimhaut um das Vier¬
fache höher ist als die der Psalterschleimhaut.
Versuch VI
wurde angestellt, um das Diffusionsvermögen der genannten Häute gegen lös¬
liche Eiweissstoffe, speciell gegen Peptone zu prüfen.
Es wurden Eiweisswürfel durch künstliches Pepsin im Brütofen verdaut.
Von der entstandenen Peptonlösung wurden je 40 Grm. in die respectiven Cy¬
linder, die an der einen Seite mit den betreffenden Membranen verschlossen
waren, gefüllt. Im Becher befand sich 3 / 4 procentige Kochsalzlösung.
Der Versuch wurde angestellt mit Schleimhaut vom Psalter, Wanst und der
Darmwand vom Rinde. Die Becherflüssigkeit zeigte nach 30 Stunden noch keine
Peptonreaction.
Versuch VII.
Mit denselben Mitteln wurde ein Filtrations versuch gemacht; nach 20 Stun¬
den Peptonreaction in der Becherflüssigkeit, in welche der mit Darmwand ver¬
schlossene Cylinder eintauchte, nach 30 Stunden in allen drei Bechern.
Die nach 48stündiger Dauer des Versuchs vorgenommene Untersuchung
ergab, dass bei Magen III im Cylinder noch 30 Grm., beim Darm noch 32 Grm.,
bei Magen I noch 30 Grm. Flüssigkeit vorhanden waren.
Die N-Bestimmung ergab, dass diffundirt waren durch:
Magen III 0,87 Grm. Eiweiss
Magen I 0,525 „ „
Darm 0,760 „ „
Es waren ursprünglich in den Cylindern 1,513 Grm., nach dem Versuch
in Cylinder:
4*
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52
ELLENBERGER,
Magen I 0,988 Grm.,
Magen HI 0,636 *
Darm 0,753 *
Versuch VIII.
Mit der Darmschleimhaut vom Pferde wurde ein Diffusionsversuch mit der
Peptonlösung gemacht. Schon nach 2 Stunden war schwache Reaction mit
Phosphorwolframsäure nachweisbar, während die mit Kupfervitriol und Kali noch
nicht eintrat , ). Nach 24 Stunden war diese stark, die Reaction mit Kupfer und
Kali aber nur angedeutet. Nach 30 Stunden war auch diese Reaction besser
wahrnehmbar.
Nach 48 Stunden waren diffundirt:
0,692 Grm. (oben vor dem Versuch 1,620 Grm., oben nach dem Ver¬
such 0,928 Grm.
Diese Versuche ergeben also, dass durch die Darmschleim-
haut in derselben Zeit nahezu ebenso viel Pepton diffun-
dirte, wie durch die anderen Häute filtrirte, und dass durch
die Darmschleimhaut schon nach 2 Stunden Pepton diffun-
dirte, während bei den anderen Häuten nach 30 Stunden
noch keine Spur durchgegangen war. Es ist also, wie alle
Versuche ergeben, die Darmschleimhaut bei weitem am durchlässig¬
sten. Der Psalter ist nur sehr wenig durchlässiger als der Wanst.
In Bezug auf die Durchlässigkeit der Psalterschleimhaut, namentlich
in dem Verhältnis zur gesammten Darmwand, fällt auf, dass erstere
zuerst schwächer durchlässt als jene; die Reactionen der zu diffun-
direnden Salze wurden stets zuerst beim Darm nachgewiesen. Später
aber kehrte sich das Verhältnis um, und der Psalter liess mehr durch
als die aus verschiedenen Häuten bestehende dicke Darmwand. Es
bietet also offenbar das Epithel des dritten Magens der Diffusion be¬
deutende Schwierigkeiten, und erst wenn dieses durchdrungen, wenn
es erweicht ist, lässt die sehr dünne Schleimhaut gut durch. Es tritt
dies namentlich im Versuch IV hervor. Während die frische Schleim¬
haut in 30 Stunden nur 0,08 Grm. Zucker durchliess, gingen durch
die alte, 24 Stunden im warmen Wasser macerirte Schleimhaut
1 ) Zur Erklärung dieser Thatsache diente uns folgender Versuch: Zu 20
Grm. einer 3 / 4 procentigen Kochsalzlösung wurde tropfenweise eine bekannte
Peptonlösung zugesetzt. Bei 10 Tropfen Zusatz trat deutlicher Niederschlag
(ähnlich wie in Versuch VIII) von Phosphorwolframsäure auf, während auf Zusatz
von Kalilauge und Kupfervitriollösung die bekannte Peptonreaction noch nicht
eintrat; erst nach stärkerem Zusatz der Peptonlösung trat auoh diese auf.
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
53
0,66 Gran. Zucker. Die Schleimhaut in Versuch VI war 5 Tage im
Kalten aufbewahrt worden; sie war nicht so durchlässig, wie die
24 Stunden in feuchter Wärme auf bewahrte, aber durchlässiger als
die frische Psalterschleimhaut.
Für unseren Zweck folgt aus vorstehenden Versuchen, dass die
frische Psalterschleimhaut im Gegensatz zur Darmschleim¬
haut sehr schwer durchlässig ist, sodass nicht anzunehmen,
dass sie gut resorbirt.
Wie Fürstenberg angiebt und wie ich zugebe, findet man im
Psalterepithel kleine Fettkörnchen. Daraus schliesst derselbe, dass
Fett im Psalter resorbirt werde. Dieser Schluss erscheint mir nicht
genügend basirt. Die Fetttröpfchen sind in der That, aber nur ver¬
einzelt, vorhanden. Fürstenberg hebt auch ausdrücklich hervor,
dass das Haubenepithel bedeutend mehr Fettmolecüle enthalte, als
das Psalterepithel.
Ob das Fett von aussen in die Zellen eingedrungen ist, konnte
ich nicht constatiren. Ich gab Schafen neben ihrem gewöhnlichen
Futter Fett, Fettemulsionen und mit Alcannaroth stark tingirte Fett¬
emulsionen, konnte aber keine Zunahme der Fettmolecüle in den
Zellen, noch auch gefärbte Fettröpfchen in denselben nachweisen.
So dürfte im Grossen und Ganzen aus Vorstehendem hervor¬
gehen, dass im Psalter keine bedeutende Resorption, wie dies neuere
Autoren glauben, vor sich geht
Eine chemische Untersuchung des Psalterinhalts, um den Gehalt
an gelösten Nährstoffen der vorderen mit den hinteren Massen zu
vergleichen, erschien mir absolut werthlos. Es kann dies für unsere
Frage nichts beweisen. Es würde daraus nur folgen, dass im Lab-
magentheil weniger von den betreffenden Stoffen vorhanden, nicht
aber, ob sie abgeflossen oder ob sie resorbirt sind.
Es bleibt uns nun noch die Frage 1 zu beantworten.
Hierzu ist zu bemerken, dass meine Untersuchungen in Ueber-
einstimraung mit den Resultaten aller neueren Forschungen ergeben
haben, dass die Schleimhaut der Blätter weder Drüsen noch Lymph-
follikel enthält. Ebenso wenig zeigt das Psalterepithel den Charakter
eines Secretionsepithels, noch zeigen die Gefässe den Verlauf, wie sie
ihn in Secretionsorganen zu haben pflegen. Die anatomischen Eigen¬
schaften verneinen demnach die Frage 1. Zum Erweise der Richtig¬
keit dieser Antwort dienten mir einige Experimente,
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54
ELLENBERGER,
Versuch I.
Die Schleimhaut des dritten Magens eines frisch geschlachteten Thieres
wurde abpräparirt, gut verkleinert und mit Glycerin übergossen. Das Ganze
wurde öfters umgerührt und blieb 24 Stunden stehen. Dann wurde die Masse
durch ein Seihtuch ausgepresst. 2 Grm. des ausgepressten Saftes wurden mit
1 Grm. geronnenen Hühnereiweisses und 20 Ccm. einer 0,2procentigen Salz¬
säurelösung in den Verdauungsofen gestellt.
Zur Controle geschah dasselbe auch mit der Labmagenschleimhaut dessel¬
ben Thieres und wurde auch in einem 3. Gefäss 1 Grm. festes Hühnereiweiss
mit 20 Grm. Pepsinwein und 5 Grm. der 0,2procentigen Salzsäure in den Ofen
eingesetzt.
Nach ca. 20 Stunden hatte der Labsaft das Eiweiss vollständig gelöst, der
Pepsinwein vollbrachte dasselbe erst nach einigen Tagen. Dagegen waren die
der Einwirkung des Psaltersaftes ausgesetzten Eiweisswürfel noch nach 5 Tagen
ganz und gar unverändert.
Versuch II.
Derselbe Versuch wurde mit den Glycerinextracten aus den genannten
Schleimhäuten nach fünftägiger Einwirkung des Glycerins angestellt.
Nach 24 Stunden war das der Einwirkung des Labsaftes ausgesetzte Eiweiss
vollständig gelöst; die Flüssigkeit zeigte die schönste Peptonreaction. Durch den
Psaltersaft war das Eiweiss nicht verändert, auch war keine Peptonreaction vor¬
handen. Nach 72 Stunden hatte der Pepsinwein das Eiweiss gelöst, im Psalter¬
saft -f- Eiweiss noch keine Peptonreaction.
Versuch III.
Es wurde der nach 24 ständiger Extraction gewonnene Glycerinauszug mit
Stärkekleister in den Verdauungsofen eingestellt. Nach 36 Stunden war noch
keine Zuckerreaction nachweisbar.
Versuch IV.
Der nach 5 tägiger Extraction dargestellte Psalterglycerinauszug wurde
ebenso mit Stärkekleister angesetzt.
Zur Controle gelangte in den Brütofen: 2) destilirtes Wasser mit Kleister,
3) Labsaft mit Kleister, 4) Stückchen glatter Musculatur -f- Wasser -j- Stärke.
Nach 36 Stunden war in keiner Flüssigkeit Zucker vorhanden. Nach 48
Stunden trat allmälig in allen 4 Gefässen Zucker auf.
Diese wenigen Experimente beweisen zur Genüge, dass
die Psalterschleimhaut kein verdauendes Secret producirt.
IV. Resum6.
Die im Vorstehenden niedergelegten Thatsachen begründen, wie
die an dieselben geknüpften Betrachtungen lehren, folgende Sätze:
1. Der Psalter hat keine secernirende Function.
2. Chemische Verdauungsprocesse finden in ihm nur insoweit
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
55
statt, als dieselben durch den verschluckten, den Nahrungsmitteln
beigemischten Speichel und die im Pansen eingeleiteten Gährungs-
und Fäulnissprocesse statthaben müssen.
3. Der Psalter ist ein Kaumagen, ein Zerkleinerungs-,
Zermalmungsapparat. Er hat namentlich das zu verkleinern, was
der Rumination entgangen ist Durch seine Thätigkeit kann die Ru-
mination zum kleinen Theil ersetzt werden. Er verhindert den Ein¬
tritt grob zerkleinerter Massen in den Labmagen, er sorgt dafür, dass
nur solche Massen in den Labmagen gelangen, welche die Schleim¬
haut nicht lädiren können und welche so verkleinert sind, dass sie
dem verdauenden Labsaft, Magensaft, möglichst zugänglich sind.
4. Für die Ausübung der vorgenannten Function ist der Psalter
mit automatischen Centren ausgestattet.
5. Die Psalterschleimhaut ist anatomisch sehr ungün¬
stig für die Function der Resorption eingerichtet, schwer
imbibirbar und schwer permeabel für flüssige Nähr¬
stoffe. Demnach ist nicht anzunehmen, dass die Exsicca-
tion des Psalterinhalts durch Resorption des Flüssigen zu
Stande kommt.
6. Der Psalterinhalt, der Inhalt der Psalterkammern ist trockener,
enthält weniger Flüssigkeit als der Inhalt der anderen Mägen. Diese
Thatsache findet darin ihre Erklärung, dass einmal ein grosser Theil
der Flüssigkeiten direct die Psalterrinne entlang nach dem Labmagen
abfliesst, ohne in die Psalterkammern einzutreten, dass also weniger
Flüssigkeit in die Kammern kommt, und sodann darin, dass die
Futtermassen in den Kammern sowohl durch freiwilliges
als durch Pressen veranlasstes Abfliessen der Flüssigkeit
trockener werden. Das freiwillige Abfliessen des Wassers nach unten
muss ebenso sicher stattfinden, wie aus einem Brei, den man in einem
Seihtuch aufhängt, das Wasser abfliesst. Drückt man das Tuch me¬
chanisch zusammen, so wird der Wasserabfluss bedeutend gesteigert.
Gerade so ist es im Psalter. Der Wasserverlust seines Inhalts
ist wesentlich die Folge des Auspressens der in seinen
Kammern gelegenen Futterküchen durch die Contractionen
der Psalterwand, speciell ihrer Ringfaserschicht und durch Druck
von aussen. Der Wasserverlust, der durch Resorption stattfindet, ist
nur ein unbedeutender. Bei sehr langem, krankhaftem Verweilen
der Nahrungsmittel daselbst würde allerdings auch dieser Verlust mit
in Anrechnung zu bringen sein.
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56
ELLENBERGER,
Zweck der im Psalter stattfindenden Exsiccation ist einmal der,
die trockneren Futtermassen verreibbarer durch die der Schmiede¬
raspel ähnlich wirkenden Labmagentheile der Blätter zu machen; so¬
dann aber wesentlich wohl, die Einwirkung des Magensaftes des Lab¬
magens im möglichst concentrirten Zustande zu veranlassen. Die ab¬
geflossenen Flüssigkeiten werden vom Labmagen rasch resorbirt oder
nach dem Darm geschafft, sodass durch sie eine Verdünung des Ma¬
gensaftes nicht mehr stattfinden kann und die anlangenden trockenen
Futtermassen demnach mit möglichst wenig verdünntem Magensaft
durchtränkt werden.
Wenn behauptet wird, die Austrocknung habe den Zweck, eine
Rückstauung des Labmageninhalts in die ersten Mägen beim Wieder¬
kauen zu verhindern, so ist das wohl nicht sehr ernst zu nehmen.
Der Rücktritt durch den unteren Canal wäre auch trotz der Austrock¬
nung möglich. Hier hindert ihn der Sphincter und das Velum, an
der Haubenpsalteröffnung die zusammengedrehte Schlundrinne (Le¬
rn oigne) u. s. w. Ein Eintritt bedeutenderer Massen von Chymus
in die Kammerräume vom Labmagen aus ist schon bei der geringsten
Contraction des Psalters unmöglich. Dazu bedarf es nicht der trock¬
nen Futtermassen. Ausserdem ist es höchst unwahrscheinlich, dass
die Natur einen so umständlichen Weg einschlagen würde, einen so
complicirten Magen (als Resorptionsorgan) einzuschieben, um die Rück¬
stauung des Inhalts zu verhindern, wo die einfachste Klappenvorrich¬
tung dasselbe zu leisten vermag.
Ehe ich den Gegenstand verlasse, dürfte noch die Frage zu er¬
ledigen sein: woher es kommt, dass bei Krankheiten, die mit pare-
tischen und paralytischen Zuständen der ersten Mägen verbunden sind,
der Psalterinhalt so sehr trocken wird?
Die Gründe für diese Thatsache liegen sehr nahe. Gerade so
gut wie ein stark angefeuchteter Brei, der in einem Gefäss aufgehängt
wird, dessen Boden porös, durchlässig ist, allmälig austrocknet, so
geschieht dies auch im Psalter, woselbst die Futterküchen bei den
gedachten Krankheitszuständen sehr lange verweilen. Durch den sehr
langen Aufenthalt des Futters im Psalter wird auch die an und für
sich unbedeutende Resorption ein Factor, der für die Erklärung der
Austrocknung Bedeutung gewinnt. Wenn in einer gewissen Zeitein¬
heit auch sehr wenig resorbirt wird, so summirt sich das nicht unbe¬
deutend, wenn das Futter lange verweilt.
Dazu kommt aber vor Allem, dass die unter normalen Ver-
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Anatomie u. Physiologie des dritten Magens der Wiederkäuer.
57
hältnissen stattfindende Durchfeuchtung des Kamraorin-
halts und der Nachschub wasserreicher Futtermassen un¬
terbleibt.
Beim Wiederkauen fliesst jedesmal, sobald der Bissen unter dem
Gaumensegel durch in die Maulhöhle tritt, ein Flüssigkeitsschluck (die
durch Druck aus dem Bissen ausgepresste Flüssigkeit) nach den
Mägen zurück (Fürstenberg). Diese Flüssigkeit geht offenbar zum
grössten Theil die Schlund- und Psalterrinne entlang, direct in den
Labmagen, ein kleiner Theil tritt aber vermöge der Attraction der
Flüssigkeitstheilchen in die Kammern des Psalters ein. Da bei den
gedachten Krankheiten das Wiederkauen sistirt, so findet auch diese
Durchfeuchtung des Psalterinhalts nicht mehr statt.
Das Wesentlichste aber bleibt, dass keine Futtermassen mehr
nachgeschoben werden. Die neu ankommenden Futterbissen sind reich
an Flüssigkeit; sie sind es, die die Austrocknung im Psalter verhin¬
dern. Mag man nun annehmen, dass die durchfeuchteten Massen,
welche in die Psalterkammern eintreten, direct aus der Maulhöhle
die Schlundrinne entlang kommen, oder mag man annehmen, dass
jedesmal beim Hinauf befördern eines Bissens aus dem Pansen gleich¬
zeitig aus der Haube ein Bissen in die Schlundrinne gehoben wird
zur Beförderung in den Psalter, oder mag man annehmen, dass dieses
letztere nach vollbrachtem Wiederkauen in der Zwischenzeit zwischen
diesem und der neuen Fütterung geschieht, in jedem Falle unterbleibt
dieser Nachschub in den Psalter bei den gedachten Krankheiten, weil
Pansen und Haube unthätig sind. Ehe die Haube vollständig unthätig
ist, contrahirt sie sich nur noch unvollständig und heht also Flüssig¬
keiten und feste Stoffe nur bis auf die Brücke, die sie gleich zum Lab¬
magen befördert. Also schon vor Eintritt der vollständigen Unthätig-
keit unterbleibt der Eintritt feuchter Massen in die Psalterkammern.
Die angeführten Gründe erklären die Thatsache der Austrocknung
des Psalterinhalts bei den gedachten Krankheiten zur Genüge.
Erklärung der Hgiren (Taf. I).
Figur 1. Schematische Darstellung des Verhaltens der Blätter und der in
den Kammern gelegenen Futterküchen. Die Randwülste, Leisten und Warzen sind
absichtlich sehr scharf markirt. Die PsalterrinDe ist unten angedeutet. Die Schat-
tirung links deutet die Fällung einer Primärkammer mit Futtermassen an.
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58
ELLENBERGER, Anatomie u. Physiologie etc.
Figur 2. Querschnitt durch die Psalterwand und den Anfang eines Blattes.
a) Hornschicht,
b) weiche Zellschicht auf der Propria mucosae,
c) Muscularis mucosae,
d) Submucosa,
e) Kreisfaserschicht der Muscularis,
f) Längsfaserschicht derselben,
g) Serosa,
h) Seitenmusculatur des Blattes,
i) Centralmusculatur desselben.
Figur 3. Ende eines Blattes. Querschnitt.
a) die Centralmusculatur, welche am Muskelwulst endet,
b) der durch Anhäufung der Seitenmusculatur entstandene Muskel¬
wulst (Randwulst).
Figur 4. Längsschnitt durch ein Blatt, dessen Epithel durch Verdauung
entfernt ist. Tinction mit Hämotoxylin.
a) Centralmusculatur,
b) Seitenmusculatur,
c) makroskopische Papille, welche mit einer Anzahl
d) mikroskopischer Papillen ausgestattet ist,
e) Muskelzug,
f) Blutgefässe.
Man sieht fixe und mobile Bindegewebszellen im elastischen Netz. Der grösste
Theil des Bindegewebes ist durchsichtig geworden durch die Säurewirkung etc.
Figur 5. Längsschnitt eines Blattes mit Blut- und Lymphgefässen.
a) Blutgefässe, gefüllt mit Berlinerblau. In jeder makroskopischen
Papille befindet sich ein Capillarnetz, welches vom Seitengefäss, das
durch Vereinigung von Aesten des Centralgefässes gebildet wird,
entsteht.
b) Lymphgefässe, durch Einstichinjection dargestellt.
Figur 6. Ein Theil des Nervennetzes aus den Blättern mit einer Faser
mit spindelförmiger Anschwellung.
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III.
Zar Dostrung des StrychniimitratB bei suboutaner und
interner Anwendung.
Von
Professor Feser in München.
(Fortsetzung.)
f. Versiehe mit ludeu.
Für diese Thierart habe ich die meisten Versuche (53) aufzu¬
weisen und die Versuche ihrem Zwecke gemäss am sorgfältigsten
systematisch aneinander gereiht. Auf die einmalige SubcutananWendung
treffen 30, auf die einmalige interne Gebrauchsweise 17, auf die
Prüfung der Cumulativwirkung 6 Versuche bei Hunden.
Um das Versuchsmaterial gehörig auszunutzen, kamen mehrere
Hunde öfter an die Reihe, und es wurde hier nur allmälig zur Ein¬
verleibung grösserer Dosen geschritten, wobei aber zur Ausschliessung
jeder cumulativen Wirkung die nöthige Zwischenzeit in der Aufeinander¬
folge der Versuche gelassen wurde.
Die Hunde wurden stets in reiner Fleischkost gehalten und diese
so eingerichtet, dass das Körpergewicht innerhalb der Versuchszeit
sich nicht oder nur unwesentlich änderte.
a) Subcutanversuche mit Strychninnitrat bei Hunden.
I. 0,1 Mgrm. pro Kilo Hund subcutan.
1) Ein sehr kräftiger Jagdhund (Bragge), 6 Jahr alt, 13 Kilo
schwer, erhielt 1,3 Mgrm. Strychninnitrat in 2,6 Cctm. Wasser in die
Subcutis auf einmal injicirt.
Ausser deutlicher Steifigkeit der Oberschenkelmuskeln und dadurch be¬
dingtem weitem Gang mit dem Hintertheil konnte nichts bemerkt werden. Diese
Wirkung währte nur l / 2 Stunde,
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60
FESER,
2) Ein 7,7 Kilo schwerer, sehr alter, entkräfteter Rattenfänger
erhielt subcutan 0,77 Mgrm. St. n. in V/ 2 Cctm. Wasser.
Erst nach 40 Minuten deutlich höhere Erregbarkeit von etwa 5 Minuten
Dauer. Zu Krämpfen kam es nicht.
3) Sechsjähriger Hofhund, 36 Kilo schwer. Vor zwei Tagen zu
Vers. 6 benutzt. Erhielt 3,6 Mgrm. St. n. in 0,7 Cctm. Wasser sub¬
cutan.
Nach 20 Minuten leichte Zuckungen im Hintertheil beim Anrühren, er¬
schwertes Aufstehen, sehr beschleunigte Respiration. Gang blieb frei. Dauer
der erwähnten leichten Wirkung 17 Minuten.
II. 0,2 Mgrm. pro Kilo Hund subcutan.
4) Derselbe Hund, welcher zu Vers. 1 mit 0,1 Mgrm. pro Kilo
subcutan diente, erhielt Tags darauf 2,6 Mgrm. St. n. in 1 Cctm.
Wasser subcutan, somit 0,2 Mgrm. pro Kilo Körpergewicht.
9 Minuten darnach begannen die Krämpfe im Hintertheil, kenntlich durch
steifen Gang.
Nach 13 Minuten zeigten sich schon leichte, tetanische Anfälle auf Ge¬
räusche am stehenden Thier, die sich nach 23 Min. zum heftigen Starrkrampf
unter Hinstürzen des Thieres steigerten. Nach 38 Min. konnte das Thier wieder
aufstehen und sich stehend erhalten, die Krämpfe blieben nun leichter und sel¬
tener und Hessen sich noch bis 3 Stunden nach der Einverleibung des Giftes
beobachten.
5) Derselbe Hund, welcher in Vers. 2 benutzt wurde, erhielt
2 Tage später 1,54 Mgrm. St. n. in 0,6 Cctm. Wasser subcutan.
Dies hatte ganz bedeutende Wirkungen zur Folge. Sie begannen erst nach
30 Min. mit einem Brechakt, dem sofort ein colossaler Starrkrampfanfall mit
Niederstürzen des Thieres folgte. Der Tetanus währte nur 1 Minute und konnte
sich das Thier bald wieder erheben; das Niedersetzen war erschwert und durch
Geräusche entstanden kurze tonische Krämpfe. Nach 50 Min. trat ein zweiter,
sehr heftiger, langandauernder, allgemeiner Tetanus auf, dem ein so bedeutender
Lähmungszustand folgte, dass ich das Thier todt glaubte. Die Respiration sistirte,
der Herzschlag wurde schwach und seltener, am Auge keine Reflexerregbarkeit
mehr; durch Drücken auf die Brustwandungen kam die Respiration allmälig
wieder in Gang, und das Thier konnte sich nach und nach wieder vorne erheben.
Nun folgte ein Stadium grosser Schwäche mit gesteigerter Reflexerregbarkeit von
sehr langer Dauer. Noch nach 7 1 / 2 Stunden seit der Strychnininjection zeigten
sich auf Geräusche kurze tonische Krampfanfälle, die das Erheben mit dem
Hintertheil sehr erschwerten, und das Thier verfiel schliesslich in einen comatösen
Zustand, der mit dem Tode endete — 15 Stunden nach Application des Giftes.
Das Cadaver wog 6,75 Kilo, nach Entfernung des Magen und Darmkanals —
die völlig leer und contrahirt waren — noch 6,12 Kilo.
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Dosirung des Strychninnitrats.
61
6) Sechsjähriger Hofhund, 36 Kilo schwer. Erhielt subcutan
7,2 Strychninsalz in 1,44 Cctm. Wasser um 10 Uhr 3 Min.
10 Uhr 19 Min. beginnen die Krämpfe.
10 - 21 - Auf Geräusche starkes Zusammenkrämpfen. Niedersetzen
sehr erschwert.
Allgemeiner heftiger Tetanus. Zusammenstürzen.
Ruhepause. Wiederaufrichten im Vordertheil. Beschleu¬
nigte Respiration.
Kann aufstehen. Noch steif im Hintertheil.
Noch höhere Reflexerregbarkeit mit Krämpfen.
Auf Geräusch heftigen Starrkrampfanfall und Zusammen¬
stürzen yoq kurzer Dauer. Kann sich sofort wieder
erheben.
Seither noch geringe, kurzdauernde Reflexkrämpfe.
Krämpfe fehlen. Zittern im Hintertheil.
Jede Wirkung vorüber.
10
10
10
10
11
12
12
1
25
26
34
45
- 30
DI. 0,3 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo Hund subcutan.
7) Eine 25 Kilo schwere männliche Dogge, 1 Jahr alt, mit halb
gelähmtem Hintertheil, erhielt 7 Mgrm. St. n. in 0,7 Cctm. Wasser
subcutan.
Nach 6 Minuten schon leichte Krämpfe.
- 7 - Heftige tetanische Anfälle.
- 12 - Todt.
8) Eine 29 Kilo schwere, gut genährte, kräftige halbjährige Dogge,
männlich, erhielt subcutan 8,7 Mgrm. in 1,74 Cctm. Wasser.
Beginn der Wirkung nach 27 Minuten.
Erster Starrkrampfanfall mit Niederstürzen nach 33 Minuten.
Dauer der Wirkung im Ganzen: 5 Stunden.
Volle 3 Stunden lag das Thier am Boden mit colossal erhöhter Reflexerreg¬
barkeit, in Folge welcher ständige Krampfanfälle mit kurzen Ruhepausen ab¬
wechselten. Ausgang in Genesung.
9) Derselbe Hund, 13 Kilo schwer, welcher in Vers. 1 subcutan
0,1 Mgrm. pro Kilo, in Vers. 3 0,2 Mgrm. pro Kilo und in Vers. 35
0,3 Mgrm. pro Kilo innerlich ertragen hatte, erhielt nun einen Tag
nach dem letzten Versuch subcutan 3,9 Mgrm. pro Kilo Körpergewicht.
Die Wirküng begann 2 Minuten darauf mit Zittern am ganzen Körper und
vermehrter Athmung, nach weiteren 10 Minuten begannen die stärksten tetani-
schen Krämpfe, die fast ununterbrochen bis zu dem 18 Minuten nach der Gift-
injeetjon eintretenden Tode andauerten.
10) Hund, 7 Kilo schwer. Erhielt subcutan 2,1 Mgrm. St. n.
in 1 Cctm. Wasser.
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62
FESER,
Es kam nach 15 Minuten zu starken Krämpfen, Das Thier blieb aber am
Leben. Durch 4 Mgrm. Strychnin nitrat subcutan d. i. 0,57 Mgrm. pro Kilo starb
das Thier Tags darauf nach 2 Stunden 4 8 Minuten, (s. Vers. 22.)
IV. 0,4 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo Hund subcutan.
11) Ein 5 1 /* Kilo schwerer, sehr alter Rattenfänger erhielt 2,2
Mgrm. St. n. in 0,4 Cctm. Wasser auf einmal subcutan.
Nach 15 Minuten etwas aufgeregt. Gang gut.
50 - kratteliger Gang. Trippeln.
55 - Beginn leichter Krämpfe. Maulathmen.
1 Stunde heftiger Starrkrampfanfall und Zusammenfallen.
1 Stunde 10 Min. Richtet sich wieder auf. Beim Berühren starke
Krampfanfälle.
2 Stunden. Ruhig und ohne Krämpfe am Boden liegend, beim An¬
klopfen neuer, heftiger Starrkrampf, bald vorübergehend.
3 Stunden. Spontane Krämpfe fehlen, auf Geräusche noch leichte
Krämpfe.
4 Stunden. Jede sichtliche Wirkung vorüber.
12) Hund, 8,2 Kilo schwer, der schon die Vers. 38 und 45 über¬
standen hatte, erhielt 3 Tage nach dem letzten Versuche 3y 2 Mgrm.
St. n. in 0,7 Cctm. Wasser subcutan um 10 Uhr 10 Min.
10 Uhr 11 Min. Unruhig. Schon höher erregt.
10 - 20 - Allgemeiner Starrkrampf. Hinfallen.
10 - 24 - Gelähmt, wie todt daliegend, an den Augen keine Re¬
flexerregbarkeit.
10 - 27 - Erholt sich wieder. Angestrengtes kurzes Athmen.
10 - 35 - Zeitweise Krämpfe.
2 - Nachm, do., kann nicht aufstehen.
Andern Tags jede Wirkung vorüber.
13) Alter Hund, 7,3 Kilo schwer, erhielt 3 Mgrm. St. n. in
V 2 procent. Lösung um 3 Uhr 10 V 2 Min. subcutan.
3 Uhr 22 Min. Beginn leichter Reflexkrämpfe beim Anrühren.
3 - 25 - Dieselben werden stärker.
3 - 33 - Heftiger allgemeiner Starrkrampf und Zusammenstürzen.
3 - 35 - Starrkrampf lässt nach. Das Thier kann aufstehen.
3-47 - Todt d. i. 36* 2 Min. nach der Verabreichung.
14) Ein gut genährter, 12 Jahre alter, männlicher Pudel, 33 Kilo
schwer, erhielt 13,2 Mgrm. Strychninsalz in 1,32 Cctm. Wasser sub¬
cutan um 10 Uhr 48 Min. Vorm.
11 Uhr 9 Min. Beginn der Wirkung.
11 - 25 - Heftige Krämpfe auf Geräusche.
11 - 30 - Allgemeiner heftiger Tetanus und ZusammenstürÄn.
11 - 40 - Heftiges Maulathmen seither. Erhebt sich vorne. Auf
Geräusche starke Krämpfe.
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Dosirung des Strychninnitrats.
63
11 Uhr 50 Min. Aufgestanden, kann wieder gehen.
11 - 55 - Heftiger langandauernder allgemeiner Starrkrampf.
12 - 15 - Beginn allgemeiner Lähmung.
12 - 18 - Todt d. i. 1V 2 Stunden nach Verabreichung des Giftes.
Vom Cadaver konnte durch Ausschmelzen des reichlich vorhandenen Fett¬
gewebes 3 Kgrm. Schmalz gewonnen werden.
15) Ein 8 Jahre alter, männlicher Rattenfänger, 12,6 Kilo schwer,
erhielt 6 Mgrm. St. n. in 0,6 Cctm. Wasser subcutan d. i. 0,48 Mgrm.
pro Kilo.
Nach 20 Minuten starker allgemeiner Starrkrampf; nach 40 Minuten jede
Wirkung vorüber.
V. 0,5 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo Hund subcutan.
16) Ein 6 Kilo schwerer, männlicher Wachtelhund erhielt sub¬
cutan 3 Mgrm. St. n. in V 2 procent. Lösung um 2 Uhr 1 Min.
2 Uhr 26 Min. Eintritt der Krämpfe.
2 - 30 - Starke spontane Krämpfe und angestrengte Respiration.
Chloroform - Inhalationen machen die Krämpfe ver¬
schwinden.
3 - 35 - Heftiger allgemeiner Starrkrampf und Niederfallen des
Thieres. Beginn neuer Chloroformirung.
3 - 39 - Krämpfe fehlen.
4 - — - Liegt aufmerksam und ruhig am Boden. Tiefe Respiration.
4 - 5 - Beginn neuer Krämpfe.
4 - 25 - Heftige tetanische Anfälle. Neue Chloroformirung.
4 - 50 - Nur leichte Convulsionen.
5 - 50 - Munter. Appetit gut. Krämpfe fehlen. Etwas steifer
Gang noch.
6 - 15 - do.
Tags darauf Allgemeinbefinden normal.
17) Ein 2 Jahre alter, 6,4 Kilo schwerer Rattenfänger erhielt
3,20 Mgrm. St. n. in V 2 procent. Lösung subcutan.
Nach 24 Min. Beginn der Krämpfe.
- 50 - Todt.
18) Ein einjähriger, weiblicher Metzgerhund, 35 Kilo schwer, er¬
hielt 17,5 Mgrm. St. n. in 1,75 Cctm. Wasser subcutan.
Nach 9 Min. Beginn der Krämpfe, nach 16 Min. todt.
19) Ein alter, sehr fetter Hühnerhund, 40 Kilo schwer, erhielt
20 Mgrm. St. n. in 1 procent. Lösung subcutan.
Nach 12 Min. Schon steif im Hintertheil.
- 17 - Spontane leichte Krämpfe.
- 18 - Allgemeiner langandauernder Tetanus.
- 27 - Todt.
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64
FESER.
20) Ein 13jähriger männlicher Pinscher, 10 Kilo schwer, erhielt
5 Mgrm. St. n. in V 2 procent. Lösung subcutan.
Allgemeiner Starrkrampf erst nach 20 Minuten.
Tod tritt ein nach 38 Minuten.
21) Hund, 8,2 Kilo schwer, schon zu den Vers. 38, 45 und 12
benutzt, erhielt 4 Mgrm. St. n. in 0,8 Cctm. Wasser subcutan.
Nach 7 Min. Beginn der Wirkung.
- 9 - Allgemeine Lähmung.
- 10 - Todt.
VI. Mehr als 0,5 Mgrm. Strychninnitrat bei Hunden subcutan.
22) Ein 7,004 Kilo schwerer Hund, der in Vers. 10 2,1 Mgrm.
Strychninsalz subcutan vertragen hatte, bekam Tags darauf 4 Mgrm.
auf gleiche Weise applicirt, d. i. 0,57 Mgrm. pro Kilo.
Nach 3 Min. Beginn der Krämpfe.
- 8 - Bewusstlos, gelähmt, selten respirirend.
Tod tritt erst nach 2 Stunden 48 Min. ein.
23) Ein 9 Kilo schwerer, alter, weiblicher Rattenfänger wurde
durch 5,4 Mgrm. St. n. bei subcut. Anwendung nach 25 Minuten
getödtet.
24) Ein 2jähriger, männlicher Pinscher, mager, 3,3 Kilo schwer,
verendete durch eine Subeutandose von 2 Mgrm. St. n. d. i. 0,6 Mgrm.
pro Kilo nach 24 Minuten.
25) Ein 8 Jahr alter, männlicher Rattenfänger, 12,6 Kilo schwer,
welcher schon 0,48 Strychninsalz subcutan pro Kilo, nämlich 6 Mgrm.
in Versuch 15 ertragen hatte, erhielt nun 10 Mgrm. des Salzes in
1 Ccm. Wasser subcutan d. i. 0,8 Mgrm. pro Kilo. Dadurch trat der
Tod nach 10 Minuten ein.
26) Ein 9jähriger Neufundländer, 38,5 Kilo schwer, erhielt 30
Mgrm. St. n. subcutan d. i. 0,8 Mgrm, pro Kilo.
Nach 6 Min. Beginn der Krämpfe, nach 15 Min. todt.
27) Ein 14,14 Kilo schwerer Hund erhielt subcutan 2 Centi-
gramm St. n. d. i. 1,4 Mgrm. pro Kilo.
Beginn der Krämpfe nach 8, Eintritt des Todes nach 15 Min.
28) Ein VJähriger, 5 Kilo schwerer, suchtkranker Rattenfänger
mit partieller Lähmung des Hintertheils erhielt 10 Mgrm. St. n. in
2 procent. Lösung d. i. 2 Mgrm. pro Kilo subcutan.
Krampf nach 2 und Tod nach 5 Min.
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Dosirung des Strychninnitrats.
«5
29) Ein alter, 5 Kilo schwerer Hund erhielt 2 Cgrm. Strychnin¬
salz in 1 Cctm. Wasser subcutan d. i. 4 Mgrm. pro Kilo.
Nach 3 Min. Niederstürzen and allgemeiner Starrkrampf. Nach 16 Minu¬
ten todt.
30) Eine zweijährige, englische Dogge, 20 Kilo schwer, erhielt
100 Mgrm. St. n. in lproccnt. Lösung d. i. 5 Mgrm. pro Kilo sub¬
cutan.
Nach 2 Min. Beginn der Krämpfe, nach 4 Min. starker Tetanus, nach 6
Min. todt.
b) Innerliche Anwendung des Strychninnitrats
bei Hunden.
Vn. Innerlich 0,1 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo bei Hunden.
31) Ein 36 Kilo schwerer, kräftiger Hofhund erhielt 3,6 Mgrm.
St. n. in 7,2 Cctm. Wasser auf einmal innerlich. Blieb ohne sicht¬
liche Wirkung.
32) Einem 29 Kilo schweren Hunde (*' 4 jährige kräftige Dogge)
wurden 2,9 Mgrm. St. n. in 0,6 Cctm. Wasser auf einmal innerlich
verabreicht. Blieb ohne sichtliche Wirkung.
VHI. Innerlich 0,2 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo bei Hunden.
33) Ein 36 Kilo schwerer, männlicher, sechsjähriger Hofhund,
der schon den Versuchen 3, 6 und 31 gedient hatte, erhielt 7,2 Mgrm.
St. n. in 1,5 Cctm. Wasser auf einmal innerlich. Blieb ohne sicht¬
liche Wirkung.
34) Ein 29 Kilo schwerer, ‘/Jähriger Hund, schon zu den Ver¬
suchen 8 und 32 benutzt, erhielt im nüchternen Zustande innerlich
5,8 Mgrm. St. n. in 1,2 Cctm. Wasser auf einmal.
Ausser geringgradiger Erregung im Benehmen des Thieres und leichtem
steifen Gang im Hintertheil von kurzer Dauer — etwa eine Stunde nach Dar¬
reichung des Giftes eintretend — konnte nichts bemerkt werden.
IX. Innerlich 0,3 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo bei Hunden.
35) Ein 13 Kilo schwerer Hühnerhund erhielt um 9 Uhr 15 Min.
Vorm. 3.9 Mgrm. St. n. in 2 Cctm. Wasser auf einmal per os.
Um 9 Uhr 50 Min. bemerkte ich leichte Steifigkeit im Hintertheil und etwas
erschwertes Niedersetzen, sonst nichts Auffallendes.
10 Uhr 5 Min. Beim Aufstehen und Berühren heftiger Starrkrampfanfall
(und Niederstürzen) von kurzer Dauer, wiederholt sich auf Geräusch mehrere
Archiv L wiiMDSeh. o. pnkt. Thiuh*Uk. VH. 1 n.S. 5
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66
FESER,
Male; die Anfälle dauern mit allmälig abnehmender Heftigkeit bis 12 Uhr Mit¬
tags, d. i. über 3 Stunden.
36) Ein 36 Kilo schwerer, 6jähriger Hofhund, noch nüchtern,
schon zu den Versuchen 3, 6, 31 und 33 benutzt, erhielt 10,8 Mgrm.
St. n. auf einmal innerlich in wenig Wasser gelöst. Blieb ohne sicht¬
liche Wirkung.
X. Innerlich 0,4 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo bei Hunden.
37) Ein 37 Kilo schwerer, 6jähriger, kräftiger Hofhund, der
schon zu den Vers. 3, 6, 31, 33 und 36 gedient hatte, erhielt 14,8
Mgrm. St. n. in 10 Cctm. Wasser innerlich auf einmal im nüchternen
Zustande.
Nachdem sich 1 Stunde und 26 Min. lang nicht die mindesten Erscheinungen
einer Strychninvergiftung gezeigt hatten, trat nach dieser Zeit plötzlich ein heftiger
allgemeiner Tetanus auf, bei welchem das Thier zu Boden stürzte. Wenige Mi¬
nuten später konnte sich das Thier wieder erheben und schien die Wirkung bald
vorüber, als sich ein neuer, noch heftigerer Starrkrampfanfall von kurzer Dauer
wiederholte und solche Paroxismen sich mit ziemlich ruhigen Zwischenpausen
innerhalb der nächsten 1 % Stunden noch häufig folgten. Erst 3 Stunden nach
Beibringung des Giftes Hessen die tetanischen Anfälle nach, wurden leichter und
seltener und nach einer weiteren Stunde konnte die sichtliche Strychninwirkung
als beendet angesehen werden.
38) Alter Hund mit Acarusräude behaftet, 8,2 Kilo schwer, er¬
hielt 3,5 Mgrm. St. n. in 5 Cctm. Wasser innerlich. Es konnten
danach keine sichtlichen Strychninwirkungen beobachtet werden.
39) Ein 30 Kilo schwerer Hund erhielt nüchtern innerlich in
einer Fleischpille 12,0 Mgrm. festes, krystall. St. n. auf einmal. Der
Hund diente schon zu den Versuchen 8, 32 und 34.
9 Uhr 1 Min. Darreichung des Strychnins.
9 - 24 - Beginn der Krämpfe.
9-27 - Heftiger allgemeiner Tetanus. Niederstürzen.
9-35 - Unausgesetzt seither Starrkrampfanfälle bei erfolglosen
Aufstehversuchen. Sehr beschleunigte und erschwerte
Respiration. Hohe Reflexerregbarkeit.
10- 30 - Liegt. Unvermögend aufzustehen. Sehr schreckhaft.
Auf jedes Geräusoh starke Krampfanfälle.
11 - 15 - do.
11 - 18 - Erhebt sich. Noch sehr schreckhaft, auf Geräusche leichte
Krämpfe. Geht noch schwer und steif.
11- 45 - Seither ruhig und ohne spontane Krämpfe. Beim Be¬
rühren und auf Geräusche jedoch noch sehr leichte
kurze Krämpfe.
12 - — - Jede Wirkung vorüber. Appetit sehr gut.
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Dosirung des Stryohninnitrats.
67
XL Innerlich 0,5 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo bei Hunden.
40) Eine 42,9 Kilo schwere, männliche, kurzhaarige Dogge, circa
12 Jahre alt, von sehr gutem Ernährungszustand, erhielt 21,45 Mgrm.
festes, krystallisirtes Strychninnitrat auf einmal in einer kleinen
Fleischpille in den nüchternen Magen um 8 Uhr 29 Min. Vorm.
Bis 9 Uhr konnte keine Strychnin Wirkung beobachtet werden.
9 Uhr 10 Min. Weiter, steifer Gang mit dem Hintertheil. Erschwertes
Auf- und Niedersitzen. Zusammenschrecken auf Ge¬
räusche.
9-12 - Leichter Starrkrampfanfall. Vermag nur mit Mühe auf¬
zustehen.
9-16 - Starker Starrkrampfanfall, durch Aufstehversuche lange
andauernd.
9-19 - Unfreiwilliger Harnabgang.
9 - 20 - Sehr beschleunigtes, starkes Maulathmen. Ruhig am
Boden.
9-28 - Seither beständiges Maulathmen. Kann den Kopf wieder
erheben. Krampfe fehlen.
9 - 29 - Convulsivisches Zucken der Halsmuskeln.
9-33 - Neuer Starrkrampfanfall von kurzer Dauer mit darauf
folgendem heftigen Maulathmen. Unausgesetztes Zit¬
tern der Halsmuskeln.
9 - 36 - Wiederholte starke tetanische Anfalle.
9 - 55 - do.
10 - — - Sehr heftiger, lange andauernder allgemeiner Tetanus.
10 - 3 - Beginn der allgemeinen Lähmung. Seltene, oberfläch- •
liehe Athmung.
10 - 4 - todt, d. i. eine Stunde und 35 Min. nach Darreichung
des Giftes. •
41) Ein dreijähriger Neufundländer, weiblich, dünnhaarig, 31,5
Kilo schwer, erhielt in den nüchternen Magen früh 8 Uhr 20 Min.
15,75 Mgrm. St. n. in 5 Cctm. Wasser gelöst.
8 Uhr 30 Min. Athmung vermehrt. Maulathmen. Noch ohne Krämpfe.
8 - 50 - Steifer Gang mit dem Hintertheil. Erschwertes Auf- und
Niedersitzen.
9 - 6 - Krampfe beim Aufstehen. Auf Geräusche starkes krampf¬
haftes Zusammenschrecken. Sehr beschleunigte Re¬
spiration.
9-15 - Weiter, krattliger Gang. Auf Antasten starke tonische
Krampfe.
9 - 20 - Heftiger, lange andauernder, allgemeiner Tetanus mit
nachfolgenden, starken tonischen Krämpfen.
5*
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68
FESER,
9 Uhr 23 Min. bis 30 Min. Fehlen Krämpfe.
9-35 - Bei Aufstehversuchen starke tetanische Anfalle.
9-37 - Steht auf. Maulathmen. Sehr weite Stellung mit dem
Hintertheil.
10 - — - Leichter tetanischer Anfall.
10 - 10 - do. Unausgesetztes Maulathmen.
10-40 - Auf Antasten sehr heftiger allgemeiner Tetanus von lan¬
ger Dauer mit nachfolgenden starken klonischen
Krämpfen.
11 - — - Heftige tonische Krämpfe beim Antasten.
11 - 25 - Heftiges Maulathmen. Sehr erschwertes Auf- und Nie¬
dersitzen. Appetit fehlt.
12-45 - Frisst und säuft mit Appetit. Gang gut. Nur mehr
leichte Krämpfe beim Antasten.
1 - — - Jede sichtliche Wirkung vorüber.
XII. Innerlich 0,6 Mgrm. Strychninnitrat pro Kilo bei Hunden.
42) Ein 5V 2 Kilo schwerer, alter, langhaariger Pinscher erhielt
3,3 Mgrm. St. n. in 3 Cctm. Wasser auf einmal innerlich in den
völlig leeren Magen. (Dieser Hund diente Tags vorher zu Vers. 11.)
Er hatte vor dem Versuch 42 mehrmals erbrochen.
Erst nach einer Stunde und 32 Min. zeigte sich die erste Strychnin Wirkung.
Bis dahin völlig ruhig am Boden liegend, trat plötzlich und ohne äussere Veran¬
lassung ein heftiger allgemeiner Starrkrampf ein, bei dem das Thier zu Boden
stürzte. Derselbe, von kurzer Dauer, wiederholte sich noch einige Male bald dar¬
auf durch starke Geräusche in geringem Grade. 2 Stunden 30 Min. nach Dar¬
reichung des Giftes war jede Wirkung vorüber
43) Derselbe Hund, welcher 3 Tage vorher zu Vers. 41 gedient
hatte, erhielt in den nüchternen Magen 18,9 Mgrm. festes, krystall.
St. n. in einer Fleischpille auf einmal um 8 Uhr 30 Min. Vorm.
9 - 30 - Seither nichts Auffallendes bemerkt.
9 - 40 - Lebhafter, aufgeregt. Athmen schneller. Gang gut.
9 - 50 Auf Antasten leichte Krämpfe. Gang weiter und vor¬
sichtiger. Maulathmen.
9-55 - Gang hinten besonders weit und steif.
10 - — - do. Schon leichte Krämpfe beim Antasten.
10 - 5 - Auf- und Niedersitzen erschwert.
10 • 10 - Leichter Starrkrampfanfall beim Aufstehen.
10-25 - Heftiger allgemeiner Tetanus von sehr langer Dauer.
10 • 35 - Seither in stetem Krampfzustande, heftig athmend, beim
Berühren neue Starrkrampfanfälle.
10 - 38 - Steht auf, bleibt stehen, sehr beschleunigt und erschwert
athmend.
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Dosirung des Strychninnitrats.
69
10 Uhr 55 Min. Jedes Geräusch heftige Krämpfe veranlassend. Heftiges
Maulathmen.
11 - 5 - do.
11 - 15 - Heftiger tetanischer Anfall von sehr langer Dauer.
11 - 17 - Beginn allgemeiner Lähmung.
11-20 - todt, d. i. 2 Stdn. 50 Min. nach Application des Giftes.
XHI. Innerlich 0,8 Mgrra. Strychninsalz pro Kilo bei Hunden.
44) Ein männlicher VJähriger, magerer, kurzhaariger Hund,
30 Kilo schwer, erhielt im nüchternen Zustande 24 Mgrm. festes kry-
stallisirtes Strychnin in einer Fleischpille um 10 Uhr 15 Min.
10 Uhr 54 Min. Beginn leichter Krämpfe.
11 - 12 - Heftiger allgemeiner Tetanus und Zusammenstürzen;
baldige Erholung, kann wenige Minuten darnach wie¬
der aufstehen und gehen; Gang jedoch weit und ge¬
spannt.
11- 27 - Auf Geräusche heftige Krämpfe.
11 - 31 - Allgemeiner heftiger StarrkrampfanfalL Darnach hef¬
tiges Maulathmen.
12 - 30 - do.
12 - 35 - Krämpfe fehlen. Sehr matt. Appetit fehlt. Sitzt. Ath-
mung ruhig.
12- 50 - do. Säuft viel vorgesetztes Wasser.
1 - — - Frisst Fleisch. Matt. Ohne Krampfe.
1 - 3 - Neue Krämpfe auf Geräusche.
1 - 10 - Heftiger, sehr lange dauernder Starrkrampfanfall, mehr¬
mals wiederkehrend.
1-13 - todt, d. i. 2 Stunden 58 Min. nach der Darreichung des
Giftes.
45) Derselbe Hund mit Acarusräude, 8,2 Kilo schwer, welcher
in Vers. 38 ohne Folgen 0,4 Mgrm. Strychninsalz innerlich ertragen
hatte, bekam 5 Tage später 7,5 Mgrm. des Salzes in 1 % Ccm. Wasser
per os um 8 Uhr 45 Min.
9 Uhr — Min. Etwas weiter Gang. Noch keine Krampfe.
9-10 - Beim Antasten starke Krämpfe.
9 - 15 - do.
9 - 20 - Heftiger allgemeiner Starrkrampf. Niederstürzen. Athem-
noth. Unfreiwilliger Harnabgang.
9 - 25 - Besserung: Aufrichten des Kopfes, Athemnoth geringer.
9 - 45 Ruhig. Nur beim Antasten Krämpfe. Kothentleerung.
10 - — - do.
10 - 15 - Noch leichte Krämpfe bei Reizung. Dieselben halten bis
Abends 5 Uhr an. Von da ab frei von sichtlicher
Strychninwirkung.
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70
FESER,
XIV. Innerlich 1,0 Mgrm. Strychninsalz pro Kilo bei Hunden.
46) Ein 8jähriger männlicher, glatthaariger Pinscher, 10 Kilo
schwer, sehr kräftig gebaut, welcher 2 Stunden vor Versuchsbeginn
von seinem Eigenthümer noch gefüttert wurde, — er stand in ge¬
mischter Kost, — erhielt 10 Mgrm. festes, klein krystallisirtes Strych¬
ninsalz in einer Fleischpille auf einmal innerlich.
Erst nach 1 Stande and 29 Minuten trat weiter, geringgradig steifer Gang
mit dem Hintertheil auf; dann folgte nebst diesem ängstliches Trippeln und
höhere Aufregung; der erste tetanische Anfall, bei dem das Thier zusammen¬
zustürzen drohte, ereignete sich erst 2 Stunden nach Application des Giftes. Nun
folgte ein 30 Minuten andauerndes Stadium höherer Erregbarkeit und Aengstlich-
keit ohne Krämpfe, darauf auf leichtes Geräusch heftiger, allgemeiner Tetanus
mit Zusammenstürzen des Thieres. Das Thier erholte sich bald wieder, stand
wenige Minuten später wieder auf, zeigte beim Antasten nur leichte Krämpfe und
ausser hoher Aengstlichkeit und Schreckhaftigkeit nichts Besonderes. Dies
dauerte fast eine Stunde, worauf (3 Stunden 19 Min. nach Verabreichung des
Giftes) heftige, häufig sich wiederholende allgemeine Starrkrampfparoxismen un¬
ausgesetzt bis zu dem (nach 4 Stunden 34 Min.) eintretenden Tode folgten.
Bei der Section fand ich Magen und Darm sammt Inhalt 730 Grm. schwer, der
Mageninhalt wog 95, der Darminhalt 90 Grm.
47) Ein 2jähriger, 3,23 Kilo schwerer Wachtelhund erhielt in¬
nerlich auf einmal 3,23 Mgrm. Strychninnitrat in 6,5 Ccm. Wasser.
Beginn der Wirkung nach 4 Min., 1 Minute darauf die heftigsten titani¬
schen Anfälle, andauernd bis zu dem nach 16 Minuten eintretenden Tode.
c. Versuche über die cumulative Wirkung des Strychnin¬
salzes bei Hunden.
XV. Subcutanversuche mit mehrmals wiederholten kleinen Strychnin¬
dosen (0,05, 0,1 und 0,2 Mgrm. subcutan pro Kilo Hund).
48) Ein 37 Kilo schwerer, 6jähriger, männlicher Hofhund, der
schon zu den Versuchen 3, 6, 31, 33, 36 und 37 diente, erhielt
stündlich 1,85 Mgrm. Strychninsalz in 0,8 Ccm. Wasser subcutan d. i.
pro dosi 0,05 Mgrm. pro Kilo Körpergewicht. Es kamen so inner¬
halb eines Tages (von früh 8 Uhr 45 Min. bis Abends 5 Uhr 45 Min.
10 Dosen ä 1,85 Mgrm., im Ganzen somit 18,5 Mgrm. Strychninsalz
zur Application, also jene Menge, die auf einmal beigebracht sicher
den Tod des Thieres veranlasst hätte.
Erst eine Viertelstunde nach Darreichung der 4. Dose (um 12 Uhr Mittags)
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Dosirung des Strychninnitrats.
71
konnte höhere Empfindlichkeit für Geräusche wahrgenommen werden. Krämpfe
traten za dieser Zeit noch nicht auf and verzehrte der Hand, der bis dahin
nüchtern war, seine Fleischration mit grösstem Appetit.
15 Minaten nach Beibringung der 5. Dosis zeigte sich grössere Erregbar*
keit und beschleunigte Athemfrequenz (Maulathmen) und nach weiteren 9 Min.
(am 1 Uhr 9 Min.) kam es zum ersten tetanischen Anfall, bei welchem jedoch
das Thier noch stehen bleiben konnte.
1 Uhr 15 Min. Hohe Reflexerregbarkeit; auf Geräusche stets kurz dauernde
tonische Krämpfe; ständiges Maulathmen.
1 Uhr 40 Min. Fussaufheben beim freiwilligen Uriniren sehr erschwert,
droht dabei zusammenzufallen.
2 Uhr d. i. 15 Min. nach der 6. Dosis heftiger allgemeiner Tetanus, Zu¬
sammenstürzen des Thieres, sehr erschwerte Respiration.
2 Uhr 30 Min. Liegt ermattet am Boden, auf Geräusche leichte Krämpfe.
Ständiges Maulathmen.
2 Uhr 40 Min. Kann stehen, leicht gehen. Leichte Krämpfe nur auf Ge¬
räusche.
2 Uhr 58 Min. d. i. 13 Min. nach der 7. Dosis plötzlicher Eintritt eines
heftigen, allgemeinen Starrkrampfanfalles mit Niederstürzen des Thieres; dieser
ist nur von kurzer Dauer und um 3 Uhr kann sich der Hund wieder erheben.
Um 3 Uhr 13 Min. folgt ein gleicher allgemeiner tetanischer Anfall von sehr
kurzer Dauer und bis zur Verabreichung der 8. Dosis bestand nur mehr be¬
schleunigte Athmung ohne Krampfanfälle.
Das 'Wirkungsbild nach der 8., 9. und 10. Dosis war im Allgemeinen stets
das gleiche: Nachdem sich die Wirkung der vorausgegangenen Dosis fast ganz
verloren hatte und ausser höherer Erregbarkeit und vermehrter Athemfrequenz
nichts weiter Auffallendes bemerkbar war, trat ziemlich regelmässig V 4 Stunde
nach der neuen Gabe ein heftiger allgemeiner Tetanus mit Niederstürzen des
Thieres ein, welcher nur V 4 — 1 / 2 Minute andauerte und in derselben Heftigkeit
nach weiteren 10—15 Minuten nur einmal wiederkehrte. Inzwischen bestand
ungemein erhöhte Reflexerregbarkeit, Anstossen und jedes Geräusch veranlasste
neue Krämpfe, und die Athmung war sehr vermehrt und oberflächlich. Aufstehen
und Niedersetzen geschah sehr vorsichtig und mit deutlichem Krampfzustand der
Extremitäten. 45—50 Minuten nach Verabreichung der vorletzten 2 Dosen ver¬
schwand der Krampfzustand, und 30 Minuten nach der letzten (10.) Dosis, die
nur einen heftigen tetanischen Anfall im Gefolge hatte, konnten keine Krämpfe
mehr beobachtet werden. Das Thier frass Abends 7 Uhr eine zweite Fleisch¬
portion mit grösstem Appetit.
49) Derselbe Hund, welcher den oben beschriebenen Versuch 48
vor zwei Tagen überstanden und bei vor Beginn des Versuchs statt¬
gefundener Wägung 40 Kilo gewogen hatte, erhielt nun stündlich
4,0 Mgrm. Strychninsalz in je 0,90 Ccm. Wasser in die Subcutis ge¬
spritzt d. i. 0,1 Mgrm. St. n. pro dosi und pro Kilo. Es konnten
7 solcher Dosen applicirt werden (von 8 Uhr 15 Min. bis 2 Uhr
15 Min.), denn 17 Minuten nach der Injection der letzten Dosis oder
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72
FESER,
6 Stunden 17 Minuten nach Einverleibung der ersten Dosis trat der
Tod ein. (Nachstehend folgt die Abschrift des Versuchsprotocolls.)
Nach der 1. Dosis: 9 Uhr. Vermehrte Athemfrequenz. Maulathmen.
Nach der 2. Dosis: 9 Uhr 34 Min. Schreckhaft, auf Geräusche Zu¬
sammenfahren. Maulathmen.
9 Uhr 35 Min. Erster tetanischer Anfall, doch stehen bleibend.
9 Uhr 37 Min. Heftiger allgemeiner Tetanus von kurzer Dauer und Zu¬
sammenstürzen des Thieres.
9 Uhr 50 Min. Liegt seither ruhig am Boden, die vier Gliedmassen von sich
gestreckt. Ohne Krämpfe. Athem leichter.
9 Uhr 51 Min. Beim Aufstehversuch allgemeiner Tetanusanfall.
9 Uhr 52 Min. Steht unter Krämpfen auf, bleibt stehen; Maulathmen.
Gang erschwert. Auf Geräusche heftiges Zusammenkrämpfen.
10 Uhr 3 Min. Neuer, heftiger, allgemeiner Starrkrampfanfall von V 4 Min.
Dauer, kann gleich darauf wieder aufstehen.
10 Uhr 8 Min. do.
Nach der 3. Dosis: 10 Uhr 23 Min. Heftiger, allgemeiner Tetanus und
Zusammenstürzen, während desselben unfreiwilliger Harnabgang.
10 Uhr 25 Min. Kann wieder aufstehen. Heftiges Maulathmen.
10 Uhr 47 Min. Neuer allgemeiner Starrkrampfanfall und Niederstürzen
des Thieres.
11 Uhr 8 Min. Heftig respirirend am Boden liegend, jedes Geräusch ver¬
anlasst heftige Krämpfe.
11 Uhr 9 Min. Starker Starrkrampfanfall. Darnach sehr heftig athmend.
(190 mal p. M.), unvermögend aufzustehen.
Nach der 4. Dosis: 11 Uhr 23 Min. beginnen neue tetanische Anfälle
von kurzer Dauer, abwechselnd mit unausgesetztem convulsivischem Zittern der
Hinterschenkel und häufigen, heftigen Starrkrampfanfällen am liegenden Thier.
Ständiges heftiges Maulathmen in krampffreien Zeiten. Beim Zugehen Wedeln
mit dem Schweife.
Nach der 5. Dosis: Anfangs sehr häufige Krampfparoxismen, dazwischen
sehr heftiges convulsivisches Zittern der Hinterschenkel und sehr angestrengtes,
vermehrtes Maulathmen (200 Züge p. Min.) Vor Verabreichung der 6. Dosis
lassen die Krämpfe bedeutend nach.
Nach der 6. Dosis: Häufige, sehr heftige tetanische Anfälle, dazwischen
höchst starkes convulsivisches Zittern des Hintertheils und angestrengtes Maul¬
athmen. Bewusstsein ungetrübt. Vor Verabreichung der 7. Dosis fehlen die
spontanen tetanischen Anfälle, doch entstehen sie leicht auf Geräusche.
Nach der 7. Dosis: 2 Uhr 20 Min. Stärkstes convulsivisches Zittern am
Hintertheil. Heftiges Maulathmen. Aufmerksam.
2 Uhr 27 Min. Häufig wiederkehrende heftige Starrkrampfanfälle.
2 Uhr 32 Min. Tod durch Erstickung inmitten eines heftigen Starrkrampfes.
Bei der Section wiegt Magen und Darm sammt Inhalt 1580 Grm., der
Mageninhalt 10 Grm., der Darminhalt 500 Grm.
50) Ein fünfjähriger, männlicher Schäferhund, 35 Kilo schwer,
stark zottig behaart, erhielt nach Abrechnung von 1 Kilo Haare, so-
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Dosirung des Strychninnitrats.
73
mit für 34 Kilo Körpergewicht dreimal je 6,8 Mgrm. St. n. in 1,3
Ccm. Wasser subcutan in zweiständlichen Pausen, somit pro dosi und
Kilo 0,2 Mgrm. des Strychninsalzes. Dies veranlasste den Tod des
Thieres 12 Minuten nach der 3., oder 4 Stunden 12 Minuten nach
der 1. Dosis.
13 Minuten nach Darreichung der 1. Dosis begann weiter krattliger Gang,
heftiges Maulathmen und entstanden beim Antasten leichte Krämpfe. Bald darauf
steigerte sich die Wirkung bis zu heftigem allgemeinen Tetanus, bei dem das
Thier zusammenstürzte. Derselbe wiederholte sich nach kurzer Ruhepause noch
einmal; das Thier erholte sich rasch wieder und konnte vor Verabreichung der
2. Dosis keine Strychninwirkung mehr wahrgenommen werden.
Nach der 2. Dosis trat die Wirkung rascher und intensiver auf. Schon nach
10 Minuten heftiger allgemeiner Tetanus von sehr langer Dauer, häufige Wieder¬
kehr tetanischer Anfälle, hohe Athemnoth in den Zwischenzeiten, starkes Spei¬
cheln. Die Wirkung war noch vor Darreichung der 3. Dosis durch heftiges Maul¬
athmen bemerklich, doch bestanden keine Krämpfe mehr und erwies sich der
Gang vollkommen frei.
Schon 5 Minuten nach der 3. Dosis begannen neue Krämpfe, die sich nach
weiteren 3 Minuten zu heftigem allgemeinen Starrkrampf steigerten und unter
häufiger Wiederholung den Respirationstod herbeiführten.
XVI. Versuche mit mehrmals wiederholten innerlichen Strychnindosen
bei Hunden (0,1, 0,2 und 0,4 Mgrm. pro Kilo).
51) Eine 30 Kilo schwere, V 4 jährige männliche Dogge, schon
zu den Versuchen 8, 32, 34 und 39 benutzt, erhielt innerlich in
Fleischpillen stündlich 3 Mgrm. St. n. in je 0,6 Ccm. Wasser d. s.
je 0,1 Mgrm. Strychninsalz pro dosi und pro Kilo Körpergewicht.
Von früh 8 Uhr 50 Min. bis Abends 5 Uhr 50 Min. kamen in dieser
Weise 10 Dosen ä 0,003 Grm. = 0,03 Grm. St. n. zur innerlichen
Verabreichung, somit innerhalb 10 Stunden eine Menge, die auf ein¬
mal gegeben das Thier getödtet haben würde.
Die fractionirte Verabreichung dieser Dosis erzeugte nur mindergradige
Vergiftungssyraptome. Zu tetanischen Anfällen kam es nicht; bald nach der
3. Dosis begann höhere Erregbarkeit und geringe Schreckhaftigkeit, nach der
4. Dosis weiter, krattliger Gang auf allen Vieren, der bis zur Verabreichung der
neuen Dosis stets ganz verschwunden war. So blieb das Vergiftungsbild bis
nach Ablauf des Versuchs. Das Thier zeigte sich während desselben stets sehr
hungrig, verzehrte die dargebotenen strychninhaltigen Fleischpillen immer mit
wahrem Heisshunger aus der Hand und seine grosse Fleischportion (Mittags 1 Uhr
und Abends 6 Uhr) mit grösstem Appetit. Eine Stunde nach Verabreichung der
letzten Dosis konnten keine Strychninwirkungen mehr wahrgenommen werden.
52) Derselbe Hund, welcher den Vers. 51 überstanden hatte,
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74
FESER,
erhielt zwei Tage später innerlich stündlich 6 Mgrm. gelöstes St. n.
d. s. 0,2 Mgrm. pro Kilo Körpergewicht. Es kamen 10 solcher
Dosen zur Anwendung, also innerhalb 9 Stunden (Vorm. 8 Uhr 30
bis Abends 5 Uhr 30) 60 Mgrm. des Salzes. Die ersten 7 Dosen
wurden in je 1,2 Ccm. H a O gelöst, dann mit Mehl zu einer Pille
formirt und in Fleisch eingewickelt dem Hunde aus der Hand zum
Fressen gegeben; die letzten 3 Dosen kamen in je 5 Ccm. Wasser
als Einguss zur Anwendung. Der Hund starb erst mehrere Stunden
nach Darreichung der letzten Dosis. Bis zur 6. Dosis war der Hund
nüchtern, er wurde um 1 Uhr und Abends 7 Uhr mit Fleisch ge¬
füttert, d. i. % Stunde nach der 5. und V/ 2 Stunden nach der 10.
Strychnindosis.
Nach der 1. Dosis traten keine Strychnin Wirkungen auf, sie begannen erst
20 Minuten nach Darreichung der 2. Dosis mit Schreckhaftigkeit, Aengstlichkeit,
weitem, krattligem Gang und Reflexkrämpfen beim Berühren.
Nach der 3. Dosis steigerten sich die Vergiftungserscheinungen bis zu den
stärksten allgemeinen Starrkrampfanfällen — der erste dieser Art trat 30 Min.
nach Darreichung der 3. Dosis (11 Uhr) ein.
Kurz vor Verabreichung der 4. Dosis konnte sich das bei den Starrkrampf¬
anfällen niedergefallene Thier wieder erheben, dasselbe wurde ruhiger, die
Krämpfe leichter und seltener.
Nach der 4. und 5. Dosis trat nur hohe Schreckhaftigkeit, steifer, krattliger
Gang, Maulathmen auf; Krämpfe nur leicht und auf Reize.
Erst nach der 6. Dosis (2 Uhr) kamen wieder heftige Starrkrampfanfälle,
die sich bis zur Zeit der Verabreichung der nächsten Dose stets minderten, das
Thier jedoch erheblich schwächten, so dass es sich auch in den krampffreien
Perioden nicht zu erheben vermochte.
Besonders stark und häufig aufeinanderfolgend waren die allgemeinen Starr¬
krampfanfälle nach den beiden letzten Dosen, für deren Application stets ein An¬
fall abgewartet werden musste.
1V 2 Stunden nach der 10. Dosis Hessen die tonischen Krämpfe bedeutend
nach, es folgte ein beständiges convulsivisches Zittern mit allen Füssen; das Thier
frass jedoch sein vorgelegtes Futter mit grösstem Appetit, zeigte sich sehr auf¬
merksam, konnte sich aufgehoben stehend erhalten (2 Stunden nach Abgabe der
10. Dosis) und in seinen Stall geführt werden, so dass ich Hoffnung auf dessen
Erhaltung hegte. Im Stall angekommen, folgten noch einige sehr heftige tita¬
nische Anfälle und darauf ein Zustand allgemeiner Lähmung, der dem Leben ein
Ende machte — 3 Stunden nach der Einverleibung der 10. und letzten Strych¬
ningabe.
Bei der Section fand ich für Magen und Gesammtdarmkanal mit Gekröse ein
Gewicht von 2280 Gramm, den Mageninhalt 570, den Darminhalt 350 Gramm
schwer
53) Ein einjähriger, männlicher, feinhaariger Hühnerhund, 30 Kilo
schwer, wurde bestimmt zur innerlichen Darreichung von 0,4 Mgrm.
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Dosirung des Strychninnitrats.
75
gelöstem Strychninsalz pro Kilo in zweistündlicher Wiederholung. Es
konnte diese Menge (= 12 Mgrm. in 5 Ccm. Wasser) nur 2mal ver¬
abreicht werden, denn 28 Min. nach der 2. Dosis trat der Tod ein.
7 Uhr 25 Hin.
8 - —
8 - 10 -
8 - 24 -
8 - 35 -
8 - 45 -
9 - 20 -
9 - 25 -
9 - 33 -
9 - 35 -
9 - 39 -
9 . 45 -
9 - 48 -
9 - 54 -
9 - 58 -
Innerlich 12 Mgrm. St. n. in 5 Ccm. Wasser.
Steifer, weiter Gang. Beginn von Maulathmen.
Starke tonische Krämpfe auf Geräusche. Heftiges Maul¬
athmen.
Heftiger allgemeiner Tetanus. Zusammenstürzen. Dar¬
nach sehr matt. Unfreiwilliger Harnabgang.
Kann sich wieder aufrichten. Heftiges Maulathmen.
Heftiges Zusammenkrämpfen auf Geräusche. Aufstehen
und Niederlegen erschwert. Gang weit und steif.
do.
Innerlich 12 Mgrm. St. n. in 5 Ccm. Wasser. (2. Dosis.)
Heftiges Aufkrämpfen auf Geräusche.
Starker allgemeiner Tetanus von sehr langer Dauer.
do.
Jedes Geräusch erzeugt neue tetanische Anfälle.
Kann aufstehen. Gang sehr erschwert.
bis 9 Uhr 57 Min. in sehr heftigen allgemeinen Starr¬
krampfanfallen.
Todt.
Resultat meiner Strychninversuche bei Hunden.
1) Beim Subcutangebrauche sind Dosen von 0,1 Mgr. Strychnin¬
nitrat pro Kilo nur von sehr leichter und bald vorübergehender Wir¬
kung. Sie können als passendste und ungefährliche Gaben auch für
kranke Thiere gelten.
2) Dosen von 0,2 Mgrm. St. n. pro Kilo Körpergewicht erzeugen
bei Hunden sehr kräftige Wirkungen von ziemlich langer Dauer. Es
kommt regelmässig schon zu heftigen allgemeinen Starrkrampfanfallen
mit Zusammenstürzen der Thiere. Gesunde Hunde ertragen diese
Dosen wohl ohne Nachtheile, bei kranken Individuen dürfen sie jedoch
nicht oder nur mit der grössten Vorsicht und erst dann gegeben
werden, wenn Dosen von 0,1 Mgrm. pro Kilo entweder gar nicht oder
zu ungenügend gewirkt haben.
3) Durch Gaben von 0,3 bis 0,4 Mgrm. pro Kilo Hund ent¬
stehen schon die stärksten Strychninwirkungen und nicht selten mit
todtlichem Ausgang. Der Tod tritt in letal endenden Fällen in ver¬
schiedener Zeit ein, in meinen Versuchen bei den 0,3 Mgrm. Dosen
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76
FESER,
auffallenderweise früher — schon nach 12—18 Minuten, während die
0,4 Mgr.-Dosen erst nach 36 */ 2 Minuten und nach l‘/j Stunden
tödtcten. Es macht sich hier sicherlich der abweichende Einfluss der
Individualität sehr bedeutend geltend. Soviel ist sicher, dass Gaben
von 0,3 bis 0,4 Mgrm. St. n. pro Kilo Hund schon die niedersten
letalen Dosen darstellen und daher für therapeutische Zwecke kaum
in Betracht kommen können.
4) Durch 0,5 Mgrm. St. n. pro Kilo subcutan wird jeder Hund
sicher getödtet. Von den hierhergehörigen sechs Versuchen starben
fünf in 10—50 Minuten nach der Verabreichung und der sechste
wurde nur in Folge der stattgefundenen Chloroformirung gerettet.
5) Höhere Subcutandosen als 0,5 Mgrm. pro Kilo tödten selbst¬
verständlich Hunde sicher in 5—25 Minuten; eine besondere Kürzung
der Wirkung mit rascherem Eintritt des Todes ist somit gegenüber
den 0,5 Mgr.-Dosen nicht zu constatiren. In den beiden extremen
Fällen waren individuelle Verhältnisse geltend, ein suchtkranker
junger Hund starb durch 2 Mgrm. pro Kilo schon in 5 Minuten, ein
gesunder Hund durch 0,57 Mgrm. pro Kilo erst nach 2 Stunden 48
Minuten. Für den Zweck des Todes empfiehlt es sich aber doch,
stets höhere Dosen als nöthig subcutan in Anwendung zu bringen.
Am geeignetsten, weil leicht zu bemessen, halte ich hierfür Subcutan¬
gaben von 1—2 Mgrm. pro Kilo Hund.
6) Bei der innerlichen Darreichung des Strychninsalzes an Hunde
lehren die Versuche, dass Dosen von 0,1 und 0,2 Mgrm. pro Kilo
meist ohne sichtliche Folgen bleiben, selbst in Lösung und im
nüchternen Zustande gegeben nur sehr leichte und kurz dauernde Wir¬
kungen äussern und deshalb für internen therapeutischen Gebrauch
unbedenklich gegeben werden dürfen.
7) Mit 0,3—0,4 Mgrm. pro Kilo innerlich können jedoch in ein¬
zelnen Fällen bei Hunden sehr heftige und lange währende Wirkungen
folgen, während sie bei anderen Thieren noch gar keine Folgen nach
sich ziehen.
8) Durch 0,5—0,6 Mgrm. pro Kilo innerlich entstehen schon
sehr hochgradige Strychninwirkungen bei Hunden. Es bilden sich die
heftigsten tetanischen Anfälle, häufig wiederkehrend, aus, von denen
sich die Thiere entweder langsam wieder erholen oder getödtet werden.
Es sind dies die niedersten letalen Dosen innerlich beim Hunde.
9) Mit 0,8 Mgrm. pro Kilo Hund innerlich starb ein Thier nach
2 Stunden 58 Min., während ein anderes das schon 0,4 Mgrm. ohne
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Dosirung des Stryohninnitrats.
77
sichtliche Strychninwirkungen bei gleicher Gebrauchsweise ertragen
hatte, trotz heftiger und lange dauernder Wirkung wieder genas.
10) Die Darreichung von 1 Mgrm. Strychninsalz pro Kilo Hund
innerlich wirkt sicher tödtlicb.
11) Die Form der innerlichen Anwendung des Strychninnitrats
— ob in Wasser gelöst oder in festem krystallisirten Zustande —
veranlasste nicht die vermutheten Unterschiede. Die Versuche 37
bis 47 ergeben nämlich:
Bei
der Dosis
von
Mgrm. p.Kilo
Art
der
Anwendung.
Eintritt
der
Wirkung.
Stdn. Min.
Dauer
der
Wirkung.
Stdn. Min.
Ausgang
der
Wirkung.
0,4
in Losung
1
26
3 —
Genesung
0,4
krystallisirt
—
23
3 —
do.
0,5
in Lösung
—
30
5 -
do.
0,5
krystallisirt
—
41
1 35
Tod
0,6
in Lösung
1
32
2 30
Genesung
0,6
krystallisirt
1
20
2 50
Tod
0,8
in Lösung
—
15
9 15
Genesung
0,8
krystallisirt
—
39
2 58
Tod
1,0
]n Lösung
—
4
— 16
do.
1,0
krystallisirt
1
29
4 34
do.
Diese Zusammenstellung macht ersichtlich, dass die Darreichung
des Strychninnitrats innerlich an Hunde unbeschadet der Höhe und
Dauer der Wirkung ganz gut in fester Form geschehen kann, was bei
der entschieden leichteren Application (z. B. in Fleisch eingehüllt)
einen grossen Vortheil bietet. Auffallend erscheint die in 6 Ver¬
suchen mit 0,5—0,8 Mgrm. Strychninsalz beobachtete gefährlichere
Wirkung bei der festen Form der Darreichung: Es erfolgte stets
tödtlicher Ausgang, während die Vergiftung durch dieselbe Dosis,
aber in Lösung gegeben, stets mit Genesung endete. Es scheint mir
dies durch rasche Löslichkeit des Strychninsalzes im Magen der Hunde
and raschere Aufsaugung der entstandenen concentrirteren Salzlösung
begründet zu sein.
12) Betreffs der cumulativen Wirkung des Strychninsalzes bei
Hunden ist zu bemerken, dass die häufig — selbst 10 mal — wieder¬
holte stündliche subcutane Application von 0,05 Mgrm. pro Kilo
Hund ertragen wird, bei dieser Darreichung erst nach der 4. Gabe
Wirkungssymptome und nach der 5. deutliche Krämpfe auftreten,
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78
FESER, Dosirtmg des Strychninnitrats.
welche sich nach den weiteren Gaben bis za den stärksten Starr¬
krämpfen von kurzer Dauer steigern.
Auch Dosen von 0,1 Mgrm. pro Kilo können mehrmals in stünd¬
lichen Pausen subcutan ohne Nachtheil gegeben werden; es entstehen
wohl schon nach der 2. Dose allgemeine Starrkrampfanfälle, aber sie
sind kurz dauernd und erst nach der 3. Dosis häufiger werdend. Der
betreffende Versuchshund hätte sicherlich sechs Eindecimilligrammdosen
in stündlicher Wiederholung subcutan ertragen, und er erlag erst der
7. Gabe. Sicher ist demnach, dass die Menge von 0,1 Mgrm. pro
Kilo Hund unter Tags alle 3 Stunden subcutan gegeben werden darf.
Anders verhält es sich mit der Wiederholung von Zweidecimilli-
grammdosen bei subcutanem Gebrauch: diese tödteten bei stündlicher
Verabreichung schon nach der 3. Gabe und schon die 1. Gabe hatte
sehr heftige Wirkung. Solche Dosen können daher täglich höchstens
2mal in grosser Zwischenzeit (5—6 Stunden) verabreicht werden.
Bei innerlicher Darreichung darf man unbedenklich an Hunde in
stündlichen Zwischenräumen 10 Gaben ä 0,1 Mgrm. St. n. pro Kilo
in Lösung verabreichen; durch die doppelte Menge d. i. 0,2 Mgrm.
pro Kilo entstehen bei stündlich wiederholter Darreichung erst nach
der 2. Gabe leichte Vergiftungssymptome, die sich in den späteren
Gaben (nach der 3., 6. —10.) bis zur hochgradigsten Wirkung stei¬
gerten und auffallenderweise erst nach der 10. Dosis tödteten. Daraus
geht mit Sicherheit hervor, dass die zweistündliche Verabreichung von
5 Dosen ä 0,2 Mgrm. pro Kilo an Hunden (in Lösung innerlich)
ohne alle Nachtheile ertragen wird.
Grössere Mengen als 0,2 Mgrm. pro dosi eignen sich nicht zur
häufigeren wiederholten Darreichung, denn in unserem Vers. 53 hatte
die Gabe von 0,4 Mgrm. St. n. schon nach der 1. Wiederholung nach
2 Stunden tödtliche Vergiftung zur Folge.
13) Beim Hunde stehen die Subcutandosen zu jenen innerlicher
Darreichung und gleicher Wirkungsgrade in einem Verhältnisse wie
1:2 d. h. innerlich dürfen nur doppelt so grosse Dosen als subcutan
für den gleichen Wirkungseffect gegeben werden.
(Fortsetzung folgt.)
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1Y.
TJeber Wesen und Behandlung des sogen. Hufkrebses.
Von
Professor Dr. PBtz in Halle a. S.
In einem bei Wiegandt, Hempel und Parey in diesem Jahre
(1880) erschienenen Buche über die Hufkrankheiten des Pferdes von
Dr. H. Möller, Lehrer an der Königl. Thierarzneischule und an der
Königl. vereinigten Artillerie- und Ingenieurschule zu Berlin, heisst
es in dem Abschnitte über Huf- resp. Strahlkrebs auf S. *238:
„Die bei weitem häufigste Art dieses Leidens besteht in einer
einfachen Hyperplasie der Papillen mit starker Absonderung. Die
Papillen des Fleischstrahles, der Sohle oder die Blätter der Wand
wuchern zu einer oft bedeutenden Grösse heran, so dass man dieselben
sehr leicht mit blossem Auge erkennen kann. Diese Neubildung,
welche nur die normalen Bestandtheile jener Organe zu Grunde hat,
stellt demnach ein Papillom oder ein Fibroma papillare oder Warze dar.“
Möller scheint überzeugt zu sein, damit den Nagel auf den
Kopf getroffen und alle anders gestalteten Ansichten über das Wesen
des Hufkrebses, namentlich auch die meinige, ad absurdum geführt
zu haben.
S. 241 1. c. sagt derselbe nämlich, nachdem er einige ältere
Autoren kurzer Hand abgefertigt hat: „Ebenso unberechtigt ist es,
die Strahlfaule und den Strahlkrebs zu den Geschwüren zu zählen,
wie dies neuerdings durch Pütz geschehen ist; von einer Ulceration
kann weder bei der Strahlföulc, noch auch beim Strahlkrebs die Bede
sein. Die grössere Aehnlichkeit mit einem Geschwür besitzt noch die
Strahlfaule, insofern, als ein fortschreitender Zerstörungsprocess vor¬
liegt, allein derselbe läuft an einem todten Materiale ab, kann daher
nicht als Ulceration bezeichnet werden. Bei dem Strahlkrebs tritt
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80
PUETZ,
aber der Neubildungsprocess in den Vordergrund, während von einer
Zerstörung keine Rede ist. — Die im weiteren Verlaufe an der Horn¬
kapsel auftretenden Defecte bilden die Folge des durch den Krank¬
heitsvorgang unterbrochenen Hombildungsprocesses.“
Das klingt ähnlich, wie „Roma locuta, causa definita est“. In-
dess die heutige Wissenschaft ist ketzerisch und sucht den Werth einer
Behauptung nach der Gewichtigkeit der angeführten Gründe und nicht
nach der Stellung und Zuversicht des Autors zu beurtheilen. Bei
nochmaliger sorgfältiger Prüfung des pro und contra der verschiedenen
Meinungen ist es mir nicht gelungen, von der Richtigkeit der Möl¬
ler’sehen Definition, noch von der Unhaltbarkeit meiner bezüglichen
Anschauungen mich überzeugen zu können. Ich erlaube mir deshalb,
zunächst über das Wesen des Hufkrebses hier einige sachliche Aus¬
einandersetzungen dem Urtheile des Lesers zu unterbreiten, um daran
später einige die Therapie betreffende Bemerkungen anzuschliessen.
In meinem Lehrbuche der allgemeinen chirurgischen Veterinair-
Pathologie und Therapie, auf welches Möller bei Abfertigung meiner
Auffassung der fraglichen Krankheitsprocesse sich bezieht, heisst es
S. 82: „Zu diesen Hautgeschwüren gehören unter anderen zwei, bei
Pferden häufig vorkommende Hufleiden, über deren Wesen man lange
nicht recht im Klaren war, nämlich die „Strahlfäule“ und der soge¬
nannte „Strahlkrebs“.
Der Streit über die Natur dieser beiden Leiden ist bekanntlich
alt. In früheren Zeiten wurde der Strahlkrebs allgemein als „Feig¬
warzen“ des Hufes angesehen. Dann kam in Deutschland die Be¬
zeichnung „Huf- oder Strahlkrebs“ allerorts in Aufnahme, weil man
das Uebel für ein krebsartiges hielt. Im Jahre 1846 wurde es (im
XH. Bande des Magazins von Gurlt und Hertwig S. 274 u. 275)
von Eichbaum als „bösartige Strahlfäule“ oder „bösartiges Strahl¬
geschwür“ qualificirt, ohne dass dadurch der Name „Huf- resp. Strahl¬
krebs“ wieder verdrängt werden konnte. Im Jahre 1854 trat Haubner
(im XXI. Jahrgange des genannten Magazins) wieder für die Feig¬
warzen-Natur fraglichen Leidens in die Schranken. Die für diese
Auffassung 1. c. beigebrachten, von Möller voll und ganz adoptirten
Argumente erscheinen mir vielfach angreifbar. So sagt Haubner
z. B. S. 392 1. c.: „Allerdings sehen wir eine andauernde und an¬
scheinend geschwürsähnliche Zerstörung des Hufes; aber diese Zer¬
störung bezieht sich nur auf die Hornmasse des Hufes, und nicht auf
die Weichtheile. In der Hornmasse des Hufes, dieser unbelebten
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Wesen und Behandlung des sog. Hufkrebses.
81
Substanz, kann aber von einer geschwürigen Zerstörung gar nicht die
Rede sein.“ Auf S. 408 1. c. heisst es; „Diese Hornmaterie ist hier
in einem solchen Reizungszustande; es kommt in Folge dessen nicht
zur Hornerzeugung, sondern die Absonderungsthätigkeit erschöpft sich
in reichlicher Absonderung einer lymphatischen Flüssigkeit und Bil¬
dung junger Hornzellen, die schnell wieder zerfallen. Analoge Er¬
scheinungen sehen wir auf der Haut und Schleimhaut bei Blosslegung
des Coriums und fortbestehender Reizung. 44
Ich werde in Nachstehendem versuchen, auf Grund der von
Möller und Haubner gegebenen Schilderung des Strahlkrebses zu
beweisen, dass dieser mit Recht unter die Geschwüre (und zwar unter
die fungösen) einzureihen ist.
Nach Billroth ist ein Geschwür eine Wundfläche, die keine
Tendenz zur Heilung zeigt. Zerfall und Neubildung combiniren sich
beim Verschwärungsprozess in den verschiedensten Verhältnissen mit
einander, üeberwiegt der Zerfall, so entsteht ein sog. „fressendes
oder atonisches“ Geschwür; überwiegt die Neubildung, so entsteht
ein sog. „wucherndes (hyperplastisches) oder fungöses“ Geschwür.
Bei jenem pflegt der Geschwürsgrund mehr oder weniger vertieft, bei
letzterem mehr oder weniger hervorgewölbt zu sein. Die Absonde¬
rung, Form und Ausbreitung, sowie die Ränder und Umgebung der
Geschwüre können sich mannigfach verschieden verhalten. Dass die
histologische Beschaffenheit des erkrankten Gewebes, namentlich auch
dessen Durchfeuchtung und Vascularisation, ferner mancherlei locale
und allgemeine Verhältnisse, äussere Einflüsse und innere Körper¬
zustände auf die Gestaltung des Verschwärungsprocesses in jedem
concreten Falle von wesentlicher Bedeutung sind, darf ich wohl als
hinlänglich bekannt voraussetzen.
Bevor ich nun die Entwicklung des Strahlkrebses nach der Dar¬
stellung Möller’s hier wiedergebe, will ich noch eine Schilderung der
gewöhnlichen Entstehungsweise eines Hautgeschwürs vorausschicken.
Hautgeschwüre pflegen (wie Geschwüre überhaupt) gewöhnlich
aus einem chronischen Entzündungsproeesse hervorzugehen. Die ent¬
zündete Cutis, zumal die oberflächlichen Schichten derselben, werden
von Wanderzellen und Blutplasma infiltrirt und dadurch die Papillen
saftreicher und grösser; auch die Zellen des Rete Malpighii vermehren
sich derart, dass die oberflächliche Schicht desselben kaum mehr den
gehörigen Grad der Verhornung erlangt. Das Bindegewebe der Pa-
pillarschicht wird weicher, zum Theil fast gallertig. Das weiche
▲rehlv L witsensch. u. prakt. Thierheilk. VII. 1 u. 2. 6
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82
PUETZ,
dünne Hornblatt der Epidermis löst sich an einer Stelle ab, wodurch
ein oberflächliches Geschwür sich bildet, indem die Zellenschicht des
Rete Malpighii freigelegt wird. Wirken jetzt fortgesetzt neue Reize
ein, so wird eine oberflächliche Secretion von Blutplasma und Wan¬
derzellen unterhalten, wodurch die bereits vergrösserten (und degene-
rirten) Hautpapillen bedeckt werden. — Bei einem solchen Flächen¬
geschwür der Haut handelt es sich demnach um eine Zerstörung der
Epidermis, welche an der Huflederhaut bekanntlich durch mächtige
Hornlagen repräsentirt wird.
Die Bildung des Strahlkrebses schildert Möller 1. c. S. 238 fol-
gendermassen: „An der Oberfläche der vergrösserten Papillen der
Huflederhaut befindet sich das Retelager in einem äusserst lebhaften
Wucherungsprocess. Die hier gebildeten Massen können bei der schnel¬
len Production nicht verhornen, sondern bilden theils eine elastische,
weisse, fast knorpelähnliche Bedeckung der hyperplastischen Papillen,
theils das den Fäulnissprocessen anheimfallende Secret.“ S. 242 er¬
wähnt Möller die Thatsache, dass der Strahlkrebs sich in der Peri¬
pherie weiter ausbreitet. Er sagt dann hieran anschliessend: „Dieser
Umstand ist insofern interessant, als hierdurch der Beweis geliefert
wird, dass der Process zweifellos im Rete Malpighii einsetzt und in
diesem auch zunächst sich ausbreitet. Die betreffenden Horntheile
erscheinen anfangs unterminirt, dieselben fallen später ab und indem
an ihrer Stelle kein neues Horn gebildet wird, bleibt die Hufleder¬
haut hier unbedeckt“ u. s. w. Und dies Alles soll ohne Gewebs¬
zerfall geschehen?!
Nach dieser Darstellung Haubner’s und Möller’s scheint mir
der Entwickelungsvorgang bei Entstehung von Huf krebs ziemlich
genau derselbe zu sein, wie er bei chronischer Entzündung und ober¬
flächlicher Verschwärung der äusseren Haut vorhanden zu sein pflegt.
Auch Haubner bezeichnet die Erscheinung als analog.
Wie bei Oberflächengeschwüren der äusseren Haut die Wund¬
ränder von der meist gequollenen angrenzenden Epidermis gebildet
werden, so bildet beim Hufkrebs resp. bei Verschwärung der Huf¬
lederhaut das im Zerfall begriffene Horngewebe der Nachbarschaft die
Begrenzung der Wundfläche resp. die Wundränder. Bei wuchernden
Hautgeschwüren hypertrophiren die Papillen und zeigen entweder eine
derbe, feste Beschaffenheit, oder sie bleiben weich und haben dann
gewöhnlich eine rothe Farbe; sie wachsen oft zu polypösen Wuche¬
rungen heran, welche an ihrer Oberfläche mit schleimigem Secret
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Wesen und Behandlung des sog. Hufkrebses. 83
bedeckt sind. Alles dies und vorzugsweise das letztere gilt auch für
die Huflederhaut. Es wird dadurch verständlich, dass der Hufkrebs
in seinem Verhalten mancherlei Verschiedenheiten zeigen kann. Ob
nun der Verschwärungsprocess bei demselben zuweilen auch mehr in
die Tiefe dringt und den Papillarkörper oder noch tiefere Schichten
der Huf lederhaut destruirt, weiss ich nicht. Ist dies der Fall, so
würde dadurch die Heilbarkeit des Uebels sehr vermindert oder ganz
aufgehoben werden können.
Wenn ich nun auch berücksichtige, dass Zerfall und Neubildung
bei den verschiedenen Formen von Geschwüren und Geschwülsten sich
sehr mannigfach mit einander verbinden, und wenn-ich demgemäss
auch weiss, dass es in manchen Fällen auf subjective Ansichten an¬
kommen kann, diesen oder jenen hyperplastischen Process als ein
fungöses Geschwür oder als eine ulcerirende Geschwulst anzusprechen,
so scheint mir doch im vorliegenden Falle die Genesis und das gauze
Verhalten des pathologischen Zustandes uns zu zwingen, den Strahl¬
krebs den fungösen Geschwüren und nicht den Papillomen anzureihen.
Ich kenne keine Papillom- oder Warzenbildung, welche mit Zerstörung
und Ablösung der Epidermis anhebt, wie dies beim Strahlkrebs der
Fall ist. Papillome oder Warzen der äusseren Haut sind in der Regel
von einer stark verhornten, trockenen Epidermisdeeke überzogen,
während beim Hufkrebs die sonst dicken und festen Lagen des Horn¬
schuhes an den betr. Stellen erweicht oder aufgelöst sind. Im spä¬
teren Verlauf wird überhaupt beim Strahlkrebs gar kein normales
Horn mehr gebildet, weil die Epidermis über der Huffleischhaut zum
Theil degenerirt und zerfällt resp. verschwärt. Der Zerfall betrifft
also keineswegs blos ein todtes Material, sondern ein zellenreiches
Gebilde, welches unter normalen Verhältnissen zum Aufbau von Horn¬
gewebe verwendet wird. Ohne ganz darüber im Klaren zu sein, was
Haubner unter *Hornmaterie“ versteht, so geht doch aus dem von
mir vorhin angeführten Citat zur Genüge hervor, dass auch nach
Haubner diese „in einem Reizungszustande befindliche“, folglich belebte
Masse zerfällt, womit eine Ulceration, wenn auch unfreiwillig, zuge¬
standen ist. Im Bereiche der äusseren Haut kommen zuweilen auch
stark vascularisirte Papillome, sog. „weiehe Warzen“ vor. Aber auch
diese sind von dem Hornblatt der Epidermis überzogen, falls nicht
ein Ulcerationsprocess an denselben platzgegriffen hat. Ueberdies
besitzen PapiUome auch nicht die dem Strahlkrebs stets zukommende
Tendenz der diffusen Ausbreitung.
6 *
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PUETZ,
Zwischen den äussersten Grenzen der „wuchernden oder fungösen“
und den „fressenden oder atonischen“ Geschwüren liegen bekanntlich
zahlreiche Uebergangsstufen. Hiermit ist meines Erachtens der Schlüssel
gegeben zur Erklärung einestheils der verschiedenen Formen des Strahl¬
krebses, andererseits der nur scheinbar trennenden Verschiedenheiten
zwischen Huf krebs und Strahlfaule. Der Hufkrebs gehört nach meiner
Ansicht zu den wuchernden, die Strahlfäule zu den torpiden
Geschwüren. Berücksichtigen wir die Verhältnisse, welche für die
eine oder andere dieser Geschwürsformen von hervorragender Wichtig¬
keit sind, so wird es uns eben so wenig befremden, dass die Strahl¬
fäule nur selten in Hufkrebs, als dass ein anderes atonisches Geschwür
fast nie in ein fungöses übergeht. Eine üppige Neubildung kann be¬
kanntlich nur da auftreten, wo eine starke Durchfeuchtung der be¬
treffenden Gewebe und eine entsprechende Vascularisation derselben
vorhanden ist; das umgekehrte Verhältnis finden wir constant bei
atonischen Geschwüren. Diese Differenz in der Durchfeuchtung und
im Blutreichthume des Hufes finden wir auch beim Huf krebs und bei
der Strahlfaule. Ersterer kommt meist oder ausschliesslich an gut
durchfeuchteten und blutreichen Hufen mit breitem, kräftigem Strahl,
letzterer an weniger durchfeuchteten, mehr ischämischen Hufen mit
schlecht ernährtem, oft geradezu verkümmertem Strahl vor. Und diese
Verhältnisse sind am Pferdehufe weder leicht, noch schnell zu ändern,
so dass es dadurch verständlich wird, warum Strahlfäule nicht häufiger
in Hufkrebs übergeht. Der von Möller S. 246 1. c. ausgesprochene
Satz; „Eine besondere Verwandtschaft besteht also zwischen beiden
genannten Leiden (Hufkrebs und Strahlfäule) nicht, daher lässt sich
nicht behaupten, dass die Strahlfäule in Strahlkrebs übergehe, sondern
die Strahlfäule erleichtert nur das Auftreten dieses Uebels tt scheint
mir in allen wesentlichen Punkten den eigentlichen Sachverhalt ura-
zukehren. Nach meiner Meinung müsste es heissen: „Obgleich Strahl¬
fäule und Hufkrebs verwandte Processe sind, so treten diese doch
unter so verschiedenen Verhältnissen auf, dass dadurch an einem Hufe
mit Strahlfäule meist die Bedingungen fehlen, unter welchen ein
atonisches Geschwür in ein wucherndes übergehen kann.“
Den Strahlkrebs-Parasiten Megnin’s halteich, wie Möller, für
etwas Nebensächliches. Jedoch scheint es mir angemessen, in der
Wissenschaft einer möglichst correcten Terminologie sich zu befleissigen
und demgemäss statt „Der Keraphyton“ zu sagen „Das Keratophyton“;
die Stammwörter sind bekanntlich x4qcc$j arog und yvxov. Wenn
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Wesen und Behandlung des sog. Hufkrebses
85
die Etymologie so stiefmütterlich behandelt wird, wie bei dem ver¬
dorbenen Kunstausdrucke „Der Keraphyton“, dann wird neben dem
bereits wiederholt dagewesenen „per Klysmara“ statt: „per Klysma“
(io xXvGfj* r) nächstens wohl auch „per orem“ statt „per os“ u. dgl. ra.
in die Veterinärliteratur Eingang finden.
Die äussere Aehnlichkeit des Strahls beim Hufkrebs mit dem
provisorischen Strahle und der Sohle des fötalen Hufes, auf welche
Möller 1. c. S. 238 und 239 hinweist, hat wohl hier wie dort wesent¬
lich den nämlichen Grund. In beiden Fällen spielt jedenfalls die starke
Durchfeuchtung der betreffenden Gewebe eine nicht unbedeutende Rolle.
Wie Möller, so bezweifle auch ich, dass der Huf krebs mit Sarcom
und Carcinom irgend eine Gemeinschaft hat. Von einer Generalisation
des Uebels, wie dieselbe bei beiden malignen Geschwulstformen schliess¬
lich regelmässig zu erfolgen pflegt, ist mir beim Hufkrebs nichts be¬
kannt.
Was die Aetiologie des Strahlkrebses anbelangt, so glaube ich,
dass Möller in folgendem Passus das Wesentlichste des uns bis jetzt
Bekannten angegeben hat. S. 245 1. c. sagt derselbe: „Wenn ein
kleinerer oder grösserer Abschnitt der Huflederhaut z. B. in Folge
einer Verletzung in einen aCuten Entzündungsprocess versetzt ist, so
wird der letztere durch den Druck von Seiten der benachbarten Horn-
raassen oft unterhalten. Sofern nicht eine zweckmässige Behandlung
eintritt, macht die Entzündung in der Umgebung leicht Fortschritte.
Eine Tendenz zur fortschreitenden Ausbreitung der Entzündungsprocesse
lässt sich bekanntlich an der Huflederhaut oft beobachten und findet
in dem Angegebenen eine Erklärung. Auch die chronischen Entzündungs¬
vorgänge sind denselben Einflüssen ausgesetzt und können auf diese
Weise zu allmählig um sich greifenden Wucherungen führen. Das
Fehlen des physiologischen Druckes, dem die Huf lederhaut (sonst)
ausgeset?t ist, mag hierbei auch eine Rolle spielen. Jedenfalls kann
es nicht befremden, wenn wir unter solchen Umständen hyperplastische
Vorgänge in der Huf lederhaut ablaufen sehen, welche zwar in ihrem
Verlaufe mit den heteroplastischen Neubildungen eine grosse Aehnlich¬
keit haben, den noch'aber nur einfache Hyperplasien bilden. Nach
meiner Ansicht werden gar manche derjenigen Bildungen, die wir als
Strahlkrebs bezeichnen, auf diese Weise angeregt und unterhalten.“
Dieser Ansicht bin auch ich. Wir haben es demnach bei „manchen
derjenigen Bildungen, die wir als Strahlkrebs zu bezeichnen pflegen“,
zweifellos mit entzündlichen Neubildungen, somit nicht mit eigent-
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86
PUETZ,
liehen Geschwülsten zu thun. Diese entstehen bekanntlich selten auf
entzündetem Boden, sondern verdanken ihre Entstehung grösstentheils
unbekannten Ursachen. Den entzündlichen Neubildungen ist es über¬
dies eigentümlich, dass sie bei noch so beträchtlicher Wucherung im
Wesentlichen homöoplastische Gewebe produciren. In Bezug auf das
Zustandekommen der papillösen Wucherungen beim Huf krebs glaube
ich auch hier wieder auf die Bedeutung des Blutreichthums des be¬
treffenden Hufes und auf den Grad der Durchfeuchtung desselben auf¬
merksam machen zu müssen. Im Jahre 1855 habe ich in meiner
Praxis einen Fall behandelt, der mich zu dieser Ansicht geführt und
in derselben bestärkt hat. Bei einem Pferde mit traumatischer Huf-
fleischsohlen- und Fleischstrahl-Entzündung waren die Horntheile um
die Wände herum abgetragen und längere Zeit hindurch Fussbäder
von lauwarmem Wasser angewendet worden. In Folge dessen hatten
sich Papillarwucherungen gebildet, in deren Umfang der Zerstörungs-
process in ganz ähnlicher Weise wie beim Strahlkrebs um sich griff.
Die Heilung des Uebels wurde in einiger Zeit erzielt, nachdem an
Stelle der Fussbäder eine systematische Austrocknung des Hufes ge¬
treten war. Einen ähnlichen Fall theilt Haubner 1. c. S. 299 und
400 mit. Und so glaube ich, sind auch die meisten, wenn nicht alle
Strahlkrebse bei einer entsprechenden Behandlung bald zu heilen, so
lange sie noch auf leicht zugängliche Partien der Sohle und des
Strahles beschränkt sind. Dringen sie aber in schwer zugängliche
Vertiefungen der Huflederhaut ein, so gestalten sich die Verhältnisse
weit ungünstiger. Man erkennt dies in instructivster Weise dann,
wenn bei einem Patienten, der auf mehreren Hufen an Hufkrebs
leidet, das an der Sohlenfläche oft bedeutend ausgebreitete Uebel in
kurzer Zeit und bei der nämlichen Behandlung heilt, während an
einem anderen, scheinbar in geringerem Umfange erkrankten Hufe,
das Uebel hartnäckig fortbesteht. Es stellt sich dann in der Regel
nachträglich heraus, dass hier der Verschwärungsprocess tiefer in die
Einbuchtungen der Huflederhaut eingedrungen ist. Besonders hart¬
näckig sind nach meinen Erfahrungen alle Fälle, bei denen der Ver¬
schwärungsprocess auf der Fleischwand sich in grösserem Umfange
ausgebreitet hat. Die bei ein und demselben Patienten auftretende,
oft sehr bedeutend verschiedene Hartnäckigkeit des Hufkrebses lässt
sich doch wohl nur auf locale und nicht auf allgemeine innere Zu¬
stände zurückfuhren. Gleichwohl soll nicht bestritten werden, dass
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Wesen und Behandlung des sog. Hufkrebses. 87
auch letztere Vorkommen und der Heilung manchmal Hindernisse be¬
reiten können.
Für die Therapie des Strahlkrebses gelten alle Prinzipien, welche
bei Behandlung fungöser Geschwüre überhaupt massgebend sind. Zer¬
störung der Wucherungen, Behinderung ihrer Neubildung und der
Zersetzung des Wundsecretes, sodann die Beförderung einer normalen
Hornbildung, sind die Hauptaufgaben, welche jede Kunsthülfe zu
lösen bestrebt sein muss. Es handelt sich demnach um Bloslegung,
Aetzung, Desinfection und Corapression der Geschwürsoberflächen. So
weit es thunlich ist, wird man also allerorts über den kranken Stellen
der Huf lederhaut das Horn abtragen, um jene mit den Heilmitteln
direct erreichen zu können. Es ist nur sehr schade, dass sich dies
in manchen Fällen so sehr schwer ausführen lässt, während die Vor¬
schrift doch so einfach und sicher klingt. Ich habe recht oft solche
Abtragungen vorgenommen und bei denselben keine nennenswerthen
Schwierigkeiten gefunden, wenn es sich um Sohle und Strahl handelt.
Wo indess der Verschwärungsprozess auf der Fleischblättchenschicht
bereits eine grössere Ausdehnung erlangt hat, da muss man es selbst
versucht haben, die unterminirte Hornwand abzutragen, um zu wissen,
dass dies in gründlicher Weise deshalb nicht so leicht geschehen kann,
weil die Grenze zwischen gesund und krank erst bestimmt erkannt zu
werden pflegt, wenn die Fleischwand blossgelegt ist. Ueberdies ver¬
breitet sich der Zerstörungsprozess keineswegs immer in geradon Linien,
sondern tritt auch nesterweis auf. Und wie Möller ganz richtig angiebt,
sind die zerfallenen Gewebe eine Zeit lang noch von einer Hornlage
überdeckt. Dadurch wird man in die missliche Nothwendigkeit ver¬
setzt, ab und zu immer wieder neue und weiter reichende Abtragungen
vornehmen zu müssen, wodurch die Heilung und noch mehr die
Wiederherstellung der endlichen Arbeitsfähigkeit des Patienten sehr
in die Länge gezogen wird. Derartige Operationen haben mich aber
darüber belehrt, dass der Verschwärungsprozess an der Huflederhaut
bei sog. Huf krebs lange Zeit bestehen kann, ohne dass papillöse
Wucherungen sich zeigen. Wird aber die Hornwand über den kranken
Stellen abgetragen, so schiessen sehr schnell üppige Wucherungen auf
der schwärenden Fleischwandoberfläche hervor. Wenn Möller der¬
artige Wandkrebse wirklich behandelt und geheilt hat, so begreife ich
nicht, dass seinem Scharfsinn diese Dinge entgangen sein sollten.
Wegen der Schwierigkeit der Abtragung und des späteren Er¬
satzes der ganzen Hornwand habe ich versucht, die kranke Fleisch-
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PUETZ,
blättchenschicht in anderer Weise für den Zutritt des flüssigen’ Aetz-
mittels zugänglich zu machen. Möller bezweifele die Möglichkeit?
grössere Abschnitte der Fleischwand mit Erhaltung eines später trag¬
fähigen Theiles der Hornwand derart freilegen zu können. Nichts
desto weniger ist dieser Zweifel unbegründet. Wenngleich es erst
nach wiederholten Versuchen und Bemühungen endlich gelingt, so ist
die Unsicherheit dieses Verfahrens doch kaum grösser, als bei gänz¬
licher Abtragung umfangreicher Hornwandpartien. Ich habe bei einem
Pferde, bei welchem beiderseits die Hornwand losgelöst war, diese
versuchsweise auf der einen Seite abgetragen, auf der anderen Seite
stehen lassen und an letzterer mehrere Monate früher radicale, bis auf
den heutigen Tag reichende Heilung erzielt, als auf der entgegen¬
gesetzten Seite. Allerdings gelingt dies nicht immer so.
Wer sogenannte Wandkrebse nicht nur behandelt, sondern auch
radical geheilt hat, der weiss, wie schwer es oft ist, die Anwesenheit
des Zerstörungsprocesses an höher gelegenen Partien der Wand von
vorn herein zu erkennen. Es wird Anderen wie mir ergangen sein,
dass das Leiden an Sohle und Strahl bis auf eine feuchte Stelle an
und in der weissen Linie geheilt war, die dann oft erst nach langer
Zeit — und zwar erst nach Blosslegung eines entsprechenden Theils
der Fleischwand — endlich zur Heilung gelangt. Man versäume des¬
halb nie bei Sohlenkrebsen, die bis zur Wand reichen, die weisse Linie
frühzeitig genau zu sondiren, um etwa vorhandene kranke Stellen
möglichst bald zu entdecken. Man pflegt zu sagen: „durch Schaden
wird man klug“. Auch ich habe diese Erfahrung theucr genug mit
Opfer an Arbeit und Zeit, sowie durch anderweitige Unannehmlich¬
keiten bezahlt. Wo solche Trennungen vorhanden sind, suche ich einen
mit Flachs umwickelten und mit Aetzflüssigkeit getränkten Holzspiess
zwischen Fleisch wand und Hornblättchen einzuschieben und seitlich
weiter zu bewegen, indem ich denselben mit dem Aetzmittel durch
Aufgiessen desselben wiederholt tränke. Ich hoffe dieses Verfahren
im Lauf der Zeit noch verbessern zu können; wünschenswerth genug
ist dies, und ich denke, es wird auch mehr oder weniger gelingen.
Seit einigen Jahren habe ich nun als Aetzmittel eine Anzahl
Versuche mit dem sogenannten „Caustique Vivier 44 angestellt. Möller
drückt dies etwas anders aus. Er stellt ferner die betreffende Mischung
als bekannt hin, indem er deren Zusammensetzung ohne weitere Be¬
merkung nach einer durch mich veranlassten und veröffentlichten Ana¬
lyse anführt. Dass diese Flüssigkeit der ihr von Vivier beigegebenen
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Wesen und Behandlung des sog. Hufkrebses.
89
Anpreisung nicht entspricht, habe ich bereits an einem anderen Orte
mitgetheilt. Sie wirkt indess besser, als irgend ein von mir früher
versuchtes anderes Mittel. Bei ihrem Gebrauch habe ich die bis jetzt
zu Wege gebrachten Heilungen mehrerer Hufkrebse, worunter nament¬
lich ein sehr schwerer Fall von Wandkrebs, ohne Druckverband und
bei Application des Mittels von 3 zu 3 oder 5 zu 5 Tagen erzielt.
So wirksam ja ein Druckverband auch sein mag, so weiss doch Jeder,
dass es für die Landpraxis in vielen Fällen nicht möglich ist, täglich
einen neuen Druckverband anlegen zu können. Es muss demnach
erwünscht erscheinen, die Erneuerung des Verbandes möglichst zu er¬
leichtern und seltener nothwendig resp. die Application eines Druck¬
verbandes womöglich ganz überflüssig zu machen. Ob dies erreichbar
ist oder nicht, kann nur durch Versuche, nicht aber durch blosses
Zweifeln entschieden werden. Von diesem Gesichtspunkte aus habe
ich hier eine Anzahl Versuche mit dem Vivier’schen Mittel angestellt
und dabei im Laufe der Zeit mancherlei unangenehme, immerhin aber
auch einige angenehme und nützliche Erfahrungen gemacht. Soweit
meine seitherigen Beobachtungen reichen, glaube ich, dass ein Druck¬
verband durch Escharotica etc. ersetzt werden kann. Dass das Vi-
viersche Mittel den vielfach auf dasselbe gesetzten, theils exorbitanten
Erwartungen nicht entsprochen hat, haben mir inzwischen auch andere
frühere Verehrer desselben mitgetheilt. Solche Mittheilungen scheinen
auch dem Erfinder zahlreich zugegangen zu sein, da derselbe die
Flüssigkeit in neuerer Zeit wesentlich anders zusammengesetzt ver¬
sendet, als ehemals. Im Frühjahr (1880) schrieb ich an Vivier um
nochmalige Uebersendung zweier Fläschchen seines Hufkrebsmittels.
Statt einer gelben Flüssigkeit erhielt ich diesmal eine schwärzliche,
welche ich durch einen hiesigen Chemiker, Dr. Drenkraann, habe
untersuchen lassen. Der mir zugegaugenen Analyse gemäss besteht
das Mittel aus:
Antimonpentachlorid 9,15
Chromchlorid . . . 5,91
Chlorkalium . . . 0,71
Chlorwasserstoff . . 4.73
Wasser.69,50
Da auch dieses Mittel keine Heilung bewirkte, so suchte ich bei
der menschenärztlichen Chirurgie Rath und fand denselben in König’s
Lehrbuch der speciellen Chirurgie, Berlin 1879, S. 775, woselbst gegen
eine beim Menschen im Ganzen selten vorkommende Ulceration des
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90
PUETZ, Wesen und Behandlung etc.
Nagelbettes „Plumbum nitricum“ als wirksam gerühmt wird. Auch
in Husemann’s Materia medica, Berlin 1875, Band II, S. 510 ist
fragliches Mittel gegen das nämliche Leiden empfohlen. Nach dem
Gebrauche desselben habe ich bei zwei Pferden, die bereits über ein
Jahr an ausgebreitetem (Wand- und Sohlen-) Hufkrebs in hiesiger
Veterinärklinik behandelt worden waren, ohne dass Heilung erzielt
wurde, in verhältnissmässig kurzer Zeit vollständige Heilung eintreten
sehen. Beide Pferde sind bereits seit einiger Zeit ihren Eigentümern
gesund und diensttauglich zurückgegeben worden, und ich zweifle kaum
daran, dass bei jenen das Uebel eben so wenig recidiviren wird, als
dies bei irgend einem anderen von mir hier geheilten hufkrebskranken
Pferde der Fall gewesen ist. — Was nun die Anwendung des Plum¬
bum nitricum anbelangt, so sei kurz bemerkt, dass ich dasselbe als
feines Pulver auf die zuvor gereinigte Geschwürsoberfläche aufstreue
und dies so oft wiederhole, als unter dem Schorfe noch ein Gewebs¬
zerfall stattfindet. Wenn der Schorf überall festsitzt und nicht mehr
leicht abgehoben werden kann, beginnt unter demselben die Horn¬
bildung. Dass bei dieser Behandlung alle unterminirten Homtheile
entfernt und die ganze Geschwürsoberfläche biosgelegt werden muss,
versteht sich wohl von selbst.
Das Plumbum nitricum wird sich wahrscheinlich besonders bei
solchen Huf krebsen nützlich erweisen, bei denen der Gewebszerfall
ziemlicli beträchtlich ist. Es ist wünschenswerth, dass auch Andere,
welche dieses Mittel demnächst versuchen, die mit demselben erzielten
Erfolge veröffentlichen würden, um über den Werth desselben als
Heilmittel gegen Hufkrebs ein bestimmteres Urtheil zu erlangen.
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y.
Ueber den Einfluss der Fütterung auf die Milcbbildung
bei Ziegen.
Nach Versuchen der Studirenden der Thierarzneikunde Brinkmann, Henze,
Kammerhof, G. König, W. Ludewig und A. Straube mitgetheilt
von
Dr. Immanuel Munk,
Assistenten am pbysiol. Laboratorium der Kgl. Thicrarzneischule.
Auf Veranlassung des Herrn Director Prof. Dr. Roloff sind seit
einiger Zeit an der hiesigen Thierarzneischule Untersuchungen im
Gange, zu deren Ausführung Studirende höherer Semester, insofern
sie Befähigung und Zuverlässigkeit bewiesen haben, herangezogen
werden. Die Theilung der Arbeit geschieht hierbei in der Weise,
dass die chemisch-analytischen Bestimmungen im chemischen Labo¬
ratorium von Herrn Professor Pinn er und dessen Assistenten Herrn
Dr. Hörmann geleitet und beaufsichtigt werden, während der eigent¬
lich physiologische Theil, die Anordnung und Einrichtung des Stoff¬
wechselversuchs selbst, sowie die Sichtung des aus den einzelnen Be¬
stimmungen sich zusammensetzenden Materials und die Darstellung
der Ergebnisse dem Referenten zufällt. Von diesen Untersuchungen,
die weiterhin noch fortgesetzt werden, soll hier über eine erste Reihe
berichtet werden, welche von dem Einfluss der Fütterung auf Qualität
und Quantität der Milch bei der Ziege handelt.
Als Versuchstiere dienten 2 Ziegen in der 11. Woche der Lac-
tation. Das Körpergewicht von Ziege I. betrug zu Anfang der Ver¬
suche 22,5 Kilo, das Körpergewicht von Ziege II. betrug 20,6 Kilo.
Die Ziegen wurden regelmässig Morgens 7 Uhr und Abends 6 Uhr
gemolken; die gesammelte Abend- und Morgenmilch eines jeden Tages
wurde analysirt. Die Versuche begannen am 24. Juni und wurden
am 2. August 1880 beendet.
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MUNK,
Ueber die analytischen Methoden sei folgendes bemerkt:
Das spec. Gewicht wurde vermittelst des Aräometers bestimmt.
Bei der Bestimmung der festen Stoffe wurde nach einer durch Herrn
Dr. Hör mann uns mündlich bekannt gewordenen Modification von Hilger ver¬
fahren. Ein kleines Volumen Milch, circa 1 — 2 Ccm., wird auf einen tiefen
Platindeckel gebracht, abgewogen und bei massiger Temperatur, zunächst über
freiem Feuer, getrocknet. Das Braunwerden des Rückstandes, welches durch Zer¬
setzung des Zuckers bei höherer Temperatur bedingt ist und einen kleinen Fehler
mit sich bringt, umgingen wir dadurch, dass wir der im Trockenofen ziemlich
eingetrockneten Milch die letzten Spuren von Wasser unter der Luftpumpe ent¬
zogen. Zu diesem Behufe setzt man den Platindeckel auf ein anderes, mit
Schwefelsäure gefülltes Gefäss und bringt beide unter den Recipienten. Nach
24 Stunden wurde die erste Wägung gemacht. Die Austrocknung wurde so lange
fortgesetzt, bis der Rückstand bei wiederholter Wägung keine Gewichtsabnahme
mehr zeigte. Aus der so erhaltenen Menge der festen Stoffe in einem bestimmten
Gewicht der Milch lässt sich dann leicht der procentarische Gehalt berechnen z. B.
Tiegel -j-Milch wiegt 5,2570 Grm.
Tiegel wiegt 3,7735 Grm.
Milch = 1,4835 Grm.
Tiegel -f-Rückstand = 3,9475 Grm.
_ Tiegel = 3,7735 Grm.
Rückstand = 0.1740 Grm.
folglich: 1,4835 : 0,1740 = 100 : x, x = 11,73 pCt.
Die Fettbestimmungen wurden mit Hülfe des Soxhlet’schen conti-
nuirlichen Fettextractionsapparates gemacht: 10 Ccm. Milch werden
in einer Porzellanschale mit 20 Grm. pulverisirten Gyps ver¬
setzt und auf einem Wasserbade von 90—100 0 so lange ge¬
trocknet, bis der Rückstand vollkommen weiss erscheint und
eine grobkörnige, sandähnliche Masse bildet. Hierauf schüttet
man die getrocknete Milch auf ein Filter und bringt dieses in
den Extractionsapparat. Es besteht dieser aus einem weiten
Glasrohr a von etwa 4 Ccm. Durchmesser, welches oben
offen und unten bis auf die Oeffnung b geschlossen ist.
Dieses Rohr dient zur Aufnahme des Filters mit der getrock¬
neten Milch. An b ist eine dünne U-förmige Röhre e ange¬
schmolzen, welche die Communication zwischen Röhre a und
c herstellt. Die Röhre c ist an a angeschmolzen und unten
offen, ausserdem communicirt sie durch d mit a. Um den
Apparat in Thätigkeit zu setzen, fügt man an c luftdicht
einen gewogenen, mit Aether halb gefüllten Kolben h an, das
Rohr a wird oben mit einem Rückflusskühler, dessen Rohr
durch g angedeutet ist, ebenfalls luftdicht in Verbindung ge¬
setzt. Bringt man jetzt den Kolben in ein Wasserbad von
60 — 80°, so verflüchtigt sich der Aether schnell, die
Dämpfe entweichen durch d , strömen in den Kühler g , werden
dort verdichtet und continuirlich fliesst aus g Aether auf die
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Fütterungseinfluss auf Milchbildung bei Ziegen.
93
getrocknete Milch, um hier das Fett zu extrahiren. Ist Rohr a mit dem Aether
bis zum Niveau n der Röhre e gefüllt, so wirkt diese als Heber und sämmtlicher,
extrahirtes Fett enthaltender Aether fiiesst in den Kolben h zurück. Alsdann
beginnt dasselbe Spiel von neuem. In 1 V 2 —2 Minuten hat gewöhnlich der
Aether einmal seine Bahn durchlaufen. Man lässt den Apparat so lange arbeiten,
bis voraussichtlich alles Fett extrahirt ist; — 35 Minuten sollen nach Soxhlet
genügen, doch haben wir, um ganz sicher zu gehen, stets 1 \ 2 —2 Stunden ex¬
trahirt. Um nun den im Kolben befindlichen Aether von Fett zu trennen, de-
stillirt man ersteren ab und lässt den Kolben noch 24 Stunden im luftverdünnten
Raum stehen und wägt ihn dann. Die Gewichtszunahme des Kolbens giebt den
Fettgehalt von 10 Ccm. Milch an.
Der Zucker wurde nach zwei Methoden bestimmt, um so eine Oontrole der
einzelnen Analysen zu erhalten:
1) Durch die optische Prüfung nach Hoppe-Seylers Methode. Zu
diesem Behufe wird eine bestimmte Menge Milch mit dem halben Volumen einer
Lösung von Bleizucker versetzt und die Flüssigkeit über mässigem Feuer bis
nahezu 100° unter möglichsten Cautelen gegen Wasserverdampfung erhitzt. Das
Gemisch bleibt bis zum völligen Erkalten ruhig stehen und wird dann filtrirt.
Das Filtrat, eine klare, durchsichtige, schwach gelb gefärbte Flüssigkeit wird
mittelst des Polarisationsapparates auf den Grad der Ablenkung der Polarisa¬
tionsebene in einer 0,1 Mtr. langen Röhre untersucht und daraus der Zucker be¬
rechnet. War die Milch schon an sich sauer, so wurde sie vorher durch Zusatz
von Natriumcarbonat neutralisirt. Wir benutzten zum Polarisiren den Halb¬
schattenapparat von Gellet-Cornu l ) (Polarimetre ä penombre).
2) Durch dieTitrirmethode: 10 Ccm. Milch werden in einen Kolben
gebracht, welcher 100 Ccm. siedendes Wasser enthält. Die Ausfällung des Ca¬
seins und der Butter wird durch den Zusatz einiger Tropfen sehr verdünnter
Essigsäure und 20 Ccm. Glaubersalzlösung beschleunigt. Hierauf wird erkalten
gelassen, filtrirt, das Filtrat in einen graduirten Cylinder gebracht und bis
auf ein bestimmtes Volumen z. B. 200 Ccm. verdünnt. Die erhaltene Flüs¬
sigkeit wird, gut umgeschüttelt, in eine Bürette gefüllt. — In einem Kolben
werden 10 Ccm. Fehling’scher Lösung stark mit Wasser verdünnt und dann zum
Kochen erhitzt, zu dieser stets im Kochen zu erhaltenden Flüssigkeit lässt man
aus der Bürette cubikcentimeterweise jenes Filtrat zufliessen, bis die blaue Lösung
gänzlich entfärbt und alles gelöste Kupferoxyd als Oxydul niedergefallen ist.
Man liest hierauf ab, wieviel von der verdünnten, von Fett und Casein befreiten
Milch nöthig war, um 10 Ccm. Fehling’scher Lösung zu reduciren und berechnet
hieraus den Milchzucker. Die Fehling'sche Titrirflüssigkeit besteht aus einer
Lösung von 34.65 Grm. Kupfervitriol in 160 Ccm. Wasser und einer Lösung von
173 Grm. weinsaurem Kali-Natron in 600—700 Grm. Natronlauge vom spec.
Gewicht 1,12. Beide Lösungen mit einander gemischt geben eine tiefblaue
Flüssigkeit. Es sind nun 0,067 Grm. Milchzucker erforderlich, um 10 Ccm.
*) Das empfehlenswerthe Instrument ist von den hiesigen Mechanikern
Schmidt & Haensch (Stallschreiberstr. 4) in sehr schöner Ausführung zum
Preise von 120 Mark zu beziehen.
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94
MÜNK,
Fehling’scher Lösung zu reduciren, demnach enthält die verbrauchte Quantität
der verdünnten Milch 0,067 Milchzucker. Man nimmt z. B. 10 Ccm. Milch,
fällt Casein und Fett durch Zusatz von Essigsäure und Glaubersalzlösung aus,
filtrirt die durch Abstehen geklärte Milchflüssigkeit ab und verdünnt sie auf 200
Ccm., also um das 20 fache. Braucht man nun zum Entfärben von 10 Ccm.
Fehling’scher Lösung 32,8 Ccm. von der Milchflüssigkeit, so enthielten diese
32 8
32,8 Ccm.: -£rp- oder 1,64 Ccm. Milch. Daraus berechnet sich: 1,64 : 0,067
= 100 : x, x = 4,08 pCt. Zucker.
Zur Bestimmung der Salze wurden in einem gewogenen Platintiegel 10
Ccm. Milch verascht und die Asche unter Zusatz von Ammoniumnitrat *) so lange
geglüht, bis sie vollkommen weiss erschien. Die gewogene Asche giebt die Salze
für 10 Ccm. Milch an.
Bestimmung der Eiweisse. Anstatt die directe umständliche Bestimmung
der Eiweisse vorzunehmen, wurden dieselben einfach berechnet, indem die Summe
des Zuckers, des Fettes und der Salze von dem festen Rückstand abgezogen
wurde. Der Salzgehalt wurde nicht jedesmal für sich bestimmt, sondern der aus
späteren Analysen für Durchschnittsfutter sich ergebende Gehalt von 0,76 pCt.
an Salzen, der übrigens auch mit von Anderen ausgeführten Bestimmungen des
Salzgehaltes in der Ziegenmilch gut übereinstimmt, der Berechnung zu Grunde
gelegt.
Erste Ziege, Körpergewicht 22,5 Kilo.
I. Fütterungsperiode vom 24. Juni bis 2. Juli. Eiweissreiche
Nahrung, bestehend aus:
500 Grm. Heu,
300 Grm. Weizenkleie,
150 Grm. Maisschrot,
3 Liter Wasser pro die.
Das von mir für je einen Tag abgewogene Futter wurde in allen
Fütterungsperioden in 3 möglichst gleiche Rationen getheilt und zu
jeder Ration vor der Verabreichung noch 1 Liter Wasser hinzugegeben.
500 Grm. Heu enthalten 425 Grm. Trockensubstanz und zwar
47,5 Grm. Eiweiss, 11,5 Grm. Fett, 201,5 Grm. Kohlehydrate und
stickstofffreie Extractivstoffe. Vom Eiweiss sind nach Stohmann
verdaulich 60 pCt., in diesem Futter also 28,5 Grm. 300 Grm.
Weizenkleie enthalten 261 Grm. Trockensubstanz; davon kommen auf
Eiweiss 43,5 Grm., auf Fett 10,5 Grm., auf Kohlehydrate und stick¬
stofffreie Extractivstoffe 161 Grm. Vom Protein sind 75 pCt. ver¬
daulich, in unserm Falle also 32,62 Grm.
l ) Ammoniumnitrat wird beim Glühen gerade auf in N 2 0 (Lustgas) und
H 2 0 (Wasser) zersetzt nach der Formel: NH 4 N0 3 = N 2 0 -j- 2H 2 0.
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Fütterungseinfluss auf Milohbildung bei Ziegen.
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In 150 Grra. Schrot sind 130,9 Grm. Trockensubstanz enthalten
und zwar Eiweiss 15,9 Grra., Fett 9,7 Grm., Kohlehydrate und stick¬
stofffreie Extractivstoffe 94,8 Grm. Die Verdaulichkeit des Eiweisses
vom Maisschrot beträgt nach Stohmann 85 pCt., oder in 150 Grm.
Schrot erhält die Ziege 13,51 Grra. verdauliches Eiweiss. In Summa
wurden zugeführt:
Eiweiss 106,9 Grm., verdaulich 74,63 Grm.,
Fett 31,7 Grm.,
Kohlehydrate und stickstofffreie Extractivstoffe 457,3 Grm.,
also stickstofffreie Stoffe im Ganzen 489 Grm. Das Nährstoffverhält-
niss der stickstoffhaltigen zu den stickstofffreien Stoffen im Futter ist
also = 1: 6,5.
Die Milch zeigte bei diesem Futter folgende Zusammensetzung:
Datum
Menge
in Ccm.
spec. Gew.
Rückstand
Grm.
Fett
Grm.
Zucker
Grm.
Eiweiss
Grm.
24.-25. Juni
535
1031
62,06
19,04
25,14
13,82
25.-26. .
550
1031
62,42
14,57
25,13
17,54
27.-28. .
525
1029
61,16
19,68
24,67
12,82
28.-29. .
480
1030
58,36
17,9
20,16
16,66
29.-30. „
500
1031
62,5
18,95
23,0
16,75
30.— 1. Juli
445
1029
49,39?*)
16,77
20,91
?
Die tägliche Milchmenge betrug im Mittel 505,83 Ccm.
Die Menge der festen Stoffe 61,3 Grm.
Die Fettmenge 17,81 Grm.
Die Zuckermenge 23,16 Grm.
Die Eiweissmenge 15,51 Grm.
Wir ersehen aus dieser Fütterungsperiode, dass bei eiweissreicher
Nahrung sowohl Menge als auch spec. Gewicht und die übrigen Be-
standtheile hoch und nahezu constant bleiben, denn so geringe Unter¬
schiede, wie sie obige Zahlen zeigen, dürfen nicht auffallen, da diese
allein ihren Grund in der verschiedenen Milchmenge haben, welche
täglich secernirt wurde. Der procentarische Gehalt ist, wie folgende
Tabelle zeigt, nahezu constant.
*) Offenbar liegt bei der Analyse des Trockenrückstandes an diesem Tage
ein Fehler vor; bei der Berechnung auf das Mittel ist daher dieser Werth ausser
Acht gelassen.
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96
MÜNK,
Datum
Menge
in Ccm.
Rückstand
in Procenten
Fett
Zucker
24.—25. Juni
535
11,6
3,5fi
4,7
25.-26. „
550
11,35
2,65
4,57
27.-28. „
525
11,65
3,75
4,7
28.-29. „
480
12,16
3,73
4,2
29.—30. „
500
12,5
3,79
4,6
30.— 1. Juli
445
11,1
3,77
4,7
Dass das Futter einen entscheidenden Einfluss sowohl auf Quan¬
tität als auch Qualität der Milch auszuüben vermag, zeigt die
II. Fütterungsperiode an derselben Ziege vom 2. bis 13. Juli.
Die Ziege erhielt eiweissärmeres Futter und zwar:
500 Grm. Heu,
150 Grm. Weizenkleie,
150 Grm. Maisschrot,
3 Liter Wasser.
Es wurden dem Versuchsthier also 16,3 Grm. verdauliches Ei-
weiss weniger zugeführt als in der vorhergehenden Versuchsreihe.
verdauliches Eiweiss
Fett
Kohlehydrate u. stick¬
stofffreie Extractivstoffe
500 Grm. Heu enthalten
150 „ Kleie *
150 „ Schrot „
28.5 Grm.
16,3 „
13.5 „
11,5 Grm.
5,2 „
9,7 „
201,5 Grm.
80,5 „
94,8 „
58,3 Grm.
26,4 Grm.
376.8 Grm.
| 403,2 Grm. stickstofffreie Stoffe
Das Nährstoffverhältniss der stickstoffhaltigen Stoffe zu den stick¬
stofffreien ist 1 : 6,9.
Die Untersuchung der Milch ergab:
Datum
Menge
in Ccm.
spec. Gew.
Rückstand
Grm.
Fett
Grm.
Zucker
Grm.
Eiweiss
Grm.
2.— 3. Juli
585
1030,5
69,05
20,59
25,74
18,28
4.- 5. „
490
1031,0
58,05
16,95
21,07
16,31
5.- 6. „
500
1031,5
60,25
16,2
27,5
12,75
6.— 7. „
436
1032,5
50,61
13,38
20,49
13,43
7.- 8. „
390
1029,5
48,50
16,8
17,94
10,8
8.- 9. .
355
1030,0
42,24
13,77
14,39
11,39
9.-10. „
355
1029,0
42,81
13,91
14,2
12,01
11.-12. „
310
1030,0
39,49
14,57
11,19
11,38
12.-13. ,
300
1028,5
33,12
10,2
7,92
17,36
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Pötterungseinfluss auf Milchbildung bei Ziegen.
97
Das Mittel beträgt für die Menge 413,44 Ccm.
Für feste Stoffe 44,45 Grm.
Für Fett 15,15 Grm.
Für Zucker 17,82 Grm.
Für Eiweiss 14,85 Grm.
Hieraus ergiebt sich, dass der geringere Eiweissgehalt des
Futters wesentlich auf Quantität und Qualität der Milch
eingewirkt hat; denn wir haben erhebliche Differenzen zwischen
der Milch von Versuchsreihe I. und II. So für:
Menge — 92,39 Ccm.
Feste Stoffe — 16,85 Grm.
Fett — 2,66 Grm.
Zucker — 5,34 Grm.
Eiweiss — 1,66 Grm.
Die vorstehende Fütterungsreihe bietet noch in verschiedener Hin¬
sicht Interesse.
An den ersten 3 Tagen nähert sich die Grösse des Milchertrages
wie der festen Stoffe noch der der vorhergehenden Versuchsreihe.
Es kann dies auch nicht Wunder nehmen. Da, wie auch aus ander¬
weitigen Erfahrungen hervorgeht, die eingeführte Nahrung nicht direct
auf die Milchbildung einwirkt, sondern nur indirect, insofern die rege
Neubildung der bei der Secretion zum Theil zu Grunde gehenden
Drüsenzellen ’) nur bei reichlicher Ernährung ermöglicht ist, so wird
beim Uebergang von einer reichlichen Ernährung zu einer minder
reichlichen erst nach mehreren Tagen sich derjenige Zustand geltend
machen, bei welchem infolge der knappen Ernährung die Regeneration
der Drüsenzellen nach Umfang und Stärke abniramt, daher die Arbeit
der Drüse mehr und mehr erlahmt. Dann sinken die Milchraengen
und der Gehalt des Secretes an festen Bestandtheilen nimmt ab.
Wird nun die minder reichliche Nahrung beibehalten, so sinkt der
Milchertrag wie die Menge der mit der Milch ausgeschiedenen festen
Stoffe mehr und mehr, und so finden wir denn schon am 9. Tage
der minder reichlichen Ernährung den Milchertrag gegenüber den
*) Nach Heidenhain’s neuesten Untersuchungen (vergl. dessen Artikel:
Physiologie der Absonderungsvorgänge; in Hermann’s Handbuch der Physio¬
logie. Bd. V. 1. S. 384. Leipzig 1880) geht bei der Milchsecretion nur am
inneren d. h. dem Hohlraume der Alveolen zugekehrten Ende der Drüsenzellen
Abstossung und Verflüssigung des Zellleibes vor sich, der sich von dem Aussen-
ende her regenerirt.
Archiv f. wissen»ch. u. prakt, Thiorheilk. VlLlu.2. 7
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98
MUNK,
ersten Tagen dieser Periode von 500 auf 300 Ccm., also um 40 pCt.
und die Rückstandsmenge von 69 auf 33 Grm., also um 52 pCt ge¬
sunken. Da nun die Menge des Milchrückstandes stärker absinkt,
als die Menge der gebildeten Milch, so muss, abgesehen von der ge¬
ringeren Quantität, auch die Qualität der Milch eine Ver¬
schlechterung erfahren haben. Zur besseren Uebersicht über diese
Verhältnisse folgt die Aufstellung der procentarischen Zusammen¬
setzung der Milch an den einzelnen Versuchstagen:
Datura
Menge
Ccm.
spec. Gw.
Rückstd.
in Procenten
Fett | Zucker
Eiweiss
2.
— 3.
Juli
585
1030,5
11,8
3,52
4,4
2,12
4.
- 5.
„
490
1031,0
11,84
3,46
4,3
3,22
5.
- 6.
*
500
1031,5
12,0
3,24
5,5
2,55
6.
- 7.
436
1032,5
11,61
3,07
4,7
3,08
7.
- 8.
390
1029,5
12,44
4,31
4,6
2,47
8.
- 9.
355
1030,0
11.9
3,88
4,06
3.2
9.
-10.
n
355
1029,0
12.06
3,92
4,0
3,38
11.
-12.
310
1030.0
12,74
4,7
3,61
3,67
12.
-13.
n
300
1028,5
11,04
3,4
2,64
4,24
An den ersten 3 Tagen macht sich noch der Einfluss der vorher¬
gehenden Fütterung geltend, es ist daher, streng genommen, nicht zu¬
lässig, aus den gesammten Zahlen dieser Periode, wie dies oben ge¬
schehen ist, das Mittel zu ziehen, es müsste dies vielmehr von dem
Tage ab geschehen, an welchem sich der neue Fütterungsmodus zuerst
auffallend geltend machte, dies würde sein der 6. oder 7. Juli.
Für die ersten 3 Tage beträgt das Mittel für:
Menge 525 Ccm.
Rückstand 62,45 Grm.
Fett 17,91 Grm.
Zucker 24,77 Grm.
Für die übrigen Tage dieser Reihe:
Menge 357,6 Ccm.
Rückstand 44,12 Grm.
Fett 13,43 Grm.
Zucker 14,35 Grm.
Wir sehen also eine Differenz:
In der Menge von — 164,4 Ccm. = —32 pCt.
In den festen Stoffen von — 18,33 Grm. = — 29 pCt.
Im Fett von — 4,48 Grm. = — 25 pCt.
Im Zucker von — 10,42 Grm. = — 42 pCt.
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Fütterungseinfluss auf Milchbildung bei Ziegen.
99
Der Eiweissgehalt, der im Mittel der ersten 3 Tage 15,78 Gnn.
betrug, stellt sich im Durchschnitt der 6 folgenden Tage anf 12,72,
also ergiebt sich eine Differenz von 3,06 Grm. = — 19 pCt.
Auffallend ist, dass auch der Zuckergehalt bei eiweiss¬
ärmerer Nahrung eine Abnahme erfährt, nicht nur absolut,
sondern auch relativ. Bei Kühen sieht man dies nicht, auch von
der Ziege erwähnt es weder Stohmann 1 ) noch Weiske 2 ). Ein
analytischer Fehler kann nicht vorliegen, da die Untersuchungsmethode
auf Zucker bei allen Reihen dieselbe war. Durch weitere Unter¬
suchungen, da die vorliegenden wegen Schluss des Semesters abge¬
brochen werden mussten, sollen diese Beobachtungen fernerhin ge¬
sichert werden.
Der Eiweissgehalt ist procentarisch noch höher geworden, während
die absolute Eiweissmenge geringer ist. Hieraus folgt, dass die Ab¬
nahme des mit der Milch ausgeschiedenen Eiweisses, ebenso wie die
des Fettes, nur von der geringeren Milchquantität herrührt.
Es bewirkt also eine weniger reichliche Eiweisszufuhr
in erster Linie eine Herabsetzung der Grösse des Milch¬
ertrages, die Güte der Milch, d. h. ihr Gehalt an festen
Stoffen zeigt bei der Ziege nur in Bezug auf den Zucker
eine Abnahme. Es bestätigt ferner vorstehende Versuchsreihe die
Erfahrung, dass von allen Nährstoffen in erster Linie die Alburainate
der Nahrung auf die Quantität und Qualität der Milch von vor¬
wiegendem Einfluss sihd. Für den Einfluss der Albuminate der
Nahrung auf die Milch spricht auch die citirte Versuchsreihe von
Weiske an einer Ziege, welche bei täglicher Verfdtterung von 1500
Grm. Kartoffeln und 375 Grm. Strohhäcksel 739 Grm. Milch lieferte,
in einer darauf folgenden Periode bei Zusatz von 250 Grm. Fleisch¬
mehl zum früheren Futter dagegen 1054 Grm. Milch gab, während
der procentarische Gehalt an Fett von 2,71 auf 3,14 und die tägliche
absolute Fettmenge von 19,96 auf 33,21 Grm. sich erhöhte.
Dass bei spärlicherer Zufuhr von Eiweissstoflfen mit dem Futter
die Milch nicht nur entsprechend der geringeren Secretionsgrösse, son¬
dern auch relativ an Zucker verarmt, dürfte für das physiologische
*) Zeitschrift für Biologie. 1870. S. 204. Biologische Studien. Braun¬
schweig 1873.
2 ) Journal für Landwirthschaft 1878. S.447. Vgl. noch E. Wolff, Die Er¬
nährung der landwirtschaftlichen Nutzthiere. Berlin 1876. S. 500ff.
7 *
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100
münk,
Verständnis keine besonderen Schwierigkeiten bieten. Zwar ist über
den chemischen Process der Zuckerbildung in der Milch nichts Be¬
stimmtes ermittelt; es kann indess nicht wohl bezweifelt werden, dass
der Milchzucker, wenn auch nicht ausschliesslich, so doch zum grössten
Theil dem Zerfall der Albuminate entstammt: denn auch bei reiner
Fleischfütterung haben Carnivoren in ihrer Milch nach Bensch 1 ) und
Subbotin 2 ) einen erheblichen Zuckergehalt. Ist nun die Eiweiss¬
zufuhr und secundär der Eiweisszerfall in der Milchdrüse verringert,
so dürfte sich auch eine Abnahme des aus dem zerfallenden Eiweiss
hervorgehenden Milchzuckers geltend machen.
Um die Ziege wieder auf den früheren höheren Eiweissstand zu
bringen, wurde sie nun mit dem eiweissreichen Futter der ersten Versuchs¬
reihe gefüttert. Diese Mehrgabe von Eiweiss konnte den Ertrag und
die Güte der Milch nicht sofort heben, vielmehr musste der Körper
erst auf seinem früheren Ernährungsstande anlangen, ehe die Wirkung
des reichlicheren Futters auf die Milch sich geltend machen konnte.
Es stieg daher innerhalb der nächsten 4 Tage weder die Quantität
der Milch an, noch änderte sich ihre Qualität. Es ist dies jedenfalls
ähnlich der Ausscheidung des Kochsalzes durch den Harn bei Hunden,
verglichen mit der Zufuhr des Salzes. Führt man nämlich einem
Hunde nach längerem Kochsalzhunger, während dessen er ungeachtet
mangelnder Kochsalzzufuhr stets Chlornatrium mit dem Harne ausge¬
schieden hat, Kochsalz in genügender Menge wieder zu, so wird sich in
den ersten Tagen keine erhöhte Ausscheidung von Kochsalz bemerklich
machen, da der Körper dasselbe so lange für sich in Anspruch nimmt,
bis die Gewebe das ihnen entzogene Salz wieder gewonnen haben; erst
wenn dies geschehen ist, wird auch durch den Harn so viel Kochsalz
ausgeschieden, als der eingeführten Menge entspricht.
Leider lässt sich der Beweis dafür, dass der Uebergang von
eiweissärraerem zu eiweissreicherem Futter auf die Milchbildung von
analoger Wirkung ist, nicht stricte führen, weil diese Zwischenperiode
der reichlicheren Eiweisszufuhr mit dem Futter sich nur auf 4 Tage
erstreckte.
Indessen ist nach den erwähnten Erfahrungen über die Aenderung
in der Quantität und Qualität der Milch beim Uebergang von einer
eiweissreichen Nahrung zu einer solchen von minderem Gehalt an
*) Annalen der Chemie und Pharmacie. 1874. Bd. 111. S. 221.
3 ) Virchow’s Archiv 1866. Bd. 36. S. 561.
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Fütteruogseinfluss auf Milcbbildung bei Ziegen.
101
Eiweiss nicht wohl zu bezweifeln, dass sich bei weiterer Ausdehnung
der eiweissreichen Fütterung auch die Milchbildung in der angedeu¬
teten Weise verhalten haben würde.
Da in der nächsten Fütterungsperiode der Einfluss des Salz¬
gehaltes im Futter auf den Salzgehalt der Milch festgestellt
werden sollte, so wurde auch in der Zwischenperiode nur die Menge
des Rückstandes und speciell der Salze in der Milch bestimmt.
Bei der Prüfung fand sich:
specif.
Gewicht
Rückstand
Salze
Datum
Menge.
in pCt.
Gesammt-
gehalt
in pCt.
Gesammt-
gehalt
13.-14. Juli
260
1028
13,15
34,19
0,79
2,05
14.-15. .
270
1030
13,27
35,82
0,77
2,07
15-16. „
282
1031
12,61
35,56
0,72
2,03
16.-17. .
210
—
12.38
25,99
0,74
1,61
Im Mittel betrug der absolute Gehalt an Salzen 1,94 Grm., der
relative Gehalt 0,76 pCt.
III. Fütterungsperiode vom 19.—30. Juli.
An Salzen reiches Futter:
300 Grm. Weizenkleie,
2 Kgrm. Kartoffeln mit Schale,
l 1 2 Liter Wasser zum Eindämpfen der Kartoffeln, welche mit
Schale und Kochwasser verabreicht wurden.
300 Grm. Weizenkleie enthalten:
10,5 Grm. Fett,
32,69 „ verdauliches Eiweiss,
161 „ Kohlehydrate.
Die Kartoffeln enthalten:
2 pCt. verdauliches Eiweiss,
0,3 „ verdauliches Fett,
1,03 ?! Salze,
20,7 * Kohlehydrate.
Daraus geht hervor, dass der Ziege zugeführt wurden:
An verdaulichem Eiweiss: 40 -f- 32,6 = 72,6 Grm.
An verdaulichem Fett: 6 + 10,5 = 16,5 Grm.
An verdaulichen Kohlehydraten: 414 -f- 161 =575 Grm.
Ausserdem an Salzen mit den Kartoffeln allein 20,6 Grm.
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102
MUNK,
Das Nährstoffverhältniss der Stickstoff haltigen zu den stickstoff¬
freien Stoffen =1:8.
Da die Wirkung, welche Zunahme der Kohlehydrate im Futter
auf die Milchbildung äussert, bekannt ist, nicht aber der Einfluss
einer vermehrten Salzzufuhr, so ist hier hauptsächlich auf Salze und
feste Stoffe geprüft worden:
Datum
Menge
specif.
Gewicht
Gesammtgehalt
Rückstd. | Salze
in Pro
Rückstd.
centen
Salze
19.-20.
Juli
270
1031,5
35,42
2,26
13,12
0,84
20—21.
280
1031,0
47,46
1,90
13,38
0,68
21.—22.
284
1030,5
33,05
2,32
11,64
0,82
22.-23.
285
1032,5
84,96
2,39
12,27
0,84
23.-24.
n
240
1035,0
30,31
2,04
12,63
0,85
26.-27.
275
1032,5
33,60
2,50
12,22
0,91
27.-28.
n
290
1031,0
34,01
2,34
11,73
0,81
28.-29.
«
270
1033,0
30,88
2,21
11,44
0,82
29.-30.
' 280
1033,5
31,94
2,21
11,41
0,79
Eine nähere Betrachtung vorliegender Tabelle lehrt, dass sowohl
der absolute als auch der relative Salzgehalt bei einer an
Salzen reichen Fütterung ansteigt. Procentarisch stellt sich
die Sache wie folgt: Die Salzmenge beträgt im Mittel während der
Vorperiode 0,759 pCt., während der Kartoffelperiode 0,81 pCt. Es
ist demnach eine relative Steigerung von 7 pCt. zu beobachten. Be¬
rechnen wir die absoluten Mengen der Salze in der Milch auf das
Mittel, so erhalten wir für die Vorperiode 1,94 Grm., für die an
Salzen reiche Kartoffelperiode 2,24 Grm. Die absolute Zunahme be¬
trägt demnach 15 pCt.
Die Salzmenge würde wahrscheinlich einen noch höheren Werth
erreicht haben, wenn die Ziege das ihr dargereichte Futter vollständig
verzehrt hätte, was während der letzten Tage nicht mehr der Fall
war. Indess beweist dieser Umstand a potiori, dass eine reichliche
Zufuhr von Salzen den Salzgehalt der Milch steigert. Es wird noch
ein Gesichtspunkt sein für weitere Untersuchungen, die für später
geplant sind, festzustellen, welche Salze der Milch bei reichlicher
Salzzufuhr zunehraen und welche Salze der Nahrung es hauptsäch¬
lich sind, die reichlicher in die Milch übergehend die Ursache
sind, dass durch den Genuss einer solchen Milch z. B. leicht Diar¬
rhöen entstehen, wie man dies erfahrungsgemäss nicht gerade selten
sieht, wenn die Kühe mit salzreichem Futter, so Schlempe, Press¬
rückstände etc. gefüttert werden. Durch Abnahme der festen Stoffe,
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Fütterungsemiluss auf Milchbildung bei Ziegen.
103
wie sie unsere Tabelle zeigt, ist die Milch schlechter geworden. Da
nach den von anderen Forschern gewonnenen Erfahrungen eine an
Kohlehydraten reiche Nahrung die Zuckermenge nicht ändert, nach
Vorstehendem aber infolge der gleichzeitigen reichlicheren Salzzufuhr
mit dem Futter, der Salzgehalt der Milch zugenommen hat, so ist
die geringere Qualität der Milch auf eine Abnahme des Fett- und
Eiweiss-Gehaltes zurückzuführen.
Die zweite Ziege war, bevor ihre Milch analysirt wurde, mit
Futter von mittlerem, den Bedarf des Thieres deckenden Eiweissgehalt
gefuttert worden; während der Versuchsperiode erhielt sie das näm¬
liche Futter, wie die erste Ziege während der zweiten Fütterungs¬
periode, nämlich:
verdauliches Eiweiss
Fett
Kohlehydrate u. stick¬
stofffreie Extractivstoffe
500 Grm. lfcu enthalten
150 „ Kleie *
150 „ Schrot
28.5 Grm.
16,3 „
13.5 „
11,5 Grm.
5,2 „
0,7 „
201,5 Grm.
80,5 „
94,8 „
3 Liter Wasser.
58,3 Grm.
26,4 Grm.
376.8 Grm.
| 403,2 Grm. stickstofffreie Stoffe
Das Nährstoffverhältniss der stickstoffhaltigen zu den stickstoff¬
freien Stoffen im Futter ist also = 1 : 6,9.
Die Analysen ergaben folgende Resultate:
Datum
Menge
spec. Gew.
Rückstd.
Zucker
mm eil
Eiweiss
in
,
o
2
Proceni
o
3
Zucker
2— 3
Juli
305
1030,0
34,95
11,59
10,06
10,99
11,46
3,3
3,8
4.— 5.
340
1032,5
34,17
14,28
9,69
7,35
10,05
2,85
4,2
5.— 6.
415
1031.0
47,18
18,26
13,69
12,03
11,37
3,3
4,4
6.— 7.
335
1031.0
38,56
14,74
10.31
10,97
11,82
3,08
4,4
7.— 8.
290
1030,5
V
13,05
13.54
—
12,88
4,67
4,5
8.— 9.
275
1030.0
36,02
11,02
10,8
11.81
13,1
3,98
4,01
9—10.
240
1030,5
30,79
11,28
10.8
6.89
12.83
4,5
4 7
11.—12.
300
1030.0
38,46
14,7
11,94
9,54
12,82
3,98
4,9
12—13.
T»
290
1031,0
38,54
12.73
12,96
10.65
13,29
4,47
4,39
13.-14.
«9
345
1029,0
46,64
14,35
16,56
13,11
13,52
4,8
4,16
Als absolute Werthe haben wir im Mittel für:
Menge 313,5 Ccm.
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104
MUNK,
Rückstand 37,26 Grra.
Zucker 13,6 Grm.
Fett 12,03 Grra.
Das Mittel für die relativen Werthe beträgt für:
Rückstand 12,31 pCt.
Fett 3,89 pCt,
Aus der Tabelle ist ersichtlich, dass die einzelnen Werthe nicht
bedeutend schwanken. Dieser Umstand berechtigt zu dem Schluss,
dass die Ziegen bei gleichbleibender Ernährung mit einem Futter von
mittlerem Eiweissgehalt einen nicht sehr grossen aber constanten
Milchertrag zeigen und eine Milch liefern, welche nach Massgabe ihres
Rückstandes und speciell ihres Fettgehaltes noch als gut bezeichnet
werden darf. Aus dieser Reihe, sowie aus der zweiten Fütterungs¬
periode bei der ersten Ziege ergiebt sich, dass ein eiweissärmeres
Futter in erster Linie die Menge der Milch, nicht aber die Güte der¬
selben herabsetzt.
In der zweiten Periode vom 15.—30. Juli wurde frisches
Weidegras gefüttert, welches von einem hierfür ausgewählten Wiesen¬
strich täglich in der erforderlichen Quantität frisch gemäht wurde.
Es hat diese Fütterungsweise besonderes Interesse, weil Gras ja das
gewöhnliche Futter der Ziegen ist.
Die Ziege erhielt pro die:
3 Kgrm. Gras.
Gutes Weidegras enthält in 100 Grm.:
25 Grm. Trockensubstanz,
3 Grm. Eiweissstoffe — verdaulich 70 pCt.,
13,1 Grm. Kohlehydrate und stickstofffreie Extractivstoffe —
verdaulich 79 pCt.,
0,08 Grm. Fett, welches vollständig verdaut wird;
endlich noch:
6 Grm. Cellulose — verdaulich 69 pCt.
Ausserdem wurden noch gereicht 150 Grra. Schrot mit:
13,51 Grm. verdaulichem Protein,
9,7 * Fett,
94,8 „ Kohlehydrate.
Vom Gras nutzt die Ziege aus:
63 Grm. Eiweissstoffe,
310,2 „ Kohlehydrate,
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Fütterungseinfluss auf Milchbildung bei Ziegen.
105
2,4 Grm. Fett,
12,42 „ Cellulose.
Im Ganzen wurden 76,5 Grm. verdauliches Eiweiss und 417,1 Grm.
stickstofffreie Stoffe zugeführt, also Nährstoffverhältniss = 1 : 5,5.
Zu dieser Nahrung kommen noch 3 Ltr. Wasser hinzu.
Zur besseren Uebersicht folgt die tabellarische Zusammenstellung
der Untersuchungsergebnisse:
Datum
Menge
specif. Gew.
Rück¬
stand.
in Grm.
o
Gesamm
«-
CJ
a
S2
itmenge
A T?
o G
:a je
i
in pCt.
o
Zu
Zucker
15.-16. Juli
260
1029.5
33,93
10,97
11,1
13,05
4,22
4.27
16.—17.
n
350
1028,0
48,16
18.30
13,86
13,76
5.23
3,96
19—20.
310
1028.5
41.97
16,77
12,86
13.54
5,41
4.15
20.-21.
360
1029,5
49,75
19.84
15,55
13,82
5,54
4,32
21-22.
350
1030.0
47,81
19,46
14,03
13,66
5,56
4,01
22.-23.
n
360
1025,0
39.80
17,17
12.27
11,05
4.77
3,41
23.-24.
w
350
1027,5
45,92
20,58
16,20
13,12
5.88
4,63
25.- 26.
n
370
1030,0
49,35
19,42
16,16
13,34
5.25
4,37
26. -27.
325
1031,5
45.59
16.28
13,87
14,03
5.01
4.27
28.-29.
350
1030,0
48,72
18,9
14,66
13,92
5,4
i 4,19
29.-30.
350
1030,0
49,03
19,21
14,38
14,01
5,49
4,11
Es zeigt sich bei dieser Nahrung gegenüber der vorigen eine
bedeutende Steigerung des Fettgehaltes der Milch, sowohl relativ als
auch absolut und zwar relativ um 35 pCt., absolut um 46 pCt. Der
Zuckergehalt bleibt constant. Die Rückstandsmenge steigt relativ um
8 pCt., absolut um 19 pCt. Die Quantität ist in den ersten Tagen
der Versuchsperiode im Verhältniss zu den letzten Tagen, wo sich der
Einfluss der Nahrung besonders geltend machen konnte, gering, sie be¬
trägt in den ersten 3 Tagen im Mittel 306 Ccm., in den letzten Tagen
352 Ccm., demnach beeinflusst reichliche Grasfiitterung den Milchertrag,
sie hebt ihn, ferner erfährt auch die Qualität durch Zunahme an festen
Stoffen, speciell an Fett, eine beträchtlichere Verbesserung. Man
könnte hiergegen ein wenden, dass dieser Einfluss auf Steigerung
der Milchmenge und Güte der Milch, nicht der Grasfütterung als
solcher zu verdanken sei, sondern vielmehr der reichlicheren Zufuhr
an Albuminaten mit dem verfütterten Gras. In der That ist in dieser
Periode 76,5 Grm. verdauliches Eiweiss zur Einfuhr gelangt gegenüber
58,3 Grm. der Vorperiode, es hat also eine Steigerung der Zufuhr
an Albuminaten um 31 pCt. stattgefunden. Indess ist hiergegen an-
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106
MUNK, Fütterungseiofluss etc.
Zufuhren, dass nach den bisherigen Erfahrungen eine Steigerung der
Eiweisszufuhr um kaum V 3 keine so erhebliche Zunahme in der täg¬
lichen absoluten Fettraenge der Milch, nämlich um fast die Hälfte,
zur Folge hat, während die Milchmenge dabei nur um 15 pCt. an¬
gestiegen ist. In der schon angeführten Versuchreihe von Weiske 1 )
an einer Ziege stieg bei ei weissreichem Futter gegenüber der Vor¬
periode bei eiweissärmerem Futter die Menge der Milch um 42 pCt.
und der Gesammtgehalt an Butter um 65 pCt. Diese Erfahrung auf
den vorliegenden Fall angewandt, hätte bei einer Zunahme der Milch¬
menge um 15 pCt. der Gehalt an Butter um 23 pCt. steigen müssen;
in Wirklichkeit ist die Buttermenge um 46 pCt. angestiegen, also
gerade um das Doppelte der zu erwartenden Zunahme. Finden wir
doch selbst bei der ersten Ziege in der ersten Fütterungsperiode, in
welcher fast genau ebensoviel Eiweiss gegeben wurde (s. S. 94), die
absolute tägliche Fettmenge in der Milch sogar noch etwas geringer,
obwohl sich die Ziege im besseren Ernährungszustände befand und
dem entsprechend auch eine grössere Milchmenge lieferte, als die
zweite Ziege bei der nämlichen eiweissreichen Nahrung. In der
That sind Fettprocentzahlen, die zwischen 5 und 5,88 schwanken, in
der Ziegenmilch durchaus ungewöhnlich. Nach alledem, glauben wir,
kann nicht wohl bezweifelt werden, dass, abgesehen von dem reich¬
lich verfütterten Eiweiss auch dem guten Weidegrase als solchen ein
Einfluss auf die Verbesserung des Milch, und speciell ihres Butter-
gehaltes zukommt.
Fassen wir die gewonnenen Resultate zusammen, so ergiebt sich,
dass bei der Ziege eine eiweissreiche Nahrung in erster Linie die
Grösse des Milchertrages beeinflusst. Geht man zu einem eiweiss¬
ärmeren Futter über, so sinkt der Milchertrag erheblich; dagegen
bleibt die Zusammensetzung der Milch bis auf den Zuckergehalt, der
bei der Ziege eine Abnahme zeigt, ganz wie bei der ei weissreichen
Fütterung. Bei reichlicher Salzzufuhr nimmt die Menge der durch die
Milch ausgeschiedenen Salze zu und zwar ebensowohl absolut als
relativ. Der durch zahllose Erfahrungen constatirte günstige Einfluss
bei der Fütterung mit gutem Weidegras auf den Milchertrag und die
Güte, speciell den Buttergehalt der Milch wird durch vorstehende
Versuchsreihe bestätigt.
l ) Journal für Landwirtschaft. 1878.
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Nochmals der Galop.
Von
Braun, Oberrossarzt.
Erfreulicherweise hat mein Beitrag 1 ) zur Erklärung des Galops
der Pferde zu weiteren Versuchen Veranlassung gegeben und somit
das Interesse für einen einfach und hinreichend erklärt erscheinenden
Gegenstand wach gerufen.
In dem kleinen Aufsatze suchte ich klar zu legen, dass im na¬
türlichen Galop der Pferde die Füsse nach dem Sprunge in der¬
selben Reihenfolge niedergesetzt werden, in der sie den Erdboden
verlassen, d. h. dass der vorgreifende (inwendige) Vorderfuss zuerst
und der schleudernde (auswendige) Hinterfuss zuletzt auf den Erd¬
boden kommt. Ich trat dadurch, wie vorher schon Roloff, Krane
u. A., der Ansicht der meisten Thierärzte und Reitkundigen entgegen,
nach welcher die Beine in umgekehrter Reihenfolge niederkommen
sollen, in der sie den Boden verlassen, d. h. der schleudernde (aus¬
wendige) Hinterfuss soll zuerst und der vorgreifende (inwendige)
Vorderfuss zuletzt auffallen.
Zu dieser letzteren Ansicht bekennt sich auch Ellenberger 2 ),
der nach Veröffentlichung meines Aufsatzes seine und somit die An¬
sicht der meisten Thierärzte zu beweisen sucht. Ellenberger legte
zu diesem Zwecke an die fraglichen Füsse der Versuchspferde zu einer
Quart stimmende thüringer Glocken so an, dass die tiefer tönende
! ) In diesem Archiv. Band 5. 1879.
2 ) Ellenberger, Beitrag zur Lehre über die Galopbewegung des Pferdes.
In diesem Archiv. Band 6. 1880.
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108
BRAUN,
Glocke am Metatarsus des schleudernden (auswendigen) Hinterfusses,
die höher tönende oberhalb des Carpalgelenkes des vorgreifenden
(inwendigen) Vorderfusses sich befand. Derartig vorbereitete Pferde
liess Ellenberger galopiren und will dann beim Niederkommen des
Pferdes nach dem Sprunge den tieferen Ton stets früher gehört haben,
als den höheren. Aus diesem angeblichen Factum schloss nun Ellen¬
berger weiter, dass der schleudernde (auswendige) Hinterfuss zu¬
erst und der vorgreifende (inwendige) Vorderfuss zuletzt niederge¬
setzt wird.
Diesen Schluss halte ich nicht für zulässig, weil der Beweis
fehlt, dass die Glocken in dem Augenblicke des Aufsetzens der be¬
treffenden Füsse ertönen.
Die einfache Ueberlegung ergiebt schon, dass nach dem Beharrungs¬
gesetz die Glocken dann ertönen, d. h. die Klöppel an die Wände
der Glocken dann anschlagen werden, wenn eine möglichst plötzliche
Aenderung in der Bewegungsgeschwindigkeit der Füsse stattfindet.
Eine solche Aenderung tritt ein sowohl beim Fussen, als auch beim
Abwickeln 1 ) derselben. Mithin muss man a priori annehmen, dass
jede Glocke bei jedem Schritte resp. Sprunge zweimal tönt, einmal
beim Abschwingen, das andere Mal beim Aufsetzen des betreffenden
Fusses. Und dies ist in Wirklichkeit der Fall, wie ich durch folgende
Versuche beweisen kann.
Ich liess zwei sogenannte Fesseln anfertigen, wie sie zum Werfen
*) Ellenberger hat sich vergebens gefragt, was ich mit dem Ausdruck
„Abwickeln“ bezeichnen will; das wundert mich, da demselben die Weber’-
sche Erklärung bekannt zu sein scheint und da demselben doch ferner bekannt
sein muss, dass der Huf des Pferdes bei der Locomotion genau so wie der
menschliche Fuss zuerst mit den hintersten Theilen, den Trachten, dann mit den
mittleren und zuletzt mit den vordersten, der Zehe den Erdboden verlässt. Ich
halte den Ausdruck „Abwickeln“ auch beim Pferdefusse für sehr correct, wenn
er auch aus der humanen Medicin stammt und will damit bezeichnen, dass der
Huf sich von Theil zu Theil von hinten nach vorn vom Erdboden ablöst und
nicht sämmtliche Theile gleichzeitig. Wäre letzteres der Fall, dann würden die
Ausdrücke „Aufheben, Abheben etc.“ passender sein. — Absolut unerklärlich
ist mir aber, aus welchem Grunde Ellenberger den Ausdruck „Abwickeln“ bei
mir monirt, da derselbe doch bereits seit circa 10 Jahren durch Roloff (Be-
urtheilungslehre des Pferdes. 1870. S. 252 u. folg.) mit Recht in die Veterinär-
Medicin eingeführt ist; mithin nicht nur den Medicinern, sondern auch wohl
sicherlich manchem Thierarzte geläufig sein dürfte.
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Nochmals der Galop.
109
der Pferde Verwendung finden. An dem breiteren, mittleren Theile
jeder Fessel wurde eine TfÖrmige, eiserne Schiene so befestigt, dass
die beiden kürzeren Schenkel der Schiene in dem Leder eingenäht
waren, der längere aber frei hervorragte. An diese freien Schenkel
band ich mittelst Draht zwei zu einer Quart stimmende thüringer
Glocken, so dass jede Glocke mit ihrer Schiene unbeweglich verbunden
war, aber vollständig frei herabhing.
Eine dieser so . zu bereiteten Glocken legte ich oberhalb des
Vorderfusswurzelgelenkes an und liess die Pferde in ruhigem,
gleichmässigem Schritt führen. Ich hörte bei jedem Schritte 2 Töne.
Zwischen beiden Tönen war eine Pause deutlich wahrnehmbar. Nach
dem zweiten Tone trat eine grössere Pause ein. Um festzustellen,
wie sich die Töne zu dem Aufsetzen der betreffenden Füsse verhielten,
wurden diese Füßse der sonst unbeschlagenen Pferde mit Hufeisen
versehen und die Pferde auf hartem Boden, Trottoir, geführt. Dann
konnte ich constatiren, dass der eine Ton stets vor dem Aufschlagen,
der zweite aber stets gleichzeitig mit dem Aufschlagen des Hufeisens
entstaud. Der erste Ton musste mithin beim Abwickeln, der zweite
beim Niedersetzen des betreffenden Fusses erzeugt werden. Ich hörte
zuerst den einen Ton (Ablösen), dann eine kleine Pause (Vorwärts¬
pendeln), darauf den zweiten Ton (Aufsetzen), schliesslich eine grössere
Pause (Stützen des Fusses). Dieser Rhythmus war bei allen Versuchs¬
pferden constant.
Genau dasselbe Resultat erhielt ich, wenn diese Versuche an
den Hinterfüssen *) ausgeführt wurden. Ich liess auch hier die Füsse
allein beschlagen und die Pferde auf Trottoir führen. Es traten
auch jetzt bei jedem Schritte zwei durch eine Pause getrennte
Töne ein.
Darauf beobachtete ich die in obiger Art und Weise mit Glocken
versehenen Pferde in der Trabbewegung. Die Töne folgten nun
schneller auf einander, die Pausen waren kleiner, aber ich hörte auch
l ) Ich halte es für meine Pflicht, die Herren Collegen, welche die Versuche
etwa wiederholen wollen, zur Vorsicht zu ermahnen. Einzelne der Versuchspferde
benahmen sich, trotzdem von circa 40 Pferden die ruhigsten ausgesucht und sie
durch vorheriges Läuten daran gewöhnt waren, so ungebehrlich, dass sie mit dem
betreffenden Hinterfusse trotz angewendeter Strafen so lange aussohlugen, bis
der Ton verstummte, d. h. die Glocke in Stücke zersprungen und theilweise weit
fortgeschleudert war.
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110
BRAUN,
jetzt sowohl bei den Pferden, welchen die Glocke an einem Vorder-
fusse, als auch bei denen, welchen die Glocke an einem Hinterfusse
angelegt wq,r, bei jedem Schritte stets zwei Töne, von denen der
zweite gleichzeitig mit dem Aufschlagen des Hufeisens eintrat.
Anders verhielt es sich im Galop. Ich befestigte eine Glocke
an dem vorgreifenden (inwendigen) Vorderfuss eines Pferdes, eine
andere Glocke an dem schleudernden (auswendigen) Hinterfusse eines
anderen Pferdes. In beiden Fällen folgten die Töne so schnell auf
einander, dass sie nicht mehr von einander zu unterscheiden waren.
Dies trat jedes Mal ein, so oft ich die Versuche wiederholte, und es
muss auch eintreten, denn nach den Berechnungen von Colin, die
von Bruckmüller *) mitgetheilt sind, macht ein Pferd im Galop in
jeder Secunde zwoi und einen halben Sprung, mithin erfolgen in jeder
Secunde, da bei jedem Sprunge der Klöppel mindestens zwei Mal
gegen die Glocke schlägt, 5 Anschläge und diese reichen vollständig
aus, um die Glocke in stetem Tönen zu erhalten. — Auch bei diesen
Versuchen liess ich die .fraglichen, mit Glocken versehenen Füsse be¬
schlagen und die Pferde auf Trottoir galopiren. Da die Glocken
aber permanent läuteten, so war es mir nicht möglich, zu constatiren,
wie sich der Ton der Glocke zum Aufsetzen des betreffenden Fusses
zeitlich verhielt.
Ferner beobachtete ich Pferde, denen an dem vorgreifenden (in¬
wendigen) Vorderfusse eine Glocke befestigt und denen der Huf des
schleudernden (auswendigen) Hinterfusses beschlagen war, beim Ga¬
lopiren auf Trottoir. Ich hörte deutlich den Ton der Glocke und
auch das Aufschlagen des Hufeisens, aber es war auch hier nicht
möglich festzustellen, ob der fragliche Hinter- oder Vorderfuss zuerst
niederkommt.
Endlich wiederholte ich den von Ellenberger empfohlenen
Versuch. Ich legte an den vorgreifenden (inwendigen) Vorderfuss die
höher tönende und an den schleudernden (auswendigen) Hinterfuss
die um 2 Töne tiefer tönende Glocke. Während des Galopirens
waren die beiden verschiedenen Töne deutlich zu unterscheiden, jedoch
nicht in der von Ellenberger angegebenen Weise, dass der tiefe
zuerst und dann der hohe Ton erklang, sondern beide Glocken tönten
gleichzeitig und ohne Unterbrechung. Mithin konnte ich auch durch
l ) Bruckmüller. Oesterreichische Vierteljahresschrift. 1880.
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Nochmals der Galop.
111
diesen Versuch nicht constatiren, welcher von den beiden Füssen
zuerst auf den Erdboden gesetzt wird. — Das anhaltendo, gleichzeitige
Läuten beider Glocken tritt recht deutlich hervor, wenn man das
Ohr allein entscheiden lässt, z. B. durch Schliessen dor Augen. Thut
man dies, so macht es beim Pariren des Pferdes mitunter den Ein¬
druck, als wenn der höhere Ton nachklänge. Dies könnte man für
gleichbedeutend mit dem frühzeitigeren Ertönen der tieferen Glocke
resp. mit dem frühzeitigeren Niederkommen des betreffenden Hinter-
fusses halten, das ist aber nicht der Fall, denn als ich die Glocken
wechselte, so dass die tiefer tönende an dem betreffenden Vorderfuss,
die höher tönende an dem fraglichen Hinterfusse sich befand, trat
dasselbe ein, ich hörte auch jetzt den höheren Ton beim Pariren
nachklingen. Daraus geht hervor, dass nicht die Bewegung der Füsse,
sondern die Art des Tones selbst das Nachklingen bedingt.
Durch obige Versuche glaube ich nachgewiesen zu haben, dass
die von Ellenberger angestellten und so warm empfohlenen Ver¬
suche durchaus nicht den Schluss zulassen, den derselbe aus ihnen
zu ziehen sucht. Vielmehr zeigen sie, dass mittelst des Gehörs,
wenigstens durch diese Untersuchungsmethode, kein Aufschluss darüber
zu- erwarten ist, ob der schleudernde (auswendige) Hinterfuss, oder
der vorgreifende (inwendige) Vorderfuss nach dem Galopsprung zuerst
auf die Erde kommt.
Mithin bleibt es auch nach den Versuchen von Ellenberger in
Betreff der Frage, in welcher Reihenfolge die Füsse der Pferde nach
dem Galopsprung niederkommen, beim Alten; und Ellenberger
selbst, der noch vor kurzer Zeit die von mir vertheidigte Ansicht ,in
scharfer Weise bekämpft, giebt heute zu, dass nach dem Galopsprung
das Pferd mit dem vorgreifenden (inwendigen) Vorderfuss zuerst
niederkommen kann. Er sagt wörtlich 1 ): „Ich kann mir denken,
dass es eine Form des Galops giebt, bei welcher das Pferd mit einem
Vorderfusse nach dem Sprunge den Boden zuerst berührt.“ Meiner
Meinung nach ist dies die Galopform, die ich im Auge gehabt habe
und die als natürlicher Galop bezeichnet wird; die Galopform,
welche von den Pferden benutzt wird, um schnell vorwärts zu kommen,
weil sie am meisten räumt.
') Ellenberger. Erwiderung auf die Erklärung des Herrn Dr. Schmidt-
Mühlheim. In diesem Archiv. Band 6. Heft 4 u. 5.
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112
BRAUN, Nochmals der Galop.
Auf die ferneren Erörterungen Ellenberger’s einzugehen, unter¬
lasse ich, weil ich das gegenseitige Raisonnement für von zu geringem
practischen Werthe halte; trotzdem Ellenberger Verhältnisse als
Beweismaterial für seine Ansicht heranzieht, die gerade für meine
Ansicht sprechen. Ich will nur an das allen Reitern und Thierärzten
bekannte Factum erinnern, dass, sowie die Galopexercitien der Pferde
beginnen, Krankheiten am sehnigen Apparate der Vorderfüsse in Folge
der stärkeren Dehnungen und Prellungen auftreten. Dies würde nicht
der Fall sein, wenn die Hinterfüsse den Körper nach dem Sprunge
auffingen.
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Referate and Kritiken,
Villem8, Dr., Nouvclles recherches sur la pleuropneumonic
exsudative de l’espece bovine, et sur l’inoculation de
cette maladie. Extrait du bulletin de 1’academie royale
de medecine. Bruxelles. Librairie H. Manccaux, 1880.
Der bekannte Entdecker und Vertreter der Lungenseucheimpfung
hat sich vor der belgischen medicinischen Acaderaie in einem längeren
Vortrage über den gegenwärtigen Stand dieser Frage im Wesentlichen
wie folgt ausgesprochen:
Die Theorie der Lungenseucheimpfung hat seit 1851 nicht viel
Fortschritte gemacht. Zu Gunsten der Impfung hat sich eine be¬
trächtliche Bewegung geltend gemacht in Belgien, Italien, Deutsch¬
land, Amerika, Afrika, Australien und besonders in Holland.
Die belgische officielle Commission spricht sich in sehr positiver
Weise für den prophylactischen Nutzen der Impfung aus. Während
nicht geimpfte Thiere von der Seuche im Verhältnis von 25 pCt.
befallen wurden, erkrankten erfolgreich geimpfte Thiere nur im Ver¬
hältniss von 1—1V 2 pCt.
Aus den Erfahrungen der französischen Commission wird Folgen¬
des mitgetheilt: Von 48 Stück Rindvieh, welche die Impfung über-
standen hatten, sind 2 in Folge anderer Ursachen gestorben; 34 der¬
selben wurden während einer Zeit von 5 — 6 Monaten dem directen
Einfluss der Contagion durch Cohabitation mit kranken Thieren aus¬
gesetzt. Ebenso 24 nicht geimpfte Thiere, die als Vergleichsobjecte
dienten.
Die übrigen 12 geimpften Thiere wurden in einem besonderen
Stall untergebracht, um noch zu anderen Versuchen zu dienen. In
diesem Stalle waren sie der directen Berührung mit den kranken
Thieren nicht ausgesetzt, wurden aber von demselben Wärter gepflegt.
Archiv f. wiftenseh. n. prakt, Thierheilk. VII. lu, 2. 8
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Ü4
LEISTIKOW.
Von den geimpften Thieren erkrankte eins, welches in dem nicht
inficirten Stalle untergebracht war, während von den 24 nicht ge¬
impften Thieren, die als Vergleichsobjecte dienten, 14 mit auffallenden
oder nicht auffallenden Symptomen erkrankten.
A.us dem dritten und letzten Rapport der niederländischen offi-
ciellen Commission erwähnt W., dass von 51 geimpften Thieren 3
krank geworden sind, während von 10 nicht geimpften 9 erkrankten,
von welchen 8 der Seuche erlagen.
Darauf wircl eine Reihe von Thatsachen und Urtheilen über die
Impfung aus den verschiedenen Ländern mitgetheilt.
Frankreich. Das Urtheil, welches die wissenschaftliche fran¬
zösische Commission über die Frage gefällt hat, lautet folgender-
massen: „Die Impfung mit dem Extract aus den Lungen eines an
Lungenseuche kranken Thieres hat einen präservativen Nutzen. Sie
verleiht dem Organismus der grössten Zahl derjenigen Thiere, bei
denen man sic an wendet, eine Immunität, welche dieselben gegen die
Ansteckung auf eine noch nicht bestimmte Zeit schützt.“ Dieses
Urtheil ist seitdem bestätigt von Bouley, Sanson, Prince, Saint-
Cyr, Mathieu, Viseur, Lenglen, Boulay d’Avesnes und vielen
Anderen, die sich sämmtlich für den Nutzen der Impfung aussprechen
und sie als ein Mittel ansehen, die Stallsperre abzukürzen.
Italien. In keinem andern Lande ist die Impfung mehr in
Ehren gewesen, als hier. Seit 1852 wurden verschiedene Commissionen
in den einzelnen Provinzen eingesetzt, um den Nutzen der Lungen¬
seucheimpfung zu studiren. Die neue Methode verbreitete sich sehr
schnell, besonders in Ober-Italien, wo der Ackerbau so innig mit der
Erhaltung des Viehstandes verknüpft ist. Vielfache Erfahrungen
wurden überall gesammelt. Die Gutachten der Commissionen sprechen
sich sämmtlich zu Gunsten der Impfung aus, welche unmerklich in
den gewöhnlichen Gebrauch der Viehbesitzer übergegangen ist. Die
Commissionen der Ackerbaugesellschaft von Sardinien und Pavia
haben eine grosse Reihe von Thatsachen referirt, welche ihre für die
Impfung günstigen Gutachten unterstützen.
Deutschland. Für dieses Land kann nur das bisher Ge¬
sagte wiederholt werden, d. h. dass das System der Impfung
von fruchtbaren Resultaten gefolgt war; so in Preussen, Württem¬
berg, Sachsen, Böhmen und in den übrigen Staaten. Dasselbe findet
sich näher ausgeführt in den 16 officiellen Rapporten der Re-
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Referate und Kritiken.
115
gierungs-Commission von Oberbamim, bearbeitet von Ulrich, Bretsch,
Christiani, Hering, Schmidt, Thaer, Vater etc.
England-Amerika. Die Lungenseuche wurde in England 1842
durch holländisches Vieh, in Amerika 1843 durch eine deutsche Kuh
und 1847 durch englisches Vieh eingeschleppt. Der Schaden, der in
diesen beiden Ländern durch die Seuche verursacht wurde, ist sehr
hoch. Gamgce giebt denselben für Grossbritannien auf durchschnittlich
2,000,000 Pfd. Sterl. pro Jahr an. Die Impfung ist hier wie überall
in Gebrauch genommen worden. Bei den Viehhaltern in London ist
sämmtliches Vieh geimpft, ebenso auch auf vielen ländlichen Be¬
sitzungen und besonders in Irland.
Australien. Die Lungenseuche herrscht gegenwärtig ausser in
Neu-Süd-Wales auch in allen anderen australischen Colonien. Sie
wurde 1858 durch eine englische Kuh eingeschleppt. Dieselbe starb
6 Wochen nach ihrer Ankunft an Lungenseuche, ein Beweis für die
lange Incubationszeit dieser Krankheit; denn die Ueberfahrt von Eng¬
land nach Australien per Segelschiff dauert ungefähr 3 Monate.
Uebrigens wurde ein ähnliches Factum am Cap der guten Hoffnung
bei der Einschleppung der Lungenseuche durch einen holländischen
Stier beobachtet. 1874 wurde der Chief-Inspector Bruce in Sydney von
der englischen Regierung nach Belgien, Frankreich, Deutschland etc.
gesandt, um sich über die Impfung der Lungenseuche und ihren Werth
als Vorbauungsmittel zu informiren.
W. hat von Bruce Folgendes erfahren: In Australien giebt es
ca. 4 Millionen Stück Rindvieh. Die Lungenseuche verbreitete sich
von Victoria aus bald in der ganzen Colonie und von da in den
anderen Colonien, d. h. im südlichen Australien, in Neu-Süd-Wales
und in Queensland, und zwar durch die Zugochsen. Die durch die
Krankheit verursachten Verluste wurden auf 30—40 pCt. des ge-
sammten Viehstandes geschätzt, d. h. ungefähr auf 1,404,079 Stück.
Rechnet man pro Stück nur einen mittleren Werth von 6 Lst., so
beläuft sich der Gesammtverlust für die 4 Colonien auf 8,500,100 Lst.
oder 212,500,000 Frs. während 14 Jahren, denn die Krankheit ver¬
breitete sich in Australien von 1860 an. Zur Unterdrückung der
Krankheit wurden verschiedene Mittel versucht; die Tödtung des kran¬
ken und verdächtigen Viehes wurde angeordnet, aber diese Massregel
entsprach ihrem Zweck nicht, sie war ausserdem zu beschwerlich und
wurde bald wieder verlassen. 1861 wurde die Impfung zum ersten
Mal durch Thomas Mitchell in Victoria ausgeführt und 1862 in
8 *
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116
LfelSTIKOW.
Neu-Süd-Wales, darauf verbreitete sie sich allmälig und ist gegen¬
wärtig (1874) allgemein und mit vollständigem Erfolge im Gebrauch.
In seinem 1876 an die englische Regierung erstatteten Bericht
constatirt Bruce, dass von 1861—1876 mehr als 1,500,000 Haupt
Vieh in Australien mit unstreitbarem Erfolge geimpft worden sind.
Er verlangt, dass die Impfung obligatorisch werden solle. Die Schlüsse,
zu denen Bruce kommt, sind folgende:
1 ) Die Versuche, die Lungenseuche zu heilen, sind, wie in Austra¬
lien, in allen Ländern unfruchtbar geblieben;
2 ) die Versuche, welche in den Colonien gemacht wurden, die
Lungenseuche durch Abschlachten der inficirten Hcerden aus¬
zurotten, haben ihren Zweck nicht erreicht;
3) die Impfung wird allgemein ausgeführt und ist als ein aus¬
gezeichnetes Mittel gegen die Lungenseuche anerkannt.
Niederlande. Seit 1830, in welchem Jahre die Seuche zuerst auf¬
trat, blieb dies Land während vieler Jahre der hauptsächlichste Herd der
Seuche in Europa. Von hier verbreitete sie sich nach England, Amerika,
dem Cap* der guten Hoffnung etc. Ein grosser Theil des Vermögens
der Niederländer ist beim Viehverkehr engagirt. Im ganzen König¬
reich giebt es ungefähr 1,500,000 Haupt Vieh. In Folge dessen ist
auch die Impfung nirgends mit grösserem Eifer aufgenommen worden
als hier und muss der niederländischen Regierung für ihre gewissen¬
haften Anstrengungen, in Betreff der Impffrage zur richtigen Entschei¬
dung zu gelangen, die wohlverdiente Anerkennung gezollt werden.
Schon 1852 wurde eine Deputation von Thierärzten und Professoren
der Utrechter Thierarzneischule unter dem Vorsitz des Directors Dr.
Wellenberg nach Hasselt geschickt, um sich über den Werth der
Impfung zu informiren. Seit dieser Zeit bis heute ist eine erhebliche
Anzahl von Erfahrungen gesammelt worden und die günstigen Resultate
haben nicht auf sich warten lassen. Eine officielle wissenschaftliche
Commission beim Ministerium des Innern wurde sofort einberufen, welche
ihr Schlussgutachten zu Gunsten der allgemeinen Ausführung der
Impfung abgab. In Folge dieses Gutachtens begünstigte und empfahl
die Regierung die Impfung; da aber diese Massregel der Privatinitia¬
tive überlassen blieb, kam es vor, dass die Impfung von unerfahrenen
Thierärzten und Viehzüchtern, oft mit verdorbenem Impfstoff oder
mit wirkungslosen Substanzen ausgeführt wurde. In Folge dessen
traten vielfache Misserfolge ein, welche die Impfung in Misscredit
brachten. Dieser Umstand verursachte einen Stillstand in der Aus-
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Referate und Kritiken.
117
fuhrung der letzteren und die ursprüngliche Begeisterung für die neue
Methode ging merklich zurück. Die Regierung nahm unter diesen
beunruhigenden Verhältnissen ihre Zuflucht zur Massentödtung der
kranken und verdächtigen Thiere. Aber dieses Radicalmittel war zu
kostspielig für die Staatskasse, und man musste es wieder verlassen.
1877 bezahlte der Staat 1,400,000 Frs. und 1879 1,000,000 Frs.
Entschädigung. Die officiellen vom Departement des Innern an den
König gerichteten Berichte beziffern die Zahl der lungenseuchekranken
Thiere im Jahre 1871 für das ganze Königreich auf 6078. Die Zahl
der kranken Thiere hat seit dieser Epoche abgenornmen, weil von
der Regierung strengere Massregeln ergriffen und die inficirten Ställe
genau überwacht worden sind. Die Zahl der lungenseuchekranken
Thiere wäre noch viel grösser gewesen, wenn man nicht das Mittel
der sofortigen Tödtung ergriffen hätte, denn bei Eröffnung der Cadaver
der letzteren wurden mehrfach die Erscheinungen der Lungenseuche
vorgefunden.
Inzwischen wurde auch von vielen Viehbesitzern die Impfung mit
gutem Erfolge fortgesetzt, was durch fast alle Thierärzte der Nieder¬
lande bestätigt wird. 1855 forderte die Regierung durch Vermittelung
der königl. Commissare bei den Provinzialstaaten die Bürgermeister
und die meisten Gommunen auf, die Viehbesitzer zur Impfung ihres
Viehes anzuregen. Die Impfung wurde unentgeltlich ausgeführt und
den dadurch verursachten Schaden trug die Provinzialkasse.
Eine wichtige Massregel wurde durch Königlichen Erlass vom
17. April 1875 angeordnet. Nach dieser Verordnung muss jeder
Viehbesitzer oder Viehhalter, sowie ein Stück seines Viehes von der
Lungenseuche befallen ist, das sämmtliche übrige Vieh, welches in
Folge dieses ersten Falles verdächtig geworden ist, durch einen appro-
birten Thierarzt impfen lassen. Am 30. Juni 1875 wurde weiter
verfügt, dass, wenn der Besitzer oder Viehhalter oder Wächter der
Heerden nicht unverweilt seiner Verpflichtung, welche ihm durch vor¬
stehende Verfügung obliegt, nachkoramt, die Impfung auf Veranlassung
des Bürgermeisters stattfindet, vorbehaltlich des gerichtlichen Ein¬
schreitens gegen den Säumigen.
Die Massregeln der Regierung: Impfung, Schlachten kranker und
verdächtiger Thiere, die Absperrung, die allgemeine Viehzählung,
hatten als Resultat eine beträchtliche Verminderung der Zahl der
kranken Thiere, erschienen aber nicht genügend, die Seuche vollständig
auszurotten. Am 26. April 1877 wurde daher vom niederländischen
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118
LEISTIKOW.
Abgeordnetenhause eine Untersuchung über die Lungenseuche ange¬
ordnet. Der Minister des Innern berief eine Commission von 5 Mit¬
gliedern, welche ihre Arbeiten zu Anfang des Jahres 1878 begannen.
Am 11. März 1878 überreichte die Commission den sehr umfang¬
reichen Bericht dem Abgeordnetenhause. Dieser Bericht schloss mit
folgendem Gutachten: Der Zweck, welchen man anstrebt, kann nur
erreicht werden durch eine strengere Anwendung des Gesetzes von
1870 und der in Bezug darauf erlassenen Verfügungen und folglich
durch Ueberwachung der Aufrechterhaltung dieser. Verfügungen, deren
gute Wirkungen übrigens zweifellos sind. Die Untersuchungscommis¬
sion fordert im Uebrigen, dass die Kammer die Nothwendigkeit fol¬
gender Punkte ganz besonders betonen möge:
1) Die Ueberwachung derjenigen Theile des Königreichs durch
beamtete Thierärzte, wo die Lungenseuche fortgesetzt mit der
grössten Heftigkeit herrscht;
2) die sofortige Anzeige des ersten Krankheitsfalles in einer
Heerde;
3) die Begünstigung der Impfung des Viehes als Präventivmittel.
Darauf wurde durch das Gesetz vom 8. August 1878 bestimmt,
dass die Impfung da, wo diese Massregel erforderlich erscheint, an¬
geordnet werden kann.
Diesem Gesetz folgte am 17. August 1878 eine Königliche Ver¬
ordnung, deren wichtigster Artikel wie folgt lautet:
Art. VI. Alles Rindvieh, welches sich gemäss Art. I in den ab¬
gesonderten Kreisen befindet, wird durch approbirte Thier¬
ärzte, welche zu diesem Zweck von Unserem Minister des
Innern berufen werden, geimpft. Allen geimpften Thieren
wird darauf vermittelst Glüheisens der Buchstabe V auf dem
rechten Hinterschenkel, unterhalb des Hüftgelenks, einge¬
brannt. Alles in die abgesonderten Kreise eingeführte Vieh
wird innerhalb 3 Tagen nach seiner Ankunft am Bestim¬
mungsort ebenfalls durch die beamteten Thierärzte geimpft.
Das Zeichen wird ihm zwischen dem 7. und 10. Tage nach
der Impfung auf Veranlassung des Bürgermeisters eingebrannt
Kein Vieh darf mit gezeichnetem Vieh in Berührung gebracht
werden, bevor es nicht selbst gezeichnet ist.
* Die Zwangsimpfung wurde in Süd-Holland, d. h. in dem District
der Branntweinbrennereien, eingeführt. Seit dem 8. August 1878 bis
zum 18. Januar 1880 wurden in diesem Kreise 62,374 Thiere geimpft
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Referate und Kritiken.
119
Die Verminderung der Zahl der Krankheitsfälle machte sich sofort
bemerkbar. 1878 wurden 1206 lungenseuchekranke Thiere erschlagen,
1879 nur 475. Es giebt jedoch auch in den Niederlanden noch
Thierärzte, welche die Wirksamkeit der Impfung bezweifeln.
Belgien. In Belgien wird die Impfung in den meisten land¬
wirtschaftlichen und industriellen Etablissements, z. B. den Ställen
der Branntweinbrenner, permanent ausgefuhrt, während die kleineren
Landwirthe und Milchhändler ihr Vieh nur bei drohender Gefahr,
wenn die Seuche in ihre eigenen Ställe oder die ihrer Nachbarn ge¬
langt ist, impfen lassen. In Hasselt, Hauptstadt der Provinz Lim¬
burg, steht die Rindviehmast auf einer sehr hohen Stufe. Es sind
daselbst gegenwärtig 20 Branntweinbrennereien in Betrieb. Die Zahl
der Stücke Rindvieh, welche sie fett machen, beläuft sich durchschnitt¬
lich jährlich auf 8802. Es findet ein fortwährender An- und Verkauf
statt, denn das Vieh bleibt nur ungefähr 5—6 Monate in den Ställen
der Viehmäster. Letztere sprechen sich sehr günstig über die Impfung
aus, und es resultirt aus ihren Angaben, dass die durch die Impfung
selbst veranlassten Verluste sich nicht ganz auf 1 pCt. belaufen,
während die durch die Lungenseuche verursachten 1—2 pCt. betragen.
Nach kurzer Anführung der Geschichte der Fortschritte der
Impfung unterbreitet W. der Akademie praktische und wissenschaft¬
liche Betrachtungen über die Lungenseuche. Dieselben werden zu¬
sammengefasst in folgenden Sätzen:
1) Die Lungenseuche ist eine allgemeine Krankheit (totius sub-
stantiae) und specifisch;
2) sie ist ansteckend und zwar durch Miasma oder flüchtiges
Contagium und durch fixes Contagium; sie entsteht nie
spontan;
3) die Impfung erzeugt eine allgemeine Krankheit, ganz ähnlich
der Lungenseuche;
4) die Lungenseuche befällt mit seltenen Ausnahmen dasselbe
Thier nur einmal im Leben;
5) das gehörig geimpfte Thier ist vor der Lungenseuche ge¬
schützt, es widersteht der Contagion;
6) die Impfung hat keine Wirkung auf ein von der Lungen¬
seuche genesenes Thier, noch auf ein schon einmal erfolg¬
reich geimpftes Thier;
7) die Lungenseuche ist eine dem Rindergeschlecht eigenthüm-
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LEISTIKOW.
liehe Krankheit, sie ist auf andere Thiere oder den Menschen
nicht übertragbar;
8) das pathologische Product der Impfkrankheit ist dem Ex¬
sudat der Lungen und der anderen Organe erkrankter Thiere
völlig gleich;
9) die Impfkrankheit überträgt die Lungenseuche nur durch
Wiederimpfung;
10) das frische, flüssige Lungenexsudat eines im 2. oder 3. Sta¬
dium kranken Thieres ist am meisten zur Impfung geeignet;
11) der Schwanz des Thieres ist die beste Impfstelle; ,
12) die Impfung erzeugt heftigere Wirkungen bei denjenigen
Thieren und Heerden, die schon unter dem Einfluss der
Seuche stehen, als bei nicht inficirten Thieren und Heerden,
13) die Impfung wirkt nicht nach Art der Ableitungen, wie z. B.
Haarseile etc., noch ist es eine septische Infection;
14) das Virus der Lungenseuche besitzt die Eigenschaften der
Virus im Allgemeinen, d. h. diejenigen der Ansteckung, der
Incubation und der Regeneration;
15) im Lungenexsudat, im Erguss der Pleuren und noch in an¬
deren Theilen des kranken Thieres finden sich Körperchen,
Keime (Corpuscules germes, Mikrobien), welche das wirk¬
same Agens der Lungenseuche darstellen;
16) da die Lungenseuche jetzt besser bekannt ist, darf sie nicht
mehr zu den virulenten, sondern muss zu den parasitären
Krankheiten gerechnet werden.
Eine Uebertragung der Lungenseuche von geimpften auf nicht
geimpfte Thiere durch Cohabitation findet nach W. nicht statt; in den
nicht inficirten Ställen, wo man die Impfung an wendet, bleiben die
nicht geimpften so lange gesund, bis ein krankes Thier eingefuhrt
wird. Nach den Erfahrungen von Simmonds und H. Bouley scheint
es, als ob das Virus der Lungenseuche in gewisser Art in den Ge¬
weben der Thiere fixirt bleibt, wo es abgelagert ist und sich nicht in
der Luft verbreitet. Bouley sagt, dass über diesen Gegenstand von
1870—1874 an der Londoner Thierarzneischule Versuche gemacht
worden sind. Es wurden verschiedene Infectionsraethoden angewendet.
Einem Thiere wurden die kranken Lungen einer eben geschlachteten
Kuh in einer Weise unter die Nase gebracht, dass dasselbe die daraus
aufsteigenden Dünste einathmen musste, jedoch ohne positiven Erfolg.
ln einem anderen Falle wurde ein Schwamm, welcher in den Nasen-
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Referate und Kritiken.
121
löchern einer kranken Kuh gesteckt hatte, einem gesunden Thier in
die Nase gebracht und hier während einer halben Stunde fixirt er¬
halten. Das Resultat war negativ. Es müssen deshalb Vorbehalte
gemacht werden, fugt Bouley hinzu, in Betreff der Wege, die die
Ansteckung nehmen kann, und es muss auf dem Versuchswege ange¬
strebt werden, die Bedingungen der Ansteckung durch lebende oder
todte Zwischenträger zu erforschen.
Die Bemerkungen W.’s in Betreff der Ausführung der Impfung
enthalten nichts Neues.
Schliesslich ist noch zu erwähnen, dass W. hofft, durch Cultivi-
rung der das Contagium darstellenden Mikrobien nach Pasteur’s
Methode (d. h. in bestimmten Nährflüssigkeiten) einen guten Impfstoff
zu gewinnen. Diese Mikrobien finden sich nach W. in allen Geweben
und Säften des kranken Thieres, namentlich in den Lungen, in der
Pleura, in den pathologischen Producten des Darmcanals, der Leber,
sowie in dem Blute und in den Mnskeln, und zwar in letzteren noch
in genügender Menge, um daran das Fleisch lungenseuchekranker
Thiere erkennen zu können. Leistikow.
Report on Texas fever. Von Prof. Brown.
Professor Brown veröffentlicht in einem beiden Häusern des eng¬
lischen Parlaments vorgelegten Bericht d. J. die den Behörden Englands
von den Behörden der Vereinigten Staaten Nord-Ainerika’s gemachten
Mittheilungen über das daselbst vorkommende sogenannte Texas-Fieber
des Rindviehs. In nachfolgendem Referat sollen die Beobachtungen
und Untersuchungen kurz zusamraengefasst werden, welche von ameri¬
kanischen Aerzten und Thierärzten über diese Krankheit angestellt
und in den Correspondenzen veröffentlicht worden sind.
In Bezug auf die Symptome dieser Erkrankung sagt Prof. Law
von der Cornell-University Folgendes:
Die erkrankten Thiere zeigen ein apathisches Benehmen; sie
stehen abseits von den gesunden, der Kopf hängt zur Erde oder ist
auf einen festen Gegenstand gestützt, die Ohren hängen schlaff herab,
der Blick ist stier. Die Hintergliedmassen sind nach vorn gestellt
und übernehmen die Hauptlast des Körpers. Oft scheint es, als ob
die Thiere sich niederlegen wollen, und dass nur die Furcht vor der
damit verbundenen Muskelanstrengung sie davon abhält. In den
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PAULI.
Flanken bemerkt man ein Zittern und Hüpfen kleinerer Muskelpar¬
tien. Appetit fehlt fast gänzlich, das Wiederkauen ist ausgesetzt.
Die Secretion und Excretion ist vermindert. Nur mit Anstrengung
werden die Fäcalmassen in Form von kleinen, harten, mit blutigem
Schleim überzogenen Bällen entleert. In einzelnen Fällen tritt Durch¬
fall ein. Der Urin hat blutige Beschaffenheit. Der Puls ist schwach,
drahtförmig und beträgt 80—120 in der Minute. Das Athmen ist
beschleunigt. Die Temperatur des Mastdarms erreicht 42° C. Die
Temperatur an der Körperoberfläche ist an einzelnen Stellen erhöht,
an anderen herabgesetzt. Der Tod tritt etwa nach 6—7 Tagen, bis¬
weilen in noch kürzerer Zeit ein.
Dr. Morreau Morris führt die gleichen Symptome auf und be¬
schreibt ferner die Veränderungen an den Organen der am Texasfieber
gestorbenen Thiere: Die Musculatur zeigt eine tiefrothe, das Fettge¬
webe eine braungelbe bis bronceartige Färbung. Unter den serösen
Häuten, besonders am Herzen und Darmtractus, weniger an den
Lungen sieht man zahlreiche kleinere und grössere blutige Herde.
Die Schleimhaut des Darmkanals ist geröthet, die submucösen Gefässe
sind mit Blut stark angefüllt; das Epithel ist leicht mit dem Finger
abzustreifen. Die ersten drei Magenabtheilungen erweisen sich als
vollkommen gesund. Der Labmagen ist am stärksten an seinem oberen
Ende afficirt. Unter einem grauen, körnigen Belag liegt die stark
geröthete, mit blutigen Herden durchsetzte, geschwollene Schleimhaut.
In verschiedenen Krankheitsstadien findet man in der Portio pylorica,
an der Basis der Längsfalten Erosionen, Verschorfungen, selbst „tief
ausgehöhlte Geschwüre“ von wechselnder Grösse und Form. Die Milz
ist vergrössert, in der weichen Pulpe liegen grosse, dunkelrothe, blu¬
tige Herde. Die Grösse der Leber übersteigt gleichfalls das Normale,
ihre Farbe variirt zwischen gelb und braun, ihre Durchschnittsfläche
hat einen fettigen oder wachsartigen Glanz. Die Gallengänge sind
mit Galle angefüllt. Die Gallenblase enthält eine schleimige, grau¬
grünlich gefärbte, flockige Masse.
Die Nieren sind „gewöhnlich vergrössert“, die Blutgefässe der¬
selben sind stark gefüllt. Die Corticalsubstanz ist weicher als im
normalen Zustande.
Die Lungen ergeben nichts Pathologisches, nur in sehr schweren
Fällen findet man ein extralobuläres Emphysem.
Die Musculatur des Herzens ist mürbe. Die Blutgefässe des Ge¬
hirns ziehen in dicken, dunkelrothen Strängen durch die weiche und
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Referate und Kritiken.
123
feuchtglänzende Substanz. In vereinzelten Fällen sieht man kleine
Blutextravasate im Gehirn.
Auch eine mikroskopische Untersuchung wurde von Billings u. A.
vorgenommen. Es wurden Micrococcen in den erkrankten Organen
gefunden. Dieselben unterschieden sich jedoch in keiner Weise von
den bei anderen Krankheiten gesehenen. Eine Cultivirung misslang.
Leider beschränken sich die Mittheilungen über die mikroskoskopische
Prüfung auf diese Angaben. Veränderungen der Gewebe, soweit sie durch
das Mikroskop zu erschliessen, sind in den Bericht nicht erwähnt.
Das Texasfieber beschränkt sich, falls man den Berichten ver¬
schiedener Forscher Glauben schenken darf, auf die an der Golfküste
gelegenen Distrikte und scheint den 34. Grad nördlicher Breite nicht
zu überschreiten, wenngleich nicht ausgeschlossen ist, dass Rinder-
heerden höher gelegener Gegenden durch Contact mit der Texas-Race
von der Krankheit afficirt werden.
Nach einem Berichte des Thierarztes der landwirtschaftlichen
Lehranstalt von Pensylvanien vom Jahre 1879 soll das Texasfieber
auf die Rindviehbestände in den Golfstaaten von den Beständen süd¬
licher gelegener Distrikte übergegangen sein, und zwar zu einer Zeit,
in welcher ein geordneter Staatencomplex in jenen Landestheilen noch
nicht bestand, die Indianerstämme mit ihren Heerden die Wohnsitze
häufig wechselten und so die Seuche in die nördlich gelegenen Gebiete
einschleppten. Später, bei den leichteren Communicationsmitteln, be¬
gann der Handel mit Vieh besonders aus Texas und begünstigte eine
Ausbreitung der Krankheit in noch höherem Masse.
In den Staaten Illinois, Indiana, Ohio etc. gingen grosse Vieh-
heerden unter gleichartigen Krankheitserscheinungen vollkommen zu
Grunde, so dass man nun über die Existenz einer Seuche nicht mehr
in Zweifel sein konnte. Dr. James Mease berichtet über eine solche
Eruption im Jahre 1814. Im Jahre 1867 —1868 wiederholte sich
dieselbe und breitete sich nach einander über Arcansas, Tennessee,
Nord-Carolina, zuletzt über die westlichen Staaten und einen Theil
Neu-Englands aus und richtete die furchtbarsten Zerstörungen an.
Es sollen in diesen Jahren ca. 15000 Rinder im Werthe von 500000 Dol¬
lars gestorben sein. Im Jahre 1858 beschränkte sich die Ausbreitung
der Seuche auf den Staat Missouri; der Verlust betrug hier gegen
200000 Dollars.
Alle diese Eruptionen traten in den warmen, trockenen Monaten
auf, so dass man wohl mit Prof. Gamgee annehmen kann, dass
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PAULI.
Hitze und Trockenheit die Ausbreitung der Krankheit begünstigen.
Dieser Gelehrte beobachtete das Texasfieber im Jahre 1868. Die Re¬
sultate seiner Untersuchungen veröffentlichte er im Jahre 1871 im
„Report of the Commissioners of Agriculture on Diseases of cattle
in the United States“. Seiner Ansicht nach ist das Texasfieber ein
Enzooticum, abhängig von localen Einflüssen und durch diese beschränkt
im Auftreten; „es gehört keineswegs zu jener Gruppe der Contagionen
und Infectionen, für die die Rinderpest, die Lungenseuche Typen sind,
sondern kann vielmehr dem Blutharnen 1 ) des Rindviehes in einigen
Gegenden Europas zur Seite gestellt werden“.
Auch von Milzbrand muss es streng geschieden werden, da eine
Uebertragung weder durch Ueberimpfung mit Blut, noch durch den
Genuss des Fleisches kranker Thiere möglich ist. Ein spontanes
Auftreten wie beim Milzbrand hat man ebenfalls nie beobachten
können.
Als der Seuche eigentümlich erwähnt Gamgee noch den Um¬
stand, dass inficirtes Vieh nördlicher Gegenden die Krankheit nicht
wieder zu übertragen vermag. Das Vieh der Texas -Race, bei dem
das Texasfieber ähnlich wie die Rinderpest bei den Rindviehracen
Ost-Russlands relativ gutartig zu verlaufen pflegt, wird durch den
Aufenthalt in nördlichen Landestheilen gegen Ansteckung immun. Die
Incubationszeit hält er für äusserst verschieden und nimmt sic min¬
destens in einer Dauer von drei Monaten an.
Als Träger des Contagiums bezeichnet er die Excremente; durch
diese soll die Krankheit immer von Neuem ausgebreitet werden. So
erklärt sich auch, dass das Texasfieber immer im Sommer und Herbst
auftritt. In diesen Jahreszeiten werden die Rindviehheerden aus Texas
auf die weiten, besonders nördlich gelegenen Wiesenflächen getrieben,
ihre Excremente verbleiben dort und vermitteln die Ansteckung des
gleichfalls dorthin geführten Viehes der Nord-Distrikte.
Um dieses zu verhindern, haben die von Texas nördlich gelegenen
Staaten Massregeln angeordnet, welche der Hauptsache nach in einer
strikten Sperre gegen den erst erwähnten Staat bestehen. Zur Aus¬
führung derselben sind Seuchen-Commissionen bestellt worden, deren
Anordnungen die Executiv-Behörden der betreffenden Staaten in jedem
Falle unbedingt Folge leisten müssen. E. Pauli.
! ) Black water.
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tieferate and Kritiken.
125
Die Hnfkrankheiten des Pferdes, ihre Erkennung, Heilung und
Verhütung. Von Dr. H. Möller, Lehrer an der Königl. Thier¬
arzneischule und an der Königl. vereinigten Artillerie- und Ingenieur¬
schule zu Berlin. Mit 30 Holzschnitten. (Wiegandt, Hempel und
Parey. Berlin, 1880.)
Das vorliegende Buch füllt eine empfindliche Lücke in der vete¬
rinär-chirurgischen Literatur aus. Trotz der grossen Wichtigkeit der
Hufkrankheiten für den praktischen Thierarzt, trotzdem durch genauere
physiologisch- und pathologisch-anatomische Untersuchungen und Be¬
trachtungen in der neueren Zeit die Sonderstellung der Hufkrank¬
heiten zum allgemeineren Bewusstsein gelangte, erfahren sie dennoch
bisher keine specielle wissenschaftliche Darstellung. Entweder wurden
die Hufkrankheiten in den Lehrbüchern der Chirurgie abgehandclt
und dem System zu Liebe zerrissen, so dass der einheitliche Stand¬
punkt verloren ging, oder die Lehrbücher über Hufbeschlag suchten
die Materie zu bewältigen. Gerade die Betrachtung mancher jüngeren
Auflage der letzteren beweist, wie nothwendig eine für Thierärzte
berechnete Bearbeitung der Hufkrankheiten war, denn mehr und mehr
zeigen jene das Bestreben, die Hufkrankheiten wissenschaftlich zu
bearbeiten, verlieren aber dabei gar zu leicht den richtigen Stand¬
punkt, einen Leitfaden für Beschlagschmiede zu geben; sie wirken,
weil sie nicht verstanden werden, vielfach nur verwirrend. Durch das
Möller’sche Buch werden die Hufbeschlagsbücher recht deutlich zu
ihrer Aufgabe zurückgedrängt.
Das vorliegende Buch ist daher mit grosser Freude zu begrüssen;
nicht nur vom praktischen Thierarzte, sondern auch von der stu-
direnden Jugend. Ersterer wird nach dem Studium des Buches Vieles,
worüber er selbst schon Erfahrungen gesammelt, erst im richtigen
Lichte sehen und grosse einheitliche Gesichtspunkte gewinnen, von
denen aus seine Aussprüche und Behandlungsweisen viel sicherer das
Richtige treffen. Noch dankbarer aber müssen die Jünger der Wissen¬
schaft dem Verf. sein, denn den klinischen Lehrern an den Thier¬
arzneischulen war es seit längerer 7 n it sehr fühlbar, dass die Kennt¬
nisse über Hufkrankheiten bei den Studirenden relativ am schwächsten
waren. Allerdings lag dies zum Theil in der Einstellung des Huf¬
beschlages in die ersten Semester, wo die allgemeinen chirurgischen
Grundsätze noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen waren, was
bei der Einrichtung der neuen Lehrpläne wohl überall berücksichtigt
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126
SIEDAMGROZKY.
wurde; zu einem grossen Theile war aber auch der Mangel eines
guten Lehrbuches daran schuld, dass sich die Studirenden nicht ge¬
nügenden Rath holen konnten.
Das Möllcr’sche Werk zerfällt in 3 Abtheilungen. Die erste um¬
fasst die acute Entzündung der Huflederhaut mit den Unterabthei¬
lungen: Allgemeine Betrachtung. Einzelne Entzündungsformen. Rehe.
Die zweite betrachtet die fehlerhaften Zustände der Hornkapsel, und
zwar Abweichungen der Form und Grösse, die der physikalischen Be¬
schaffenheit des Hornes und die Continuitätstrennungen. Die letzte
Abtheilung beschäftigt sich mit den Krankheitszuständen des Strahles.
Die acute Entzündung der Huflederhaut ist der erste Gegenstand
der Besprechung. Es sind dabei nicht nur in eingehender Weise alle
jene Einflüsse besprochen, welche die klinische Sonderstellung derselben
bedingen, sondern es ist auch streng die Trennung der superficiellen
und parenchymatösen Entzündung in ihrem Entstehen und in ihren
Ausgängen durchgeführt. Gerade diese principielle Trennung ist ebenso
fruchtbringend für das Verständnis wie für die Therapie. Die von
Alters her aufgenommenen näheren Bezeichnungen bei den einzelnen
Entzündungsforraen, z. B. die Unterscheidung der trockenen, nässenden,
eiternden Steingallen sind Zeichen für das Bedürfniss einer Unter¬
scheidung; sie wirkten aber vielfach verwirrend, weil eine allgemeine
Betrachtung fehlte. M. hat das Verdienst, die schon von Vatel her¬
rührende, aber nicht in Aufnahme gekommene Trennung der ober¬
flächlichen und der tiefer gehenden Entzündung der Huflederhaut klar
und erschöpfend den speciellen Betrachtungen vorausgeschickt und
damit das Verständnis wesentlich gefördert zu haben.
Er schildert zunächst die Pathogenese der oberflächlichen Huf¬
lederhautentzündung mit ihren Ausgängen in Resorption, Perforation
und Uebergang in parenchymatöse Entzündung, um sodann sehr aus¬
führlich die schwerer wiegende parenchymatöse Entzündung mit ihren
Ausgängen in Resolution, Abscedirung und Brand erschöpfend klar
zu legen. Vielleicht wäre es vorteilhaft gewesen, bei Darlegung der
regenerativen Vorgänge, S. 18, etwas ausführlicher auf die dabei vor¬
kommenden Unvollkommenheiten einzutreten. Allerdings heilen ja
relativ grosse Defecte in der Huflederhaut ziemlich schnell aus.
Die Eindeckung aber der Granulationen erfordert gerade am Hufe
oft sehr lange Zeit, und daran ist wohl zum grössten Theile die feste
Atflöthung der Huflederhaut auf ihre Unterlagen schuld. Die Narben-
retraction, die bei den meisten Wunden am übrigen Körper der Ein-
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Referate und Kritiken.
127
deckung unterstützend zu Hülfe kommt, ist hier nur eine unvoll¬
kommene, und gerade hierdurch ist es bedingt, dass die blossliegenden
und den äusseren Reizen ausgesetzten Granulationen über den normalen
Umfang hervorwachsen, so dass sie selbst dem von der Krone her¬
unterwachsenden Horn ein Hinderniss entgegenstellen. Auch darüber,
dass in Folge des Mangels der natürlichen Papillarkörper (Zotten,
Blättchen etc.) auf diesen Stellen eine normale Hornbildung nicht
wieder erwartet werden kann, hätte der Autor sich vielleicht weiter
auslassen können.
Sehr fördernd für das Verständniss wirkt ferner das Kapitel über
die Ausbreitungsweise bei den Entzündungsformen, wobei ausführlich
die Phlegmone des Strahlpolsters und ihre Folgen geschildert werden.
In der Abhandlung der Aetiologie hätten unter den thermischen
Ursachen die Versuche über die wärmeleitende Eigenschaft des Huf¬
bornes, welche lange vor Fleming in Deutschland und Frankreich
angestellt wurden, Erwähnung verdient. Hertwig erwähnt 1842,
Mag. f. d. ges. Thierhlk., VIII., S. 233: „Ich habe auf verschiedene
Hornsohlen, die von der Fleischsohle gelöst und nur 2 Linien dick
waren, an einer Seite ein rothglühendes Eisen durch 5—6 Minuten
massig angedrückt und an die entgegengesetzte Stelle die Kugel eines
Thermometers gehalten und gesehen, dass hierbei das Quecksilber in
der Röhre nur %—1 0 stieg.“ Sehr zahlreiche derartige Versuche
unter Mithülfe des Thermometers und unter Berücksichtigung der ver¬
schiedensten Wärmegrade machte jedoch Delafond (Röcueil de med.
v4t. 1845. Cah. Dec.)
Uebrigens möchte zu erwähnen sein, dass Erfrierungen doch wohl
Vorkommen; allerdings bedingen sie nur oberflächliche Entzündungen
und Trennungen des Saumbandes resp. der Wand und nur bei langem
Stehen im Schnee etc. Der Feldzug 1864 lieferte hierfür mehrfache
Beispiele. Unangenehmer ist dagegen der Einfluss bei zufälliger, an
sich unbedenklicher Verwundung, z. B. Durchschneiden der Sohle, wie
es sich im Winter, besonders beim Eisfahren bemerkbar macht. Hef¬
tige parenchymatöse Entzündungen sind die Folgen.
Weiterhin ist dann sehr klar die Diagnose der acuten Entzün¬
dungen, sowie ihre Beurtheilung besprochen. Dass dann durch die
Auseinanderhaltung der oberflächlichen und tieferen Entzündungen auch
bei der Therapie viel prägnantere Indicationen aufgestellt werden, dass
sie dadurch viel leichter wird, ist selbstverständlich; diese Abtheilung
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SIEDAMGROZKY.
enthält viel beherzigenswerthe Fingerzeige gegen den hergebrachten
Schlendrian.
Nur in einem Punkte kann ich mich nicht mit dem Autor ein¬
verstanden erklären, nämlich mit der S. 45 erwähnten und auch bei
den einzelnen Entzündungen immer hervorgehobenen Indication: bei
parenchymatösen Entzüudungen, die zur Eiterung führten, das Vor¬
quellen der Weichtheile zu verhüten, resp. die vorgefallenen Theile
zurückzubringen. Dieses uns Allen bekannte Vorquellen der Weich-
theile ist, wenn nicht veranlasst durch abnormen Druck des Hufhornes
auf die entzündete Nachbarschaft, stets nur eine Erscheinung dafür,
dass an der eiternden Stelle in der Tiefe eine Reinigung des Defectes
nicht genügend erfolgt ist, oder dass die Wundsecrete nicht genügend
abfliessen können. Von der Tiefe aus wird diese Wucherung unter¬
halten, wie M. selbst hervorhebt; erst wenn diese Uebelstände aufge¬
hoben sind, hört das Hervorquellen auf und die Wucherungen bilden
sich ganz von selbst zurück. Hier durch Druck etc. mit verschiedenen
Verbänden die Wucherungen zum Zurückgehen zu bringen, halte ich
zum Mindesten für überflüssig, unter Umständen durch Zurückhalten
der Secrete sogar für schädlich. Ich habe seit langer Zeit diese mir
anerzogene Behandlungsweise bei Nageltritten, eiternden Steingallen etc.
.weggelassen, behandle nur den Defect, oft unter trichterförmiger Er¬
weiterung desselben, und habe keine Veranlassung gehabt, bei diesen
Leiden auf jene Compressionsmethode znrüokzugreifen. Das Auftreten
der Wucherungen ist mir stets nur als Symptom werthvoll, indem es
mir anzeigt, dass in der Tiefe noch nicht genügende Ausheilung er¬
folgt ist.
Neben den acuten Entzündungen hätten auch die chronischen
Entzündungen eine allgemeine Besprechung verdient. Allerdings sind
dieselben, weil vielfach aus acuten hervorgehend und andererseits.
Formveränderungen des Hufes bedingend, überall bei den einzelnen
Abschnitten erwähnt, dennoch wäre es wohl vortheilhaft gewesen über
die pathologisch-anatomischen Veränderungen, welche bei und durch
dieselben entstehen, eine ähnliche allgemeine Besprechung vorauszu¬
schicken, denn gerade über die Ringbildungen, sowie über die Ver¬
änderungen des Papillarkörpers in Folge chronischer Entzündungen
(cfr. Lungwitz, Beiträge zur pathologischen Anatomie der Stein¬
gallen, Bericht über das Veterinärwesen in Sachsen pro 1873, S. 126)
fehlte vielfach das genauere Verständniss.
Die einzelnen Entzündungsformen (Vernagelung, Nageltritt, Kronen-
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Referate und Kritiken.
129
tritt, Steingalle, Hufknorpelfistel, Verballung etc.) sind spcciell abge¬
handelt. Nur einige Punkte seien erinnert.
Bei dem Nageltritt erwähnt Möller S. 57: „Sind die Anzeichen
einer eitrigen Erkrankung des Strahlbeines und des Hufbeinbeugers
vorhanden, so kann man das Leiden für unheilbar erklären“. Ich bin
der Meinung, dass man so schnell noch nicht die Patienten aufgeben
soll; es gelingt, wenn auch nicht immer, derartige Patienten zu retten,
wenn man durch rücksichtslose Erweiterung des Wundkanals, trichter¬
förmiges Ausschneiden des Strahlpolsters bis zur Sehne den Abfluss
des Wundsecrets ermöglicht, und durch strenge Durchführung der des-
inficirenden Wundbehandlung eine Weiterausbreitung der Entzündung
verhütet. Allerdings bleibt dann stets eine Verwachsung des Strahl¬
beins mit der Sehne zurück, doch lernen die Thiere später, wenn die
anfangs sehr hoch gegebenen Stollen mit jedem neuen Beschläge etwas
verkürzt werden, allmälig durchtreten und gehen nach Verlauf eines
halben Jahres fast normal.
Ferner hätte nach meiner Meinung in einem Lehrbuche für Thicr-
irzte wohl die von den französischen Collegen (Lafosse, Girard,
Renault u. A.) practicirte Operation du clou de rue penetrant dans
Taponeurose plantaire et au döla erwähnt zu werden verdient, deren
extremste Anwendung von Nocard erst kürzlich (Recueil d. med.
v£t. 1879, p. 1226) empfohlen wurde. Genannter empfiehlt, wenn
die Sehne durchbohrt und gangränös geworden, die Durchschneidung
der Sehne in der Höhe des Strahlbeins, Abtragung des unteren Sehnen¬
endes vom Hufbein unter Anwendung des Meisseis und Entfernung
des Knorpels von der Strahlbeinfläche; unter Anwendung eines Carbol-
a&ureverbandes (1 :20) erfolgt Heilung binnen 4 Wochen und Her¬
stellung zur Gebrauchsfähigkeit binnen 6 Wochen. Jedenfalls fordern
die erhaltenen Resultate auf anstatt der abwartenden Behandlung, bei
der wir im Dunkeln tappen und den wichtigsten Krankheitsherd nicht
erreichen, mehr wie bisher zum Messer zu greifen, und die Schäden
dem Auge und der anzuwendenden Medicin frei zu legen.
Sehr lehrreich ist die Pathogenese der Hufknorpelfistel abgehan¬
delt und dadurch vor allen Dingen zum Bewusstsein gebracht, dass
partielle Necrose des Hufknorpels die Fistel unterhält und deshalb
auch die wichtigste Aufgabe der Therapie bleibt, diese necrotischen
Massen zur Auflösung zu bringen oder operativ zu entfernen. In Be¬
zug auf die letztere wäre vielleicht eine historische Betrachtung der
verschiedenen Operationsmethoden am Platze gewesen, ebenso die
▲rehiT t «rlMenseh. u. prakt Thierheilk. VII. 1 a. 2. 9
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130
StEDAMGROZKY.
Unzulänglichkeit einer partiellen Exstirpation, die doch am näch¬
sten liegt.
Bei der Verbällung verdient hervorgehoben zu werden, dass die
chronische Entzündung der Ballen, wie sie bei jungen Pferden, welche
vom Lande, namentlich aus einer feuchten Gegend, auf das Strassen-
pflaster gebracht werden, häufig zu beobachten ist, eine eingehende
Besprechung erfahren hat. Nimmt doch das Leiden durch die zu¬
nehmende Häufigkeit eine immer mehr hervorragende Bedeutung an.
Eine sehr ausführliche Bearbeitung hat die Rehe erfahren; die
gesammte angewachsene Literatur, sowohl die ältere als die neuere
(mit Ausnahme der Arbeit von Guillebeau, Ueber das Wesen des
Rehhufes, Zeitschr. f. Veterin.-Wissenschaft von Pütz, S. 153) ist
berücksichtigt worden. Die Materie ist dabei in einer umfassenden und
kritischen Weise bearbeitet worden, wie wir sie bis jetzt nicht zu
verzeichnen hatten; hoffentlich werden sich die immer noch sehr ab¬
weichenden Ansichten der Thierärzte über die Entwicklung des Reh¬
hufes, sowie über seine Therapie auf Grund der genauen pathologisch¬
anatomischen Auseinandersetzungen wesentlich klären. Ich selbst bin
in dieser Frage zu sehr Partei, als dass ich hier näher auf die An¬
gelegenheit eintreten könnte, kann aber nur dringend anrathen, dass
J eder, der ernstlich bestrebt ist seine Kenntnisse nicht auf Grund von
Speculationen, sondern auf anatomische Grundlagen zu verbessern, dies
Kapitel mit Aufmerksamkeit studire.
Die zweite Abtheilung bespricht die fehlerhaften Zustände
der Hornkapsel. Auch hier ist die allgemeine Betrachtung höchst
interessant, die Berücksichtigung der Vererbung, der Entwickelungs¬
vorgänge des Hufes und ihre Beeinflussung durch Trockenheit,
Feuchtigkeit, mechanische Einflüsse etc. geben ein allgemeines Ver¬
stand niss.
Beim Flachhuf möchte hervorzuheben sein, dass der Winkel
der Zehen wand zum Erdboden zwischen 30 und 40°, aber nicht unter
30° liegt; letztere kommen nur durch Verbiegung der Hornwand vor.
In Bezug auf die Behandlung des Zwanghufes mittelst des Defays-
schen Eisens verdient Erwähnung, dass die Erweiterung am besten
durch Beachtung des Auseinandergehens der mittleren Strahlfurche
controlirt wird, und dass bei spitz gewinkelten Hufen Eisen mit Eck¬
strebenaufzügen selten einen guten Erfolg und leicht schmerzhafte
Quetschungen der Eckstreben veranlassen. Bei der Heilung des halben
Zwanghufes ist es zuweilen nothwendig, den Huf so zu beschneiden.
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Referate und Kritiken.
131
dass die eingezogene Wand zuerst fusst, denn dann wirkt die Körper¬
last erst recht begünstigend auf die Erweiterung.
Verdienstlich ist die in den Lehrbüchern der Chirurgie stets ver¬
nachlässigte Besprechung des Sohlenzwanges, die den meisten Thier¬
ärzten willkommen sein wird. Mehr hätte hervorgehoben zu werden
verdient, dass hier gerade die Stellung der Diagnose per distance
durch genaue Beachtung des Wand Verlaufes von Wichtigkeit ist, von
grösserer Wichtigkeit, als der Druck auf das Sohlencentrum, bei
welchem Schmerz nicht immer vorhanden ist. Beim schiefen Hufe ist
M. sehr ausführlich auf die Entwickelung desselben und seine Ab¬
hängigkeit von den abnormen Stellungen eingegangen; nur unter Be¬
rücksichtigung dieser lassen sich ja gerade für den schiefen Huf die
richtigen Gesichtspunkte für die Beurtheilung, Prophylaxis und Therapie
gewinnen.
Die Abweichungen in der physikalischen Beschaffenheit des Hornes
(Härte und Sprödigkeit, Weichheit und Mürbheit) werden nach Vor¬
ausschickung aller Einflüsse, welche auf die Hornbildung bekannt sind,
ausführlich besprochen.
Von den Continuitätstrennungen sind besonders ausführlich die
flornspalten in Bezug auf Ursachen und Beurtheilung besprochen; in
der Behandlung hätte zunächst mehr hervorgehoben werden können,
dass man durch Niederschneiden der gesunden Seite eine Mehrbelastung
dieser und eine Entlastung der kranken herbeiführen kann, die ganz
wesentlich die Heilung unterstützt.
In ähnlicher Weise, besonders durch Regelung des wohlthätigen
Hufmechanismus, erweist sich oft die Anwendung der Hartmann’schen
Hufpuffer, unter Umständen auch eines geschlossenen Eisens bei Kronen¬
spalten sehr vortheilhaft.
Die Auseinanderhaltung der losen und der hohlen Wand wird
vom Autor auf Grund genauer pathologisch-anatomischer Beschreibung
mit Recht sehr hervorgehoben, denn noch immer werden beide sehr
häufig zusammengeworfen.
Die letzte Abtheilung beschäftigt sich mit den Krankheits¬
zuständen des Strahles, der Strahlfäule und dem Strahlkrebse,
deren Wesen unter Berücksichtigung der immer noch vielen Contro-
versen so weit möglich klargelegt wird. Bei der Beschreibung der
Strahlfaule vermisse ich ein bei höheren Graden und langem Bestehen
nie fehlendes Symptom, nämlich die diagonal, schräg von oben nach
den Trachten zu verlaufenden Ringe, welche auf der Zehe selbst sich
9 *
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132
SIEDAMGROZKY.
kreuzen. Diese flachen Ringe scheinen einer massigen Entzündung
und Hyperämie des Saumbandes ihren Ursprung zu verdanken, welche,
wahrscheinlich vom Secret des faulen Strahles angefacht, langsam im
Saumbande nach vorn schreitet, so dass der durch sie bedingte Ring
an den Trachten bereits erheblich heruntergewaehscn ist, wenn diese
Entzündung an der Seiten- oder Zehenwand angekommen ist. Indem
an beiden Seiten derselbe Process sich mehrfach wiederholt, entstehen
jene sich kreuzenden Ringe, deren Beachtung die Stellung der Diagnose
per distance viel sicherer gestattet, als die Ringbildung etc. bei chroni¬
schen Steingallen.
Der Autor hat die chronische Hufgelenkslahmheit sowie die Ver¬
knöcherung der Hufknorpel ausser Betrachtung gelassen, weil sie
streng genommen nicht zum Hufe gehören. Aus praktischen Gründen,
der differentiellen Diagnose wegen, und weil diese Leiden doch in er¬
heblichem Grade Veränderung der Hufkapsel bedingen, möchte es sich
vielleicht doch empfehlen bei einer neuen Auflage, die wahrscheinlich
nicht lange auf sich warten lässt, diesen für den Thierarzt sehr wich¬
tigen Krankheiten einen kleinen Platz zu gönnen.
Schon aus der länger als beabsichtigt gewordenen Besprechung
wird der Leser ersehen, wie anregend und interessant das Werk ist.
Aus vollem Herzen kann man dem Autor nur gratuliren, sich der
mühevollen Arbeit unterzogen zu haben. Eine besondere Anempfeh¬
lung erscheint überflüssig, das Buch spricht für sich selbst und wird
bald in keiner Bibliothek eines Thierarztes fehlen.
Dreissig gute Holzschnitte (mit Ausnahme der Fig. 19, welche
zu schematisch) unterstützen sehr wesentlich das Verständniss. Druck
und Papier sind sehr gut und Druckfehler nach Möglichkeit vermieden.
Siedamgrozky.
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Kleinere Hittheilungen.
Die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten in Prenssen während
des Quartals April/Juni 1880.
1. Milzbrand. Im Berichtsquartal sind 13 Pferde, 229 Stück Rindvieh,
172 Schafe, 4 Schweine, welche 198 Gehöften, 182 Ortschaften und 97 Kreisen
angehörten, an Milzbrand gefallen. Frei von dieser Krankheit blieben die Regie¬
rungsbezirke rosp. Landdrosteibezirko Stralsund, Hannover, Stade, Osnabrück,
Aurich, die Hohenzollernschen Lande und die Stadt Berlin. Genesen sind 24 an
Milzbrand erkrankte Rinder, unter diesen 7 im Landdrosteibezirke Hildcsheira,
welche mit dem Blute einer an derselben Krankheit leidenden Kuh besudelt wor¬
den und in Folge davon erkrankt waren.
Die Fälle bei Pferden blieben durchweg vereinzelt, in 4 Gehöften trat der
Milzbrand gleichzeitig bei Pferden und unter dem Rindvieh auf, zwei Pferde
sollen sich bei dem HerausschafTen der Cadaver an Milzbrand gefallener Kühe
inficirt haben, bei einem Pferde trat die Krankheit in Form des Carbunkel-
anthrax auf.
Die 229 an Milzbrand gefallenen Rinder vertheilen sich in abgerundeten
Procentsätzen, wie folgt, auf die einzelnen Provinzen:
Ostpreussen.
. . 9,25 pCt.
Westpreussen.
. . 6,25 „
Brandenburg .
. . 5,45 „
Posen .
. . 10,95 „
Schlesien.
. . 32,45 „
Sachsen .
. . 11,50 „
Schleswig-Holstein . . .
. . 3.15 „
Hannover.
. . 7,20 „
Westfalen.
. . 1,85 „
Hessen-Nassau . . . .
. . 5,00 „
Rheinprovinz.
• • 6,95 ,,
Summa 100,00pCt.
Wie in fast allen Berichtsquartalen, entfällt mithin wiederum der höchste
Procentsatz auf die Provinz Schlesien.
Mehr als 3 Stück Rindvieh starben an Milzbrand:
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134
Kleinere Mittheilungen.
Bestand. Gefallen.
in 3 Geh. des Kreises Johannisburg, Reg.-Bezirk Gumbinnen, 23 Stück, 7 Stück
l . .
* Soldin,
Frankfurt,
8
. 4
J»
l , „
„ Samter,
Posen,
23
. 11
»
W
l . *
„ Breslau,
Breslau,
40
» 4
w
V
l . »
„ Wohlau,
n
Breslau,
44
» 8
n
n
l . .
„ Oppeln,
r>
Oppeln,
43
. 5
w
r>
1 . ,
„ Göttingen,
Landdr.-Bez. Hildesheim,
12
» 4
ji
In 5 Gehöften betrug der Verlust je 3, in 8 Gehöften je 2, in 177 Gehöf¬
ten je 1 Stück Rindvieh. In einem Orte des Kreises Liebenwerda, Regierungs¬
bezirk Merseburg, hatte der Milzbrand während des 3. und 4. Quartals v. J.
seuchenhaft unter dem Gutsvieh geherrscht; während des Berichtsquartals fielen
an demselben Orte 1 Kuh und 3 Ziegen, welche Dienstleuten des Gutes ge¬
hörten.
Auch in dem letzten Quartal wurden die zahlreichsten Milzbrandfälle an Orten
beobachtet, deren Feldmark Ueberschwemmungen ausgesetzt war oder in denen
die Krankheit stationär ist bezw. Cadaver früher an Milzbrand gefallener Thiere
nicht vorschriftsmässig vergraben worden waren. In zwei Fällen hat die Ver-
fütterung von an solchen Verscharrungsplätzen eingemieteten Rüben Anlass zum
Wiederausbruch der Krankheit nach längerer Zeit gegeben. In einem Fall wird
als Ursache das Tränken aus einem Mühlteich bezeichnet, oberhalb dessen sich
mehrere Gerbereien befanden.
Ueber die Formen, unter denen der Milzbrand auftrat, wird berichtet, dass
in Schleswig-Holstein und im Kreise Eupen, Regierungsbezirk Aachen, nur der
sogenannte Rauschbrand beobachtet wurde. Der Carbunkel-Milzbrand wird nur
in einem Falle erwähnt.
Die 172 an Milzbrand gefallenen Schafe vertheilen sich auf die Kreise
Saatzig, Regierungsbezirk Stettin, Glogau*, Regierungsbezirk Liegnitz, Oppeln*,
Regierungsbezirk Oppeln, Liebenwerda*, Regierungsbezirk Merseburg, Heiligen¬
stadt, Regierungsbezirk Erfurt, und Kleve*, Regierungsbezirk Düsseldorf. In
den mit * bezeichneten Ausbrüchen herrschte der Milzbrand gleichzeitig unter
dem Rindvieh.
Von den 4 an Milzbrand gefallenen Schweinen hatten sich 3 durch das
Verzehren von Blut erkrankter Rinder inficirt.
Zusammen 5 Menschen in den Regierungsbezirken Posen, Erfurt und Kassel
sind in Folge von Milzbrandinfection erkrankt, einer derselben — ein Arbeiter
im Kreise Bomst, Regierungsbezirk Posen, welcher eine an Milzbrand gefallene
Kuh abgehäutet hatte — ist gestorben.
2. Maul- und Klauenseuche. Dieselbe ist nur in zusammen 17 Ort¬
schaften der Regierungsbezirke Königsberg, Danzig. Potsdam, Frankfurt, Posen,
Bromberg, Merseburg, Liegnitz, Stade und Köln unter wenigen Rindviehbeständen
beobachtet worden. Die zuerst erkrankten Thiere waren meistens unmittelbar
vorher angekauft worden. Die Tabellen des Kreises Zell, Regierungsbezirk Ko¬
blenz, führen einzelne Fälle von Stomatitis pustulosa als Aphthenseuche auf.
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Kleinere Mittheilungen.
135
Ausserdem wird über das Auftreten der Maul- und Klauenseuche in zusam¬
men 3 Schafheerden der Reg.- bez. Landdr.-Bez. Frankfurt, Erfurt und Hildes¬
heim berichtet.
Im Kreise Mohrungen, Reg.-Bez. Königsberg, erkrankten 45 derselben
Heerde angehörende Schweine, welche Milch von aphthenkranken Kühen verzehrt
hatten, 11 Ferkel dieser Heerde sind gefallen.
3. Lungenseuche. Dieselbe herrschte unter 103 Viehbeständen, welche
sich auf 80 Ortschaften in 42 Kreisen vertheilen und zusammen 3600 Stück
Rindvieh enthielten.
Erkrankt sind.563 Stück Rindvieh
Gefallen * .. 12 * *
Auf polizeiliche Anordnung wurden getödtet 527 „ „
Auf Veranlassung der Besitzer „ „ 40 „ „
Am Schlüsse des Berichtsquartals war die Seuche in 78 Gehöften noch
nicht getilgt.
Die 563 Erkrankungen vertheilen sich in abgerundeten Procentsätzen, wie
folgt, auf die einzelnen Provinzen:
Brandenburg. . .
. . 26,40pCt.
Schleswig-Holstein . .
1,25 pCt.
Pommern . . . .
. . 6,20 „
Hannover.
5,60 „
Posen.
. . 5,20 „
Hessen-Nassau . . .
• 2,00 „
Schlesien . . . .
. . 6,00 „
Rheinprovinz.
. 0,35 „
Sachsen .
. . 47,00 „
100,00pCt.
Demgemäss entfällt etwa 3 / 4 säramtlicher Erkrankungen auf Brandenburg
und Sachsen.
Die 579 getödteten und gefallenen Stück Rindvieh bilden
16,10 pCt. der
3600 Stück, mit welchen die verseuchten Gehöfte besetzt waren,
hältniss berechnet sich für die einzelnen Provinzen:
Dasselbe Ver-
Brandenburg . .
. . 31,80pCt.
Schleswig-Holstein .
38,80pCt.
Pommern ....
. . 19,20 „
Hannover.
15,70 „
Posen.
• 9,60 „
Hessen-Nassau . . .
15,00 „
Schlesien ....
. 37,11 „
Rheinprovinz ....
40,00 „
Sachsen ....
• 12,00 .
In den Provinzen Ostpreussen, Westpreussen, Westfalen und in den Hohen-
zolleraschen Landen sind keine Fälle von Lungenseuche beobachtet worden.
Von den Ausbrüchen der Lungenseuche in der Provinz Brandenburg sind
zusammen 3 in den Kreisen Ober-Barnim, Teltow, Reg.-Bez. Potsdam, und Arns-
walde, Reg.-Bez. Frankfurt, durch in Bayern angekaufte Zugochsen vermittelt
worden. Die Seuche verbreitete sich im Kreise Ost-Havelland, Reg.-Bez. Pots¬
dam, auf 5 weitere Gehöfte in zwei Ortschaften; die betreffenden Viehbestände
sind theils an Ort und Stelle abgeschlachtet, theils zu demselben Zwecke nach
dem Berliner Schlachtviehmarkt transportirt worden; ausserdem kam unter der
im 3. Quartal v. J. verseuchten Heerde einer grösseren Fabrikwirthschaft des Kreises
Prenzlau ein Fall von Lungenseuche vor, und wurden ganz vereinzelte Fälle in
3 kleinen Viehbeständen des Kreises Königsberg, Reg.-Bez. Frankfurt, oonstatirt.
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136
Kleinere Mittheilungen.
Auf dem Berliner Schlachtviehhofe erwiesen sich unter 69 aus 4 bekannten
Seuchenorten eingeführten Stück Rindvieh nach der Schlachtung 13 mit der
Lungenseuche behaftet.
Die sonst seuchefreie Provinz Pommern enthält zur Zeit 2 Seuchenherde;
zu dem während des vorigen Quartals entstandenen im Kreise Bublitz, Reg.-
Bez. Köslin, ist noch einer im Kreise Pyritz, Reg.-Bez. Stettin, hinzugetreten;
in den letzteren gab Ankauf von Vieh aus dem Seuchenherd im Kreise Arnswalde,
Reg.-Bez. Frankfurt, in welchen die Krankheit durch bayerische Zugochsen ein¬
geschleppt worden war. Anlass zu dem Ausbruch.
Im Reg.-Bez. Posen kamen während des Berichtsquartals 4 Neuausbrüche
vor, 3 in kleinen Beständen des Kreises Fraustadt, veranlasst durch eine auf
dem Markt in Grätz gekaufte kranke Kuh — und 1 in einer kleinen Heerde des
Kreises Kosten; ausserdem dauerte das Herrschen der Seuche in zusammen 4 Ge¬
höften der Kreise Bomst, Kosten und Schrimm seit dem vorigen Quartal fort.
Der Reg.-Bez. Bromberg war seuchefrei.
Die Lungenseuche erschien im Reg.-Bez. Liegnitz nach dem Abschlachten
des letzten verseuchten Bestandes am Schlüsse des Berichtsquartals getilgt und
ist im Reg.-Bez. Breslau nicht beobachtet worden. Dieselbe gewann im Reg.-Bez.
Oppeln weitere Verbreitung unter einem Gutsbestande des Kreises Ratibor und
brach ausserdem unter je einem Viehbestände der Kreise Pless, Rybnik und
Zabrze aus.
Am stärksten verseucht sind nach wie vor die Reg.-Bez. Magdeburg und
Merseburg; auf den ersteren entfallen 30 Neuausbrüche, und in 16 Beständen
dauert das Herrschen der Lungenseuche aus früheren Quartalen fort. Die Ta¬
bellen des Reg.-Bez. Merseburg berichten über 7 verseuchte Heerden in den Kreisen
Bitterfeld, Liebenwerda und in beiden Mansfeldischen Kreisen. Die Ausbrüche
betrafen vielfach Vieh kleinerer Besitzer, welches durch das grösseren Fabrik-
wirthschaften gehörende inficirt wurde, oder sind auf den Ankauf von kranken
Thieren zurückzuführen. Die Befürchtung, dass eine grössere Anzahl von Seu¬
chenherden noch nicht zur Kenntniss der Behörden gelangt ist, wird vielfach von
den Berichterstattern ausgesprochen. Zwei Ausbrüche wurden dadurch ermittelt,
dass Schlachtvieh aus solchen verheimlichten Seuchengehöften auf den Schlacht¬
viehhöfen grösserer Städte mit der Lungenseuche behaftet gefunden wurde. Der
Reg.-Bez. Erfurt blieb seuchefrei.
Im Reg.-Bez. Schleswig beschränkte sich das Vorkommen der Lungenseuche
auf 3 Gehöfte in der Nachbarschaft von Hamburg-Altona, in eines derselben
wurde die Seuche aus den Ställen Altonaer Viehcommissionäre eingeschleppt.
Die Verluste der Provinz Hannover vertheilen sich auf 1 Gehöft des Kreises
Wennigsen, Landdr.-Bez. Hannover — Angaben über die Einschleppung fehlen,
2 Gehöfte im Landdr.-Bez. und Kreise Hildesheim, 1 Gehöft im Kreise Gifhorn,
Landdr.-Bez. Lüneburg — in diesen 3 Gehöften dauerte das Herrschen der
Seuche aus dem vorigen Quartal fort — und 2 Gehöfte im Kreise Melle, Landdr.-
Bez. Osnabrück — Uebertragung aus benachbarten, früher verseucht gewesenen
Ortschaften.
In einem mit 10 Stück Rindvieh besetzten Gehöft des Reg.-Bez. Kassel
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Kleinere Mittheilungen.
137
traten die einzelnen Erkrankungen in sehr langen Zwischenräumen auf; der erste
wurde am 10. August 1878, der zweite nach 8. der dritte nach 4, der vierte
nach 6V 2 , der fünfte nach 6 Monaten beobachtet. Während der zwei Jahre, seit
welcher fast ununterbrochen Sperrmassregeln fortdauerten, ist kein Vieh ange¬
schafft, auch alle Sorgfalt auf die Desinfection des Stalles verwendet worden.
In Niederursel, Reg.-Bez. Wiesbaden, und in einer Ortschaft des Kreises Fulda
verbreitete sich die Krankheit auf weitere Gehöfte; in einer früher stark verseuch¬
ten Ortschaft des Kreises Wiesbaden brach dieselbe bei neu angekauften Thieren
aus; zwei andere Ausbrüche in dem letztgenannten Kreise sind durch kranke,
auf dem Markte in Giessen angekaufte Thiere vermittelt worden.
Aus der Rheinprovinz wird berichtet, dass die Seuche nur unter zwei Vieh¬
beständen eines im Quartal vorher verseuchten Ortes im Landkreise Trier
herrschte.
Von den 527 auf polizeiliche Anordnung getödteten Stück Rindvieh ge¬
hörten 76,45 pCt. grösseren Gütern, 23,55 pCt. kleineren Besitzungen an.
Dasselbe Verhältniss für die Provinzen Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien
und Sachsen berechnet, stellt sich auf 81,20 bezw. 18,80 pCt.
Ein auf polizeiliche Anordnung getödtetes Stück Rindvieh im Reg.-Bez.
Magdeburg erwies sich bei der Section mit Perlsucht und Echinococconkrankheit,
jedoch nicht mit der Lungenseuche behaftet.
Die Krankheit ist während des Berichtsquartals fünfmal aus Bayern, zwei¬
mal aus Hessen upd einmal aus Anhalt eingeschleppt worden.
Die Impfung der Lungenseuche wurde bei 7 Viehbeständen der Reg.-Bez.
Magdeburg und Merseburg ausgeführt; dieselbe hatte in einem Falle keinen
Erfolg, 22 Ende Januar er. geimpfte Kühe einer anderen Ortschaft hatten deut¬
liche Impfreaction gezeigt, erkrankten jedoch 4—5 Monate später in der heftig¬
sten Weise. Anderseitig ist mehrfach beobachtet w'orden, dass früher mit vollem
Erfolge geimpfte Thiere in stark verseuchten Ställen von der Krankheit verschont
blieben.
4. Rotz-Wurmkrankheit. Von derselben blieben frei die Regierungs-
bezw. Landdrosteibezirke Stralsund, Stade, Osnabrück, Aurich und Minden.
In den übrigen Landestheilen erkrankten zusammen 567 Pferde, 43 Pferde
sind gefallen, 495 wurden auf polizeiliche Anordnung, 51 auf Veranlassung
der Besitzer getödtet. Der Verlust beträgt 163 Pferde mehr als im Quartal
Januar-März — von denen 136 auf die Regierungsbezirke Danzig und Oppeln
entfallen — und 22,40 pCt. der 2584 Pferde, mit denen die verseuchten Ge¬
höfte besetzt waren. In 165 Gehöften dauerten die Sperrmassregeln am Schlüsse
des Berichtsquartals noch fort. Die 589 gefallenen und getödteten Pferde ver¬
theilen sich in abgerundeten Procentsätzen wie folgt auf die einzelnen Provinzen;
die entsprechenden Zahlen des vorigen Quartals sind zur Vergleichung gegen-
übergestellt:
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138
Kleinere Mittheilungen.
Quartal Januar-März
Quartal April-Juni
Ostpreussen . . .
. . 14,80pCt.
8,10pCt.
Westpreussen . . .
■ . 10,70 ,
14,15 „
Brandenburg . . .
• • 14,10 .
11,25 .
Pommern.
. • 14,40 ,
8,50 „
Posen.
. . 13,20 „
11,25 .
Schlesien.
• • 17,20 „
31,20 „
Sachsen.
• • 4,00 „
3,70 „
Schleswig-Holstein .
• • 1,40 „
2,00 ,
Hannover.
. . 1,90 „
1,70 „
Westfalen.
. • 0,70 „
0,85 .
Hessen-Nassau . .
. . 2,20 „
1,20 „
Rheinprovinz . . .
• • 5,40 „
5,25 ,
Hohenzollernsche Lande 0,00 „
0,85 „
100,00 pCt.
100,00 pCt.
Die Vergleichung zeigt ein erhebliches Sinken des Procentsatzes in den
Provinzen Ostpreussen, Brandenburg, Pommern und Posen, dagegen eine bedeu¬
tende Steigerung desselben in Westpreussen und Schlesien. Fast V 3 aller durch
die Rotzkrankheit veranlassten Verluste entfällt allein auf die zuletzt genannte
Provinz.
Die 38 im Reg.-Bez. Königsberg gefallenen und getödteten Pferde ver¬
theilen sich auf 12 Ortschaften in 10 Kreisen. Die Zahl der Rotzerkrankungen
in demselben Bestände war zum Theil bedeutend; fünf Bestände, welche zusam¬
men 40 Pferde zählten, verloren 22 Pferde. Die Krankheit brach in einem Ge¬
höft seit dem 2. Quartal 1879 zum dritten Male aus und wurde in einem anderen
constatirt, in welchem dieselbe angeblich schon seit dem Jahre 1877 herrscht.
Die 10 Rotzerkrankungen des Reg.-Bez. Gumbinnen blieben vereinzelt, dieselben
vertheilen sich auf 6 mit zusammen 50 Pferden besetzte Gehöfte in ebenso vielen
Kreisen. Der Wiederausbruch in einem Gute des Kreises Sensburg wurde erst
durch das Erkranken eines von dem betreffenden Eigenthümer verkauften Pferdes
ermittelt.
Kein Kreis des Reg.-Bez. Danzig blieb von der Rotzkiankheit frei, von 54
gestorbenen und getödteten — 26 mehr als im Quartal Januar-März — Pferden
entfallen 20 auf den Kreis Pr. Stargard, in welchem noch mehrere alte Rotz¬
stationen vorhanden sind, und ein Gut allein von 49 ursprünglich vorhanden
gewesenen Pferden seit dem 23. August 1879 22 verloren hat; ebenso sind in
einem Gute des Kreises Marienburg seit dem 23. Febr. 1880 von 47 Pferden 12
und in einem Bestände von 15 Pferden des Kreises Neustadt während des Be¬
richtsquartals 5 getödtet worden. Sämmtliche 4 Pferde eines Gehöftes im Kreise
Elbing erwiesen sich rotzkrank, und in einem Bestände des Landkreises Danzig
brach die Rotzkrankheit nach einem Jahre von neuem aus. Die 29 im Reg.-Bez.
Marienwerder gefallenen und getödteten Pferde — 11 mehr als im Quartal Ja¬
nuar-März — vertheilen sich auf 22 Ortschaften in 8 Kreisen, je 8 Rotzfälle
kamen in den Kreisen Löbau und Thorn vor. In 4 früher verseucht gewesenen
Beständen brach die Krankheit von neuem aus.
Im Reg.-Bez. Potsdam verloren 6 Bestände je 2 Pferde, 10 Bestände je
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Kleinere Mittheilungen.
139
1 Pferd, ein Rotzausbruch wurde durch Constatirung der Krankheit bei einem
Pferde in der Perleberger Rossschlächterei bekannt. Von 14 ira Reg.-Bez. Frank¬
furt getödteten Pferden entfallen 8 auf den Kreis Lübben, zusammen 6 auf die
Kreise Krossen, Ost-Sternberg und Züllichau. Die Zunahme der Rotzfalle um
9 Pferde in Berlin ist durch das Auftreten der Krankheit unter den in 5 Depots
vertheilten Bestand eines grösseren Fuhrhalters bedingt worden. Mit Ausnahme
eines Pferdes, welches einem Spediteur gehörte, kamen die Rotzerkrankungen,
welche mehrfach in Zwischenräumen von 4—6 Monaten erfolgten, nur bei Pfer¬
den des öffentlichen Fuhrwerks vor.
Ein seit langer Zeit verseuchtes Gut im Kreise Demmin verlor 8, ein Fuhr-
halter in Stettin 6 Pferde, die übrigen 3 vereinzelten Rotzfälle im Reg.-Bez.
Stettin wurden in den Kreisen Greifenhagen, Pyritz und Randow beobachtet. Im
Reg.-Bez. Köslin wurde die Rotzkrankheit in zusammen 3 Seuchenherden der
Kreise Belgard, Lauenburg und Schievelbein durch Tödtung der Restbestände
(im Ganzen 6 Pferde) getilgt. Von 33 gestorbenen und getödteten Pferden ent¬
fallen 10 auf den Kreis Neu-Stettin, 5 auf ein Gut des Kreises Stolp, in wel¬
chem sich die Krankheit seit längerer Zeit hinschleppt, und 4 auf einen Bestand
von 6 Pferden ira Kreise Belgard. Frei von der Rotzkrankheit blieben nur die
Kreise Bublitz und Kolberg-Körlin.
Die 42 Rotzfälle des Reg.-Bez. Posen vertheilen sich auf alle Kreise, mit
Ausnahme von Birnbaum, Kröben und Schrimm; die zahlreichsten wurden im
Kreise Kosten und im Landkreise Posen beobachtet. In 6 alten Rotzstationen,
welche zusammen 12 Pferde verloren, brach die Krankheit nach längeren Zwi¬
schenzeiten von neuem aus. Von den Kreisen des Reg.-Bez. Bromberg blieben
Czarnikau und die Stadt Bromberg frei von der Rotzkrankheit, 8 Pferde entfallen
auf den Kreis Wongrowiec, in Strzelno, Kreis Inowraclaw, erwiesen sich sämmt-
liche 3 Pferde eines Fuhrmanns mit dem Rotz behaftet; die übrigen 13 Pferde
vertheilen sich auf 9 Gehöfte.
Die Zahl der Rotzerkrankungen in den Reg.-Bez. Breslau und Liegnitz ist
während der beiden letzten Quartale nahezu dieselbe geblieben, die 32 Fälle
kamen durchweg in kleinen Beständen vor, welche zusammen 82 Pferde enthiel¬
ten. In Malkwitz, Landkreis Breslau, brach die Rotzkrankheit von neuem aus;
der letzte Fall war ty 4 Jahre vorher constatirt worden. Die ausserordentlich hohe
Zahl der Rotzfälle im Reg.-Bez. Oppeln während des Berichtsquartals ist in
erster Linie auf die bedeutende Verbreitung, welche die Krankheit unter den
Pferden mehrerer Fuhrleute im Kreise Beuthen erlangte und auf die starke Ver¬
se uchnng eines Gutes im Kreise Gross-Strehlitz zurückzu führen, dessen ganzer
Bestand von 20 Pferden auf polizeiliche Anordnung getödtet wurde. Von 123
Pferden, welche 9 Besitzern im Kreise Beuthen gehörten und zum Verfahren von
Bergwerksproducten dienten, wurden 88 getödtet. Die Krankheit unter diesen
Pferdebeständen ist nicht nur längere Zeit vor der Constatirung verheimlicht
worden, sondern auch nach der letzteren wurde wiederholt versucht, erkrankte
Thiere der Untersuchung zu entziehen; in einigen Beständen hatte der Rotz
schon früher geherrscht, die Observation war jedoch 3 Monate nach dem letzten
Falle aufgehoben worden. In 13 anderen Kreisen des Regierungsbezirks kamen
ausserdem vereinzelte Rotzerkrankungen vor, sodass die Zahl der getödteten und
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140 Kleinere Mittheilungen.
gestorbenen Pferde im Ganzen 152 — etwa = */ 4 des Gesammtverlustes im
Staate — beträgt.
Die 11 in 4 Kreisen des Reg.-Bez. Magdeburg getödteten Pferde gehörten
7 fast durchweg kleinen Beständen an und waren zum grossen Theil kurze Zeit
vorher angekauft worden. Im Reg.-Bez. Merseburg kamen 8 Rotzfälle in 6 Be¬
ständen von zusammen 23 Pferden vor. In einem Gehöft waren zwischen dem
Erkranken des 2. und 3. Pferdes 20 Monate verflossen. Die beiden im Reg.-Bez.
Erfurt getödteten Pferde entfallen auf einen Bestand, welcher auch im Quartal
Januar-März ein Pferd verloren hatte.
Die Provinz Schleswig-Holstein, welche gewöhnlich nur wenig von der Rotz¬
krankheit zu leiden hat, verlor während des Berichtsquartals 12 Pferde, von denen
10 auf die Kreise Apenrade-Sonderburg entfallen, 5 gehörten einer Posthalterei
der letzteren an, es wird vermuthet, dass die Erkrankungen mit den während des
Jahres 1877 in einer benachbarten Posthalterei vorgekommenen noch in Zu¬
sammenhang gestanden haben.
Die 10 in den Landdr.-Bez. Hannover, Hildesheim und Lüneburg getödteten
Pferde gehörten 11 Beständen mit zusammen 25 Pferden an. Ebenso vereinzelt
blieben die 5 Rotzerkrankungen der Provinz Westfalen, ein Fall betraf das Pferd
eines umherziehenden Händlers aus dem Reg.-Bez. Trier. In Hessen - Nassau
wurden ein Pferd im Kreise Hanau, welches schon seit längerer Zeit gekränkelt
hatte und 5 zum Schiffeziehen benutzte Pferde in Frankfurt a. M. rotzkrank be¬
funden. Die 4 im Reg.-Bez. Koblenz getödteten und gefallenen Pferde bildeten
den gesammten Bestand von 3 Gehöften, von den 6 Rotzfällen im Reg.-Bez.
Düsseldorf betrafen 2 den Bestand einer Pferdebahngesellschafi; in einem Gehöft
des Kreises Solingen brach die Rotzkrankheit nach einem Zwischenraum von
8—9 Monaten zum zweiten Male aus. Die 7 Rotzfälle des Reg.-Bez. Köln ver¬
theilen sich auf 5 Gehöfte, welche zusammen 15 Pferde enthielten, in 2 Ge¬
höften der Stadt Bonn wurde die Rotzkrankheit bei 2 Pferden constatirt, welche
seit dem vorigen Quartal unter Observation standen, eines dieser Pferde hatte
während des Lebens keine verdächtigen Erscheinungen gezeigt. Unter den 11
im Reg.-Bez. Trier getödteten und gefallenen Pferden befanden sich 3 dem
seit lange verseuchten Bestände einer Kohlengrube gehörende, 3 zum Schiffe¬
ziehen auf der Saar benutzte und 3 Pferde eines Eisenbahnbau -Unternehmers.
Ein wegen unheilbarer Hufverletzung getödtetes Pferd der vorhin erwähnten
Kohlengrube erwies sich bei der Section mit veraltetem Lungenrotz behaftet,
dasselbe war zu Lebzeiten nicht verdächtig erschienen. Im Reg. - Bez. Aachen
wurde die Rotzkrankheit bei 3 Pferden beobachtet. Sämmtliche 5 Pferde eines
Bauern in den Hohenzollernschen Landen erwiesen sich rotzkrank.
Von den auf polizeiliche Anordnung getödteten Pferden entfallen:
27,25pCt. auf grössere Güter, 31.00pCt. auf kleinere ländliche undstädti-
sche Besitzungen, 34,75 pCt. auf Pferde, welche vorzugsweise zum Trans¬
port von Menschen oder Waaren benutzt werden, 7,00 pCt. auf Pferde,
deren Benutzung aus dem statistischen Material nicht zu erkennen ist.
Dieselben Verhältnisszahlen für die Provinzen Ostpreussen, Westpreussen,
Brandenburg (excl. Berlin), Pommern, Posen und Schlesien berechnet,
stellen sich auf 33,25, 28,85, 30,80 und 7,10 pCt.
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141
Zehn rotzkranke Pferde wurden auf Markten, 9 auf Rossschlächtereien er¬
mittelt, 31 waren kurze Zeit vor Constatirung der Rotzkrankheit angekauft
worden und 6 Ausbrüche der Rotxkraukheit sollen durch Infection der Pferde auf
Reisen unterweges erfolgt sein. Je ein rotzkrankes Pferd stammte aus Polen,
Russland, Hamburg und Belgien. Bei 36 auf polizeiliche Anordnung getödteten
Pferden = 7,27 pCt. wurde das Vorhandensein der Rotzkrankheit durch die
Section nicht bestätigt, davon entfallen 34 Pferde auf die verseuchten Bestände
in den Kreisen Beuthen und Gross-Strehlitz des Reg.-Bez. Oppeln.
Ein Fuhrhalter in Königsberg i. P., dessen sämmtliche 7 Pferde während
der beiden letzten Quartale rotzkrank befunden worden waren und ein Pferde¬
besitzer in Stannowitz. Kr. Ohlau, Reg.-Bez. Breslau, starben in Folge von Rotz-
infection.
5. Schafpocken. Die Schafpocken herrschten in 290 Gehöften, welche
sich auf 125 Ortschaften in 50 Kreisen vertheilen, von den 290 Gehöften sind
30 solche, in denen die Schutzimpfung der Lämmer, und 140 solche, in denen
wegen Herrschens der Seuche unter Heerden der Nachbarschaft die Praecautions-
impfung ausgeführt wurde. Ein Ausbruch der natürlichen Pocken ist mithin bei
120 Schafleständen beobachtet worden. Von den letzteren entfallen 46 auf die
Kreise des Landdr.-Bez. Lüneburg mit Ausschluss des Kreises Gifhorn. Die Seuche
scheint in diesem Bezirk meist vom Kreise Uelzen aus durch Handelsschafe verbreitet
worden zu sein. Ausserdem sind zahlreiche Ausbrüche dadurch vermittelt worden,
dass neu angekaufte Schafe in während des vorhergegangenen Winters verseucht
gewesene Gehöfte gelangten. Die beiden Ausbrüche der natürlichen Pocken im
Landdr.-Bez. Stade kamen in neu angekauften Heerden vor. Das Auftreten der
natürlichen Pocken in Schleswig-Holstein beschränkte sich auf eine Ortschaft des
Kreises Lauenburg, in welche die Seuche aus Mecklenburg eiDgeschleppt wurde.
Ausserdem wurden Pockenausbrüche in denjenigen Kreisen der Provinzen
Ostpreussen, Westpreussen, Brandenburg. Posen und des Reg.-Bez. Magdeburg,
in denen die Schutzimpfung gebräuchlich ist, beobachtet und zwar besonders
häufig in den Orten, wo die Schutzimpfung ausgeführt wurde, selbst oder in
deren Nachbarschaft. In einer grösseren Anzahl von Fällen erkrankten im Früh¬
jahr geborene Lämmer solcher Heerden, unter denen die Schafpocken im Herbst
und Winter v. J. geherrscht hatten, und es werden vielfach Beispiele angeführt,
aus denen hervorgeht, dass das Pockencontagium sich in verseucht gewesenen
Stallen 5 bis 6 Monate lang wirkangsfähig erhalten kann. Einzelne Ausbrüche
betrafen Heerden, welche während des vorigen Herbstes bei dem fast allgemeinen
Herrschen der Pocken verschont geblieben waren. Endlich hat das Durchtreiben
oder der Ankauf von Handelsschafen öfters Anlass zu dem Auftreten der Pocken
gegeben, welches im Reg.-Bez. Köslin auch mehrfach bei von gemeinschaftlichen
Weiden znrückgenommenen Schafen beobachtet würde.
6. Beschälausschlag der Pferde und des Rindviehes. Der Be-
schalanssohlag wurde bei einer grösseren Anzahl von Rindern in den Westerwald¬
kreisen des Reg.-Bez. Wiesbaden und im Reg.-Bez. Merseburg beobachtet, soll
auch im Reg.-Bez. Münster häufig herrschen, von den Landlenten jedoch kaum
beachtet werden. Einzelne Fälle kamen in Ostprenssen, Westpreussen, Bran-
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142
Kleinere Mitteilungen.
denburg, Pommern, Schlesien, Schleswig-Holstein, in der Rheinprovinz, sowie in
dem Reg.-Bez. Magdeburg und Kassel vor. Ausserdem wird über das seuchen-
hafte Herrschen des Beschäl au sschlages im Reg.-Bez. Erfurt berichtet, es bedarf
jedoch noch weiterer Aufklärung, ob die beschriebene Krankheit wirklich der Be¬
schälausschlag war. Der letztere wurde bei zusammen 27 Pferden beobachtet.
Ein Hengst übertrug den Beschälausschlag nach dem Decken einer kranken
Stute, ohne selbst zu erkranken, auf 5 andere Stuten.
Die Beschälseuche ist nicht beobachtet worden.
7. Räude der Pferde und Schafe. Von den 254 räudekrank be¬
fundenen Pferden — 235 weniger als im Quartal Januar/März — sind 17
gestorben, bez. auf Veranlassung der Besitzer, 12 auf polizeiliche Anordnung
getödtet worden. Die zahlreichsten Erkrankungen — etwa 50 pCt. — entfallen
auf Ostpreussen, die Räude kam dort vielfach bei neu angekauften Pferden vor
oder brach nach längeren Zwischenzeiten in früher verseucht gewesenen Be¬
ständen aus, gewann theilweise eine bedeutende Verbreitung in demselben Qehöft
und ist mehrfach auch von Pferden auf Menschen übertragen worden. Eine
grössere Anzahl von Räude fällen — zusammen 36 pCt. — wurde in West-
preussen, in den Reg.-Bez. Köslin, Posen, Breslau und Trier beobachtet, die
übrigen 14 pCt. vertheilen sich auf die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Potsdam,
Frankfurt, Berlin, Stettin, Bromberg, Liegnitz, Oppeln, Hannover, Hildesheim
und Koblenz.
Der Stand der Schafräude in den Provinzen Schleswig-Holstein und
Hannover ist fast unverändert geblieben, jedoch steht die Tilgung der Krankheit
unter den verseuchten Beständen in Schleswig-Holstein baldigst zu erwarten.
Die Berichte aus Westfalen und Hessen-Nassau erwähnen nur ganz im Allge¬
meinen , dass die Räude noch weit verbreitet in den sogenannten Schmierschäfe¬
reien herrscht.
Einzelne Ausbrüche der Schafräude wurden constatirt in den Kreisen:
Neidenburg, Osterode, Reg.-Bez. Königsberg, West-Havelland, Zauch-Belzig,
Reg.-Bez. Potsdam, Greifenberg, Saatzig, Reg.-Bez. Stettin, Neu-Stettin, Stolp,
Reg.-Bez. Köslin, Lauban, Reg.-Bez. Liegnitz, Wollmirstedt, Reg.-Bez. Magde¬
burg, und Sangerhausen, Reg.-Bez. Merseburg. Die Einschleppung durch an¬
gekaufte Schafe konnte meistens mit Sicherheit nachgewiesen werden. Der
Ausbruch im Kreise Lauban wurde dadurch bekannt, dass aus derselben Heerde
stammende Schafe sich auf dem Schlachtviehmarkt in Dresden räudekrank er¬
wiesen.
8. Tollwuth. Die Wuthkrankheit wurde constatirt bei 176 Hunden,
4 Pferden, 19 Stück Rindvieh, 15 Schafen, 1 Ziege und 4 Schweinen, ausser¬
dem sind 132 herrenlos umherechweifende wuthverdächtige und 495 Hunde nach
§.111 der Instruction getödtet worden. Die Fälle vertheilen sich auf 299 Ort¬
schaften in 130 Kreisen, die zahlreichsten betrafen den Reg.-Bez. Minden. Frei
von der Wuthkrankheit blieben die Reg.- bezw. Landdr.-Bez. Stralsund, Erfurt,
Lüneburg, Aurich, Aachen und Sigmaringen.
Bei den herrenlos umherschweifenden als wuthverdächtig getödteten Hunden
ist nur zum kleinen Theil eine Constatirung erfolgt, oder die Section lieferte
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Kleinere Mittheilungen.
143
nicht mit ausreichender Sicherheit den Nachweis von dem Vorhandensein der
Krankheit; die grössere Anzahl solcher Hunde in den Grenzkreison der Reg.-Bez.
Gumbinnen und Bromberg begründet die Vermuthung, dass die betreffenden
Hunde aus Polen übergelaufen waren.
Von sicher beobachteten Incubationszeiten werden je einmal erwähnt:
bei Pferden 44 (Fohlen) 47 Tage,
beim Rindvieh 28 (Kalb) 29 30 42 51. 132 Tage,
bei Schafen 20 Tage,
bei Schweinen 14 15 Tage,
bei Hunden 14 41. 41 Tage.
Ueber Erkrankungen von Menschen an Wasserscheu während des Berichts¬
quartals ist nichts bekannt geworden.
(Veröffentlichungen des Kais, deutschen Gesundheitsamtes.)
Das Uoflge Vorkommen der Trichinen bei Schweinen in den Ver-
einigten Staaten von Nordamerika.
Ein verhältnissmässig grosser Theil der aus den Vereinigten Staaten von
Nordamerika eingeführten Schinken und Speckseiten ist bekanntlich in Deutsch¬
land trichinös befunden worden, dagegen fehlten bisher statistische Angaben
über das Vorkommen von Trichinen bei in Amerika geschlachteten Schweinen.
Die im Berichte des Staats-Gesundheitsamtes von Massachusetts veröffentlichten
Mittbeilungen des Thierarztes Billings in Roxbury über die Resultate der von
ihm ausgeführten mikroskopischen Fleischbeschau dürften demgemäss von allge¬
meinem Interesse sein.
Billings untersuchte während einer Zeitdauer von fünf Monaten 2701
Schweine, welche in der Nähe von Boston geschlachtet worden waren und fand
bei 154 Schweinen, d. h. bei 5,77 pCt. oder bei 1 Schwein
von 17,54 Trichinen *).
Die untersuchten Schweine stammten aus verschiedenen Gegenden, zum
grössten Theil wohl aus den westlichen Staaten derünion; dieselben wurden nicht
aus bestimmten Heerden oder mit Rücksicht auf einen bestimmten Ursprungsort
ausgewählt, sondern genommen, wie sich gerade Zeit und Gelegenheit zur Unter¬
suchung darbot. Leider konnten von vielen Schweinen weder die Ursprungsorte,
noch die Fütterungs- und Haltungsverhältnisse, unter denen die Schweine bis
dahin gelebt hatten, genauer ermittelt werden.
Ausserdem untersuchte Billings 89 frisch gepökelte Schweinezungen, von
denen 3 Trichinen enthielten, welche, wie eine genauere Untersuchung nachwies,
todt waren.
Die Fütterungs- und Haltungsverhältnisse, unter denen die Schweine in den
l ) Im Laufe des Monats October 1880 sind in Berlin im Ganzen 18,520
Schweine auf das Vorhandensein von Trichinen von amtlich bestellten Fleisch¬
beschauern mikroskopisch untersucht worden. Hierbei wurden 11 Schweine —
nahezu 0,06 pCt. — trichinös befunden.
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144
Kleinere Mittheilungen.
westlichen Staaten der Union aufgezogen werden, sind bekanntlich bei Weitem na¬
turgemäßer, als in den Neuenglandstaaten, in denen die Schweine ähnlich wie in
Deutschland fast durchweg in — zura grossen Theil überdies sehr schlecht ein¬
gerichteten — Ställen gehalten werden. Es liegt auf der Hand, dass die unge¬
mein zahlreichen Fälle, in denen amerikanische Schinken und Speckseiten bei
den Untersuchungen in Deutschland und Grossbritannien trichinös befunden
wurden, und die nicht seltenen Beispiele, in denen Erkrankungen von Menschen
an Trichinosis auf den Genuss jener amerikanischen Schlachtwaaren zurückzu¬
führen waren, höchst nachtheilig auf den amerikanischen Export von Schweine¬
fleisch einwirken müssen ’). Amerika hat daher ein sehr grosses Interesse an der
Ermittelung deijenigen Gründe, welche zur Folge haben, dass Trichinen bei
Schweinen in den westlichen Staaten der Union trotz der viel naturgemässeren
Verhältnisse, unter denen diese Thiere leben, ungemein häufiger Vorkommen, als
bei den Schweinen in Deutschland, in welchem Lande die Schweine zum grossen
Theil in Ställen gehalten werden und nicht selten Gelegenheit finden, allorlei
Abfälle und Unrath zu verzehren.
Die Behauptung des Prof. Bollinger, dass die Schweine in den grossen
Exportschlächtereien der Vereinigten Staaten mit dem Abfall geschlachteter
Schweine gefüttert werden und hierdurch Gelegenheit finden, Trichinen aufzu¬
nehmen, beruht ganz bestimmt auf einen Irrthum. Ein derartiges Verfahren kommt
in den grossen Exportschlächtereien niemals, wohl aber in kleinen Schlächtereien,
welche Fleisch nur für den localen Bedarf liefern, ferner in den Fällen vor, in
denen Schweine für den Bedarf der eigenen Hauswirthschaft geschlachtet, und
muss allerdings als eine wesentliche Ursache der weiteren Verbreitung der Tri¬
chinen angesehen werden. Ausserdem verbleiben die Schweine in den grossen
Exportschlächtereien durchschnittlich 1 bis 3 Tage während der Sommer- und
1 bis 6 Tage während der Wintermonate, bis sie geschlachtet werden, und er¬
halten während dieser Zeit ausschliesslich Getreidekörner (com) als Futter.
Verf. theilt ferner die Resultate seiner Untersuchungen von Ratten mit.
Unter 51 auf der Abdeckerei in Boston gefangenen Ratten wurden 39 trichinös
befunden, dagegen erwiesen sich 28 auf derselben Abdeckerei gemästete Schweine
trichinenfrei. Die letzteren hatten nur solches Fleisch, welches bis zur Ent*
Ziehung aller Fettbestandtheile gekocht worden war, und ausserdem Mehl, dagegen
keine Abfälle irgend welcher Art aus der Stadt erhalten. Vierzig Ratten, welche
in einer grossen Exportschlächterei bei Boston gefangen worden waren, erwiesen
sich sämmtlich trichinös, dagegen enthielten unter 60 in verschiedenen Ställen
von Boston, in denen sicli keine Schweine befanden oder befunden hatten, ge¬
fangenen Ratten nur 6 Trichinen. Verf. glaubt, dass die Ratten durch die
Schweine und nicht die letzteren durch die Ratten inficirt werden. Da Trichinen
bei Schweinen und Ratten in Amerika sehr viel häufiger als bei denselben Thieren
in Deutschland gefunden werden, dürfte Amerika auch am ehesten Gelegenheit
bieten, um die wichtigen Fragen zu entscheiden: Ist die Infection der Schweine
*) Nach der Zählung vom Jahre 1870 werden in den Vereinigten Staaten
25,134,569 Schweine gehalten, nach der Zählung vom Jahre 1873 in Preussen
4,278,467 Schweine.
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Kleinere Mittheilungen.
145
durch Trichinen allein anf die Ratten zurückzuführen, and giebt es eine gemein¬
schaftliche Quelle, aus welcher nicht nur Schweine, sondern auch wild lebende
Thiere inficirt werden ?
Vereinzelte Erkrankungen von Menschen an Trichinosis sind in den Staaten
New York, Ohio, Michigan, Indiana, Jowa und in Philadelphia beobachtet worden.
In Dubuque, Jowa erkrankten nach dem Genüsse von rohem Schinken, der zu
Würsten verarbeitet war, 15 Menschen, von denen 5, in Aurora, Indiana, nach
dem Genüsse roher, geräucherter Würste 9 Menschen, von denen 3 starben. Im
Allgemeinen ist die Trichinosis bei Menschen jedoch eine seltene Krankheit und
ein epidemisches Auftreten der letzteren — ähnlich wie in Deutschland — wurde in
Amerika noch niemals beobachtet. Das Kochen, Pökeln und Räuchern des Schweine¬
fleisches in Amerika muss demgemäss wohl hinreichen, um die Trichinen, welche
in dem Fleisch enthalten sind, zu tödten und eine Infection der Menschen, welche
das Fleisch geniessen, zu verhindern. In der Nachbarschaft der grossen Export¬
schlächtereien bei Boston werden die Zwischenrippenmuskeln der geschlachteten
Schweine massenhaft an die Bevölkerung verkauft und von der letzteren genossen;
bisher ist jedoch, so viel bekannt, kein einziger Fall von Trichinosis bei Menschen,
welche dieses Fleisch gegessen hatten, vorgekommen. Die Fleischstücke sind
dünn und werden so vollständig durchgekocht, dass alle in denselben enthaltenen
Trichinen sicher getödtet werden müssen *). Müller.
Perforation des lagens durch Gastrns eqni. Von Kreisthierarzt Schiiepe
in Darkehmen.
Im 25. Jahrgange des Magazins für die gesammte Thierheilkunde, Berlin
1859, S. 412, habe ich den von mir beobachteten ersten „Beitrag zur Charak¬
teristik der Magenbremsenlarven beim Pferde“ veröffentlicht. Gerl ach hat in
seinem Handbuche der gerichtlichen Thierheilkunde, Berlin 1872, S. 658, auf
diesen Fall hingewiesen und ihn als einen „seltsamen“ bezeichnet.
Vor Kurzem habe ich einen zweiten, dem erwähnten ähnlichen Fall bei
einem Pferde constatiren können, wo der Magen durch Gastruslarven perforirt
und in Folge dessen eine Perigastritis adhaesiva entstanden war 1 ).
Am 2. Osterfeiertage 1S80 wurde ich aufgefordert, ein an Kolik leidendes
Pferd zu behandeln, welches am 15. December v. J. gekauft worden war, und
stets schlecht gefressen hatte.
Das Thier war schlecht genährt, schwitzte stark und entleerte häufig
*) Eine weitere Bestätigung der Bil lings’schen Mittheilungen über die
Haußgkeit der Trichinen bei Schweinen amerikanischen Ursprungs liefert folgende
Beobachtung: Auf dem Schlachtviehmarkt in Dresden wurden im October zum
Verkauf gestellt 91 angeblich aus Chicago eingeführto Schweine, von 88 ist als
Resultat der mikroskopischen Fleischbeschau bekannt, dass 14 dieser Schweine
= 16 pCt. Trichinen enthielten.
2 ) Vgl. auch Mittheilung von Roloff im Magazin für die gesammte Thier¬
heilkunde, 34. Jahrg. 2. Heft.
Archiv f. wissen seh. n. prakt. Thierheilk. VII. ln.2. 19
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146
Kleinere Mittheilungen.
breiige Facalmassen. Es zitterte heftig und war sehr unruhig. Der Bauch war
tympanitisch aufgetrieben. In der Minute konnte man 80 harte Pulse und 60
kurze Athemzüge nachweisen. Das Athmen war schnaufend und wurde unter
Stöhnen ausgeführt. Der Blick war ängstlich. In der Harnentleerung zeigten
sich keine Störungen.
Der Tod des Thieres trat noch an demselben Tage ein. Die gleich darauf
vorgenommene Obduction ergab folgenden Befund:
Aus der regelrecht geöffneten Bauchhöhle trat der mit Gasen stark ange-
fiillte, dunkelroth gefärbte Leerdarm hervor. Die Bauchhöhle enthielt 12 Liter
blutiger Flüssigkeit. Die Ausdehnung des Magens war eine beträchtliche und
durch Ansammlung von Futtermassen und Gasen bedingt. Um Platz zu ge¬
winnen, wurden Magen, Leber und Milz zunächst herausgeschnitten.
Hierbei zeigte sieb, dass der Magen mit dem linken Pfeiler des Zwerch¬
felles, mit der linken Niere, den letzten 4 Rippen und mit dem breiten Ende
der Milz in einer Fläche von Handgrösse fest verwachsen war. Die Verwachsungs¬
schichten waren so derb, dass sie mit dem Messer schwer durchschnitten werden
konnten. In denselben lag eine enteneigrosse Höhle, die mit dem Magen in
Verbindung stand und eine dickflüssige, übelriechende, schwarzgrau gefarbto
eiterähnliche Flüssigkeit, geronnene Massen (48,75 Grm. schwer) und Gastrus-
larven enthielt. Die, Höhle war länglich oval, 9—10 Ctin. lang und 6 Ctm. breit.
Die Wände derselben hatten eine schmutzig rothbraune Farbe und waren mit
warzigen Erhabenheiten besetzt. Die Zahl der in der Höhle enthaltenen Gastrus-
larven konnte nicht mit Sicherheit festgestellt werden, weil mehrere derselben
beim Loslösen der adhäsiven Verbindungen, wobei eine Eröffnung der Höhle
stattfand, verloren gegangen waren. Ihre Zahl dürfte 15 betragen haben. Die
Larven lebten und hatten eine auffallende Grösse. Sie zeigten namentlich einen
grösseren Umfang als die, welche noch ausserdem an der Portio cardiaca des
Magens bei demselben Pferde ermittelt wurden.
Die Oeffnung, durch welche die Höhle mit dem Magen communicirte, war
rundlich und hatte einen Durchmesser von 2 Ctm. Die mit Pflasterepithel be¬
setzte Abtheilung des Magens setzte in der Oeffnung scharf ab, und an sie
schloss sich die Höhlenwand, die in der Nähe der Oeffnung geröthet war.
Die Labdrüsenportion des Magens war etwas geschwollen und blass.
Leber, Milz, Bauchspeicheldrüse und Zwölffingerdarm zeigten keine auf¬
fallenden Veränderungen.
Der hintere Theil des Leerdarmes mit dem zugehörigen Theil des Gekröses
hatte sich in Spiralturen um den Hüftdarm gelegt. Aussen war der aufgerollte
Darm theil dunkelroth gefärbt und mit schwarzrothen Flecken besetzt. Die
Häute desselben, namentlich die Submucosa, waren serös blutig inflltrirt. Im
Darm fand sich eine blutige Flüssigkeit vor. Die Venen des sich anschliessenden
Gekröses waren stark angefüllt und zwischen den Blättern des letzteren lagen
kleinere und grössere blutige Herde.
Der Hüftdarm war zusammengezogen. Blind- und Grimmdarm waren nor¬
mal und mit Futtermassen schwach angefüllt. Auch der Mastdarm, der nur ein¬
zelne Kothballen enthielt, zeigte keine Abweichungen.
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Kleinere Mittheilungen.
147
Die Harnblase war leer, die Nieren waren frei von krankhaften Verände¬
rungen.
Kehlkopf and Luftröhre waren gesand. Die Langen waren blutreich und
feucht. Die Durchschnittsfläche liess einen spiegelnden Glanz erkennen, ln der
Pleura fanden sich mehrere blutige Flecke vor.
Der Herzbeutel enthielt etwas blutige Flüssigkeit. Im visceralen Blatte
desselben, besonders im Verlaufe der Herzfurchen, Hessen sich viele schwarzrothe
Flecke erkennen. Das Herz war normal gross. Die linke Hälfte desselben war
zusammengezogen und leer, die rechte dagegen ausgedehnt und mit flüssigem
Blute erfüllt. Unter dem Endocardium des linken Ventrikels zeigten sich blutige
Suggillationen.
An der Zunge, dem Pharynx und in der Nase wurden keine krankhaften
Zustände ermittelt.
Die Schädelhöhle und der Wirbelkanal sind nicht eröffnet worden.
Hieraus ergiebt sich, dass die am Leerdarme beobachteten krankhaften Zu¬
stände den Tod des Pferdes bedingt haben, und dass die Perforation des Magens
und die adhäsive Verbindung desselben mit den nachbarlichen Organen zwar
einen wichtigen, aber immerhin zufälligen Befund darstellen. Auch die an dem
Pferde beobachteten klinischen Erscheinungen dürften dem Resultate der Ob-
duction entsprechend, in zwei Abtheilungen getrennt werden. Der Vorbericht
lehrt, dass das Pferd in der zwischen der Uebergabe und dem Tode desselben
gelegenen Zeit stets schlecht gefressen hat und im Dienstgebräuche fast gar
nicht zu verwenden war. Wir haben ferner gesehen, dass es schlecht im Haar
und sehr abgemagert war. Mithin litt das Pferd an allgemeinen Ernährungs¬
störungen, die wahrscheinlich auf das am Magen festgestellte Leiden zu be¬
ziehen sind.
Für die Beurtheilung der Dauer des letzteren sind folgende Umstände von
Wichtigkeit. Es ist bekannt, dass die Magenbremse (Gastrophilus) von Juni bis
September im Freien herumfliegt und ihre Eier auf die Haut der Thiere absetzt.
In diesen Eiern entwickeln sich die jungen Larven, die von den Pferden meist
abgeleckt werden und in den Magen gelangen, um in der Schleimhaut desselben
sich festzuhaken. Hier verweilen die Larven circa */ A Jahre und bilden sich
zur Reife aus. Im nächsten Frühjahre verlassen die reifen Larven ihren Wohn¬
sitz, gelangen mit den Excrementen nach aussen, kriechen in die Erde und ver¬
puppen sich in 12 bis 24 Stunden, Die Puppenruhe dauert 30—40 Tage.
Nach Ablauf dieser Periode hat sich aus der Puppe die Fliege entwickelt, welche
die tonnenartige Kapsel sprengt und ausschwärmt.
Beachtet man nun, dass das Pferd am 2. Osterfeiertage 1880 (d.i. am 29.
März) gestorben und am 15. December 1879 gekauft worden ist, so kann unter
Berücksichtigung der eben besprochenen Entwickelungsgeschichte der Gastrus-
larven kein Zweifel darüber entstehen, dass sie bereits im Sommer 1879 von
dem in Rede stehenden Pferde aufgenommen worden sind. Fraglich bleibt nur,
wann diese Larven die am Magen beobachtete Perforation bedingt haben. Hier¬
über giebt der Obductionsbefund keinen vollen Aufschluss. Denn die Durch¬
bohrung des Magens, die in Folge derselben hervorgerufene feste Verbindung
desselben mit der Umgebung und die Eiterung in den adhäsiven Massen, stellen
10 *
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Kleinere Mittheilungen.
Veränderungen dar, die auch in einer kürzeren Zeit, als zwischen dem 15. De-
cember 1879 und dem 29. März 1880 liegt, ihre Entstehung finden können.
Wichtig ist aber, dass das Pferd vom Tage der Uebergabe bis zu dem am 29.
März 1880 erfolgten Tode schlecht gefressen hat. Hierdurch wird es sehr wahr¬
scheinlich gemacht, dass das Thier bereits vor dem 15. December 1879 mit
dem Leiden des Magens behaftet war.
Wenn nun auch nicht mit Sicherheit darzuthun ist, wann die Perforation
zu Stande gekommen ist und wenn selbst angenommen würde, dass sie erst nach
der Uebergabe entstanden sei, so ist doch zu berücksichtigen, dass der Zustand
des Magens nur dadurch möglich geworden, dass Theile seiner Schleimhaut Sitz
von Gastruslarven waren. Folglich sind letztere eine nothwendige Voraussetzung
für das Zustandekommen der Perforation etc. des Magens. Ob die Gastruslarven
eine solche Perforation bedingen werden oder nicht, hängt von unbekannten und
unvermeidlichen Ursachen ab. Nehmen wir daher die obige Voraussetzung als
zutreffend an, so steht doch fest, dass die Gastruslarven ohne jedes Versehen
Seitens des Käufers Ursache des Magenleidens geworden sind, und dass diese
Ursache bereits vor der Uebergabe bei dem in Rede stehenden Pferde vorhanden
gewesen ist.
Mag aber auch der Befund im Magen noch so wichtig und von hoher wissen¬
schaftlicher Bedeutung sein, so kann der Tod des Pferdes mit ihm nicht in Ver¬
bindung gebracht werden. Letzterer ist in Folge der am Leerdarm beobachteten
Abweichungen eingetreten, welche unabhängig von der Krankheit des Magens
sich ausgebildet und die bei dem Pferde beobachtete Kolik veranlasst haben.
Tnbercolose des Schläfenbeins bei einem Stiere, vom st&dtthierarzt Robert
Krebs in Zeitz.
Seit längerer Zeit hatte ein sechsjähriger, grosser, wohlgenährter circa
1900 Pfund schwerer Stier Symptome eines Hirnleidens gezeigt. Es konnte
gleichzeitig ein übelriechender Ausfluss aus dem linken Ohre beobachtet werden.
Der Tod trat unter Zunahme der an dem Thiere nachweisbaren Störungen des
Bewusstseins, der Bewegung und Empfindung ein. Bei der Section fand sich
Folgendes:
Das Thier war gut genährt. Die Lungen waren mit durchscheinenden
grauen Knötchen durchsetzt, die theils einzeln, theils zusammengehäuft lagen
und die den Charakter frischer Perlknötchen zeigten. Im Uebrigen war die
Lunge stark hyperämisch, die Schleimhaut der Trachea mit übelriechendem
Schleim und Schaum bedeckt und grünlichroth gefärbt.
Am linken Schläfenbein, am Keilbein und Hinterhauptsbein fand sich ein
ausgedehnter tuberculöser Process. Die genannten Knochen waren stellenweise
weich, ln den weichen Partien lagen die neugebildeten (perlsüchtigen) Gewebs-
massen. Die Neubildungen hatten in der Gegend des linken Schläfenbeines die
Dura mater perforirt und bedeckten in Form eines Fungus die innere Fläche der¬
selben. An der linken Seite des Gross- und Kleinhirns und der Medulla oblon-
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Kleinere Mittheilnngen. 149
gata hatten sich tiefe Eindrücke gebildet, in denen die bezeichneten Geschwulst¬
massen ihre Lage hatten.
Am Keilbein und Hinterhauptsbein lag eine zolldicke Schicht, die aus Perl¬
knoten bestand, unter der Dura mater. Der Felsentheil des Schläfenbeines war
fast gänzlich zerstört; die Bulla ossea und Paukenhöhle mit Neubildungsmassen
erfüllt. Dasselbe war auch an den Kanälen, welche im Schläfenbein liegen,
nachzuweisen.
Durch den Felsentheil des Schläfenbeins führte ein Fistelkanal, der im
äusseren Gehörgange anfing, bis in die Schädelhöhle. In der Nähe des Fistel¬
ganges war ein Zerfall der Geschwulstmassen zu erkennen und hierdurcli der bei
Lebzeiten des Thieres beobachtete stinkende Ausfluss zu erklären.
Die Pia mater des Gehirns enthielt zahlreiche, hirsekorngrosse, graue und
durchscheinende Perlknötchen.
Der Tod des Thieres war durch Septicaemie eingetreten.
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Amtliche Erlasse.
Gesetz, betr. die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen. Vom
22. Juni 1880.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von
Preussen etc.
verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundes¬
raths und des Reichstags, was folgt :
§ 1. Das nachstehende Gesetz regelt das Verfahren zur Abwehr und
Unterdrückung übertragbarer Seuchen der Hausthiere, mit Ausnahme der Rin¬
derpest.
Als verdächtige Thiere gelten im Sinne des Gesetzes:
Thiere, an welchen sich Erscheinungen zeigen, die den Ausbruch einer
übertragbaren Seuche befürchten lassen (der Seuche verdächtige
Thiere);
Thiere, an welchen sich solche Erscheinungen zwar nicht zeigen, rück-
sichtlich deren jedoch die Vermuthung vorliegt, dass sie den An¬
steckungsstoff aufgenommen haben (der Ansteckung verdächtige Thiere).
§ 2. Die Anordnung der Abwehr- und Unterdrückungsmassregeln und die
Leitung des Verfahrens liegt den Landesregierungen und deren Organen ob.
Zur Leitung des Verfahrens können besondere Commissare bestellt werden.
Die Mitwirkung der Thierärzte, welche vom Staate angestellt sind und oder
deren Anstellung vom Staate bestätigt ist (beamtete Thierärzte), richtet sich nach
den Vorschriften dieses Gesetzes. An Stelle derselben können im Falle ihrer Be¬
hinderung oder aus sonstigen dringenden Gründen andere apptobirte Thierärzte
zugezogen werden. Die letzteren sind innerhalb des ihnen ertheilten Auftrages
befugt und verpflichtet, diejenigen Amtsverrichtungen wahrzunehmen, welche in
diesem Gesetze den beamteten Thierärzten übertragen sind.
Die näheren Bestimmungen über das Verfahren, über die Zuständigkeit der
Behörden und Beamten und über die Bestreitung der durch das Verfahren ent¬
stehenden Kosten sind von den Einzelstaaten zu treffen.
§ 3. Rücksichtlich der Pferde und Proviantthiere, welche der Militärver¬
waltung angehören, bleiben die Massregeln zur Ermittelung und Unterdrückung
von Seuchen, soweit davon nur das Eigenthum dieser Verwaltung betroffen wird,
den Militärbehörden überlassen«
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Amtliche Erlasse.
151
Dieselben Befugnisse können den Vorständen der militärischen Remonte-
depots auch rücksichtlich der dazu gehörigen Rindvieh- und Schaf bestände,
sowie den Vorständen der landesherrlichen und Staatsgestüte rücksichtlich der
in diesen Gestüten aufgestellten Pferde von den Landesregierungen übertragen
werden.
In den beiden Fällen (Abs. 1 und 2) finden die ferneren Bestimmungen
des Gesetzes sinngemässe Anwendung.
Die Militärbehörden haben die Polizeibehörden der Garnison, der Cantonne-
ments und des Marschortes von dem Auftreten eines Seuchenverdachts und von
dem Ausbruch einer Seuche sofort zu benachrichtigen und von dem Verlauf sowie
dem Erlöschen der Seuche in Kenntniss zu setzen.
In gleicher Weise haben die Vorstände der bezeichneten Remontedepots und
Gestüte die Polizeibehörde des Orts zu verständigen, wenn ihnen die Massregeln
zur Ermittelung und Unterdrückung von Seuchen übertragen worden sind.
§ 4. Dem Reichskanzler liegt ob, die Ausführung dieses Gesetzes und der
auf Grund desselben erlassenen Anordnungen zu überwachen.
Tritt die Seuche in einer solchen Gegend des Reichsgebiets oder in solcher
Ausdehnung auf, dass von den zu ergreifenden Massregeln nothwendig die Ge¬
biete mehrerer Bundesstaaten betroffen werden müssen, so hat der Reichskanzler
oder ein von ihm bestellter Reichscommissar für Herstellung und Erhaltung der
Einheit in den Seitens der Landesbehörden zu treffenden oder getroffenen Mass¬
regeln zu sorgen und zu diesem Behuf das Erforderliche anzuordnen, nötigen¬
falls auch die Behörden der bethoiligten Bundesstaaten unmittelbar mit Anwei¬
sungen zu versehen.
§ 5. Die Behörden der Bundesstaaten sind verpflichtet, sich bei Ausfüh¬
rung der Massregeln zur Abwehr und Unterdrückung der Seuchen gegenseitig zu
unterstützen.
I. Abwehr der Einschleppung aus dem Auslande.
a. Einfuhr- und Verkehrsbeschränkungen.
§ 6. Die Einfuhr von Thieren, welche an einer übertragbaren Seuche
leiden, ist verboten.
§ 7. Wenn in dem Auslande eine übertragbare Seuche der Hausthiere in
einem für den inländischen Viehbestand bedrohlichen Umfange herrscht oder
ausbricht, so kann
1) die Einfuhr lebender oder todter Thiere aus dem von der Seuche heim¬
gesuchten Auslande allgemein oder für bestimmte Grenzstreckon ver¬
boten oder solchen Beschränkungen unterworfen werden, welche die
Gefahr einer Einschleppung ausschliessen oder vermindern;
2) der Verkehr mit Thieren im Grenzbezirk solchen Bestimmungen unter¬
worfen werden, welche geeignet sind, im Falle der Einschleppung einer
Weiterverbreitung der Seuche vorzubeugen.
Die Einfuhr- und Verkehrsbeschränkungen sind, soweit erforderlich, auch
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Amtliche Erlasse.
auf die Einfuhr von thierischen Rohstoffen und von allen solchen Gegenständen
auszudehnen, welche Träger des Ansteckungsstoffes sein können.
Von dem Erlass, der Aufhebung oder Veränderung einer Einfuhr- oder Ver-
kehrsbeschränkung ist unverzüglich dem Reichskanzler Mittheilung zu machen.
Die verfügten Einfuhr- oder Verkehrsbeschränkungen sind ohne Verzug
öffentlich bekannt zu machen.
b. Viehrevisionen.
§ 8. Gewinnt die Seuche in einem Nachbarlande eine bedrohliche Aus¬
dehnung, so kann für die Grenzbezirke eine Revision des vorhandenen Vieh¬
bestandes und eine regelmässige Controle über den Ab- und Zugang der durch
die Seuche gefährdeten Thiere angeordnet werden.
II. Unterdrückung der Viehseuchen im Inlande.
1) Allgemeine Vorschriften,
a. Anzeigepflicht.
§ 9. Der Besitzer von Haussieren ist verpflichtet, von dem Ausbruch
einer der in § 10 angeführten Seuchen unter seinem Viehstande und von allen
verdächtigen Erscheinungen bei demselben, welche den Ausbruch einer solchen
Krankheit befürchten lassen, sofort der Polizeibehörde Anzeige zu machen, auch
das Thier von Orten, an welchen die Gefahr der Ansteckung fremder Thiere be¬
steht, fern zu halten.
Die gleichen Pflichten liegen demjenigen ob, welcher in Vertretung des
Besitzers der Wirthschaft vorsteht, ferner bezüglich der auf dem Transport befind¬
lichen Thiere dem Begleiter derselben und bezüglich der in fremdem Gewahrsam
befindlichen Thiere dem Besitzer der betreffenden Gehöfte, Stallungen, Koppeln
oder Weiden.
Zur sofortigen Anzeige sind auch die Thierärzte und alle diejenigen Per¬
sonen verpflichtet, welche sich gewerbsmässig mit der Ausübung der Thierheil¬
kunde beschäftigen, ingleichen die Fleischbeschauer, sowie diejenigen, welche
gewerbsmässig mit der Beseitigung, Verwerthung oder Bearbeitung thierischer
Cadaver oder thierischer Bestandteile sich beschäftigen, wenn sie, bevor ein
polizeiliches Einschreiten stattgefunden hat, von dem Ausbruch einer der nach¬
benannten Seuchen oder von Erscheinungen unter dem Viehstande, welche den
Verdacht eines Seuchenausbruchs begründen, Konntniss erhalten.
§ 10. Die Seuchen, auf welche sich die Anzeigepflicht (§ 9) erstreckt,
sind folgende:
1) der Milzbrand;
2) der Tollwuth;
3) der Rotz (Wurm) der Pferde, Esel, Maulthiere und Maulesel;
4) die Maul- und Klauenseuche des Rindviehs, der Schafe, Ziegen und
Schweine;
5) die Lungenseuche des Rindviehs;
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Amtliche Erlasse.
153
6) die Pockenseuche der Schafe;
7) die Beschälseuche der Pferde und der Bläschenausschlag der Pferde
und des Rindviehs;
8) die Räude der Pferde, Esel. Maulthiere, Maulesel und der Schafe.
Der Reichskanzler ist befugt, die Anzeigepflicht vorübergehend auch für
andere Seuchen einzuführen.
§ 11. Die Landesregierungen sind ermächtigt, für solohe Bezirke, in wel¬
chen sich der Milzbrand ständig zeigt, von der Anzeigepilicht (§ 9) insoweit zu
entbinden, als die Seüche nur vereinzelt auftritt. In diesem Palle müssen die
Schutzmassregeln nach Massgate des Gesetzes und der Ausführungsinstruction
(§ 30) allgemein vorgeschrieben werden.
b. Ermittelung der Seuchenausbrüche.
§ 12. Die Polizeibehörde hat auf die erfolgte Anzeige (§§ 9 und 10),
oder wenn sie auf irgend einem andern Wege von dem Ausbruche einer Seuche
oder dem Verdachte eines Seuchenausbruchs Kenntniss erhalten hat, sofort den
beamteten Thierarzt behufs sachverständiger Ermittelung des Seuchenausbruchs
zuzuziehen (vergl. jedoch § 15). Der Thierarzt hat die Art, den Stand und die
Ursachen der Krankheit zu erheben und sein Gutachten darüber abzugeben, ob
durch den Befund der Ausbruch der Seuche festgestellt oder der Verdacht eines
Seuchenausbruchs begründet ist.
In eiligen Fällen kann derselbe schon vor polizeilichem Einschreiten die
sofortige vorläufige Einsperrung und Absonderung der erkrankten und verdäch¬
tigen Thiere, nötbigenfalls auch die Bewachung derselben anordnen. Die ge¬
troffenen vorläufigen Anordnungen sind dem Besitzer der Thiere oder dessen
Vertreter entweder zu Protokoll oder durch schriftliche Verfügung zu eröffnen,
auch ist davon der Polizeibehörde sofort Anzeige zu machen.
Auf Ersuchen des Thierarztes hat der Vorsteher des Seuchenorts die vor¬
läufige Bewachung der erkrankten Thiere zu veranlassen.
§ 13. Wenn über den Ausbruch einer Seuche nach dem Gutachten des
beamteten Thierarztes nur mittelst Zerlegung eines verdächtigen Thieres Ge¬
wissheit zu erlangen ist, so kann die Tödtung desselben von der Polizeibehörde
angeordnet werden.
§ 14. Auf die gutachtliche Erklärung des beamteten Thierarztes, dass der
Ausbruch der Seuche festgestellt sei, oder dass der begründete Verdacht eines
Seuchenausbruchs vorliege, hat die Polizeibehörde die für den Fall der Seuchen¬
gefahr in diesem Gesetze und den zur Ausführung desselben erlassenen Verord¬
nungen vorgesehenen, den Umständen nach erforderlichen Schutzmassregeln zu
treffen und für die Dauer der Gefahr wirksam durchzuführen. Hegt die Polizei¬
behörde Zweifel über die Erhebungen des beamteten Thierarztes, so kann dieselbe
zwar die Einziehung eines thierärztlichen Obergutachtens bei der Vorgesetzten
Behörde beantragen, die Anordnung der erforderlichen Schutzmassregeln darf
jedoch hierdurch keinen Aufschub erleiden.
§ 15. Ist der Ausbruch der Maul- und Klauenseuche (§10 Ziff. 4) durch
das Gutachten des beamteten Thierarztes festgestellt, so kann die Polizeibehörde
auf die Anzeige neuer Seuchenausbrüche in dem Seuchenorte selbst oder in
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Amtliche Erlasse.
dessen Umgegend sofort die erforderlichen polizeilichen Schutzmassregeln an¬
ordnen, ohne dass es einer nochmaligen Zuziehung des beamteten Thierarztes
bedarf.
Auch ist in solchen Bezirken, in welchen sich der Milzbrand ständig zeigt
(§ 11), die Zuziehung des beamteten Thierarztes nicht in jedem Falle dieser
Seuche erforderlich.
§ 16. In allen Fällen, in welchen dem beamteten Thierarzte die Fest¬
stellung des Krankheitszustandes eines verdächtigen Thieres obliegt, ist es dem
Besitzer desselben unbenommen, auch seinerseits einen approbirten Thierarzt zu
diesen Untersuchungen zuzuziehen. Die Anordnung und die Ausführung der
Schutzmassregeln wird hierdurch nicht aufgehalten.
Die Vorgesetzte Behörde hat jedoch im Falle erheblicher Meinungsverschie¬
denheit zwischen dem beamteten Thierarzte und dem von dem Besitzer zugezo¬
genen approbirten Thierarzte über den Ausbruch oder Verdacht einer Souche,
oder wenn aus sonstigen Gründen erhebliche Zweifel über die Richtigkeit der
Angaben des beamteten Thierarztes obwalten, sofort ein thierarztliches Obergut¬
achten einzuziehen und dem entsprechend das Verfahren zu regeln.
§ 17. Alle Vieh- und Pferdemärkte sollen durch beamtete Thierärzte be¬
aufsichtigt werden. Dieselbe Massregel kann auch auf die von Unternehmern,
behufs öffentlichen Verkaufs in öffentlichen oder privaten Räumlichkeiten zu¬
sammengebrachten Viehbestände, auf die zu Zuchtzwecken öffentlich aufgestellten
männlichen Zuchtthiere, auf öffentliche Thierschauen und auf die durch obrig¬
keitliche Anordnung veranlassten Zusammenziehungen von Pferde- und Vieh¬
beständen ausgedehnt werden. Der Thierarzt ist verpflichtet, alle von ihm auf
dem Markte oder unter den vorbezeichneten Pferde- und Viehbeständen beobach¬
teten Fälle übertragbarer Seuchen oder seuchenverdächtiger Erscheinungen so¬
gleich zur Kenntniss der Polizeibehörde zu bringen und nach sofortiger Unter¬
suchung des Falles die Anordnung der erforderlichen polizeilichen Schutzmass-
regoln zu beantragen.
Liegt Gefahr im Verzüge, so ist der Thierarzt befugt, schon vor polizei¬
lichem Einschreiten die Absonderung und Bewachung der erkrankten und der
verdächtigen Thiere anzuordnen.
c. Schutzmassregeln gegen Seuch enge fahr.
§ 18. Im Falle der Seuchengefahr (§ 14) und für die Dauer derselben
können, vorbehaltlich der in diesem Gesetze rücksichtlich einzelner Seuchen er-
theilten besonderen Vorschriften, je nach Lage des Falles und nach der Grösse
der Gefahr, unter Berücksichtigung der betheiligten Verkehrsinteressen die nach¬
folgenden Schutzmassregeln (§§ 19—29) polizeilich angeordnet werden.
Beschwerden des Besitzers über die von der Polizeibehörde angeordnoten
Schutzmassregeln haben keine aufschiebende Wirkung.
§ 19. 1) Die Absonderung, Bewachung oder polizeiliche Beobachtung der
an der Seuche erkrankten und der verdächtigen Thiere.
Der Besitzer eines der Absonderung oder polizeilichen Beobachtung unter¬
worfenen Thieres ist verpflichtet, auf Erfordern solche Einrichtungen zu treffon,
dass das Thier für die Dauer der Absonderung oder Beobachtung die für dasselbe
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bestimmte Räumlichkeit (Stall, Standort, Hof- oder Weideraum u. s. w.) nicht
verlassen kann und ausser aller Berührung und Gemeinschaft mit anderen Thieren
bleibt.
§ 20. 2) Beschränkungen in der Art der Benutzung, der Yerwerthung oder
des Transports kranker oder verdächtiger Thiere, der von denselben stammenden
Produkte oder solcher Gegenstände, welche mit kranken oder verdächtigen Thieren
in Berührung gekommen oder sonst geeignet sind, die Seuche zu verschleppen.
Beschränkungen im Transport der der Seuchengefahr ausgesetzten und
solcher Thiere, welche geeignet sind, die Seuche zu verschleppen.
§ 21. 3) Verbot des gemeinschaftlichen Weideganges von Thieren aus
verschiedenen Stallungen und der Benutzung bestimmter Weideflächen, ferner der
gemeinschaftlichen Benutzung von Brunnen, Tränken und Schwemmen und des
Verkehrs mit seuchenkranken oder verdächtigen Thieren auf öffentlichen oder ge¬
meinschaftlichen Strassen und Triften.
Verbot des freien Umherlaufens der Hunde.
§ 22. 4) Die Sperre des Stalles oder sonstigen Standortes seuchenkranker
oder verdächtiger Thiere, des Gehöfts, des Orts, der Weide oder der Feldmark
gegen den Verkehr mit Thieren und mit solchen Gegenständen, welche Träger
des Ansteckungsstoffes sein können.
Die Sperre des Gehöfts, des Orts, der Weide oder der Feldmark darf erst
dann verfügt werden, wenn der Ausbruch der Seuche durch das Gutachten des
beamteten Thierarztes festgestellt ist.
Die Sperre eines Orts oder einer Feldmark ist nur dann zulässig, wenn die
Seuche ihrer Beschaffenheit nach eine grössere und allgemeinere Gefahr ein-
schliesst, und Thiere in grösserer Zahl davon bereits befallen sind. Die Sperre
kann auf einzelne Strassen oder Theile des Orts oder der Feldmark beschränkt
werden.
Die polizeilich angeordnete Sperre eines Stalles oder sonstigen Standorts,
eines Gehöfts oder einer Weide verpflichtet den Besitzer, diejenigen Einrichtungen
zu treffen, welohe zur wirksamen Durchführung der Sperre vorgeschrioben werden.
§ 23. 5) Die Impfung der der Seuchengefahr ausgesetzten Thiere, die
thierärztliche Behandlung der erkrankten Thiere, sowie Beschränkungen in der
Befugniss zur Vornahme von Heilversuchen.
Die Impfung oder die thierärztliche Behandlung darf nur in den Fällen an¬
geordnet werden, welche in diesem Gesetze ausdrücklich bezeichnet sind, und
zwar nach Massgabe der daselbst ertheilten näheren Vorschriften.
Die polizeilich angeordnete Impfung erfolgt unter Aufsicht des beamteten
Thierarztes oder durch denselben. *
§ 24. 6) Die Tödtung der an der Seuche erkrankten oder verdächtigen
Thiere.
Dieselbe darf nur in den Fällen angeordnet werden, welche in diesem Ge¬
setze ausdrücklich vorgesehen sind.
Die Vorschrift unverzüglicher Tödtung der an einer Seuche erkrankten oder
verdächtigen Thiere findet, wo sie in diesem Gesetze enthalten ist, keine Anwen¬
dung auf solche Thiere, welche einer der Staatsaufsicht unterworfenen höheren
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Amtliche Erlasse.
Lehranstalt übergeben sind, um dort für die Zwecke derselben verwendet zu
werden.
§ 25. Werden Thiere, welche bestimmten Verkehrs- oder Nutzungs¬
beschränkungen oder der Absperrung unterworfen sind, in verbotwidriger Be¬
nutzung oder ausserhalb der ihnen angewiesenen Räumlichkeit, oder an Orten,
zu welchen ihr Zutritt verboten ist, betroffen, so kann die Polizeibehörde die so¬
fortige Tödtung derselben anordnen.
§ 2G. 7) Die unschädliche Beseitigung der Cadaver solcher Thiere,
welche an der Seuche verendet, in Folge der Seuche oder in Folge des Verdachts
getödtet sind, und solcher Theile des Cadavers kranker oder verdächtiger Thiere,
welche zur Verschleppung der Seuche geeignet sind (Fleisch, Häute, Eingeweide,
Hörner, Klauen u. s. w.), endlich der Streu, des Düngers oder anderer Abfälle
kranker oder verdächtiger Thiere.
§ 27. 8) Die Unschädlichmachung (Desinfection) der von den kranken
oder verdächtigen Thieren benutzten Ställe und Standorte und die Unschädlich¬
machung oder unschädliche Beseitigung der mit denselben in Berührung ge¬
kommenen Geräthschaften und sonstigen Gegenstände, insbesondere auch der
Kleidungsstücke solcher Personen, welche mit den kranken Thieren in Berührung
gekommen sind.
Erforderlichenfalls kann auch die Desinficirung der Personen, welche mit
seuchenkranken Thieren in Berührung gekommen sind, angeordnet werden.
Die Durchführung dieser Massregeln muss nach Anordnung des beamteten
Thierarztes und unter polizeilicher Ueberwachung erfolgen.
§ 28. 9) Die Einstellung der Vieh- und Pferdemärkte, sowie der öffent¬
lichen Thierschauen innerhalb des Seuchenortes oder dessen Umgegend oder der
Ausschluss einzelner Viehgattungen von der Benutzung der Märkte.
§ 29. 10) Die thierärztliche Untersuchung der am Seuchenorte oder in
dessen Umgegend vorhandenen, von der Seuche gefährdeten Thiere.
2) Besondere Vorschriften für einzelne Seuchen.
§ 30. Die näheren Vorschriften über die Anwendung und Ausführung der
zulässigen Schutzmassregeln (§§ 19 bis 29) auf die nachbenannten und alle
übrigen einzelnen Seuchen werden von dem Bundesrath auf dem Wege der In¬
struction erlassen.
Es sollen jedoch bei den hierunter benannten Seuchen, vorbehaltlich der
weiter erforderlichen Schutzmassregeln, nachfolgende besondere Vorschriften
Platz greifen.
a. Milzbrand.
§ 31. Thiere, welche am Milzbrände erkrankt oder dieser Seuche ver¬
dächtig sind, dürfen nicht geschlachtet werden.
§ 32. Die Vornahme blutiger Operationen an milzbrandkranken oder der
Seuche verdächtigen Thieren ist nur approbirten Thierärzten gestattet.
Eine Oeffnung des Cadavers darf ohne polizeiliche Erlaubniss nur von
approbirten Thierärzten vorgenommen werden.
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Amtliche Erlasse.
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§ 33. Die Cadaver gefallener oder getödteter milzbracdkranker oder der
Seuche verdächtiger Thiere müssen sofort unschädlich beseitigt werden.
Die Abhäntnng derselben ist verboten.
Die gleichen Vorschriften finden beim Ausbruche des Milzbrandes unter
Wildständen auf die Cadaver des gefallenen oder getödteten Wildes Anwendung.
b. Toliwuth.
§ 34. Hunde oder sonstige Hausthiere, welche der Seuche verdächtig sind,
müssen von dem Besitzer oder demjenigen, unter dessen Aufsicht sie stehen, so¬
fort getödtet oder bis zu polizeilichem Einschreiten in einem sicheren Behältnisse
eingesperrt werden.
§ 35. Vor polizeilichem Einschreiten dürfen bei wuthkranken oder der
Seuche verdächtigen Thieren keinerlei Heilversuche angestellt werden.
§ 36. Das Schlachten wuthkranker oder der Seuche verdächtiger Thiere
und jeder Verkauf oder Verbrauch einzelner Theile, der Milch oder sonstiger Er¬
zeugnisse derselben ist verboten.
§ 37. Ist die Toliwuth an einem Hunde oder an einem anderen Hausthiere
festgestellt, so ist die sofortige Tödtung des wuthkranken Thieres und aller der¬
jenigen Hunde und Katzen anzuordnen, rücksichtlich welcher der Verdacht vor¬
liegt, dass sie von dem wuthkranken Thiere gebissen sind.
Liegt rücksichtlich anderer Hausthiere der gleiche Verdacht vor, so müssen
dieselben sofort der polizeilichen Beobachtung unterworfen werden.
Zeigen sich Spuren der Toliwuth an denselben, so ist die sofortige Tödtung
auch dieser Thiere anzuordnen.
Ausnahmsweise kann die mindestens dreimonatliche Absperrung eines der
Toliwuth verdächtigen Hundes gestattet werden, sofern dieselbe nach dem Er¬
messen der Polizeibehörde mit genügender Sicherheit durchzuführen ist, und der
Besitzer des Hundes die daraus und aus der polizeilichen Ueberwachung er¬
wachsenden Lasten trägt.
§ 38. Ist ein wuthkranker oder der Seuche verdächtiger Hund frei umher¬
gelaufen , so muss für die Dauer der Gefahr die Festlegung aller in dem gefähr¬
deten Bezirke vorhandenen Hunde polizeilich angeordnet werden. Der Fest¬
legung ist das Führen der mit einem sichern Maulkorbe versehenen Hunde an der
Leine gleich zu erachten. Wenn Hunde dieser Vorschrift zuwider frei umher¬
laufend betroffen werden, so kann deren sofortige Tödtung polizeilich angeordnet
werden.
§ 39. Die Cadaver der gefallenen oder getödteten wuthkranken oder der
Seuche verdächtigen Thiere müssen sofort unschädlich beseitigt werden.
Das Abhäuten derselben ist verboten.
c. Rotz (Wurm) der Pferde, Esel, Maulthiere und Maulesel.
§ 40. Sobald der Rotz (Wurm) bei Thieren festgestellt ist, muss die un¬
verzügliche Tödtung derselben polizeilich angeordnet werden.
§ 41. Verdächtige Thiere unterliegen der Absonderung und polizeilichen
Beobachtung mit den nach Lage des Falles erforderlichen Verkehrs- und Nutzungs¬
beschränkungen oder der Sperre (§§ 19 bis 22).
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Amtliche Erlasse.
§ 42. Die Tödtung verdächtiger Thiere muss von der Polizeibehörde an¬
geordnet werden,
wenn von dem beamteten Thierarzte der Ausbruch der Rotzkrankheit auf
Grund der vorliegenden Anzeigen für wahrscheinlich erklärt wird,
oder
wenn durch anderweite, den Vorschriften dieses Gesetzes entsprechende
Massregeln ein wirksamer Schutz gegen die Verbreitung der Seuche
nach Lage des Falles nicht erzielt werden kann, oder
wenn der Besitzer die Tödtung beantragt, und die beschleunigte Unter¬
drückung der Seuche im öffentlichem Interesse erforderlich ist.
§ 43. Die Cadaver gefallener oder getödteter rotzkranker Thiere müssen
sofort unschädlich beseitigt werden.
Das Abhäuten derselben ist verboten.
§ 44. Die Polizeibehörde hat von jedem ersten Seuchenverdacht und von
jedem ersten Seuchenausbruche in einer Ortschaft, sowie von dem Verlaufe und
von dem Erlöschen der Seuche dem General-Commando desjenigen Armee-Corps,
in dessen Bezirk der Seuchenort liegt, sofort schriftlich Mittheilung zu machen.
Befindet sich an dem Seuchenorte eine Garnison, so ist die Mittheilung dem
Gouverneur, Commandanten oder Garnisonältesten zu machen.
d. Lungenseuche des Rindviehs.
§ 45. Die Polizeibehörde hat die Tödtung der nach dem Gutachten des
beamteten Thierarztes an der Lungenseuche erkrankten Thiere anzuordnen und
kann auch die Tödtung verdächtiger Thiere anordnen.
e. Pockenseuche der Schafe.
§ 46. Ist die Pockenseuche in einer Schafheerde festgestellt, so muss
die Impfung aller zur Zeit noch seuchenfreien Stücke der Heerde angeordnet
werden.
Auf den Antrag des Besitzers der Heerde oder dessen Vertreters kann für
die Vornahme der Impfung eine Frist gewährt werden, wenn nach dem Gut¬
achten des beamteten Thierarztes die sofortige Impfung nicht zweckmässig ist.
Auch kann auf den Antrag des Besitzers oder dessen Vertreters von der
Anwendung der Impfung ganz Abstand genommen werden, sofern Massregeln
getroffen sind, welche die Abschlachtung der noch seuchenfreien Stücke der
Heerde innerhalb 10 Tagen nach Feststellung des Seuchenausbruchs sichern.
§ 47. Gewinnt die Seuche eine grössere Ausdehnung oder ist nach den
örtlichen Verhältnissen die Gefahr einer Verschleppung der Seuche in die benach¬
barten Schafheerden nicht auszuschliessen, so kann die Impfung der von der
Seuche bedrohten Heerden und aller in demselben Orte befindlichen Schafe
polizeilich angeordnet werden.
§ 48. Die geimpften Schafe sind rücksichtlich der polizeilichen Schutz-
massregeln den pockenkranken gleich zu behandeln.
§ 49. Ausser in dem Falle polizeilicher Anordnung (§§ 46 und 47) darf
eine Pockenimpfung der Schafe nicht vorgenommen werden.
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f. Beschälseuche der Pferde und Bläschenausschlag der Pferde und des
Rindviehs.
§ 50. Pferde, welche an der Beschälseuche, uud Pferde oder Rindvieh-
stacke, welche an dem Bläschen ausschlage der Geschlechtstheile leiden, dürfen
von dem Besitzer so lange nicht zur Begattung zugelassen werden, als nicht
durch den beamteten Thierarzt die vollständige Heilung und Unverdächtigkeit
der Thiere festgestellt ist.
§ 51. Tritt die Beschälseuche in einem Bezirke in grösserer Ausdehnung
aaf. so kann die Zulassung der Pferde zur Begattung für die Dauer der Gefahr
allgemein von einer vorgängigen Untersuchung derselben durch den beamteten
Thierarzt abhängig gemacht werden.
g. Räude der Pferde, Esel, Maulthiere, Maulesel und der Schafe.
§ 52. Wird die Räudekrankheit bei Pferden, Eseln, Maulthieren, Maul¬
eseln (Sarcoptes- oder Dermatocoptes-Räude) oder Schafen (Dermatocoptes-Räude)
festgestellt, so kann der Besitzer, wenn er nicht die Tödtung der räudekranken
Thiere vorzieht, angehalten werden, dieselben sofort dom Heilverfahren eines
approbirten Thierarztes zu unterwerfen.
3) Besondere Vorschriften für Schlachtviehhöfe und öffentliche
Schlachthäuser.
§ 53. Auf die einer geregelten veterinärpolizeilichen Controle unterstell¬
ten Schlachtviehhöfe und öffentlichen Schlachthäuser und das daselbst aufgestallte
Schlachtvieh finden die vorstehenden Bestimmungen dieses Gesetzes mit denjeni¬
gen Aenderungen Anwendung, welche sich aus den nachfolgenden besonderen
Vorschriften ergeben.
§ 54. Wird unter dem daselbst aufgestellten Schlachtvieh der Ausbruch
einer übertragbaren Seuche ermittelt, oder zeigen sich Erscheinungen bei dem¬
selben, welche nach dem Gutachten des beamteten Thierarztes den Ausbruch
einer solchen Seuche befürchten lassen, so sind die erkrankten und alle verdäch¬
tigen Thiere sofort in polizeiliche Verwahrung zu nehmen und von jeder Berüh¬
rung mit den übrigen auszuschliessen.
§ 55. Soweit die Art der Krankheit es gestattet (vergl. §§ 31, 3G, 43),
kann der Besitzer des erkrankten oder verdächtigen Schlachtviehs oder dessen
Vertreter angehalten werden, die sofortige Abschlachtung desselben unter Auf¬
sicht des beamteten Thierarztes in den dazu bestimmten Räumen vorzunebmen.
Diese Massregel kann in dringenden Fällen auf alles andere, in der betref¬
fenden Räumlickkeit vorhandene, für die Seuche empfängliche Schlachtvieh aus¬
gedehnt werden.
§ 56. Nach Feststellung des Seuchenausbruchs können Schlachtviehhöfe
oder öffentliche Schlachthäuser für die Dauer der Seuchengefahr gegen den Ab¬
trieb der für die Seuche empfänglichen Thiere abgesperrt werden.
Strengere Absperrungsmassregeln dürfen nur in dringenden Fällen ange¬
wendet werden.
4) Entschädigung für getödtete Thiere.
§ 57. Für die auf polizeiliche Anordnung getödteten oder nach dieser
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Amtliche Erlasse.
Anordnung an der Seuche gefallenen Thiere muss vorbehaltlich der in diesem
Gesetze bezeichneten Ausnahmen eine Entschädigung gewährt werden.
§ 58. Die Bestimmungen darüber:
1) von wem die Entschädigung zu gewähren und wie dieselbe aufzubrin¬
gen ist,
2) wie die Entschädigung im einzelnen Falle zu ermitteln und festzu¬
stellen ist,
sind von den Einzelstaaten zu treffen.
Die in dieser Hinsicht in den Einzelstaaten bereits bestehenden Vorschriften
bleiben unberührt. Insoweit solche Vorschriften nicht entgegenstehen, sind die
Landesregierungen befugt, zu bestimmen, dass die Entschädigung für getödtete
Pferde und Rinder bis zum Eintritt einer anderweiten landesverfassungsmässigen
Regelung durch Beiträge der Besitzer von Pferden und Rindvieh nach Massgabe
der über die Vertheilung und Erhebung der Beiträge von der Landesregierung zu
treffenden näheren Anordnung aufgebracht werden.
In allen Fällen sollen jedoch die Vorschriften der §§ 59 bis 64 dieses Ge¬
setzes dabei massgebend sein.
§ 59. Als Entschädigung soll der gemeine Werth des Thieres gewährt
werden, ohne Rücksicht auf den Minderwerth, welchen das Thier dadurch erleidet,
dass es mit der Seuche behaftet ist. Bei den mit der Rotzkrankheit behafteten
Thieren hat jedoch die Entschädigung */ v bei dem mit der Lungenseuche behaf¬
teten Rindvieh 4 / 5 des so berechneten Werthes zu betragen.
Auf die zu leistende Entschädigung werden angerechnet:
1) die aus Privatverträgen zahlbare Versicherungssumme, und zwar bei
Rotz zu drei Vierteln, bei Lungenseuche zu vier Fünfteln, in allen
anderen Fällen zum vollen Betrage;
2) der Werth derjenigen Theile des getödteten Thieres, welche dem Be¬
sitzer nach Massgabe der polizeilichen Anordnungen zur Verfügung
bleiben.
§ 60. Die zu leistende Entschädigung wird, sofern ein anderer Berech¬
tigter nicht bekannt ist, demjenigen gezahlt, in dessen Gewahrsam oder Obhut
sich das Thier zur Zeit der Tödtung befand.
Mit dieser Zahlung ist jeder Entschädigungsanspruch Dritter erloschen.
§ 61. Keine Entschädigung wird gewährt:
1) für Thiere, welche dem Reich, den Einzelstaaten oder zu den landes¬
herrlichen Gestüton gehören;
2) für Thiere, welche, der Vorschrift des § 6 zuwider, mit der Krankheit
behaftet in das Reichsgebiet eingeführt sind;
3) für Thiere, bei welchen nach ihrer Einführung in das Reichsgebiet in¬
nerhalb 90 Tagen die Rotzkrankheit oder innerhalb 180 Tagen die
Lungenseuche festgestellt wird, wenn nicht der Nachweis erbracht wird,
dass die Ansteckung der Thiere erst nach Einführung derselben in das
Reichsgebiet stattgefunden hat.
§ 62. Die Gewährung einer Entschädigung kann versagt werden:
1) für Thiere, welche mit einer ihrer Art oder dem Grade nach unheil-
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Amtliche Erlasse.
161
baren und unbedingt tödtlichen Krankheit, mit Ausnahme jedoch des
Rotzes und der Lungenseuche, behaftet waren;
2) für das in Schlachtviehhöfen oder in öffentlichen Schlachthäusern auf¬
gestellte, auf polizeiliche Anordnung geschlachtete oder getödtete
Schlachtvieh;
3) für Hunde und Katzen, welche aus Anlass der Tollwuth getödtet sind
(§§ 34, 37 Abs. 1, 38).
§ 63. Der Anspruch auf Entschädigung fällt weg:
1) wenn der Besitzer der Thiere oder der Vorsteher der Wirtschaft, wel¬
cher die Thiere angehören, vorsätzlich oder fahrlässig, oder der Be¬
gleiter der auf dem Transport befindlichen Thiere, oder bezüglich der
in fremdem Gewahrsam befindlichen Thiere, der Besitzer des Gehöfts,
der Stallung, Koppel oder Weide vorsätzlich, den Vorschriften der
§§ 9 und 10 zuwider, die Anzeige vom Ausbruch der Seuche oder vom
Seuchenverdacht unterlässt, oder länger als 24 Stunden nach erhalte¬
ner Kenntniss verzögert;
2) wenn der Besitzer eines der Thiere mit der Seuche behaftet gekauft
oder durch ein anderes Rechtsgeschäft unter Lebenden erworben hat
und von diesem kranken Zustande beim Erwerbe des Thieres Kennt¬
niss hatte;
3) im Falle des § 25, oder wenn dem Besitzer oder dessen Vertreter die
Nichtbefolgung oder Uebertretung der polizeilich angeordneten Schutz-
massregeln zur Abwehr der Seuchengefahr zur Last fällt.
§ 64. Wenn zur Bestreitung der Entschädigungen Beiträge nach Mass-
gabe des vorhandenen Pferde- und Rindviehbestandes erhoben werden, dürfen
diese Beitrage für Thiere, welche dem Reich, den landesherrlichen Gestüten
gehören, und im Falle des § 62 No. 2 für das in Schlachthöfen und in öffent¬
lichen Schlachthäusern aufgestellte Schlachtvieh nicht beansprucht werden.
III. Srafvorschriften.
§ 65. Mit Geldstrafe von 10 bis 150 Mark oder mit Haft nicht unter einer
Woche wird, sofern nicht nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eine
höhere Strafe verwirkt ist, bestraft:
1) wer der Vorschrift des § 6 zuwider Thiere einführt, welche an einer
übertragbaren Seuche leiden.
Neben der Strafe ist auf Einziehung der verbotswidrig eingeführten
Thiere zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem Verurtheilten ge¬
hören oder nicht.
2) wer der Vorschrift der §§ 9 und 10 zuwider die Anzeige vom Aus¬
bruch der Seuche oder vom Seuchenverdacht unterlässt, oder länger
als 24 Stunden nach erhaltener Kenntniss verzögert, oder es unterlässt,
die verdächtigen Thiere von Orten, an welchen die Gefahr der An¬
steckung fremder Thiere besteht, fern zu halten;
3) wer den Vorschriften der §§31 bis 33 zuwider an Milzbrand erkrankte
oder der Krankheit verdächtige Thiere schlachtet, blutige Operationen
an denselben vornimmt, oder die Cadaver derselben abhäutet oder vor-
Jurehiv f. wlfMQteh. u. pr&kt. TMerheiUc. VH. 1 u.2. 11
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162
Amtliche Erlasse.
schriftswidrig eine Oeffnung derselben vornimmt, oder es unterlässt,
dieselben sofort unschädlich zu beseitigen;
4) wer den zum Schutze gegen die Tollwuth der Hausthiere in den §§ 34,
35, 36 und 39 ertheilten Vorschriften zuwiderhandelt;
5) wer den Vorschriften im § 43 zuwider die Cadaver gefallener oder
getödteter rotzkranker Thiere abhäutet oder nicht sofort unschädlich
beseitigt;
6) wer ausser dem Falle polizeilicher Anordnung die Pockenimpfung eines
Schafes vornimmt;
7) wer gegen die Vorschrift des § 50 Pferde, welche an der Beschäl¬
seuche, Pferde oder Viehstücke, welche an dem Bläschenauschlage der
Geschlechtstheile leiden, zur Begattung zulässt.
§ 66. Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird, sofern nicht
nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt
ist, bestraft:
1) wer den auf Grund des § 7 dieses Gesetzes angeordneten Einfuhr¬
beschränkungen zuwiderhandelt.
Neben der Strafe ist auf Einziehung der verbotswidrig eingeführten
Thiere oder Gegenstände zu erkennen, ohne Unterschied, ob sie dem
Verurtheilten gehören oder nicht.
2) wer den auf Grund des § 8 dieses Gesetzes polizeilich angeordneten
Controlmassregeln zuwiderhandolt;
3) wer den in den Fällen des § 12 Absatz 2 und des § 17 Absatz 2
von dem Thierarzte getroffenen vorläufigen Anordnungen zuwider¬
handelt;
4) wer den im Falle einer Seuchengefahr polizeilich angeordneten Schutz-
massregeln (§§ 19 bis 28, 38, 51) zuwiderhandelt.
§ 67. Sind in den Fällen der §§ 65, 66 die Zuwiderhandlungen in der
Absicht begangen, sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil za
verschaffen oder einem Anderen Schaden zazufügen, so tritt, sofern nicht
nach den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen eine höhere Strafe verwirkt
ist, Geldstrafe nicht unter 50 bis zu 150 Mark oder Haft nicht unter drei
Wochen ein.
IV. Schlussbestimmungen.
§ 68. Das Gesetz, betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei
Viehbeförderungen auf Eisenbahnen, vom 25. Februar 1876 (Reichs-Gesetzblatt
S. 163) wird durch das gegenwärtige Gesetz nicht berührt.
§ 69. Dieses Gesetz tritt mit dem 1. April 1881 in Kraft.
Urkundlich unter Unser Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedruck¬
tem Kaiserlichen Insiegel.
Gegeben Bad Ems, den 23. Juni 1880.
(L. S.) Wilhelm.
v. Bismarck.
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Personal-Notizen.
Ernennungen and Verletzungen.
Der Departements- und Kreisthierarzt Carl Fr. Alb. Steffen in Stettin
zum Veterinair-Assessor bei dem Köngl. Medicinal-Collegium der Prov. Pommern.
Der Departements- und Kreisthierarzt Johann Theodor Hermann Zim¬
mermann in Bromberg, unter Entbindung von seinen gegenwärtigen Aem-
tern zum Departementsthierarzt für den Regierungs-Bezirk Frankfurt a. 0.,
sowie zum Kreisthierarzt des Stadtkreises Frankfurt a. 0. und des Kreises West-
Sternberg.
Der Thierarzt Franz Rudolf Gröning in Goldap zum commissarischen
Kreisthierarzt des Kreises Goldap, Reg.-Bez. Gumbinnen.
Der Thierarzt Theodor Schmitt in Thorn zum commissarischen Kreisthier-
ant für die Kreise Geldern und Mors, Reg.-Bez. Düsseldorf, mit dem Amtswohn¬
sitz in Geldern.
Der Thierarzt Georg Schneidemühl in Halle a. S. zum commissarisohen
Kreisthierarzt des Kreises Plön, Reg.-Bez. Schleswig, mit dem Wohnsitz in Kiel.
Der commissarische Kreisthierarzt Dr. Carl Ludwig Hubert Heinen in
Gummersbach, Reg.-Bez. Köln, unter Entbindung von seinem gegenwärtigen
Amte, zum commissarischen Kreisthierarzt des Kreises Saarbrücken, R.-B. Trier.
Der commissarisohe Kreisthierarzt Peter Joseph Klein in Labiau, Reg.-Bez.
Königsberg, unter Entbindung von seinem gegenwärtigen Amte zum commissa¬
rischen Kreisthierarzt des Kreises Schleiden, Reg.-Bez. Aachen, mit dem Amts¬
wohnsitz in Call.
Der Kreisthierarzt Fr. Emil Hugo St Öhr in Könitz, Reg.-Bez. Marienwerder,
unter Entbindung von seinem gegenwärtigen Amte zum Kreisthierarzt des Kreises
Thorn, Reg.-Bez. Marienwerder.
Ordens-Verleihungen.
Born, Leopold Ludwig, Corps-Rossarzt des UI. Armeecorps in Berlin,
Kronen-Orden 4. CI.
Drews, Theodor, Ober-Rossarzt beim 3. Garde-Ulanen-Rgmt. in Potsdam,
Kronen-Orden 4. CI.
Lange, Gustav Ferdinand Emil, Rossarzt beim 1. Garde-Ulanen-Rgmt. in
Potsdam, Allgemeines Ehrenzeichen.
Luethens, Friedrich, Departements-und Kreisthierarzt in Oppeln, aus
11 *
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164
Personal-Notizen.
Anlass seines 50jährigen Dienstjubiläums, Kronen-Orden 3. CI. mit dem Abzei¬
chen für Jubilare.
Todesfälle.
Der Professor Dr. Johann Ernst Ludwig Falke in Jena, Grossherzogthum
Sachsen-Weimar.
Der Kreisthierarzt Carl Rudolf Rauch in Wittenberg, Reg.-Bez. Merseburg.
Der Thierarzt Ferdinand Schaarschmidt in Klötze, Reg.-Bez. Magdeburg.
Der Kreisthierarzt und Gestüt-Rossarzt August Friedrich Wilhelm Thölke
in Labes, Reg.-Bez. Stettin.
Der Thierarzt Dr. August Weber in Herborn, Reg.-Bez. Wiesbaden.
Der Thierarzt Leopold Wilde in Osterath, Reg.-Bez. Düsseldorf.
Nekrolog.
Johann Ernst Ludwig Falke, am 20. April 1805 zu Rudolstadt ge¬
boren, verstarb am 24. September 1880.
Falke besuchte in seiner Vaterstadt das Gymnasium, bezog 1824 die
Thierarzneischule zu Dresden, studirte später in Berlin und wurde im October
1827 in Rudolstadt als Thierarzt verpflichtet. 1829 ging er als Assistent und
Lehrer zum Dresdener Thierarznei-Institut, 1832 aber wieder nach Rudolstadt
zurück, woselbst er zum Hofthierarzt ernannt worden war. 1847 wurde Falke
Lehrer für Thierheilkunde am landwirtschaftlichen Institut zu Jena, dabei 1849
von der philosophischen Fakultät der dortigen Universität zum ausserordentlichen
Professor ernannt, sowie 1850 gleichzeitig als Bezirksthierarzt des II. Weima-
rischen Verwaltungsbezirks angestellt.
Etwa 1859 beschloss Falke seine Lehrtätigkeit am landwirtschaftlichen
Institut, legte 1868 sein Amt als Bezirksthierarzt nieder, leitete jedoch bis jetzt
den alljährlich während einiger Winterwochen zu Jena statthabenden freiwilligen
Cursus für Hufbeschlagsschmiede.
Ausser der sehr grossen Anzahl von Aufsätzen, Recensionen etc., die Falke
namentlich für tierärztliche Zeitschriften lieferte, sind unter anderen selbststän¬
digen Büchern sein Handbuch der Physiologie für Thierärzte, seine Abhandlung
über Trommelsucht, über Milzbrand und Hundswuth, seine Principien der verglei¬
chenden Pathologie, sein Lehrbuch über den Hufbeschlag, sowie sein Universal-
Lexikon der Thierheilkunde zu nennen.
Möge dem Verstorbenen die Erde leicht sein! S.
Vacanzen.
(Die mit * bezeichneten Vacanzen sind seit dem Erscheinen von Band VI Heft 6
dieses Archivs hinzugetreten oder von Neuem ausgeboten).
Regierungs-
Kreisthierarztstellen
Zuschuss
resp.
des
Gehalt.
aus
Landdrostei-Bezirk
, Kreises
Kreismitteln.
Königsberg
Labiau *
600 Mark
300 Mark
Gumbinnen
Angerburg*
600 *
600 „
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Personal-Notizen.
165
Regierungs-
resp.
Landdrostei-Bezirk
Kreisthierarztstellen
des
Kreises
Gehalt.
Zuschuss
aus
Kreismitteln.
Marienwerder
Könitz*
600 Mark
300
Mark *)
9
Tuchei
600
9
—
9
Stettin
Regen walde* 2 )
600
9
—
9
Posen
Kröben* s )
600
9
—
9
Bromberg
Wirsitz (nehst Westpoli¬
zeibezirk Schubin und
Polizeidistrict Exin des
Kreises Schubin) 4 )
600
9
.
9
Breslau
Münsterberg
600
9
240
9
*
Polnisch Wartenberg
600
9
—
9
Merseburg
Naumburg, Weissenfels
und Zeitz 5 )
600
9
—
n
»
Wittenberg*
600
9
—
9
Erfurt
Weissensee
600
9
—
9
9
Worbis
600
9
—
9
Schleswig
Eckernförde
600
9
—
9
Arnsberg
Brilon
600
9
—
9
Hamm
600
9
—
9
i»
Olpe
600
9
300
9
Kassel
Hersfeld
600
9
—
9
Koblenz
Adenau u. Ahrweiler 5 )
Ferner*.
600
9
9
Königsberg
Die Stelle eines Assisten¬
ten des Grenzthierarztes
im Kreise Ortelsburg 7 )
600
. 8 )
600
9
Die Niederlattneg eines Thierarztes wird gewünscht:
In Coesfeld, Reg.-Bez. Münster, von dem Vorstände des dortigen landwirt¬
schaftlichen Vereins. Eine Anzahl ron Viehbesitzem der Stadt Coesfeld hat sich
bereit erklärt, anf ein Jahr 624 Mark Fixum für die Behandlung ihrer Viehstände
•)
a )
s >
4 )
5 )
•>
’)
8 )
Feste Kreissubrention.
Mit dem Amtswohnsitz in
9 9 9 9
9 9 9 9
»I» 9 9)
» 9 n n
n f> 9 »
Mit der Berechtigung zur
Labes.
Ra witsch.
Nakel.
Zeitz.
Altenahr.
Ortelsburg.
Privatpraxis.
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166
Personal-Notizen.
zu zahlen; ohne Zweifel wird auch der in Coesfeld residirende Fürst von Salm-
Horstmar ein Fixum für denselben Zweck bewilligen.
In Gummersbach, Reg.-Bez. Köln, von dem Landrath v. Sy bei daselbst.
Ausser dem Gehalt für die Kreisthierarztstelle offeriren die Gemeinden ein fixirtes
Einkommen von 1750 Mark.
In Schwiebus, Reg.-Bez. Frankfurt a. 0., von dem Inhaber einer Droguen-
Handlung E. Müller daselbst, welcher bereit ist, nähere Auskunft zu geben.
In Sonnenburg, Reg.-Bez. Frankfurt a. 0., von dem dortigen Magistrat.
Die Communalkasse gewährt eine Remuneration von 600 Mark für die Ueber-
wachung der Viehmärkte und die Untersuchung des Schlachtviehs. In den Krei¬
sen Ost- und West-Sternberg ist nur ein Thierarzt ansässig und zwar in Zielenzig,
4 Meilen von Sonnenburg.
In Wolgast, Reg.-Bez. Stralsund, von dem dortigen Magistrat. Die Com¬
munalkasse gewährt eine Remuneration von 300 Mark für Beaufsichtigung der
Schlächtereien. Die baldige Einrichtung eines Schlachthauses ist in Aussicht
genommen und würde dem sich ansässig machenden Thierarzte nach näherer
Vereinbarung seiner Zeit übertragen werden.
Verzeichnis* der Thierärzte,
welche in Gemässheit der Bekanntmachung vom 25. Sept. 1869 (Bundesgesetzbl.
S. 635) und der Bekanntmachung vom 5. März 1875 (Centralbl. f. d. Deutsche
Reich S. 167) während des Prüfungsjahres 1879/80 von den zuständigen Cen¬
tralbehörden approbirt wurden.
I. Preussen.
1. Emil Friedr. Aug. Erdtmann aus Berlin. 2. Gust. Ludw. Fibian
aus Klinkow. 3. Joh. Friedr. Gust. Herz aus Zittendorf. 4. Franz Kryzan
aus Witaszyce. 5. Herrn. Emil Alb. Kruhm aus Potsdam. 6. Heinr. Wilh.
Lucas aus Bettenhoven. 7. Carl Rud. Mittmann aus Bromberg. 8. Edm.
Uhl aus Schwelm. 9. Mart. Friedr. Jul. Wagner aus Wallmow. 10. Jos. Wulf
aus Werl. 11. Georg Aug. Friedr. Schumacher aus Köslin. 12. Pet. Joh.
Ad. Wiese aus Laboe. 13. Matth. Ludw. Eman. Pölitz aus Magdeburg.
H. Bayern.
1. Florian Arnold aus Ladenburg. 2. Wilh. Diccas aus Neustadt a. S.
3. Carl Wenke aus Hiddigwarden.
HI. Sachsen.
1. Alfr. Nikol. Misseiwitz aus Ehrenhain (Herzogth.S.-Altenbg). 2. Al-
bin Wilh. Moses aus Tzschirma (Fürstenth. Reuss ält. L.).
IV. Württemberg.
1. Friedr. Ad. Bethke aus Blumenhagen (Preussen). 2. Friedr. Birn¬
baum aus Ludwigshafen (Bayern). 3. Engelb. Vogg aus Wallishausen (Bayern).
4. Heinr. Wolff aus Oberbetschdorf (Eisass).
V. Hessen.
Christ. Schmidt aus Gladenbach (Prov. H.-Nassau).
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Personal-Notizen.
167
Veränderungen im militär-rossärztlichen Personal.
Beförderungen.
Zu Ober-Rossärzten sind ernannt:
Rossarzt Behr vom Regiment der Gardes-du-Corps als Oberrossarzt beim
1. Westfal. Hus.-Regmt. No. 8; Rossarzt Kramer vom Magdeburg. Train-Bat.
No. 4 als Oberrossarzt beim Magdeb. Feld-Art.-Regmt. No. 4; Rossarzt Lubitz
vom Westpr. Kür.-Regmt. No. 5 als Oberrossarzt beim 2. Pomm. Feld-Art-Rgmt.
No. 17.
Zu Rossärzten sind ernannt:
Die Unter-Rossärzte Andrich vom Hess. Feld-Art.-Regmt. No. 11; Arndt
vom 1. Hannöv. Feld-Art.-Regmt. No. 10; Böhmer vom Leib-Kürass.-Regmt.
(Schles.) No. 1; Boit vom 2. Rhein. Husaren-Regmt. No. 9; Borchardt vom
1. Brandenb. Feld-Art.-Regmt. No. 3 (Gen.-Feldzeugm.); Feldtmann vom
1. Garde-Drag.-Regmt.; Fickert vom 3. Garde-Ulanen-Regmt.; Goltz vom
Brandenb. Hus.-Regmt. (Zieth.-Hus.) No. 3; Grüner vom 1. Westf. Feld-Art.-
Regmt. No. 7; Mollenhauer vom Schles. Ulanen-Regmt. No. 2; Reinemann
vom 3. Garde-Ulanen-Regmt.; Rind vom Westf. Kür.-Regmt. No. 4; Wallisch
vom Schles. Ulanen-Regmt. No. 2.
Der Charakter als Rossarzt ist verliehen an:
Unter-Rossärzte Gertner vom Altmärk. Ulanen-Regmt. No. 16; Knospe
Tom Leib-Kür.-Rgmt. (Schles.) No. 1; Richter vom Westpr. Kür.-Rgmt. No. 5;
Schulze vom 1. Brandenb. Art.-Regmt. No. 3 (Gen.-Feldzeugm.).
Als Unter-Rossärzte sind in die Armee eingestellt:
Unter-Rossarzt Schimmelpfennig beim Ostpr. Drag.-Regmt. No. 10.
Eioj.-freiw. Unter-Rossärzte Pölitz beim Altmärk. Ul.-Regmt. No. 16; Wenke
beim 1. Hannöv. Feld-Art.-Regmt. No. 10.
Versetzungen.
Ober-Rossarzt Kunze vom 1. Westf. Hus.-Rgmt. No. 8 zum Regiment der
Gardes-du-Corps.
Die Rossärzte Arndt vom 1.Hannöv. Feld-Art.-Rgmt. No. 10 zum 2. Westf.
Feld-Art.-Rgmt. No. 22; Dr. Lemke vom Pos. Ul.-Rgmt. No. 10 zum Hannöv.
Train-Bat. No. 10; Maximilian vom 2. Westfal. Feld-Art.-Regmt. No.22 zum
Magdeb. Hus.-Regmt. No. 10; Quandt vom 1. Brandenb. Drag.-Regmt. No. 2
zum 2. Brandenb. Feld-Art.-Regmt. No. 18 (Gen.-Feldzeugm.); Sczasny vom
2. Bad. Drag.-Regmt. (Markgr. Maxim.) No. 21 zum Magdeb. Train-Bat. No. 4.
Die Unter-Rossärzte Buss vom Oldenb. Drag.-Regmt. No. 19 zum Westpr.
Kür.-Regmt. No. 5; Hafenrichter vom 2. Grossherz. Mecklenb. Drag.-Regmt.
No. 18 zum Regmt. der Gardes-du-Corps.
Abgegangen.
Die Ober-Rossärzte Kappenstein vom Rgmt. der Gardes-du-Corps; Wol¬
ter vom 2. Pomm. Feld-Art-Regmt. No. 17.
Die Rossärzte Gröning vom Ostpr. Kür.-Regmt. No. 3 (Graf Wrangel);
Hauer vom Westf. Ul.-Rgt. No.5; Herweg vom Braunschw. Hus.-Rgt. No. 17.
4
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168
Personal-Notizen.
Charakterisirter Rossarzt Lüpke vom Magdeb. Hus.-Rgmt. No. 10.
Unter-Rossarzt Kose hei vom Westpr. Ul.-Rgt. No. 1.
Dreijährig-freiwilliger Unter-Rossarzt Haas vom 3. Schles. Dragon.-Regmt.
No. 15.
Die eipjährig-frei willigen Unter-Rossärzte Beisswänger vom 1. Garde-
Feld-Art.-Regmt.; Breckerbohm vom 2. Hannöv. Dragoner-Regmt. No. 16;
Fischer und Harms vom 2. Garde-Feld-Artillerie-Regmt.; Heinrichs vom
1. Garde-Dragoner-Regmt.
Sonstige Veränderungen.
Corps-Rossarzt Dominik von seinen Functionen als Corps-Rossarzt des
Garde-Corps unter Belassung in der Stellung als technischer Vorstand der Lehr¬
schmiede und Beibehalt seines Ranges und seiner Anciennität als Corps-Rossarzt
entbunden.
Ober-Rossärzte: Haase vom Magdeb. Feld-Art.-Regmt. No. 4 unter Ver¬
setzung zum Stabe des General-Commandos des Garde-Corps mit der Wahr¬
nehmung der Geschäfte des Corps-Rossarztes bei letzterem beauftragt; Rackow
auf 6 Monate vom 15. October er. ab als Inspicient zur Militär-Rossarzt-Schule
commandirt.
Gedruckt bei L. Schumecker in Berlin.
*
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VII.
Ueber Oelluloseverdaunng.
Von
Dr. Victor Hofmeister,
Chemiker der Versuchsstation an der Kgl. Thierarzneischule zu Dresden.
E i n 1 c i t « b g.
Vor 20 Jahren legte Haubner in Gemeinschaft mit Sussdorf
und Stöckhardt im Chem. Ackersmann 1 ) zum ersten Male den für
die rationelle landwirtschaftliche Fütterungslehre so wichtigen und
weittragenden Beweis für die Verdaulichkeit der Cellulose im Magen
der Wiederkäuer nieder, deren Verdaulichkeit und Nährwirkung bis
dahin geleugnet wurde.
Unter Haubner’s Leitung wurden dann nach Errichtung hiesiger
Versuchsstation (1862) zahlreiche Fütterungsversuche mit landwirt¬
schaftlichen Haustieren (Schafen) ausgefdhrt und der Cellulosever¬
dauung von den verschiedensten Gesichtspunkten aus weitere Aufmerk¬
samkeit geschenkt: ihre grössere oder geringere Verdaulichkeit bei
Fütterung von Rauhfutter allein, bei Zufütterung von leicht verdau¬
lichen und concentrirten Nährstoffen, bei Zusatz von Fett und Salz;
es wurde ihr Werth als stickstofffreies Nahrungsmittel unter den Nähr¬
stoffen festgestellt und 1865 auch zum ersten Male ihre Verdaulich¬
keit beim Pferde nachgewiesen, welches die Cellulose aber in weit
geringerem Masse, als die Wiederkäuer, zur Verdauung brachte 2 ).
Diese Untersuchungen mit ihren Resultaten standen im guten
Einklänge mit anderwärts auf anderen Versuchsstationen ausgeführten
Fütterungsversuchen, theils wieder mit Schafen, theils mit anderen
*) Chem. Ackersmann, 1860 S. 58.
2 ) Landw. Versuchsstationen, Bd. V, S. 415.
Archiv f. wisse nach, uud prakt. ThierUeilk. VII. :t. 12
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170
HOFMEISTER,
Wiederkäuern:. Rindern, Ziegen, und erst in ganz jüngstvergangener
Zeit haben die Resultate der Fütterungsversuche mit dem Pferde
durch die von Wolff in Hohenheim mit Pferden angestellten Ver¬
suche vollgültige Bestätigung gefunden l ).
Obgleich nach alledem kein Zweifel mehr über die Verdaulichkeit
der Cellulose bei Pflanzenfressern bestehen kann, so sind doch dabei
bis jetzt noch einige Fragen unerörtert geblieben, deren Beantwortung
allerdings weniger das landwirthschaftliche, als vielmehr das physio¬
logische Interesse fordert. Es sind die Fragen nach dem Orte im
Thierleibe, wo die Verdauung der Cellulose vor sich geht; welchen
von den Verdauungssäften die Function ihrer Verdaulichmachung
zufällt; welche Umwandlungen, Umsetzungen die Cellulose er¬
leidet, um verdaulich resp. löslich zu werden.
Hatte die Versuchsstation, so lange sie eine landwirthschaftliche
war, der allgemeineren Frage über die Verdaulichkeit der Cellulose
so eingehende Untersuchungen gewidmet, so hielt man es für ange¬
zeigt, jetzt, wo die Station sich direct mehr der Physiologie nutzbar
machen soll, auch jenen engeren Fragen über Celluloseverdauung
näher zu treten.
Die Physiologie hat unter den Verdauungssäften die Wirkung des
Speichels, des Magensaftes, des Saftes der Bauchspeicheldrüse, der Galle
u. s. w. klar gelegt, sie lehrt das Wie und Wo der Stärkemehlver¬
dauung, der Eiweissverdauung, der Fettverdauung u. s. w. Um dazu
zu gelangen, hatte man verschiedene Mittel und Wege eingeschlagen;
ein mit sehr günstigen Erfolgen betretener war der, vermittelst An¬
stellung sogenannter künstlicher Verdauungsversuche die Wir¬
kungsweise der Verdauungssäfte zu erforschen. Man hatte gefunden,
dass die Verdauungssäfte, dem thierischen Organismus entnommen,
unter Umständen ganz genau dieselbe Wirksamkeit auf Verdaulich¬
machung der Nährstoffe auch ausserhalb des Thierleibes beibehalten
können, wie im Organismus selbst; dazu war u. A. nothwendig, dass
sie im ganz frischen Zustande wirkten, also wenn möglich dem
lebenden Thiere oder doch unmittelbar nach dessen Tödtung entnom¬
men waren; dass die zu verdauenden Stoffe in einer passenden, den
Säften leicht zugänglichen Form geboten wurden; dass schliesslich
und zwar ganz hauptsächlich Vorkehrungen getroffen waren, die
l ) Wolff, Berichte über die Arbeiten der Kgl. württemb. landwirthschaftl.
Versuchsstation Hohenheim 1871 —1878.
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Celluloseverdauung.
171
Temperatur, bei der die künstliche Verdauung vor sich gehen sollte,
constant und gleich der thierischen Wärme, also auf etwa 36—40° C.
zu erhalten. Das Letztere erreicht man vollständig durch Anwendung
von Verdauungsöfen, auch Brütöfen genannt.
Durch Anstellung derartiger künstlicher Verdauungsversuche wollte
man auch hier jene specielleren Fragen über Celluloseverdauung zu
beantworten versuchen, zumal da man bereits in gleicher Weise über
die Wirksamkeit des Magensaftes und der Eiweissverdauung mit Glück
operirt hatte 1 ).
Von den gestellten Fragen ist die Lösung zweier versucht
worden: Wo, an welchem Orte des Vcrdauungscanals der
Pflanzenfresser wird die Cellulose verdaut? und welches
sind die Säfte, welche die Cellulose verdaulich machen?
Die Frage nach den Umwandlungsproducten der Cellulose bei ihrer
Verdauung ist nicht näher und eingehender verfolgt; ihre Lösung wird
nicht so einfach sein, wie es vielleicht von vornherein erscheint, sie
erfordert jedenfalls besondere, ganz speciell zu diesen Zwecken anzu¬
stellende Untersuchungen.
lie Vatermhaagen aber CellaUseverdaBaag.
Von der Voraussetzung ausgehend, dass die Cellulose in den
jungen, frischen Gräsern am zartesten und weichsten und deshalb
auch von den Verdauungsflüssigkeiten am leichtesten angreifbar und
zersetzbar sei, wurde zu den ersten Versuchen stets frisch gehauenes
Gras benutzt; später erst arbeitete man mit gewöhnlichem Wiesenheu.
Von diesem Grase, unmittelbar nach dem Hauen ins Laboratorium gebracht,
wurde sofort eine grössere Menge in passender Weise zerkleinert und davon 4—6
Portionen abgewogen.
Zwei Portionen dienten zur Bestimmung des Trocken- resp. Wassergehalts
und der Rohfaser im Grase. Letztere ermittelte man durch successive Digestion
der Trockensubstanz mit gemessener Menge einer 3procentigen Schwefelsäure
(auf 1 Grm. Substanz 50 Ccm. 3 procentiger Säure) innerhalb 2 Stunden auf
kochendem Wasserbade, Filtriren. Auswaschen; mit 3procentiger Natronlauge
*) Prüfungsmethode und Wirksamkeit käuflicher Pepsinpräparate. Deutsche
med. Wochenschrift, 1875, S. 16.
12 *
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172
HOFMEISTER,
genau in derselben Weise und Menge, wie mit der Säure; und mit 85—90pro-
centigem Alkohol: Trocknen, Wiegen der so restirenden Rohfasern, Bestimmung
der darin enthaltenen Aschen- und Stickstoffmengen.
Die übrigen Portionen untermischte man jede für sich mit den Verdauungs-
ilüssigkeiten; da hierbei sowie bei der Gewinnung der Flüssigkeiten in verschie¬
denster Weise manipulirt wurde, so soll das Speciellere hierüber bei jedem Ver¬
such besonders vorgemerkt werden; um Wiederholungen zu vermeiden, wird hier
nur der allgemeine Gang der Untersuchung vorausgeschickt, welcher bei den
meisten Versuchen eingehalten worden ist.
Nachdem die Grasmengen ausnahmsweise einmal nur 3 Tage lang, sonst-
stets innerhalb 5 Tagen im Brütofen bei 37 0 C. der Einwirkung der Verdauungs¬
flüssigkeiten ausgesetzt waren (eine längere Frist wurde vermieden, damit nicht
entstehende Fäulniss und deren Producte die Resultate trübten), wurden sie als¬
dann durch Filtration mittelst gröberen Filtrirpapiers, leicht durchlässig für
Flüssigkeiten, unbedingt undurchlässig für feste, nicht gelöste Stoffe, unter
Benutzung der Säugpumpe und Auswaschen mit kochend heissem Wasser auf
dem Filter von diesen möglichst vollständig befreit.
Das Auswaschen der von den Verdauungsflüssigkeiteu durchdrungenen
Grasmengen mit siedendem Wasser war zulässig, weil die zur Verwendung ge¬
kommenen Verdauungsflüssigkeiten in der Kochhitze trotz ihres Eiweissgehalts
nicht coagulirten, immer erst nach Zusatz von Essigsäure und Salpetersäure.
Das Auswaschen wurde so lange fortgesetzt, bis das zuletzt ablaufende
Waschwasser auf Platinblech nur noch Spuren von beigemengten organischen
Stoffen erkennen Hess.
Dieses Filtriren und Auswaschen ist der zeitraubendste Theil der Arbeit;
bei genügender Ausdauer gelingt es aber doch, den Process mit Erfolg durchzu¬
führen. Nach dem Auswaschen Vurden die von den Verdauungsflüssigkeiten
wenigstens zum grössten Theil befreiten rückständigen Grasmengen vom Filter
herunter in tarirte Abdampfschalen gebracht, was leicht und ohne Verlust mit¬
telst Spritzflasche geschieht, dann das dem Grase beigemengte Spülwasser zu¬
nächst auf dem Wasserbade verdampft und schliesslich das Gras im Trocken-
schrank bei 1I0°C. völlig ausgetrocknet und gewogen. Die Grastrockensub¬
stanzen wurden aus der Schale mechanisch gelöst, mittelst Scheere zerkleinert,
nochmals getrocknet und gewogen und nun genau in derselben Weise, wie man
den Gehalt an Rohfasern in den frischen Gräsern ermittelt hatte, anch der Roh¬
fasergehalt dieser Digestionsrückstände bestimmt; nur sei ausdrücklich hervorge¬
hoben, dass hier wie dort die kochend heissen Schwefelsäure-Natronlauge-
Alkoholauszüge stets durch Filtration von den darin unlöslich gebHebenen
Grasbestandtheilen getrennt und ausgewaschen sind, niemals durch Abheben der
überstehenden Flüssigkeiten.
Fand sich in der angewandten Trockensubstanz dieselbe Menge an Roh¬
fasern nach procentischer Berechnung wieder, wie dort im nicht mit Verdauungs¬
flüssigkeiten behandelten Grase, so hatten offenbar diese Flüssigkeiten die Cel¬
lulose nicht angegriffen, nicht gelöst, nicht verdaut; bei einem verringerten Ge¬
halt an Rohfasern in den mit Verdauungsflüssigkeiten digerirten Gräsern gegen¬
über dem Rohfasergehalt der nicht digerirten würde mit gleicher Berechtigung
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Cellulosevcrdauung.
173
dieses Deficit an Hohfasern als von denVerdauungsflüssigkoiten gelöste, verdaute
Cellulose anzusehen sein, namentlich dann, wenn dieses Deficit von einer so
bedeutenden Grösse ist, dass es ausserhalb der Fehlergrenzen liegt,
welche das analytische Verfahren etwa bedingen kann.
Von diesen Gesichtspunkten ausgehend, nahmen die Versuche ihren Verlauf
wie folgt.
I. Versuchsreihe mit Verdauungstlüssigkeiten des Schafes.
Von Physiologen ist zur Ermittelung der Verdaulichkeit der Nähr¬
stoffe vielfach der Weg eingeschlagen worden, diese Steife eingehüllt
in Tüllbeutelchen mit den Verdauungsflüssigkeiten durch directe Ein¬
führung der Beutelchen in den Magen in Berührung zu bringen.
In ähnlicher Weise beabsichtigte man auch hier vorzugehen und
gewogene Mengen zerschnittenen Grases vermittelst Pansenschnitt in
den Pansen des Schafes einzubringen.
Da aber doch überzeugende und greifbare Resultate voraussicht¬
lich nur dann zu erzielen sind, wenn man nicht mit minimalen Men¬
gen Gras, sondern mindestens mit einigen Grammen davon arbeitet;
da ferner auch diese wenigen Gramme schon eine sehr voluminöse
Masse bilden, die im Tüllbeutelchen mehr oder weniger zusammen¬
gedrückt wird, da man die Beutel doch immer nur klein anfertigen
darf, die Vermuthung aber nahe liegt, dass in diesem zusammen¬
gedrückten Zustande clas Gras von den Magensäften in ungenügender
Weise durchdrungen werde, so richtete man sein Augenmerk auf
Drahtkapseln, in welche das Gras lose eingelegt werden kann, in
denen es auch locker gelagert bleibt, um von den Säften vollkommen
durchdrungen zu werden.
Diese Drahtkapsoln von Neusilber sind jene, welche beim Theekochen so
häufig benutzt werden; mit Theeblättern gefüllt, werden sie in siedendes Wasser
eingehangen, dieses extrahirt aus den Blättern die im Wasser löslichen TheestofTe,
die darin unlöslichen bleiben in der Kapsel zurück.
Durch Versuche war zunächst zu ermitteln, ob das Drahtgeflecht auch dicht
genug sei, nur die löslich gewordenen Stoffe hindurch zu lassen, den Austritt der
unlöslich gebliebenen und in feinster Verkeilung befindlichen dagegen zu ver¬
hindern.
Mit Heusamenpulver im trockenen und nassen Zustande gefüllt, zeigte sich
sogleich die Unzulänglichkeit der Dichtigkeit des Drahtgeflechts der Kapseln: das
Pulver ging hindurch.
Anders, wenn man die mit Heusamen gefüllten Kapseln einfach mit Tüll¬
stoff knapp anliegend überzog. Die in dieser Weise vorgerichteten Kapseln in
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174
HOFMEISTER,
Bechergläser eingohangen, welche mit Wasser gefüllt waren, das Wasser zum
Kochen gebracht und Stunden lang im Sieden erhalton, zeigten nichts Durch¬
lässiges für feste, ungelöste Stoffe. Das Wasser färbte sich braun, hielt aber
keine Heupulvertheilchen suspendirt; beim ruhigen Stehenlassen bis zum andern
Tag zeigte sich nicht die Spur eines Bodensatzes. Ebenso dicht verhielten sich
die Kapseln in angesäuertem und alkalisirtem Wasser. Nach diesen günstigen
Resultaten wurde die Benutzung derartig beschickter Kapseln zum Versuch nicht
weiter beanstandet und mit den Versuchen begonnen.
1. Versuch.
Am 3. Juni Morgens wurde Gras gemäht, zerkleinert, zwei Portionen zur
analytischen Untersuchung, zwei Portionen für die Kapseln und zwei Portionen
in Reserve bleibend abgewogen.
Jede der beiden Kapseln, wolche benutzt werden sollten, war genau signirt,
wurde dann mit der für sie bestimmten Menge zerschnittenen und gewogenen
Grases ohne Verlust gefüllt, verschlossen, der Verschluss versiegelt, das Ganze
mit Tüllstoff überzogen.
Soweit fertig, führte Herr Prof. Siedamgrotzky den Pansenschnitt bei
einem Schafe, weiches ganz normal ernährt worden war und im ganz gesunden
Ernährungszustände sich befand, aus, versenkte beide Kapseln in den Pansen
und verschloss die Schnittwunde durch Naht.
Nach 3 Tagen wurde das Thier geschlachtet, der Pansen geöffnet und die
Kapseln herausgenommen, welche darin ganz unversehrt geblieben waren. Diese
wurden jetzt mittelst Spritzflasche von den an der Aussenseite anhängenden Fut-
terbestandthoilen des Panseninhalts gereinigt, dann jede für sich in eine Abdampf-
schale gelegt, der Tüllüberzug abgezogen, die an den Innenwandungen desselben
haftenden, durch das Kapselgeflecht nach aussen gelangten Grastheilchen mittelst
Pincette und Spritzflasche abgenommen und aufs Filter gebracht.
Der Tüllstoff hatte in auffallender Weise eine Veränderung seiner Gewebs-
faser erlitten; verletzt, durchlöchert, zerrissen war er allerdings nicht, sondern
er lag scheinbar unverändert dicht und fest den Kapselwandungen an, aber
vorher derb, fest, schwer zerreissbar, war er jetzt nach der Entnahme aus dem
Pansen und Abnahme von den Kapseln morsch und leicht zerreissbar geworden.
Nachdem der Siegel Verschluss der Kapsel entsiegelt, wurde diese geöffnet.
Der rückständige Inhalt darin war zu einer merkwürdig kleinen Menge zusam¬
mengesunken; auch diese Grasmenge nahm man mittelst Pincette und Spritz¬
flasche sorgfältigst heraus, brachte sie aufs Filter und behandelte sie hier in der
Weise, wie dies in der Einleitung näher auseinandergesetzt ist.
Analytische Belege und Resultate.
Trockensubstanzgehalt des Grases*.
a) 5,003 Grm. Gras enthalten 0,622 Grm. Trockensubstanz = 12,43 pCt.
b) 10,080 - - - 1^250 - - = 12,40 -
Mittel 12,4 pCt. Trockensubstanz.
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Cellnloseverdauung.
175
Roh faser im Grase:
a) 5,003 Grm. Gras enthalten 0,128 Grm. aschenfreie Faser ! ) = 2,60 pCt.
b) 10,080 - - - 0,250 = 2,50 -
Mittel 2,55 pCt. Faser.
Trockensubstanzgehalt der Digestionsrückstände:
darin nach der Digestion
c) Kapsel I mit 5.003 Grm. Gras, 0,102 Grm. Trockensubstanz = 2,04 pCt.
d) - II - 5,713 - - 0,139 - - = 2,43 -
Mittel 2,23 pCt. Trockensubstanz.
Aschenfreier Rohfasorgehalt der Digestionsrückstande ! ):
darin nach der Digestion
c) Kapsel I mit 5,003 Grm. Gras, 0,025 Grm. Faser = 0,50 pCt.
d) - II - 5,713 - - 0.035 - - = 0,61 -
Mittel 0,55 pCt. Faser.
100 Theile Gras (a, b) im natürl. Zustande enth. 2,55 pCt. Rohfaser im Mittel,
100 - - (c, d) nach d. Digest, im Pansen 0,55 - ...
nach der Digestion weniger im Grase 2,00 pCt. Rohfaser.
Resultat in Procentcn ausgedrüekt: Von 100 Theilen Rohfaser
im Grase sind in den Digestionsrückständen 21,6 pCt. Faser wieder¬
gefunden, 78,4 pCt. nicht wiedergefunden.
2. Versuch.
Unmittelbar nach Entnahme der Kapseln aus dem Pansen (Versuch 1). wurde
der gesammte Panseninhalt auf Seihtücher gebracht, der flüssige Theil desselben
durchgeseiht und durchgepresst.
Die auf diese Weise gewonnene Pansenflüssigkeit war allerdings sehr un¬
rein und trübe, schien aber insofern seine natürliche Beschaffenheit behalten zu
haben, weil die Infusorien (Monaden), welche sich im Wiederkäuermagen massen¬
haft vorfinden, auch in diesem durchgeseihten Saft noch lebend zugegen waren
und unter dem Mikroskop lebhafte Bewegungen zeigten; im veränderten Saft
starben sie schnell ab.
Die eine der am 3. Juni abgewogenen und im möglichst unveränderten Zu¬
stande reservirten Grasportionen wurde in eine bereit gehaltene Kapsel, von etwas
grösserem Caliber als die zwei vorher benutzten, genau in der beim 1. Versuch
besprochenen Weise eingeschlossen, in die im geräumigen Glase befindliche Pan-
senflüssigkeit eingehängt und Glas mit Flüssigkeit und Kapsel in den Brütofen
eingestellt.
Durch einen gleichzeitig anzustellenden Versuch sollte die Frage Beant¬
wortung finden: ob nicht etwa faulende, mikrococcen- und bacterienhaltige Flüs¬
sigkeiten allein schon zersetzend resp. lösend auf Rohfaser wirken.
Zu diesem Zweck wurde ein Gefäss mit Düngerjauche gefüllt und in
1 ) N-Bestimmungen dieser kleinen Mengen Robfaser Hessen sich nicht aus-
führen.
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176
HOFMEISTER.
diese Flüssigkeit ebenfalls eine Kapsel eingelegt, in welcher die zweite am 3. Juni
in Reserve abgewogene Grasportion eingeschlossen war, und auch dieses Gefäss
mit seinem Inhalt in den Brutofen gestellt.
Täglich einmal öffnete man den Brütofen und bewegte die Kapseln in ihren
Flüssigkeiten mittelst Glasstab. Nach fünftägiger Digestion wurden die Kapseln
aus Pansenilüssigkeit und Jauche herausgenommen, ihres Grasinhalts mit aller
Vorsicht entledigt, dieser dann in bekannter Weise auf Trockensubstanz- und
Rohfasergehalt untersucht.
Bemerkt sei noch, dass schon am 2. Tage der Digestion weder in der Pan¬
senflüssigkeit noch in der Jauche lebende Infusorien nachweisbar waren; dass
ferner der Tüllüberzug der in der Pansenflüssigkeit gelegenen Kapsel sich ebenso
morsch, brüchig und leicht zerreissbar nach der Abnahme zeigte, wie jene Tüll¬
stoffe, welche im Pansen des lebenden Thieres verweilten; dass dagegen der
Tüllüberzug der Kapsel in der Jauche unverändert seine derbe, schwer zerreiss-
bare Eigenschaft behalten hatte.
Analytische Belege und Resultate.
a, b) Gras im natürlichen Zustande mit 12,4 pCt. Trockensubstanz und 2,55
pCt. Rohfaser.
Trockensubstanz und Rohfasergehalt der Digestionsrückstände aus
Pansensaft:
nach der Digest, mit Pansenflüssigkeit
e) Kapsel mit 10,129 Grm.Gras hinterl. 0,304 Grm. Trockensubst. = 3,0 pCt.
e) - - 10,129 - - - 0,055 - Rohfaser = 0,54 -
100 Th. Gras (a, b) im natürlichen Zustande enth. 2,55 pCt. Rohfaser,
100 - - (e) nach d. Digest, mit Pansenflüssigkeit - 0,54
nach der Digestion weniger im Grase 2,01 pCt. Rohfaser.
Resultat in Procenten ausgedrückt: Von 100 Theilen Rohfaser
im Grase sind in den Digestionsrückständen 21,2 pCt. wiedergefunden,
78,8 pCt. nicht wiedergefunden.
Trockensubstanz und Rohfasergehalt der Digestionsrückstände aus
Jauche: . _ ^ _
nach der Digestion mit Jauche
f) Kapsel mit 10,533Grm.Gras hinterl. 0.547 Grm. Trockensubst. = 5,2 pCt.
f) - - 10,533 - - - 0,259 - Rohfaser =2,46 -
100 Th. Gras (a, b) im natürlichen Zustande enthalten 2,55 pCt. Rohfaser,
100 - - (f) nach der Digestion mit Jauche - 2,46
nach der Digestion weniger im Grase 0,09 pCt. Rohfaser.
Resultat in Procenten ausgedrückt: Von 100 Theilen Rohfaser
im Grase sind in den Digestionsrückständen 96,5 pCt. wiedergefun¬
den, 3,5 pCt. nicht wiedergefunden.
Stellt man die Ergebnisse der Versuche 1 und 2 in der Weise zusammen,
dass einmal der in 100 Theilen Gras-Trockensubstanz enthaltene Gehalt an
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Celluloseverdauung.
177
Roh fas er berechnet wird und dann der Rohfasergehalt der im Pansen und im
Brutofen mit Pansonflüssigkeit und Jauche digerirten Gräser, ebenfalls auf 100
Theile Trockensubstanz der angewandten Substanz bezogen, so enthalten:
Versuch 1. 100 Th. Trockensubst. Gras (a, b).20,1 pCt. Rohfaser,
100 - - (c, d) nach dem
Verweilen im Pansen. 4.5
nicht wiedergefunden 15,6 pCt. Rohfaser.
Versuch 2. 100 Th. Trockensubst. Gras (a, b).20,1 pCt. Rohfaser,
100 - - (e) nach der Di¬
gestion mit Pansenfliissigkeit. 4,4
nicht wiedergefunden 15,7 pCt. Rohfaser.
100 Th. Trockensubst. Gras (a, b).20.1 pCt. Rohfaser,
100 - - - (f) nach der Di¬
gestion mit Jauche . 19 y 8 -
nicht wiedergefunden 0,3 pCt. Rohfaser.
Hieraus folgt offenbar, dass die Jauche die ßohfaser voll¬
ständig intact liess, während diese von der Pansenflüssigkeit
stark afficirt erscheint; von 100 Theilen konnten 77,6 pCt. ana¬
lytisch nicht wiedergefunden werden, diese mussten also darin ge¬
löst sein.
Prüft man weiter, wie die Gras-Trockensubstanz an und für sich be¬
züglich ihrer Löslichkeit und Unlöslichkeit in der Pansenflüssigkeit und in der
Jauche sich verhalten hat, so ergiebt die Rechnung Folgendes:
Versuch 1. 100 Th. Gras (a, b) enthalten .... 12,4 pCt. Trockensubst.
100 - - (c, d) nach dem Verweilen
im Pansen. 2,2 -
Differenz 10,2 pCt. Trockensubst.
Versuch 2. 100 Th. Gras (a, a) enthalten .... 12,4 pCt. Trockensubst.
100 - - (e) nach der Digestion mit
Pansenflüssigkeit. 3,0
Differenz 9.4 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras (a, b) enthalten .... 12,4 pCt. Trockensubst.
100 - - (f) nach der Digestion mit
Jauche. 5,2 -
Differenz 7,2 pCt. Trockensubst.
Hieraus wird ersichtlich, dass von den Pansenflüssigkeiten
und von der Jauche grosse Mengen an Trockensubstanz des
Grases gelöst wurden, von den Pansenflüssigkeiten aber mehr als
von der Jauche.
In Procenten ausgedrückt sind im Pansen gelöst 82,3 pCt., von
der Pansenflüssigkeit (ßrütofen) 75,8 pCt., von der Jauche (Brütofen)
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HOFMEISTER,
58,0 pCt. Trockensubstanz. 17,8—24,3 pCt. sind von der Pansen¬
flüssigkeit mehr gelöst, als von der Jauche durchschnittlich rund
21 pCt. mehr.
Hat nun die vorhergehende Berechnung bezüglich der Löslichkeit
der Rohfaser in den Pansenflüssigkeiten und in der Jauche nachge¬
wiesen, dass Jauche die Faser nicht, die Pansenflüssigkeiten diese
aber in erheblicher Menge lösen, und weist jetzt diese zweite Berech¬
nung eine um 21 pCt. grössere Löslichkeit der Trockensubstanzen in
der Pansenflüssigkeit als in der Jauche nach, so kann man rationeller
Weise doch nur hieraus weiter folgern, dass dieses Plus an Trocken¬
substanz, durch Pansenflüssigkeit gelöst, zum grössten Theil aus darin
löslich gewordener Cellulose entstanden ist und besteht.
Dieses Plus von 21 pCt. wird nicht ausschliesslich aus gelöster
Cellulose componirt, denn 100 Theile Trockensubstanz Gras enthalten
überhaupt nur 20,1 pCt. Faser und nur ca. 15,5 pCt. Faser sind als
gelöst nachgewiesen; vielmehr ist anzunehmen, dass die weiteren 4
bis 5 pCt. durch Pansenflüssigkeiten mehr gelöste Substanz aus
zuckerartigen, humösen, harzigen, fettigen und Chlorophyllstoffen be¬
standen habe, welche aus dem Grase durch Pansenflüssigkeit reich¬
licher noch als durch Jauche gelöst wurden.
• 3. Versuch.
Am 4. Juli wurde ein Schaf geschlachtet, unmittelbar nachher der Pansen,
nachdem alle Zu- und Abgänge desselben abgeschnürt, aus dem Körper genom¬
men, geöffnet und sein Inhalt auf Seihtücher gegeben, durchgeseiht und gepresst.
Die so gewonnene Pansenflüssigkeit wurde zur weiteren Reinigung in hohe,
verschliessbare Cylindergläser gefüllt und in diesen 12 Stunden lang bei gewöhn¬
licher Stubentemperatur zum ruhigen Absetzen stehen gelassen.
Nach dieser Zeit hatte sich ein reichlicher Bodensatz in den Cylindern ge¬
bildet; davon wurde die Flüssigkeit vorsichtig abgehoben und durch grobes Pa¬
pier filtrirt, was ziemlich schnell bei wiederholtem Filterwechsel von statten ging.
Es wurde so eine gelbliche, trübe Flüssigkeit von saurer Reaction erhalten,
weiche alle Eiweissreactionen gab, bei Kochhitze aber nicht coagulirte, nur erst
nach Zusatz von Essigsäure oder Salpetersäure.
Lebende Infusorien befanden sich nicht darin.
Diese Flüssigkeit wurde in drei gleiche Theile, ä 100 Ccm., getheilt, ein
Theil mit 25 Ccm. Glycerin versetzt, die beiden anderen unverändert gelassen.
Am 4. Jnli war Gras gemäht und drei Portionen davon in tarirte Koch¬
flaschen abgewogen worden; diesen wurde je 100 Ccm. Pansenflüssigkeit zugo-
setzt, untermischt durch Schütteln, und zur fünftägigen Digestion in den Brüt¬
ofen gestellt. Täglich einmal wurden die Flaschen aus dem Brütofen gehoben,
umgeschüttelt und mikroskopische Untersuchung des Saftes vorgenommen.
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Celluloseverdauung.
179
Mikrococcen und Bacterien fanden sich darin, in dem nicht mit Glycerin
vermischten Saft auch am 4. Tage Hefe und Stabhefezellen; der mit Glycerin
versetzte Saft war frei davon.
Analytische Belege und Resultate.
Trockensubstanz- und Rohfasergehalt im Grase :
19,646 Grm. Gras enthalten 3,910 Grm. Trockensubstanz = 19,90 pCt.
10,789 - - - 2,116 - - = 19,61 -
Mittel 19,75 pCt. Trockensubstanz.
19,646 Grm. Gras enth. 0,764 Grm. aschen- u. N-freie Rohfaser = 3,90 pCt.
10,789 - - - 0,450 - ... = 4,17 -
Mittel 4,0 pCt. Faser.
Trockensubstanz- und Rohfasergehalt der Digestionsrückstände:
Gras Trockenrückstand
a) 12,395 Grm. mit Pansensaft-j-Glycerin . . 1,334 Grm. = 10,76 pCt.
b) 15,027 - - Pansensaft .. 1,428 - = 9,50 -
c) 14,547 - - - 1.338 - = 9,13 -
Gras aschen- u. N-fr. Rohfaser
a) 12,395 Grm. mit Pansensaft-j-Glycerin . . 0,463 Grm. — 3,74 pCt.
b) 15,027 - - Pansensaft. 0,541 - = 3,60 -
c) 14,546 - - - 0,500 - = 3,43 -
a) 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten 19,75 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit Pansensaft
-j-Glycerin.10,76
gelöst von dem Pansensaft -f- Glycerin 8.99 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . . 4,00 pCt. Rohfaser,
100 - - nach der Digest, mit Pansensaft -f- Glyc. 3,74 -
Differenz 0,26
b) 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten 19,75 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit Pansensaft 9,50
gelöst durch Pansensaft 10,25 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . . 4.00 pCt. Rohfaser,
100 - - nach der Digestion mit Pansensaft . . 3.60
- Differenz 0,40 pCt. Rohfaser.
c) 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten 19,75 pCt. Trockensubst.
100 - nach der Digestion mit Pansensaft 9,13 -
gelöst durch Pansensaft 10,62 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . . 4,00 pCt. Rohfaser,
100 - - nach der Digestion mit Pansensaft . . 3.43
Differenz 0,57 pCt. Rohfaser.
Resultat. Sämmtliche Werthe, auf Gras-Trockensubstanz be¬
zogen: Von 100 Theilen Trockensubstanz im Grase sind durch Pan-
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HOFMEISTER.
senfliissigkcit gelöst 45,5, 51,9 und 53,7 pCt.; von 100 Theilen Roh¬
faser des Grases 16,5, 10,0 und 14,2 pCt.
Gegenüber von Versuch 1 und 2 fallen hier schon die weit ge¬
ringeren, durch Pansenflüssigkeit löslich gewordenen Mengen an
Trockensubstanz auf: dort wurden durchschnittlich 79 pCt. davon
gelöst, hier nur 50,4 pCt.
Veschwindend klein sind aber die Mengen gelöster Rohfaser:
durchschnittlich nur 10,2 pCt. Diese Menge ist so gering, dass sie
einfach in die Fehlergrenzen fallt, welche das analytische Verfahren
herbeiführen kann, worauf schon hingewiesen ist.
Dieses negative Resultat: ist es bedingt durch den missglückten
Versuch einer Reindarstellung der Pansenflüssigkeit, wobei die Fähig¬
keit, Rohfaser zu lösen, verloren gegangen?
Hierüber werden die weiteren Versuche Klarheit bringen.
4. Versuch.
Am 19. Juli früh Morgens wurde Gras gehauen, drei Portionen davon zur
Digestion in tarirte Kochflaschen und zwei Portionen zur Analyse abgewogen.
Am nämlichen Tage führte Herr Prof. Siedamgrotzky den Schlund-
schnitt beim Schafe aus; dabei wurde in wenigen Stunden eine ziemlich be¬
trächtliche Menge eines fast wasserklaren, schwach fadenziehenden, alkalisch
reagirenden, gemischten Speichels gewonnen, der Kleister schnell in Zucker
überführte.
Hierauf wurde das Thier getödtet. Anderntags wurden die Ohrspeichel¬
drüsen und Unterkieferdrüsen herauspräparirt; diese Drüsen, getrennt von
einander, mit Scheere und Wiegemesser zerkleinert und im Mörser zerrieben,
dann in verschliessbaren Cylindern mit Wasser tüchtig durchgeschüttelt, nach
einigen Stunden auf Seihtücher gegeben und durchgeseiht. Extracte rea-
giren sauer.
Mit gemischtem Speichel wurde Grasportion No. 1, mit Ohrspeichel-
drüscnextract No. 2. mit Unterkieferdrüsenextract No. 3 in dem Brüt¬
ofen fünftägig digerirt, täglich einmal umgeschüttelt.
Die weitere Untersuchung der Digestionsrückstände ergab folgende
analytischen Belege und Resultate.
Trockensubstanz und Rohfasergehalt im Grase:
15,184 Grm. Gras enthalten . . 2,343 Grm. Trockensubstanz = 15,4 pCt.
20.733 - - . . 3,677 - - == 17,7 -
Mittel 16,5 pCt. Trockensubstanz.
15,184 Grm. Gras enth. 0,527 Grm. aschon- u. N-freie Rohfaser = 3,47 pCt-
20.733 - - - 0,769 .= 3,70 -
Mittel 3.58 pCt. Faser.
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Celluloseverdauung.
181
Trockensubstanz und Roh fasergeh alt in den Digestionsrückständen:
Gras Trockensubst. Trockentückst.
1. 19.559 Grm. mit gemischtem Speichel . . . 0,974 Grm. = 4,98 pCt.
2. 19,753 - - Obrspeicheldrüsenextract . 1,900 - = 9,69 -
3. 20.877 - - Unterkieferdrüsenextract . 1,748 - = 8,37
Gras aschen-u.N-fr. Rohf. Faser
1. 19,559 Grm. mit gemischtem Speichel . . . 0,131 Grm. = 0,70 pCt.
2. 19,753 - - Ohrspeicbeldrüsenextract . 0,419 - =2,12 -
3. 20,877 - - Unterkieferdrüsenextract . 0,612 - = 2,93
1. 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . 16,5 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit gemischtem
Speichel. 4,98 -
nach der Digestion weniger 11,52 pCt.Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten .... 3,58 pCt. Faser
100 - - nach der Digest, mit gemischtem Speichel . 0,70 -
nach der Digestion weniger 2,88 pCt. Faser
2. 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . 16,5 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit Ohrspeichel-
drüsenextract. .9,65 -
nach der Digestion weniger 6,85 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten .... 3,58 pCt. Faser
100 - - nach derDigest. mitOhrspeicheldrüsenextract 2,12 -
nach der Digestion weniger 1,46 pCt. Faser
3. 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . 16,5 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit Unterkiefer¬
drüsenextract . 8,37 -
nach der Digestion weniger 8,13 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten .... 3,58 pCt. Faser
100 - - nach der Digest. mitUnterkieferdrüsenextract 2,93
nach der Digestion weniger 0,65 pCt. Faser.
Resultat. Von 100 Theilen Trockensubstanz sind durch ge¬
mischten Speichel 70,4 pCt., durch Ohrspeicheldrüsenextract 41,5 pCt.,
durch Unterkieferdrüsenextract 49,2 pCt. Trockensubstanz gelöst; von
100 Theilen Rohfaser sind durch gemischten Speichel 80,4 pCt., durch
Ohrspeicheldrüsenextract 40,8 pCt., durch Unterkieferdrüsenextract
18,1 pCt. Faser gelöst.
5. Versuch.
Nachdem Herr Prof. Siedamgrotzky am 8. October wiederum bei einem
Schafe den Schlundschnitt ausgeführt, wurde so viel klarer, alkalisch reagirender,
Kleister schnoll und kräftig in Zucker überführender, gemischter Speichel
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182
HOFMEISTER,
gewonnen, dass zwei Portionen gewogener, frisch gehauener Grasmengen damit
gemischt und im Brütofen digerirt werden konnten.
Nach dem Schlachten des Thieres wurden die Unterzungenspeichel¬
drüsen demselben entnommen, diese in der im Versuch 4 angegebenen Weise
mit Wasser extrahirt und mit dem sauer reagirenden Speichelauszug eine dritte
Portion Gras digerirt.
Analytische Belege und Resultate.
Trockensubstanz und Rohfasergehalt im Grase:
20,131 Grm. Gras enthalten . . 4,223 pCt. Trockensubstanz = 20,95 pCt.
12,662 - - . . 2,685 - - = 21.20 -
Mittel 21,08 pCt. Trockensubstanz.
20,131 Grm. Gras enth. 0,779 Grm. aschen- u. N-freie Rohfaser = 3,87 pCt.
12,662 - - - 0,482 .= 3,81 -
Mittel 3,84 pCt. Faser.
Trockensubstanz und Rohfasergehalt der Digestionsrückstände:
Gras Trockensubst. Trockenrückst.
1. 19,203 Grm. mit gemischtem Speichel . . . 1,668 Grm. = 8,68 pCt.
2. 22,196 - - . . . 2,331 - = 10,50 -
3. 20,860 - - Unterzungendrüsenspeichel. 2,563 - = 12,29 -
Gras aschenfreie Rohfaser Faser
1. 19,203 Grm. mit gemischtem Speichel . . . 0,204 Grm. = 1,06 pCt.
2. 22,196 - - - . . . 0,366 - = 1,64 -
3. 20,860 - - Unterzungendrüsenspeichel. 0,670 - = 3,21
1. 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . 21,1 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit gemischtem
Speichel. 8,7
nach der Digestion weniger 12,4 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . . . 3,84 pCt. Rohfaser
100 - - nach der Digest, mit gemischtem Speichel 1,06
nach der Digestion weniger 2,78 pCt. Rohfaser
2. 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . 21,1 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit gemischtem
Speichel.10,5
nach der Digestion weniger 10,6 pCt. Trockensubst.
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten .... 3,84 pCt. Faser
100 - - nach der Digestion mit gemischtem Speichel 1,64
nach der Digestion weniger 2,20 pCt. Faser
3. 100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten . 21,1 pCt. Trockensubst.
100 - - nach der Digestion mit Unterzungen¬
drüsenspeichel .12,3
nach der Digestion weniger 8,8 pCt. Trockensubst.
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Celluloseverdauung.
183
100 Th. Gras im natürlichen Zustande enthalten .... 3,84 pCt. Faser
100 - - nach der Digestion mit Unterzungendrüsen¬
speichel .3,21
nach der Digestion weniger 0,63 pCt. Faser.
Resultat. Von 100 Theilen Gras-Trockensubstanz sind durch
gemischten Speichel 58,7 und 50,0 pCt., durch Unterzungendrüsen¬
speichel 41,7 pCt. gelöst; von 100 Theilen Rohfaser sind durch ge¬
mischten Speichel 72,4 und 57,3 pCt., durch Unterzungendrüsen¬
speichel 16,4 pCt. gelöst.
Ueberblicken wir jetzt die Resultate der fünf aufgeführten Ver¬
suche, so ist zunächst darauf zu verweisen, dass zu denselben stets
Gras im natürlichen Zustande Verwendung fand, welches, seines Ge¬
haltes an Rohfasern anlangend, wesentlich gleich war (Juni 2,5 pCt.,
Juli 4,0 und 3,6 pCt., October 3,87 pCt. Rohfaser) und in welchem
der Gehalt an Trockensubstanz mit der Jahreszeit zunahm (Juni 12,4
pCt., Juli 16,5 und 19,75 pCt., October 21,1 pCt.). Auf dieses Gras
influirten nun Verdauungssäfte nicht gleicher Art; einestheils besassen
sie ihre ganze natürliche Beschaffenheit, indem sie entweder unmittel¬
bar nach dem Tode dem Schafe oder auch dem lebenden Thiere ent¬
nommen waren und sofort zur Verwendung kamen, anderntheils hatte
man es mit Flüssigkeiten zu thun, die, mehr künstlich präprarirt
und gereinigt, aus den Speicheldrüsen erst durch Zerkleinern derselben
und Extrahiren mit Wasser gewonnen waren. Es lässt sich nun sehr
deutlich nachweisen, dass diese künstliche Zubereitung stets schädigend
auf ihre Wirksamkeit influirte, sofern man die grössere oder geringere
Löslichkeit der Gras-Trockensubstanz oder Rohfaser darin als Mass¬
stab dafür annehmen darf, wie folgende Aufstellung zeigt.
Künstlich präparirte und gereinigte Verdauungsflüssigkeiten lösen:
an Gras-Trockensubstanz:
Versuch 5. durch Unterkieferspeichel .... 41,7 pCt.
4. - .... 49,2 -
- Ohrspeichel.41,5 -
3. - gereinigten Pansensaft ... 45,5
. . . 51,9 -
. . . 53,7 -
2, - Jauche.58,0 -
an Rohfaser:
Versuch 5. durch Unterkieferspeichel .... 16,4 pCt.
- 4 . - - .... 18,1 -
- Ohrspeichel.40,8 -
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184
HOFMEISTER,
Versuch 3. durch gereinigten Pansensaft . . . 6,5 pCt.
. . . 10,0 -
. . . 14,2 -
2. - Jauche. 3,5
Verdauungsflüssigkeiten im natürlichen Zustande lösen:
an Gras-Trockensubstanz:
Versuch 5. durch gemischten Speichel .... 58,7 pCt.
. . . 50,0 -
- 4. - - - ... 70,4 -
2. - Pansensaft.75,8
1. - - .82,3 -
an Rohfaser:
Versuch 5. durch gemischten Speichel .... 72,4 pCt.
. . . 57,3 -
- 4. - - - ... 80,4 -
2. - Pansensaft.78,8 -
1. - - .78,4 -
Die Unterschiede liegen auf der Hand und aus ihrer Uebereinstim-
mung geht hervor, dass sie nicht durch ein Spiel des Zufalls oder
durch Fehler der Analyse entstanden sein können, sondern in der
That durch die Verschiedenartigkeit der angewandten Verdauungsflüs¬
sigkeiten bedingt sind.
Dann lässt sich aber aus der Aufstellung der Resultate weiter
folgern, dass die Rohfaser der Gräser in den Verdauungs¬
flüssigkeiten, Pansenflüssigkeit, wie gemischtem Speichel
vom Schaf löslich wird, und zwar in hohem Grade, bis zu
80 pCt., sofern diese Flüssigkeiten ihre natürliche Beschaffenheit
behalten haben. Pansenflüssigkeit und gemischter Speichel verhalten
sich in dieser Beziehung fast gleich.
Vielleicht gelingt es, durch die nächstfolgenden Versuche noch
weitere Belege dafür zu erbringen.
Diese sind mit Wiesenheu und daraus dargestellter Rohfaser
angestellt. Gleichzeitig war man beflissen, eine besondere Methode
der Reindarstellung der Verdauungsflüssigkeiten zu gewinnen. Das
Nähere darüber ist wiederum jedem Versuche vorausgeschickt.
6. Versuch
mit Wiesenheu und Pansenflüssigkeit vom Schaf.
Zur Verwendung kam Wiesenheu im lufttrocknen Zustande, auf das
Feinste vermittelst Mühle und Sieb zerkleinert. Von diesem wurden drei Por-
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Celluloseverdauung.
185
tionen zur Bestimmung des Trockeusubstanzgehalts bei 110° C. und des Roh¬
fasergehalts abgewogen, gleichzeitig vier weitere Portionen in zwei kleinere und
zwei grossere tarirte Kochflaschen zur Digestion mit Schafpansen fl üssigkeit
und destillirtem Wasser itn Brütofen bei 37 0 C.
Diese Pansenflüssigkeit wurde diesmal in der Weise gewonnen, dass man
unmittelbar nach Tödtung des Thieres den Pansen nach Abschnürung seiner Zu-
und Ausgänge aus der Bauchhöhle herausnahm, in das gut erwärmte Labora¬
torium trug, hier öffnete und zunächst den Panseninhalt in Seihtücher schlug
und den flüssigen Theil abpresste. Die ausgepresste, noch stark mit festen Be-
standtheilen des Panseninhalts verunreinigte Flüssigkeit wurde jetzt in Glas-
cylinder, welche in das auf 37 0 C. erwärmte Wasserbad eingesenkt waren, durch
grobes Filtrirpapier abfiltrirt; es ist hierzu ein fortlaufender Filterwechsel noth-
wendig, weil die Filtration nach Ablauf einer geringen Menge der Flüssigkeit
stockt und erst auf frischen Filtern wieder in Gang kommt; auf etliche 20—30
und noch mehr Filter darf es hierbei nicht ankommen. In dieser Weise war es
möglich, im Verlauf einer Stunde 550 Ccm. filtrirte, von allen festen Stoffen
freie, reine Pansenflüssigkeit zu gewinnen.
Diese stellte eine trübe, gelblich braun gefärbte Flüssigkeit dar (spec. Gew.
1,006) von neutraler, bis ganz schwach alkalischer Reaction. enthielt noch
lebende Infusorien (woran sie im frischen Zustande bekanntlich sehr reich ist).
An sich gab sie keine Zuckerreaction, aber Stärkekleister hatte
sie nach Verlauf von 24 Stunden nach der Digestion damit im Brütofen sehr
reichlich in Zucker übergeführt, ein Resultat, welches auch bei weiteren
Versuchen als massgebend dafür angenommen wird, ob die Pansenflüssigkeit noch
wirksam geblieben und ein Erfolg zu erwarten ist oder nicht 1 ).
100 Ccm. der filtrirten Pansenflüssigkeit hinterliessen 1,82 pCt. Trocken¬
rückstand.
Nach 24 Stunden, bei 37° C. aufbewahrt, zeigte dieser nur noch verein¬
zelte lebende Infusorien, nach 48 Stunden keine lebenden mehr.
Die in den Kochflaschen befindlichen Heumengen wurden mit einer kleinen
Menge lauwarmen Wassers eingeweicht, dann
2 Portionen Heu mit je 140 Ccm. Pansenflüssigkeit
1 Portion - 190 -
1 - - - 190 - Aqua destillata
untermischt, in dem Brütofen einer fünftägigen Digestion unter täglich einmali¬
gem Umschütteln überlassen. Der ganze Process, vom Schlachten des Thieres
bis zum Einstellen der mit Heu, Pansenflüssigkeit und Aq. dest. beschickten
Flaschen in den Brütofen, beanspruchte noch nicht 2 Stunden Zeit.
Die mit destillirtem Wasser in den Brütofen eingestellte Heuportion sollte
als Controle der mit Pansenflüssigkeit digerirenden dienen; einmal wollte man
durch diese ermitteln, wie viel an Heusubstanz überhaupt unter ganz gleichen
Verhältnissen durch Wasser und wie viel durch Pansenflüssigkeit löslich werde,
! ) Dieser Zuckern ach weis gelingt am besten nach dem von Hoppe-Seyler
angegebenen Verfahren. Handbuch der phys.-pathol. ehern. Analyse. 3. Aufl.
S. 109.
Archiv f. wisseosch. uud prakt. Thlerheilk. VIL 3 . 13
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186
HOFMEISTER,
und dann, wie sich der Rohfasergehalt in dem mit Pansenflüssigkeit und
Wasser digerirten Heu herausstelle. Da bekanntlich Wasser Rohfaser nicht löst,
so sollte man meinen, müsse sich, wenn Pansenflüssigkeit diese löst, ein bemerk¬
barer Unterschied zwischen den restirenden Roh fasermengen herausstellen.
Nach beendeter Digestion wurde das Heu von der Pansenflüssigkeit und
Wasser durch Filtration und Auswaschen mit heissem Wasser so weit als möglich
befreit, die ausgewaschenen Mengen in tarirte Schalen übergeführt und darin
getrocknet und gewogen.
In den Trockenrückständen wurde alsdann der Rohfasergehalt in bekannter
Weise ermittelt.
Analytische Belege und Resultate.
Gehalt des lufttrockenen Wiesenheus an Trockensubstanz und aschen-
und N-freier Rohfaser:
4,517 Grm. Heu 4,* 05 Grm. Trockens. bei 110° C. = 88,7 pCt. Trockens.
4,355 - - 3,883 - = 89,2 -
4,593 - - 4,080 - = 88,8 -
Mittel 88,9 pCt. Trockensubstanz.
4,005 Grm. Trockensubstanz .1,148 Grm. Rohfaser =r 28,G6 pCt.
3,883 - - . 1,026 - - = 26,42 -
Mittel 27,54 pCt. Rohfaser.
Nach der Digestion mit Pansenflüssigkeit und Aq. dest. rückständig blei¬
benden Trockensubstanzen und aschen- und N-freier Rohfasern aus luft¬
trocken gewogenen Wiesenheumengen mit berechneter Trockensubstanz:
lufttr. Heu Trockensubst. Pansenflüssigk. Trockenrückst.
a) 4,065 Grm. mit 3,614 Grm. nach der Dig. mit 140 Ccm.
2,556 Grm.
b) 3,892 -
- 3,460 - ...
- 140 -
2,359 -
c) 3,900 -
- 3,467 - ...
- 190 -
2,311 -
Aqua destillata
d) 4,662 -
- 4,144 ....
190 Ccm.
3,086 -
Trockensubst.
Rohfaser
a) 3,614 Grm. (mit 140 Ccm. Pansenfl.) . .
. . 0,735 Grm.
= 20,33 pCt.
b) 3,460 - (
- 140 - - ) . .
. . 0,729 -
= 21,06 -
c) 3,467 - (
- 190 - - ) . .
. . 0,651 -
= 18,77 -
d) 4,144 - (
- 190 - Aq. dest.) . .
. . 1,076 -
= 26,00 -
Zieht man
die nach der Digestion verbleibenden Heu-Trockenrückstände
von den zur Digestion benutzten Heu-Trockensubstanzen ab, so erfährt man das
Quantum der durch Pansenflüssigkeit und Aq. dest. gelösten Menge der Heu-
Trockensubstanz.
Durch*Pansenflüssigkeit gelöst:
a) 140 Ccm. b) 140 Ccm. c) 190 Ccm.
3,614Grm. tr. Heu 3,460Grm. tr. Heu 3,467Grm. tr. Heu
2,556 - Rückstand 2,359 - Rückstand 2,311 - Rückstand
1,058 Grm. Trockensubst. 1,101 Grm. Trockensubst. 1,156 Grm. Trockensubst.
29,28 pCt. 31,82 pCt. 33,34 pCt.
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Celluloseverdauung.
187
Durch Aqua destillata gelöst:
d) 190 Ccm.
4,144 Grm. tr. Heu N
3,086 - Rückstand
1,058 Grm. Trockensubst.
25,53 pCt.
Es folgt hieraus, dass vom Aq. dest. in maximo 7,8 pCt.
weniger an Heusubstanz gelöst wurde, als von der Pansenflüssigkeit,
und dass diese um so mehr davon löste, in je grösserer Menge sie
darauf influirte.
Bezüglich der in den Trockenrückständen wiedergefundenen Roh-’
fas er zeigt die Untersuchung, dass die mit Pansenflüssigkeit behan¬
delten Heumengen nur noch 20,33, 21,06 und 18,77 pCt. Rohfaser
enthalten, während der Gehalt davon im Wiesenheu durchschnittlich
27,54 pCt. beträgt; es sind somit durch Pansenflüssigkeit 7,21, 6,48
und 8,77 pCt. Rohfaser (7,5 pCt. im Durchschnitt) gelöst worden
und in Uebereinstimmung mit den durch Pansenflüssigkeit gelösten
Mengen an Trockensubstanz hat die grössere Menge Pansenflüssig¬
keit auch die grössere Menge an Rohfaser gelöst.
Das destillirte Wasser hat, wie das nicht anders sein konnte, die
Rohfaser im Heu intact gelassen; im Trockenrückstand finden sich
26,0 pCt. Rohfaser, welche Menge fast absolut genau mit dem Ge¬
halt des Wiesenheus davon übereinstimmt (26,4 pCt. nach der
zweiten Analyse). Der durch Wasser überhaupt gelöste Theil des
Wiesenheus stand um 7,8 pCt. dem durch Pansenflüssigkeit gelösten
Antheilnach; das Plus, durch Pansenflüssigkeit gelöst, fallt aber wie¬
derum fast absolut genau mit dem Minus der nach der Digestion mit
Pansenflüssigkeit im Heu wiedergefundenen Rohfaser zusammen, durch¬
schnittlich 7,5 pCt.. Es geht hieraus wohl mit aller Sicher¬
heit hervor, dass Rohfaser im Wiesenheu durch Pansenflüs¬
sigkeit gelöst wird, und zwar gelangten von 100 Theilen Roh¬
faser 26,2, 23,2 und 31,6 pCt., im Durchschnitt 27,0 pCt. zur
Lösung.
7. Versuch
mit Pansenflüssigkeit vom Schaf und unter Wasser aufbewahrter
Rohfaser aus Wiesenheu.
Bei diesem Versuch sollte Schafpansenflüssigkeit auf Rohfaser direct
ein wirken. Ihre Bereitung geschah aus frischem Grase, welches ganz luft¬
trocken gemacht wurde und in diesem Zustande der successiven Digestion mit
13*
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188
HOFMEISTER.
3procentiger Schwefelsäure und 3procentiger Natronlauge so lange unterlag, bis
die rückständige Rohfaser wenig gefärbt mehr erschien. Behandlung der Faser
mit Alkohol und Aether unterblieb in diesem Falle absichtlich, weil der
Versuchsansteller sich von der Ansicht nicht frei machen konnte, dass die mit
diesen Agentien behandelte rückständige Faser jedesmal härter und gedrungener,
für Verdauungssäfte also weniger zugänglich erscheine, als ohne diese. Die nach
der Digestion mit Säure und Alkali restirende Faser stellt sich als ausserordent¬
lich zart und weich dar. namentlich unter Wasser aufbewahrt und nicht erst ge¬
trocknet. Da der Versuch damit erst nach Monaten ihrer Darstellung angestellt
werden konnte, so blieb sie denn bis dahin auch unter Wasser, was eigentlich
nur zu weiterer Erweichung der Faser beitragen konnte. Das Wasser, worin sie
so lange und zwar in den Sommermonaten lagerte, roch nicht faulig, war ganz
klar, reagirte sauer, enthielt Infusorien (Monaden) und vereinzelte Hefezellen und
konnte darin schwache Zuckerreaction nachgewiesen werden.
Unmittelbar vor Beginn des Versuchs wurde die Faser vom Wasser durch
Abheben und Abpressen so viel als möglich befreit und von dieser im feucht¬
nassen Zustande ohne Verzug 6 Portionen abgewogen. In zweien davon wurde
der Trockengehalt der Rohfaser bei 110° C. bestimmt.
Die vier anderen Portionen befanden sich in tarirten Kochflaschen, von
denen drei mit gemessenen Mengen Pansenflüssigkeit und eine nur mit destillir-
tem Wasser gemengt der Digestion im Brütofen 5 Tage lang unter täglich ein¬
maliger Herausnahme und Umschütteln überlassen blieben.
Der Gehalt dieser 4 Portionen Faser an Trockensubstanz wurde pro¬
portional dem in den zwei dazu besonders bestimmten Portionen Rohfaser und
darin gefundenen Trockensubstanzgehalt berechnet.
Die 4. Rohfaserportion anlangend, welche mit destillirtem Wasser im Brüt¬
ofen stand, so war diese einmal zu einer nochmaligen Bestimmung des Ge¬
halts der Faser an Trockensubstanz bestimmt, dann zur Messung der aus ihr
durch Digestion mit Säure, Alkali, Alkohol noch weiter gelöst werdenden Be-
standtheile.
Wir haben es zwar hier mit Rohfaser selbst zu thun, die, wenn sie aus
reiner Cellulose bestände, nichts mehr an jene Agentien abgeben würde, da Cel¬
lulose darin unlöslich ist. Die Rohfaser ist aber nicht rein, daher ihr Name,
sondern enthält noch andere, incrustirte Bestandthoile, die von den Agentien
noch theilweise gelöst werden. Wenn nun auch diese Stoffe nicht eben in grosser
Menge in der Rohfaser enthalten sind und daraus gelöst werden, wie dies die nur
schwach gelb bis bräunlich gefärbten Säure-, Alkali- und Alkoholauszüge der
Rohfaser erkennen lassen-(bei Darstellung der Rohfaser aus Heu sind diese Aus¬
züge tief gelb und tief dunkelbraun bis zur Undurchsichtigkeit gefärbt), so sind
es doch messbare Grössen, ausgesprochen durch die nachher restirenden gerin¬
geren Mengen an Faser.
Bei absolut gleicher Behandlungsweise der im Brütofen mit und ohne
Verdauungsflüssigkeiten digerirten Rohfasermengen mit Säure, Alkali und Alkohol
wird das Deficit, welches sie durch die Agentien erleiden, ein ihrer Menge ent¬
sprechendes, verhältnissmässig gleiches sein — von dieser Voraussetzung ging
man aus; das noch grössere Deficit, das etwa die mit Pansenflüssigkeit beban-
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Celluloseverdauung.
180
delien Roh fasermengen der nur mit Wasser digerirten gegenüber aufweisen, ist
dann durch den Einfluss der Pansenflüssigkeit bedingt, welcher noch weitere
Stoffe der Rohfaser löslich machte oder doch in einen Zustand überführte, dass
sie alsdann in Säuren, Alkalien etc. löslich wurden. Dass nun diese gelösten
Stoffe Cellulose selbst seien, dies glaubte man mit derselben Berechtigung an¬
nehmen zu dürfen, mit welcher bei natürlichen Verdauungsversuchen von ver¬
dauter, löslich gewordener Cellulose im Thierleibe gesprochen wird; denn das
Deficit, welches besteht zwischen analytisch bestimmter Rohfasermenge im Futter
und derselben in der mit den Excrementen ausgeschiedenen, wird ebenfalls als
in den Verdauungssäften des Verdauungscanals löslich gewordener, verdauter
Antheil der Rohfaser, d. i. Cellulose, angesehen und mit vollem Rechte, seitdem
Henneberg, Stohmann, Kühn und andere Forscher exact den elementar¬
analytischen Beweis dafür lieferten, dass das, was von der Rohfaser auf diesem
Wege zur Lösung kommt, in der That Cellulose, C 6 fI 10 O 3 , ist.
Nach dem günstigen Erfolge mit Schafpansen fl üssigkeit in dem vor¬
hergehenden Versuch G, wie er daselbst gewonnen und wirksam erhalten worden
war, wurde derselbe hier ganz genau, wie dort ausführlich beschrieben, dem eben
geschlachteten Thiere entnommen, filtrirt und seine dauernde Wirksamkeit bezüg¬
lich seiner Fähigkeit, gekochte Stärke in Zucker umzuwandeln, während
der Zeit seiner Verwendung Tag für Tag controlirt.
Nach beendeter Digestion im Brütofen wurde eine Trennung der Pansen¬
flüssigkeit von der Rohfaser durch Filtration und Waschen nicht vorgenommen,
sondern die Rohfaser mit dem Saft ohne Verlust aus den Kochflaschen in Porzel¬
lanschalen übergeführt, auf Wasserbad darin eingedampft und getrocknet, dann
die getrockneten Rückstände mit Hülfe eines Messers und kochenden Wassers von
den Wänden der Schale gelöst, gelockert und zerkleinert und sc’.iliesslich der
bekannten 2ständigen successiven Digestion mit 3 procentiger Schwefelsäure,
3procentiger Natronlauge und 85—90procentigem Alkohol auf kochendem Was¬
serbade unterworfen.
Die Trennung der Pansenflüssigkeit von der Faser unmittelbar nach Ent¬
nahme aus dem Brütofon unterblieb, weil diese Manipulation immer zeitraubend
ist und weil bei natürlichen Verdauungsversuchen dasselbe Princip befolgt wird.
Die Rohfaser des Heus, Strohs etc., welche beim Schaf, Rind, Pferd etc. den
Verdauungstract durchwandelt und mit den Excrementen ausgesohieden wird,
lässt sich auch nicht von den ihr anhaftenden Verdauungs- und anderen Säften
trennen, sondern wird mit diesen getrocknet, ehe ihre analytische Bestimmung
erfolgt. Es ist sicher, dass der grösste Theil der ihr anhaftenden Säfte durch
die dabei verwendeten Agentien zur Lösung und Abscheidung kommt; denn eine
Pansonflüssigkeit, wie sie hier zur Verwendung kam, führt nur wenig feste Be¬
standteile, in Form von eiweissartigen Stoffen etwa, ein, denn ihr spec. Gewicht
war auch diesmal ein sehr niedriges: 1,0075. 100 Theile dieser Flüssigkeit
hinterliessen 1,531 Grm. Trockensubstanz, die dann bis auf unwägbare, unge¬
löst bleibende Spuren durch successive Behandlung mit 3 procentiger Schwefel¬
säure, 3 procentiger Natronlauge und Alkohol aufgelöst wurden.
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190
HOFMEISTER,
Analytische Belege und Resultate.
Gehalt der ausgepressten Rohfaser an Trockensubstanz:
Trockens.bei 110°C.
10,556 Grm. ausgepresste Faser. 1.510 Grm. = 14,30 pCt.
28,790 - - - . 3,196 - = 11,10 -
10,185 - (d) im Brutofen mit Aq. dest. 1,221 - = 12,00 -
Mittel 12,5 pCt. Trockensubstanz.
Hiernach berechneter Trockensubstanzgehalt der ausgepresst gewogenen,
zur Digestion mit Pansenflüssigkeit benutzten Rohfaser:
a) 13,232 Grm. ausgepr. Faser = 1,654 Grm. Trockens.
b) 27,457 = 3,432 -
c) 40,480 - = 5,060 -
Nach der Digestion im Brutofen etc.:
a) 1,654 Grm.tr. Rohfas. mit200 Ccm. Pansenfl. etc. =0,379 Grm. Trockenrückst.
b) 3,432 - -
- - 170 -
- =1,331
c) 5,060 - -
- - 250 -
- =1,797
d) 1,221 - -
- - 200 -
Aq. dest, =0,762
Darnach mittelst Differenzrechnung durch Pansenflüssigkeit und Aq. dest.
an Rohfaser gelöste Menge:
Durch Pansenflüssigkeit gelöst:
a) 200 Ccm. b) 170 Ccm. c) 250 Ccm.
vor der Digestion: 1,654 Grm. Faser 3,432 Grm. Faser 5,060 Grm. Faser
nach - 0,379 - 1,331 - 1,797 -
1,275 Grm. Faser 2,101 Grm. Faser 3,263 Grm. Faser
77,1 pCt. 61,2 pCt. 64,8 pCt.
Durch Aqua destillata gelöst:
d) 200 Ccm.
vor der Digestion: 1,221 Grm. Faser
nach - - 0,762 .
0,459 Grm. Faser
37,6 pCt.
Die mit Aq. dest. behandelte Rohfaser erlitt den geringsten Ver¬
lust von 37,6 pCt., jene mit Pansenflüssigkeit behandelte einen durch¬
schnittlich um 30 pCt. grösseren; denn 67,7 pCt. wurden durch
Pansenflüssigkeit aus der Rohfaser ausgelöst.
Das ist denn doch ein Unterschied, der in die Augen fällt und
cs nicht weiter in Zweifel stellt, dass die Pansenflüssigkeit eine lös¬
lich machende Wirkung auf Rohfaser, also Cellulose, äussert, während
diese vom Aq. dest. unberührt bleibt. Eine weitere Stütze dürfte das
Resultat darin finden, dass die grössere Löslichkeit der Cellulose mit
der grösseren Menge darauf einwirkender Pansenflüssigkeit Hand in
Hand geht.
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Celluloseverdauung.
191
8. Versuch
mit Pansenflüssigkeit vom Schaf und lufttrockener Rohfaser aus
Wiesen heu.
Dieser Versuch ist wie der vorhergehende durchgeführt, nur mit dem Unter¬
schiede, dass zwar eine auf ganz gleiche Weise wie dort dargestellte Rohfaser
zur Verwendung kam, diese aber nicht im feuohten, sondern im lufttrockenen
Zustande. Man bestimmte ihren Trockensubstanzgehalt bei 110 0 C. und ermit¬
telte auch den Verlust, den die trockene Rohfaser nun noch weiter durch succes-
sive Behandlung mit 3 procentiger Schwefelsäure, 3 procentiger Natronlauge und
Alkohol erleidet. Dies geschah, um weiterhin in Erfahrung zu bringen, ob die
vorher mit destillirtem Wasser im Brütofen digerirte Rohfaser durch genannte
Agentien einen noch stärkeren Verlust erleidet als jene, ob dieser annähernd
gleichkommt dem mit Pansenflüssigkeit digerirter und dann in gleicher Weise
behandelter Rohfaser; denn auch hier wurden den drei mit Pansenflüssigkeit
untermischten und in den Brutofen zur 5 tägigen Digestion damit eingestellten
Portionen Rohfaser eine Portion lufttrocken gewogener Rohfaser mit destillirtem
Wasser beigesellt.
Nach dem gefundenen Trockensubstanzgehalt der lufttrocken abgewogenen,
zur Digestion bestimmten Rohfaser ist der Trockengehalt dieser berechnet.
Analytische Belege und Resultate.
Gehalt der lufttrockenen Rohfaser an Trockensubstanz:
2,619 Grm. lufttr. Faser 2,431 Grm. Trockensubst, hei 110°C. = 92,8 pCt.
4,672 - - - 4.318 - ... = 92,4 -
Mittel 92,6 pCt.
Verlust der Trocken-Rohfaser durch 3procentige Schwefelsäure, 3pro-
centige Natronlauge und Alkohol:
2,431 Gm.Trock.-Rohf. 2,006Gm.Trockenrckst. =0,425Gm.Verlust, 17,5pOt.
4,318 - - 3,641 - - =0,677 - - 15,7 -
Mittel 16,6 pCt.
Berechneter Trockengehalt der lufttrocken gewogen zur Digestion be¬
stimmten Faser:
a) 4,069 Grm. lufttr. Faser enth. 3,769 Grm. Trockensubst.
b) 3,817 .... 3,535 -
c) 5,519 .... 5,120 -
d) 4,423 .... 4,096 -
Nach der Digestion im Brütofen etc.:
a) 3,626Grm. Trock.-Rohf. mit lOOCcm. Pansenfl. etc. 2,376Grm. Trockrckst.
b) 3,400 -
-
- 100 -
2,070
c) 4,916 ->
-
- 200 -
2,689
d) 3,941 -
-
- 200 - Aq. dest.
3,292
Hiernach:
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192
HOFMEISTER,
Durch Pansenflüssigkeit gelöst:
a) 100 Ccm. b) 100 Ccm. c) 200 Ccm.
vor der Digestion: 3,769 Grm. Faser 3,535 Grm. Faser 5,120 Grm. Faser
nach - - 2,376 - 2,070 - 2,689 -
1,393 Grm. Faser 1,465 Grm. Faser 2,431 Grm. Faser
37,0 pCt. 41,4 pCt. 47,4 pCt.
Durch Aqua destillata gelöst:
d) 200 Ccm.
vor der Digestion: 4,096 Grm. Faser
nach - - 3,292 -
0,804 Grm. Faser
19,6 pCt.
Der Verlust, welchen Rohfaser ohne Pansenflüssigkeit, nur mit
Aqua destillata digerirt und dann mit Säure, Alkali, Alkohol be¬
handelt, erlitten, stellt sich fast gleich derselben Menge, welche
in zwei besonderen Bestimmungen mit trockener Rohfaser (nicht in
den Brütofen eingestellt) dafür ermittelt ist: 16,6 pCt., hier 19,6 pCt.
Destillirtes Wasser hat demnach eine schwache Erweichung, Lös¬
lichmachung der die Rohfaser incrustirenden Substanzen zur Folge
gehabt.
Nach vorhergehender Digestion mit Pansenflüssigkeit hat
aber die Rohfaser durch Einwirkung derselben Säure etc. weit mehr
an Substanz verloren, 22,2 pCt. mehr im Durchschnitt, und es ist
wohl kein Anstand weiter zu nehmen, dieses Plus auf Rechnung ge¬
löster Cellulose zu bringen. Der gelöste Antheil an Cellulose
stellt sich allerdings etwas niedriger als im vorigen Versuch, welcher
30 pCt. gelöste Cellulose aufwies; allein erstlich war die hier ver¬
wendete Rohfaser lufttrocken und erschien in diesem Zustande nicht
mehr so zartfaserig, wie die unter Wasser aufbewahrte, zweitens in-
fluirten hier geringere Mengen von Pansenflüssigkeit auf Rohfaser;
trotzdem fällt aber ganz analog dem vorhergehenden Versuch auch
hier die grössere Löslichkeit der Faser mit der grösseren Menge der
auf sie einwirkenden Pansenflüssigkeit zusammen — ein gewiss nicht
zu unterschätzender weiterer Beleg für löslich gewordene Cellulose.
Versuch 6, 7 und 8 mit Pansenflüssigkeit vom Schaf, Wiesenheu
und der Rohfaser des Heus weisen sonach consequent Löslichwerden
der Cellulose in den angewandten Verdauungsflüssigkeiten nach und
ergänzen somit in bester Uebereinstimmung die ersten Versuche mit
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Celluloseverdauung.
193
den natürlichen Verdauungssäften des Schafes bezüglich ihrer lösen¬
den Wirkung auf Grasrohfaser (S. 184).
Welchen Stoffen und Säften in der Pansenflüssigkeit (einem Ge¬
misch von allerhand Stoffen) speciell die Function zufällt, Rohfaser
resp. Cellulose zu lösen, so scheint nach den Versuchen mit dem
Schafe der gemischte Speichel (Versuch 4 und 5) eine Rolle dabei
zu spielen.
II. Versuchsreihe mit Verdauungsflüssigkeiten vom Rind
und in jüngst verflossener Zeit vom Pferd.
Eine Versuchsreihe, speciell in diesem Sinne durchgeführt, hat
keine erwünschten Resultate geliefert; wenn erstere mit dem Rind
auch nicht widersprechend, so sind sie doch nicht schlagend genug
ausgefallen. Es sei deshalb gestattet, nur ganz kurz darüber zu be¬
richten, sowie über die Resultate der Versuche mit dem Pferd.
Die Erfolglosigkeit der Rinderversuche erklärt sich theilweise aus
dem Misslingen, diese Säfte aus den Drüsen künstlich in der Weise
zu gewinnen, dass sie wirksam bleiben, worüber bereits S. 183 u. f.
beim Schaf gesprochen wurde. Bei einem ersten Versuch waren Ohr¬
speichel-, Unterkiefer- und Unterzungendrüsen der geschlach¬
teten Kuh entnommen, wurden zerkleinert und mit Wasser extrahirt;
wir erhielten dadurch gelblich gefärbte, schleimige, mehr oder weniger
stark fadenziehende Flüssigkeiten, die nur sehr schwache Fähigkeit
besassen, gekochte Stärke in Zucker überzuführen, und Rohfaser, aus
Gras dargestellt, ganz intact Hessen. Die Verluste an Substanz,
welche Rohfaser, nicht mit Speichel digerirt, sondern mit Wasser,
durch nochmalige Extraction mit 3procentiger Schwefelsäure, 3pro-
centiger Natronlauge, 90prooentigem Alkohol erlitt, stellen sich ab¬
solut gleich den Verlusten, welche Rohfaser nach 5 tägiger Digestion
mit Speichel im Brütofen und nachheriger Extraction mit Säure etc.
davontrugen, nämlich 17,7, 18,5 und 14,5 pCt., im Durchschnitt
16,9 pCt., dort 16,7 pCt.
Merkwürdigerweise wirkte aber auch frischer natürlicher
Speichel nicht auf Rohfaser ein, welche bei einem zweiten Ver¬
such zur Verwendung kam und ganz genau wie die beim vorigen Ver¬
such benutzte aus Gras, durch Extraction des getrockneten Grases mit
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194
HOFMEISTER.
3procentiger Schwefelsäure, 3procentiger Natronlauge, Alkohol und
Aether, dargestellt war.
Herr Prof. Siedamgrozky gewann nämlich auf operativem Wege vom
Rind Speichel aus der Ohrspeicheldrüse, getrennt vom Speichel aus der
Unterkieferdrüse, ganz rein und in grossen Mengen.
Innerhalb 2* 2 Stunden sammelte man 3306 Grm. Speichel aus der
Parotis; derselbe war dünnflüssig, wasserklar, stark alkalisch, specif. Gewicht
1,010. Nach 12 Stunden erst hatte er im Brütofen gekochte Stärke in Zucker
übergeführt; nach zwei Tagen traten aber die Zuckerreactionen bei weitem stärker
auf, wenn auch immer schwächer als beim Submaxillarspeichel.
Von diesem hatte man in der nämlichen Zeit 482 Grm. aufgefangen,
wasserklar, stark fadenziehend, stark alkalisch, specif. Gewicht 1,004. Nach
2 Stunden schon mit gekochter Stärke im Brütofen digerirt, trat deutliche
Zuckerreaction auf; diese Eigenschaft behielt er während 5 tägiger Digestion im
Brütofen bei.
Mit beiden Speichelarten war nun Rohfaser zur 5 tägigen Dige¬
stion in den Brutofen eingestellt und war dann vom Speichel wieder
in der kekannten Weise durch Filtration und Extraction mit Säure,
Alkali und Alkohol befreit worden.
Rohfaser nur mit Säure etc. extrahirt, hatte an Gewicht ver¬
loren 14,8 pCt ; Rohfaser mit Speichel und dann mit Säure etc.
behandelt, verlor 19, 18 und 24 pCt., 20,3 pCt. im Durchschnitt.
Diese Differenzen sind sehr klein und habe ich keinen Anstand ge¬
nommen, sie in die Fehlergrenzen zu verlegen, welche das analytische
Verfahren bedingen kann ! ).
l ) Diese Versuche mit dem Rind schlossen sich unmittelbar an den 5. Ver¬
such mit dem Schaf an und damals trat das Bedenkliche auf, ob nicht die
künstliche Darstellung der Rohfaser deren Löslichkeit ebenso beein¬
trächtige, wie die künstliche Reindarstellung und Gewinnung der Verdauungs¬
flüssigkeiten aus den Drüsen etc. deren Lösungsvermögen benachtheiligt hatte;
denn bis zum 5. Versuch war die Rohfaserdarstellung noch nicht in Frage ge¬
kommen, weil man bis dahin immer nur mit frisch gehauenem Grase arbeitete.
Deshalb war ich denn nach Abschluss der Rinderversuche von Versuch 6 mit
Schafpansenflüssigkeit ab bemüht, zunächst die Methode der Gewinnung und
Reindarstellung dieser Flüssigkeit zu verbessern. Dann bei Versuch 7 und Dar¬
stellung der Rohfaser aus Heu liess ich die Anwendung von Alkohol und
Aether dabei fallen, bewahrte die gewonnene Rohfaser unter Wasser auf, um
ihre Löslichkeit nicht zu schädigen. Erst bei Versuch 8 benutzte ich luft¬
trockene, nicht mit Alkohol und Aether extrahirte und nicht bei 110° C. völlig
ausgetrocknete Rohfaser, weil ich das völlige Austrocknen ebenfalls für nach¬
theilig hielt; und wenn man will, ist schon das einfache Trocknen an der Luft
ihrer Löslichkeit nicht günstig gewesen, denn in Versuch 8 ist offenbar weniger
davon durch Pansenflüssigkeit in Lösung übergegangen, als in Versuch 7.
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Celluloseverdauung.
195
Zwei Versuche aus jüngst vergangener Zeit bleiben zu registriren:
mit gemischtem Speichel vom Pferd und lufttrockener Roh¬
faser aus Wiesenheu (vergl. Versuch 8 beim Schaf).
Der Speichel, vom Herrn Prof. Ellenberger durch den Schlundschnitt
gewonnen, war in beiden Fällen sehr zähe, dickflüssig, stark fadenziehend, spec.
Gewicht 1,006, von alkalischer Reaction, gab mit gekochter Kartoffelstärke im
Brütofen digerirt nach V 4 Stunde schon kräftige Zuckerreaction, die sich von
Stunde zu Stunde steigerte.
1. Versuch.
1,189 Grm. lufttr. Rohfaser mit 40 Ccm. Sgeichel 5 Tage im Brutofen digerirt
1.207 - - - - 40 - Aq. dest. 5
Nach Entnahme aus dem Brütofen, Trocknen beider Portionen und Extra-
hiren mit Sauren etc. etc. hinterliessen:
1,101 Grm. berechn. Trockensubst., digerirt mit Speichel, 0,887 Grm. Rückst.
1,118 - - - Aq. dest., 0,908 -
Die eine Portion verlor an Substanz 0.214 Grm.. die andere 0,210 Grm.
d. i. in Procenten 19,4 pCt. und 18,8 pCt. Verlust.
Die Verluste sind gleich und ein Einfluss des Speichels auf Lös¬
lichmachung von Cellulose nicht zu bemerken.
2. Versuch.
a) 1,395 Grm. lufttr. Rohf. m. 100 Grm. gemischt. Speichel 5 Tage imBrütof. dig.
b) 1,458 - - - - 100 - - 5 - - - -
c) 1,375 - ... 100 - Aq. dest. 5 - -
Nach Entnahme aus dem Brütofen wurden die drei Portionen getrocknet,
eitrahirt, wie immer, nur wurde noch eine Extraction der Trockensubstanz mit
siedendem Wasser vor der Extraction mit Säure, Alkali und Alkohol eingeschoben.
In der lufttrockenen Rohfaser war der Trockengehalt bei 110°C. mit 89,8
gefunden; darnach berechnet die lufttrockene, mit Speichel und Aq. dest. dige-
rirte wie folgt:
a) 1,255 Gm. Rohf.-Trockens. hinterl. nach d. Dig. m. Speichel 1,075Gm. Tr.-Rckst.
b) 1,308 - - . 1,078 -
c) 1,234 - - .Aq. dest. 0,991 -
Die Verluste betragen bei a) 0,178 Grm. b) 0,230 Grm. c) 0,243 Grm.
d. i. in Procenten 14,2 pCt. 17,5 pCt. 19,7 pCt.
Die Wasserauszüge, vor der Digestion mit Säure, Alkali und
Alkohol mit a, b und c vorgenommen, waren sämmtlich zucker¬
haltig, aber gleich stark, wie nach der Untersuchung mit Fehling¬
scher Kupferlösung sich herausstellte.
Die mit Speichel digerirte Rohfaser verlor weniger an Substanz,
als die mit Aq. dest. behandelte; es ist somit ganz zweifellos, dass
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196
HOFMEISTER.
auch hier bei diesem 2. Versuch durch gemischten Speichel des Pferdes
keine Cellulose gelöst wurde.
Ohne aus diesen Resultaten viel folgern zu wollen, so wäre doch
daran zu denken, dass das Pferd übereinstimmend nach allen bis
jetzt bekannt gewordenen Untersuchungen überhaupt wenig Cellulose
verdaut. Es ist ja möglich, dass bei dem so eigentümlich gebauten
Verdauungscanal des Pferdes auch die Celluloseverdauung erst weiter¬
hin im Darm vor sich geht und dass die Darmsäfte noch eine beson¬
dere Rolle dabei spielen.
Auch diese Versuche mit ihren negativen Resultaten werden aber
die Richtigkeit der analytischen Untersuchungsmethode wiederum er¬
kennen lassen, welche die an sie gestellte Frage, ob Cellulose durch
Verdauungsflüssigkeit gelöst sei oder nicht, in bestimmtester Weise
beantwortet.
Beim Rückblicken auf vorliegende Untersuchungen ist, wie
billigcrweise zugestanden werden kann, das Möglichste geschehen, um
die gestellten Fragen über die Celluloseverdauung auf dem Wege
künstlicher Verdauung in rein empirischer Weise zu lösen. Durch
Versuch 1—8 mit den Verdauungsflüssigkeiten des Schafes ist denn
auch nachgewiesen, dass die Celluloseverdauung im Pansen vor sich
geht und dem gemischten Speichel die Function zufällt, diese
verdaulich zu machen.
Dieser Nachweis würde völlig gesichert sein, wenn es möglich
gewesen wäre, gleichzeitig die dritte Frage über die Umwandlungen
eingehender zu studiren, welche die Cellulose, indem sic verdaulich
wird, durchmacht. Wie bereits einleitend angezeigt, war dies aber
nicht der Fall, obwohl man da, wo es anging, stets darauf bedacht
war, hierüber etwas auszukundschaften.
Bei Gras und Heu, sobald diese zur Verwendung kamen, fiel das
Verlangen darnach von selbst weg; bei angewandter Rohfaser konnte
man eher Resultate erwarten und ist der Versuch dazu nicht unter¬
blieben.
Dass man die quantitativ zu bearbeitende Rohfaser nicht dazu
benutzte, versteht sich von selbst, da man dadurch den sicheren Gang
der Analyse gestört haben würde; immer aber waren Einzelproben
der Rohfaser mit Speichel oder Pansenflüssigkeit im Brütofen einge¬
stellt, die man daraufhin untersuchte.
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Celluloseverdauung.
197
Oefters, aber nicht immer, gelang es, das zunächstliegende und
zu erwartende Umwandlungsproduct der Cellulose, d. i. Zucker, mit
Hülfe der Trommerschen oder Fehling’schen Zuckerprobe, unter Ein¬
haltung der von Hoppe-Seyler gegebenen Massregeln, in den Spei*
chel- oder Pansenflüssigkeitsauszügen der Rohfaser nachzuweisen; die
Zuckerreaction war aber schwach, eine quantitative Messung unmög¬
lich. Dabei blieb der Zweifel nicht ausgeschlossen, ob der nachge¬
wiesene Zucker Umwandlungsproduct der Cellulose oder der die Roh¬
faser incrustirenden Substanzen sei, ob die Säfte diese Umwandlung
bewirkt und nicht Wasser allein schon bei saurer Reaction gewisse
Stoffe der Rohfaser, die nicht Cellulose sind, in Zucker urazuwandeln
vermag? denn das Wasser von saurer Reaction, worin Rohfaser so
lange gelagert (Versuch 7), zeigte Zuckerreaction, wenn auch, schwach.
Es könnte wohl auch die Cellulose nicht in Zucker, sondern in
Kohlenwasserstoff 1 ) und Kohlensäure bei ihrer Umwandlung
zerfallen; letztere tritt bei der Digestion der Säfte mit der Rohfaser
im Brütofen stets auf und ist nachgewiesen worden, aber die Frage
nicht gelöst, ob die C0 2 der Cellulose, den diese incrustirenden Sub¬
stanzen oder den Verdauungsflüssigkeiten selbst entstammt.
Kurz, es erscheint durchaus nothwendig, die Lösung dieser dritten
Frage bei der Celluloseverdauung durch gesonderte Versuche zu ver¬
suchen; doch dürfte es sehr rathsam sein, nicht eher darauf ein¬
zugehen, bis nicht der Weg gefunden, ganz reine, von allen fremd¬
artigen Stoffen freie Cellulose darzustellen, die dabei den Charakter
ihrer natürlichen Beschaffenheit im physikalischen wie im chemischen
Sinne nicht verliert.
l ) L. Popoff, Ueber Sumpfgasgährung. Pflüger’s Archiv f. d. gesamrate
Physiologie, Bd. X, S. 113 —117.
7
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vm.
lieber die Pilze der normalen Kuhmiloh.
Von
Georg Alfred Müller,
Künigl Sachs. Amtsthierarzt in Leipzig.
(Hierzu T»f. II, Fig. 1-6.)
In der normalen Kuhmilch wurden bis jetzt verschiedene Pilz¬
formen gefunden. Zuerst entdeckte Pasteur (Compt. rend. de l’Ac.
de Paris, 1864) in der in Säuerung übergehenden Kuhmilch kleiue,
mikroskopische Lebewesen (Champignons) mit kurzen, in der Mitte
schwach eingeschnürten Gliedern, und nahm, durch verschiedene Ver¬
suche dahin geführt, an, dass diese Pilze als „Ferment lactique“ wirk¬
ten, d. h. den Milchzucker in Milchsäure umwandelten.
Zwei Jahre später trat Prof. v. Hessling in Virchow’s Archiv,
Band XXXV, mit einer Arbeit über den Pilz der Milch hervor, welche
in den weitesten Kreisen gerechtes Aufsehen erregte. Derselbe fand
* stets lange vorher, ehe das Sauerwerden der Milch dem Geschmack
merklich wird“, vereinzelte blasse, rundliche und längliche Körperchen,
bisweilen in Begleitung scharf punktirter, „als Vibrionenlager gedeu¬
teter“ Masse; ferner Sporen, welche 0,002—0,01 Mm. lang, 0,00045
bis 0,025 Mm. breit, raattweiss, schwach conturirt, oft fein granulirt,
in der Jugend oval, im ausgewachsenen Zustande fast rechteckig sind,
im Innern Vacuole mit Kern oder blos den Kern aufzeigen, immer
mehr und mehr an Menge zunehmen, Sprossen* treiben, verästelte
Ketten bilden und theilweise zu wirklichen, nicht selten mit körnigem
Inhalt und mit Scheidewänden und Einkerbungen versehenen Pilzfaden
von 0,002—0,0065 Mm. Dicke heranwachsen, Verästelungen bilden,
Fructificationsorgane hervorkeimen lassen u. s. w.
v. Hessling nimmt nun an, dass dieser Pilz, der ja unstreitig
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Pilze der normalen Kuhmilch.
199
das unter die Haplomyceten oder Schimmelpilze gehörige Oidium
lactis ist, als Milchsäurcferraent wirke und vermuthet, dass die
zuerst in der Milch auftretenden, scharf punktirten, als Vibrionenlager
gedeuteten Massen zu dem in seiner grössten Ausbildung als dicht ver¬
filzte Mycelienlager mit zahllos untermischten Sporen und wirklichen
Fructificationsorganen sich zeigenden Milchpilz in gewissem genetischen
Zusammenhänge ständen und zwar seine Uranfänge darstellten.
Im Jahre 1872 fand Cohn (Beiträge zur Biologie der Pflanzen,
1872, Heft 2) in säuernder Milch nicht nur die Pasteur’schen Ferment¬
pilze, welche er geneigt ist als Bacterium termo anzusehen, sondern
ausserdem noch kugelige Zellchen, denen des Harnferments nicht un¬
ähnlich und, wie diese, in Rosenkranzketten aus 2, 4, 8 und mehreren
Gliedern in Torulaform zusammenhängend, und glaubt, eher diese Schi-
zomyceten als eigentliches Ferment der Milch betrachten zu müssen.
Es hat sich nun ein Streit darüber erhoben, ob diese von Cohn
wie von Pasteur gefundenen, jetzt unter die wahren Bacterien ge¬
zählten Pilzorganismen in irgend einem genetischen Zusammenhänge
zu dem in jeder sauren Milch auftretenden, von v. Hessling zuerst
genau beschriebenen Oidium lactis zu bringen seien, oder ob sämmt-
liche Formen per se existirten und nichts mit einander zu thun hätten.
Vertreter der ersteren Annahme ist hauptsächlich Hallier, welcher
überhaupt, gestützt auf zahlreiche, von ihm genau verfolgte Culturen,
Mikrococcen, Hefezellen und Schimmelpilze in eine Entwickelungsreihe
bringt. Die bei weitem grösste Anzahl der Gelehrten, besonders
Nägeli (Die niederen Pilze u. s. w., München, 1877), nimmt dagegen
an, dass die Schizomyceten mit den Schimmelpilzen in keinerlei Zu¬
sammenhang stehen und weder Schimmelpilze erzeugen, noch aus den¬
selben hervorgehen können. Nach dieser Ansicht würden also sowohl
das Pasteur’sche Ferment lactique, als die von Cohn gefunde¬
nen Mikrococcen Pilzformen eigener Art sein und mit Oidium lactis
durchaus keine nähere Verwandtschaft haben.
Ich habe im Laufe des verflossenen Sommers eine Reihe von
Untersuchungen normaler Kuhmilch vorgenommen, mich jedoch dabei
nicht, wie es bis jetzt ausschliesslich nur geschehen ist, darauf be¬
schränkt, in offenen Gefassen auf bewahrte Milch in kurzen Zwischen¬
räumen zu untersuchen, sondern ich habe — und darauf möchte ich
das Hauptgewicht legen — Milch vom verschiedensten Alter culti-
virt. Zum Zweck der Culturen benutzte ich Object träger, in denen
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200
MUELLER,
eine flache Vertiefung (Kammer) ausgeschliffen war. Diese Object¬
träger wurden flüchtig in Wasserdämpfe gehalten, so dass sich in der
Kammer einige Tropfen Wasser (welches in Folge seiner Herstellung
absolut rein sein musste) ansammelten. Hierauf wurde eine minimale
Quantität der zu untersuchenden Milch auf ein dünnes Deckgläschen
gebracht, dasselbe über die Kammer gestürzt und mit Canadabalsam
derartig umzogen, dass die Kammer gegen die Aussenwelt vollständig
abgeschlossen war.
Ich habe in dieser Weise zahlreiche Culturen vorgenomraen und
werde die dabei gemachten Beobachtungen in Nachstehendem mit¬
theilen. Vorausschicken muss ich jedoch, dass die in der Kammer
stattfindenden Vegetationsvorgänge zwar im Grossen und Ganzen mit
denjenigen übereinstimmten, welche in offen auf bewahrter Milch statt¬
fanden, dass sie dagegen einen ausserordentlich langsamen und zum
Theil sehr unvollständigen und kümmerlichen Verlauf nahmen, welches
wohl den ja immerhin sehr mangelhaften Nutritionsverhältnissen in
den Culturkammern zugeschrieben werden musste.
1. Culturreihe.
Wenn man Milch sowohl kurz nach dem Abmelken, als auch in
einem Alter von nicht über 24 Stunden (vorausgesetzt natürlich, dass
sich letztere in einem kühlen Aufbewahrungsorte befunden hat) unter¬
sucht, so kann man in ihr nicht die geringsten Pilzelemente nach-
weisen. Man kann sich die betreffende Untersuchung sehr dadurch
erleichtern, dass man den auf den Objectträger gebrachten Milch tropfen
mit etwas Essigsäure versetzt. Es werden dann die Milchkügelchen
fast vollständig verschwinden und nur etwa vorhandene Pilzorganis-
raen — neben Caseingerinnseln etc. — Zurückbleiben, welche man
dann durch Färben mit Gentianaviolett dem Auge deutlicher machen
kann. Es wurde nun derartige, vollkommen pilzfrei befundene Milch,
und zwar solche im Alter von 2, 12 und 24 Stunden, auf die oben
angegebene Weise in feuchte Kammern eingeschlossen und in kurzen
Zwischenräumen unter dem Mikroskop (Zeiss, Systeme e und f) unter¬
sucht. Es ergab sich dabei Folgendes:
Als die in den Kammern eingeschlossene Milch ein Alter von
72—96 Stunden (von der Zeit des Abmelkens an gerechnet) erreicht
hatte, traten, anfangs vereinzelt, sehr schnell — in wenigen Stunden
— an Menge zunehmend, Mikrococcen auf, welche eine äusserst leb-
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Pilze der normalen Kuhmilch.
201
hafte (moleculare?) Bewegung zeigten, besonders sich nicht selten mit
enormer Schnelligkeit um ihre Axe drehten und sich mitunter zu 2,
selbst 4 Gliedern vereinigten (Taf. II, Fig. la). Hin und wieder be¬
merkte man unter der Menge dieser sich lebhaft bewegenden Mikro¬
organismen vereinzelte, etwas grössere Pilzelemente, welche eine ovale
Gestalt hatten, in der Mitte wie eingeschnürt schienen (Taf. H, Fig. 1 b)
und vermuthlich den von Pasteur gefundenen Organismen entspra¬
chen. Ob dieselben aus Diplococcen durch einfache Aufquellung des
Inhalts und massige Längsstreckung entstanden waren, vermochte ich
nicht festzustellen. Jedenfalls unterschieden sie sich vom Bacterium
termo ganz wesentlich. Die Beweglichkeit dieser gesaramten Mikro¬
organismen dauerte ungefähr 60—80 Stunden.
16—30 Stunden nach dem ersten Auftreten der Micrococcen bil¬
dete sich in sämmtlichen Culturen innerhalb der von den Michkügel-
chen offen gelassenen Zwischenräume eine aus runden, unbeweglichen
Mikrobacterien bestehende, gleichmässige Zoogloea (Taf. II, Fig. 2),
welche sich auffallend schnell vergrösserte, bald die meisten Zwischen¬
räume ausfüllte und die beweglichen Pilzformen zum grossen Theil
verdrängte, resp. dieselben scheinbar in sich aufnahm.
Nachdem die Zoogloea ihre vollständige Ausbildung erlangt hatte,
verlor sie allmälig ihre scharfe Conturirung, so dass die einzelnen
Mikrobacterien nicht mehr scharf unterschieden werden konnten. Wäh¬
rend dieselben anfangs ganz gleichmässig im Zoogloeaschleim vertheilt
gewesen waren, bildeten sich jetzt vielmehr Haufen von 15 oder mehr
Bacterien; dieselben ballten sich zusammen und schienen in einander
überzufliessen und ein Ganzes zu bilden. Schliesslich hatte sich die
ganze Zoogloea in eine Anzahl von ovalen, ca. 0,002 Mm. breiten,
0,003 Mm. langen, granulirten Körperchen (Taf. n, Fig. 3) verwandelt,
welche eine ausserordentliche Aehnlichkeit mit den Sporen hatten,
welche sich aus den Fruchthyphen des Oidium lactis abschnüren. Zu
dieser Procedur gehörte stets eine Dauer von mehreren Wochen. Ich
kann nicht unterlassen zu bemerken, dass diese, wie ich sie nennen
möchte, progressive Metamorphose stets nur einen kleinen Theil
der Zoogloeahaufen befiel, während die übrigen Haufen zwar auch ihre
scharfe Conturirung verloren, aber sich nicht zu zellähnlichen Körper¬
chen zusammenballten, sondern unter Zurücklassung einiger ölartiger
Tropfen zu verschwinden schienen. Es war dies jedenfalls der Vor¬
gang, welchen Cohn als Zeichen des Absterbens betrachtet und wel¬
cher eintritt, wenn die Nahrungsstoffe der Flüssigkeit erschöpft sind.
krchiv i, witsenteh. u, pr&kt. Thierheük. VII. 3. 14
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202 MUELLER,
Verauthlich haben sich jene lebensfähigeren Pilzhaufen auf Kosten
dieser weiter ausgebildet.
2. Culturreihe.
Wenn man in offenen Gefässen auf bewahrte, 30—48 Stunden
alte Milch unter dem Mikroskop untersucht, so findet man Mikro-
coccen, oft zu 2, 3, niemals aber mehr als zu 4 Gliedern vereinigt,
und ausserdem vereinzelt jene ovalen, in der Mitte eingeschnürten
Organismen, welche dem Ferment lactique Pasteurs zu entsprechen
scheinen. Es wurde nun derartige Milch im Alter von 30, 36 und
48 Stunden in feuchte Kammern eingeschlossen. Der in diesen statt¬
findende Vorgang zeigte durchaus nichts Bemerkenswerthes. Sehr bald
— viel schneller als bei der 2—24 Stunden alten Milch — Auftreten
von Zoogloea und Zerfliessen derselben in ovale, granulirte Körperchen.
3. Culturreihe.
Ein viel überraschenderes Resultat wurde durch Cultivirung von
60 Stunden alter Milch erzielt. In dieser Milch waren, wie die vorher
vorgenommene mikroskopische Untersuchung ergab, sowohl bewegliche
als auch hauptsächlich ruhende Mikrococcen vorhanden. Die Zoogloea
war ausserordentlich massig vertreten nnd hatte zum grossen Theil
ihre scharfe Conturirung bereits verloren und ein mehr verschwom¬
menes, unregelmässiges Aussehen. Bestandtheile von Oidiura lactis
waren durchaus nicht aufzufinden.
Es bildeten sich nun im Verlauf von einigen Wochen an ver¬
schiedenen Stellen der Präparate aus der Zoogloea 0,001—0,003 Mm.
breite und 0,005—0,02 Mm. lange, stark granulirte Zellen von fast
rechteckiger Gestalt (Taf. II, Fig. 4), welche in ihrem Innern sehr
bald einige kleine, stark glänzende Bläschen (Vacuolen?) erkennen
Hessen. Die Entwickelung dieser Zellen war äusserst interessant. Die
Mikrococcen der Zoogloea lagerten sich zu Ketten aus 8 und mehr
Gliedern zusammen; die auf diese Weise gebildeten Ketten legten sich
neben einander, ihre einzelnen Gliederchen wurden undeutlich und es
glich dann das Ganze einer langgestreckten, granulirten Protoplasma¬
masse, welche nach allen Seiten aufzuquellen schien und schliesslich die
oben angegebene Grösse erreichte. Dann verschwand vom Rande her
nach und nach die Granulirung und es entstand eine homogene Zone,
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Pilze der normalen Kuhmilch.
203
welche als Zellenmembran angesehen werden musste. Mehrere der
so gebildeten Zellen, welche unbedingt als entwickelungsfähige Sporen
des Oidium lactis aufgefasst werden mussten, wuchsen in einen dürf¬
tigen, kaum ihre zweimalige Länge erreichenden Keimschlauch aus,
welcher spitz zulief und sehr stark granulirt war (Taf. II, Fig. 5).
In gleichem Masse, wie dieser Keimschlauch wuchs, verschwand die
Granulation im Innern der Zelle (Spore), die Vacuolen vergrösserten
sich und die Membran trat deutlicher hervor.
4. Culturreihe.
Es wurde von nun ab Milch verwendet, welche neben — aller¬
dings mehr vereinzelt auftretenden — beweglichen Mikrobacterien und
sehr zahlreicher Zoogloea Oidium lactis in verschiedener Ausbildung
enthielt. Leider wollte es mir nicht gelingen, in meinen Culturen
eine halbwegs instructive Vegetation von Oidium lactis zu erzeugen.
Es fand zwar in der Regel eine sehr lebhafte Mycelentwickelung statt,
das Mvcelium erzeugte aber keine Fruchthyphen, sondern verhielt sich
unverändert und zeigte selbst nach monatelanger Frist keine Form¬
veränderung mehr. Suchte ich andererseits Mycelium mit schon ent¬
wickelten Fruchthyphen zu cultiviren, so zerfielen letztere sehr schnell
in zahlreiche ovale Zellen, welche ebenfalls gänzlich unverändert
blieben.
Es dürfe daher müssig sein, die einzelnen Culturen namentlich
aufzuzählen. Es genüge mir, das Gesammtresultat raitzutheilen.
Das eigentliche Wachsthum des Oidium lactis beginnt mit der
Entwickelung eines Myceliuras. Letzteres entwickelt sich aus einer
keimfähigen Spore, über deren Bildung die 3. Culturreihe Aufschluss
gegeben hat. Die keimfähigen Sporen haben stets eine fast recht¬
eckige Gestalt und variiren in ihrer Grösse nicht unbeträchtlich.
Während diejenigen Sporen, welche sich in offen auf bewahrter Milch
entwickelten, eine Länge von 0,0*2 Mm. und eine Dicke von 0,005 Mm.
erreichten, waren die in Culturen gezogenen keimfähigen Sporen in
den meisten Fällen bedeutend dürftiger. Die Sporen selbst sind matt-
weiss, stets granulirt und zeigen in der Regel in ihrem Innern einen
oder einige glänzende Hohlräume (Vacuolen), welche anfangs klein
sind, später aber immer grösser werden.
Aus dem einen Ende dieser keimfähigen Sporen wachsen nun
sehr schnell schlauchförmige, stark granulirte Keimschläuche hervor,
14*
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204
MÜELLER,
welche ihrem ganzen Verlauf nach von gleichmässiger Dicke sind und
nur nach dem Ende zu sich zu einer stumpfen Spitze verjüngen. In
diese Schläuche fliesst das gesammte Plasma der Sporen über, so dass
die Vacuolen der letzteren beträchtlich an Umfang zunehmen und das
Plasma sich nur noch auf einige kümmerliche Reste beschränkt. Die
auf diese Weise entstandenen Keimschläuche wachsen, sobald sie sich
in günstigen Nutritionsverhältnissen befinden, sehr schnell in die Länge,
verästeln sich nach den verschiedensten Richtungen hin und bilden so
ein dichtes Mycelium. Keimschläuche wie Mycelfaden theilten in den
Culturen sehr bald das Schicksal der Sporen, aus denen sie hervor¬
wuchsen; sie bekamen in ihrem Innern unter Verschwinden des Plas¬
mas zahlreiche Vacuolen, welche an Grösse Zunahmen, so dass dadurch
oft Einschnürungen vorgetäuscht. wurden.
Den weiteren 'Entwickelungsgang des Oidium lactis konnte ich
durch Culturen leider nicht beobachten. Er ist nach den Beobach¬
tungen von v. Hessling, Frank und Anderen, sowie nach den
Untersuchungen, welche ich selbst vorgenommen habe, ohne Culturen
anzustellen, folgender: Aus dem Mycelium wachsen — oft in sehr
grosser Zahl — Fruchthyphen heraus, welche stets als Zweige vom
Mycelium entspringen und sich anfangs durch Spitzenwachsthum ver¬
längern. Wenn diese Hyphen eine gewisse Länge erreicht haben,
produciren sie durch kettenförmige Abschnürung ovale, ca. 0,002 Mm.
breite und 0,003 Mm. lange Sporen (Conidien), worauf sie in schiefer
Richtung weiter wachsen und nach kurzer Zeit abermals Sporenketten,
welche leicht in ihre einzelnen Gliederchen zerfallen, abschnüren
(Taf. II, Fig. 6, das Wachsthum von Oidium lactis, halb-schematisch
dargestellt: a Mycelium; bb Fruchthyphen, Ketten von Sporen [cc]
abschnürend, neben welchen die Fruchthyphen [dd] als Seitenzweige
fortwachsen; ee ältere, in der Flüssigkeit vertheilte Sporen). ¥
Ob nun diese Sporen, welche man dann allenthalben in der
Flüssigkeit vertheilt findet, schon Keimfähigkeit besitzen, oder ob
sie erst eine gewisse Metamorphose eingehen müssen, um sie zu
erlangen, das zu entscheiden ist mir unmöglich. Die in den Cul¬
turen aus Zoogloea sich bildenden keimfähigen Sporen (siehe 3. Cul-
turreihe) waren stets bedeutend grösser, langgestreckt und fast
rechteckig.
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Pilze der normalen Kuhmilch.
205
5. Culturreihe.
In drei, vollständig neue und der Sicherheit halber vorher noch
mit destillirtem Wasser ausgespülte Arzneigläser mit gut eingeschlif¬
fenen Glasstöpseln wurde von einer absolut gesunden Kuh, deren
Zitzen rein abgewaschen waren, Milch gemolken, und zwar so, dass
sie bis zum Ueberlaufen gefüllt waren. Darnach wurden die Glas¬
stöpsel fest aufgedrückt und die Gläser mit ihrem oberen Dritttheil
in geschmolzenes Siegellack getaucht, so dass die Milch im Innern
hermetisch von der Aussenwelt abgeschlossen war. Von diesen Flaschen
wurde die eine nach 3 Tagen geöffnet und die in ihr enthaltene Milch
vollständig unverändert befunden. Die zweite Flasche wurde nach 6
Tagen geöffnet; die in ihr enthaltene Milch war geronnen und ent¬
hielt sowohl Mikrococcen, welche sich hin und wieder zu 2—4 Glie¬
dern vereinigten, als auch die etwas grösseren, in der Mitte wie ein¬
geschnürt erscheinenden Mikroorganismen. Die dritte Flasche wurde
nach 12 Tagen geöffnet und es ergab sich bei der sofort vorgenom-
inenen Untersuchung, dass die Milch vollständig geronnen war und
sowohl bewegliche Mikrobacterien und Zoogloea in grosser Menge ent¬
hielt, als auch zahlreiche langgestreckte, rechteckige Oidiumsporen
(wie sie von mir in der 60 Stunden alten Milch gezüchtet worden
waren), welche zum Theil ein allerdings dürftiges Mycelium getrieben
hatten.
Ziehen wir nun aus dem Gefundenen einen Schluss, so müssen
wir entgegen der zur Zeit herrschenden Ansicht zugestehen, dass die
bald nach dem Abmelken in der Milch auftretende Zoogloea den Ur¬
anfang des Oidium lactis darstellt, und dass die von Prof. v. Hess¬
ling 1866 ausgesprochene Vermuthung, dass die von ihm in der Milch
gefundenen, scharf punktirten, als Vibrionenlager gedeuteten Haufen
zu dem später in seiner vollsten Ausbildung auftretenden Milchpilz
(Oidium lactis) in genetischem Zusammenhänge stehen, vollständig
zutreffend war. Ob nun jene einige Zeit vor Auftreten der Zoogloea
sich bemerklich machenden beweglichen Schizoraycetenformen per sc
existiren oder ob sie zur Bildung der Zoogloea mit beitragen, das
festzustellen war mir nicht möglich und muss späteren Untersuchungen
Vorbehalten bleiben.
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206
MUELLER, Pilze der normalen Kuhmilch.
Wie die Pilzformen der normalen Milch nur durch Culturen ihrer
eigentlichen Natur nach erforscht werden konnten, so wird es auch nur
durch Culturen möglich sein, festzustellen, ob der in der blauen Milch
vorkommende Vibrio cyanogenus, der in der gelben Milch beobachtete
Vibrio xanthogenus und der in der rein-bitteren (nicht faulig-bitteren)
Milch von mir gefundene Vibrio selbstständige Gebilde sind, oder ob
sie mit Oidium lactis in genetischem Zusammenhänge stehen.
Durch die letzte Culturreihe ist schliesslich die Frage, ob die
Pilzkeime schon im Euter der Kuh sich befinden, oder ob sie erst
nach dem Abmelken aus der Atmosphäre in die Milch gelangen,
wenn auch nicht endgültig gelöst, so doch ihrer Lösung bedeutend
näher gerückt. Ich lebe der Hoffnung, dass es mir noch vergönnt
sein werde, ein Instrument zu erfinden, vermittelst dessen man aus
dem Euter Milch entnehmen kann, ohne dass dieselbe irgendwie mit
der Atmosphäre in Berührung kommt; denn nur so wird es möglich
sein, auf obige Frage eine erschöpfende Antwort zu geben.
Zum Schluss dieses Aufsatzes sei es mir erlaubt, Herrn Prof.
Dr. Zürn für die ausserordentliche Liebenswürdigkeit, mit welcher
derselbe mir nicht nur bei dieser Arbeit, sondern überhaupt bei allen
meinen Studien mit Rath und That zur Seite gestanden hat, meinen
verbindlichsten Dank abzustatten.
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IX.
Ueber zwei Fälle von Enohondrom.
Von
Janson«
(Hierzu Taf. H, Fig. 7.)
Den Geschwülsten der Hansthiere ist erst in neuerer Zeit eine
grössere Aufmerksamkeit zugewendet worden. Die weitere Erforschung
dieses Gebietes kann nur zu einem befriedigenden Resultat führen,
wenn die zur Beobachtung kommenden krankhaften Neubildungen,
welche sowohl in Bezug auf Anzahl wie auch Mannigfaltigkeit den
beim Menschen auftretenden nicht nachstehen, objectiv beschrieben
und bekannt gemacht werden.
Dies ist die Veranlassung zur Veröffentlichung der nachstehenden
beiden Fälle von Knorpelgeschwülsten. Den ersten Fall hat Prof.
Schütz im Demonstrationscursus ausführlich besprochen und mir die
Veröffentlichung gütigst überlassen. Der zweite Fall wurde bei einem
Hunde ermittelt, der dem Spital der Thierarzneischule zu Berlin zur
Behandlung übergeben worden war.
1. Enchondroma cysticum ossificans in der Unterhaut
beim Rinde.
Der Vorsteher des städtischen Schlachthofes zu Düsseldorf, Herr
Thierarzt Hesse, fand beim Schlachten einer Kuh in der linken
Flankengegend zwischen Haut und Bauchdecken eine Geschwulst,
welche die ganze Hungergrube ausfüllte. Sie reichte bis zu den Quer¬
fortsätzen der Lendenwirbel und ragte fingerdick über die Körper¬
oberfläche hervor. Vor der letzten Rippe war eine Incision in die
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208
JANSON,
Geschwulst gemacht worden. Aus der Oeffnung trat Blutserum her¬
vor, und die Umgebung derselben war apfelgross angeschwollen. Bei
den vorgenommenen Palpationen zeigte die Geschwulst, welche sich
nicht verschieben Hess, grosse Härte und eine höckerige Beschaffen¬
heit der Oberfläche. Das linke Nierenpolster war atrophisch. In dem
Fettüberzuge des Magens fanden sich sternförmige, weisse, krystall-
artige Knoten mit concentrischer Schichtung und spitzen Fortsätzen
bis zur Grösse einer kleinen Wallnuss. In den Lungen und Kehl¬
gangsdrüsen zeigten sich ähnliche Zustände.
Das Thier befand sich in einem sehr guten Ernährungszustände
und hatte 500 Kilo Schlachtgewicht.
Soweit der Bericht, welchen H. mit dem Tumor und Theilen der
Lungen und Drüsen dem pathologischen Institut der hiesigen Anstalt
übermittelte.
Die makroskopische Untersuchung der Geschwulst, welche 45 Ctm.
lang, 35 Ctm. breit und 25 Ctm. dick war und ein Gewicht von
28 Kilo hatte, ergab folgendes Resultat:
Die Oberfläche des Tumors ist zum Theil mit der Unterhaut,
zum Theil mit dem Zwerchfell und den Bauchmuskeln verbunden.
Der vordere Theil schliesst die mittlere Partie der beiden letzten
Rippen der linken Seite vollständig ein. Die von den genannten
Theilen nicht bedeckte Oberfläche zeigt erbsen- bis hühnereigrosse
Erhabenheiten, welche ihrerseits wieder eine maulbeerartige Beschaffen¬
heit haben. Es ist deutlich eine hintere und eine äussere Fläche an
der Geschwulst zu unterscheiden; erstere ist glatt und theil weise mit
den Bauchmuskeln verbunden, letztere ist von der Subcutis bedeckt.
Die innere, vordere und obere Fläche gehen in einander über; die
hierdurch gebildete gemeinschaftliche Fläche zeigt die bereits angege¬
bene höckerige Beschaffenheit. Das vordere Ende der Geschwulst,
welches schmaler ist als das hintere, tritt ein wenig über die 12.
Rippe hinüber; das hintere Ende wird von der genannten hinteren
Fläche begrenzt und reicht nach dem H.’schen Befunde bis an das
vordere Ende der linken Niere. Der untere Rand schliesst mit dem
unteren Rande der falschen Rippen ab, während der obere Rand bis
an die Haut in der linken Flankengegend reicht.
Ein horizontal durch die Mitte der Geschwulst gelegter Schnitt
ergiebt, dass sich im Innern derselben eine 23 Ctm. lange, 16—23
Ctm. breite und ebenso hohe Höhle befindet, welche mit trüber,
braunröthlicher Flüssigkeit, in der viele Gewebsfetzen und Knorpel-
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Enchondrom.
209
Überreste herumschwimmen, gefüllt ist. Durch diese Höhle gehen,
besonders durch die peripherischen Theile derselben, viele Bindegewebs-
züge, welche ihrerseits wieder viele mit einander communicirende klei¬
nere Höhlen bilden. Die Wand der Geschwulst ist vorn 22, unten 9,
oben 5 und hinten 6 Ctm. stark; der peripherische Theil derselben
erscheint blauweiss, während der centrale grauröthlich gefärbt ist.
Bei der Betrachtung der Schnittfläche finden sich viele kleine erbsen-
bis maulbeergrosse Herde, welche eine bläulichweisse Farbe zeigen,
die im Centrum vielfach von todtweissen, unregelmässigen Flecken
unterbrochen wird. Diese Herde entsprechen ebenso grossen, festen
Neubildungen, zwischen welchen deutlich mehr oder weniger starke
Bindegewebszüge verlaufen, so dass die ganze Geschwulst eine voll¬
kommen lobuläre Einrichtung hat. Ausserdem zeigen sich, besonders
im hinteren Theil der Geschwulst, wallnuss- bis hühnereigrosse Ab¬
theilungen, welche auf dem Durchschnitt matt grauweiss gefärbt sind
und zum Theil eine ähnliche Beschaffenheit zeigen, wie die Substantia
spongiosa der Knochen. Diese Geschwulstpartien sind so fest, dass
sie sich kaum schneiden lassen; sie sind nicht scharf begrenzt und
gehen allmälig in die übrige Geschwulstmasse über.
In den vorliegenden Lungentheilen ist das Parenchym von einer
unendlich grossen Anzahl von erbsen- bis haselnussgrossen, massig
festen, genau begrenzten und innig mit dem Parenchym verbundenen
Knoten durchsäet. Auf dem Durchschnitt zeigen diese Knoten eine
gleichmässige, bläulich-weisse Farbe; im Centrum derselben finden
sich häufig Höhlen, welche mit schleimiger Flüssigkeit gefüllt sind.
Aehnlich verhalten sich die Drüsentheile, in welchen Knoten von
gleicher Beschaffenheit nachweisbar sind.
Die mikroskopische Untersuchung ergiebt, dass die Knoten der
grossen Geschwulst vorwiegend aus hyalinem Knorpelgewebe bestehen;
nur bei einzelnen lässt sich hin und wieder in der peripherischen
Zone auch Faserknorpel nachweisen. Die einzelnen Knoten sind von
einer bindegewebigen Hülle umgeben, die dem Perichondrium ent¬
spricht; an der Grenze derselben ist der Uebergang von Bindegewebs¬
zellen in Knorpelzellen deutlich zu erkennen. In dem Knorpelgewebe
selbst wird häufig eine grössere Anzahl von Knorpelzellen angetroffen,
die von einer gemeinschaftlichen Kapsel umgeben sind. Die im Cen¬
trum der Knoten auftretenden todtweissen Stellen erscheinen unter
dem Mikroskop schwarz. Nach Zusatz von Salzsäure entwickeln sich
Gasblasen, das Gesichtsfeld wird allmälig durchsichtig und zeigt
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210 JANSON,
schliesslich dieselbe histologische Einrichtung, wie die peripherische
Zone.
Die ganz festen Abtheilungen, an denen schon makroskopisch
ein der Substantia spongiosa ähnlicher Bau nachgewiesen werden
konnte, zeigt nach Behandlung mit Salzsäure ein deutliches Gerüst
von Knochenplättchen, in denen mikroskopisch das Vorhandensein von
Knochenkörperchen festgestellt werden kann.
In der Flüssigkeit, welche in der Höhle der grossen Geschwulst
enthalten ist, finden sich viele rothe und weisse Blutkörperchen, Eiter-,
Schleim- und Knorpelzellen, Fettkörnchenzellen und Kugeln.
Die Knoten in den Lungen und Drüsen bestehen nach dem Re¬
sultat der mikroskopischen Untersuchung aus hyalinem Knorpel; die
Zellen desselben haben meist die charakteristische sternförmige Ge¬
stalt, von denen einzelne lange Ausläufer entsenden.
In dem Inhalt der Höhlen sind hier nur Knorpel- und Schleim¬
zellen nachzuweisen.
Auf Grund dieses Befundes liegt hier ein Enchondroma cysticum
ossificans der Unterhaut mit Metastasen in den Lungen und Lymph-
drüsen vor.
Aus der Beschreibung geht hervor, dass der Tumor in der linken
Flanke seinen Ursprung genommen hat und durch Bildung von acces-
sorischen Knoten allmälig nach innen und vorn gewachsen ist; denn
die Höhle und die Ossificationen finden sich im hinteren Theil der
Geschwulst und die accessorische Knotenbildung tritt besonders deut¬
lich an der vorderen und inneren Fläche des Tumors hervor.
Das Wachsthum der einzelnen Knoten geht theils von der dem
Perichondrium entsprechenden Kapsel durch Verwandlung der Binde¬
gewebszellen in Knorpelzellen, theils durch Theilung der einzelnen
Knorpelzellen vor sich.
Zu den mannigfachen Veränderungen, welche den neugebildeten
Knorpel betroffen haben, gehört vorerst die den todtweissen Stellen
entsprechende Verkalkung, welche ausschliesslich im Centrum der
Knoten aufgetreten ist. Die in den älteren Geschwulsttheilen erfolgte
Ossification erstreckt sich immer über mehrere Knoten und die da¬
zwischen liegenden Septa. Bei der weiteren Verbreitung dieses Pro-
cesses in der Peripherie scheinen letztere zuerst ergriffen zu werden.
Der Zerfall im Innern der Geschwulst erfolgt zuerst an dem
Knorpelgewebe, während die Septa längere Zeit Widerstand leisten.
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Enchondrom,
211
Der Process, welcher den Tumor im Innern zum Schmelzen bringt,
ist die fettige Metamorphose. Die Centren der Knoten in den Lungen
sind dagegen nur auf dem Wege der einfachen schleimigen Erwei¬
chung verändert worden.
2. Enchondrom im Wirbelcanal eines Hundes.
Am 14. Juni 1879 wurde dem hiesigen Spital für kleinere Haus-
thiere ein junger Dachshund mit dem Vorbericht zur Behandlung
übergeben, dass über Nacht ganz plötzlich eine Lähmung der hinteren
Körperhälfte aufgetreten sei.
Der Hund war munter, hatte guten Appetit und zeigte ausser
der Lähmung und wunden Stellen am Scrotum und an den Sprung¬
gelenken keine Krankheitserscheinungen.
Da der Zustand als unheilbar erachtet wurde, entschloss sich
am 26. Juni der Besitzer, den Hund vergiften zu lassen.
Die Obduction ergab folgenden Befund:
Die Organe der Brust- und Bauchhöhle zeigen keine Abweichun¬
gen; am Lenden- und Kreuzgeflecht sind keine krankhaften Verände¬
rungen nachzuweisen.
Nach Eröffnung des Wirbelcanals durch Abnahme der Wirbel¬
bogen findet sich in dem zwischen Dura mater spinalis und Wirbel¬
körper liegenden Fettgewebe, an der Stelle, wo der 4. und 5. Len¬
denwirbel zusammentreten, eine scharf begrenzte, ziemlich harte und
von einer bindegewebigen Hülle umgebene Neubildung, welche 2 Ctm.
lang, V 2 Ctm. breit und ebenso hoch ist. Sie liegt an der linken
Seite des Canals und ist durch lockeres Binde- und Fettgewebe mit
dessen unterer und äusserer Wand verbunden, während die obere und
innere Seite frei nach der Dura mater spinalis gerichtet ist, ohne an
derselben zu adhäriren. Die Oberfläche dieser Neubildung hat eine
grauweiss bis grauroth melirte Farbe und ist höckerig, nach oben
selbst kammartig hervortretend. Die beiden Enden, ein vorderes und
ein hinteres, sind kegelartig abgestumpft.
Die Dura mater und die darunter liegende Medulla spinalis
zeigen an der Stelle, wo die Neubildung liegt, Impressionen; beson¬
dere krankhafte Veränderungen sind indessen an diesen Theilen nicht
nachzuweisen.
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212
JANSON,
Auf dem Durchschnitt, welcher durch die Längsaxe der Ge¬
schwulst und der Wirbelkörper gelegt worden ist, zeigt sich, dass
erstere in der That nur durch Binde- und Fettgewebe mit den an¬
grenzenden Theilen verbunden ist; ein Zusammenhang des Tumors
mit der Intervertebralscheibe kann nirgend festgestellt werden; letz¬
tere ist vielmehr vollkommen intact.
Die Schnittfläche der Neubildung hat eine glatte, glänzende Be¬
schaffenheit; es wechseln auf derselben braunrothe und blauweisse
Felder von Hirsekorn- bis Linsenumfang und meist ungleichraässiger
Peripherie. Erstere finden sich vorwiegend am hinteren Theil und
haben sehr unregelmässige Grenzen; letztere treten besonders deutlich
im vorderen Theile auf und sind mehr circurascript.
Die weitere Prüfung ergiebt, dass die Geschwulst entsprechend
den auf der Schnittfläche sichtbaren Feldern eine sehr ungleich-
mässige Zusammensetzung hat. Sie zerfallt in eine Anzahl grösserer
oder kleinerer, unregelmässig gestalteter Abtheilungen, von denen die
blauweiss gefärbten Neubildungen von fester, glatter und glänzender
Beschaffenheit sind, während die dunkelrothen eine sehr bröckelige
Einrichtung erkennen lassen.
Die mikroskopische Untersuchung lehrt zunächst, dass von der
fibrösen Kapsel der Geschwulst bindegewebige Septa ausgehen, welche
den Tumor in viele kleine Lobuli theilen. Diese Lobuli bestehen
entweder aus Knorpelgewebe oder aus den bereits genannten bröcke¬
ligen Massen, in welchen noch hin und wieder Bindegewebe, Fett
und verändertes Blut nachgewiesen werden kann. Ausserdem finden
sich hier einzelne sehr kleine Herde von hyalinem Knorpel, welche
durch eine bindegewebige Kapsel so scharf begrenzt sind, dass sie
den Eindruck von selbstständigen Neubildungen machen. In diesen
Herden liegen die Knorpelzellen meist isolirt; sie zeigen deutlich
einen grossen Kern und sind von einer Kapsel umgeben. Die gleich-
massige homogene Grundsubstanz hat eine blasse, gelb-röthliche
Färbung.
Die vorwiegend aus Knorpelgewebe bestehenden Lobuli, welche
den blauweissen Stellen entsprechen, bestehen theils aus hyalinem,
theils aus Faserknorpel, welche entweder allmälig in einander über¬
gehen oder scharf von einander getrennt sind. An den meisten
Stellen zeigten sich alveolar eingerichtete Räume, die durch ein binde¬
gewebiges Gerüst gebildet werden und in denen die Knorpelzellen
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Enchondrom.
213
liegen. Dieselben sind entweder in grösserer Anzahl von einer ge¬
meinschaftlichen Kapsel umgeben, in der einzelne Zellen wieder von
einer besonderen Kapsel umschlossen werden, oder sie treten zerstreut
sowohl zwischen diesen Conglomeraten oder in den Bindegewebszügen
und Balkengerüsten auf.
Krklarug der Abbildug.
Schnitt aus dem Enchondrom des Wirbelcanals. Vergr. 350.
a) Peripherische Schicht, aus Bindegewebe bestehend.
b) Knorpelgewebe.
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X.
Panzerartiges Sarooma medulläre von dem Psalter eines
Rindes.
Von
Ei Pauli,
Assistenten am pathol. Institut der Kgl. Thierarzneischule zu Berlin.
(Hierau Taf. II Fig. 8 u. 9.)
Aus der hiesigen ambulatorischen Klinik wurden dem patholo¬
gischen Institut Organe, bestehend aus den vier Magenabtheilungen
mit dem Schlunde einer Kuh zugesandt, welche nach Aussage des
Besitzers sich seit längerer Zeit schlecht genährt, seit 14 Tagen keine
Fresslust und bedeutende Schwäche gezeigt habe. Das Thier wurde
geschlachtet und bei der Section an den nicht zugesandten Organen
Alles in normalem Zustande vorgefunden.
Die anatomische Untersuchung der Magenabtheilungen ergiebt eine
auffallende Abweichung am Psalter. Es handelt sich bei letzterem
um die Entwickelung einer Geschwulst im subserösen Gewebe, welche
diese Magenabtheilung nach Art eines Panzers umschliesst und eine
hiermit in Verbindung stehende Hypertrophie ihrer Wandungen.
Diese Neubildung scheint selten zur Beobachtung gekommen zu
sein, wenigstens liegt in der Literatur keine Beschreibung derselben
vor. Brennekara hat im Magazin für Thierheilkunde, 35. Jahrg.,
3. Heft, einen „Scirrhus“ beschrieben, der in ähnlicherWeise den
Labmagen umschloss und eine Verdickung in den Wänden des letz¬
teren bis zu 3 Zoll veranlasst hatte. Semmer-Dorpatkennt einen
Fall von Sarcombildung an dem Darmcanal eines Rindes, welcher
ebenfalls eine Hypertrophie der Wandungen bedingt hatte. Eine ähn-
l ) Oesterreich. Vierteljahrsschr., Bd. XL.
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Panzerartiges Sarcoma medulläre.
215
liehe Neubildung — Rundzellensarcom — wurde im pathologischen
Institut der Königl. Thierarzneischule zu Hannover am Digestions¬
apparat einer Kuh gefunden 1 ). Ferner liegen noch Beobachtungen
über „carcinomatöse und fibröse“ Neubildungen am Digestionsapparat
des Rindes vor 2 ).
Herr Prof. Schütz stellte den Bau der vorliegenden Geschwulst
fest und bezeichnete sie mit Rücksicht auf Form und Lage als „ panzer-
artiges Sarcom“ (Sarcoma capsulare).
Die Haube und der Pansen bieten weder in ihrer Wandung noch
auf ihrer Schleimhaut etwas Abnormes dar; ebenso ist der Schlund
mit Ausnahme einer leichten Dilatation vollkommen normal. In der
Schleimhaut des Labmagens lässt sich eine diffuse, helle Röthung,
welche mit einer leichten Schwellung der Schleimhaut verbunden ist,
nachweisen. Die venösen Gefasse zeigen eine nur schwache Injection.
Die Chylusgefässe sind als schmale, mattweisse Stränge an der Aussen-
wand zu erkennen.
. Die übrigen Häute des vierten Magens haben eine normale Be¬
schaffenheit.
Der Psalter zeigt die Gestalt eines Globus, dessen Pole etwas
abgeplattet sind und dessen Aequatorialdurchpaesser 63 Ctm. beträgt.
Nachdem der Psalter durch einen durch die obere Curvatur
gehenden Meridianschnitt geöffnet und die vollkommen trockenen und
alkalisch reagirenden Futtermassen, welche zwischen den Blättern an-
gehäutt waren, abgespült worden, zeigt sich die Schleimhaut, von der
das Epithel nur schwer abzustreifen ist, blassgrau gefärbt; gefüllte
Blutgefässe sind nicht zu erkennen. Der Querschnitt hat nicht überall
die gleiche Höhe, vielmehr ist letzterer am bedeutendsten (65 Ctm.)
in der Nähe der aus dem zweiten Magen führenden Oeflfnung und
nimmt von da allmälig ab, sodass die schwächste Stelle, welche der
stärksten gegenüber liegt, ungefähr 2,5 Ctm. beträgt.
Anf dem Durchschnitt kann man makroskopisch die Schleimhaut,
welche die Farbe ihrer Innenfläche trägt, als einen 0,5 Ctm. breiten
Zug verfolgen. Das Gleiche ist mit dem peritonealen Ueberzug des
*) Jahresber. der Kgl. Thierarzneischule zu Hannover, 1875.
2 ) Wochenschr. für Tkierheilk., Bd. III u. XII. — Schütz, Archiv, 1875,
Roloff, Preuss. Mittheil., S. 130: Fibroma papillare am Schlunde eines Rindes.
— Journ. des Vöt^rinaires du mid., III. Ser., Tom. IX: Fibröse Geschwulst am
Wanste einer Kuh. •
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216
PAULI,
Psalters der Fall. Derselbe hat eine Stärke von 0,6 Ctm. und eine
mattgraue, ins Bläuliche spielende Farbe. Gefässzüge sind auch hier
nicht sichtbar. Anders verhält es sich aber mit dem submucösen
Gewebe; dasselbe grenzt sich nach der Mucosa hin wohl noch scharf
ab, eine deutliche Grenzlinie der sehr schmalen und durch ihr
blassröthliches Aussehen schwer von den übrigen Häuten zu unter¬
scheidende Muscularis besitzt es jedoch nicht, auch hat die Submu-
cosa ihre lockere Beschaffenheit verloren und zeigt einen festeren,
mehr fibrösen Bau. Die Subserosa resp. die Schicht, welche nach
der Anordnung der Häute derselben entsprechen würde, nimmt die
ganze übrige Höhe — das Peritoneum, die Muscularis, Submucosa
und Mucosa abgezogen — der Magenwandung ein und variirt des¬
halb in seiner Breite ebenso wie die der letzteren.
Die Schnittfläche dieser Schicht ist glatt und durchscheinend, hat
eine weisse, schwach graue Farbe und ist von weicher Consistenz
(encephaloides Aussehen). An einzelnen Stellen geht die Farbe ins
Mattweisse oder Schwachgelbliche über, hier ist die Consistenz des
Gewebes etwas weicher. An anderen Stellen tritt eine röthliche Fär¬
bung auf, welche durch ramiform angeordnete, feine, hellrothe Züge
hervorgerufen wird. Beim Druck ergiesst sich über die Schnittfläche
keine Flüssigkeit. Auch lässt sich keine weitere Substanz aus dem
Gewebe hervorpressen.
Von der Hauben-Psalteröffnung geht eine strangartige Gewebs-
masse von der beschriebenen encephaloiden Beschaffenheit an dem
oberen Rande der zwischen dem dritten und dem ersten Magen gele¬
genen Verbindungsschicht entlang nach dem Foramen oesophageura,
tritt durch dasselbe in das Mediastinum posticum und bildet hier eine
etwa faustgrosse Geschwulst, deren Durchschnitt dem der Subserosa
entspricht.
Schon aus dieser Beschreibung ergiebt sich, dass der Psalter be¬
deutend vergrössert ist. Nach Frank soll derselbe „etwas grösser
sein“ als die Haube, diese zählt am grössten Durchmesser 28 Ctm.
dächte man sich die Haube in Form einer Kugel, so würde die Pe¬
ripherie hiernach nur 87,9 Ctm. betragen. Der vorliegende Psalter
hat aber einen Durchmesser von 63 Ctm., demnach einen Umfang
von 197,8 Ctm. Er ist mithin etwa zweimal so gross als die Haube.
Ein zu der Magenwandung senkrecht gelegter Schnitt wird mit
Hartnack, Obj. 7, Ocul. 2, untersucht und ergiebt folgendes Bild:
In der Serosa sind die Bindegewebsfibrillen, welche sich hier
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Panzerartiges Sarcoma medulläre.
217
einfach kreuzen und zwischen denen zahlreiche elastische Fasernetze
liegen, deutlich sichtbar. Die Epithelialschicht weist glatte, durch¬
sichtige, mit Fortsätzen versehene Zellen aut, die einen bläschenför¬
migen Kern und Kernkörperchen und sehr wenig gekörntes Proto¬
plasma enthalten. An vielen Stellen erheben sich über der Serosa
kleine, 0,5 Ctm. grosse Zöttchen, die eine bindegewebige Structur
erkennen lassen.
Die Muscularis des Psalters, welche bekanntlich aus drei Schich¬
ten besteht, einer dünnen, aussen gelegenen Längsschicht, einer star¬
ken Kreisfaserschicht und einer zweiten längs verlaufenden, innen ge¬
legenen Schicht, die die Grundlage der Blätter bildet, zeigt auch an
dem vorliegenden Präparat dieselbe Anordnung. Die spindelförmigen
Zellen dieser Schichten sind aber nicht, wie bei normaler Einrichtung,
dicht in einander gefugt, sondern durch kleine Fetttröpfchen aus ein¬
ander gedrängt. Diese Einlagerung lässt sich an Querschnitten der
Muscularis deutlich nach weisen. Hierdurch haben die Bündel, zu
welchen die contractilen Faserzellen zusammengesetzt sind, und dem¬
nach auch die Muscularis selbst, ein grösseres Volumen erlangt.
Mucosa und Submucosa zeigen keine Abweichung.
In der Subserosa, an welcher schon makroskopisch die grössten
Veränderungen constatirt werden konnten, findet sich ein weites, mit
grossen Lücken versehenes, bindegewebiges Maschen werk. In dem¬
selben liegt die oben als encephaloid bezeichnete Masse, die unter
dem Mikroskop einen zelligen Bau erkennen lässt. Sie besteht fast
nur aus Rundzellen, von denen die meisten die Grösse der Granula¬
tionszellen besitzen. Das Protoplasma der Zellen ist vollkommen
durchsichtig, ungekömt — nackt —, in demselben findet sich ein
verhältnissmässig grosser, mit scharfem Contour und mehreren Kern¬
körperchen versehener Kern vor. Der Kern verdeckt derart das Proto¬
plasma, dass die freiliegende, schmale, peripherische Zone des letz¬
teren nur schwer erkennbar ist.
Zwischen den Zellen liegt eine spärliche Menge einer vollkommen
homogenen (glashellen), weichen Grundsubstanz. Die Menge ist an
vielen Stellen so gering, dass sich die Zellen fast berühren; an an¬
deren Stellen tritt sie in grösserer Mächtigkeit auf.
Ferner beobachtet man in der Geschwulstmasse kleine spindel¬
förmige Zellen, die mit einem Kern ausgestattet sind, der dem in den
Rundzellen ähnlich ist. Die Zahl der spindelförmigen Elemente ist
aber eine verschwindend kleine.
ArehW L wissen ich. und pinkt. Thterhellk. VTL 3. 15
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218
PAULI,
Ausser den erwähnten Forraelementen und der sie verbindenden
Masse lassen sich auch mehrere grosse, bald oval, bald rund gestal¬
tete Gebilde erkennen, die eine bläulichgelbe Farbe haben, scharf
contourirt und mit einer feinkernigen Masse angefüllt sind. Einige
von ihnen sind durch einen Riss gespalten; die abgesprengten Theile
der letzteren haben die Form ovaler, glänzender Platten. An man¬
chen Stellen sind sie vollkommen aus der Umgebung herausgefallen,
an anderen halb herausgedrängt, sodass entsprechende Lücken im
Gewebe sichtbar werden. Diese Körper erweisen sich als Fettzellen,
deren Form bekanntlich eine sehr verschiedene sein kann.
Die Geschwulst ist auch mit Blutgefässen ausgestattet. Nament¬
lich die röthlich gefärbten Theile der ersteren zeichnen sich durch
ihren Reichthum an Capillargefässen aus.
Hieraus ergiebt sich, dass diese Farbe auf der Vascularisation
gewisser Geschwulstabschnitte beruht.
An den Stellen, welche ein todtweisses oder gelblich gefärbtes
Aussehen haben, sind die Zellen mit kleinen, jedoch nicht gleich
grossen, stark lichtbrechenden, runden Körnchen angefullt, die auf
Zusatz von concentrirter Essigsäure und Kalilauge sichtbar bleiben
und sich dadurch als Fettkörnchen erweisen. Die verschiedene Grösse
derselben und das durch die Reaction mit Gentianaviolett gewonnene
negative Resultat schliesst eine etwaige Verwechslung mit Mikro-
coccen aus.
Mithin handelt es sich an den opaken Stellen um eine Fett¬
metamorphose der zelligen Bestandteile der Geschwulst. Alle Sta¬
dien des Processes sind bei der mikroskopischen Prüfung nachzu¬
weisen. In einigen werden nur einzelne Fettkörnchen, in anderen
grosse Mengen derselben ermittelt. Viele Zellen haben sich in Fett¬
körnchenkugeln umgewandelt und noch andere durch Zerfall einen
fettigen Detritus gebildet.
Fassen wir y die Ergebnisse der makroskopischen und mikrosko¬
pischen Prüfung der in Rede stehenden Geschwulst zusammen, so
kann es keinem Zweifel unterliegen, dass es sich im vorliegenden
Falle um ein Sarcom der Subserosa des Psalters handelt, welches in
Form einer Infiltration letztere durchsetzt und dadurch die das ganze
Organ nach Art eines Panzers umschliessende Anschwellung bedingt
hat. Die Uebereinstimmung, welche die Geschwulst in ihrem äusseren
Verhalten mit den grossen nervösen Centralapparaten, wie Gehirn und
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Panzerartiges Sarcoma medulläre.
219
Rückenmark, darbietet, ist der Grund, weshalb man sie als Sarcoma
medulläre bezeichnen kann.
Neben der Geschwulst konnte ferner eine auffallende Ver-
grösserung des Psalters festgestellt werden. Diese Vergrösserung ist
aber, wie sich aus der obigen Beschreibung ergiebt, keine blosse
Dilatationserscheinung, die selbstredend mit Verdünnung der Wan¬
dungen einhergehen müsste, sondern ein Wachsthumsphänomen. Hier¬
durch erklärt es sich, dass sämmtliche Häute, welche die Wand des
Psalters constituiren, an Dicke gleichzeitig zugenommen haben. Wis¬
senschaftlich lässt sich daher der Process, welcher die auffallende
Veränderung am Psalter herbeigeführt hat, in zwei Theile zerlegen,
nämlich in den eigentlich geschwulstbildenden (specifischen oder sar-
comatösen) und in den Wachsthumsvorgang (einfachen oder irritativen).
Wir kennen bis jetzt die Natur der Reize, welche die Bildung eines
Sarcoms bedingen, allerdings nicht; wir wissen jedoch, dass das Pro¬
duct, welches diese Reize liefert, verschieden sein kann. Wahr¬
scheinlich entscheidet hierüber die Menge des Reizes, welche die ver¬
schiedenen Stellen trifft. Derselbe Reiz, welcher in grösserer Menge
auf die Subserosa des Psalters gewirkt und hier den specifischen
Neubildungsprocess eingeleitet hat, wird die Nachbarschaft in gerin¬
gerer Menge treffen und hier einen einfachen Reizungs-(Wachsthums-)
Vorgang auslösen. Beide Processe stehen folglich in einem causalen
Zusammenhang und zwar in der Weise, dass die Vergrösserung des
Psalters der Entwickelung des subserösen Sarcoms gefolgt ist.
Für das Zustandekommen der hochgradigen Hypertrophie des
Psalters lässt sich auch noch ein zweiter Grund finden. Der Psalter
hat unter Anderem die Aufgabe, seinen Inhalt in den Labmagen zu
entleeren, und diese Thätigkeit führt er mit Hülfe der in seinen
Häuten gelegenen Musculatur aus. Die Zusammenziehung des Psal¬
ters ist aber erschwert, wenn die Subserosa desselben Sitz der in
Rede stehenden Neubildung ist. Der Psalter hat unter solchen Um¬
ständen, neben seiner gewöhnlichen Arbeit, noch den durch die Neu¬
bildung gegebenen Widerstand zu überwinden, oder mit anderen
Worten, es werden an die Thätigkeit der Muscularis erhöhte An¬
sprüche gestellt. Die Folge dieser grösseren Arbeit ist, dass das
Muskelgewebe an Masse zuniramt, d. h. hypertrophisch wird.
Beachtet man nun, dass ausser den besprochenen Veränderungen
und einer hochgradigen Abmagerung der Kuh keine sonstigen Abnor¬
mitäten bei derselben ermittelt worden sind, so muss gefolgert
15*
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220
PAULI, Panzerartiges Sarcoma medulläre.
werden, dass die vorliegende Geschwulst als ein primäres Sarcom
aufzufassen ist. Das Sarcom ist allerdings, wie schon Leblanc 1 )
dargethan hat, kein seltenes Vorkommniss beim Rinde. Die bisheri¬
gen Mittheilungen reichen aber nicht aus, um eine genaue Uebersicht
derjenigen Organe, welche überwiegend häufig Sarcome hervorbringen,
liefern zu können. Doch glaube ich unter Berücksichtigung des vor¬
liegenden Beobachtungsmaterials die Behauptung aussprechen zu
dürfen, dass die in der Bauchhöhle gelegenen Organe am häufigsten
befallen werden.
Endlich will ich noch bemerken, dass die allgemeine Abmagerung
des Thieres auf die am Psalter beobachtete Störung ausschliesslich
zurückzuführen ist.
Zum Schluss möchte ich mir erlauben, meinem hochverehrten
Lehrer, Herrn Prof. Schütz, für seine gütige Unterstützung ergeben¬
sten Dank zu sagen.
Die Zeichnungen sind von Herrn Stud. Tetzner angefertigt, dem
ich für seine Mühe hierdurch freundlichst danke.
Erkliraag der Abbüdaagea.
Figur 8. Querschnitt des Psalters.
A. Psalter:
a) Serosa;
b) Subserosa, welche von der Neubildung durchsetzt ist;
c) Muscularis;
d) Mucosa.
B. Netz.
G. Labmagen.
Figur 9. Schnitt aus der Neubildung (Vergr. Hartnack, Obj. 7, Ocul. 2).
a) Zellen der Neubildung;
b) Fettzellen;
c) Gefasse.
l ) Recueil de mddecine veterinaire, 1858, No. 8—9.
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lieber das Wesen des Hufkrebses.
Einige Bemerkungen zur Erwiderung des Herrn Prof. Pütz.
Von
Möller.
In dem letzten Hefte dieses Archivs sowie in einem Vortrage,
gehalten in der XI. Section für Veterinärkunde auf der 53. Versamm¬
lung deutscher Naturforscher und Aerzte in Danzig 1 ) hat Prof. Pütz
gegen die in meinem Lehrbuch der Hufkrankheiten über das Wesen
des Hufkrebses ausgesprochene Ansicht Einwendungen erhoben. Wäh¬
rend ich mich auf Grund eigener Untersuchungen der bereits von
Haubner aufgestellten Annahme angeschlossen hatte, wonach der
Strahlkrebs als ein Neubildungsvorgang anzusprechen ist, will Herr
Pütz dieses Leiden den Geschwüren zuzählen.
Diese Differenz der Anschauungen hat eine mehr theoretische als
praktische Bedeutung, und wenn ich die Erklärung des Herrn Pütz
hier beantworte, so geschieht es vornehmlich, um meine Anschauungen
über diesen Punkt etwas eingehender klar zu legen, als dies in einem
Handbuch, welches ein so umfangreiches Material wie die Hufkrank¬
heiten zu behandeln hat, zweckmässig erscheint. Wollte man in einer
solchen Arbeit alle im Laufe der Zeit über die einzelnen Fragen aus¬
gesprochenen Anschauungen und Meinungsdifferenzen kritisch beleuch¬
ten, alle Gründe, welche für und gegen dieselben sprechen, eingehend
erörtern, der Zweck der Arbeit und der Werth derselben würde dar¬
unter nur leiden. Von diesem Grundsatz ausgehend, habe ich auch
*) Tageblatt der 53. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerzte in
Danzig, S. 281.
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222
MOELLER,
den Huf krebs abzuhandeln versucht, indem ich die über das Wesen
desselben am meisten verbreiteten Anschauungen zusaramenstellte und
die eigene Ansicht klar zu legen und zu begründen suchte. Von dem
Verfasser eines derartigen Lehrbuches kann man füglich verlangen,
dass er mit der eigenen Ansicht nicht zurückhält, wo er glaubt, eine
solche gefunden zu haben. Bezüglich des Strahlkrebses stand mir ein
reichhaltiges Beobachtungsmaterial zur Seite, welches ich in wissen¬
schaftlicher wie praktischer Beziehung auszunutzen bemüht gewesen
war, und wobei ich zu einer Auffassung über das Wesen dieses Leidens
gelangte, welche zugleich von einem der hervorragendsten Vertreter
unserer Wissenschaft anerkannt wird. Wenn ich daher diese Ansicht
mit einer gewissen Zuversicht ausgesprochen habe, so erscheint dies
begreiflich. Dagegen hat es mir fern gelegen, dieselbe als unanfecht¬
bar hinzustellen oder gar den ihr entgegenstehenden Anschauungen Ge¬
ringschätzung entgegen zu tragen. Wie Herr Pütz mir diese Absicht
imputiren konnte, ist mir bis heute noch ganz und gar unerklärlich.
Auch habe ich vergeblich nach einem Grunde gesucht für die Er¬
regung, welche aus der Pütz’schen Erwiderung spricht, und das Be¬
streben, die Frage auf das Gebiet des Persönlichen zu drängen. Der
vorurtheilsfreie Leser wird in meiner Arbeit, auf welche sich die Vor¬
würfe des Herrn Pütz beziehen, schwerlich einen hinlänglichen Grund
für diese gefunden haben. Ich fühle mich deshalb der Mühe über¬
hoben, jene Angriffe, deren Sprache allein schon eine Erwiderung
ausschliesst, einzeln zurückzuweisen. Derartige persönliche Con-
troversen sind nicht dazu angethan, die Sache zu fördern
und die Streitfrage zu klären, worauf es doch allein an¬
kommen sollte.
Aus diesem Grunde will ich mich hier darauf beschränken, zur
Klarlegung des Wesens des Hufkrebses und dieser Meinungsdifferenz
einen kleinen Beitrag zu liefern.
» Dass beim Huf krebs ein Neubildungsprocess besteht, welcher
sowohl das Corium wie auch das Rete Malpighii der Huflederhaut
betrifft, und dass dieser Process eine einfache Hyperplasie der ge¬
nannten Gewebe darstellt, darüber bestehen zwischen uns keine Mei¬
nungsverschiedenheiten. Würden sich an der Oberfläche dieser Neubil¬
dung stets trockene Epidermislagen befinden, so würde schwerlich Jemand
die Bezeichnung * Fibroma papillare“ beanstanden; das ist aber häufig
nicht der Fall, und die wesentlichste Differenz der Ansichten bezieht
sich auf die in dem Rete Malpighii ablaufenden Vorgänge und die Frage:
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Wesen des Hufkrebses.
223
ob auf Grund dieser Veränderungen das Ganze als ein Ver-
schwärungsprocess oder als ein Fibroma papillare zu be¬
zeichnen ist.
Die Frage, ob wir unter dieser Voraussetzung den Strahlkrebs
als einen Tumor oder als ein Geschwür auffassen müssen, kann nur
an der Hand der gegenwärtig gültigen Grundsätze der Pathologie und
Chirurgie entschieden werden.
In dem Namen Geschwür liegt keine besondere Krankheit aus¬
gedrückt, sondern nur die Form, in der eine Krankheit auftreten
kann. Es giebt rotzige, carcinomatöse, brandige u. s. w. Processe,
die ein Geschwür bilden, ja sogar regelmässig und früh bilden. Im
Gegensatz hierzu leiten andere Processe nur selten oder nie eine Ver¬
schwärung ein. Das Geschwür ist demnach nur eine Erscheinungs¬
möglichkeit, also keine bestimmte Krankheit, sondern nur ein Zustand,
der durch verschiedene Krankheiten bedingt werden kann. Zu den
Krankheiten, welche besonders geeignet sind, Geschwürsbildung zu
veranlassen, gehören namentlich Neubildungsprocesse wie z. B. Rotz,
Tuberculose, Carcinorne. In der Einrichtung dieser Neubildungen, in
dem Hergange ihres Wachsthums liegt es begründet, dass sich aus
ihnen so regelmässig ein Geschwür bildet. Die Gewebsmassen, welche
diesen Neubildungen zu Grunde liegen, zerfallen leicht und ulceriren.
Man hat daher auch die Geschwüre nach diesen Krankheiten wohl
benannt, z. B. tuberculose, rotzige, carcinomatöse u. s. w. Das Ge¬
schwür ist aber hier das Secundäre: die Neubildungen zerstören die
Gewebe, und wenn die ersteren zerfallen, entsteht in letzteren ein
Defect oder Substanzverlust. Dieser Zerfall kann durch käsige oder
fettige Metamorphose oder eitrige Schmelzung u. s. w. entstehen, und
man hat daher auch mit Rücksicht auf die Art des Zerfallsproductes
käsige, fettige, eitrige u. s. w. Geschwüre unterschieden. So wichtig
es auch ist zu wissen, welche Bildungen frühzeitig zerfallen, also
eine Tendenz zur Verschwärung haben, für die Erkennung des Wesens
derselben ist dadurch nichts gewonnen. Die Ulceration ist immer
etwas Nebensächliches. Wichtiger ist es zu wissen, wie die Bildung
zu Stande gekommen ist, denn dadurch gewinnt man erst eine Ein¬
sicht in das Wesen derselben.
Auch das Fibroma papillare kann ulceriren. Dieses ist aber
erst die Folge von zufälligen Ereignissen, beim Strahlkrebs von me¬
chanischen Insulten und chemischen Einwirkungen, z. B. von Aetz-
mitteln. Sofern aber diese nicht einwirken, tritt auch keine Ulceration
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224
MOELLER,
ein, denn das Fibrom besteht nicht aus einem hinfälligen, sondern
aus einem Dauergewebe. Wenn es daher vom Standpunkt der älteren
Medizin begreiflich erscheint, gewisse Bildungen, die frühzeitig zer¬
fallen, „Geschwüre“ zu nennen, so ist es doch unbegreiflich, wie man
ein Fibroma papillare mit diesem Namen belegen kann. Hier ist die
Ulceration etwas ganz Ungewöhnliches, denn das Fibrom besitzt keine
Neigung zu ulceriren. Wenn man aber ein ulcerirendes Fibroma pa¬
pillare ein Geschwür nennen will, so drängt man ein zufälliges Er¬
eigniss in den Vordergrund. Wohin aber würde es führen, wenn man
gelegentliche Veränderungen benutzen wollte, um eine Krankheit zu
bezeichnen? Aeussere Erscheinungsformen, namentlich wenn diese
accidenteller Natur sind, eignen sich selbstverständlich hierzu nicht.
Strahlkrebs ist dem Wesen nach ein Fibroma papillare,
welches durch sich und in sich niemals zerfällt, das liegt
auch in dem auf Seite 221 meines Lehrbuchs ausgesprochenen Ge¬
danken ausgedrückt. Mit diesem Namen glaube ich auch eine Be¬
zeichnung gewählt zu haben, die „auf einer anatomisch-gene¬
tischen Grundlage“ 1 ) ruht.
Ebenso wie Neubildungen, können necrotisirende und eiterige Pro-
cesse Geschwüre erzeugen, die man nach der Entstehungsart auch als
gangränöse bez. eiterige Geschwüre bezeichnet hat.
Alle diese KrankheitsVorgänge kann man doch nicht „Geschwüre“
nennen, selbst dann nicht, wenn die Ulceration der regelmässige Aus¬
gang des Leidens ist; denn abgesehen davon, dass Krankheit ein
Process, Geschwür ein Zustand ist, ist für die Bezeichnung
eines Dinges, wie Herr Pütz selbst zugiebt, die Genesis desselben
entscheidend. Die Genesis lehrt aber, dass verschiedene Processe
in Form eines Geschwürs auftreten können. Wenn daher am Strahl¬
krebs Ulceration eintreten sollte, so ist dies eine rein äusserliche,
accidentelle Erscheinung. Das Hauptgewicht ist selbstredend auf den
Vorgang zu legen, durch welchen das eigentliche Leiden auftritt.
Dieser Vorgang ist ein hyperplastischer Process, wie auch Herr Pütz
zugiebt, und die Genesis zwingt uns deshalb, diesen Process als einen
Neubildungsvorgang, und zwar als einen hyperplastischen zu bezeich¬
nen, der im Papillarkörper und Rete Malpighii der Huf lederhaut ver¬
läuft; dabei kann es gleichgültig sein, ob sich derselbe als „Ge¬
schwulst“ oder als „Geschwür 44 darstellen sollte.
*) Virchow, Die krankhaften Geschwülste, Bd. I, S. 15.
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Wesen des Hufkrebses.
225
Im Uebrigen bilden „fungöses Geschwür“ und „ulcerirende Ge¬
schwulst“ keineswegs Gegensätze, sondern sind im Princip dasselbe.
Bei beiden handelt es sich um Untergang von Substanz, und dabei
ist es gleichgültig, ob alte oder neugebildete Gewebe untergehen.
Auch das Krebsgeschwür (der „ulcerirende“ Krebs) kann ein „fun¬
göses“ sein. Das Ulcus verrucosum s. fungosum steht nur dem
Ulcus planum gegenüber. Ira ersteren ist die Geschwürsfläche
warzig, zottig und erhebt sich gewöhnlich über die Oberfläche der
Nachbarschaft; in dem letzteren erscheint die Oberfläche des Ge¬
schwürs glatt und eben und liegt ira oder unter dem Niveau der
Nachbarschaft. Das fungöse Geschwür ist also nur durch eine beson¬
ders gestaltete Oberfläche - ausgezeichnet. Diese äussere Ausstat¬
tung kann sowohl beim Krebsgeschwür wie auch beim einfachen
Hautgeschwür und anderen Geschwürsarten Vorkommen. Der Name
„fungöses Geschwür“ lässt also das Wesen des Vorganges
ebenso zweifelhaft wie der Name „ulcerirende Geschwulst“,
denn es giebt verschiedene Fungen und verschiedene Ge¬
schwülste.
Auch die praktische Chirurgie wendet die Bezeichnung „Ge¬
schwür“ in der Regel nur für solche Processe an, die in ihrem Wesen
mehr oder weniger unbekannt sind. Wo ein allmälig fortschreitender
Zerfall auftritt, dessen Ursache nicht näher bekannt ist, da spricht
man schlechtweg von einem Geschwür, und wenn die Oberfläche des¬
selben zottig erscheint, von einem „fungösen Geschwür“. Sobald aber
für den Zerstörungsvorgang eine anatomische oder anderweitige Ver¬
änderung als wesentliche Grundlage erkannt ist, pflegt man den ganzen
Vorgang nach dieser zu benennen. Die Bezeichnung „Geschwür“
ist demnach in der Regel nur ein Lückenbüsser für die
mangelhafte Einsicht in das Wesen des Krankheitspro-
cesses, und wo es nur immer möglich ist, suchen wir denselben
durch einen die Genesis oder die Natur des Vorganges genauer kenn¬
zeichnenden Namen zu ersetzen oder wir fügen dem Worte „Ge¬
schwür“ doch wenigstens diesen hinzu, z. B. Krebsgeschwür, Rotz¬
geschwür.
Hieraus geht aber hervor, dass durch die Bezeichnung „fungöses
Geschwür“ für den Huf krebs, wissenschaftlich nichts gewonnen ist,
und auch für die Praxis wird man schwerlich besondere Vortheile aus
dieser Auffassung schöpfen.
Nach der Darstellung des Herrn Pütz würde sich sowohl bei
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MOELLER,
einem oberflächlichen Hautgeschwür wie auch beim Hufkrebs der Zer¬
fallsvorgang auf das Rete Malpighii beschränken und das Corium und
namentlich der Papillarkörper von demselben nicht betroffen werden.
Derartige oberflächliche Zerfalls Vorgänge sehen wir aber an der
äusseren Haut nicht selten in Form von Wundflächen auftreten, die
oft keine Tendenz zur Heilung zeigen, und doch nennen wir den Zu¬
stand nicht ein Geschwür. Eine Abstossung von Epithel, wie wir sie
z. B. bei jedem Catarrh und einer Reihe von Krankheitsprocessen der
äusseren Haut und auch beim Huf krebs beobachten, ist aber noch
keine Verschwärung. Man nennt einen derartigen Absonderungsvor-
gang gewöhnlich eine „Desquamation“, aber keine „Ulceration“.
Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass bei dem ersteren Vor¬
gang die Oberfläche der Haut — abgesehen von dem Epithelverlust
— unverändert, bei dem letzteren aber zerstört — ulcerös — ist.
Wird die Epidermis in Folge von Reizungsprocessen der Haut,
z. B. durch Einwirkung von Scharfsalben, reizenden Wundsecreten oder
durch Scheuern des Geschirrs abgestosen, so entsteht eine „Erosion“.
Nach der Darstellung des Herrn Pütz würde man diesen Zustand
allerdings als ein Flächengeschwür bezeichnen können. Eine Erosion
ist aber noch kein Ulcus: bei der ersteren bleibt die absondernde
Oberfläche intact, beim Geschwür nicht. Bei jener hört mit der Wir¬
kung der Schädlichkeiten die Abstossung in der Regel auf, bei diesem
greift der Zerstörungsprocess, sofern nicht Heilung eintritt, immer
tiefer in das Gewebe ein. An der äusseren Haut wird bei der Ulce-
ration bald auch der Papillarkörper von dem Zerstörungsprocess be¬
fallen.
Auch in der praktischen Chirurgie pflegt man von einem Ge¬
schwür erst dann zu sprechen, wenn die Zerstörung bis in das Corium
reicht. Auch Billroth steht auf diesem Standpunkt. Seite 489
seines Lehrbuches der allgemeinen chirurgischen Pathologie und The¬
rapie sagt derselbe, nachdem die Vorgänge und Erscheinungen, welche
bei der Entwickelung eines Hautgeschwürs auftreten, besprochen sind,
Folgendes:
„es kommt zur Vereiterung und zum moleculären Zerfall des
entzündeten, freiliegenden Gewebes, zunächst also der Pa¬
pillen, und so entsteht ein theils tiefer, theils breiter werden¬
der Defect: das Geschwür ist nun vollständig aus¬
gebildet.“
Herr Pütz giebt aber selbst zu, dass beim Hufkrebs in der
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Wesen des Hufkrebses.
227
Regel nicht einmal der Papillarkörper von dem Zerfallsvorgang be¬
troffen ist.
Weber spricht sich in dem Handbuch der allgemeinen und spe-
ciellen Chirurgie wie folgt aus:
„Eine abgeschilferte, der Epidermis beraubte Stelle, eine
Desquamation, eine Excoriation, ist so lange noch kein Ge¬
schwür, als die direct zerstörten Gewebspartikelchen sofort
durch Nachwuchs ersetzt werden.“
Dass dieser Ersatz bei dem Strahlkrebs in einem den Zerfall
jedenfalls bedeutend überwiegenden Masse stattfindet, um das zu er¬
kennen bedarf es keines besonderen Scharfsinnes.
Auch Samuel drückt sich in seinem Handbuch der allgemeinen
Pathologie Seite 199 in gleichem Sinne aus:
„Ulcus oder Geschwür nennt man einen tiefer reichenden,
nicht allein das Epithel betreffenden Substanzverlust einer
Membran mit degenerativem, zum mindesten nicht producti¬
vem Charakter.“
Nach Uhle und Wagner ist ein Geschwür ein tiefer reichender,
nicht blos das Epithel betreffender, sondern ins Gewebe der be¬
treffenden Haut selbst sich erstreckender Substanzverlust.
Diese Auffassung steht auch mit der soeben angestellten Be¬
trachtung in Uebereinstimmung: Hiernach sind Geschwüre Substanz¬
verluste, welche durch Zerfall der Gewebe entstehen. Die zerfallenen
Gewebsmassen werden an der Oberfläche des Geschwürs abgesondert
und bilden einen Theil des Geschwiirsecrets. Mithin kann das Ge¬
schwür als ein Substanzverlust definirt werden, welcher durch Abson¬
derung zerfallener, aufgelöster, also abgestorbener Gewebsmassen
entsteht.
Dieser Zerstörungsprocess greift allmälig weiter um sich, und
zwar je nach der Natur desselben und der Beschaffenheit des betref¬
fenden Gewebes bald schneller bald langsamer.
So lange ein ZerstörungsVorgang an der äusseren Haut sowie
auf den Schleimhäuten nur das Epithel einschliesslich des Rete Mal-
pighii betrifft und die Oberfläche der Cutis bez. Mucosa noch nicht
zerstört ist, nennt man den Zustand also eine Erosion. Erst wenn
der Vorgang auf das Gewebe der betreffenden Haut übergreift, so
dass an der Oberfläche dieser Haut Substanzverluste, Defecte ent¬
stehen, ist man berechtigt den Zustand ein „Geschwür“ zu nennen.
Die Erosion bildet einen oberflächlichen, blos das
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228
MOELLER,
Epithel betreffenden, das Geschwür einen tiefer reichenden,
das eigentliche Gewebe der Haut betreffenden — ulcerö-
sen — Substanzverlust.
Wenden wir dieses auf den Strahlkrebs an:
Bei diesem Leiden besteht, wie auch Herr Pütz einräumt, in
dem Corium und Papillarkörper der Huflederhaut nur ein hyperpla¬
stischer Vorgang, aber kein Zerfall, folglich steht die Bezeich¬
nung „Geschwür“ für dieses Leiden mit den heutigen Grund¬
sätzen der Pathologie und Chirurgie im Widerspruch.
Auch wenn die Annahme des Herrn Pütz, wonach in dem
zusammenhängenden, neugebildeten Retegewebe ein Zerfallsvorgang
auftritt, zuträfe, so würde der Vorgang immer noch nicht als Ge¬
schwür, sondern nur als eine „Erosion“ bezeichnet werden können.
Nach meinen Untersuchungen muss ich indess auch die Richtig¬
keit dieser Annahme bestreiten. Nur unter dem Einfluss besonderer
Verhältnisse wird das lebensfähige Retegewebe beim Strahlkrebs von
einem solchen Zerfall ergriffen, für gewöhnlich aber zerfallen
nur die bei der schnellen Wucherung von ihrem Mutter¬
boden abgelösten Elemente. Diese sind aber — ebenso wie
Eiterkörperchen — als abgestorbene Zellen zu betrachten. Von einem
necrotisirenden Process, welcher dem Geschwür stets zu Grunde liegt,
kann nach meinen Untersuchungen hier keine Rede sein. Das, was
Herr Pütz hier als Ulceration bezeichnet, ist blos eine Desquamation.
Die von Herrn Pütz für seine Auffassung geltend ge¬
machten anatomischen Beweismomente müssen daher nach
meiner Ueberzeugung als unhaltbar bezeichnet werden.
Herr Pütz glaubt ferner in der Genesis und dem ganzen Ver¬
halten des „pathologischen Zustandes“ Beweise für die Richtigkeit
seiner Ansicht zu finden. Ihm ist keine Papillombildung bekannt,
welche mit Zerstörung und Ablösung der Epidermis anhebt. Dagegen
muss ich bemerken, dass nach der Darstellung, die Herr Pütz von
dem Bildungsgänge eines Hautgeschwürs giebt, für das letztere dieses
ebenfalls nicht zutrifft, während dieser Entwickelungsvorgang bei den
Condylomen doch die Regel bildet. An der Huflederhaut ist aber
die Bildung eines Geschwürs wie auch eines Papilloms ohne vorherige
Entfernung der Hornmassen kaum denkbar.
Ferner wird eingewendet, dass die Warzen der äusseren Haut
„in der Regel“ von einer stark verhornten Epidermisdecke über¬
zogen seien. Was aber für die äussere Haut als die Regel gilt, ist
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Wesen des Hofkrebses.
229
noch keineswegs für die Huf lederhaut massgebend. Die Sonderstel¬
lung der Krankheitsprocesse an der letzteren glaube ich ausreichend
bewiesen und zum grossen Theil auch begründet zu haben. Bei Auf¬
stellung dieses Gegenbeweises hat aber Herr Pütz wiederum nicht
der Feuchtwarzen gedacht, welche von dieser Regel „regelmässig“
abweichen, und mit welchen ich den Huf krebs zu vergleichen ver¬
sucht habe.
An der Oberfläche der leidenden Huflederhaut findet sich aber
nicht selten, ja sogar häufig eine vollständig trockene Epidermislage.
Diese steht oft mit ihrer Unterlage in fester Verbindung, so dass das
Leiden mit den harten Warzen eine grosse Aehnlichkeit erlangt.
Nach meinen Beobachtungen wird dieses am häufigsten bemerkt,
wenn der Strahl den Sitz des Leidens abgiebt, und fast regelmässig
während der Entwickelung der Krankheit. Aber auch im weiteren
Verlauf des Leidens lässt sich dieser Zustand nicht selten beobachten,
welcher dadurch herbeigeführt wird, dass die Wucherung in dem Rete¬
gewebe noch nicht den hohen Grad erreicht oder bereits nachgelassen
hat, so dass für die vollständige Verhornung des Wucherungsmaterials
genügende Zeit gegeben ist.
Wer hätte jemals eine Geschwürsfläche mit einer Epidermis be¬
deckt gefunden! Wer wollte diesen Zustand noch ein Geschwür
nennen?! Der Umstand, dass diese Beschaffenheit der Neubildung
gerade in dem Entwickelungsstadium des Leidens oft gesehen wird,
beweist, dass es sich nicht um einen zufälligen Ausgang desselben
handeln kann.
Herr Pütz stützt seine Ansicht über das Wesen des Strahlkrebses
vornehmlich auf die äusseren Erscheinungen des Leidens, und es muss
zugegeben werden, dass die Oberfläche der so erkrankten Huflederhaut
zuweilen, namentlich an der Fleisch wand eine gewisse Aehnlichkeit
mit einer Geschwürsfläche zeigt. Allein schon Haubner hat mit
Recht betont, dass die Verschwärung beim Strahlkrebs nur eine
„scheinbare“ sei. Ebensowenig aber die Form und das äussere
Aussehen einer Neubildung über das Wesen und die Natur derselben
einen sicheren Schluss zulässt, ebensowenig kann eine secernirende
Fläche, auf welcher Zerfalls- und Fäulnissvorgänge auftreten, ohne
weiteres als ein Geschwür bezeichnet werden. Auch wenn diese Fläche
keine Tendenz zur Heilung zeigen sollte, ist dies nach den obigen
angeführten Grundsätzen nicht gerechtfertigt.
Dass ich unter Berücksichtigung dieser wissenschaftlichen Grund-
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230
MOELLER,
Sätze der Ansicht des Herr Pütz nicht zustiramen kann, wird jeder
unparteiisch Urtheilende zugeben müssen. Meine Auffassung über das
Wesen des fraglichen Leidens ist in meinem Lehrbuch Seite 238 in
Folgendem ausgedrückt:
„An der Oberfläche derselben (nämlich der Neubildung) be¬
findet sich das Retelager in einem äusserst lebhaften Wuche-
rungsprocess. Die hier gebildeten Massen können bei der
schnellen Production nicht verhornen, sondern bilden theils
eine elastische, weisse, fast knorpelähnliche Bedeckung der
hyperplastischen Papillen, theils das dem Fäulnissprocess
anheimfallende Secret. “
Mit Rücksicht auf die anatomischen Zustände habe ich geglaubt,
die Bildung den Tumoren einzureihen und für dieselbe den Namen
„Fibroma papillare“ wählen zu müssen.
Der Name „Tumor“ schliesst keine „ihrer Natur und ihrem
Wesen nach“ abgegrenzte Gruppe von Dingen ein 1 ), sondern es ist
ein conventioneller Ausdruck für verschiedene Dinge. Es liegt daher
oft in der Beurtheilung des Einzelnen, ob er ein gewisses Ding Tumor
nennen will oder nicht. Auch die Entstehungsweise desselben ist
verschieden. Mithin ist „Tumor“ nur eine „Erscheinungsform“,
in der verschiedene Processe auftreten können.
Als „Tumor“ im engeren Sinne fassen wir gewöhnlich diejenigen
Neubildungen zusammen, welche in ihrem Auftreten eine gewisse
Selbstständigkeit bekunden und für gewöhnlich nicht zum Abschluss
gelangen.
Näher bezeichnet werden dieselben nach ihrer histologischen Ein¬
richtung: Sofern die Neubildung in der Hauptsache aus Bindegewebe
besteht, nennen wir dieselbe ein „Fibrom“, die aus Epithelial elemen-
ten aufgebauten Carcinome u. s. w. Ihre Form und sonstigen Eigen¬
schaften werden gewöhnlich mit einem Adjectivum ausgedrückt. Ein
Fibrom, welches in Form von papillären Wucherungen auftritt, heisst
ein Fibroma papillare.
Dass beim Strahlkrebs ein solcher selbstständiger Neubildungs-
process besteht, der einen physiologischen Abschluss in der Regel
nicht erlangt, steht zweifellos fest. Auch setzt sich die Bildung vor¬
nehmlich aus den vergrösserten Papillen der Huf lederhaut zusammen,
weshalb die Bezeichnung Fibroma papillare durchaus gerechtfertigt
! ) Virchow, 1. c. S. 3.
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Wesen des Hufkrebses.
231
ist, und wenn auch ein Verschwärungsprocess auf dieser Neubildung
auftritt, so bleibt diese Bezeichnung immer noch die richtige.
Der Umstand, dass bei unseren Hausthieren die auf der äusseren
Haut vorkommenden Warzen in der Regel ein etwas anderes Aus¬
sehen haben, wie die an der Huflederhaut, kann, wie bereits erwähnt,
die Richtigkeit meiner Annahme nicht widerlegen. Wenn in dem
mächtigen Retelager der letzteren die schnell wuchernden Zellen nicht
alle Zeit finden zu verhornen, sondern wie die Eiterkörperchen einer
Granulationsfläche abgestossen werden, so liegt darin nichts Auffal¬
lendes; es ist dieses im Gegentheil ganz natürlich. Auch mögen
äussere Einwirkungen, z. B. Feuchtigkeit, auf den Verhornungsprocess
einen störenden Einfluss ausüben. In Folge der Ablösung von ihrem
Mutterboden sterben diese Elemente ab, zerfallen und bilden nun das
an der Oberfläche der Neubildung durch seine schmierige und übel¬
riechende Beschaffenheit ausgezeichnete Material. Genau dieselbe Er¬
scheinung lässt sich regelmässig in den Furchen der Blumenkohl¬
gewächse (Feuchtwarzen) beobachten.
Wenn man also beim Strahlkrebs von einem Zerfall sprechen
will, so kann dieses nach dem Ergebniss meiner Untersuchungen nur
auf diese abgestossenen und bereits abgestorbenen zelligen Elemente
bezogen werden, ein Vorgang, der sich bei jedem acuten Ekzem und
einer Reihe anderer Processe wiederholt. Dagegen habe ich mich
nicht davon überzeugen können, dass an den mit der Huf lederhaut
in fester Verbindung stehenden Retezellen ein Zerfalls Vorgang auf¬
tritt, d. h. so lange nicht besondere und in der Regel von aussen
einwirkende Ursachen hierfür zugegen sind.
Nach meinen Untersuchungen setzt sich der Process aus folgen¬
den Vorgängen zusammen:
1. Wucherung im Corium, besonders im Papillarkörper desselben,
welche in der Regel eine einfache Hyperplasie darstellt, d. h. die
neugebildeten Massen bestehen im Wesentlichen aus denselben Gewebs-
elementen wie die normale Huflederhaut. Möglicherweise kommen
auch heteroplastische Neubildungen hierbei vor. Die Intensität dieses
Wucherungsprocesses gestaltet sich verschieden: bald ist die Bildung
sehr lebhaft (z. B. oft am Strahl), bald langsam (Fleischwand).
2. Im Rete Malpighii besteht gleichfalls ein Wucherungsprocess.
Bei langsamem Verlauf desselben entsteht blos eine Verdickung dieser
Hautschicht, nicht selten mit Bildung von einer trockenen Epidermis-
lage an der Oberfläche. Bei lebhafter Proliferation im Rete Malpighii
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232
MOELLER, Wesen des Hufkrebses.
tritt neben der Verdickung ein Desquamationsvorgang ein, d. h. die
gewucherten Retezellen werden zum Theil im unverhornten Zustande
von ihrem Mutterboden abgestossen, dieselben sterben in Folge dessen
ab und verfallen nun den Fäulnissvorgängen.
Mit dieser Desquamation ist sehr häufig noch eine Transsudation
von Flüssigkeit verbunden.
Die zusammenhängenden Retezellen bilden in der Regel eine
starke Decke an der Oberfläche des Papillarkörpers; doch kommt es
vor, dass auch diese abgestossen werden, und so entsteht eine Erosion.
Die häufigste Ursache hierfür geben äussere Einflüsse, mechanische
und chemische Einwirkungen ab.
Endlich kann es auch einmal durch solche Einflüsse zu einer
Zerstörung des Papillarkörpers und des Coriums kommen, und dann
stellt das Leiden ein — „ulcerirendes Fibroma papillare“ dar.
Zum Schluss sei, um Missverständnissen vorzubeugen, nochmals
wiederholt, dass nach meiner Ansicht die an der Huf lederhaut unter
dem Namen Hufkrebs ablaufenden Krankheitsvorgänge nicht alle im
Wesen übereinstimmen, dass also auch nicht alle ein Fibroma papil¬
läre darstellen. Unter der grossen Zahl der zu meiner Beobachtung
und Untersuchung gelangten Krankheitsfälle habe ich jedoch niemals
einen Zustand gefunden, auf welchen die Bezeichnung „Geschwür“
hätte Anwendung finden müssen. Wo ein Verschwärungsvorgang beob¬
achtet wurde, hatte derselbe stets auf der genannten Neubildung Platz
genommen. Bei entsprechender Behandlung konnte der Verschwärungs-
process leicht beseitigt werden, ohne dass damit der Neubildungs¬
vorgang sistirte und der Hufkrebs geheilt wurde. Es soll nicht in
Abrede gestellt werden, dass einmal auch an der Huflederhaut ohne
Fibrombildung ein Verschwärungsprocess auftreten kann; sicherlich
aber bildet dieser Fall beim sogenannten Hufkrebs die Ausnahme,
das Fibroma papillare die Regel, und nach der Regel pflegen wir die
Vorgänge zu beurtheilen und zu benennen, nicht aber nach der Aus¬
nahme.
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Referate ond Kritiken.
Zur Frage der Immunität und Prädisposition der Thiere für Milzbrand.
1. Pasteur: Etiologie du charbon.
2. Chauveau: De la predisposition et de l’immunitö patho-
logiques.
3. Toussaint: De l’immunitö pour le charbon.
4. Colin: a) Sur la duree de la Conservation du pouvoir viru¬
lent des cadavres et des d6bris cadaveriques charbonneux.
b) Analyse experimentale de la pustule maligne et de
l’oedcme charbonneux.
Archives vöterinaires. Paris, 1880.
In den letzten zwei Jahren 1879/80 sind in Frankreich zahl¬
reiche Versuche angestellt worden, um das Wesen des Milzbrandes,
seine Aetiologie, seine Ansteckungsfähigkeit etc. näher kennen zu
lernen und eventuell Präventivmassregeln anordnen zu können. Diese
Krankheit ist ähnlich wie in Deutschland in einigen Gegenden
Frankreichs, in den Departements Eure-et-Loire, Beauce u. a., sta¬
tionär und bringt den dortigen Viehbesitzern grossen Schaden. Man
hat berechnet, dass jährlich mindestens 2—3 pCt. des Viehstandes
der betreffenden Departements am Milzbrand sterben. — Verschiedene
bedeutende französische Gelehrte, wie Pasteur, Colin, Davaine,
Toussaint und Chauveau, haben umfassende Untersuchungen ge¬
macht und die Resultate derselben theils in Originalarbeiten veröffent¬
licht, theils der Akademie der Medicin in Paris vorgelegt.
Wenn auch ihre Ansichten in vielen Punkten nicht übereinstim¬
men, für einige selbst der Beweis noch zu erwarten sein dürfte oder
wenigstens noch mehr Beweismaterial heran gezogen werden müsste,
so haben dieselben doch grossen Werth für weitere Forschungen auf
diesem Gebiet.
Archiv f. wiflcenach. und pr&kt. Thierheilk. VII. 3. 16
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234
PAULI.
Im „Bulletin de 1’Academie de medecine de Paris“ hat Colin
eine Arbeit über „Die Dauer der Ansteckungsfähigkeit der Cadaver
und ihrer Theile von milzbrandkranken Thieren“ veröffentlicht und
darin im Gegensatz zu Pasteur und Anderen die Behauptung auf¬
gestellt, dass die „Virulenz“ des Milzbrandgiftes keineswegs von so
langer Dauer sei, wie bisher angenommen wurde.
Während der Jahre 1866—75 machte er zu allen Jahreszeiten
Irapfversuche an Hammeln, Kaninchen und Pferden mit Blut milz¬
brandkranker oder an Milzbrand gestorbener Thiere. In mehreren
Fällen war das Blut 24—48 Stunden nach dem Tode dem Thiere
entnommen und erst nach weiteren 24—36 Stunden die Impfung an¬
gestellt.
Es ergab sich, dass die Virulenz dieses Blutes verloren gegangen
war. Die Thiere blieben gesund, oder es gingen, wenn Kaninchen zu
den Versuchen genommen wurden, einige derselben unter septikä-
mischen Erscheinungen zu Grunde.
In dem benutzten Blute fanden sich zahllose Milzbrandbacterien
vor; allerdings war dasselbe in den angeführten Fällen bereits in
Fäulniss übergegangen. Bei anderen Versuchen impfte Colin mit
Blut, welches im Moment des Todes aus dem Herzen milzbrandkranker
Thiere entnommen worden war und sich gleich nach der Entnahme
als vollkommen wirkungsvoll erwies. Er bewahrte es in einem gut
verschlossenen Gefäss mehrere Tage auf, nach deren Verlauf er mit
dem anscheinend noch ganz frischen Blute Impfungen bei Kaninchen
und Hammeln anstellte, die ohne jeden Erfolg blieben.
Um die Verwesung der Cadaver zu verzögern, wurden die Bauch-
eingcweide gleich nach dem Tode der Thiere entfernt und, damit jede
Berührung mit der Lunft vermieden und dadurch die frühe Fäulniss
verhindert werden konnte, das Blut im Herzen und in den grösseren,
central gelegenen Gefässstäramen, welche man unterbunden hatte, auf¬
bewahrt. Es zeigte sich alsdann, dass die Virulenz des so behandelten
Blutes sich länger erhielt und zwar bis zum 8. Tage, bei sehr grosser
Kälte selbst bis zum 12. Tage.
In gleicher Weise sind auch andere Körper bestand theile milz¬
brandkranker Individuen bezüglich ihrer Infectionsfahigkeit von der
Fäulniss abhängig. Dem Blute gleich stehen die serösen Flüssig¬
keiten des Körpers, während Milz, Leber und Nieren schneller in
Fäulniss übergehen und daher auch leichter ihre Virulenz verlieren.
Producte der Excretion können ebenfalls, besonders wenn sie
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Referate und Kritiken.
235
stark mit Blut untermischt sind, Träger des Ansteckungsstoffes sein;
Gährung und Fäulniss vernichten jedoch auch hier denselben in
kurzer Zeit.
Der Urin, den Pasteur zur Cultur der Milzbrandbacterien am
geeignetsten hält, erwies sich nach den Versuchen von Colin nur
dann wirksam, wenn er in zugeschmolzenen Gelassen auf bewahrt
wurde.
Verdünnungen von Flüssigkeiten mit Milzbrandkeimen durch
Wasser beschleunigt das Verschwinden der Virulenz: Zusatz von
Alkohol, von verschiedenen Säuren, besonders Essigsäure und von
Salzen, welche adstringirend wirken oder Eiweiss zum Coaguliren
bringen, ferner Siedehitze, vernichten jede Ansteckungsfähigkeit, Frost
erhält dieselbe.
Auf Grund dieser Versuche glaubt Colin erwiesen zu haben,
dass die Anwesenheit von Milzbrandbacterien, die jedesmal in der
Impfflüssigkeit constatirt wurden, für die Infectionsfähigkeit der letz¬
teren vollkommen irrelevant sei. Es müsse vielmehr ein „Milzbrand¬
gift“, über dessen Natur Colin selbst im Unklaren ist, angenommen
werden, welches durch den Fäulnissprocess leicht zerstört werden
könne. Eine Ansteckungsfähigkeit auf dem Wege der „Cohabitation“
hält C. der Unbeständigkeit des Contagiums halber nicht für möglich,
bestreitet auch, dass, wenn in gewissen Gegenden der Milzbrand sehr
häufig aufzutreten pflegt, der Grund hierfür in den der Erde anhaf¬
tenden Milzbrandkeimen zu suchen sei.
Diesen Ausführungen tritt Pasteur entschieden entgegen. Aller¬
dings sei es richtig, dass der Fäulnissprocess vernichtend auf die
fadenförmigen Bacterien, die ja hauptsächlich im Blute milzbrand-
kranker Thiere vorgefunden werden, wirke und diese in dünne Körn¬
chen auflöse. Schon Davaine hatte nachgewiesen, dass diese durch
Zerfall entstandenen Körnchen unschädlich sind; auch war bereits den
Abdeckern lange Zeit vordem bekannt, dass Cadaver milzbrand¬
kranker Thiere die Krankheit nicht mehr übertragen können, sobald
sie in Fäulniss begriffen sind. Kann jedoch zu den Milzbrandbacte¬
rien sauerstoffhaltige Luft hinzutreten und gelangen sie in ander¬
weitige günstige Verhältnisse, so pflegen sie sich nicht nur zu erhal¬
ten, sondern sind auch im Stande, Sporen zu bilden und sich dem
lebenden Organismus schädlich zu zeigen. Als ein derartiges günstiges
Medium ist der Erdboden zu betrachten. Selbst wenn die Cadaver
vor dem Vergraben nicht zerstückelt werden, pflegen Blut, Urin,
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236
PAULI.
Fäcalmassen aus den Körperöffnungen auszutreten und den Boden zu
tränken. Die in den Substanzen enthaltenen Milzbrandbacterien ge¬
langen zu weiterer Entwickelung und werden mit dem Staube auf die
Futterpflanzen gebracht, mit denen sie die Thiere bei der Weide auf¬
nehmen.
Versuche haben die Erhaltung und Fortentwickelung der Bacterien
im Erdboden erwiesen. Am Milzbrand gestorbene Hammel wurden
vergraben; nach 14 Monaten konnten noch Milzbrandkeime im Erd¬
boden des Vergrabungsplatzes nachgewiesen werden. Das Gleiche
geschah im Jura mit zwei Kühen; auch hier fand man nach 2 Jahren
Sporen in der Erde. Beide Male wurden Impfungen mit diesen Bac-
terienkeimen vorgenommen; die geimpften Thiere starben in kurzer
Zeit am Milzbrand.
In einem anderen Ealle stellte Pasteur auf einem Platze, wel¬
cher vor längerer Zeit zur Verscharrung an Milzbrand gestorbener
Thiere gedient hatte, vier Hammel, in grösserer Entfernung davon
drei Hammel auf; die ersten gingen unter den Erscheinungen des
Milzbrandes zu Grunde, während die letzten drei gesund blieben.
Die Frage: in welcher Weise gelangen die Milzbrandbacterien
aus der Tiefe der Verscharrungsplätze an die Erdoberfläche? glaubt
Pasteur dahin beantworten zu können, dass hierbei bestimmte Kräfte
sich activ erweisen müssen; denn eine Strömung von Flüssigkeiten,
wie Regen, Thau, würde einem Emporkommen der Bacterien direct
entgegenwirken. Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Regenwürmer
welche in den in ihrem Darmtractus Vorgefundenen Erdcylindern sehr
wohl Milzbrandbacterien hinaufschaffen können. Pasteur setzte in
Erde, die mit Bacterien untermischt worden war, Regenwürmer und fand
in der That schon nach kürzerer Zeit in dem erdigen Inhalt der Thiere
wieder Bacterien vor. Damit stimmt auch die Beobachtung überein,
dass nur in Gegenden mit Ton- oder Kalkerde, welche die Würmer
durchdringen können, der Milzbrand stationär ist, nicht aber in sol¬
chen mit Granit oder Schiefer.
Die Infection bei Thieren geht nach Pasteur und Anderen von
der Maul- und Rachenhöhle, sowie vom Schlunde aus. Die Thiere
verletzen sich an spitzen Gräsern oder anderen Gegenständen und
bieten in den wunden Flächen den Bacterien bequeme Eintrittsstellen
dar. So wurde eine Hammelheerde mit Luzerne, die mit Milzbrand-
culturflüssigkeit getränkt worden, gefüttert; es starben nur einige
Thiere an Milzbrand. Als man jedoch unter das Futter spitze Sub-
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Referate und Kritiken.
237
stanzen mischte, wurde die Sterblichkeit bedeutend erhöht. Auch soll
man bei der Section am Milzbrand gestorbener Individuen stets Ver¬
wundungen in den angeführten Organen finden.
Beachtungswerth sind ferner die Versuche, welche Pasteur mit
Hühnern gemacht hat. Diese sind bekanntlich für Milzbrand nur in
geringem Masse empfänglich. Nach den Berichten von P. sollen
Impfungen bei denselben stets erfolgreich sein, sobald man die Tem¬
peratur der Thiere um einige Grade herabsetzt, um ihre Blutwärme
der jener Thiere gleich zu machen, welche leicht am Milzbrand er¬
kranken, und so der Entwickelung der Milzbrandbacterien günstigere
Bedingungen zu schaffen.
Zu diesem Zweck wird das Huhn mit dem Hintertheil in ein
Wasserbad von 36° C. gebracht und nach etwa 10 Minuten die Im¬
pfung vorgenommen, welche dann stets Erfolg hatte. Pasteur be¬
handelte einige Hühner zur Oontrole in gleicher Weise, jedoch ohne
sie zu impfen; diese blieben gesund.
Chauveau, welcher zu gleicher Zeit zahlreiche Versuche mit
Milzbrandbacterien machte, gelangte zu fast gleichen Resultaten wie
Pasteur; jedoch haben wir auch ihm eine neue Beobachtung zu ver¬
danken. Bei einigen Impfungen, die er bei Hammeln anstellte, blie¬
ben ihm das erste Mal 2, dann 9 der Thiere gesund trotz wieder¬
holter Injection von Irapfflüssigkeit, welche sich bei den anderen
Versuchsthieren als sehr wirksam erwiesen hatte.
Er forschte nach dem Grund dieser auffallenden Erscheinung und
fand, dass diese Thiere der in Algier vorkommenden Berberrace oder
einer Kreuzung dieser mit der syrischen Race angehörten. Er machte
hierauf weitere Experimente mit diesen Thieren, stellte Controlversuche
an und konnte die Thatsache feststellen, dass die aussereuropäischen
Schafracen, besonders diejenigen Algiers, eine grosse Immunität für
Milzbrand besitzen. Von 47 Thieren der Berberrace starben 8 nach
der Impfung mit Milzbrandblut; die anderen zeigten zwar grosse Er¬
mattung, Fieber, Diarrhoen, genasen aber in kurzer Zeit. 12 Con-
trolthiere europäischer Schafracen gingen in Folge der Impfung am
Milzbrand zu Grunde.
Es lag nun die Frage nahe: ist diese Immunität eine Racen-
eigenthümlichkeit, oder wäre es möglich, dieselbe durch längeren
Aufenthalt in Algier u. s. w. zu erwerben, wäre sie also von den
veränderten Lebensbedingungen abhängig? Zur Lösung der Frage
impfte Chauveau mehrere Schafe einer Merinoheerde, welche bereits
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238
PAULI.
seit vielen Jahren in Algier gehalten war und sieh vollkommen aeeli-
matisirt hatte. Alle erkrankten am Milzbrand und waren nach eini¬
gen Tagen todt. Andererseits wurden Schafe der Berberrace nach
Frankreich geschafft, dort einige Zeit gehalten und dann mit Milz¬
brandflüssigkeit geimpft. Nur ein ganz geringer Procentsatz erlag,
die anderen blieben gesund. Hieraus ergiebt sich wohl, dass die
Immunität der Race zugeschrieben werden kann. Allerdings muss
erwähnt werden, dass Schafe, welche zwar der Berberrace entstamm¬
ten, jedoch in der Provence geboren wurdeu und deren Mütter in
Frankreich seit langer Zeit acclimatisirt waren, zum Theil ihre Im¬
munität verloren hatten, dass demnach auch die Lebensverhältnisse
einen Einfluss auf diese Eigenthümlichkeit der algierischen Schafe
haben müssen. Werden sehr grosse Dosen Milzbrandbaeterien ent¬
haltender Flüssigkeit eingeirapft, so sieht man stärkere Krankheits-
erscheinungen und häufig tritt letaler Ausgang ein. Die Immunität
der Berberrace gegen Milzbrand kann, wie auch Chauveau zugiebt,
in einzelnen Fällen überwunden werden und scheint proportional den
eingeführten Dosen zu sein.
Angeregt durch diese Untersuchungen und besonders durch die¬
jenigen Pasteur’s über die Cholera der Hühner, welche ergeben
hatten, dass das Geflügel gegen diese Erkrankung immun gemacht
werden könne, veranlasste Toussaint, nach einer * Vaccine“, d. h.
nach einem Impfstoff, der Immunität gegen Milzbrand in den Thiereu
erzeugte, zu suchen. Er experimentirte nach dieser Richtung hin und
kam in der That zu positiven Resultaten, welche der Akademio der
Medizin zu Paris vorgelegt wurden.
Toussaint setzte defibrinirtes Blut milzbrandkranker Thiere
während 10 Minuten einer Hitze von 52° C. aus oder mischte es in
einem bestimmten Verhältnis, das er jedoch nicht angiebt, mit Car-
bolsäure. Mit dieser so behandelten Flüssigkeit impfte er von 11
Hammeln 6; nach einigen Tagen injicirte er allen 11 nicht ver¬
änderte Blut von am Milzbrand gestorbenen Rindern. Die 6 „vacci-
nirten“ — mit der Schutzlymphe geimpften — blieben gesund, die 5
anderen starben.
Einen gleichen Erfolg hatte er mit Hunden, welche unter 6 Mo¬
nate alt waren; dieselben zeigen sich in diesem Alter gewöhnlich
sehr empfänglich für Milzbrand.
Bei einem anderen Versuch wurden von 20 Hammeln 16 „vacci-
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Referate und Kritiken.
239
nirt“, sodann alle mit Milzbrandblut geimpft; die nicht „vaccinirten“
starben, während die anderen nur eine leichte Erkrankung zeigten.
Lämmer, deren Mütter im letzten Monat der Trächtigkeit mit
der präparirten Flüssigkeit geimpft wurden, zeigten sich gegen Impfun¬
gen mit Milzbrandblut immun.
Hier anzufugen sind noch zwei andere Entdeckungen Pasteur’s.
Er fand, dass Thiere, welche eine Milzbranderkrankung überstanden
haben, nicht mehr von dieser Krankheit afficirt werden, selbst für
Impfungen nicht mehr empfänglich seien. Ferner stellte er fest, dass
Hühner, welche mit der „Choleravaccine“ geimpft worden, eine Im¬
munität gegen Milzbrand erlangt haben. Seine Versuche über den
letzten Gegenstand sind noch nicht abgeschlossen und lassen weitere
Forschungen über die Verwandtschaft der Bacterienarten erhoffen.
In nahem Zusammenhang mit diesen Arbeiten der französischen
Forscher stehen die Untersuchungen Colin’s über „den bösartigen
Carbunkel und das Oedem beim Milzbrand“. Bei vielen Thierarten
kann man in keiner Weise den bösartigen Carbunkel oder das bös¬
artige Oedem, wie sie bei dem Milzbrand des Menschen stets Vor¬
kommen, erzeugen; es ist hierbei gleichgültig, welche Art der Impfung
man anwendet. Andere Thiere dagegen zeigen vollkommen die glei¬
chen Erscheinungen in dieser Krankheit wie der Mensch.
Wird ein für Milzbrand wenig empfängliches Thier, wie der Hund,
mit Secreten milzbrandkranker Thiere geimpft, so erhält man die
verschiedensten Resultate, die meistens von der Lage der Impfstelle
abhängen. An den Ohren und den Gliedmaassen entwickelt sich ein
Erythem, an den Geschlechtsteilen ein Oedem, während die Carbun-
keln am meisten in den dünnen, von Haaren wenig bedeckten Haut¬
stellen entstehen und in ihrer Umgebung ödematöse Anschwellungen
zeigen.
Der Unterschied der Carbunkel des Hundes von denen des Men¬
schen besteht nach Colin in der schnelleren Entwickelung der er-
steren. In 1—2 Tagen sind sie gebildet und beginnen am 4. bereits
zu eitern, zu ulceriren oder in schnelle Auflösung überzugehen. Schorf,
der sich in grosser Masse ablöst, ist niemals vorhanden. Schmerz¬
haft sind die Carbunkel des Hundes sowie auch die des Menschen
nicht; vor Allem unterscheiden sie sich jedoch darin, dass die Car¬
bunkel des Hundes niemals, selbst wenn sie in grösserer Anzahl an
einem Thiere auftreten, bösartig werden; eine Störung im Gesammt-
organismus ist niemals nachzuweisen. Nur bei jungen, an Lymph-
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PAULI.
apparaten reichen Individuen kann eine Allgemcinerkrankung eintreten.
Beginnt dieBildung desCarbunkels unter sehr acuten Entzündungserschei¬
nungen und schreitet dieselbe schnell vor, so ist die Gefahr einer In-
fection des Körpers nicht in dem Masse vorhanden, wie bei den lang¬
sam, ohne besondere Irritation auftretenden carbunculösen Geschwüren.
Es liegt nun die Frage nahe: sind die Milzbrandcarbunkel des
Hundes oder derjenigen Thiere, bei denen sie nicht inficirend wirken,
überhaupt oder zu irgend welcher Zeit virulent? Ist dieses der Fall,
aus welchem Grunde erlischt dann die Virulenz, ohne zu einer In-
fection mit letalem Ausgange wie beim Menschen und den Herbivoren
zu gelangen.
Die Experimente, welche Colin an verschiedenen Thieren ge¬
macht, haben ergeben, dass auch die Carbunkel der Fleischfresser
virulent sind, jedoch nur bis zu einer bestimmten Zeit, etwa bis zum
4. Tage, dann erlischt die Virulenz. Dieselbe ist hauptsächlich an
die missfarbene, seröse Flüssigkeit im Carbunkel gebunden, während
der klare Eiter sehr geringe, der dickflüssige und der Inhalt der
kleinen, um den Schorf des Carbunkels sitzenden Phlyctenen keine
Ansteckungslähigkeit haben. Die Sterilität des Inhalts dieser kleinen
Bläschen hat auch M. Raimbert beim Menschen nachgewiesen.
Die Erscheinung, dass die Milzbrandcarbunkel bei Hunden in den
meisten Fällen zur Heilung gelangen, ohne eine Infection des Kör¬
pers herbeizuführen, weiss auch Colin nicht zu erklären. Er be¬
schränkt sich auf Feststellung dieser Thatsache und fügt noch hinzu,
dass die Versuchsthiere, bei denen der Process localisirt blieb, nie¬
mals Erkrankungen oder irgend welche Veränderungen der Lymph-
apparate zeigten, während er diese stets als erste Symptome an den
Thieren nachweisen konnte, die nach der Impfung mit Milzbrand-
contagium ausser den Carbunkeln eine allgemeine Infection des Kör¬
pers erlitten. Nach der Erkrankung der Lyraphapparate traten erst
die anderen, bekannten Erscheinungen des Milzbrandes hervor.
Ernst Pauli.
Grundzüge der Naturgeschichte der Hausthiere. Von Dr. Martin
Wilckens, Professor an der k. k. Hochschule für Bodenkultur in
Wien. Verlag von Schönfeld in Dresden, 1880.
In dem vorstehenden über 300 Seiten starken Buche hat sich der
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Referate and Kritiken.
241
Verfasser die Aufgabe gestellt, die Grundzüge der Naturgeschichte
unserer Hausthiere zusaramenzustellen und dadurch eine Uebersicht
und eine einheitliche Betrachtung der verschiedenartigen Hausthier¬
formen zu geben.
Nach einleitenden Kapiteln über die Begriffe: Abstammung, geo¬
graphische Verbreitung, Rasseneintheilung und Rassenbildung der Haus¬
thiere, bringt der Verfasser eine sehr eingehende Abhandlung über die
paläontologische Entwickelung der Hufthiere. Ein übersichtlich darge¬
stellter Stammbaum ist diesem Theile eingefügt worden. Den Haupt-
theil des Werkes bildet dann die specielle Betrachtung der einzelnen
Hausthierarten nach ihren zoologischen Merkmalen, ihrer Abstammung
und ihren Rassen. Verf. hält sich dabei streng an den anatomischen
Bau der Thiere und legt bei Aufzahlung der unterscheidenden Kri¬
terien einen grossen Werth auf das Gebiss und die Einrichtung der
Vorder- und Hinterfusswurzel.
Entsprechend der Definition des Verf., dass zu den Hausthieren
alle nützlichen und wirthschaftlich verwendbaren Thiere, die sich
regelmässig fortpflanzen und der künstlichen Züchtung unterwerfen,
gehören, behandelt das Buch neben der Zoologie der Haussäugethiere,
auch die der Vögel und selbst der Insekten des Hausstandes. Zu den
letzteren werden die Seidenspinner, die Bienen und die Cochenille
gezählt.
Das Buch ist ganz im Sinne der modernen Zoologie geschrieben.
Der Verf., selbst Anhänger der Darwinschen Lehre, verfügt, wie schon
aus seinen früheren Schriften hervorgeht, über ein reiches eigenes
Beobachtungsmaterial, welches er unter Benutzung der zahlreichen
neueren Arbeiten auf dem Gebiete der Zoologie und Thierzucht dem
Werke zu Grunde gelegt hat. Dabei gereicht es dem Verf. zum be¬
sonderen Verdienst, den vielseitigen Gegenstand auf dem verhältniss-
mässig kleinen Raume des Buches behandelt zu haben, ohne an einer
Stelle unvollständig zu werden. Mehrere Kapitel wie die paläontolo¬
gische Entwicklung der Hausthiere, die Rassen des Hundes und Rindes
zeichnen sich besonders durch Vollständigkeit und gründliche Bear¬
beitung aus.
Vom Standpunkte des Zoologen betrachtet, ist Verf. seiner Auf¬
gabe vollständig gerecht geworden; wir möchten aber bezweifeln, dass
' er auch seinen in der Vorrede erwähnten Intentionen entsprochen hat:
den Studirenden der Landwirtschaft und den practischen Landwirthen
der Notwendigkeit des Studiums der Einzelwerke über Thierzucht zu
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242
EGGELING.
entheben. Für diesen Zweck hätten die einzelnen Rassen und Schläge
der landwirtschaftlichen Hausthiere eine eingehendere Behandlung er¬
fahren müssen.
Zum Schlüsse sei bemerkt, dass wir uns mit einzelnen An¬
schauungen des Verf., z. B. über die Begriffe von Art und Rasse,
sowie über Einteilung und Bildung der letzteren nicht einverstanden
erklären können. Eine Ausführung der Gründe würde zu weit führen;
wir bemerken daher, dass wir den Ansichten Settegast’s zustimmen,
dessen klassisches Werk über allgemeine Thierzuchtlehre wir in dem
Literaturverzeichnis vermissen.
Diese Differenz kann indess den Werth des Buches nicht ver¬
ringern. Dasselbe empfiehlt sich durch seine Fülle des Inhalts und
die gedrängte Darstellung besonders zum Studium für diejenigen, welche
sich in kurzer Zeit eine Uebersicht über die Naturgeschichte der Haus¬
thiere aneignen wollen. Eggeling.
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Kleinere Mittheihmgen.
Die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten in Prenssen während
des Quartals Juli-September 1880.
1. Milzbrand. Fälle von Milzbrand wurden in 257 Gehöften beobachtet,
welche sich auf 224 Ortschaften in 125 Kreisen vertheilen. Am Milzbrand sind
gefallen: 22 Pferde, 385 Stück Rindvieh, 80 Schafe und 30 Schweine.
Die 22 Pferde vertheilen sich auf 16 Gehöfte, von denen eines 3, vier je
zwei Pferde verloren, die übrigen Fälle blieben vereinzelt; in 9 Gehöften kamen
gleichzeitig Erkrankungen an Milzbrand bei dem Rindvieh vor, und ein Gehöft
im Kreise Schrimm, in welchem ein Pferd fiel, wird als Milzbrandstation be¬
zeichnet. Im Uebrigen ist über die Ursachen der Milzbranderkrankungen bei
Pferden nichts bekannt geworden.
Die 385 an Milzbrand gefallenen Stück Rindvieh vertheilen sich in ab¬
gerundeten Procentsätzen wie folgt auf die einzelnen Provinzen:
Ostpreussen. 7,00 pCt.
Westpreussen. 8,00 „
Brandenburg. 4,40 „
Pommern.11,70 „
Posen .16,10 „
Schlesien.14,55 „
Sachsen .12,20 „
Schleswig-Holstein.10.40 „
Hannover. 2,10 „
Westfalen. 0,00 ,,
Hessen-Nassau. 3,40„
Rheinprovinz.10,15 ,,
Hohenzollernsche Lande . . 0,00
Summa 100,00 pCt.
Als am Milzbrand erkrankt, jedoch genesen, werden 22 Stück Rindvieh
erwähnt.
Ueber 5Stück Rindvieh starben kurz hinter einander in 6 Gehöften, nämlich:
Bestand. Gefallen.
in 1 Geh., Kreis Pyritz, Reg.-Bezirk Stettin, 150 Stück, 36 Stück
„2 „ „ Marienwerder, w Marienwerder, 30 * 19 »
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244
Kleinere Mittheilungen.
Bestand. Gefallen.
in 1 Geh.. Kreis Bomst, Reg.-Bezirk Posen, 32 Stück, 16 Stück
» 1 » » Buk, „ „ 40 „ 10 „
» 1 » „ Danzig, „ Danzig, 71 * 7 *
Ausserdem fielen in 3 bez. 2 Gehöften einer Ortschaft der Kreise Johannis¬
burg, Reg.-Bez. Gumbinnen, und Cochem, Reg.-Bez. Koblenz, 6 bez. 4, sowie
in einer nicht weiter angegebenen Gehöftszahl eines anderen Ortes im Kreise
Cochem 12 Stück Rindvieh.
Ueber die Ursachen dieser seuchenhaften Ausbrüche des Milzbrandes wird
angegeben: Verfüttern von Gerstenstroh aus einer Tenne, auf welcher ein Milz-
brandcadaver abgehäutet, Verfüttern von Häcksel, in welchem Fleisch von an
Milzbrand crepirten Schafen versteckt worden war; Einschleppung durch ange¬
kaufte Schafe und Behüten einer Weide, auf welcher der Milzbrand stationär ist.
Auf einem Gute des Kreises Liebenwerda, Reg.-Bez. Merseburg, unter dessen
Viehbeständen der Milzbrand im vorigen Jahro seuchenhaft geherrscht hatte,
starben während des Berichtsquartals wieder 1 Stück Rindvieh und in einem
benachbarten Orte 2 Stück Rindvieh und 2 Ziegen, deren Futter angeblich aus
dem zuerst genannten Seuchenorte eingeführt worden war.
In 4 Gehöften starben je 5, in 1 Gehöft 4, in 5 Gehöften je 3, in 27 Ge¬
höften je 2, in 184 Gehöften beschränkte sich der Verlust auf je 1 Stück Rind¬
vieh. Frei vom Milzbrand blieben die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Köslin, Stralsund,
Lüneburg, Osnabrück, die Provinz Westfalen, die Hohenzollernschen Lande und
die Stadt Berlin.
Die zahlreichsten Erkrankungen kamen in Ortschaften oder Gehöften, in
denen der Milzbrand stationär ist, und ausserdem nach dem Weiden in der Nähe
von Gewässern bez. nach dem Verfüttern von Pflanzen vor, welche auf über¬
schwemmt gewesenen Ackerflächen gewonnen worden waren. Mehrere Ausbrüche
des Milzbrandes werden auf die unzweckmässige Verscharrung von an der Blut¬
seuche gefallenen Schafen zurückgeführt, einzelne auf schlechtes Trinkwasser aus
Teichen mit ungewöhnlich niedrigem Wasserstande, bez. aus Teichen, oberhalb wel¬
cher Gerbereien lagen. In einem Gehöft soll der Ausbruch des Milzbrandes bei einem
zweiten Stück durch die Haut der 8 Tage vorher zuerst gefallenen Kuh vermit¬
telt worden sein. In Betreff zahlreicher Milzbrandfälle, bei denen schlechtes
Futter, Pilzbefallungen, dunkele, heisse, schlecht ventilirte Ställe, Gewitter¬
schwüle u. s. w. als Ursachen beschuldigt werden, lässt sich die Vermuthung
nicht von der Hand weisen, dass vielleicht ein Irrthum in der Diagnose vorliegt.
Die meisten der im Reg.-Bez. Schleswig und im Kreise Eupen, Reg.-Bez.
Aachen, beobachteten Erkrankungen, sowie ein Fall im Landdr.-Bez. Stade, tra¬
ten in der Form des Rauschbrandes auf; ausserdem wird in einzelnen wenigen
Fällen das Vorkommen des carbunculösen Anthrax und eines erst nach 24—48
Stunden tödtlich endenden Milzbrandfiebers erwähnt. Im Uebrigen scheint der
Milzbrand meistens in der sogenannten apoplektischen Form aufgetreten zu sein.
Die 80 am Milzbrand gefallenen Schafe vertheilen sich auf 11 Gehöfte in
ebenso vielen Ortschaften und Kreisen; in 7 dieser Ortschaften herrschte der
Milzbrand gleichzeitig unter dem Rindvieh.
Von den 30 in den Tabellen verzeichneten Schweinen sind 22 höchst
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Kleinere Mittheilungen.
245
wahrscheinlich nicht am Milzbrand, sondern an der sogenannten Schweinesenche
gefallen; 2 Schweine starben in einem Gehöft des Kreises Pieschen, Reg.-Bez.
Posen, in welchem gleichzeitig auch der Milzbrand unter dem Rindvieh und den
Schafen herrschte. Bei einem Schweine im Kreise Steinfnrt, Reg.-Bez. Münster,
fand sich eine sehr umfangreiche Carbunkelbildung am Nacken und an den
Bauchdecken.
Vom 27. August bis 25. September 1880 wurden in der Ibenhorster Forst,
Kr. Heydekrug, Reg.-Bez. Gumbinnen, 5 anscheinend am Milzbrand gestorbene
Elche gefunden, in einem Thiergarten des Kreises Teltow, Reg.-Bez. Potsdam,
fielen am Milzbrand 40 Stück Dammwild und 4 Wildschweine.
In Folge von Milzbrandinfection erkrankten 22 Menschen, von denen 7 star¬
ben, darunter allein 13 Erkrankungen und 5 Todesfälle in einer Ortschaft des
Kreises Johannisburg, Reg.-Bez. Gumbinnen. Die Infection ging in einem Falle
von einem Schafe, sonst stets von Rindvieh aus.
2. Maul-und Klauenseuche. Die Aphthenseuche ist unter dem Rind¬
vieh nur in 20 Ortschaften, welche sich auf 16 Kreise der Provinzen Ostpreussen,
Brandenburg, Posen, Schlesien, Sachsen, Hannover, Westfalen und der Rheinpro¬
vinz vertheilen, beobachtet worden. Dieselbe erlangte nirgends eine weite Ver¬
breitung, sondern blieb stets auf einzelne Gehöfte, selbst auf einzelne Ställe der
letzteren beschränkt; in mehreren Fällen gelang es, durch strenge Isolirung der
zuerst erkrankten Hberde das Eindringen der Seuche in andere Ställe desselben
Gehöftes zu verhindern.
Gestorben sind an der Aphthenseuche 3 Stück Rindvieh; bei einem Ochsen
fanden sich diphtheritische Beläge von 1—3 Linien Dicke im Kehlkopf, in der
Luftröhre und selbst in den Verzweigungen der Bronchien.
Die Einschleppung ist nur bei wenigen Ausbrüchen festgestellt worden, in
den meisten Fällen blieb dieselbe ganz unaufgeklärt und um so räthselhafter, als
weit und breit in der Nachbarschaft die Seuche nicht herrschte und die betref¬
fenden Thiere ihre Ställe, welche von fremden Personen nicht betreten worden
waren, nicht verlassen hatten. In zwei Fällen soll die Seuche durch erkrankte
Schafe in Rindviehställe eingeschleppt worden sein.
Das statistische Material erwähnt das Vorkommen der Seuche bei zusammen
9 Schafheerden in den Provinzen Brandenburg, Schlesien, Sachsen, Hannover
und Westfalen. 4 Schafe sind an der Aphthenseuche gefallen; die Einschlep¬
pung der Krankheit durch Handelsvieh oder durch Treibheerden konnte in den
meisten Fällen nachgewiesen werden.
Die sogenannte bösartige Klauenseuche herrscht seit langer Zeit weit
verbreitet im Ober-Lahn-, Unter-Lahn-, Rheingau-, Unter-Taunus- und Mainkreise
des Reg.-Bez. Wiesbaden; dieselbe wird vorzugsweise durch den Schafhandel
verschleppt und hat bedeutende Verluste im Gefolge. Die Schäfer sind vielfach
der Meinung, dass das Leiden durch Verletzung der Weichgebilde an den Fuss-
enden auf den Stoppelweiden erzeugt wird und suchen Ausbrüche der Krankheit
möglichst zu verheimlichen. Ausserdem wird über das Herrschen der bösartigen
Klauenseuche im Kreise Jüterbog-Luckenwalde, Reg.-Bez. Potsdam, berichtet
und liegt die Vermuthung nahe, dass ein Theil der in die TabeMen aufgenom-
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246 Kleinere Mittheilungen.
menen Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche als sog. bösartige Klauenseuche
anzusehen sein dürfte.
3. Lungenseuche. Die Lungenseuche trat unter 92 Viehbeständen auf,
welche sich auf 65 Ortschaften in 37 Kreisen vertheilen und zusammen 2506
Stück Rindvieh enthielten.
Erkrankt sind.371 Stück Rindvieh
Gefallen „ .. 21 „ *
Auf polizeiliche Anordnung wurden getödtet 336 „ „
Auf Veranlassung der Besitzer „ „ 27 „ „
Am Schlüsse des Berichtsjahres war die Seuche in 77 Gehöften noch nicht
getilgt.
Die 371 an Lungenseuche erkrankten Stück Rindvieh vertheilen sich, wie
folgt, auf die Provinzen*.
Westpreussen . . .
. . . l,00pCt.
Sachsen .
. . . 49,00pCt.
Brandenburg . . .
. . . 3,80 „
Hannover.
. . . 3,50 ,,
Pommern.
. . . 2,40 „
Westfalen.
. . . 0,80 „
Posen.
. . . 28,50 „
Hessen-Nassau . . .
. . . 4,30 „
Schlesien.
. . . 5,70 „
Rheinprovinz . . .
. . . 1,00
100,00pCt.
Die 384 gefallenen und getödteten Stück Rindvieh bilden 15,32 pCt. der
2506 Stück, mit welchen die verseuchten Ställe besetzt waren. Derselbe Pro¬
centsatz stellt sich in den einzelnen Provinzen, wie folgt:
Westpreussen . . .
. . . 6,55pCt.
Sachsen.
, . . 12.80pCt.
Brandenburg . . .
• • • 27,77 „
Hannover . . . . ,
. . . 2,90 ,
Pommern.
. . . 6,34 „
Westfalen . . . . ,
. . . 100.00 „
Posen .
. . . 17,35 .
Hessen-Nassau . .
. . . 22,80 „
Schlesien.
. • . 4,47 „
Rheinprovinz . . .
. . . 57,00 „
Ostpreussen blieb frei von der Lungenseuche, und in Westpreussen be¬
schränkte sich das Vorkommen derselben auf ein Gut des Kreises Pr. Stargard, in
welchem die Krankheit 8 Monate vorher geherrscht hatte und während des Be¬
richtsquartals unter dem Vieh der Dienstleute ausbrach.
Im Reg.-Bez. Potsdam wurde nur ein Ausbruch der Lungenseuche beob¬
achtet, derselbe betraf einen bäuerlichen Viehbestand und erfolgte durch Ueber-
tragung von der im vorhergehenden Quartal verseucht gewesenen Gutsheerde
desselben Ortes. Die beiden Seuchenherde der Kreise Amswalde und Königs¬
berg dos Reg.-Bez. Frankfurt, in denen die Krankheit seit dem vorigen Quartal
fortherrschte, wurden durch Abschlachten der betreffenden Bestände getilgt.
Ausserdem kamen Neuausbrüche vor in je einem Orte des Kreises Lebus — Ein¬
schleppung aus Bayern — und Züllichau —Wiederausbruch unter bäuerlichen Be¬
ständen, nachdem die Krankheit unter dem Gutsvieh getilgt war. Unter dem in
Berlin einheimischen Vieh wurden keine Fälle von Lungenseuche beobachtet. In
2 Vorwerken desselben Gutes im Kreise Pyritz, Reg.-Bez. Stettin, dauerte trotz
zeitig vorgenommener Impfung das Herrschen der Lungenseuche aus dem vorigen
Quartal fort. Im Uebrigen blieb Pommern frei von der Krankheit.
Die Verluste durch die Lungenseuche in der Provinz Posen haben gegen
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Kleinere Mittheilungen.
247
das vorhergehende Quartal erheblich zugenommen. Die Krankheit wurde von dem
seit längerer Zeit verseuchten Bestände in Manietzki, Kreis Schrimm, auf den
des benachbarten Gutes Boreczek übertragen und herrschte ausserdem in zusam¬
men 9 Gehöften der Kreise Bomst, Fraustadt, Kosten und Posen, Reg.-Bez.
Posen. In ein Gut des Landkreises Posen wurde die Lungenseuche durch Vieh
der Dienstleute eingeschleppt. In dem Reg.-Bez. Bromberg, welcher sonst im
Allgemeinen nur geringe Verluste erleidet, wurden 4G Stück Rindvieh auf poli¬
zeiliche Anordnung getödtet, darunter 38 Stück eines Guter im Kreise Wirsitz —
Einschleppung durch in Bayern angekaufte Thiere — und 8 in einem Gute des
Kreises Kolmar, in demselben Bestände hatte die Lungenseuche vor einem Jahre
geherrscht. Während des Berichtsquartals trat die Lungenseuche bei einem Stück
der Gutsheerde und bei 7 Stück der Dienstleute auf. Eine der erkrankten Kühe
war 5 Jahre vorher mit Erfolg geimpft worden. In Schlesien beschränkte sich
das Vorkommen der Lungenseuche auf 5 Gehöfte zweier Ortschaften des Kreises
Pless, Reg.-Bez. Oppeln; in eine Ortschaft soll die Seuche durch eingeschmug¬
geltes Vieh aus Oesterreichisch-Schlesien eingeschleppt worden sein. Die Reg.-
Breslau und Liegnitz blieben seuchefrei.
Von den 164 in Sachsen auf polizeiliche Anordnung getödteten Stück
Rindvieh entfallen 137 auf 25 Ortschaften des Reg.-Bez. Magdeburg und 27 auf
6 Ortschaften des Reg.-Bez. Merseburg. Im Reg.-Bez. Erfurt kamen keine Fälle
von Lungenseuche vor. Mehrfach verseuchten weitere Gehöfte derselben Ort¬
schaften, oder die Krankheit wurde aus Nachbarorten — und zwar öfter durch
Zwischenträger — eingeschleppt. Ein Ausbruch im Kreise Gardelegen soll durch
Infection auf einer Thierschau in Magdeburg veranlasst worden sein. In meh¬
reren Beständen verging zwischen den letzten Erkrankungen und den im Berichts¬
quartal beobachteten eine Zeit von 3—4 Monaten.
Schleswig-Holstein blieb frei von der Lungenseuche. Das Auftreten der
letzteren in der Provinz Hannover beschränkte sich auf 2 Gehöfte des Kreises und
Landdr.-Bez. Hildesheim und auf ein schon im Quartal Januar-März verseucht
gewesenes Gehöft des Kreises Melle. Landdr.-Bez. Osnabrück. Auf einer isolirten
Weide des Kreises Bochum, Reg.-Bez. Arnsberg, erkrankten 3 verschiedenen Be¬
sitzern gehörende Stück Vieh. In den Reg.-Bez. Münster und Minden wurden
keine Fälle von Lungenseuche beobachtet. Von 7 im Reg.-Bez. Kassel ver¬
seuchten Beständen entfallen 6 auf 3 Ortschaften des Kreises Gersfeld und 1 auf
den Kreis Fulda. In 3 Ortschaften konnte die Einschleppung durch angekauftes
Vieh nachgewiesen werden. Im Reg.-Bez. Wiesbaden herrschte die Seuche in
einem Orte des Unter-Taur.us-Kreises, in welchem dieselbe schon während des
vorigen Jahres aufgetreten war und in 2 Gehöften des seit lange und wiederholt
verseucht gewesenen Ortes Hattersheim, Kreis Wiesbaden. Die Krankheit wurde
während des Berichtsquartals von neuem durch eine angekaufte Kuh einge¬
schleppt. In der Rheinprovinz beschränkte sich das Vorkommen der Lungen¬
seuche auf einen Viehbestand des Landkreises Krefeld — Einschleppung durch
Vieh württemberger Race — und auf einen Ort des Reg.-Bez. und Landkreises
Trier, in welchem die Krankheit seit dem März herrscht und während des Be¬
richtsquartals der vierte Bestand ergriffen wurde. In den Hohenzollernschen
Landen wurden keine Fälle von Lungenseuche beobachtet.
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248
Kleinere Mittheilungen.
Aus dem Auslande wurde die Lungenseuche im Berichtsquartal 7 mal ein¬
geschleppt, nämlich 4 mal aus Bayern, je einmal aus Württemberg, Schwarzburg-
Sondershausen und Oesterreichisch-Schlesien.
Von den verseuchten Gehöften entfallen 29,42 pCt. auf grössere Güter,
70,58 pCt. auf kleinere Besitzungen, von den auf polizeiliche Anordnung ge-
tödteten Stück Rindvieh 48 pCt. auf erstere und 52 pCt. auf letztere. Berechnet
man dieselben Verhältnisszahlen für die Provinzen Westpreussen, Pommern,
Posen und Sachsen, so stellen sich dieselben auf 42,36 und 57,64 pCt. bez. auf
55,90 und 44,10 pCt. Der Verlust an auf polizeiliche Anordnung getödteten
Rindern betrug in den grösseren Gütern durchschnittlich 9,36, in den kleineren
Besitzungen 25 pCt. des vorhandenen Gesammtbestandes.
Die Impfung der Lungenseuche ist in den beiden verseuchten Gutsvorwer¬
ken des Reg.-Bez. Stettin, ausserdem in 2 Seuchengehöften des Reg.-Bez. Magde¬
burg und in 1 Gehöft des Reg.-Bez. Merseburg ausgeführt worden. Ueber die
Erfolge dieser Impfungen wird nicht berichtet.
4. Rotz-Wurmkrankheit. Die Zahl der Rotzfalle und der verseuchten
Pferdebestände ist im Berichtsquartal, wie die nachstellende Vergleichung zeigt,
erheblich grösser gewesen, als im Quartal April-Juni.
Quartal
April-Juni
Juli-September
Zahl der Kreise.
156
160
„ „ Ortschaften .
257
276
„ * Gehöfte.
294
315
Gesammtbestand der verseuchten Gehöfte .
2584 Pferde
2681 Pferde
Erkrankt .
567 .
620 „
Gefallen.
43 ,
58 „
Auf polizeiliche Anordnung getödtet . . .
495 „
542 *
Auf Veranlassung der Besitzer „ ...
51 .
29 ,
Am Schluss des Berichtsquartals blieben
verseucht.
165 Gehöfte
172 Gehöfte
Die im Berichtsquartal getödteten und gefallenen 629 Pferde betragen
etwa 23,45 pCt. des Gesammtbestandes aller verseuchten Gehöfte und vertheilen
sich in abgerundeten Procentsätzen, wie folgt, auf die einzelnen Provinzen. Die
entsprechenden Zahlen des Quartals April-Juni sind zur Vergleichung gegen¬
übergestellt.
Quartal
April-Juni
Juli-September
Ostpreussen.
8,10pCt.
5,90 pCt.
Westpreussen.
14,15 „
17,30 „
Brandenburg .
11,25 .
7,60 „
Pommern.
8,50 ,
12,45 „
Posen .
11,25 „
17,00 *
Schlesien.
31,20 „
20,70 .
Sachsen ..
3,70 „
6,00 „
Schleswig-Holstein . . .
2,00 ,
1,30 „
Hannover.
1,70 .
1,90 „
Westfalen.
0,85 „
2,70 „
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Kleinere Mittheilungen.
249
Quartal April-Juni Juli-September
Hessen-Nassau l,20pCt. 0,80pCt.
Rheinprovinz. 5,25 „ 6,35 *
Hohenzollernsche Lande . 0,85 „ 0,00 „
100,00 pCt. 100,00 pCt.
Die vorstehende Berechnung zeigt, dass eine Verminderung des Procent¬
satzes auffällig sich nur in den Provinzen Ostpreussen und Brandenburg bemerk -
lich macht, dass der Procentsatz in Schlesien zwar weniger als im vorigen Quartal
beträgt, jedoch noch die höchste Ziffer aufweist, und in den Provinzen West-
preussen, Pommern, Posen, Sachsen und Westfalen erheblich, in der Rheinprovinz
etwas zugenommen hat..
Die 26 im Reg.-Bez. Königsberg getödteten Pferde vertheilen sich auf 16
Gehöfte in 13 Kreisen, der Verlust der einzelnen Bestände war mithin nicht sehr
bedeutend. 7 rotzkrank befundene Pferde waren kurze Zeit vorher angekauft
worden, dieselben stammten zum grösseren Theil aus Beständen, in denen die
Pferde als der Ansteckung verdächtig unter Observation gestanden und nach Ab¬
lauf der gewöhnlichen Zeit freigegeben worden waren. Zwei Ausbrüche wurden
dadurch bedingt, dass die Pferde in einen verseuchten Bestand verkauft und aus
dem letzteren zurückgenommen worden waren. In einem Gehöft hatte die Rotz¬
krankheit vor einem Jahre geherrscht, dieselbe brach im Berichtsquartal von
neuem aus. In 5 Gehöften des Reg.-Bez. Gumbinnen, weiche auf 4 Kreise ent¬
fallen, starben oder wurden getödtet 11 Pferde; eines derselben wurde auf dem
Markt in Stallupönen ermittelt. Ein Ausbruch kam unter einem Bestände vor,
dessen Observation erst im 4. Quartal 1879 aufgehoben worden war.
Im Reg.-Bez. Danzig blieben nur die Stadt Danzig und der Kreis Carthaus
frei von der Rotzkrankheit; von 43 getödteten und gestorbenen Pferden entfallen
17 auf 7 Bestände des Kreises Neustadt, 26 auf 16 Bestände der übrigen 5
Kreise des Regierungsbezirks. 8 Bestände mit zusammen 85 Pferden haben
während der beiden letzten Quartale 43 Pferde verloren. In einem Gehöft des
Kreises Pr.-Stargard brach die Krankheit nach längerem Zwischenraum von neuem
aus. Von den 14 Kreisen des Reg.-Bez. Marienwerder, in welchem 66 Pferde
getödtet wurden resp. starben, blieben nur Könitz, D.-Krone und Schlochau frei
von der Rotzkrankheit; die bedeutendsten Verluste entfallen auf die Kreise Stras¬
burg, Graudenz, Kulm und Marienwerder. Der Regierungsbezirk enthält noch in
grösserer Zahl alte Rotzstationen, unter deren Beständen die Krankheit nach län¬
geren Zwischenzeiten häufig wieder ausbricht. 3 rotzkrank befundene Pferde
waren kurz vorher angekauft worden.
Die 17 im Reg.-Bez. Potsdam getödteten und gefallenen Pferde vertheilen
sich auf 11 Gehöfte in 6 Kreisen; unter diesen verlor ein Gut im Kreise Teltow
6 Pferde, die anderen Erkrankungen blieben mit Ausnahme eines Ausbruches
vereinzelt. Der Reg.-Bez. Frankfurt verlor 5 Pferde. In Berlin sind 26 Pferde
getödtet worden bez. gefallen — 4 weniger als im Quartal April-Juni; dieselben
vertheilen sich auf 15 Bestände, von denen 5 beioits im vorigen Quartal verseucht
waren. 1 rotzkrankes Pferd war kurz vorher angekauft worden; 2 rotzkranke
Pferde wurdea auf Rossschlächtereien ermittelt.
Von 42 im Reg.-Bez. Stettin getödteten und gefallenen Pferden gehörten
17
Archiv f. wlstenseh. und prakt. Thierheilk. VIL 3.
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250
Kleinere Mittheilungen.
29 einem Gutsbestande des Kreises Demmin an. Unter dem letzteren hatte die
Rotzkrankheit vom 16. Juni 1879 bis Ende Juli 1880 geherrscht; von den ur¬
sprünglich vorhanden gewesenen 73 Pferden hatten sich nach und nach 53 mit
dem Rotz — die meisten in der Form des Lungenrotzes — behaftet erwiesen,
keines der vorhandenen 18 Gespanne war frei von der Rotzkrankheit geblieben.
Von den 15 Pferden eines Fuhrhalters in Stettin, unter denen die Rotzkrankheit
am 13. April 1880 constatirt worden war, lebten noch 4 am Schluss des Be¬
richtsquartals. In einem Gutsbestande brach die Krankheit nach 14 Monaten
von neuem aus; ein rotzkrankeö Pferd war kurz vorher angekauft worden. Von
den 36 im Reg.-Bez. Köslin getödteten und gestorbenen Pferden entfallen 22
auf zusammen 3 Güter der Kreise Belgard, Lauenburg und Stolp; von den ur¬
sprünglich vorhanden gewesenen 79 Pferden dieser 3 Güter waren am Schluss
des Berichtsquartals noch 38 am Leben. Die übrigen 14 Pferde vertheilen sich
auf 7 Bestände. Ein Pferd war kurze Zeit vorher an gekauft worden. Im Reg.-
Bez. Stralsund wurden keine Fälle von Rotzkrankheit beobachtet.
Die Verluste des Reg.-Bez. Posen durch die Rotzkrankheit sind während
der beiden letzten Quartale nahezu dieselben geblieben, nämlich 42 bez. 45
Pferde. Ein Gut des Kreises Pieschen verlor von 36 Pferden 18. In 2 Bestän¬
den brach die Krankheit nach längeren Zwischenzeiten von neuem aus, 2 Pferde
waren kurze Zeit vorher angekauft; ein rotzkrankes Pferd wurde auf dem Markt
in Birnbaum ermittelt, dasselbe gehörte einem Händler. Die Zahl der im Reg.-
Bez. Bromberg gefallenen und getödteten Pferde ist von 24 im Quartal April-Juni
auf 62 im Berichtsquartal gestiegen; von diesen 62 Pferden gehörten zusammen
43 sieben mit 155 Pferden besetzten Gehöften der Kreise Bromberg, Inowraclaw,
Mogilno, Schubin und Wongrowiec an. Einzelne dieser Gehöfte werden als alte
Rotzstationen bezeichnet. Auffallend ist das häufige Vorkommen der Krankheit
bei Pferden kleiner Bestände in den Städten. In 2 Beständen brach die
Rotzkrankheit nach einem Jahre von neuem aus; 2 Pferde waren kurze Zeit vor
Constatirung der Krankheit angekauft.
Die 30 im Reg.-Bez. Breslau getödteten und gefallenen Pferde vertheilen
sich auf 22 Bestände mit zusammen 87 Pferden in 12 Kreisen. Einzelne Be¬
stände von 2—3 Pferden sind ganz zu Grunde gegaugen. 2 Pferde waren kurze
Zeit vorher angekauft worden, 3 rotzkranke wurden in Rossschlächtereien ermit¬
telt. Die im Reg.-Bez. Liegnitz beobachteten 15 Rotzfälle blieben vereinzelt,
2 Pferde waren kurz vorher angekauft worden. Von den 85 im Reg.-Bez.
Oppeln getödteten und gestorbenen Pferden entfallen zusammen 42 auf die
Kreise Beuthen, Kattowitz und Tost-Gleiwitz; dieselben gehörten fast durchweg
Fuhrleuten im Montanbezirk an, und sind diese Ausbrüche grösstentheils durch
Berührung mit den während des vorigen Quartals verseucht gewesenen Pferde¬
beständen oder durch Ankauf aus den letzteren veranlasst worden. 3 Gehöfte in
den Kreisen Neisse und Neustadt mit zusammen.51 Pferden verloren 18 Pferde.
Ein in Pless Ende August rotzkrank befundenes Pferd war im November 1879
der Infection ausgesetzt gewesen und hatte 3 Monate lang unter Observation
gestanden; 18 Pferde waren kurz vorher angekauft worden, 7 rotzkranke Pferde
wurden auf den Märkten in Alt-Berun, Kattowitz und Nikolai, eines in einer Ross¬
schlächterei angetroffen.
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Kleinere Mittheilungen.
251
Von 15 im Reg.-Bez. Magdeburg getödteten und gefallenen Pferden ge¬
hörten 9 einem Gute des Kreises Osterburg, die übrigen 6 vertheilen sich auf
ebenso viele Gehöfte mit zusammen 17 Pferden. Im Kreise Merseburg wurden
2 Bestände von 5 bez. 6 Pferden getödtet, in jedem erwies sich nur ein Pferd
bei der Section nicht rotzkrank. Das Herrschen der Rotzkrankheit in 2 Bestän¬
den desselben Kreises wurde zufällig durch die Section eines an Kolik gefallenen
Pferdes ermittelt. Ausserdem kamen im Reg.-Bez. Merseburg noch 5 Rotzfälle
in zusammen 4 Gehöften der Kreise Bitterfeld, Torgau und des Mansfelder See¬
kreises vor. Die 3 Rotzerkrankungen im Reg.-Bez. Erfurt blieben vereinzelt; ein
Pferd gehörte einem hausirenden Händler.
Von 8 in Schleswig-Holstein getödteten und gefallenen Pferden bildeten 2
den Restbestand einer während des vorigen Quartals verseuchten Posthalterei.
Ein rotzkrankes Pferd wurde auf dem Markt in Apenrade ermittelt.
Die 12 in Hannover getödteten und gestorbenen Pferde vertheilen sich auf
1 Gehöft des Kreises Hoya, Landdr.-Bez. Hannover, und auf 3 Gehöfte des
Kreises Fallingbostel, Landdr.-Bez. Lüneburg; über die Einschleppung wird
nicht berichtet. Die Landdr.-Bez. Hildesheim, Stade, Osnabrück und Aurich
blieben frei von der Rotzkrankheit.
Von 7 im Reg.-Bez. Münster getödteten und gestorbenen Pferden gehören
2 in das vorige Quartal, 4 einer Posthalterei. In demselben Bestände des Kreises
Halle, Reg.-Bez. Minden, ist ein Pferd getödtet worden und ein zweites gefallen.
Die Constatirung der Rotzkrankheit bei einem 4 Monate vorher gekauften Pferde
im Kreise Soest, Reg.-Bez. Arnsberg, gab Anlass zur Untersuchung des Bestandes
im Kreise Hamm, aus welchem das betreffende Pferd stammte, hierbei wurde die
Rotzerkrankung dreier Pferde festgestellt. Im Ganzen verlor der Reg.-Bez. Arns¬
berg 8 Pferde.
Die 4 im Reg.-Bez, Kassel getödteten Pferde vertheilen sich auf 3 Ge¬
höfte, in zweien erkrankte zuerst ein kurze Zeit vorher angekauftes Pferd. Im
Reg.-Bez. Wiesbaden ist nur ein Pferd an der Rotzkrankheit gefallen.
Die 5 im Reg.-Bez. Koblenz getödteten und gefallenen Pferde vertheilen
sich auf ebenso viele Bestände, welche zusammen 8 Pferde enthielten; 3 Pferde
waren vor 14 Tagen, 7 Monaten bez. einem Jahre angekauft. Von den 5 Rotz¬
erkrankungen im Reg.-Bez. Düsseldorf entfällt ein Pferd auf den Bestand einer
Tramway-Gesellschaft; ein Pferd war kurze Zeit vorher angekauft. Im Land¬
kreise und Reg.-Bez. Köln sind 3 Rotzfalle vorgekommen. Von 17 im Reg.-Bez.
Trier getödteten rotzkranken Pferden gehörten 13 der Kohlengrube zu Dudweiler,
Reg.-Bez. Saarbrücken, 2 Saarschiffern. 4 der in Dudweiler getödteten Pferde
hatten während des Lebens keine Krankheitserscheinungen gezeigt; 2 Pferde
waren kurz vorher angekauft, ein rotzkrankes Pferd wurde auf dem Markt in
Saarbrücken ermittelt. Unter einem Bestände von 26 Pferden in Malmedy,
Reg.-Bez. Aachen, wurden 9 Pferde rotzkrank befunden; die beiden zuerst er¬
krankten waren aus Belgien eingeführt worden. Ausserdem erwies sich ein kurze
Zeit vorher angekauftes Pferd in Aachen rotzkrank.
In den Hohenzollernschen Landen sind keine Fälle von Rotzkrankheit beob¬
achtet worden.
Bei 31 von den 542 auf polizeiliche Anordnung getödteten Pferden
17*
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Kleinere Mittheilungen.
= 5.72 pCt. wurde das Vorhandensein der Rotzkrankheit durch die Section
nicht bestätigt. Von den 542 oben genannten Pferden gehörten
zu den Beständen grösserer Güter.37,10 pCt.
„ „ * kleinerer Ackerwirthscbaften. 28,20 *
Besitzern, welche Fuhrwerk betreiben. 27,70 „
die Benutzung der Pferde konnte nicht festgestellt werden von 7,00 „
Berechnet man dieselben Verhältnisszahlen für die Provinzen Ostpreussen, West-
preussen, Brandenburg (ausschliesslich Berlin), Pommern, Posen und Schlesien,
so stellen sich dieselben auf 43,35, 29,00, 21,65 und 6,00 pCt.
ln 10 früher verseucht gewesenen Beständen brach die Rotzkrankheit wäh¬
rend des Berichtsquartals nach Zwischenzeiten von 4—12 Monaten von neuem
aus; 53 Pferde waren kürzere oder längere Zeit — in einem Falle 3 Tage —
vor Constatirung der Krankheit angekauft; 14 rotzkranke Pferde wurden auf
Märkten, 6 in Rossschlächtereien ermittelt. 11 Ausbrüche der Rotzkrankheit
werden auf Infection der Pferde unterwegs oder in Gastställen zurückgeführt.
Aus dem Auslande ist die Rotzkrankheit 6 mal eingeschleppt worden; 3
Ausbrüche sind durch Ankauf von Pferden in Russisch-Polen, 2 durch Ankauf in
Galizien, 1 durch Ankauf in Belgien veranlasst worden.
Ein Empiriker, welcher ein rotzkrankes Pferd in Kl.-Maischeid, Kreis Neu¬
wied, Reg.-Bez. Koblenz behandelt hatte, ist in Folge von Rotzinfection längere
Zeit schwer krank gewesen.
5. Schafpocken. Die Pockenseuche gewann während des Berichts¬
quartals eine sehr bedeutende Verbreitung, welche die ebenfalls erhebliche des
gleichen Quartals 1879 weit übersteigt. Dieselbe trat auf:
Quartal Kreisen Ortschaften Gehöften gestorben
Juli-Septbr. 1879 in 81 687 1156 2623 Schafe
* 1880 „ 111 846 1809 3720 „
Von den 1809 Gehöften des Berichtsquartals sind 170 solche, in denen die
Schutzimpfung, und 82 solche, in denen die Praecautionsimpfung ausgeführt
wurde, mithin bleiben 1557 Gehöfte übrig, in denen Ausbrüche der natürlichen
Pocken stattfanden. Die Verluste an gefallenen Schafen sind jedenfalls noch
erheblich grösser gewesen und werden erst im nächsten Quartal annähernd richtig
mitgetheilt werden können.
Auf die Provinzen Ostpreussen, Westpreussen, Brandenburg, Pommern,
Posen und Sachsen (ausschliesslich des pockenfreigebliebenen Reg.-Bez. Erfurt)
entfallen 412 Ortschaften in denen Ausbrüche der natürlichen Pocken beobachtet
wurden, und von diesen Ortschaften
331 = 80,35 pCt. auf 61 Kreise, in denen die Schutzimpfung der Lämmer ge¬
bräuchlich ist,
81 = 19,65 „ „ 23 „ in denen die Schutzimpfung der Lämmer
nicht ausgeführt wird.
Ein grosser Theil der Ausbrüche in den zuletzt genannten 81 Ortschaften wird
mittelbar oder unmittelbar auf die Schutzimpfungen in benachbarten Kreisen zu¬
rückgeführt. Die Zwischenstationen der Pockenverbreitung sind häufig nicht
nachzuweisen, weil das Herrschen der Seuche in kleinen bäuerlichen Beständen
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Kleinere Mittheilungen.
253
nicht selten unbekannt bleibt und weil die Schafe der öfter ihre Stelle wechseln¬
den Dienstleute das Pockencontagium schnell auf weite Entfernungen verschlep¬
pen. Die Schutzimpfungen, welche in den östlichen Provinzen als die haupt¬
sächlichste Ursache der Pockenverbreitung angesehen werden müssen, werden in
manchen Gegenden sehr unregelmässig ausgeführt, namentlich findet bei den¬
selben nur ausnahmsweise eine Berücksichtigung der Tagelöhner-Schafe statt.
In Schlesien beschränkte sich das Auftreten der Schapocken anf je eine
Heerde der Kreise Grünberg und Sagan, Reg.-Bez. Liegnitz. Die Einschleppung
erfolgte durch angekaufte Schafe.
In 9 Ortschaften des Kreises Lauenburg. Reg.-Bez. Schlesweg, erlangte die
Pockenseuche eine fast allgemeine Verbreitung, bei welcher Zwischenträger eine
sehr wesentliche Rolle gespielt haben sollen; dieselbe wurde von hier aus in eine
Ortschaft des Kreises Stormarn verschleppt.
Ganz ausserordentlich verbreitet herrschte die Krankheit im Landdr.-Bez.
Lüneburg, kein Kreis, in manchen Districten kein Dorf blieb von derselben ver¬
schont. Als Centralpunkt der Verseuchung wird übereinstimmend der Kreis
Uelzen bezeichnet, von welchem aus sich die Pocken über den ganzen Bezirk ver¬
breiteten. Die Ursachen des häufigen Vorkommens und der zeitweise fast allge¬
meinen Verbreitung der Pocken im Landdr.-Bez. Lüneburg sind noch immer un¬
aufgeklärt; viel mag hierzu der sehr lebhafte Klein-, namentlich der Hausirhandei
mit Schafen beitragen. Es ist zu vermuthen. dass das Auftreten der Schafpocken
in 6 Orten des Landdr.-Bez. Hannover in 8 Orten des Landdr.-Bez. Hildesheim
und 56 Orten des Landdr.-Bez. Stade mittelbar oder unmittelbar auf die starke
Verbreitung der Seuche im Lüneburgischen zurückzuführen ist, obgleich bestimmte
Angaben in den Berichten nur sehr spärlich enthalten sind. Ausserdem wird
über das Auftreten der Pocken in 3 Ortschaften des Kreises Emden, Landdr.-Bez.
Aurich, berichtet.
In den Provinzen Westfalen, Hessen-Nassau, in der Rheinprovinz und in
den Hohenzollernschen Landen sind keine Ausbrüche der Schafpocken vorge¬
kommen.
Abgesehen von den Schutzimpfungen in den östlichen Provinzen gab der
Ankauf von Schafen bez. Berührung mit Treibheerden am häufigsten Anlass zur
Verbreitung der Pockenseuche. Die angekauften und eingeführten Schafe hatten
nicht selten noch frische Narben von Impfpocken an den Ohren; in einer nicht
geringen Anzahl von Fällen waren die Schafe lediglich Träger des Contagiums,
namentlich gilt dieses auch von den auf dem Berliner Sch lach tviehmarkt ange¬
kauften Schafen, durch welche 6 Ausbrüohe der Pocken veranlasst wurden.
Die Berichte enthalten mehrfach Mittheilungen über Beispiele, in denen
sich das Pockencontagium in inficirten Ställen und an Zwischenträgern lange
Zeit wirkungsfähig erhielt.
Die Angaben der Berichte über die Ausführung und die Erfolge der Noth-
impfungen sind sehr unvollständig.
6. Die Beschälseuche der Pferde und der^Bläschenausschlag
der Pferde und des Rindviehs. Der Bläschenausschlag ist bei zusammen
193 Stück Rindvieh, bei Pferden nicht beobachtet worden. Die zahlreioh-
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254
Kleinere Mittheilungen.
sten Fälle bei dem Rindvieh kamen in den Reg.-Bez. Minden, Wiesbaden, Schles¬
wig, Köslin, Aachen und Kassel vor. Aus den westlichen Provinzen wird mehr¬
mals berichtet, dass der Bläschenausschlag häufiger ist, als man nach dem sta¬
tistischen Material annehmen darf; die Krankheit wird von den Landleuten wenig
beachtet. Genauere Untersuchungen haben gezeigt, dass das im Berichte über
das vorige Quartal erwähnte seuchenartige Herrschen des Bläschenausschlages
im Kreise Mühlhausen, Reg.-Bez. Erfurt, auf einen Irrthum in der Diagnose
beruht.
Die Beschälseuche der Pferde ist in keinem Falle beobachtet worden.
7. Räude der Pferde und Schafe. Die Zahl der Pferde, bei welchen
Räudeerkrankungen constatirt wurden, beträgt 114 — 140 weniger als im
Quartal April-Juni. Das Erlöschen der Räude wurde in vielen Orten festgestellt;
13 räudekranke Pferde sind gefallen oder auf Veranlassung der Besitzer, 8 auf
polizeiliche Anordnung getödtet worden.
Von den 114 räudekranken Pferden entfallen 38 = 36,90 pCt. auf die
Kreise Mohrungen, Neidenburg, Orteisburg, Osterode, Rössel und Wehlau des
Reg.-Bez. Königsberg, 13 = ll,40pCt. auf die Kreise Bomst, Obornik, Schild¬
berg und Schroda des Reg.-Bez. Posen, 11 == 9,65 pCt. auf die Kreise Guhrau,
Ohlau und Wohlau des Reg.-Bez. Breslau, 1—6 auf die Reg.- bez. Landdr.-Bez.
Gumbinnen, Danzig, Marienwerder, Potsdam, Berlin, Stettin, Köslin, Bromberg,
Liegnitz, Oppeln, Merseburg, Schleswig, Stade und Koblenz. In den anderen
Verwaltungsbezirken sind keine Fälle von Pferderäude beobachtet worden.
Vier Pferde waren lediglich mit der Fussräude, mit dieser jedoch anschei¬
nend schon seit längerer Zeit behaftet; 4 räudekranke Pferde waren kurze Zeit vor
Constatirung der Krankheit angekauft, und ebenso viele wurden auf Märkten
ermittelt.
Im Kreise Osterholz, Landdr.-Bez. Stade, wurde die Uebertragung der
Pferderäude auf 2 Menschen beobachtet; darunter befand sich der Abdecker,
welcher das Cadaver eines an der Räude gefallenen Pferdes abgehäutet hatte,
der Krätzausschlag verbreitete sich auf den ganzen Oberkörper.
Soweit die im Allgemeinen dürftigen Mittheilungen eine Folgerung ge¬
statten, ist der Stand der Schafräude in der Provinz Hannover im Ganzen
unverändert geblieben. Die Berichte aus den Landdr.-Bez. Hannover und Lüne¬
burg erwähnen die Schafräude gar nicht, die aus den Landdr.-Bez. Hildesheim,
Stade und Osnabrück nur ganz ira Allgemeinen, dass die Räude fortherrscht bez.
von neuem in Heerden ausgebrochen ist, in denen dieselbe getilgt schien. Im
Landdr.-Bez. Aurich wurden 2 räudekranke Schafe auf dem Markt in Norden an¬
getroffen. Aus dem Reg.-Bez. Schleswig wird über den Ausbruch der Räude in
6 Schäfereien der Kreise Kiel, Plön und Stormarn berichtet; die Einschleppung
erfolgte meistens durch Schafe aus sogenannten Wanderheerden. Die Tabellen
der Provinz Westfalen erwähnen das Vorkommen der Räudo bei 5 Schafen im
Kreise Lüdinghausen, Reg.-Bez. Münster, die der Provinz Hessen-Nassau nur,
dass die Räude unter Schafheerden des Ober-Taunus- und Mainkreises fortherrsoht.
Am Schluss des Berichtsquartals waren ausserdem noch mit der Räude be¬
haftet: 1 Schafheerde im Kreise Osterode, Reg.-Bez. Königsberg, 3 Schafheerden
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Kleinere Mittheilungen.
255
im Kreise Schlochau, Reg.-Bez. Marienwerder, 1 Schafheerde im Kreise Greifen¬
berg, Reg.-Bez. Stettin, 1 Schafheerde im Kreise Pieschen, Reg.-Bez. Posen —
die Constatirung erfolgte erst nach längerem Herrschen der Krankheit — und
1 Schafheerde im Kreise Lauban, Reg.-Bez. Liegnitz. Dagegen erschien die
Räude getilgt in den seit längerer Zeit verseuchten Heerden der Kreise Neu-
Stettin, Rummelsburg, Stolp, Reg.-Bez. Köslin und Sangerhausen, Reg.-Bez.
Merseburg.
Die Tilgung der Schafräude bei kleinen Beständen der östlichen Provinzen
erfolgte vielfach durch Abschlachten der ganzen Heerde.
8. Tollwuth. Die Tollwuth wurde constatirt bei 186 Hunden — 6 mehr
als im Quartal April-Juni, 3 Pferden, 53 Stück Rindvieh, 25 Schafen, 5
Schweinen; ausserdem sind 61 herrenlos umherschweifende Hunde und 264
Hunde nach § 111 der Instruction vom 19. Mai 1876 getödtet worden. Diese
Fälle vertheilen sich auf 250 Ortschaften in 111 Kreisen. Diejenigen Hunde,
bei denen die Constatirung der Krankheit unterblieb oder kein bestimmtes Re¬
sultat ergab, sind nicht in Anrechnung gebracht worden.
Ueber 10 wuthkranke Hunde entfallen auf die Reg.- bez. Landdr.-Bez.
Königsberg (25), Gumbinnen (13), Posen (14), Hannover (15) und Arnsberg
(11). In den Reg.- bez. Landdr.-Bez. Stettin, Köslin, Breslau, Magdeburg,
Lüneburg und Trier wurde Wuth nur bei je einem Hunde beobachtet. Frei von
der Wuth blieben die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Stralsund, Aurich, Koblenz, Aachen
und Sigmaringen.
Von den 53 wuthkranken Rindern entfallen 11 auf den Reg.-Bez. Brom¬
berg — die Thiere waren meist von herrenlos umherschweifenden Hunden ge¬
bissen worden, welche zum Theil aus Polen übergelaufen sein sollen, 10 auf
den Reg.-Bez. Königsberg, je 7 auf den Reg.-Bez. Marienwerder und den Landdr.-
Bez. Hannover.
Von sicher beobachteten Incubationszeiten wird je einmal erwähnt:
bei Pferden 51 Tage (1 V 4 Jahr altes Fohlen),
bei Rindvieh 13. 16. 19 23. 24 26. 28 31. 31 34. 34 35 37.
65 Tage,
bei Schafen 10. 14. 20 Tage,
bei Hunden 11. 17. 19 30 31. 40 Tage,
bei Katzen 39 Tage.
Bei einer Kuh soll die Incubation 10 Monate gedauert haben.
In Folge des Bisses wuthkranker Hunde sind während des Berichtsquartals
7 Menschen an Wasserscheu erkrankt und gestorben. Ueber diese Fälle wird
berichtet:
1 u. 2) In Mellenthin, Kreis D.-Krone, Reg.-Bez. Marienwerder, wurden
am 17. Juli drei Knaben im Alter von 10, 8 und 6 Jahren von demselben tollen
Hunde gebissen; der 10jährige Knabe starb am 22. August, der 8jährige trotz
sofort eingeleiteter energischer Behandlung am 24. August.
3) In Serno, Kreis Luckau, Reg.-Bez. Frankfurt, starb ein 10jähriger
Knabe an der Wasserscheu, derselbe war 24 Tage vorher von einem fremden,
zugelaufenen Hunde gebissen worden.
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256
Kleinere Mittheilungen.
4) In Wittenberg, Reg.-Bez. Merseburg, erkrankte eifi Mensch am 16. Aug.
an der Wasserscheu; derselbe war am 26. Juni von seinem eigenen Hunde,
welchen er bald darauf tödtete, gebissen worden. Der Tod erfolgte am 21. Aug.;
Incubation 51 Tage.
5) Im Kreise und Landdr.-Bez. Hildesheim starb ein junges Mädchen an
der Wasserscheu; dasselbe war 5 Wochen vorher von einem Hunde gebissen,
welchen der Besitzer unmittelbar darauf ohne vorhergegangene Untersuchung ge-
tödtet hatte.
6) In Bochum, Reg.-Bez. Arnsberg, starb ein am 7. Juni gebissener
Mensch. Die Krankheit brach am 17. August aus und führte in 4 Tagen zum
Tode. Incubation 71 Tage.
7) In Limburg, Reg.-Bez. Wiesbaden, bestrafte ein Mann seinen mürrisch
gewordenen Jagdhund und wurde von demselben gebissen. Der Hund starb am
folgenden Tage, ohne dass ein Verdacht auf Wutb gefasst wurde. Der Besitzer
des Hundes starb 4 Wochen später an der Wasserscheu. Müller.
Ueber die im Jahre 1879 in Preuuen anf Trichinen nnd Finnen unter¬
suchten Schweine berichtet Geh. Ober-Medicinalrath Dr. Eulenberg nach
amtlichen Quellen in der Vierteljahrsschrift für gerichtliche Medi-
cin und öffentliches Sanitätswesen, Band 34, Heft 1.
Von 3164656 im Jahre 1879 untersuchten Schweinen wurden 1938 =
1 auf 1632 Schweine 1 ) trichinös befunden; die 1938 Schweine vertheilen sich
auf 714 Gemeinden, die Zahl der amtlichen Fleischbeschauer betrug 17413.
Ueber 50 trichinös befundene Schweine entfallen auf die Regierungsbezirke:
Posen
543 Schweine,
1 trichinöses auf
140 untersuchte Schweine,
Liegnitz
246
77
1
71
71
971
71
71
Breslau
201
77
1
71
71
1738
71
77
Bromberg
138
77
1
71
71
223
77
77
Frankfurt
133
r >
1
71
71
538
77
77
Magdeburg
115
7?
1
n
VI
2278
7»
77
Kassel
106
n
1
77
71
2102
77
77
Königsberg
80
77
1
71
71
470
77
77
Marienwerder
78
71
1
71
77
689
71
77
Merseburg
71
71
1
71
71
4404
77
77
Die Zahl der trichinös befundenen Schweine bewegt sich in den Reg.-Bez.
Gumbinnen, Stettin zwischen 20 und 50, in den Reg.- bez. Landdr.-Bez. Danzig,
Potsdam, Oppeln, Erfurt, Minden, Köslin und Hannover zwischen 10 (incl.) und
20, in den Reg.- bez. Landdr.-Bez. Stralsund, Hildesheim, Lüneburg, Stade,
Osnabrück, Arnsberg, Koblenz und Köln zwischen 1 und 9. In Berlin wurden
’) Dasselbe Verhältniss betrug im Jahre 1878: 1 trichinöses auf 2000
untersuchte Schweine.
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Kleinere Mittheilungen.
257
nach Einführung der obligatorischen mikroskopischen Fleischbeschau während
der drei ersten Octoberwochen, des Novembers und Decembers im Ganzen 48999
Schweine untersucht und von denselben 37 = 1 auf 1324 trichinös befunden.
Bei zusammen 48639 in den Reg.- bez. Landdr.-Bez. Aurich, Münster, Wies¬
baden und Trier untersuchten Schweinen fanden sich in keinem Falle Trichinen.
Die Zusammenstellung enthält keine Angaben über Untersuchungen von Schwei¬
nen in den Reg.-Bez. Schleswig, Düsseldorf, Aachen und Sigmaringen.
Ueber die Ursachen der Trichinosis bei Schweinen sind keine Beobachtungen
von allgemeinerem Interesse bekannt geworden. Aus der Provinz Posen wird
berichtet, dass Trichinen bei Schweinen, welche von kleinen polnischen Wirthen
in schmutzigen Ställen mit Abgängen aus der Wirthschaft gefüttert werden, sel¬
tener Vorkommen, als bei Schweinen, die reinlich gehalten und gefüttert worden
waren.
Ueber Erkrankungen von Menschen an Trichinosis enthält die Zusammen-
Stellung folgende Mittheilungen:
Reg.-Bez.
Königsberg
55 Menschen erkrankt, 5
Menschen gestorben,
»
Marienwerder
7 »
ft
» j»
»
Frankfurt
93 „
n
r> m
Berlin
82') „
rt
r> n
n
Köslin
5 „
rt
tt ft
n
Schleswig
3 n
. i
tt ft
fl
Merseburg
25 „
. 3
tt tt
fl
Erfurt
60 „
>» “““
tt rt
Trotz des auffällig häufigen Vorkommens der Trichinen sind im Reg.-Bez. Posen
nur vereinzelte Erkrankungen von Menschen beobachtet worden. Die geringe
Zahl der Krankheitsfälle dürfte neben der eiacten Ausführung der Fleischbeschau
namentlich auf den Umstand zurückzu führen sein, dass die dortige Bevölkerung
das Fleisch meistens nur stark gekocht, stark gepökelt oder stark geräuchert zu
verzehren pflegt. Ausserdem wird über die Erkrankung „mehrerer Menschen“ an
Trichinosis aus dem Landdr.-Bez. Hildesheim berichtet.
Im Kreise Worbis, Reg.-Bez. Erfurt, hatte ein Fleischbeschauer angeblich
12 Präparate trichinenfrei befunden, der Kreisphysikus entdeckte bei einer nach¬
träglichen Untersuchung in 23 Präparaten nur 4 Trichinen; 9 Menschen, welche
von dem Fleische dieses Schweines genossen hatten, erkrankten, jedoch, ent¬
sprechend der geringen Zahl der Trichinen in dem Schwein, nur gelinde. Ausser¬
dem sind in den Kreisen Belgard und Merseburg an drei verschiedenen Orten
Erkrankungen bei Menschen nach dem Genuss des Fleisches solcher Schweine,
welche trichinenfrei befunden worden waren, vorgekommeu. Zwei Fleisch¬
beschauer im Kreise Merseburg wurden zu 6 bez. 3 Monaten Gefängniss ver-
urtheilt, weil sie die Untersuchung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorge¬
nommen hatten.
Die Königliche Regierung in Minden macht wiederholt darauf aufmerksam,
*) 66 Menschen erkrankten vor dem 1. October 1879, an welchem Tage
die obligatorische Fleischbeschau eingeführt wurde, 16 Menschen erkrankten nach
dem 1. October 1879.
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258
Kleinere Mittheilungen.
dass in den aus Amerika importirten Speckseiten bisher noch keine lebenden
Trichinen aufgefunden sind. Ueberhaupt wurden noch keine Erkrankungen von
Menschen an Trichinosis beobachtet, welche mit dem Genuss von amerikanischen
Speckseiten in causalem Zusammenhang gebracht werden konnten. Im Reg.-Bez.
Stettin erwiesen sich von 41364 untersuchten amerikanischen Speckseiten 468
(1:88) trichinös. Dieses Verhältnis dürfte jedoch den bisherigen Erfahrungen
nicht vollständig entsprechen.
Von den 3164656 untersuchten Schweinen erwiesen sich 9669 (1:328)
finnig; dieses Verhältnis hat sich gegen früher wenig verändert. Von den 9669
finnigen Schweinen entfallen zusammen 5563 auf die drei Regierungsbezirke
der Provinz Schlesien. Müller.
Die lauregeln zur Unterdrückung der lanl- und Klauenseuche in
England.
Die Maul- und Klauenseuche brach im October v. J. in London und Um¬
gegend aus und verbreitete sich von hier aus bald strahlenförmig nach allen
Richtungen, so dass Anfang Februar d. J. von den 40 Grafschaften Englands
34 verseucht waren, während Wales, Schottland und Irland zu derselben Zeit
noch frei von dieser Krankheit blieben.
Von allgemeinerem Interesse für die Veterinärpolizei sind die überaus rigo¬
rosen Massregeln, welche der Geheime Rath (Privy Council) — die Centralbehörde,
unter welcher alle veterinärpolizeilichen Angelegenheiten stehen —zur Verhütung
einer weiteren Verbreitung und zur Unterdrückung der Maul- und Klauenseuche
getroffen hat. Dieselben ergeben sich aus der Beantwortung einer hierauf bezüg¬
lichen Interpellation im Hause der Gemeinen durch den Vicepräsidenten des Ge¬
heimen Rathes, Mund eila, welche wir im Auszuge mittheilen.
Soviel bekannt, blieb Grossbritannien von Mitte Januar bis Anfang October
vor. J. vollständig frei von der Maul- und Klauenseuche. Letztere herrschte
ziemlich weit verbreitet während des Septembers v. J. im nördlichen Frankreich,
und kurz darauf wurden drei Ladungen von aus Frankreich eingeführten Rin¬
dern auf dem Schlachtviehmarkt in Deptford mit der Maul- und Klauenseuche
behaftet gefunden. Diese Thiere wurden, wie alle in Deptford zum Verkauf ge¬
stellten, sofort geschlachtet, ohne mit einheimischem Rindvieh in irgend welche
Berührung gekommen zu sein. Trotzdem ist eine Verschleppung der Seuche
durch Menschen oder Thiere, welche den inficirten Schlachtviehmarkt betreten
hatten, vermittelt worden; denn einige Tage nach Ankunft jener Rindviehtrans¬
porte aus Frankreich brach die Maul- und Klauenseuche in einer Londoner Milch-
wirthschaft aus und bald verbreitete sich dieselbe auf andere Viehbeständo nicht
nur in London und Umgegend, sondern auch in den östlichen Grafschaften.
Der Geheime Rath ergriff sofort Massregeln, um die weitere Verbreitung
der Krankheit zu hindern. Die thierärztlichen Beamten des Geheimen Rathes
wurden nach den verschiedenen Hafenplätzen, in denen Vieh aus dem Auslande
gelandet werden darf, entsandt, um darauf zu sehen, dass alle importirten, mit
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Kleinere Mittheilungen.
259
Maul- und Klauenseuche behafteten Thiere sofort geschlachtet würden. Circu¬
lare an die Orts-Polizeibehörden machten die letzteren auf die drohende Gefahr
von Seuchenausbrüchen aufmerksam und forderten, dass die Orts-Polizeibehörden
dieser Angelegenheit die grösste Sorgfalt zuwenden sollten. Als die Krankheit
sich weiter verbreitete, überwachte der Geheime Rath mit der grössten Aufmerk¬
samkeit alle demselben gemeldeten Ausbrüche und bestimmte im Umkreise jedes
inficirten Gehöftes einen Seuchenbezirk, dessen Grenzen zur grösseren Sicherheit
möglichst weit gezogen wurden, so dass meistens ganze Grafschaften den Seu¬
chenbezirk bildeten, in welchem jede Viehbewegung verboten oder nur unter
Innehaltung der strengsten Vorsichtsmassregeln gestattet war. Bis Ende Januar
waren 19 Grafschaften ganz und 6 Grafschaften zum grossen Theil als Seuchen¬
bezirke erklärt.
Diese Massregeln hatten den Erfolg, dass eine weitere Verbreitung der
Seuche wesentlich erschwert wurde und ein grosser Theil der Viehbestände in
den Seuchenbezirken verschont blieb.
Für die Zeit bis zum 28. Februar wurde jeder Viehmarkt, sowie jeder
öffentliche Verkauf von Vieh in ganz England verboten, mit Ausnahme des Ver¬
kaufes von Schlachtvieh, welcher von den Orts-Polizeibehörden gestattet werden
darf. Alle Verkäufe von Nutzvieh in den Seuchenbezirken bedürfen einer beson¬
deren Erlaubniss des Geheimen Rathes. Eine weitere Verordnung fordert, dass
alle durch öffentlichen Verkauf in einem Seuchenbezirk in die Hände anderer Be¬
sitzer übergegangenen Thiere innerhalb des Seuchenbezirks geschlachtet werden
müssen. Der Transport von Rindvieh auf dem Land- und Seewege von England
nach Schottland ist streng verboten. Der grosse Schlachtviehmarkt in London
ist für den Abtrieb der auf demselben zum Verkauf gestellten Thiere gesperrt,
die letzteren müssen vielmehr in den nächsten Tagen unter allen Umständen ge¬
schlachtet werden. Die Gültigkeitsdauer der genannten Verordnungen ist am
18. Februar bis zum 31. März d. J. verlängert worden.
Die angedeuteten Massregeln lassen an Strenge nichts zu wünschen übrig,
sie kommen denjenigen nahe, welche in Deutschland beim Ausbruch der Rinder¬
pest ergriffen werden. Trotzdem finden diese Massregeln in England bei allen
Landwirthen Beifall, es hat sich wenigstens keine Polemik gegen die Anordnun¬
gon des Geheimen Rathes bemerklich gemacht. In Deutschland giebt sich da¬
gegen vielfach in landwirtschaftlichen Kreisen eine Neigung kund, die Verluste,
welche Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche im Gefolge haben, zu unter¬
schätzen, und es ist namentlich auch behauptet worden, dass Schutz- und Til-
gungsmassregeln bei der Maul- und Klauenseuche ganz überflüssig erscheinen
oder doch mit möglichst geringen Beschränkungen des Viehverkehrs verbunden
sein müssen. Die bessere Einsicht in die tatsächlich gar nicht unerheblichen
wirtschaftlichen Nachtheile durch Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche hat
uns jedoch vor einer gänzlichen Aufhebung aller veterinärpolizeilichen Mass¬
regeln gegen die letztere bewahrt. Müller.
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Personal-Notizen.
Ernennungen und Versetzungen.
Der Professor und Lehrer an der Königl. Thierarzneischule zu Hannover,
Dr. Carl Johann Christian Dam mann, zum Director dieser Anstalt.
Der Director der Thierarzneischule, Prof. Dr. Carl Johann Christian Dam-
mann zu Hannover, zum Veterinärassessor des Medicinal-Collegiums der Provinz
Hannover.
Der Lehrer an der Königl. Thierarzneischule in Hannover, Prof. Dr. August
Lustig, zum ausserordentlichen Mitgliede der Königl. technischen Deputation
für das Veterinärwesen.
Der Kreisthierarzt Carl Friedrich Wilhelm Gips in Belgard, unter Entbin¬
dung von seinem gegenwärtigen Amte, zum Kreisthierarzt des Kreises Kolberg -
Körlin, Reg.-Bez. Köslin, mit dem Amtswohnsitz in Kolberg.
Der Rossarzt Albin Johannes Hesse in Kolberg zum commissarischen Kreis¬
thierarzt für die Kreise Friedeberg und Aruswalde, Reg.-Bez. Frankfurt, mit dem
Amtswohnsitz in Woldenberg.
Charakter- und Ordens-Verleihungen.
Dem Director der Thierarzneischule zu Hannover und Mitglied des dortigen
Medicinal-Collegiums, Medicinalrath Prof. Carl Günther, bei seinem Uebertritt
in den Ruhestand den Charakter als Geheimer Medicinalrath.
Dem Lehrer an der Thierarzneischule zu Berlin, Dr. Johann Heinrich
Möller, das Prädicat „Professor“.
Dem Rossarzt bei dem westpreussischen Landgestüt in Marienwerder, Carl
Gustav Walther, den Charakter als Gestüt-Inspector.
Dem Rossarzt bei dem Hauptgestüt in Trakehnen, Albert Carl Hermann
Priester in Danzkehmen, den Charakter als Gestüt-Inspector.
Dem Departements-Thierarzt Johann Schanz in Sigmaringen den Rothen
Adlerorden 4. CI.
Dem Ober-Rossarzt bei dem Remontedepot in Jurgaitschen, Friedrich Wil¬
helm Haberlach, den Kronenorden 4. CI.
Dem Ober-Rossarzt bei dem Hess. Art.-Regmt. No. 11, Andreas Christ.
Hermann Jörns in Kassel, den Kronenorden 4. CI.
Dem Kreis-Thierarzt Otto Albert Koch in Grimmen den Kronenorden 4. CI.
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Personal-Notizen.
261
Dem Rossarzt bei dem Thüring. Feld-Art.-Regmt. No. 19, Johann Gottlieb
Dornfeld, das Allgem. Ehrenzeichen.
Dem Rossarzt bei dem Garde-Kür.-Regmt., August Rudolf Heyi in Berlin,
das Allgem. Ehrenzeichen.
Dem Rossarzt bei dem 1. Garde-Ul.-Regmt., Christian Friedrich Wilhelm
Meitzner in Potsdam, das Allgem. Ehrenzeichen.
Dem Rossarzt bei dem Magdeb. Hus.-Regmt. No. 10, Eduard Sichert II,
das Allgem. Ehrenzeichen.
Dem Rossarzt bei dem Westpreuss. Ul.-Regmt. No. 1, Ludwig Albert Her¬
mann Vahl, das Allgem. Ehrenzeichen.
Telesfille.
Der Thierarzt Friedrich Richter in Winzig. Reg.-Bez. Breslau.
Der Thierarzt Arnold Heinrich Friedrich Hemmen in Sandesneben, Reg.-
Bez. Schleswig.
Der Departements-Thierarzt und Veterinärassessor Friedr. Andreas Becker
in Koblenz.
Vacanzen.
(Die mit * bezeichnten Vacanzen sind seit dem Erscheinen von Band VII Heft 1 u. 2
dieses Archivs hinzugetreten oder von Neuem ausgeboten).
Regierungs-
resp.
Landdrostei-Bezirk
Kreisthi erarztstellen
des
Kreises
Gehalt.
Zuschuss
aus
Kreismitteln.
Königsberg
Labiau
600 Mark
300 Mark
Gumbinnen
Angerburg
600
»
600
w
Marienwerder
Könitz
600
fl
300
»
9
Tuchei
600
fl
•)
Danzig
Carthaus *
600
9
w
Stettin
Regenwalde 2 )
600
fl
—
9
Köslin
Belgard*
600
9
—
9
Bromberg
Wirsitz (nehst Westpoii-
zeibezirk Schubin und
Polizeidistrict Exin des
Kreises Schubin) 2 )
600
fl
ff
Breslau
Polnisch Wartenberg
600
ff
600
fl
Erfurt
Weissensee
600
f»
—
fl
i>
Worbis
600
J*
—
fl
Schleswig
Eckernförde
600
1»
—
9
Arnsberg
Brilon
600
fl
—
9
*) Feste Kreissubvention.
2 ) Mit dem Amtswohnsitz in Labes.
3 > * » „ » Nakel.
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262
Personal-Notizen.
Regierungs-
resp.
Landdrostei-Bezirk
Kreis thierarztstellen
des
Kreises
Gehalt.
Zuschuss
aus
Kreismitteln.
Arnsberg
Hamm
600 Mark
— Mark
»
Olpe
600
300 ,
Kassel
Hersfeld *
600
n
y>
Wiesbaden
Biedenkopf l )
600
»
Koblenz
Adenau u. Ahrweiler 2 )
Ferner:
600
n
r»
Königsberg
DieStelle eines Assisten¬
ten des Grenzthierarztes
im Kreise Orteisburg 3 )
600
600 ,
Veränderungen im militär-rossärztlichen Personal.
B eförderungen.
Zu Ober-Rossärzten sind ernannt:
Rossarzt K u n z e, Assistent der Lehrschmiede der Militär-Rossarztschule,
unter Belassung in seiner bisherigen Stellung.
Zum Rossarzt ist ernannt:
Unter-Rossarzt Dettmann vom 2. Hannov. Drag.-Regmt. No. 16.
Versetzungen.
Die 0ber-Rossärzte: Haunschild vom Schles. Feld-Art.-Regmt. No. 6
zum 1. Rhein. Feld-Art.-Regmt. No. 8; Naumann, Assistent der Lehrschmiede
der Militär-Rossarztschule, als Inspicient zur letzteren; Rackow vom 1. Rhein.
Feld-Art.-Regmt. No. 8 zum Schles. Feld-Art.-Regmt. No. 6, unter Belassung in
seinem Commando als Inspicient bei der Militär-Rossarztschule; Strauch, Inspi¬
cient der Militär-Ross arztschule, zum Hus.-Regmt. No. 16.
Die Rossärzte: Andrich vom Hess. Feld-Art.-Regmt. No. 11 zum 2. Bad.
Drag.-Regmt. (Markgraf Maximilian) No. 21; Boeder vom Rhein. Ul.-Regmt.
No. 7 zum Westfäl. Hus.-Regmt. No. 8; Goltz vom Brandenb. Hus.-Regmt.
(Zieten’sche Hus.) No. 3 zum 2. Bad. Feld-Art.-Regmt. No. 30; Herbst vom
Magdeb. Kür.-Regmt. No. 7 als Assistent zur Lehrschmiede der Militär-Rossarzt-
schule; Koernig vom 2. Bad. Feld-Art.-Regmt. No. 30 zum Brandenb. Hus.-
Regmt. (Zieten’sche Hus.) No. 3; Rind vom Westfäl. Kür.-Regmt. No. 4 zum
! ) Mit dem Amtswohnsitz in Biedenkopf.
2 ) » » » „ Altenahr.
3 ) Mit der Berechtigung zur Privatpraxis.
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Personal-Notizen.
263
Westpreuss. Kür.-Regmt. No. 5; Theissen vom 1. Westfäl. Hus.-Regmt. No. 8
zum Rhein. Ul.-Regmt. No. 7.
Unter-Rossarzt Loeschke vom 2. Pomm. Ul.-Regmt. No. 9 zum 2. Pomm.
Feld-Art.-Regmt. No. 17.
Abgegangen.
Die Ober-Rossärzte: Schätzer vom Hus.-Regmt. No. 16; Schincke vom
Magdeb. Hus.-Regmt. No. 10; Stimming vom 2. Pomm. Ul.-Regmt. No. 9.
Der Rossarzt Hesse vom 2. Pomm. Feld-Art.-Regmt. No. 17.
Die charakterisirten Rossärzte: Arndt vom Ostpreuss. Ul.-Regmt. No. 8;
Schlegel vom Schlesw.-Holst. Drag.-Regmt. No. 13.
Gestorben.
Der charakterisirte Rossarzt Richter vom Westpreuss. Kür.-Regmt. No. 5.
Sammlung
für das Stammcapital der Unterstützungskasse für die Hinter¬
bliebenen deutscher Thierärzte.
In Folge des Aufrufs des Präsidenten des deutschen Veterinärrathes vom
1. Weihnachtstage 1880 gingen bisher an Beiträgen ein:
Adam, Kr.-Th.-A. in Augsburg, 50 M.; Arnsberg, Kr.-Th.-A. in Barten¬
stein, 3 M.; Arndt, Kr.-Th.-A. in Bolkenhain, 20 M.; Beckedorf, Th.-A. in
Gehrden, 15 M.; Braeuer, Bz.-Th.-A. in Annab erg i. S., 15 M.; Brand,
O.-R.-A. in Frankfurt a.O., 20 M.; Buerchner, Bz.-Th.-A. in Mühldorf, 5 M.;
Conze, O.-R.-A. in Mühlhausen i. Th., 10 M.; Dr. Dam mann in Hannover
30 M.; Deierling, Th.-A. in Hameln, 10 M.; Engel, O.-R.-A. in Sprottau,
3 M.; Dr. Esser, Professor in Göttingen, 30 M.; G., O.-R.-A. in C., 10 M.;
Gei ss in Hannover 30 M.; Hamei au, Th.-A. in Hamburg, 20 M.; Heck, Kr.-
Th.-A. in Lippstadt, 20 M.; Heckmann, Th.-A. in Wildeshausen, 10 M.;
Heine, Th.-A. in Hamburg, 20 M; Heyne, Kr.-Th.-A. in Obornik, 10 M.;
Hirschland, Kr.-Th.-A. in Essen a.d.Ruhr, 100 M.; Hoehnke, Th.-A. in
Bessungen, 5 M.; Immelmann, Kr.-Th.-A. in Stendal, 50 M.; Klein, Kr.-
Th.-A. in Call, 10 M.; Koerner, Kr.-Th.-A. in Treptow a. d. Toll., 30 M.;
Kuehnert, Dp.-Th.-A. in Gumbinnen, 10 M. 5 Pf.; Luepke, Th.-A. in Nien¬
burg a.d.S., 3 M.; Magnus, Kr.-Th.-A. in Guben, 20 M.; Mieckley, Kr.-
Th.-A. ad int. in Kosel, 15 M.; Moebius, Bz.-Th.-A. in Freiberg i.S., 3 M.
5 Pf.; Moellhof, Th.-A. in Essen a.d.Ruhr, 10 M.; Munkel, Kr.-Th.-A. in
Stralsund, 10 M.; Neugebauer, R.-A. in Sprottau, 3 M.; Pfeiffer, Gst.-
R.-A. in Leubus, 10 M.; Pinkert, Th.-A. in Straussberg, 5 M.; Prietsch,
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264
Personal-Notizen.
Bz.-Th.A. in Leipzig, 10 M.; Riechers, Th.-A. in Esens, 5 M.; Säger, Gr.-
Th.-A. in Laugszargen, 30 M.; Schenk, Kr.-Th.-A. in Deutsch Crone, 20 M.;
Seffner, Th.-A. in Berlin, 5 M.; Spierling, Kr.-Th.-A. in Bublitz, 10 M.;
Dr. Trautvetter, Th.-A. in Leipzig, 10 M.; W., Th.-A. in Dr., 3 M. 39 Pf.;
Wellendorf, Th.-A. in Schöneberg i. Holst., 10 M.; Wiechers, Th.-A. in Hil¬
desheim, 100 M.; Wollgast, R.-A. in Liebenwalde, 15 M.
Summa 833 Mark 49 Pf.
Hannover, den 20. Februar 1881.
Dr. Dammann. Geiss.
Gedruckt bei L. Schumacher io Berlio.
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XII.
Ueber die Verdauungssäfte und die Verdauung des Pferdes.
Experimentelle Untersuchungen.
Von
Ellenberger und Y. Hofmeister.
Die Lehre der Verdauung ist gerade für den Veterinär von her¬
vorragender Wichtigkeit. Krankheiten, welche durch pathologische
Processe an den Verdauungsorganen oder anormalen Verlauf der Ver¬
dauungsvorgänge u. dgl. bedingt sind, spielen eine grosse Rolle in der
Veterinärpathologie. In Folge dieser Krankheiten sterben mehr Thiere,
namentlich Pferde, als in Folge aller anderen inneren Krankheiten
zusammengenommen. Einen Einblick in die Krankheitsprocesse ver¬
mag man natürlich nur dann zu gewinnen, wenn die physiologischen
Vorgänge genau bekannt sind. Ohne genaue Kenntniss der Krank¬
heitsprocesse ist aber eine wirksame und rationelle Behandlung der¬
selben eine Unmöglichkeit. Leider sind uns eine Reihe physiologischer
Vorgänge der Verdauung des Pferdes noch unbekannt, und haben sich
die Verfasser die Aufgabe gestellt, in diesen Punkten Aufklärung zu
schaffen, soweit es möglich ist.
Von Alters her haben die Verdauungsvorgänge des Menschen und
der Thiere das Interesse der Forscher in hohem Masse erregt. Es
sind über das Wo und Wie dieser Vorgänge die verschiedensten Theo¬
rien aufgestellt worden. In ersterer Beziehung hat man bis in das
vierte Decennium dieses Jahrhunderts nur dem Magen eine verdauende
Thätigkeit zugestanden.
In Bezug auf die Art und Weise der dort ablaufenden Vorgänge
schrieb Hippokrates der nach seiner Ansicht dort herrschenden
Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilk. VII. 4 u. 5. 18
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266
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
hohen Temperatur den wesentlichsten, umändernden lösenden Ein¬
fluss auf die aufgenommenen Nahrungsmittel zu, ohne aber das Mit¬
wirken anderer Momente ganz auszuschliessen.
Von vielen seiner Nachfolger wurde seine Lehre eingeengt resp.
falsch verstanden, indem sie annahmen und lehrten, dass die Ver¬
dauung thatsächlich nur ein Kochen, ein Kochgeschäft sei. Galen
erst nahm wieder neben der hohen Temperatur noch eine Eigenthätig-
keit des Magens zur Erklärung der Verdauungsprocesse an.
Erasistratus wandte sich gegen die Coctionstheorie des Hippo-
krates und seiner Anhänger und stellte eine neue, später von den
Iatromathematikern im Wesentlichen adoptirte Digestionslehre auf. Er
betrachtete die Verdauung als einen rein mechanischen Vorgang, er
nahm an, dass die Nahrungsmittel durch die Contractionen der Ma¬
genwände mechanisch zermalmt und zu feinsten Theilchen verrieben
würden.
Ihm und Hippokrates trat wieder Plistonicus entgegen, der
die Verdauung als einen chemischen Vorgang ansah. Nach ihm ent¬
sprechen die bei der Digestion ablaufenden Vorgänge genau denjeni¬
gen, welche bei der Fäulniss organischer Massen unter Luftzutritt
statthaben.
Van Helmont endlich und die ganze iatrochemische Schule
verglich die Verdauung mit der Hefegährung und nahm an, dass die
sämmtlichen Verdauungsvorgänge Gährungsprocesse seien.
Da die Lehren des Hippokrates und Plistonicus immer mehr
an Boden verloren, so standen im 18 . Jahrhundert nur noch die Lehre
der iatromathematischen und die der iatrochemischen Schule einander
gegenüber. Eine Zeit lang schienen die Iatromathematiker, nament¬
lich durch die Resultate der an der Akademie zu Florenz (Redi,
Magalotti) vorgenommenen Untersuchungen über die mechanische
Kraft des Muskelmagens der Vögel Terrain zu gewinnen. Die bahn¬
brechenden Untersuchungen eines Reauraur, Stevens und Spallan-
zani bewiesen aber bald die Unhaltbarkeit der erasistratischen Lehre
und zeigten, dass die Verdauung auf rein chemischen Vorgängen be¬
ruhe, dass ein besonderer vom Magen gelieferter Saft, der Magen¬
saft, die chemischen Veränderungen bedinge, und dass die Veränderungs¬
vorgänge auch dann statthaben, wenn das Einwirken mechanischer
Einflüsse ganz ausgeschlossen wird.
Der nach dem Tode dieser Forscher wieder merkbare Rückschritt
in der wissenschaftlichen Auffassung der Verdauungslehre wurde sistirt
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
267
durch die berühmten Untersuchungen von Tiedemann u. Gmelin.
Diese bewiesen unwiderleglich die Richtigkeit der von R6aumur und
Spallanzani vertretenen Anschauungen, nämlich, dass die Verdauung
in chemischen Vorgängen beruht, welche durch den Magensaft bedingt
werden. Die Experimente von Tiedemann u. Gmelin und ihr clas-
sisches Werk, neben welchem wir der hervorragenden Arbeiten von
Leuret und Lassaigne gedenken müssen, bilden den Ausgangspunkt
aller neueren Untersuchungen. Auf der von ihnen geschaffenen Basis
haben die neueren Forscher weiter gebaut. Die Arbeiten eines Eberle,
Schwann, Frerichs, Bidder u. Schmidt, CI. Bernard u. s. w.
u. s. w. waren geeignet, die Verdauuugslehre in enormem Masse zu
fördern. Vor Allem wurde dargethan, dass der Magen nicht der ein¬
zige Ort ist, wo verdaut wird, und der Magensaft nicht die einzige
verdauende Flüssigkeit, sondern dass noch eine Reihe anderer der¬
artiger Secrete existirt, und dass auch im Darm VerdauungsVorgänge
ablaufen. Auch lernte man eine Fülle von Bedingungen für die Thä-
tigkeiten der Verdauungsorgane kennen. Gerade die neueste Zeit hat
uns wieder mit einer Reihe neuer Entdeckungen in diesem Gebiete
bekannt gemacht und ist die Literatur über die Lehre der Verdauung
ungemein reichhaltig geworden. Wir werden im weiteren Verlaufe un¬
serer Arbeit noch Gelegenheit haben, dieselbe zu beleuchten.
Wenn nun auch die Digestionslehre ein Lieblingsgegenstand vieler
Forscher geworden ist, namentlich seitdem die Chemie so bedeutende
Fortschritte gemacht hat, und geeignet ist, manches Räthsel aufzu¬
lösen, wenn wir auch, namentlich in der neuesten Zeit, mit Arbeiten
über einzelne Capitel der Verdauungslehre wahrhaft überschüttet wor¬
den sind, so bleibt doch bemerkenswert!), dass nur wenige dieser
Arbeiten sich mit den grossen Herbivoren befassen. Gegenstand dieser
Arbeiten ist in der Regel der Hund, der Mensch, der Frosch, das
Kaninchen u. s. w.
Ueber die Verdauung der grossen Wiederkäuer ist zwar eine Reihe
von Arbeiten (Henneberg, Stohraann, Wolff etc.) erschienen,
aber doch im Verhältniss nur wenige beschäftigen sich mit den Ver¬
dauungssäften. Ganz besonders stiefmütterlich aber ist gerade das¬
jenige Thier behandelt worden, welches für den Thierarzt das wich¬
tigste ist und welches unter den Haussäugethieren in anatomischer
und physiologischer Beziehung die meisten Besonderheiten bietet, näm¬
lich das Pferd. Hier sind wir oft über die primitivsten Dinge noch
im Unklaren.
18 *
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ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Dies wurde besonders fühlbar bei der Arbeit des einen der Ver¬
fasser (Ellenbrerger) über die Functionen des Blinddarms. Es war
dem Verfasser unmöglich, den chemischen Nachweis für die Richtig¬
keit seiner Anschauungen zu erbringen, weil die Verdauungsvorgänge
des Pferdes zu wenig bekannt sind. Was sollten chemische Unter¬
suchungen des Blinddarminhalts nutzen, wenn der Inhalt des Jejunum
und lleum in dieser Beziehung noch nicht bekannt ist?
Die nachstehende Arbeit bezweckt nun, diese Lücken in un¬
serem Wissen auszufüllen, soweit es in unseren Kräften steht. Wir
werden methodisch die einzelnen Verdauungssäfte des Pferdes auf ihre
chemischen Eigenschaften und ihre physiologische Rolle prüfen und
die Veränderungen studiren, welche die Nahrungsmittel in den ein¬
zelnen Abschnitten des Verdauungstractus erleiden. So allmählich
vorschreitend, hoffen wir auch LicKt zu verbreiten über das dunkelste
Gebiet der ganzen Verdauungslehre des Pferdes, über dessen Dick¬
darmverdauung. Erfahrungen aus dem Gebiete der Pathologie und
anatomische Thatsachen weisen uns auf die Wichtigkeit und Beson¬
derheiten derselben hin, ohne dass sie bis jetzt genügend physiolo¬
gisch klar gelegt worden sind.
Wir beginnen unsere Betrachtung mit demjenigen Verdauungssaft,
der in den vordersten Abschnitt des verdauenden Tubus ergossen
wird, mit dem Speichel. Wem einzelne Untersuchungen und An¬
gaben überflüssig erscheinen sollten, der wolle nur bedenken, dass
wir hier nur vom Pferde sprechen, und dass deshalb keine Angabe
überflüssig ist, weil nur wenige zuverlässige moderne Untersuchungen
über die Verdauung dieses Thieres vorliegen. Wir bemerken noch,
dass wir nicht unterlassen werden, bei Besprechung der Verdauungs¬
säfte auch die mikroskopisch-anatomische Einrichtung der Organe,
welche dieselben secerniren, zu schildern.
I. Der Speichel.
Bei Behandlung des Stoffes wird den Angaben über die Gewin¬
nung der Speichelarten zunächst eine Schilderung der chemisch-phy¬
sikalischen Eigenschaften derselben folgen und daran sich die Be¬
sprechung ihrer physiologischen Rolle knüpfen.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
269
Da beim Pferde nur der Parotiden- und der Submaxillarspeichel
gesondert und ausserdem nur das gemischte Secret aller mit ihren
Ausfuhrungsgängen in die Maulhöhle mündenden Drüsen gewonnen
werden kann, weil nur die Parotis und Submaxillaris grosse Ausfüh¬
rungsgänge besitzen, welche eine Anlegung von künstlichen Fisteln
zulassen, so sind wir darauf hingewiesen, der Besprechung des Spei¬
chels in der gedachten Richtung ein besonderes Capitel über die che¬
misch-physikalischen und physiologischen Eigenschaften der Extracte
derjenigen Drüsen anzuschliessen, deren Secret durch Anlegung von
Fisteln nicht zu gewinnen ist, der Sublingual- und Buccaldrüsen und
der in dem Gaumen und den Lippen* gelegenen gewaltigen Drüsen¬
haufen. Dieses Capitel werden wir mit einer anatomischen Betrach¬
tung über die sämmtlichen genannten Drüsen einleiten.
Wenden wir uns nun zunächst zur Art der Gewinnung der be¬
treffenden Secrete.
Der Parotidenspeichel kann beim Pferde bekanntlich sehr leicht
gewonnen werden. Der Stenson’sche Gang ist gross und liegt oberfläch¬
lich. EinSchnitt durch die # Haut und die Platysma myoides legte ihn
frei. Der Schnitt wurde da gemacht, wo der Gang von der medialen auf
die laterale Kieferfläche getreten ist. Der hierdurch freigelegte hinter
resp. über Arterie und Vene liegende Gang wurde geöffnet und die bereit
gehaltene neusilberne Canüle in den Gang eingefuhrt und befestigt.
An das nach aussen vorstehende Ende der Canüle wurde ein Gummi¬
schlauch von entsprechender Länge angebracht. Eine 2500 Grm.
fassende Glasflasche diente zum Auflfangen des Speichels. Die Flasche
stand in genügender Entfernung vom Pferde und war vor dem Um-
stossen durch das Pferd etc. durch passende Vorrichtungen geschützt.
Sie war mit einem Gummipfropf verschlossen, der an zwei Stellen
durchbohrt war, um Glasröhren aufzunehraen, deren eine mit dem
Gummischlauch verbunden war. Eine besondere Befestigung der
Flasche am Kopf oder Hals des Pferdes, wie dies Gurlt und Colin
ausführten, erschien uns zwecklos und unnütz belästigend für die
Thiere.
Sobald der genannte Speichelgang geöffnet wurde, trat etwas
trüber, milchiger Speichel hervor, dann sistirte die Secretion, bis das
Thier künstlich zum Kauen bewegt oder ihm Futter zum Fressen
vorgelegt wurde. Die Operation wurden vier Mal ausgeführt. Wir
gewannen dabei folgende Mengen während des Kauens und Fressens
der Thiere:
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270
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
1. am 15. Januar 1880 in 4% Stunden 8500 Grm.
2. - 10. Februar - 2 - 4000
3. - 30. April - 2 - 2000 -
4. - 2. Juli - 3 - 3000 -
Die Gewinnung des Subraaxillarspeichels war mit grösseren Schwie¬
rigkeiten verknüpft. Der Wharton’sche Gang liegt beim Pferde tief
im Kehlgange verborgen und ist schwer erreichbar, namentlich bei
Thieren mit engem Kehlgange. Die dünne Wand und das enge Lumen
des Ganges erschweren sowohl das Auffinden des Ganges als das Ein¬
führen einer Canüle in denselben. Die sehr zähe, fadenziehende Be¬
schaffenheit des Speichels verlangt das Einlegen der möglichst grössten
Canüle, was ebenfalls die Operation erschwert.
College Johne hatte die Güte, mir vermöge seiner grossen Ge¬
wandtheit im Operiren die wesentlichste Hülfe zu leisten. Wir führten
die Operation in der Art aus, dass wir direct vom Kinnwinkel aus
nach hinten einen ziemlich langen Hautschnitt anlegten, sodann den
Mylo-hyoideus und Mylo-glossus durchschnitten und nun mit den Fin¬
gern resp. dem Messerstiel die Glandula sublingualis, an deren me¬
dialer Fläche der zu suchende Gang liegt, von dem betr. Kieferaste
loslösten und sie mit Haken soweit als möglich aus dem Kehlgange
vorzogen. Man stösst nun zunächst auf ein Bündel von Gefässen und
Nerven an der Innenfläche der Drüse und ca. 1 Ctm. darüber auf den
Wharton’schen Gang, in welchen sodann die Canüle eingeführt werden
konnte. So gelang die Operation einmal, während sie zweimal miss¬
glückte.
Deshalb schnitten wir später die Befestigung der Sublingualdrüse
nach vorn (resp. unten, gegen den Kieferwinkel, die Zungenspitze),
oder direct ihr vorderes Ende, quer durch, indem wir ein Messer
medial zur Drüse flach in den Kehlgang am Genio-hyoideus entlang
einführten, die Schneide des Messers gegen den Kieferast wandten und
nun bis auf den Knochen quer durchschnitten. Dann konnte die nun-
• mehr mit ihrem unteren vorderen Ende ganz freie Drüse weiter aus
dem Kehlgange vorgezogen werden, als es vorher möglich war. Da¬
durch wurde das Auffinden des Ganges und das Einführen der Canüle
bedeutend erleichtert. Die Canüle wurde in gleicher Weise, wie ge¬
schildert, mit einer Flasche in Verbindung gesetzt.
Wesentlich ist bei beiden Operationen gute Befestigung der Ca-
nülen. Dies geschieht am besten in der vorzüglichen Art und Weise,
wie es Ludwig in Leipzig lehrt, wodurch die Canüle sowohl am Ver-
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
271
schieben von vorn nach hinten als nach den Seiten verhindert wird.
Die in den Gang eingeführte Canüle wird zunächst durch einen um
den Gang gelegten Faden, durch Umbinden befestigt; es werden so¬
dann die freien Enden dieses Fadens an der Canüle zurückgeführt.
Ein zweiter Faden wird nunmehr vorn um die Canüle und diese
Fadenenden gelegt; die Canüle wird nun vermittelst der vier Faden¬
enden seitlich durch je zwei derselben befestigt. Die Hautwunden
werden selbstverständlich durch Naht möglichst geschlossen.
Die Operation wurde dreimal mit Erfolg ausgeführt.
1. Bei der ersten Operation am 23.. Januar 1880 erhielten wir
am Nachmittag 360 Grm. Speichel und am ganzen nächsten
Tage nur 150 Grm. Letzteres kann nicht überraschen, da
schon Schwellung an der Operationsstelle eingetreten und das
Kauen schmerzhaft war.
2. Am 2. März erhielten wir 160 Grm. bei einer Mahlzeit;
3. am 30. April dagegen 500 Grm. während des Nachmittags.
Zur Gewinnung des gemischten Speichels wurde die Oesophago-
tomie in bekannter Art und Weise ausgeführt und eine besonders
construirte T-Canülc in den Schlund eingelegt. Der im Schlund lie¬
gende Schenkel der Canüle war nach oben offen, nach unten ge¬
schlossen; der zweite, senkrecht zu diesem stehende Schenkel besass
ein Ansatzstück zur Befestigung eines Gummirohres, welches wieder
zu einer entfernt stehenden Flasche führte. Die Oesophagotomic
wurde vier Mal ausgeführt, in einem Falle aber zum Auffangen der
Boli. In den drei Fällen, in denen Speichel aufzufangen beabsichtigt
war, konnte den Thieren selbstverständlich kein Futter verabreicht,
sie mussten im Gegentheil künstlich zum Kauen veranlasst werden.
Dies geschah durch Einlegen eines Gebisses, Spielen mit den Fingern
am Gaumen und an der Zunge des Pferdes, Einführen einer Raspel zwi¬
schen die Backzähne u. s. w. Als besonders geeignet erwies sich das
Anhängen einer der bekannten kleinen Klemrapincetten an das Fre-
nulum linguae; das Thier versucht dann diesen Gegenstand zu ent¬
fernen, was ihm mit der Zeit auch gelingt; die dazu erforderlichen
Anstrengungen genügen, die Speichelsecrction in Fluss zu erhalten.
Wir erhielten bei den drei Operationen:
1. am 24. Februar am Nachmittag 456 Grm. Speichel;
2. - 12. Mai in 2 Stunden 900
3. - 11. Juni - 1 Stunde 1000 -
Der in vorbeschriebener Art gewonnene Speichel wurde theilweisc
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ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
auf seine chemisch-physikalischen, theilweise auf seine physiologischer*
Eigenschaften geprüft. Wir zogen unsere Schlüsse aus den Beobach¬
tungsresultaten der zu verschiedenen Zeiten von verschiedenen Thieren
gelieferten Secrete. Niemals stützen sich unsere Schlussfolgerungen
und unsere Angaben auf eine einzige Untersuchung.
A. Chemisch-physikalische Eigenschaften der Pferde¬
speichelarten.
Früher wurden, ehe die physiologisch-chemische Rolle des Spei¬
chels bei der Verdauung bekannt war, nur über die Mengen des
secernirten Speichels und über seine physikalischen Eigenschaften
Untersuchungen angestellt.
Schon im vorigen Jahrhundert war man bemüht, auch die
chemischen Eigenschaften des Speichels, seine Bestandtheile u. dgl.
festzustellen. Es sind jedoch die aus dieser Zeit stammenden Unter¬
suchungen und Analysen werthlos. Die ersten guten Speichelanalysen
stammen von Berzelius, ihm folgten Simon, Lehmann, Tiede-
mann, Wright, Jacubowitsch, Bidder u. Schmidt u. A.
Was speciell den Pferdespeichel anlangt, so sind von Lassaigne,
Simon und Lehmann Analysen über den Parotidenspeichel dieses
Thieres angestellt worden, während die anderen Speichelarten in dieser
Beziehung fast ganz vernachlässigt worden sind.
Die Frage der Reaction des Speichels war lange controvers.
Tiedemann u. Gmelin stellten die alkalische Reaction des normalen
Speichels fest. Duverney behauptete, ihn beim Fressen sauer ge¬
funden zu haben, Schultz nennt ihn alkalisch, Montegre neutral,
Andral und van Setten wechselnd u. s. w. Die Angelegenheit ist
wohl nunmehr dahin entschieden, dass der normale Speichel unter
gewöhnlichen Verhältnissen alkalisch reagirt.
Unter den im Speichel gefundenen chemischen Bestandtheilen bot
besonderes Interesse das Rhodankalium. Schon Treviranus kannte
die die Gegenwart dieses Körpers andeutende Reaction des Speichels,
ohne aber den Körper selbst zu kennen. Winterei nannte diesen
Körper Blutsäure; Per rot hielt ihn für eine Schwefelcyan Verbindung.
Tiedemann u. Gmelin constatirten die Richtigkeit dieser Vermu-
thung, das Vorhandensein des Rhodankaliums im Speichel.
Jacubowitsch, Tilanus, Frerichs, Longet etc, etc. fanden
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
273
diesen Körper als Bestandtheil des normalen Speichels beim Menschen,
Hund und Pferd, während Lehmann ihn im Parotidenspeichel ver¬
misste. Wie die nachfolgende Abhandlung zeigen wird, trat bei
den von uns gewonnenen diversen Speichelsorten des Pferdes niemals
Rhodanreaction auf, weder nach Zusatz von Eisenchlorid und HCl,
noch nach der Methode von Böttcher 1 ) mittelst Guajaktinctur und
Kupfervitriollösung in grosser Verdünnung.
1. Der Parotidenspeichel.
Der zuerst nach Anlegung der Canüle abfliessende Speichel ist
trübe, etwas dicklich, der weiterhin secernirte ganz klar, wasserhcll,
sehr dünnflüssig, beim Schütteln stark schäumend, aber nicht faden¬
ziehend, geruchlos, von deutlich alkalischer Reaction; specifisches Ge¬
wicht 1,006—1,0075 (C. G. Lehmann 1,0051—1,0074). An der
Luft trübt sich der Speichel, indem er Kohlensäure absorbirt, welche
mit dem Kalk in Verbindung tritt und nach längerem Stehen sich
als kohlensauren Kalk haltendes Sediment theils am Boden, theils an
den Wänden des Gefässes abscheidet.
Schon C. G. Lehmann 2 ) weist auf diese eigenthümliche Eigen¬
schaft des Parotidenspeichels der Pferde hin, indem er sagt: „Ara
evidentesten ist die Bildung des kohlensauren Kalkes am Parotiden-
secret der Pferde zu sehen, welches, gleich Kalkwasser, aus der Luft
Kohlensäure anzieht und die schönsten mikroskopischen Formen von
kohlensaurem Kalk abscheidet.“
Auch wir fanden bei mikroskopischer Untersuchung des Speichels
Krystalle von kohlensaurera Kalk und dann beim Eintrocknen des¬
selben viel Kochsalzwürfel.
Der frische Speichel verhielt sich gegen die chemischen Reagen-
tien wie folgt:
Zusatz von Alkohol vermehrt die Trübung. Im grossen Ueberschuss bei
viel Speichel angewandt (500 Grm. Speichel, 1500 Grm. Alkohol) und nach
Tage langem ruhigen Stehenlassen erfolgt die Abscheidung eines aus organischen,
ptyalinhaltigen (wie aus der weiter unten aufgeführten Wirkung zu ersehen)
und anorganischen Stoffen bestehenden Niederschlages so vollkommen, dass der
überstehende Alkohol ganz klar und farblos abgehoben werden kann.
Concentrirte Salpetersäure fällt; beim Erwärmen tritt Gelbfärbung
ein, nach Zusatz von Ammoniak die Xanthoproteinreaction.
! ) Centralblatt, 1870, S. 165.
2 ) Lehrbuch der physiol. Chemie, II., S. 15.
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274
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Concentrirte Salzsäure, kalt zugesetzt, klärt den getrübten Speichel
unter Kohlensäureentwickelung auf; damit gekocht, erfolgt starke Fällung.
Essigsäure, kalt zugesetzt, bewirkt ebenfalls Klärung; bei Kochen Coa-
gulation des Speichels.
Essigsäure -|- Ferrocyankalium: starke flockige Abscheidung.
Phosphorwolframsäure-f- Essig- oder Salzsäure: starke Fällung.
Salpetersaures Quecksilberoxyd:
Quecksilberchlorid:
Gerbsäure:
Basisch essigsaures Bleioxyd:
Sämmtliche angestellten Reactionen weisen somit auf einen reichen
Gehalt des Parotidenspeichels an eiweissartigen Stoffen hin, die
einen constanten Bestandteil desselben ausmachen, weil sie in allen
von uns untersuchten Parotidenspeicheln auftraten; diese Eiweiss-
stoffe sind aber sehr verschiedener Art: denn nach vollständiger
Abscheidung eines Theiles derselben durch Kochen mit Essigsäure
unter Zusatz von schwefelsaurera Natron, wodurch nach Hoppe-
Seyler 1 ) bekanntlich eine sehr vollkommene Abscheidung der Albu¬
mine erzielt wird und wonach dann in der That im Filtrat weder
durch Essigsäure -|- Ferrocyankalium, noch durch rauchende Salpeter¬
säure im Verein mit concentrirter Salpetersäure irgend welche Trübung
hervorgerufen werden konnte, brachte dann doch Phosphorwolfram-
säure -f- Essigsäure eine schwache, und Phosphorwolframsäure -f-
Chlorwasserstoffsäurc sogar eine sehr starke Fällung hervor. Darnach
hätte man an Gegenwart von Pepton denken können; allein die
Peptonreaetion, d. i. Weinrothfärbung durch Kupferkali, blieb aus.
Schied man aber die Albuminate durch Salpetersäure in der
Kochhitze ab und filtrirte, so trübte sich das anfangs ganz klare
Filtrat mehr und mehr beim Erkalten, wurde beim Erwärmen wieder
klar, um sich beim Erkalten abermals zu trüben resp. eine flockige
Abscheidung zu geben u. s. f. (Bence Jones’ Eiweissreaction).
Fette liessen sich im Speichel in geringer Menge nach weisen,
wenn eine grössere Menge desselben zur Trockniss verdampft und
dann mit Aether extrahirt wurde; Cholesterin dagegen nicht. Ebenso
waren Rhodanverbindungen absolut nicht nachweisbar, obgleich
wiederholt mit Eisenchlorid unter Zusatz von HCl und mit Guajak-
tinctur getränktem Papier in sehr verdünnter Kupfervitriollösung,
welches bei Gegenwart kleinster Mengen Rhodans stark gebläut wird,
*) Handbuch der physiol.-pathol.-chem. Analyse, 3. Aull., S. 193,
Fällung.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
275
darauf geprüft wurde. Von anorganischen Bestandtheilcn wurde
im Parotidenspeichel gefunden: Kohlensäure (wohl mehr durch atmo¬
sphärische Einflüsse darin entstanden), Chlor, Phosphorsäure, Schwefel¬
säure (von letzterer sehr geringe Mengen), Kali, Natron, Kalk und
Magnesia. Eisen war nicht zugegen.
2. Der Submaxillarspeichel.
Klar, wasserhell, in dicker Schicht undurchsichtig, in verdünnter
Lösung durchsichtig, opalisirend; anfangs dünnflüssig, wird derselbe
nach einiger Zeit dicklicher und stark fadenziehend, schäumt beim
Schütteln wenig, ist geruchlos, von alkalischer Reaction: specifisches
Gewicht 1,003—1,0035. Submaxillarspeichel trübt sich weniger an
der Luft als Parotidenspeichel, enthält also auch weniger C0 2 absor-
birendes Alkali und alkalische Erden. Durch Alkoholzusatz entstand
sofort starke Fällung, ebenso durch Essigsäure.
Die Fällung durch beide Agentien war ganz charakteristisch: es
entstand zunächst eine glasige, gelatinöse, opalisirende Masse, die sich
dicht um den eingelegten Glasstab herumlegte, sodass man sie ver¬
mittelst desselben aus dem Becherglase herausheben konnte; bei wei¬
terem Zusatz von Alkohol oder Essigsäure und starkem Umrühren
mit dem Glasstabe schrumpfte die Masse mehr und mehr zusammen,
bis Abscheidung einer festen, cohärenten, im überschüssigen Alkohol
und Essigsäure unlöslichen Substanz erfolgte.
Phosphorsäure wirkt ähnlich der Essigsäure, die Abscheidung ist aber mehr
flockig, namentlich bei Phosphorsäurezusatz im Ueberschuss.
Durch Chlorwasserstoffsäure wurde ebenfalls Fällung erzielt; der Nieder¬
schlag löst sich im Ueberschuss der Säure, beim Verdünnen mit Wasser fällt er
wieder aus.
Diese Reactionen sprechen sämmtlich für Gegenwart von Mucin
im Submaxillarspeichel, welches dem Parotidenspeichel fehlt.
Mit dem Mucin wird durch Alkohol gleichzeitig Ptyalin gefällt,
wie sich aus folgendem Versuch ergab, der in ähnlicher Weise ange¬
stellt wurde, wie v. Wittich 1 ) bei Darstellung des diastatischen Fer¬
ments aus den Speicheldrüsenextracten verfuhr.
Submaxillarspeichel wurde mit der dreifachen Menge 85gradigen Alkohols
versetzt, die ausgefällte Mucinptyalinmasse mittelst Qiasstabes vereinigt, die klare
*) v. Wittich, Pflüger’s Arch. f. Physiologie, II., S. 193, und v. Gorup-
Besanez, Physiol. Chemie, 3. Aufl., 1874, S. 480.
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276
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
alkoholische Flüssigkeit entfernt, erneute Mengen von Alkohol zugesetzt; nach¬
dem in dieser Weise wiederholt verfahren, war die Masse stark zusammenge¬
schrumpft und hatte sich als ein zusammenhängendes Gerinnsel abgeschieden;
dieses gab man auf Glaswolle, liess den Alkohol abtropfen, trocknete dann an der
Luft, zuletzt im Brutofen bei 35° C. Nach völligem Austrocknen brachte man
das Gerinnsel incl. Glaswolle in ein Digerirkölbchen, fügte destillirtes Wasser
hinzu, stellte das Ganze wieder in den Brütofen und liess es 24 Stunden darin
unter öfterem (Jmschütteln stehen, alsdann wurde filtrirt und der ptyalinhaltige
Wasserauszug mit Stärkekleister in den Brütofen eingestellt.
Nach Verlauf von 24 Stunden war die Umwandlung der Stärke
in Zucker erfolgt; Wasser hatte also in der That Ptyalin aus dem
Gerinnsel gelöst.
Bezüglich der übrigen Eiweissreactionen vermittelst Salpeter¬
säure, salpetersauren Quecksilberoxyds, Sublimat, Tannin etc. verhält
sich der Submaxillarspeichel ganz gleich dem Parotidenspeichel, auch
der Bence Jone’sche Eiweisskörper lässt sich darin nach weisen.
Die Abscheidung der Albuminate gelingt aber schwieriger als im
Parotidenspeichel, wahrscheinlich in Folge des Mucingehalts; hat man
auch durch Essigsäure -|- Glaubersalz eine gut flockige Abscheidung
der Albumine erreicht, so ist doch das Filtrat trübe und wird durch
Zusatz von wenigen Tropfen Salpetersäure zum Filtrat und Kochen
desselben noch weiteres Eiweiss abgeschieden; jetzt erst erhält man
ein klares Filtrat, worin Essigsäure -|- Ferrocyankalium keine Fällung,
Phosphorwolframsäure -f- Essigsäure aber schwache Trübung, Phosphor¬
wolframsäure + Salzsäure stärkere Fällung erzeugt. Kupferkali ist
reactionslos. Wurde aber das Eiweiss aus dem Speichel direct durch
Salpetersäure gefallt, dieses kochend heiss abfiltrirt, so war das Fil¬
trat ganz klar, beim Erkalten trübte es sich, die Trübung verschwand
beim Erwärmen und erschien von Neuem beim Erkalten.
Fett liess sich in sehr geringer Menge aus der Trockensubstanz
des Speichels mittelst Aether extrahiren.
Cholesterin war mikroskopisch nicht nachweisbar.
Rhodan war auch hier nicht zugegen.
Als anorganische Stoffe traten auf: Kohlensäure, in gerin¬
gerer Menge als im Parotidenspeichel; wie dort, sehr viel Chloride;
Phosphate; Sulfate gegenüber dem Parotidenspeichel vermehrt.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
277
3. Der gemischte Speichel,
durch den Schlundschnitt gewonnen, zeichnete sich ebenfalls durch
grosse Reinheit aus; ganz wasserhell, klar, aber sogleich von Anfang
an glasig, opalisirend und so zähe, dass er die Form der Gefässe,
worin er aufgefangen wurde, annahm; im Cylinderglase bildete er
eine continuirliche Säule von so cohärenter Beschaffenheit, dass man
genöthigt war, die einzelnen Portionen, welche zur Untersuchung ent¬
nommen werden sollten, mit der Schere abzuschneiden. Trotz dieser
Zähigkeit zeigte er doch nur ein sehr geringes specifisches Gewicht:
1,004—1,0045. Seine Rection war alkalisch.
Wie beim Submaxillarspeichel erfolgte Abscheidung von Mucin
und Ptyalin durch Alkohol-, Essigsäure-, Phosphorsäurezusatz. Der
erhaltene Niederschlag verhält sich genau, wie dort ausführlich be¬
schrieben; aus dem Alkoholniederschlag lässt sich ebenfalls Ptyalin
durch Wasser extrahiren; der wässerige Auszug besitzt ebenfalls Fer¬
mentwirkung auf gekochte Stärke: er wirkt aber kräftiger, denn schon
nach 3 Stunden liess sich durch Fehling’sche Lösung Zucker nach-
weisen; sehr starke Reduction des Kupferoxyds trat dann nach 24
Stunden auf.
Der gemischte Speichel, mit Wasser verdünnt und gekocht, zeigt
sich etwas verschieden vom Parotiden- und Submaxillarspeichel: unter
starkem Schäumen erfolgt dort starke Trübung, die immer mehr zu-
niramt bei längerem Kochen (Abscheidung von Globulin); die Erschei¬
nung verhält sich ähnlich, als ob klare Hühnereiweisslösung gekocht
würde. Beim Kochen des gemischten Speichels ist das Schäumen
geringer, auch trübt sich derselbe weit weniger.
Salpetersäure und Chlorwasserstoffsäure bringen, kalt und heiss
angewandt, starke Fällungen hervor.
Ebenso fällen Essigsäure -(- Ferrocyankalium, Phosphorwolfram¬
säure -(- Essigsäure oder Salzsäure, Sublimat, Tannin, Bleiessig stark,
nach Abscheidung des Eiweisses mittelst Essigsäure und Glaubersalz
in der Kochhitze so vollkommen, dass im erkalteten, klaren Filtrat
Essigsäure -f- Ferrocyankalium auch nicht die Spur einer Trübung
erzeugt; Phosphorwolframsäure -f- Essigsäure bringt immer wieder Fäl¬
lung hervor, noch stärker Phosphorwolframsäure + Salzsäure.
Kupferkali färbt aber nicht im mindesten weinroth.
Der gemischte Speichel, mit Salpetersäure gekocht und das Ei-
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278
ELLENBEKGER u. HOFMEISTER,
weiss wiederum soweit abgeschieden, dass das heisse Filtrat ganz
wasserklar erscheint, liess Gegenwart von Bence Jone’s Eiweiss¬
körper erkennen; denn beim Erkalten schied sich dieser flockig ab,
löste sich dann beim Erwärmen und schied sich wieder beim Er¬
kalten aus (Hemialbuminose).
Fett, aus der Trockensubstanz durch Aether ausziehbar, war
auch hier in geringer Menge zugegen.
Rhodanreaction trat nicht auf.
Von den anorganischen Stoffen wurden geringe Mengen
Kohlensäure, sehr viel Chloride, wenig Phosphor- und Schwefelsäure
und wenig Kalk und Magnesia gefunden.
In der nebenstehenden Tabelle (S. 279) sind die Eigenschaften
der Speichelarten und ihre Unterschiede unter einander übersichtlich
zusaramengestellt.
Sehr erwünscht wäre es nun gewesen, von den im Pferdespeichel
enthaltenen organischen Stoffen wenigstens Mucin und Ptyalin ihrer
chemischen Natur nach etwas näher zu studiren; leider war es aber
nicht möglich, beide Stoffe in der Menge und Reinheit zu gewinnen,
dass eine eingehendere Untersuchung damit vorgenommen werden
konnte; obgleich Pfunde von Speichel darauf hin verarbeitet wurden,
war und blieb die Ausbeute daran eine geringe. Dazu trat noch der
Uebelstand, dass die organischen Gebilde sich so zu sagen unter den
Händen veränderten; es ist z. B. niemals bei aller Vorsicht gelungen,
das Ptyalin aus dem Wasserauszuge, in feste Form dargestellt, über¬
zuführen, dass es dann, wieder gelöst, noch fermentirende Eigen¬
schaften besessen hätte. Auch die Methode nach Cohn heim 1 ), die
wiederholt versucht wurde, gab nicht die gewünschten Resultate.
Dagegen ist der Versuch, etwas über die quantitative Zu¬
sammensetzung der verschiedenen Speichelarten des Pferdes kennen
zu lernen, nicht ganz ohne Erfolg geblieben.
Der Gehalt derselben an Wasser und an festen Stoffen im
bei 110° C. getrockneten Zustande ist wiederholt ermittelt; dann
durch Veraschen der Trockensubstanz der Gehalt an Mineralsalzen.
Aus dem Abzug dieser von der Trockensubstanz ergab sich der Ge¬
halt an organischer Substanz.
’) Cohnheim, Archiv f. pathol. Anatomie, Vin., S. 231. — v. Gorup-
Besan.ez, Physiol. Chemie, S. 480.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
279
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280
ELLENBERGER u. HOFMEtSTER,
Im Folgenden sind die Befunde, auf 1000 Theile Speichel be¬
rechnet, wiedergegeben; auch sind, wo es anging, Mittelwerthe daraus
gezogen.
Parotidenspeichel.
a) b) Mittel aus a u. b.
sp. Gw. 1,006. sp. Gw. 1,0075.
Wasser. 991,836 Grm. 991,389 Grm. 991,613 Grm.
Trockensubstanz . . 8,164 - 8,611 - 8,387
{Mineralsalze . . . 5,253 - 6,664 - 5,958 -
\Organische Substanz 2,911 - 1,947 - 2,429
Trüber Speichel. Heller Speichel,
spec. Gewicht 1,005.
Wasser. 993,118 Grm. 991,689 Grm.
Trockensubstanz . . 6,882 - 8,311
Mineralsalze . . . 4,274 - 3,494
Organische Substanz 2,608 - 4,817
Subm axillar Speichel.
Wasser.
Trockensubstanz . .
{ Mineralsalze . . .
Organische Substanz
a)
sp. Gw. 1,0035.
992.282 Grm.
7,718 -
2,583 -
5,135 -
b)
sp. Gw. 1.003.
992,720 Grm.
7,280 -
2,567 -
4,713 -
Mittel aus a u. b.
992,500 Grm.
7,500 -
2,575 -
4,925 -
Gemischter Speichel.
a )
spec. Gewicht 1,006.
Wasser.
Trockensubstanz .
{ Mineralsalze.
Organische Substanz.
988,968 Grm,
11,032 -
5,455 -
5,577 -
b)
sp. Gw. 1,0075.
Wasser. 988,500 Grm.
Trockensubstanz . . 11,500
Mineralsalze .... 8.270
Organische Substanz. 3,230 -
0
sp. Gw. 1 ? 007.
989,807 Grm.
10,193 -
8,124 -
2,069 -
Mittel aus b u. c.
989,154 Grm.
10,846 -
8,197 -
2,649 -
Schon aus dem sehr kleinen specifischen Gewicht der Speichel¬
arten, 1,003—1,0075, lässt sich schliessen, dass ihr Wassergehalt
im Allgemeinen ein sehr grosser sein muss, und dies weisen vorlie¬
gende Analysen zur Evidenz nach. Der Subraaxillarspeichel, mit
niedrigstem specifischen Gewicht, 1,003, zeigt den höchsten Wasser-
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Verdauongssäfto und Verdauung des Pferdes.
281
gehalt, 992,500 Gran, in 1000 Theilen, der gemischte Speichel mit
höchstem specifischen Gewicht, 1,0075, den niedrigsten Wassergehalt,
989,154 Grra. in 1000 Theilen.
Dem entspricht der Gehalt an Trockensubstanz, also an festen
Bestandtheilen überhaupt; der Submaxillarspeichel hat am wenigsten
davon: 7,500 Grm., mehr der Parotidenspeichel: 8,387 Grm., am
meisten der gemischte Speichel: 10,846 Grm. im Mittel. Es war zu
erwarten, dass der gemischte Speichel reicher an diesen Stoffen ist,
als die getrennten Speichelarten, weil im gemischten Speichel nicht
allein Parotiden- und Submaxillarspeichel enthalten ist, sondern auch
das Speichelsecrct der Sublingualdrüsen und der übrigen secernirenden
kleinen Drüsen der Mundschleimhaut.
Unter den festen Stoffen sind es die Mineralsalze, welche vor
allen das specifische Gewicht beeinflussen; in der That stehen damit die
analytischen Befunde im besten Einklänge: der Submaxillarspeichel ent¬
hält nur 2,575 Grm. Mineralsalze, der Parotidenspeichel 5,958 Grm., und
der gemischte Speichel wiederum die meisten, 8,197 Grm. im Mittel.
Vorausgreifend ist bezüglich der organischen Substanz in den
Speichelartcn anzuführen, dass der Gehalt davon nicht mit ihrer
Wirksamkeit im Verhältniss steht. Wir werden später sehen, dass der
gemischte Speichel am kräftigsten auf Stärkekleister einwirkt, dieses
in kürzester Frist und in grösster Menge in Zucker umwandelt. Dar¬
nach erscheint er an Ptyalin am reichsten und deshalb sollte man
meinen, müsse auch sein Gehalt an organischer Substanz am grössten
sein. Dies ist aber nicht der Fall; im Durchschnitt enthält er kaum
bemerkbar mehr an organischer Substanz als der Parotidenspeichel
(dieser 2,429, jener 2,649 Grm.) und ganz entschieden weniger als
der Submaxillarspeichel (4,925 Grm.).
Das ist sehr zu beachten und um so mehr, als der hohe Gehalt
des Submaxillarspeichels an organischer Substanz mit seinem Reich¬
thum an Mucin vergesellschaftet gedacht werden kann. Da der Pa¬
rotidenspeichel, der die Hauptmasse des gemischten Speichels darstellt,
kein Mucin enthält, so wird der letztere proportional, selbst bei starker
Thätigkeit der anderen Drüsen, häufig weniger Mucin enthalten als
der Submaxillarspeichel. Daher der geringe Gehalt des Parotiden-
und des gemischten Speichels an organischen Bestandtheilen. Diese
Verhältnisse werden sich abändern und niemals constante Grössen auf¬
weisen, wie das schon aus der Analyse a des gemischten Speichels
deutlich wird, mit 5,577 Grm. organischer Substanz, worin sich also
Archiv f. vImnsch. n. prakt. Thlerhellk. VII. 4 u. 5. 19
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m
ßUENBERGER u. HOPMEISTER,
mehr organische Substanz befindet, als in den beiden später analy-
sirten gemischten Speicheln und sogar etwas mehr als im Sumaxillar-
speichel.
Immerhin wird es nicht zulässig sein, aus der Grösse der orga¬
nischen Substanz auf die Grösse des darin enthaltenen Ferments einen
Schluss machen zu wollen. Dafür treten sogar als Belege der trübe
und helle Parotidenspeichel auf; denn der trübe Parotidenspeichcl
wirkt entschieden kräftiger zuckerbildend als der helle, klare, und
doch enthält der trübe Speichel gerade V 2 Mal weniger organische
Stoffe als der helle.
Es ist nun weiter versucht worden, die Bestandtheile der orga¬
nischen Substanz der Speichelarten quantitativ zu ermitteln.
Die Schwierigkeiten, glatte Abscheidungen zu erlangen, sind der im
Speichel enthaltenen eigenthümlichen Eiweiss- und eiweissartigen Stoffe
wegen nicht klein; es sind sehr viele Versuche angestellt worden, ehe
ein halbwegs befriedigendes analytisches Verfahren gefunden war. Es
würde ermüden, hierüber Ausführliches zu berichten; ganz kurz soll
hier der eingeschlagcnen Untersuchungsraethoden Erwähnung gethan
werden, die dann auch bei den aufgcstellten Analysen wieder zu er¬
kennen sind. Es sind deren leider wenige, doch haben sie vielleicht
insofern einigen Werth, als sie gewissermassen Durchschnittsanalysen
darstellen, in welchen nur die Resultate, die bei wiederholten Ver¬
suchen immer wieder auftretenden Erscheinungen, aufgenommen sind.
Von dem ganz frischen Speichel wurden bestimmte Mengen zur
Analyse abgewogen, 50—250 Grm., diese mit Essigsäure neutralisirt
oder ganz schwach angesäuert; den Niederschlag Hess man absetzen,
gab ihn auf ein tarirtes Filter, wusch, trocknete und wog ihn. Nie¬
derschlag incl. Filter wurde dann verascht im gewogenen Platintiegel,
die Aschenmenge von der ursprünglich gewogenen Eiweissmengc ab¬
gezogen und die aschenfrei resultirende Substanz als Neutralisa-
tionspräcipitat bei Parotidenspeichel, als Mucin bei Submaxillar-
und gemischtem Speichel bezeichnet, da bei qualitativer Untersuchung
sich ergab, dass die auf diese Weise erhaltenen Stoffe in der That
eine eiweissartige Natur besassen, wie auch die nächstfolgenden.
Das Filtrat wurde dann stark mit Essigsäure angesäuert und
gekocht; den hierbei erhaltenen Niederschlag behandelte man wie den
ersten (Waschen, Trocknen, Wägen, Veraschen etc.) und bezeichnete
ihn als Acidalbuminat.
Im Filtrat waren stets noch stickstoffhaltige Stoffe zugegen; es
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
283
wurde deshalb eingeengt, zuletzt im Glasschälchen völlig ausgetrocknet
und der Stickstoffgehalt durch Verbrennung mit Natronkalk etc. in
bekannter Weise bestimmt. Oder aber man fällte aus dem Filtrat
durch Phosphorwolframsäure 1 ) die noch vorhandenen Eiweissstoffe,
gab den Niederschlag aufs Filter, trocknete ihn und bestimmte im
Phosphorwolframsäureniederschlag den Stickstoff durcli Verbrennen
mit Natronkalk etc. Der gefundene Stickstoff wurde durch Multipli¬
cation mit 6,4 auf Eiweiss berechnet.
An Stelle der Essigsäure wurde auch Phosphorsäurc angewandt,
auch Chlorwasserstoffsäure, oder der Speichel nicht erst kalt mit Essig¬
säure behandelt, sondern direct damit gekocht und im Filtrat dann
das noch vorhandene Eiweiss als N bestimmt. Auch wurden gewo¬
gene Mengen Speichel direct im Glasschälchen zur Trockniss gebracht
und der Gesammtstickstoff des Speichels darin bestimmt.
Den Fettgehalt des Speichels bestimmte mau vermittelst Ex¬
traction der Trockensubstanz mit Aether; wo wägbare Mengen ge¬
funden, sind sie in den nun folgenden Analysen mit aufgeführt; die
Resultate der Analyse sind auf 1000 Theile Speichel berechnet.
Parotidenspeichel.
In 1000 Theilen:
0,925 Grm. Neutralisationspräcipitat
0,297 - Acidalbuminat
1,295 Grm. Neutralisationspräcipitat
0,425 - Acidalbuminat
1.5G2 -
Eiweiss aus N berechnet
0,227 - nicht bestimmt
0,017 -
0,110 -
Fett
unbestimmt
1,947 Grm. organische Substanz.
2,911 Grm. organische Substanz.
0,870 Grm.
Acidalbuminat
0,300 Grm. Stickstoff =
1,740 -
Eiweiss aus N berechnet
1,920 - Eiwoiss, bleiben
0,017 -
Fett
0,027 - unbestimmbare Stoffe in
0,284 -
nicht bestimmt
1,947 Grm. organische Substanz.
2,911 Grm. organische Substanz.
S u b m a x i 11 a r s p e i c h e 1.
In 1000 Theilen:
3.580 Grm.
Mucin (2,740 Grm. durch
1,200 Grm. durch Salzsäure gefällt
0,580 -
Phosphorsäurc)
Acidalbumin
3,460 - Eiweiss aus Phosphorwolf¬
ramsäureniederschlag
0,000 -
Eiweissbestiinmung aus N
0,053 - nicht bestimmt
0.975 -
verunglückt
nicht bestimmt
4,713 Grm. organische Substanz.
5,135 Gnn. organische Substanz.
*) Methode nach Schmidt-Mülheim, Arcli. f. Anat. u.Phys., 1879, S. 44.
19*
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284
EUENBERGER u. HOFMEISTER,
Gemischter Speichel.
In 1000 Theilen:
3,800 Grm. Mucin
0,680 - Acidalbumin
1,000 - Eiweiss, aus Phosphorwolframsäureniederschlag berechnet,
0,050 - Fett
0,103 - nicht bestimmt
5,633 Grm. organische Substanz.
Aus den Analysen geht hervor, dass dieselben ohne Zuhülfenahrac
der Stickstoffbestimmungen ausserordentlich lückenhaft ausgefallen
wären. Die Gesammtraasse der organischen Substanz der Speichel¬
arten besteht zum grössten Theil aus stickstoffhaltigen Stoffen; eine
nur ganz untergeordnete Rolle spielen die Fette.
Der Mucingehalt des Submaxillar- und gemischten Speichels giebt
sich deutlich genug zu erkennen, wenn man Parotidenspeichel, der
frei davon, damit vergleicht: Kalte Essigsäure bewirkt in beiden Fäl¬
lung; aber im mucinhaltigen Submaxillar- und gemischten Speichel
beträgt sie das 3- und 4 fache. Dass wir Mucin vor uns haben, be¬
weist der Submaxillarspeichel, welcher mit Salzsäure behandelt wurde,
es hat sich das Mucin theilweise darin gelöst; im Filtrat wird es
dann durch Phosphorwolframsäure gefällt und aus dem N berechnet
sich dann gleichzeitig das löslich gewordene Mucin.
An Acidalbuminat sind sämmtliche Speichelarten nicht sehr reich;
Submaxillar- und gemischter Speichel enthalten aber auch hiervon
mehr als der Parotidenspeichel.
Hervorzuheben bleibt, dass wir auch bei dem quantitativen Ver¬
fahren auf eigenthümliche Eiweissstoffe stossen, welche bereits bei
Beschreibung des Speichels seiner qualitativen Beschaffenheit nach
Erwähnung fanden, Eiweissstoffe, die nicht durch organische Säuren
in der Kälte oder Kochhitze coagulirbar werden, sondern löslich blei¬
ben, deren Fällung aber durch TPhosphorwolframsäure -j- Essigsäure
oder HCl erfolgt.
Ueber die Mineralsalze des Speichels beim Pferde ist Folgen¬
des zu berichten: Quantitativ bestimmt sind die in Wasser lös¬
lichen und die darin unlöslichen Mineralbestandtheile, dann die in
Wasser löslichen Chloride, Phosphate, Sulfate, und die in Wasser un¬
löslichen Erden, nach bekannten Methoden.
Wir stellen die Resultate der Analyse nach einander, auf 100
Thcilc Asche bezogen, auf:
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Verdauungssäfte und Verdauung dos Pferdes.
285
Parotidenspeichel: a) 83,4 pCt. in Wasser löslich,
16,6 - -
unlöslich;
b) 87,6 - -
löslich,
12,4 - -
unlöslich.
Submaxillarspeichel: a) 76,5 - -
löslich,
33,5 - -
unlöslich;
b) 70,0 - -
löslich,
30,0 - -
unlöslich.
Gemischter Speichel: a) 83,8 - -
löslich,
16,2 - -
unlöslich;
b) 96,0 - -
löslich,
4,0 - -
unlöslich;
c) 95,9 - -
löslich,
4,1 - -
unlöslich.
Der Parotidenspeichel hat 10 pCt. mehr in H 2 0 lösliche Salze
als der Submaxillarspeichel, der gemischte Speichel b und c 11
pCt. mehr als der Parotidenspeichel und 23 pCt. mehr als der Sub¬
maxillarspeichel. Der gemischte Speichel a weicht davon ab, sein
Gehalt an löslichen Salzen ist gleich dem Parotidenspeichel und ent¬
hält nur 10 pCt. mehr als der Submaxillarspeichel.
In 100 Theilen Asche enthält der:
Parotidenspeichel Submaxillarspeichel
24,1 pCt. Chlor 26,8 pCt. Chlor
1.4 -
Schwefelsäure
8,4 -
Schwefelsäure
2,1 -
Phosphorsäure
5,7 -
Phosphorsäure
1.8 -
Kali
8.8 -
Kali
40,3 -
Natron
26,8 -
Natron
7,6 -
Kalk
23,5 -
Kalk und Magnesia, an CO.
1,4 -
Magnesia
gebunden
21,4 -
Kohlensäure
100,0 pCt.
100,1 pCt.
gemischte Speichel
a )
c)
Chlor.
. 31,1 pCt. 48,7 pCt.
Schwefelsäure .
. 7,5 -
1,5 -
Phosphorsäure
. 0,6 -
0,5 -
Kali.
. 10,2 -
2,6 -
Natron ....
. 32.0 -
42,6 -
kohlens. Kalk u.
Magnesia 16,2 -
4.1 -
97,6 pCt. 100,0 pCt.
Bei der nächstfolgenden Aufstellung der Speichelsalze ist zunächst das
Chlor mit vorhandenem Natrium als Chlornatrium berechnet, überbleibendes Na¬
tron mit der Kohlensäure zu C0 3 Na 2 , noch weiter vorhandenes Natron oder Kali
mit der Phosphorsäure als Dinatrium(kalium)phosphat .>(PQ.|Na 3 lI) und mit
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286
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Schwefelsäure zu S0 4 Na 2 oder S0 4 K 2 . Kalk und Magnesia waren als kohlen-
sauro Erden vorhanden; phosphorsaure Erden fanden sich nur spurenweise. Von
der Berechnung wurde der gemischte Speichel a ausgeschlossen, weil zu abwei¬
chend *), dafür der gemischte Speichel c in Rechnung genommen.
In 100 Theilen Asche enthält folgende Salze der:
Parotidenspcichel Submaxillarspeichel
Chlornatrium.
39,7 pCt.
44,2 pCt.
kohlensaures Natrium . .
29,8 -
— -
phosphorsaures Natrium .
4,2 -
11,4 -
schwefelsaures Kalium . .
3,2 -
17.2 -
kohlens. Kalk u. Magnesia
IG.5 -
23,5 -
froie Kohlensäure ....
1,5 -
— .
gemischte Speichel
Chlornatrium. 91,32 pCt.
kohle nsaures Alkali ... 0.85 -
phosphorsaures Kalium . 1,00 -
schwefelsaures Kalium . 2,75 -
kohlens. Kalk u. Magnesia 4,08 -
freie Kohlensäure .... —
Nach den vorliegenden Unterlagen lässt sich die Zusammensetzung der Spei¬
chelarten in ihrer natürlichen Beschaffenheit berechnen (der Berechnung betr.
Wasser, Trockensubstarz, organische Substanz, Mineralsalze sind die auf S. 280
aufgcstellten Mittelwerthe untergelegt, für den gemischten Speichol das Mittel
aus b und c).
In 1000 Theilen Speichel sind enthalten vom:
Parotidenspeichel Submaxillarspeichel gemischt. Speichel
Wasser..
991,613
Grm.
992,500
Grm.
989,154
Grm.
Trockensubstanz . . .
8,387
-
7,500
-
10,846
-
organische Substanz .
2,429
-
4,925
-
2.649
-
Mineralsalze.
5,958
-
2,575
-
8.197
-
darin:
Chlornatrium . . .
2,364
Grm.
1,038
Grm.
7,485
Grm.
kohlens. Natrium .
1,775
-
—
-
—
-
Kalium . .
—
-
—
-
0,071
-
Dinatriumphosphat.
0,250
-
0,294
-
—
-
Dikaliumphosphat .
—
-
—.
-
0,082
-
Schwefels. Natrium .
0,191
-
. —
-
—
-
Kalium .
—
-
0,443
-
0,225
-
kohlensaurer Kalk u.
Magnesia ....
0,983
-
0,605
-
0,334
-
freie Kohlensäure .
0,100
-
—
-
—
-
! ) Dieser Speichel war nämlich etwas durch Blut verunreinigt (in Folge
Verwundung der Maulschleimhaut durch die eingelegte Raspel); ausserdem war
er auch trübe durch Schmutz aus hohlen Zähnen etc.
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Vordauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
287
Am reichsten an Kochsalz erscheint der gemischte Speichel,
ein Resultat, welches nicht auffallen kann, wenn man bedenkt, dass
in ihm sämratliche Speichelsecrete vereinigt auftretcn. Im übrigen
erklärt der reiche Kochsalzgehalt sämratlicher Speichelsorten die an¬
gegebene Thatsache, dass gewisse Eiweissstoffe im Speichel gelöst
auftretcn, die beim Kochen coaguliren (Globuline).
Phosphate und Sulfate sind nur in geringer Menge vorhanden,
der Submaxillarspeichel enthält am meisten davon.
In gerade absteigenden Verhältnissen befindet sich der kohlen-
saure Kalk incl. Magnesia in den Speichelarten, nämlich wie
3:2:1; der Parotidespeichel ist es, welcher den meisten Kalk enthält,
er ist cs auch, welcher sich am schnellsten an der Luft trübt, also die
meiste Kohlensäure anzieht, so dass man sich versucht fühlt zu der
Annahme, dass er Kalkhydrat von Haus aus enthalte, worauf be¬
reits C. G. Lehmann hingewiesen.
Angenommen, sämratliche Kohlensäure sei dem Speichel durch
die Luft zugeführt, die anorganischen Stoffe darin also ursprünglich
frei davon, so sind nach Abzug der Kohlensäure in 1000 Tbeilen des:
Parotidenspeichels Submaxillarspeichels gemischt. Speichels
Chlor. 1,430 Grm. 0,690 Grm. 3,990 Grm.
Schwefelsäure .... 0,083 - 0,216 - 0,123 -
Phosphorsäuro .... 0,125 - 0,147 - 0,041
Kali . 0,107 - 0,226 - 0,212 -
Natron. 2,400 - 0,690 - 3,490 -
Kalk. 0,453 - 0,340 - 0,188 -
Im Submaxillar- und gemischten Speichel reicht das Chlor
eben aus, um vorhandene Alkalien (nach Abzug des Sauerstoffs) als
Chloralkalien zu binden. Der Rest des Alkali kann in Verbindung
mit Phosphor- und Schwefelsäure treten; der Kalk bleibt alsdann
unverbunden, da weder Chlor, Schwefelsäure noch Phosphorsäure
überschüssig zugegen.
Eine gleiche Combination beim Parotidenspeichel angewandt,
ergiebt, dass auch in diesem der Kalk kein ihm verwandtes und ver¬
bindbares Element findet; denn es reicht das Chlor lange nicht aus,
um das vorhandene Natron zu sättigen. Denken wir uns dann die
Gesammtmenge der Phosphor- und Schwefelsäure durch Kali + Natron
gesättigt, dann bleibt noch überschüssiges, freies, unverbundenes Natron
übrig. Kann aber bei Gegenwart von freiem Natron und bei
Gegenwart von phosphorsaurem Natron Kalk in Lösung blei¬
ben, wie es doch beim Parotidenspeichel der Fall, der als klare
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288
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Flüssigkeit zu Tage tritt, in der alle Stoffe, also auch der Kalk, ge¬
löst sind? Das ist unmöglich; der Kalk würde unter diesen Verhält¬
nissen stets als phosphorsaurer Kalk ausgefällt werden.
Hieraus folgt erstens, dass im Parotidenspeichel ebenso wenig
wie in den anderen Speichelarten freies, ungebundenes Alkali vorhanden
sein kann. Das nach vorgehender Berechnung auftretende überschüssige
Alkali ist mit den Eiweissstoffen als sogenanntes Alkalialbuminat
verbunden, wie dies beispielsweise im Eiereiweiss, in der Milch der
Fall ist, daher es auch möglich war, bei der Untersuchung des Spei¬
chels auf seine organischen Bestandtheile ein Neutralisationspräcipitat
darzustellen etc. Zweitens sind auch die phosphorsauren Alkalien,
gleich wie das Alkali, in so inniger Verbindung mit den organischen
resp. Ei weissstoffen, dass eine Reaction ihrerseits nach aussen hin,
also hier auf Kalk in seiner Lösung, nicht erfolgt; deshalb kann es
geschehen, dass der Kalk in wässeriger Lösung als Kalkwasser gelöst
bleibt, er bedarf keiner weiteren Vergliederung mit einem anderen
Element.
Dafür spricht auch einigermassen folgendes Experiment: Hühner¬
eiweisslösung lässt sich mit klarem Kalkwasser versetzen, ohne dass
irgend eine Trübung oder Fällung entsteht. Das Hühnereiweiss ist
in Bezug auf die anorganischen und organischen Stoffe wenn auch
quantitativ, so doch qualitativ nicht unähnlich dem Speichel 1 ) zu¬
sammengesetzt. Die Lösung bleibt wie beim Speichel zunächst ganz
klar, erst nach einiger Zeit wird sie an der Luft opalisirend, bläulich,
trübt sich dann immer mehr und mehr bis zur Ausscheidung eines
Präcipitats. Es lässt sich leicht nachweisen, dass dieses Präcipitat
aus kohlensaurera Kalk, etwas vermengt mit organischen Bestand¬
teilen (Globulin), besteht. Diese Erscheinungen sind zum Verwech¬
seln ähnlich denen beim Parotidenspeichel.
B. Physiologische Wirkung des Pferdespeichels.
Bekanntlich kannte man früher nur die mechanische Wirkung
des Speichels; man nahm an, dass er nur zum Anfeuchten, Schlüpfrig¬
machen und Lösen des Löslichen der Nahrungsmittel diene. Diese
Wirkungen sind so selbstverständlich, so vielfach betont worden
] ) v. Gorup-Besanez, Lehrbuch der physiol. Chemie, 3. Aull., S. 746.
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Verdauungssafte und Verdauung des Pferdes.
289
(J. Müller, Beauraont, Berzelius, Schwann, CI. Bernard 1 ) etc.),
dass wir es für unnöthig hielten, diese Speicheiwirkung nochmals ex¬
perimentell zu belegen.
Unsere Aufgabe konnte es nur sein, die chemische Wirkung des
Pferdespeichels zu studiren, über welche noch vielfach irrige Meinun¬
gen verbreitet und welche experimentell noch nicht genügend festge¬
stellt sind.
Mit der chemischen Wirkung des Speichels überhaupt wurde man
erst im Jahre 1831 bekannt. Leuchs 2 ) war es, der, nachdem im
Jahre vorher Dubrunfaut die aus Starke Zucker bildende Diastase im
Malz gefunden hatte, nachwies, dass auch der Speichel ein derartiges
Ferment besitze; er zeigte, dass durch Einwirkung des Speichels auf
Starkekleister Zucker gebildet werde.
In Folge dieser Entdeckung wurden zahlreiche Experimente über
diese Speichelwirkung angestellt und wurde in Folge derselben der
verzuckernden Einwirkung des Speichels vielfach eine grosse Wichtig¬
keit beigelegt. Von anderer Seite (Blondlot 3 ) u. A.) wurde diese
Wirkung ganz angezweifelt, während wieder Männer wie J. Müller,
Beaumont, Schwann, Berzelius, CI. Bernard etc. die chemische
Wirkung zwar nicht leugneten, aber die Wichtigkeit der mechanischen
Wirkung des Speichels gegenüber der chemischen scharf betonten.
Sehen wir zunächst von dem Streit über die Frage, ob die me¬
chanische oder chemische Wirkung des Speichels die wichtigere von
beiden sei, ganz ab, so kann durch die vielen Untersuchungen soviel
als bestimmt festgestellt angesehen werden, dass der gemischte Mund¬
speichel ein Ferment enthält, das man heutzutage Ptyalin nennt,
welches in der Weise chemisch auf die Stärke wirkt, dass ein Theil
derselben in Zucker umgewandelt wird.
Die Untersuchungen von Musculus 4 ), Payen 5 ), Schwarzer 6 ),
Schulze, Märker 7 ), Gruber 8 ) etc. haben dargethan, dass diese
x ) CI. Bernard, Le 9 ons de physiol. experim. faites en 1855, II., p 49.
*) Leuchs, Ueber die Verzuckerung des Stärkemehls durch Speichel,
Kastner’s Archiv f. d. gesammte Naturlehre, 1831, S. 106.
3 ) Blondlot, Sur kt digestion des mati&res amylacees, 1853.
4 ) Musculus, Chem. Centralbl. 1860.
5 ) Payen, Chem. Centralbl. 1865.
6 ) Schwarzer, Chem. Centralbl. 1870.
7 ) Schulze u. Märker, Chem. Centralbl. 1872.
8 ) Musculus u. Gruber, Zeitschr. f. physiol. Chemie, II, 1878.
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290
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Wirkung in einer unter Wasseraufnahme erfolgenden Spaltung der
Stärke in Achroodextrin und Zucker (Maltose oder Ptyalose) besteht
und dass, ehe diese beiden Endproducte entstehen, Zwischenproducte
auftreten, unter denen die durch Jod eine gleichmässige Bläuung er¬
leidende lösliche Stärke (Amylogen) und das durch dasselbe Reagens
roth werdende Erythrodextrin besonders zu erwähnen sind (Nasse,
Griessmayer, Brücke. Bondonneau, Bechamp).
Wenn nun auch die genannte Wirkung von fast allen Forschern
in Bezug auf den gemischten Speichel beobachtet wurde, so stellten
sich doch bald Zweifel darüber ein, ob auch die vereinzelten Secrctc
der Speicheldrüsen ebenso wirksam seien. Zunächst behauptete
Lassaigne 1 ) (und ebenso Magendie, Rayer u. Paycn, Milnc
Edwards), dass der Parotidcnspeichel, besonders der des Pferdes,
das saccharificirende Vermögen nicht besitze.
CI. Bcrnard 2 ) äusserte sich in demselben Sinne über den frischen
Submaxillarspeichel.
Jacubowitsch 3 ) stellte die Regel auf, dass eine Speichelart für
sich allein die gedachte Wirkung niemals entfalte, sondern dass diese
Wirksamkeit erst durch Vermischung zweier aus — zwei Quellen
stammender — Speichel arten eintrete.
Bidder u. Schmidt 4 ), Schiff 5 ), Lehmann stimmen dem
ersteren vollständig bei. Auch sie fanden jede einzelne Speichelart
für sich allein unwirksam. Dagegen beobachteten Bidder u. Schmidt,
dass das diastatische Ferment nur bei Vermischung des Submaxillar-
sccre.ts mit dem Mundschleim (dem Secret der kleinen Munddrüsen),
nicht aber bei Vermischung des Parotiden- mit dem Subraaxillarsccret.
entsteht. — Andererseits liegen aber aus neuerer Zeit wieder viele Beob¬
achtungen über die Wirksamkeit einzelner, unvermischter Speichel¬
arten des Kaninchens, des Hundes, des Menschen etc. vor 6 ), sodass die
1 ) Lassaigne, Recherches pour determiner le mode de faction qu’excerce
la salive pure sur l’amidou (comptes ?endus de l’academie des sc., 1845).
2 ) CI. Bernard, Memoire sur le röle de la salive dans les phenomcncs de
la digestion. Arch. gen. de medecine, 1847.
3 ) De saliva, 1848.
4 ) Bidder u. Schmidt, Die Verdauungssäfte und der Stoffwechsel, 1852.
5 ) Schiff, Le^ons sur la physiologie de la digestion. Red. par E. Le vier,
Berlin, 1868.
Ä ) cf. hierüber: Ewald, Die Lehre von der Verdauung. Berlin, 1879. —
Maly, Chem. d. Verdauungssäfte u. d. Verdauung. Ilermann’s Handb. d. Physiol.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
291
Theorie von Jacubowitsch und Bidder u. Schmidt nicht mehr als
richtig anerkannt wird.
Ueber den Pferdespeichel bemerkt Colin, dieser ausgezeichnete
Forscher und Beobachter, dass die unvermischten, frischen Secrete der
Speicheldrüsen kein diastatisches Vermögen besitzen, dass sie dies
aber beim längeren Stehen des Speichels (in Folge eintretender Zer¬
setzung) bekommen. Roux 1 ) fand, dass der Parotiden- und Sub-
maxillarspeichel des Pferdes keine auf ein Ferment bezügliche Wirkung
entfalte, und dass der Submaxillarspeichel das saccharificirende Ver¬
mögen bei längerem Stehen erhalte. Weitere derartige Untersuchungen
über den Pferdespeichel sind uns nicht bekannt geworden.
Neben diesen Untersuchungen bemühten sich die Forscher ferner,
die Zeit festzustellen, in welcher die gedachte Verzuckerung resp.
Spaltung erfolgt, namentlich ob dieselbe bereits in der Mundhöhle
eintritt, trotz des kurzen Aufenthalts der Nahrungsmittel daselbst.
Es wurde constatirt, dass gekochte Stärke (Stärkekleister) durch
menschlichen Speichel schon nach Secunden, fast sofort nach der Be¬
rührung damit umgewandclt wird, dass dagegen rohe Stärke viel
länger widersteht. In roher Kartoffelstärke sah Hammarsten 2 ) erst
nach 2—4ständiger Einwirkung des menschlichen Speichels Zucker¬
bildung auftreten. Wird dieselbe jedoch fein pulverisirt, so erfolgt
diese Umwandlung schon nach 5 Minuten (Maly, 1. c. S. 36).
Hieraus geht hervor, dass gekochte Stärke sehr wohl während
des Kauens dem erwähnten Spaltungsprocess unterliegen kann, nicht
aber die rohe, welche doch in der Regel von den Thieren aufgenom¬
men wird. CI. Bernard fand, dass bei Pferden in gut durchge¬
kauten Bissen, die aus dem Schlunde aufgefangen wurden, in der
Regel kein Zucker enthalten war. Colin scheint anzunehmen, dass
es schon beim Kauen des Hafers in der Mundhöhle zur Zuckerbildung
komme. Er fand im zerkauten Hafer Spuren von Zucker. Jedenfalls
ist auch nach ihm die Umwandlung in der Mundhöhle nur unbedeutend.
Diese Thatsachen führten zu der Annahme, dass der Speichel
seine chemisch umwandelndc Einwirkung auf die Stärke erst im Magen
entfalte.
*) Roux, Ricorche della proprieta saccharificantc della saliva del caballo.
Gazetta medico-veterinaria di Milano 1871.
2 ) Hammarsten, Jahresber. der ges. Medioin, 1871, 1*
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292
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
CI. Bernard, Sebastian, Wright, Barreswil u. A. bestrit¬
ten aber, dass dies möglich sei. Sie gaben an, dass das diastatische
Ferment in Gegenwart von Säuren in gedachter Richtung wirkungslos
sei. (CI. Bernard und Barreswil hielten Pepsin und Ptyalin für
identische Körper, die ihre Wirkung abänderten, je nachdem sie in
Gegenwart von Säure oder Alkali wirkten.)
Jacubowitsch, Frerichs, Lehmann, Longet u. s. w. con-
statirten dagegen, dass Säuregegenwart die Wirkung des Ptyalin nicht
auf hebt. Schiff 1 ) fand, dass starker Säurezusatz dies allerdings be¬
wirkt, ohne aber das Ptyalin zu zerstören, dass schwache Säuerung
aber einflusslos ist; ebenso äussern sich Ebstein 2 ), Brücke 3 ),
Hammarsten 4 ).
Schröder, Longet 5 ), Smith 6 ), Brown-Sequard 7 ) betonen,
dass trotz Vermischung des Speichels mit kleinen Mengen Magensaft
die Diastasewirkung erhalten bleibt; Bidder u. Schmidt (1. c. S. 24)
im Gegentheil, dass die Speichelwirkung bei Zusatz von Magensaft
erlischt.
Als Resultat scheint festzustehen, dass kleine Säuremengen ein¬
flusslos sind, dass grosse dagegen die Diastasewirkung unterbrechen,
dass diese aber nach Neutralisation der Säure wieder hervortritt.
Untersuchungen des Pferdespeichels in dieser Richtung sind uns nicht
bekannt geworden.
Erwähnenswerth ist auch noch, dass, wie Magendie, Liebig,
v. Wittich, Paschutin, Schiff, Lepine, Bernard, Seegen,
Kratschmer, Maly u. s. w. darthun, das diastatische Ferment, wie
es im Speichel vorkommt, sehr weit im thierischen Körper verbreitet
ist, d. h. dass sehr viele thierische Gewebe saccharificirend auf Stärke
wirken, namentlich wenn sie in Zersetzung begriffen sind. Allerdings
ist die gedachte Wirkung geringer als beim Speichel.
Ueber die Grösse des saccharificirenden Vermögens des Speichels
bei verschiedenen Thieren liegt ebenfalls eine Reihe von Untersuchun-
! ) 1. c. S. 162.
2 ) Ebstein, Canstatt’s Jahresber. d. Pharmak., 1859.
3 ) Brücke, Sitzungsber. der Wiener Akademie, III. Abtli., 1872, und
Vorlesungen über Physiologie.
4 ) Hammarsten, Jahresber. der ges. Medicin, 1871, I.
5 ) Annales des Sciences nat., 1855, III, p. 13.
6 ) Journal de physiologie, I, p. 154.
7 ) Ibid., p. 158.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
293
gen vor. E. Oehl 1 ) fand den menschlichen Speichel am wirksamsten,
diesem folgten der des Lammes, des Hundes und des Kaninchens.
Grützner 2 ) fand den Speichel der Carnivoren ohne Ferment,
den der Herbivoren dagegen sehr wirksam. Im Pferdespeichel con-
statirte dagegen Grützner nur verschwindende Mengen Ferment, so-
dass er deren Drüsen nicht als Fermentbildner betrachtet 3 ).
Astaschewski 4 ) behauptet, dass der Speichel der Nager am
wirksamsten sei; dann folgen nach ihm die Carnivoren, dann die
Herbivoren.
Man sieht hioraus, dass die Forschungsresultate sehr verschie¬
dene waren.
In Bezug der chemischen Einwirkung des Speichels auf die
Nährstoffe hat I. Munk 5 ) beobachtet, dass der Speichel im geringen
Masse auch lösend, peptonisirend auf Eiweissstoffe zu wirken vermag;
und Colin und M. Longet weisen darauf hin, dass der stark mucin-
haltige Speichel die Fette mechanisch emulgiren kann.
Weitere hierauf bezügliche Angaben sind uns nicht bekannt ge¬
worden. Untersuchungen über die Wirkungen des Pferdespeichels auf
Eiweisskörper sind noch nicht angestellt worden. Ebensowenig liegen
ausser den in unserem Laboratorium angestellten Untersuchungen
solche über die Wirkungen des Pferdespeichels auf Cellulose vor.
Der vorstehende kurze geschichtliche Rückblick zeigt uns,
dass über den Pferdespeichel nur wenig zuverlässige Angaben vor¬
liegen, sodann aber vor Allem, in welcher Richtung sich unsere Un¬
tersuchungen zu bewegen hatten, welche Fragen zu lösen waren. Es
musste durch uns in Bezug auf den Pferdespeichel Folgendes festzu¬
stellen versucht werden:
1. die Wirkung des gemischten Speichels des Pferdes auf rohe
und gekochte Stärke, wobei das Augenmerk besonders auf
die Schnelligkeit der etwa statthabenden Umwandlung zu
richten war;
*) Oehl, La saliva umana studiata colla stringazione dei condotti glian-
dolari. Pavia, 1864.
2 ) Grützner, Archiv für Physiologie, XII, 6, S. 285, 1876.
3 ) Grützner, Ebendas., XVI, 2 u. 3, S. 105, 1877.
4 ) Medic. Centralbl, XV, 30, S. 531, 1877.
3 ) I. Munk, Ueber ein peptonisirendes Ferment im Speichel. Beiblatt zum
Tageblatt der 49. naturh. Versammlung zu Hamburg, 1876; und Verhandlungen
der physiol. Gesellsch. zu Berlin, No. 10, 1876.
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294
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
2. war darzuthun, ob schon in der Maulhöhle eine chemische
Umwandlung der Stärke stattfindet;
3. welche Wirkung die einzelnen unvermischten Speichelarten
auf Stärke ausüben, ob sie ein zuckerbildendes Ferment be¬
sitzen ;
4. ob durch Vermischung zweier Speichelarten Ferment sich
bildet, die Wirkung gesteigert wird, resp. wenn sie vorher
fehlte, durch die Mischung eintritt;
5. ob auch andere Gewebe und Flüssigkeiten in gleicher Weise
das Vermögen der chemischen Spaltung der Stärke besitzen
wie der Speichel, oder ob ihm das diastatische Ferment allein
oder wenigstens in besonders hohem Masse zukommt;
6. ob die eventuelle Speichelwirkung durch Zusatz von Säure
oder Magensaft aufgehoben wird, resp. ob sie bei Neutrali¬
sation der Säure wieder zu Tage tritt;
7. ob der Speichel auf Rohrzucker ein wirkt;
8. ist festzustellen, ob der Speichel eine verdauende Einwirkung
auf Eiweissstoffe ausübt, ob er ein peptonisirendes Ferment
besitzt;
9. ob und wie er auf Fette und
10. auf Cellulose einwirkt.
Vorläufig konnten wir uns bei unseren Untersuchungen nicht auf
Detailfragen, die Gegenstand besonderer Arbeiten sein müssen, ein¬
lassen und haben deshalb dieser Punkte auch in der literarischen
Skizze keiner Erwähnung gethan. Unsere Aufgabe konnte zunächst
nur sein, die Eigenschaften des Pferdespeichels, die Verschieden¬
heiten desselben von dem anderer Thiere u. dgl. im Allgemeinen fest¬
zustellen, nicht aber etwa dessen Veränderungen bei Reizung der
Nerven zu studiren, oder die bei seiner Wirkung auftretenden Zwischen-
producte zu analysiren u. s. w. Wir liefern durch unsere Unter¬
suchungen erst die Basis für derartige Specialarbeiten über den Pferde¬
speichel und werden selbst später derartige Untersuchungen anstellen
und in besonderen Artikeln veröffentlichen.
Es sind nun zunächst die drei gewinnbaren Speichelarten, der
Parotiden-, Submaxillar- und gemischte Speichel, in Bezug auf die
aufgestellten Fragen zu besprechen. Frage 5 jedoch kann erst bei
Besprechung der Extracte derjenigen Drüsen erledigt werden, deren
Secret beim Pferde nicht durch Anlegung von Fisteln zu gewinnen
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
295
ist und bei denen wir deshalb aus ihren Extracten auf die Eigen¬
schaften des Secrcts schliessen müssen.
1. Wirkung des Speichels auf Stärke.
Bei den zur Feststellung dieser Function des Speichels nothwen-
digen Experimenten verfuhren wir derart, dass wir zu den quantita¬
tiven Bestimmungen der Speichelwirkung abgewogene Quantitäten
Stärke mit gemessenen Speichelmengen mischten und das Ganze in
einem verschlossenen Gefäss in einen Verdauungsofen (Brütofen) stell¬
ten, in dem eine constante Temperatur von 37—39° C. herrschte.
Der Brütofen ist verhältnissmässig gross und besteht aus 2 Fächern,
welche zusammengenomraen ca. 20 Gefasse (Kochfläschchen), von
denen jedes ca. 60—125 Grm. Flüssigkeit fasst, aufnehmen können.
Um Stärkekleister quantitativ benutzen zu können, brachte
man abgewogene Mengen roher, feingepulverter Kartoffelstärke (nur
diese ist bei sämmtlichen Versuchen benutzt) in das Digerirgefass,
welches bereits eine kleine Menge Wasser enthielt, schüttelte gut,
aber ohne Verluste herbeizuführen, um, setzte genügende Mengen
kochenden Wassers hinzu und kochte die Masse weiter, bis vollstän¬
dige Klcisterbildung eingetreten, liess erkalten und mischte den Kleister
mit gemessenen Mengen Speichels.
Durch zahlreiche Versuche hatten wir uns versichert, dass bei
der Umwandlung der rohen Kartoffelstärke in Kleister in der angege¬
benen Weise kein Zucker sich bildet.
Zur Bestimmung, wie viel Zucker der Speichel aus roher Stärke
überführe, wurde diese entweder direct mit dem Speichel gemischt,
oder vorher gründlich im Mörser mit Sand verrieben.
Nach der Digestion im Brütofen entleerte man den Inhalt der
Digerirgefässe in Masscylinder, spülte sorgfältigst mit Aq. destillata
und verdünnter Kalilauge aus und füllte bis zum bestimmten Mass im
Cylinder auf. Von dieser gemessenen Gesammtlösung wurden dann
wieder gemessene Mengen zur Bestimmung ihres Zuckergehalts mit
Fehling’scher Kupferlösung (10 Ccm. Kupferlösung — 0,050 Grm.
Traubenzucker) bis zur vollständigen Reduction des Kupferoxyds ver¬
kocht und aus den dazu verbrauchten Mengen der Zuckergehalt der
gesamraten Lösung berechnet.
Zur Beantwortung der Frage, wie schnell der Speichel Stärke
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296
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
resp. Kleister in Zucker umwandle, wurde häufig nur qualitativ gear¬
beitet, ohne Gewichtsbestimmung des Kleisters und des Speichels.
Die Prüfung der Digestionsflüssigkeit geschah ebenfalls mit Feh-
ling’scher Lösung, und zwar so, dass man zur letzteren kleine Mengen
der zu untersuchenden Flüssigkeit treten Hess und kochte. Um jeden
Irrthum auszuschliessen, wurde jedesmal vor Zusatz der zu prüfenden
Flüssigkeit die Fehling’sche Lösung aufgekocht; die Reinheit des
Reagens wie des Glases Hess sich in dieser Weise am sichersten con-
troliren. >
Die Prüfung auf die Zwischenproducte, welche nur in einigen
Fällen vorgenommen wurde, geschah mit einer sehr verdünnten, kaum
gelblich gefärbten Jodlösung. Ein Tropfen der zu untersuchenden
Flüssigkeit wurde in die im Reagensglas befindliche Lösung getröpfelt.
Die Gegenwart von Stärke äusserte sich sodann durch körnige
Blaufärbung, die von Amylogen durch gleichmässige Bläuung
und die von Erythrodextrin durch Röthung. War nur noch
Achroodextrin und Zucker vorhanden, dann trat keine Reaction
auf Jod ein.
Diese Andeutungen über das angewandte Untersuchungsverfahren
überheben uns, desselben bei Besprechung der einzelnen Experimente
noch weiter zu erwähnen.
A. Der gemischte Speichel.
I. Zur Feststellung der Stärke seiner chemischen Wirkung gelangten von
dem am 24. Februar 1880 gewonnenen Speichel, der jedoch mit dem vierfachen
Volumen Wasser verdünnt worden war, in den Brutofen:
a) 80 Grm. verdünnter Speichel mit 2 Grm. Stärkekleister
b) 40 - - - - 1 -
c) 40 - - - - 1 -
d) 40 - - - 1 Stärke
e) 20 - Speichel -f- 20 Grm. Wasser - 1 Stärkekleister.
Die Resultate waren folgende:
Im Gefäss a fanden wir nach 48 Stunden 0,450 Grm. Zucker
- b - - - 36 0.360 -
- c - - - 24 - 0,225 -
- d - - - 24 —
- e - - 20 0 205 -
II. Von dem am 12. Mai gewonnenen Speichel wandelten in 18 Stunden
20 Ccm. von 1 Grm. Stärkekleister 0,200 Grm. Stärke in Zucker um.
III. Die von dem am 11. Juni gewonnenen Speichel in Bezug auf die
Schnelligkeit des Eintritts der Verzuckerung angestellten Untersuchungen erga¬
ben. dass schon nach V 4 Minute Erythrodextrin vorhanden war; nach 1 Minute
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Verdamm gssäfte und Verdauung des Pferdes.
297
trat sehr deutliche Kupferreduction auf. Nach V 4 Stunde war die Jodreaction
verschwunden, also die gesammte Stärke in Achroodextrin und Zucker gespalten.
Diese Experimente wurden in der Art angestellt, dass der Speichel mit dem
Kleister in Reagenzgläser eingebracht wurde, die in Wasser von 37° standen.
Wir nahmen wenig Kleister zu diesen Proben. Auf rohe zerriebene Stärke wirkte
der Speichel viel langsamer, erst nach */ 4 Stunde konnte unzweifelhaft Zucker
constatirt werden. Bei den beiden besprochenen ersten Speichelarten (I und II)
prüften wir erst nach V 2 ständiger Einwirkung des Speichels auf Kleister und
fanden stets deutlichste Zuckerreaction.
Von dem Speichel III (vom 11. Juni) gelangten zu quantitativen Bestim¬
mungen in den Brütofen:
a) 40 Grm. Speichel mit 1 Grm. roher verriebener Stärke
b) 30 - - 1 Kleister
c) 50 - - - 1 -
Die nach 14ständiger Digestion vorgenommene Zuckerbestimmung ergab:
bei a 0,048 Grm. Zucker
- b 0,643 -
- c 0,750 -
Diese Experimente beantworten die Frage 1 . Sie beweisen, dass
der gemischte Speichel ein sehr kräftig wirkendes diastatisches Fer¬
ment enthält, das schon nach V 4 Stunde kleinere Stärkemengen total
in Achroodextrin und Zucker spaltet. Die Wirkung überhaupt tritt
eigentlich momentan ein; denn mischt man Speichel mit Kleister
und stellt sofort die Jodreaction an, so ist Amylogen vorhanden,
nach 15 Secunden schon Erythrodextrin. Bei roher, wenngleich zer¬
riebener Stärke trat aber erst nach x / x Stunde Zuckerreaction auf.
Demnach schien es, als ob die chemische Einwirkung des Speichels
auf die Stärke der Nahrungsmittel, die doch von den Pferden in der
Regel roh genossen wird, nicht in der Maulhöhle oder im Schlunde
einträte, dass vielmehr erst im Magen die betreffende Umwandlung
erfolgen könne.
Um uns jedoch hierüber vollste Gewissheit zu verschaffen, ex-
perimentirten wir wie folgt: Bei einem Pferde wurde der Schlund
in der Mitte des Halses aufgesucht, quer durchschnitten und das freie
Ende des oberen Theiles durch die Hautwunde nach aussen geführt
und locker an die Haut befestigt, so dass die Oeffnung nach aussen
sah, das genossene Futter und Getränk also nach aussen gelangen
musste. Das Pferd erhielt nun verschiedene stärkemehlhaltige Nah¬
rungsmittel in gewissen Zwischenräumen. Die aus dem Schlundende
austretenden Bissen wurden in bereit gehaltenen tarirten Gelassen aufge¬
fangen und ohne Zeitverlust auf Zucker untersucht. Nebenbei wurde auch
Archiv f. witMnseh. u. pimkt. Thierheilk. VIL 4 n. 5. 20
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298
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
das Gewicht der Gesammtheit der austretenden Bissen jedes verab¬
reichten Nahrungsmittels bestimmt und mit dem Gewicht der aufge¬
nommenen Nahrung verglichen und so die Menge des secernirten und
beigemischten Speichels bestimmt, wie dies schon Lassaigne, Ber-
nard u. A. gethan.
Zunächst erhielt das Pferd
Hafer und Häcksel. 500 Grm.
die aus demSchlund aufgefangenen Bissen wogen 1350 -
der Verlust an Futter (was in der Krippe zu¬
rückblieb etc.) betrug ca. 30
Demnach waren zu 470 Grm. Hafer und Häcksel ca. 900 Grm. Speichel bei dem
Kauen zugemischt worden, d. h. die doppelte Gewichtsmenge des auf¬
genommenen Futters.
Das Pferd bekam sodann
Heu. 500 Grm.
m der Verlust betrug ca. 50
die aus dem Schlund austretenden Bissen wogen 2500
Um 450 Grm. Heu schlingbar zu machen, sind demnach 2050 Grm. Speichel
secernirt und mit demselben gemischt worden, d. h. das Vierfache seines
eigenen Gewichtes.
Ferner bekam das Pferd noch
Gras. 500 Grm.
der Verlust betrug. 15 -
die Bissen wogen.820
Es sind also mit 485 Grm. Gras 335 Grm. Speichel gemischt worden, d. h.
50 Grm. mehr als die Hälfte seines Gewichtes.
Diese Ergebnisse stimmen mit den Untersuchungen anderer For¬
scher genau überein *).
Bei der unmittelbar nach ihrem Austritt aus der Schlundwunde
vorgenommenen chemischen Untersuchung der Bissen fanden wir in
allen, in denen von Hafer, Stroh, Heu und Gras, Zucker.
Da uns dies Resultat nicht wenig überraschte, zerkleinerten wir
Wiesenheu, Strohhäcksel, Gras und Hafer, mischten jedes für sich mit
Wasser und Hessen es (im Sommer) eine Zeit lang stehen. Zu An¬
fang nicht, aber nach ca. 3 Stunden reducirten alle vier Extracte das
Kupfer, woraus wir schliessen mussten, dass die gedachten Nahrungs¬
mittel sämmtlich Zucker enthalten, der beim Kauen, wodurch eine
gründliche Zerkleinerung und Vermischung mit Flüssigkeit zu Stande
! ) CI. Bernard, Memoire sur le röle de la salive. Arch. gen. de medäc.,
1847. — Lassaigne, Recherches sur les quantites des fluides salivaires et
muqueuses que les diverses aliments absorbent pendant la mastication et l’insali-
vation etc. Journal de chirnie medicale, 1845.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
299
kommt, natürlich rascher aufgeschlossen und gelöst wird, als bei un¬
seren Experimenten. '
Dass hierbei nicht etwa durch das Wasser die in den Nahrungs¬
mitteln enthaltene Stärke in Zucker umgewandelt worden ist, be¬
weisen folgende Versuche: Wir brachten Kleister mit demselben Wasser,
das zu vorstehenden Versuchen benutzt worden war, in den .Brütofen.
Nach 4 Tagen erst wurde schwache Reaction von Erythrodextrin
nachweisbar, und nach 7 Tagen erst trat auch Zuckerbildung ein.
In gleicher Weise behandelte rohe Stärke zeigte noch nach 7 Tagen
keine Zuckerreaction.
Auch in den in dem Artikel über den Psalter 1 ) mitgetheilten
Versuchen zeigte Stärke mit Wasser nach 36 Stunden noch keine
Zuckerbildung.
Wir mussten also annehraen, dass in den verfutterten Nahrungs¬
mitteln bereits Zucker enthalten war.
Die Untersuchung vorjähriger Kartoffeln ergab, dass auch sie
Zucker enthalten, also zum Versuch nicht geeignet sind.
Dagegen fanden wir in diesjährigen, „neuen“ Kartoffeln keine
Spur Zucker, trotzdem wir 24 Stunden mit Wasser extrahirten. Wir
fütterten nunmehr das Pferd mit solchen zuckerfreien Kartoffeln. Die
aus dem Schlund aufgefangenen Bissen waren ebenfalls frei von Zucker.
Beim Stehenlassen derselben bei gewöhnlicher Temperatur trat aber
schon nach 1 x / % Minuten Zuckerreaction auf.
In der vom Pferde selbst zerkauten und eingespeichelten Kar¬
toffelstärke wirkt also der Speichel schon nach 1V 2 —2 Minuten
zuckerbildend, während, wie wir oben gesehen haben, in der von uns
ira Mörser fein verriebenen Stärke erst nach 15 Minuten Zucker
auftrat.
Die Kartoffelstärke wird also während des Kauens nicht ver¬
zuckert; sie ist aber auch die widerstandsfähigste (Hammarsten).
Also ist es nicht unmöglich, dass schon im Munde beim Kauen Hafer-
und Gerstenstärke verzuckert und gelöst wird; immerhin können das
aber nur minimale Mengen sein. Wenn die chemische Wirkung
des Speichels überhaupt von Belang sein soll, muss sie im Magen
erfolgen. Ob dies möglich ist, werden wir bei Besprechung von
Frage 6 sehen.
*) Ellenberger, Zur Anatomie und Physiologie des dritten Magens der
Wiederkäuer. Dieses Archiv, 1881, I.
20 *
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300
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Wir wenden uns jetzt zur Lösung der 3. Frage, zur Besprechung
der Wirkung der einzelnen uuverraischten Speichelarten.
B. Der Parotidenspeichel.
I. In den Verdauungsofen gelangten zur quantitativen Bestimmung der
Wirkung <}es am 15. Jannar 1880 gewonnenen Speichels:
a) 100 Grm. Speichel mit 2 Grm. roher Kartoffelstärke
b) 100 - - - 2 - Stärkekleister
c) 100 -• - - 2 gequetschten Hafer
d) 100 - Wasser - 2 - Kleister.
Erst nach ca. 30 Stunden trat in den Ge fassen b und c Zucker auf. Nach
72 Stunden war in der Flüssigkeit im Gefäss c Fäulniss eingetreten. Im Gefäss a
fanden wir keinen, im Gefäss b 0.280 Grm. Zucker; im Gefäss d war keine Spur
Zucker zu finden.
II. Der am 10. Februar gewonnene Parotidenspeichel zeigte sich bedeu¬
tend wirksamer, indem er schon in 12 Stunden einen Theil des Kleisters in
Zucker übergeführt hatte.
Zur quantitativen Bestimmung gelangten 100 Grm. Speichel mit 1 Grm.
Stärkekleister in den Brütofen und fanden wir, dass er 0,338 Grm. Kleister
nach 72 Stunden in Zucker übergeführt hatte.
III. Als wir am 30. April zum dritten Male den Stenson’schen Gang öffne¬
ten, sammelten wir die zuerst secernirte Speichelmenge von ca. 300 Grm. in
ein besonderes Gefäss und trennten sie so von den später secernirten bedeuten¬
deren Speichelmengen. Der erstere hatte ein trübes, opalisirendes Aussehen,
während der andere hell und klar war.
Der mit dem trüben Parotidenspeichel in den Verdauungsofen eingestellte
Kleister zeigte schon nach ein er Stunde sehr deutliche Zucke rreaction.
Nach 18 Stunden hatten 20 Grm. dieses Speichels von 1 Grm. Kleister 0,124
Grm. in Zucker übergeführt. Der helle Parotidenspeichel begann erst nach 48
Stunden die gedachte Umwandlung des Kleisters. Wir brachten nunmehr auch
noch Parotidenspeichel, der an der Luft gestanden und sich getrübt hatte, mit
Kleister in den Brutofen, aber erst nach 15 Stunden trat Zuckerreaction auf.
Diese Experimente zeigten uns also, dass die zuerst, nach der
Ruhe, bei Beginn des Fressens secernirten Speichelmengen
reich an Ferment sind, während der Ferraentgehalt in dem spät
secernirten Speichel so bedeutend abnirarat, dass die Forscher, welche
mit diesem Speichel experimentirten, wohl die Behauptung aussprechen
konnten, die Parotis des Pferdes bilde kein Ferment. Diese For¬
scher haben übersehen, dass sie den Speichel einer ermüdeten Drüse
prüften, welche fast ihr gesummtes Ferment, das sie während der
Ruhe bildete, während der ersten Zeit der Secretion dem Secret bei¬
gemischt hatte.
Damit uns nicht der Vorwurf gemacht werden könnte, den Aus-
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Verdauungssä fl e und Verdauung des Pferdes.
301
spruch, der sich aus den vorstehenden Versuchsergebnissen ergiebt,
nämlich dass die Parotis des Pferdes ebensowohl Ferment bildet wie
die Speicheldrüsen anderer Thiere, und dass schon das Parotidensecret
allein, ohne Vermischung mit einer anderen Speichelart, das Vermögen
der mehrerwähnten Umwandlung der Stärke besitze, auf ein einziges
Experiment gestützt zu haben, da ja die Experimente mit dem Speichel
vom 15. Januar und 10. Februar nur wenig beweisen können, so
legten wir zum vierten Male eine Fistel am Stenson’schen Gange an.
Es wurden die ersten 100 Grm. (No. I), dann die nächsten 300 Grm.
(No. II) und die darauf secernirten 300 Grm. (No. III) gesondert auf¬
gefangen. Der Rest von ca. 2000 Grm. (No. IV.) gelangte dann in
ein viertes Gefäss.
Diese verschiedenen Speichelsorten prüften wir nunmehr auf die
Schnelligkeit der Umwandlung von Kleister, indem wir kleine
Mengen desselben mit kleinen Speichelmengen in den Brütofen ein¬
setzten. .
Bei Speichel I war nach einigen Minuten die Amylogenreaction zu consta-
tiren. Nach 3 Stunden war deutliche Zuckerreaction wahrnehmbar. Die Spei¬
cheiwirkung war aber noch nicht beendet, wir constatirten noch das Vorhanden¬
sein von Erythrodextrin.
Bei Speichel II, III und IV trat nach 50, 24 und 30 Minuten die Amylo-
gen-, nach 21, 28 und 15 Stunden die Zuckerreaction auf.
Zur quantitativen Bestimmung brachten wir in den Brütofen:
a) 40 Grm. von Speichel II mit 1 Grm. Stärkekleister
b) 40 - - - III - 1 -
c) 40 - - - IV - 1 -
Nach 40 Stunden waren vorhanden
in Gefäss a) 0,214 Grm. Zucker
- - b) 0,183 -
- - c) 0,128 -
Diese Resultate beweisen unzweifelhaft das Vorhandensein
eines zuckerbildenden Ferments im Parotidenspeichel des
Pferdes.
Wenn durch den Speichel schon nach 1—3 Stunden Kleister in
Zucker übergeht, während dies durch Wasser nach 72 Stunden noch
nicht geschehen ist, so beweist dies zur Genüge, dass der Speichel
das betreffende Ferment enthält.
Das Ferment hat sich nicht, wie einige Forscher meinen, erst
während des Stehens gebildet. Der Speichel wurde im Gegentheil
ganz frisch angewandt. Der gestandene und trüb gewordene Speichel
führte erst nach 15 Stunden Kleister in Zucker über, während dies
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302
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
der frische, in der ersten Zeit der Absonderung secernirte Speichel
schon nach 1—3 Stunden thut. Den Versuch mit gestandenem Spei¬
chel haben wir mehrfach wiederholt.
C. Der Submaxillarspeichel.
In Bezug auf die Schnelligkeit der fermentativen Wirkung
dieses Speichels constatirten wir Folgendes: ln dem mit Speichel in
den Ofen eingesetzten Kleister trat beim Speichel vom 24. Januar
erst nach Stunden, bei dem vom 2. März nach 1 Stunde, bei dem
vom 30. April sogar schon nach V 2 Stunde der Einwirkung Zucker-
reaction auf. Gequetschter Hafer zeigte erst nach 48 Stunden Zucker
an, und nicht zerriebene, rohe Kartoffelstärke erst nach ca. 72 Stunden.
Ueber die Grösse der Wirkung erzielten wir bei den angestell-
ten Experimenten folgende Resultate:
I. Der Speichel vom 24. Januar hatte nach 72 Stunden noch nicht 5 pCt.
des Kleisters in Zucker übergeführt. #
II. Von dem durch die Operation am 2. März gewonnenen Speichel wan¬
delten 40 Grm. von 1 Grm. Stärkekleister in 24 Stunden 0,105 Grm. in
Zucker um.
III. 40 Grm. des Speichels vom 30. April wandelten in 18 Stunden
0,101 Grm. Kleister in Zucker um.
Das Vorhandensein eines besonderen, die Stärke spal¬
tenden, zuckerbildenden Ferments im Submaxillarspeichel
des Pferdes ist durch das Vorstehende bewiesen. Unsere
Experimente mahnen aber auch wieder zur höchsten Vorsicht beim
Abgeben eines Urtheils; sie weisen namentlich wieder darauf hin,
niemals aus einem einzigen Versuch Schlüsse zu ziehen.
Aus dem 1. Versuch konnte leicht geschlossen werden, dass die
Submaxillardrüse kein oder nur wenig Ferment producire. Jedenfalls
hatten wir es hier mit einer ermüdeten oder kranken Drüse zu thun.
Sie lieferte auch nur sehr kleine Quantitäten Speichel (cf. S. 271).
Die Frage 3 kann also unbedenklich dahin beantwortet werden,
dass sowohl der Parotiden- als der Submaxillarspeichel des Pferdes
unvermischt und im frischen Zustande ein zuckerbildendes Ferment,
allerdings im geringeren Masse als der gemischte Speichel, besitzt.
Das Vorhandensein dieses Ferments versuchten wir auch noch
durch Darstellung desselben, wenn auch ira unreinen Zustande, zu be¬
weisen. Wir verfuhren dabei in der bekannten Art und Weise, dass
wir dem Speichel Alkohol zusetzten. Dadurch entstand im gemischten
und im Submaxillarspeichel ein zäher, glasiger, und im Parotiden-
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
303
Speichel ein flockiger Niederschlag. Dieser wurde auf dem Filler ge¬
sammelt und getrocknet. Ein Theil desselben gelangte sodann mit
Wasser in den Brütofen. Der entstehenden trüben Flüssigkeit wurde
Kleister zugesetzt. Zuekerreaction trat bei allen drei Speichelarten
auf, beim gemischten Speichel sehr rasch, bei den beiden anderen
Niederschlägen erst nach Stunden. Mit roher verriebener Stärke
gab der Wasserauszug des Niederschlags des gemischten Speichels
schon nach 10 Minuten Zucker.
Alles dies beweist, dass in dem Niederschlag das Ptyalin, das
Ferment, enthalten war. Der Versuch, dieses aus dem Niederschlag
durch Eindampfen der Wasserlösung desselben reiner zu gewinnen,
misslang. Der trockene Rückstand zeigte, mit Kleister und Wasser
in den Brütofen gebracht, kein Saccharificationsvermögen. Wodurch
das Ptyalin hierbei zerstört wurde, ist nicht aufgeklärt worden. —
Wir wenden uns nunmehr zur Lösung der Frage 4. Ein Theil
der Frage ist durch das Vorstehende schon erledigt. Es ist bewiesen,
dass das Ferment, wie es Jacubowitsch u. A. meinten, nicht erst
durch Vermischung zweier beliebiger oder bestimmter Speichelarten
entsteht, sondern dass es schon in den unvermischten Secreten der
einzelnen Drüsen enthalten ist. Wir haben also nur noch zu prüfen,
in wie weit durch die Vermischung des Parotiden- mit dem Sub-
maxillarsecret die Fermentwirkung gesteigert wird.
D. Wirkung der Mischung des Submaxillar- und Parotidensecrets.
In den Brütofen gelangten:
20 Ccm. des zu Beginn der Absonderung secernirten (trüben) Paroti-
denspeicbels mit 20 Ccm. Submaxillarspeicbel und 1 Grm. Kleister.
Nach 18 Stunden waren 0,225 Grm. und nach 36 Stunden 0,450 Grm.
Zucker vorhanden.
20 Grm. Parotidenspeichel allein hatten 0,124 Grm., und 20 Grm. Sub-
maxillarspeichel 0,101 Grm. Kleister in Zucker umgewandelt. Die Gesammt-
wirkung der Mischung stellt also nur das Product der Wirkung der einzelnen
Speichelarten dar.
Zum weiteren Beweise dieses Satzes brachten wir in den Brütofen:
20 Grm. zu einer späteren Zeit der Absonderung secernirten (hellen)
Parotidenspeichels mit 20 Grm. des obigen Submaxillarspeichels und
1 Grm. Kleister.
Nach 18 Stunden fanden wir in dem Gemisch gegen die 0,225 Grm. des
ersten Versuchs nur 0,138 Grm. Zucker, also nicht viel mehr als der Submaxillar-
speichel allein in der betreffenden Zeit übergeführt hatte. Der helle Parotiden-
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304
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
speiche! allein hatte in der genannten Zeit so wenig Zucker aus dem Kleister
gebildet, dass die quantitative Bestimmung unmöglich war.
Der zweite Versuch bestätigt also das Resultat des ersten.
Wir schreiten nun zur Beantwortung der Frage 6, da wir, wie
Eingangs erwähnt, die Frage 5 erst bei Besprechung der Extracte
erledigen werden.
E. Wirkung des Speichels bei Vermischung mit Säure und Magensaft.
Zu einem Vorversuch brachten wir in den Brutofen:
a) 40 Ccm. Parotidenspeichel mit 1 Grm. Kleister;
b) 40 - - - 1 - und 40 Ccm. einer
0,2procentigen Salzsäure.
Nach 40 Stunden fanden wir in der Mischung a 0,123 Grm. Zucker, in
der Mischung b dagegen keine Spur davon. Nach diesem Versuch hätte man
scbliessen können, dass durch Säurezusatz die Speichelwirkung aufgehoben
würde. Um jedoch festzustellen, ob dieser Schluss gerechtfertigt, oder ob nur die
hier angewandte grosso Menge der verdünnten Säure die hemmende Wirkung
habe und ob nicht vielleicht kleinere Mengen ohne Einfluss sind, mussten wir
weiter experimentiren und verschiedene Säuremengen zusetzen. In derselben
Weise war mit dem Zusetzen des Magensaftes zu verfahren, um dessen Einfluss
kennen zu lernen.
Die Versuche wurden in der Weise ausgeführt, dass wir 8 numerirte, gleich¬
grosse Gefässe neben einander aufstellten und in jedem 1 Grm. Kleister bereite¬
ten, der auf Freiheit von Zucker geprüft war. Dann füllten wir in jedes Gefäss
von 1—8 je 20 Grm. des gemischten Pferdespeicbels unter Umschütteln. Darauf
brachten wir zu diesen Mischungen in jedes Gefäss der Reihe nach ansteigende
Quantitäten der 0.2procentigen Salzsäure und des künstlichen, aus der Schleim¬
haut des Pferdemagens gewonnenen Magensaftes 1 ), und zwar:
in Gefäss 1 5 Grm. 0,2prc. Salzsäure in Gefäss 5 5 Grm. Magensaft
- - 2 10 - - - - - 6 10 -
- 3 15 . 7 20 -
- - 4 20 . 8 40 -
Von der Mischung des Speichels mit der Stärke ab bis zum Zusetzen der
Säure resp. des Magensaftes war natürlich eine gewisse Zeit verstrichen (10—15
Minuten).
Nach Vollendung der Mischung war in allen Gefdssen, wie zu erwarten,
Zucker nachweisbar, da der Speichel noch vor Zusatz der Säure und des Magen¬
saftes saccharificirend gewirkt hatte. Ein neuer Beweis dafür, dass gemischter
*) Der Magensaft wurde in der Weise bereitet, dass wir die Schleimhaut
der grossen Curvatur der rechten Magenhälfte des Pferdes von der Muscularis
ablösten, sie dann gut zerkleinerten und mit Glycerin übergossen und gründ¬
lich mischten. Nach ca. 48 Stunden oder noch später wurde der entstandene
Brei durch Seihtücher ausgepresst und filtrirt. Zu je 2 Grm. des Filtrats wurden
20 Grm. einer 0.2procentigen Salzsäure zugesetzt.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
305
Pferdespeiebel sehr rasch zuckerbildend auf die Stärke ein wirkt. Unsere obigen
Versuche ergaben ja, dass die Umwandlung schon in V 2 Minute erfolgt.
Die Gefasse kamen nunmehr verschlossen in den Brutofen. Nach 12 Stun¬
den fanden wir:
in Gefäss 1 keine Jodreaction und 0,500 Grm. Zucker
2 Amylogenreaction - 0,194 -
- - 3 - - 0,075 -
- - 4 - - 0,090 -
Danach muss angenommen werden, dass 0,5 Grm. Säurezusatz die Speichel¬
wirkung nicht stören, während sie durch grössere Säuremengen gemindert und
aufgehoben wird. Die in den anderen Mischungen gefundenen Zuckermengen kön¬
nen vor dem Säurezusatz gebildet worden sein.
In Gefäss 5 keine Jodreaction und 0,425 Grm. Zucker
6 Erythrodextrin und Amylogen - 0,193 -
- - 7 ... 0,150 -
- - 8 ... 0,128 -
Hieraus müssen wir schliessen, dass auch 5 Grm. Magensaft die Speichel¬
wirkung nicht behindern. Grössere Mengen scheinen aber diese Wirkung zu
beeinträchtigen, oder, was wahrscheinlicher, ganz aufzuheben. Es scheint aber,
dass diese Einwirkung bei dem stark schleimigen, zähen Magenspeichel später
erfolgt als bei der Säure, sodass, ehe die Wirkung sistirt wurde, eine gewisse
Zeit verstreicht. Je grösser die zugesetzte Menge des Magensaftes, desto schneller
erlischt die Speichelwirkung, desto weniger Zucker war gebildet worden.
Um nun zu prüfen, ob diese Schlussfolgerungen richtig sind,
dass die gedachten Säure- und Magensaftmjmgen die Fermentwirkung
des Speichels aufheben, und dass die bei Zusatz von mehr als 5 Grm.
Magensaft und Säure gebildeten Zuckermengen vor der Bewirkung des
Ferments durch die Säure, die beim Magensaft langsamer erfolgt,
gebildet worden sind, stellten wir folgendes Experiment an:
Wir bereiteten wieder in 8 Gefässen in jedem aus 1 Grm. Stärke zucker¬
freien Kleister.
Nun mischten wir je 20 Grm. desselben gemischten Speichels, der zu obi¬
gen Versuchen diente, mit je 5, 10, 15, 20 Grm. der 0,2procentigen Salzsäure
und je 5, 10, 20, 40 Grm. Magensaft. Die Gemische wurden umgeschüttelt
und nun erst mit dem Stärkekleister gemischt.
Die Gefasse kamen in den Verdauungsofen. Nach 12 Stunden fanden wir
Folgendes:
In Gefäss 1 (bei Zusatz von 5 Grm. Säure)
0,228 Grm. Zucker
. . 2 -
- - 10 -
0
- - 3 -
- - 15 -
0
- - 4 -
- 20 -
0
- - 5 -
5 - Magensaft)
0,260 -
- - 6 -
- 10 -
0
- - 7 -
- - 20
0
- - 8 -
- - 40 -
0
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306
ELLENBERGER u. HOFMEISTER.
Dieses Resultat beweist uns die Richtigkeit der obigen Schluss¬
folgerung, und dass bei Zusatz von nur 5 Grro. Säure und Magensaft
das Speichelferraent wirksam bleibt; die Säuremenge darf also den
Procentsatz von 0,02 nicht viel übersteigen. Wo dies geschieht,
hört die Ferment Wirkung sofort auf. Selbst bei Zusatz von nur 5 Grra.
scheint die gedachte Wirkung beeinträchtigt zu werden, wenn der
Speichel erst mit der Säure gemischt wird, ehe er zur Stärke gelangt.
Wenn dies nicht der Fall ist, findet die Wirkung in gleicher Kraft
statt, wie wenn gar keine Säure vorhanden wäre. So ist es ja im
thierischen Organismus: erst kommt der Speichel zur Stärke, dann
kommt erst allmählich der zähe Magensaft hinzu, wie er secernirt
wird. Erst allmählich hebt er die Ptyalinwirkung auf, wie unsere
Versuche sehr schön lehren.
Dieselbe Säureconcentration in einfachem Wasser hebt die Wir¬
kung viel schneller auf als im schleimigen, pepsinhaltigen Magensaft.
Es muss also die Säure im Mageninhalt stets in einer gewissen Con-
centration (von mindestens 0,03—0,04 pCt.) enthalten sein, ehe sic
die Ptyalinwirkung aufheben kann. Bevor die Säureconcentration im
Magen erreicht wird, kann schon eine bedeutende Stärkemengc ge¬
löst sein.
Die Angaben R. van der Velden’s'), nach denen das diasta-
tische Ferment des Speichels in Gegenwart freier Salzsäure unwirk¬
sam wird, und der darauf eine besondere Theorie der Magenverdauung
gründet, die für uns an dieser Stelle ohne Bedeutung ist, werden
durch unsere Experimente demnach nicht bestätigt.
Wir haben nun noch den zweiten Theil der Frage 6 zu beant¬
worten: ob die durch Säurezusatz beeinträchtigte oder aufgehobene
Ptyalinwirkung nach Neutralisation wieder zum Vorschein kommt,
oder ob dies nicht der Fall, ob vielmehr das Ptyalin durch die Säure
zerstört wird.
Wir brachten zur Lösung dieser Frage in den Brutofen:
a) 20 Grm. Magensaft -f- 20 Grra. gemischt. Speichel -f- 1 Grm. Kleister;
b) 20 Grm. 0.2procentiger Salzsäure -f- 20 Grm. gemischten Speichel -f-
1 Grm. Kleister.
Nach 24 Stunden war noch keine Spur Zucker aufgetreten.
Nunmehr neutralisirten wir die Mischungen mit Natriumcarbonat und brach¬
ten sie wieder in den Brütofen. Wir fanden im Gemisch a nach 12 Stunden
*) R. van der Velden, Ueber die Wirksamkeit des Mundspeichels. Deut¬
sches Archiv f. klin. Medicin, XXV, S. 105.
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Verdammgssafte und Verdauung des Pferdes.
307
Amylogen, nach 24 Stunden Erythrodextrin -j- Zucker; nach 36 Stunden war
ersteres verschwunden, also nur noch Achroodextrin -f- Zucker vorhanden.
In der Mischung b trat bald Amylogen auf, aber trotz tagelangem Dige-
riren kein Zucker.
Nun stellten wir noch einen zweiten Versuch an. Wir digerirten:
a) 40 Ccm. wirksamen Paroti den speie hei (ca. in der 10. —15. Minute
nach Beginn der Secretion gewonnen) mit 1 Grm. Kleister;
b) 40 Ccm. desselben Speichels -f- 40 Ccm. 0,2procentiger Salzsäure -f-
1 Grm. Kleister.
Nach 40 Stunden fanden wir im Gemisch a 0,133 Grm. Zucker, im Ge¬
misch b keine Spur davon.
Nunmehr wurde letztere Mischung neutralisirt und die Digestion fortgesetzt.
Nach 40 Stunden fanden wir 0,07 Grm. Zucker vor.
Es wird demnach durch die Säure und durch den Magensaft das
Ptyalin nicht absolut zerstört, immerhin bleibt seine Wirkung auch
nach der Neutralisation schwächer als ohne Säurezusatz.
2. Wirkung des Speichels auf Rohrzucker.
Da der Rohrzucker beim Kochen die Fehling’sche Lösung so gut
wie Maltose und Traubenzucker reducirt, stellten wir zunächst folgen¬
den Versuch an:
In das eine von drei Reagensgläsern, welche kalte Fehling’sche
Lösung enthielten, brachten wir etwas braunen Candiszucker, in das
zweite Honig, in das dritte Rohrzucker, und Hessen dieselben bei ge¬
wöhnlicher Zimmertemperatur stehen. Der Honig reducirte das Kupfer
sofort, der Candiszucker nach 24 Stunden, der Rohrzucker noch nach
3 Tagen keine Spur.
Damit hatten wir dargethan, dass Rohrzucker selbst im Sommer
die Fehling’sche Lösung nicht reducirt.
Nun brachten wir solchen mit Speichel in den Brutofen und
setzten von dieser Mischung von Stunde zu Stunde kleine Quantitäten
kalter Fehling’schcr Lösung zu, die in einer Reihe von Reagensgläsern
aufgestellt war. Erst bei der in der 16. Stunde der Digestion ent¬
nommenen Probe trat die Reduction der Lösung in der Kälte ein.
Die Umwandlung des Rohrzuckers wird also durch den Speichel
bewirkt, aber langsam.
3. Wirkung des Speichels auf Eiweissstoffe.
Die Untersuchungen wurden in der Weise angestellt, dass sowohl
Fibrinflocken als auch Würfel geronnenon Hühnereiweisses mit Speichel
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308
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
und Ojlprocentiger Salzsäure in den Brütofen eingestellt wurden.
Nach Verlauf von 12—15 Stunden wurden die dem Brütofen wieder
entnommenen Flüssigkeiten auf das Vorhandensein von Pepton geprüft.
Zur Controle wurde natürlich der Speichel für sich einer gleichen
Prüfung unterzogen. Ebenso wurden Fibrinflocken resp. Eiweiss mit
Säure allein durch gleiche Zeiträume digerirt und auch diese Flüssig¬
keit auf Pepton untersucht.
Es gelangten zuerst in den Brütofen:
1 . 20Grm.Parotidenspeichel -J-20Grm. 0,lproc. HCl. -f- Fibrinflocken.
2 . 20 -
Submaxillarspeichel —|— 20
• +
3. 20 -
- -j— 20
- -|- Eiweisswürfel.
4. 20 -
Parotidenspeichel —j— 20
- +
5. 20 -
0,lproc. HCl. -f- Eiweisswürfel.
6 . 20 -
- -f Fibrinflocken.
7. 10 -
Parotidenspeichel, 10 Grm. Submaxi 1 larspeichel, 20 Grro.
0,lproc. HCl -f- Fibrinflocken.
8 . Dieselbe Mischung -f- Eiweisswürfel.
9. - - von gekochtem Speichel -f- Fibrin -f- HCl.
Nach 15 Stunden wurde die Digestion unterbrochen und Proben
aus jeder Mischung zuerst Kalilauge, bis sie alkalisch waren, und
dann 1 Tropfen einer Kupfervitriollösung zugesetzt.
Die Mischung 5 zeigte gar keine Reaction, 2, 3, 4, 9 dagegen
schwache violettrothe Färbung; 1, 6, 7, 8 dasselbe, aber mit stärker
rother Nuancirung.
Da nun aber der Speichel allein, ohne Digestion mit Fibrin¬
flocken etc., auch bei Anwendung der Reagentien violettrothe Färbung
zeigt, so konnte aus den vorstehenden Untersuchungen ein sicherer
Schluss auf die Wirkung des Speichels auf Eiweissstoffe nicht gezogen
werden. Aus der Thatsache, dass die Mischungen 1, 6, 7, 8 eine
stärkere Rothfärbung gaben als die anderen, eine bestimmte Schluss¬
folgerung zu ziehen, erschien uns zu gewagt.
Wir mussten demnach ein anderes Verfahren einschlagen, um
das eventuelle Vorhandensein von Pepton constatiren zu können.
Die von den Mischungen entnommenen Proben wurden zunächst
soweit von Eiweiss befreit, dass durch Zusatz von Ferrocyankalium
und Essigsäure keine Trübung oder Fällung in der Flüssigkeit ent¬
stand. Zu dieser relativ eiweissfreien Flüssigkeit wurde Kalilauge
bis zur Alkalescenz und dann 1 Tropfen Kupfervifriollösung zugesetzt.
In gleicherweise wurde der nicht digerirte Speichel behandelt; das Re¬
sultat war folgendes: Nur die Mischungen 1 und 7, bei denen also Paro-
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Verdauungssäfte and Verdauung des Pferdes. 309
tidenspeichel mit Säure allein oder -f- Submaxillarspeichel'auf Fibrin¬
flocken einwirkte, zeigten schwache Röthungen; der nicht digerirte
Speichel und alle anderen Digestionsfiiissigkeiten gaben keine Reaction.
Behandelten wir die eiweissfrei gemachten Proben mit Phosphor¬
wolframsaure + Salzsäure, so gaben 1 und 7 starke Fällung, der
nicht digerirte Speichel und 2, 3, 4, 8, 9 nur schwache Trübung.
Demnach enthielten nur die Mischungen 1 und 7 Pepton, d. h.
der Parotidenspeichel des Pferdes besitzt ein peptonisirendes Fer¬
ment, welches aber nur in so geringer Menge vorhanden ist, dass es
wohl auf das leicht verdauliche Fibrin, nicht aber auf Eiweisswürfel
einzuwirken vermag. Durch die Kochhitze wird das Ferment zerstört,
wie der unter No. 9 notirte Versuch lehrt. Die 0,1 procentige Salz¬
säure allein vermag in 15 Stunden keine peptonisirende Wirkung auf
Fibrin auszuüben (cf. No. 6 der Versuche).
Zur Prüfung der Wirkung des gemischten Speichels gelangen in den
Brütofen:
a) 20Grm. desselben mit 20Grm. 0,lproc. Salzsäure und 1 Grm. Eiweisswürfel.
b) 20 - - - 20 - - - Fibrinflocken.
c) 20 - - - 20 -
Nach 24 Stunden waren in b Spuren Pepton nachweisbar.
Nach 40 Stunden war dies deutlicher. Die anderen Mischungen gaben,
nachdem sie von Eiweiss befreit waren, mit Kupfer und Kali keine Röthung, wie
diese bei b hervortrat. Mit Phosphorwolframsäure gab die eiweissfrei gemachte
Mischung b starke, a und c sehr schwache Fällung; mit kalter Salpetersäure gab
erstere einen beim Kochen sich lösenden Niederschlag.
Die peptonisirende Wirkung des gemischten Speichels ist
demnach eine sehr schwache; immerhin enthält er Spuren eines pepto-
nisirenden Ferments.
4. Wirkung des Speichels auf Fette resp. Oele.
Zur Beantwortung der Frage: ob der Speichel spaltend auf Fette
einzuwirken vermag, brachten wir je 50 Grm. einer Speichelart (Paro-
tiden-, Submaxillar- und gemischten Speichel) mit 20 Tropfen Oel
in den Brütofen. Nach 5 Tagen waren die Mischungen noch alka¬
lisch; die Alkoholextracte Hessen keine Verseifung erkennen 1 ), d. h.
*) Die Mischungen auf Wasserbad eingedampft, Rückstand mit Alkohol ex-
trahirt; ein Theil des Alkoholextracts eingeengt, zeigte unveränderte Fetttropfen
unter dem Mikroskop; der andere Theil schäumte nicht beim Schütteln, und mit
alkoholischer Rosolsäurelösung versetzt, trat keine Farbenveriinderung ein.
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310
ELLENBERGER o. HOFMEISTER,
der Speichel übt keine spaltende Wirkung auf die Fette aus. — Um
den Speichel auf sein Vermögen, die Fette zu emuigiren, zu prüfen,
schüttelten wir zunächst Parotidenspeichel mit alkalischem Olivenöl;
es entstand eine milchige Flüssigkeit. Noch nach 24 Stunden war
die milchige Trübung erhalten, indem sich allmählich eine Rahm¬
schicht abgeschieden hatte, die auf der milchigen Flüssigkeit schwamm.
Ganz ebenso verhielt sich der gemischte Speichel.
Auch der Subraaxillarspeichel bildete, mit Oel geschüttelt, zu¬
nächst eine milchige Flüssigkeit, die sich aber nach 12 Stunden wie¬
der geklärt hatte, indem das Fett zu einer Rahmschicht nach oben
gestiegen war.
Mit ranzigen Fetten bildete der gemischte Speichel bei der ge¬
ringsten Erschütterung sehr schöne Emulsionen.
Brachte man einen Tropfen ranzigen Fettes auf eine Glasplatte
und setzte dazu einen Tropfen Speichel, so trat allmählich etwas
Emulgirung ein, die aber erst bei der Erschütterung vollkommen
wurde. Jedenfalls erfolgte dieselbe mit Speichel besser als mit Schaf-
und Schweinegalle, mit welchen beiden Secreten wir ebenfalls experi-
mentirten.
5. Wirkung des Speichels auf Cellulose.
Ausführliches hierüber ist in dem Specialartikel »Ueber Cellu¬
loseverdauung“ l ) berichtet. Hier bleibt nur in der Kürze zu erwäh¬
nen, dass zweimal Untersuchungen daraufhin vorgenommen wurden,
einmal mit gemischtem Speichel im Februar, das andere Mal mit
gemischtem Speichel im Mai. Im Februar wurde ca. 1 Grra. aus Heu
eigens dazu dargestellte Cellulose mit 40 Ccm. Speichel einer 5 tägi¬
gen Digestion im Brütofen ausgesetzt, im Mai nahezu gleiche Mengen
derselben Cellulose in mehreren Portionen mit jedesmal 100 Ccm.
Speichel. In beiden Fällen hatte sich die Cellulose intact gezeigt,
genau wie bei Behandlung mit Wasser.
Der gemischte Speichel des Pferdes löst demnach Cellulose nicht.
*) Hofmeister, Ueber Cellulose Verdauung. Dieses Archiv, VII, 1881.
(Fortsetzung folgt.)
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Folgen der beiderseitigen Faoialisdurobsobneidung beim
Pferde.
Von
Elleaberger.
Claude Bernard äussert sich in seinen „Legons sur la Phy¬
siologie et la Pathologie du Systeme nerveux (T. II, L. III)“ bei Be¬
sprechung des Nervus facialis und der Folgen seiner beiderseitigen
Durchschneidung beim Pferde wie folgt:
„Sur un cheval morveux, maintenu couchö ä terre, on döcouvrit le facial et
on dissöqua ses branches. En les pingant on les trouva toutes sensibles, mais
assez faiblement. On coupa les trois branches du nert et les bouts centraux re-
sterent sensibles, tandisque les bouts pöriphöriques se montrörent alors insen¬
sibles. On remarqua qu’aussitöt apres la section du nerf facial sur la joue la
lövre correspondante införieure devint pendante, le naseau du meine cöte etait
paralyse. Lors de l’inspiration il s’affaissait et s’aplatissait oomme une soupape
(comme le fait, par exemple, le repli arytöno-epiglottique dans f Ödeme de la
glotte) de sorte qu'a ce moment la narine se trouvait completement fermee. Dans
l’expiration au contraire les bords de la narine s’ouvraient et s’ecartaient lege re -
ment. C’est donc 14 tout-a-fait l’inverse de ce qu’on observe a l’ötat normal, dans
lequel la narine s’ölargit au moment de l’inspiration.“
Das Pferd wurde gewendet und der Facialis auf der anderen Seite ebenfalls
durchschnitten, die Unterlippe fiel ganz herab, an der Nase zeigten sich die glei¬
chen Erscheinungen wie auf der anderen Seite. Es entstand also „une vöritable
asphyxie pour le cheval, qui ouvrant largement la bouohe suffoquait malgrd ses
öfforts pour respirer“. Weil die Pferde bekanntlich nicht durch das Maul athmen
können, so trat der Tod des Thieres durch Asphyxie ein. CI. Bernard fügt
dem hinzu: „Cet accident est particulier au cheval et ne se montre pas chez le
chien ou chez d’autres animaux qui peuvent respirer par la bouche.“
Diese Beobachtung von CI. Bernard ist die Veranlassung ge¬
wesen, dass in die meisten Hand- und Lehrbücher der Physiologie
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312
ELLENBERGER,
die Lehre übergegangeil ist, dass die Pferde in Folge beiderseitiger
Facialisdurchschneiduug den Erstickungstod sterben.
Da, soweit mir bekannt, andere, den CI. Bernard’schen ähn¬
liche Beobachtungen nicht vorliegen, so stützt sich also die gedachte
Lehre auf ein einziges Experiment, und es kann der Ein wand nicht
von der Hand gewiesen werden, dass bei dem betreffenden von CI.
Bernard operirten Pferde zufällige Verhältnisse das höchst über¬
raschende Resultat bedingt haben.
Im verflossenen Wintersemester habe ich deshalb die doppelseitige
Facialisdurchschneidung mehrfach bei Pferden vorgenommen, und zwar
in Anbetracht dessen, dass alle anderen Folgen dieser Operation bei
verschiedenen Thierarten hinreichend bekannt sind, nur und allein
zum Zweck der Prüfung der Richtigkeit der Lehre, nach welcher die
Pferde in Folge dieser Operation den Erstickungstod sterben. Diese
Lehre ist von praktischer Bedeutung. Wenn sie richtig ist, müssen
alle Pferde, welche an doppelseitiger Paralyse des Angesichtsnerven
erkranken, sufifocatorisch zu Grunde gehen. Die von Praktikern be¬
richteten Fälle dieser Krankheit, bei denen der Tod nicht eintrat,
müssten dann auf Täuschung beruhen, insofern es sich dabei nicht
um totale Paralyse gehandelt haben konnte.
Die Durchschneidung des Nerven nahm ich an der Stelle vor,
wo derselbe auf dem oberen Unterkieferrande aus der Parotis hervor
auf die äussere Fläche des Masseter tritt. Auch CI. Bernard hat
in dieser Gegend operirt.
Die Durchschneidung des Nerven da, wo er aus dem Foramen
stylo-mastoideum heraustritt, hielt ich nicht für nothwendig. Diese
Operation ist mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden, und u. U.
sogar nachtheilig, indem sie locale Folgen (Parotitis, Vereiterungen,
schmerzhafte Kieferbewegungen etc.) nach sich zieht, welche das Sym-
ptomenbild der Facialisdurchschneidung stören und compliciren.
Die Schwierigkeiten einer solchen Operation werden demjenigen
einleuchtend sein, der nicht allein die einschlägigen anatomischen
Verhältnisse kennt, sondern auch den Unterschied zu würdigen weiss,
der zwischen den Vivisectionen an den grossen Hausthieren und den
an kleinen Thieren (Hunden, Kaninchen etc.) ausgeübten besteht.
Wenn jedoch die Ausführung der Operation nothwendig wäre, so wür¬
den sich die Schwierigkeiten überwinden lassen. Die anatomischen Verhält¬
nisse des Nerven demonstriren aber, dass diese Nothwendigkeit nicht
vorliegt, sie zeigen vielmehr, dass die Vornahme der Durchschneidung
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Beiderseitige JFacialisdurchschneidung.
313
des Facialis am Foramen stylo-mastoideum bei dem von mir ver¬
folgten Zweck überflüssig, and dass die Durchschneidung des Nerven
an der bezeichnten Stelle gerechtfertigt ist. Vom Foramen stylo-
mastoideum bis zu der von mir gewählten Operationsstelle gehen vom
Facialis ab: die Chorda tympani, die Auriculares, der Stylohyoideus,
der Subcutaneus colli, die Rami parotidei und der Zygomatico-tempo-
ralis. Keiner dieser Nerven tritt an die Nasenmuskeln. Der einzige
Nerv, der allenfalls sehr kleine, nicht makroskopisch sichtbare Zweige
dahin resp. an den Levator labii superioris proprius geben könnte,
wäre der Zygomatico-temporalis. Um mich zu vergewissern, dass
dies nicht der Fall ist, habe ich bei einem Pferde nach der Facialis-
durchschneidung auch noch den genannten Nerven gesondert durch¬
schnitten. Diese Durchschneidung war ohne jeden Einfluss auf das
Verhalten von Nase und Lippen; damit war constatirt, dass der be¬
treffende Nervenast keine in Betracht kommenden Zweige an die
Nasen- oder Lippenmuskeln sendet. Alle diese Thatsachen motiviren
in Anbetracht des von mir verfolgten Zweckes die Wahl der genann¬
ten Operationsstelle.
An dieser Stelle ist die Operation ohne jede Schwierigkeit aus¬
führbar. Der Nerv liegt direct unter der Haut, sodass er schon
durch den Hautschnitt freigelegt wird. Der Hautschnitt, der in der
Richtung des Nerven oder auch senkrecht dazu gemacht werden kann,
muss verhältnissmässig lang sein, damit der Operateur in der Lage
ist, sich zu überzeugen, wie der Nerv bei dem betr. Versuchspferde ver¬
läuft, wo und wie er sich theilt. In dieser Beziehung ist das Ver¬
halten des Nerven verschieden. Manchmal theilt er sich schon inner¬
halb der Parotis, in der Regel kurz nachdem er aus derselben her¬
vorgetreten, manchmal auch erst später; die Zahl der Aeste beträgt
gewöhnlich zwei, in sehr seltenen Fällen auch drei. Der Operateur
muss sich deshalb genau über den jeweiligen Verlauf orientiren, da¬
mit er auch den ganzen Nerven durchschneidet. Ich habe mich nun
nicht darauf beschränkt, den Nerven resp. die Aeste einfach zu durch-
schneiden, sondern ich habe stets ein Stück von dem Nerven resecirt,
damit ein baldiges Verwachsen des peripheren mit dem centralen
Stumpf verhütet werde. Von der Thatsache der stattgehabten
totalen Durchschneidung des Nerven habe ich mich stets
am todten Thiere durch Präpariren des NerVen überzeugt.
Der durch den Hautschnitt freigelegte Nerv zeigte sich in der
Regel sensibel, aber nur in geringem Grade, wie dies auch Bernard
21
Archir f. wUMDseh. u. prallt. Thlerheilk. VII. 4u.5.
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ELLENBERGER,
angiebt. Wenn in einem Falle das Pferd (Pferd 1) beim Kneifen und
Zerren des Nerven keine Schmerzäusserung zeigte, so war ich davon
nicht überrascht, da ich diese Beobachtung bei alten abgemagerten,
schwachen Pferden auch schon an rein sensiblen Nerven gemacht
habe. Wenn man die Situation bedenkt, in welcher sich die zu ope-
rirenden Pferde befinden, und wenn man in Betracht zieht, dass zu
diesen Operationen des Geldpunktes wegen meist alte, apathische,
magere Pferde genommen werden, so überrascht diese Thatsache nicht.
Elektrische Reizungen des peripheren Stumpfes des durchschnittenen
Nerven bedingten exact die bekannten, vielfach beschriebenen Con-
tractionen der vom Facialis versorgten Muskeln.
Die Operation führte ich an fünf Pferden aus, und gebe ich
zuerst einige kurze Notizen über das Verhalten jedes derselben, um
dann die Folgen der Operation genauer zu schildern, wie sie im All¬
gemeinen bei allen operirten Pferden auftraten.
Das 1. der operirten Pferde wurde 3 Wochen lang nach der Operation
beobachtet. Unmittelbar nach erfolgter Durchschneidung, beim Heften der Wunde
und der dadurch veranlassten Aufregung des Thieres war die Respiration er¬
schwert und geschah mit hörbarem Geräusch beim Einathmen. Am Abend des
1. Tages war das Athmen sehr angestrengt, mit röchelndem inspiratorischen Ge¬
räusch. Bald verschwanden diese Beschwerden. In den nächsten Tagen traten
hin und wieder ähnliche aber geringere Respirationsbeschwerden auf. Am 10.
Tage nach der Operation erkrankte das Pferd an einem Katarrh der oberen Luft¬
wege. Dies bedingte rasselndes und bedeutend erschwertes Athmen. Nachdem
der Katarrh beseitigt war, wurde die Respiration ruhig, wie bei einem gesunden
Pferde. Bei der Bewegung athmete das Pferd beschwert und mit Geräasch. Da
das Thier aber zu einer scharfen Gangart nicht zu bewegen war, so traten auch
keine suffocatorischen Erscheinungen auf. — Dieses Thier zeigte sich bei der
Futteraufnahme ungemein ungeschickt. Am Tage der Operation und am Tage
nachher frass das Pferd fast nichts, dann nahm es Heu auf; an die Haferauf¬
nahme gewöhnte es sich erst später. Zufolge der geringen Futteraufnahme ma¬
gerte das Pferd ab und wurde schwach und matt.
Das 2. operirte Pferd zeigte unter Verengerung der Nüstern beim Einathmen
und Erweiterung derselben beim Ausathmen ebenfalls geringe Athembeschwerden,
sobald es aufgeregt war. Die Inspiration erfolgte dann mit Geräusch. Die Beob¬
achtungszeit betrug 8 Tage. Athemnoth trat während dieser Zeit nicht ein. Es
verdient dies um so mehr hervorgehoben zu werden, als bei diesem Thiere noch
die vorhin erwähnte Durchschneidung des N. zygomatico-temporalis einseitig vor¬
genommen wurde. Das Pferd benahm sich bei der Futteraufnahme geschickter
als das erste. Es frass grössere Quantitäten Heu und nahm auch den Hafer ziem¬
lich gut auf. Bevor es getödtet wurde, musste es noch einen Weg von l / 2 Stunde
im ruhigen Schritt zurücklegen, was es ohne Athemnoth vollbrachte.
Beim Operiren des sehr unruhigen 3. Pferdes hatte ich das Missgeschick,
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Beiderseitige Facialisdurchschneidung.
315
auf einer Seite die oberhalb des Nerven liegende A. transversa faciei anzuschnei¬
den und beim Unterbinden derselben den N. temporalis superficialis zu lädiren.
— Bei diesem Thiere wurden so gut wie keine Athembeschwerden bemerkt. Bei
der Futteraufnahme, welche das Thier geschickter als Pferd 1 vollzog, benutzte
es die bei ihm sehr bewegliche Zunge. Bei einer Bewegung von 5 Minuten im
langsamen Trab wurde das Athmen weithin hörbar, sehr erschwert, sodass das
Thier schwankte. Nun blieb dasselbe zu seiner Erholung stehen und liess sich
nicht zum längeren Traben bewegen. Am 6. Tage der Beobachtung wurde das
Pferd krank; vor Allem traten Erscheinungen des gestörten Sensoriums auf,
Apathie, Unaufmerksamkeit etc. Das Pferd stand gewöhnlich mit hochgehaltenem
Kopfe in einer Ecke des Stalles; die Schleimhäute waren geröthet etc. Am 8.
Tage nach dor Operation starb das Pferd. — Die Section ergab: Septichämie
und eine Meningitis der Medulla oblongata und des Cerebellum. Die Wunde auf
jener Seite, auf der die Blutung stattgehabt hatte, zeigte eine sehr üble Beschaf¬
fenheit, üblen Geruch, jauchigen Eiter etc. Der eingetretene Tod war keine
Folge der durch den Facialis bewirkten Muskellähmung, stand also mit dieser
Operation in keinem directen Zusammenhänge. Die Krankheit und so Todes¬
ursache lag wohl in der schlechten Pflege der Wunde durch den betreffenden
Praktikanten.
Bei dem 4. operirten Pferde traten nach der Operation die Erscheinungen
der veränderten Athmung besonders schön hervor. Bei jeder Inspiration im auf¬
geregten Zustande trat bedeutende Verengerung der Nasenöffnungen ein und es
entstand jederseits eine an den Rändern der Nasenbeine hinziehende Längsrinne
durch Einziehen der weichen Nasendecken in die Höhle; beim Exspiriren wurden
die Nasenlöcher bedeutend erweitert. Athemnoth wurde nicht beobachtet. Fut¬
teraufnahme geschah ungeschickt. Das Pferd wurde an demselben Tage zu ana¬
tomischen Zwecken getödtet.
Das 5. operirte Pferd war ein verhältnissmässig junges Thier. Es zeigte
unmittelbar nach der Operation, noch am Boden liegend, sehr bedeutende Athem¬
beschwerden. Die Nasenlöcher wurden, wie bei Pferd 4, beim Inspiriren sehr
bedeutend verengt und die Inspiration geschah mit schlotterndem Geräusch.
Beim Exspiriren erweiterten sich die Nasenlöcher jedesmal. Dieses und Pferd 4
prusteten nach der Operation verschiedene Male kräftig, wie wenn sie ein Hin¬
derniss aus der Nase entfernen wollten. Sobald das Pferd entfesselt und aufge¬
standen war, beruhigte es sich und das Athmen erfolgte ohne jede Beschwerde,
ohne jede Anstrengung. Die Sensibilität des Nerven war bedeutend, das Pferd
zeigte bedeutenden Schmerz beim Durchschneiden. Zum Fressen stellte sich
dieses Thier verhältnissmässig geschickt an. Bei einer 3 Minuten währenden,
am Tage nach der Operation veranlassten Trabbewegung wurde die Respiration
sehr beschwert, das Athmen geschah mit weithin hörbarem Geräusch beim Inspi¬
riren, das Pferd prustete mehrmals stark. Nach dem Stillestehen beruhigte sich
das Pferd bald. Es wurde zu den Operationsübungen verwendet und zu anato¬
mischen Zwecken getödtet. Bemerkenswerth ist noch, dass bei diesem Pferd von
Zeit zu Zeit Zuckungen an der Oberlippe beobachtet wurden, während derartige
Erscheinungen bei Pferd 1 und 2 an den Wangenmuskeln, namentlich an den
Lippenwinkeln auftraten.
21 *
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ELLENBERGER,
Fassen wir das bei den fünf Pferden Beobachtete und das allen
operirten Gemeinsame zu einem Gesammtbilde zusammen, so ist in
Bezug auf die Folgen der Facialisdurchschneidung bei Pferden im
Allgemeinen Folgendes zu sagen:
Die nach der einseitigen und doppelseitigen Dnrchschneidung des
Nerven auftretenden Erscheinungen unterschieden sich in den sämmt-
lichen beobachteten Fällen von den von CI. Bernard beobachteten
und beschriebenen Symptomen dadurch, dass die Störungen der Re¬
spiration geringere waren, als sie CI. Bernard beschreibt; in keinem
Falle trat bei der Inspiration ein vollständiger Verschluss einer oder
beider Nasenöffnungen ein.
Nach der Durchschneidung waren die Nasenlöcher enger als
normal, sie bildeten von oben und hinten nach unten und vorn ge¬
richtete, längliche Spalten, die aber beim normalen ruhigen Athmen
weit genug für den inspiratorischen Lufteintritt waren. Beim Inspi-
riren konnten die Nasenöffnungen selbstverständlich nicht erweitert
werden, sie wurden hierbei im Gegentheil etwas verengt; namentlich
trat dies bei aufgeregtem, beschleunigtem Athmen hervor, der äussere
Luftdruck presste die nachgiebigen Wände der Nasenhöhlen in dieselben
hinein, sodass nicht allein Abplattung der Nase entstand, sondern
vollständige Rinnen und Vertiefungen da, wo die Nasenwände aus
nachgiebigen Weichtheilen bestehen. Daher kam es, dass die aufge¬
regten, beschleunigt athmenden Thiere verschiedengradige Athem-
beschwerden zeigten und dass durch Reibung der eindringenden Luft
an den niedergedrückten Theilen der Nasenwände Geräusche entstan¬
den, die deutlich hörbar waren.
In keinem Falle beobachteten wir einen vollständigen Verschluss
der Nasenöffnungen und Erstickungsgefahr. Beim Exspiriren wurden
die Nasenlöcher durch den austretenden Luftstrom erweitert; der Grad
der Erweiterung richtete sich nach dem sonstigen Benehmen des
Thieres, ob es ruhig oder aufgeregt war u. s. w.
Wie die Nasenmuskeln waren auch die Lippenmuskeln total ge¬
lähmt, die Unterlippe hing schlaff nach unten herab, die Pferde waren
nicht im Stande, dieselbe an die Schneidezähne heranzuziehen; die
Oberlippe lag schlaff auf dem Zwischenkiefer, sodass ihr unterer Rand
den freien Rand der Schneidezähne überragte. Diese Verhältnisse
bedingten natürlich Forraveränderungen der Mundspalte und der Lip¬
penwinkel.
Die Sensibilität der gelähmten Theile war vollständig erhalten.
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Beiderseitige Facialisdurchschneidung.
317
Bei Application von Nadelstichen in die Lippen zeigten die Thiere
Schmerzäusserungen durch heftige Bewegungen des Kopfes etc., ohne
dabei aber die schlaff, wie todte fremde Körper am Kopf hängenden
und baumelnden Lippen selbst bewegen zu können.
Bei mit den Pferden vorgenommenen Bewegungen trat Schwer-
athmigkeit auf, starke Verengerung der Nasenlöcher beim Inspiriren,
bedeutende Erweiterung beim Ausathmen. Die Inspiration wurde
hörbar. Die Thiere blieben bald wegen Athemnoth stehen und waren
bis zu ihrer Erholung nicht zum weiteren Laufen zu bewegen.
Einige Tage nach der Operation stellten sich bei einigen Pferden
Zuckungen der Muskeln, namentlich der Wangen- und Lippenmus¬
keln ein.
Die Beobachtung der Pferde beim Fressen ergab Folgendes: Die
Futteraufnahme war in hohem Grade gestört. Bekanntlich erfassen
die Pferde die Nahrung mit den Lippen. Beide Lippen aber waren
total gelähmt. In Folge dessen mussten die Thiere versuchen, in
anderer Art das Futter in die Maulhöhle zu bringen. Das Futter
musste mit den Schneidezähnen oder der Zunge ergriffen werden. Die
Zunge des Pferdes ist aber zum Erfassen des Futters sehr schlecht
geeignet, nur ein Pferd sah ich die Zunge ziemlich geschickt gebrau¬
chen. Die anderen Operirten bissen mit den Zähnen in das Futter
(Hafer, Heu etc.) hinein und erfassten so eine kleine Quantität des¬
selben, die nunmehr in der Maulhöhle von der Zunge erfasst wurde.
Die Aufnahme des Heues war leichter als die des Hafers. Hafer
und Kurzfutter konnte nur dann aufgenommen werden, wenn sich das¬
selbe in hoher Schicht über einander befand, sodass die Pferde den
Kopf theilweise hineinstecken und mit den Kiefern die Aufnahme be¬
wirken konnten.
Die Aufnahme des Getränks erfolgte in der Weise, dass die
Pferde den Kopf tief in die Flüssigkeit einsenkten.
Es hat die Aufnahme der Nahrung und des Getränks der ope¬
rirten Pferde viel Aehnlichkeit mit den entsprechenden Verrichtungen
der Schweine. Uebrigens zeigten die Operirten einen sehr verschie¬
denen Grad der Geschicklichkeit bei der Futteraufnahme.
Das Zerkleinern des mühsam aufgenommenen Futters war eben¬
falls mit Schwierigkeiten verknüpft, weil dasselbe nicht in regel¬
rechter Art und Weise zwischen den Backzähnen gehalten, resp. wenn
es in das Vestibulum oris gefallen, wegen der Lähmung der Wangen¬
muskeln nicht wieder zwischen dieselben geschoben werden konnte.
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ELLENBERGER,
Ausserdem fielen auch stets gewisse Quantitäten des aufgenommenen
Futters bei den Kauversuchen wieder aus der Maulhöhle heraus, weil
der normal durch die Lippen bewirkte untere Verschluss derselben
nicht mehr bestand. In Anbetracht dieser Schwierigkeiten verschlan¬
gen die operirten Pferde das Futter vielfach unzerkaut, wie die Un¬
tersuchung des Mageninhalts ergab. Der Magen der operirten Thiere
enthielt, wie die Section zeigte, die Haferkömer meist unzerkleinert.
Dies sind die wesentlichsten Folgen der doppelseitigen Facialis-
durchschneidung, also auch die Erscheinungen der beiderseitigen Fa-
cialislähmung. Aus der Schilderung derselben ergiebt sich, dass die
Lehre, dass die Pferde nach doppelseitiger Facialisläh-
mung sterben, unbegründet ist. Nach meinen Beobachtungen
ist die Athmung der Pferde bei diesem Zustande zwar gestört, aber
niemals so bedeutend, dass Erstickungszufälle auftreten.
Ich will zugeben, dass bei sehr sensibeln, sehr aufgeregten und
jungen Thieren unmittelbar nach der Operation, während die Thiere
noch am Boden liegen, also ohnedies in der freien Athmung be¬
schränkt sind, beim heftigen Sträuben Erstickungsgefahr eintreten
kann. Diese vorübergehende Athemnoth muss sich dann aber sofort
beseitigen lassen, indem man für einen Moment die Nasenlöcher me¬
chanisch erweitert. Sobald die Thiere aufstehen und sich beruhigen,
sind die Athembeschwerden sicherlich verschwunden. Ich habe aber
auch bei den am Boden liegenden Thieren wohl bedeutende Athem¬
beschwerden, aber keine wirkliche Erstickungsgefahr beobachtet.
Betonen muss ich, dass die Athmung in Anbetracht des Um¬
standes, dass die Thiere unvermögend sind, die Nasenlöcher zur Auf¬
nahme grösserer Luftmengen zu erweitern, so bedeutend gestört ist,
dass die Thiere unfähig zu Anstrengungen, zum Ziehen schwerer
Lasten, zum Laufen u. s. w. sind. Werden die Thiere hierzu ge¬
zwungen, so müssen suffocatorische Erscheinungen auftreten. Einer¬
seits können die Thiere durch die engen Nasenspalten nicht die ge¬
nügende Menge Athmungsluft aufnehmen, andererseits werden aber
diese Spalten beim angestrengten Athmen durch den heftigeren inspi¬
ratorischen Luftstrom noch bedeutend verengt, die Nasenhöhlenwände
werden in die Nasenhöhlen hineingezogen, hineingepresst, und es ist
gar nicht zu bezweifeln, dass es hierbei zum vollständigen Verschluss,
zum Zusammenpressen der Nasenlöcher und zu Erstickungserschei¬
nungen kommen kann. Im Zustande der Ruhe treten diese
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Beiderseitige Facialisdurchschneidung.
319
Symptome aber nicht auf. Ich habe dieselben auch bei der Be¬
wegung nicht beobachtet, weil die Thiere, sobald die Athembeschwer¬
den bedeutend wurden, stehen blieben, um sich zu erholen.
Bei dem Experiment CI. Bernard’s müssen besondere Verhält¬
nisse Vorgelegen haben, welche das merkwürdige Resultat bedingten.
Vielleicht war es ein sehr junges, reizbares Thier, dessen Nasenknorpel
zur Stütze der Nasenlöcher noch nicht die nöthige Festigkeit erlangt
hatten und das bei der Operation sehr unruhig und aufgeregt war;
vielleicht lagen auch pathologische Verhältnisse an der Nase vor, die
das Resultat bedingten. Diese letztere Verrauthung gewinnt an Wahr¬
scheinlichkeit durch die von CI. Bernard selbst angegebene That-
sache, dass das operirte Pferd rotzig war.
Ausser den Störungen der Respiration, welche nach meinen Un¬
tersuchungen nicht den Tod bedingen, weder acut, noch durch chro¬
nische C0 2 -Intoxication, kommen zur Beurtheilung der etwa tödtlichen
Folgen der beiderseitigen Facialisdurchschneidung wesentlich die Stö¬
rungen in Betracht, welche sich auf die Futteraufnahme und das
Kauen des Futters beziehen. Diese Störungen bedingen naturgemäss
eine unvollkommene Ernährung der betreffenden Thiere. Die Pferde
magern ab, und es können unter Umständen Inanitionserscheinungen
eintreten. Diese treten aber bestimmt erst lange Zeit nach der Ope¬
ration auf. Das von mir 3 Wochen nach der Operation beobach¬
tete Pferd war, als es operirt wurde, sehr mager und seine Ver¬
dauung keine besonders gute; ausserdem erkrankte es während der
Beobachtungszeit noch an einem Katarrh und trotzdem traten die
Symptome des Verhungerns noch nicht ein. Das Pferd war allerdings
3 Wochen nach der Operation sehr matt und noch magerer geworden
als es vorher schon war.
Nach meiner Ansicht ist in der Praxis bei den etwa zur Be¬
handlung gelangenden doppelseitigen Facialislähm ungen der Eintritt
des Hungertodes nicht zu befürchten, sobald die Thiere ihrem Zu¬
stande gemäss behandelt werden. Hierzu gehört, dass man ihnen
nährendes Getränk verabreicht, dass ihnen das Heu in der Krippe
und nicht in der Raufe vorgelegt wird, weil das Herunterholen des
Heues aus der Raufe für die Thiere mit Schwierigkeiten verknüpft
ist. Wegen des gestörten Kauens kann man solchen Thieren auch
Brod, gequollenen Hafer u. dgl. verabreichen. Vor allen Dingen aber
dürfen die Körner, der Hafer, den Thieren nicht so vorgelegt werden,
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320
ELLENBERGER.
wie es gewöhnlich geschieht, d. h. in flachen Krippen, in dünner
Schicht. Der Hafer muss sich in einem hohen Gefass in solcher
Menge befinden, dass die Pferde den Kopf bis an die Eck- oder Back¬
zähne hineinstecken und so hineinbeissen können.
Beobachtet man diese Vorsichtsmassregeln, dann ist der Eintritt
des Hungertodes ebensowenig zu befürchten, wie der des Erstickungs¬
todes, und es kann die Heilung der Facialislähmung, die oft plötzlich
eintritt, abgewartet werden.
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XIV.
Die Wundinfeotionskranklieiteii, deren Verhütung und
Behandlung.
Von
Prof. E. Semmer.
Bei den verschiedenen Verwundungen und Operationen sind die
accessorischen Wundkrankheiten von jeher besonders gefürchtet ge¬
wesen und haben den Chirurgen in früherer Zeit viel zu schaffen
gemacht. Seit der Einführung der antiseptischen Wundbehandlung
hat die Zahl der accessorischen Wunderkrankungen und der dadurch
bedingten Todesfälle nach Verwundungen bedeutend abgenommen.
Werfen wir zunächst einen Blick auf die Gruppe der Wundinfections-
krankheiten und sehen wir dann, womit dieselben erfolgreich be¬
kämpft werden können.
Zur Gruppe der accessorischen Wundkrankheiten gehören: die
Wunddiphtherie, das Wunderysipel, die Lymphangitis, Lymphadenitis,
Phlebitis, Metastasen, Phlegmone, Wundgangrän, putride Intoxication,
Septicämie und Pyämie.
Bei der Wunddiphtherie werden die Basis und die Ränder
der Wunde mit Zellen, Kernen, Mikrococcen, Eiweiss und Fibrin in-
filtrirt und die infiltrirten Partien nachher in Form von Schorfen
und Platten äbgestossen. Die Wunddiphtherie ist zuerst ein local
degenerativer, necrobiotischer Process, der durch ein Miasma verur¬
sacht wird, das in der Wunde contagiöse Eigenschaften erlangt, eine
Blutinfection und Fieber verursacht und von Patienten zu Patienten
übertragbar wird. Als Ursachen der Diphtherie werden niedere Orga¬
nismen (Mikrococcus diphtheriticus) angenommen. Durch Arbeiten von
Buhl, Nasiloff, Trendelenburg, Oertel, Hüter, Tommasi,
Recklinghausen, Letzerich, Eberth, Heiberg, Waldeyer,
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322
SEMMER,
Birch-Hirsch feld, Klotsch, Hallier, Klebs, Marcuse, Ra-
jewski u. A. sind in den diphtheritischen Infiltraten und deren Um¬
gebung eine grosse Menge von Mikrococcen, und bei starkem Allge¬
meinleiden solche auch im Blute nachgewiesen worden (Oertel,
Eberth, Nasiloff). Bei Impfungen mit diphtheritischem Exsudat
vermehren sich die niederen Organismen an der Impfstelle und dringen
in die umgebenden Gewebe ein. Erfolgreiche Uebertragungen mit der
Diphtherie haben Trendelenburg, Oertel, Hüter, Tommasi,
Nasiloff, Eberth, Marcuse, Rajewski und Klebs erzielt.
Klebs züchtete den Diphtheriepilz in Hausenblasengallerte und
erzielte mit den gezüchteten Mikrococcen bei Tauben und Hunden
Diphtherie. Dagegen fallen Impfungen mit Diphtheriemassen negativ
aus, wenn man die darin enthaltenen niederen Organismen vorher
zerstört oder ausspült. Ebensowenig kann Diphtherie durch Croup¬
membranen oder einfache faulige Stoffe erzeugt werden.
Das Wunderysipel besteht in einer von der Wunde ausgehen¬
den Entzündung der Haut und des subcutanen Bindegewebes der Um¬
gebung, welche eine grosse Neigung zur Ausbreitung in der Fläche
zeigt und mit verhältnissmässig schwerem Allgeraeinleiden, nament¬
lich mit hochgradigem Fieber verbunden ist, das durch Aufnahme des
Erysipelgiftes von der Wundfläche aus sich entwickelt.
Das Erysipel zeichnet sich aus durch Hyperämie und Exsudation
von Serum und farblosen Blutkörperchen, wodurch ein kleinzelliges
Exsudat der Cutis und des subcutanen Bindegewebes zu Stande kommt.
Die Erscheinungen beim Erysipel gleichen denen, wie sie bei schwachen
Verbrennungen und bei Anwendung der hautröthenden Mittel entstehen.
Selten kommt es zur Bildung seröser Blasen auf der Haut und zur
Anhäufung kleiner Abscesse im subcutanen Bindegewebe.
Schon im vorigen Jahrhundert wurde von Gregory, Hunter,
Vulpian u. A. beim Erysipel ein giftig wirkender Stoff angenommen,
durch welchen nicht allein die Hautentzündung, sondern auch das
Allgemeinleiden verursacht würde. Für ein solches Gift spricht auch
die Betheiligung des lymphatischen Apparats, die Affection innerer
Organe, das zuweilen enzootische Auftreten und die Contagiosität des
Erysipels. Die Betheiligung des lymphatischen Systems an der ery-
sipelatösen Entzündung hat einige Autoren dazu verleitet, das Ery¬
sipel als Lymphangitis capillaris zu bezeichnen. In der That sind
beim Erysipel die Lymphgefässe, Lymphdrüsen und viele innere Or¬
gane, namentlich die Leber, Nieren, Milz, das Herz und die Gefässe
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Wundinfectionskrankheiten.
323
mit afficirt und stets ist hochgradiges Fieber vorhanden. Zuweilen
beobachtet man ein enzootisches Auftreten des Erysipels in einzelnen
Kliniken und Ställen, namentlich in schlecht gelüfteten Räumen bei
Anhäufung vieler Patienten mit Verwundungen und Eiterungen; in
solchen Fällen nehmen sämmtliche Verletzungen einen erysipelatösen
Charakter an.
Das Erysipel entwickelt sich aus Miasmeu und producirt ein
Contaginm, das durch niedere Organismen aus der Gruppe der Schizo-
myceten repräsentirt wird. Orth constatirte zuerst in den Entzün-
dungsproducten und im Blut Erysipelatöser zahlreiche Mikrococcen
und wies durch eine Reihe von Impfungen die Uebertragbarkeit und
Contagiosität des Erysipels nach. Auch künstlich in Pasteur’scher
Nährflüssigkeit gezüchtete Bacterien des Erysipels erwiesen sich als
infectiös. Erfolgreiche Impfungen an Thieren sind ferner von Pon-
fick, Lnkomski, Bellier, Koch, Gutmann, Krajewski und mir
vorgenommen worden. Lukomski, Koch und Gutmann gelang es,
Erysipel durch Impfungen mit Blut aus den ersten Stadien der Fäul-
niss zu erzeugen und die Contagiosität dieses künstlich erzeugten
Erysipels durch weitere Uebertragungen auf gesunde Thiere nachzu¬
weisen.
Von Koch, Gutmann, Krajewski und mir wurden sehr fein¬
körnige Mikrococcen und zarte Stäbchen im erysipelatösen Exsudat
der Versuchsthiere gefunden. Ebenso fanden Wilde, Hallier, Sa¬
lisbury u. A. zahlreiche Mikrococcen beim Erysipel. Demnach muss
das Erysipel als eine durch specifische Schizomyceten veranlasste
Krankheit betrachtet werden.
Das Erysipel kann sich compliciren mit Lymphangitis, Lymph¬
adenitis, Phlebitis, purulentem Oedem, Phlegmone und Gangrän, ist
aber nicht, wie einzelne Autoren behaupten, mit den letzteren Krank¬
heiten identisch oder eine Vorstufe derselben.
Wenn infectiöse Stoffe, Rotzgift, Leichengift, Fäulniss- und Ent-
zündungsproducte und Ansteckungsstoffe in die Lymphgefässe und
Lymphdrüsen gelangen, so kommt es häufig zu Entzündung der
Gefässe und Drüsen. Die Lymphgefässe treten in solchen Fällen als netz¬
förmige, mehr oder weniger deutlich sichtbare Stränge unter der Haut
hervor, die Lymphdrüsen schwellen an und werden schmerzhaft; es
kommt oft zur Eiterbildung in der Umgebung der Lymphgefässe, zu
Vereiterungen, Abscessbildungen und Entartungen in den Lymphdrüsen.
Die Entzündung in den Wunden kann ferner übergreifen auf die
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SEMMER,
Wandungen der benachbarten Venen; es kommt zur Phlebitis und
Bildung von Thromben, die nachher zerfallen und zu Metastasen
Anlass geben können. Die Metastasen zeigen je nach der Beschaf¬
fenheit der Zerfallsproducte der Thromben einen verschiedenen Cha¬
rakter. Die Emboli sind entweder indifferent und verursachen blos
vorübergehende Gefässverstopfungen und Infarcte, oder sie besitzen
reizende Eigenschaften und erregen Entzündung in der Umgebung,
die zu Eiterung und Bildung metastatischer Abscesse führen kann,
oder sie haben einen jauchigen Charakter und erregen secundäre Ver-
jauchungsprocesse, oder sie sind mit septischem oder pyämischem
Contagium imprägnirt und bilden dann Coraplicationen der Septicämie
oder Pyämie.
Die Phlegmone ist eine Entzündung der Haut und des sub-
cutanen Bindegewebes mit fibrinös-zeilig-eitriger oder serös-purulenter
Infiltration, Neigung zum Schmelzen und zum Zerfall der Gewebe mit
Bildung von Eiterherden und Gängen und Neigung zur Infection der
Nachbarschaft. Die Phlegmonen entstehen beim Eindringen stark
reizender Substanzen in das subcutane Bindegewebe und bei Aufnahme
von Entzündungs- und Zerfallsproducten von Wundflächen aus.
Künstlich lassen sich Phlegmonen erzeugen durch subcutane
Application von Producten der Entzündung und des Zerfalls, die reich
an niederen Organismen sind, und auf diese Weise lässt sich eine
phlegmonöse Entzündung von Thier auf Thier übertragen.
Die Erscheinungen der Phlegmone sind Röthung, Schwellung,
Induration, später werden die entzündeten Partien mehr weich, teigig,
fluctuirend; die Haut wird an einzelnen Stellen livid, necrotisch, der
Eiter bricht durch und es entstehen sinuöse Geschwüre, Senkungs-
abscesse, Fistelgänge, Vereiterungen benachbarter Gewebe, Durch¬
brüche in Höhlen, Entzündungen und Vereiterungen der Lymphdrüsen;
auch Affectionen innerer Organe können hinzutreten und schliesslich
kann die Phlegmone durch Pyämie einen tödtliehen Ausgang nehmen.
Eine jede Wunde kann unter Umständen einen brandig-jauchigen
Charakter annehraen, namentlich wenn die Verwundung mit Quet¬
schungen und Zertrümmerungen von Geweben verbunden war und
weder gehörig rein gehalten, noch antiseptisch behandelt wurde.
Bei Vernachlässigung in der Behandlung und bei äusseren Insulten
können ausserdem alle bisher genannten accessorischen Wundkrank¬
heiten sich mit Gangrän und Verjauchungen compliciren. Die
einmal gebildete Brandjauche wirkt, falls keine demarkirende Granu-
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Wundinfdctionskrankheiten.
325
lationsschicht vorhanden, inficirend auf die umgebenden Gewebe, und
diese werden mit in den Brand hineingezogen. So kann der Brand
oft schnell um sich greifen und grössere Körpertheile,* ganze Glied¬
massen etc. progressiv brandig zerstören (gangrene foudroyante). Die
brandigen Theile werden missfarbig, schmutzig braun, graubraun, bläu¬
lich, grünlich oder schwärzlich, oft emphysematisch aufgetrieben und
verbreiten durch Entwickelung von Fäulnissgasen und Fettsäuren einen
üblen Geruch. Die Brandjauche ist stets reich an Fäulnissorganismen,
Mikrococcen und Bacterien und besitzt infectiöse Eigenschaften, sodass
oft alle Verwundungen in einer Klinik einen brandigen Charakter an¬
nehmen (Hospitalbrand).
Der Brand kann lebensgefährlich werden durch Zerstörung lebens¬
wichtiger Organe, durch Vergiftung des Blutes mit Producten der
Fäulniss (putride Intoxication), und in jedem Brandherde kann sich
unter Umständen das septische Gift entwickeln und die Patienten
durch Septicämie tödten.
Früher wurden unter dem Namen Ichorämie, Septicämie und
Pyämie Zustände zusammengefasst, die jetzt vollständig von einander
zu trennen sind. Nach dem jetzigen Standpunkt der Frage haben
wir zu unterscheiden: ein einfaches Wundfieber, die putride
Intoxication, die Septicämie und die Pyämie, die wesentlich
vollkommen verschiedene Processe darstellen.
Das einfache Wundfieber wird von den Chirurgen ebenfalls zu
den septischen Krankheiten gezählt. Es entsteht durch Aufnahme
von Producten des Zerfalls von der Wundfläche aus, ist aber bei ganz
frischen, gut heilenden Wunden nicht mit der wirklichen Septicämie
identisch.
Schon im grauen Alterthum war es eine häufig beobachtete
Thatsache, dass bei fauligen Zersetzungen des Wundsecrets, bei Ver¬
jauchungen und Brand einzelner Körpertheile sehr schwere Allgemein¬
leiden, Fieber, Durchfälle, Erbrechen und schliesslich der Tod er¬
folgten.
Dass diese üblen Zufälle durch Aufnahme von Producten der
Fäulniss und des Zerfalls ins Blut bedingt werden, ist durch Arbeiten
von Gaspard, Magendie, Stich, Virchow, Panum, Billroth,
Weber, Schweninger, Hemmer, Bergmann, Ravitsch, Hüter,
Klebs, Schüller u. A. constatirt. Diese Autoren injicirten faulige
Stoffe, sowohl vegetabilische als auch animalische, wie Pflanzenin fuse,
Muskelinfuse, Macerationswasser, fauliges Eiweiss, fauliges Blut ins
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326 SEMMER,
Blut lebender Thiere und erzeugten dadurch Fieber, Erbrechen, Durch¬
fälle und den Tod derselben.
Anfangs schrieb man diese Erscheinungen den Zersetzungspro-
ducten, dem Leucin, den Fettsäuren, dem Schwefelwasserstoff, Schwe¬
felammonium, dem kohlensauren Ammoniak etc. zu, überzeugte sich
jedoch bald, dass diese Stoffe anders wirken als faulige Substanzen
in toto.
Nachdem Pasteur nachgewiesen hatte, dass die Fäulniss durch
niedere Organismen erregt wird, wandte man diesen Organismen die
Aufmerksamkeit zu, kam aber zu dem Resultat, dass auch filtrirte
faulige Flüssigkeiten oder solche, in denen die Mikrococcen und Bac-
terien durch Kochen und Desinfectionsmittel zerstört waren, gleich
giftig wirkten. Die Wirksamkeit solcher Flüssigkeiten ist aber ab¬
hängig von der beigebrachten Menge und derselben proportional. Es
handelt sich also hier um eine wirkliche Vergiftung, eine In-
toxication mit den Producten der Fäulniss.
Bergmann u. Schmiedeberg stellten aus faulender Hefe einen
Giftstoff, das Sepsin dar; ebenso Zülzer, Sonnenschein u. A.
Ferner wurde von Bergmann und Gutmann constatirt, dass in
sonst unschädlichen Lösungen von weinsaurem Ammoniak und phos¬
phorsaurem Kali cultivirte Fäulnissbacterien, in die Blutbahnen inji-
cirt, den Tod unter denselben Erscheinungen herbeifuhren, wie fau¬
lende Substanzen. Den Fäulnissbacterien als solchen kommt also die
gleiche Wirkung zu, wie den fauligen Substanzen. Folglich muss
angenommen werden, dass die Fäulnissbacterien giftige Stoffe bilden,
die auch von ihren Producenten, den Bacterien, getrennt den Tod
verursachen können.
Durch Aufnahme von fauligen Substanzen und Fäulnissbacterien
ins Blut entstehen somit putride Intoxicationen, die da abhängig
sind von der Menge der aufgenommenen schädlichen Agentien und
die vollständig von der eigentlichen Septicämie und ebenso von der
Pyämie zu trennen sind, welche letzteren sich ganz anders verhalten;
denn sowohl die Septicämie als auch die Pyämie gehören zu den
contagiösen Krankheiten und sind verimpfbar. Die Wirkung des sep¬
tischen und pyämischen Contagiums ist durchaus nicht abhängig von
der beigebrachten Menge desselben.
Die Septicämie. Die Fäulnissbacterien gehören zu den Anae¬
roben, entwickeln sich mit Vorliebe in sauerstoffarmen Medien und
werden durch Sauerstoff im circulirenden Blut zerstört; ihre Wirkung
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Wundinfectionskrankheiten.
327
ist abhängig von der eingeführten Menge. Unter Umständen gehen
aber Veränderungen mit denselben vor. Die Fäulnissbacterien ver¬
halten sich schon in den verschiedenen Stadien der Fäulniss ver¬
schieden. In den ersten Stadien der Fäulniss erregen dieselben Ent¬
zündungen und Erysipele, wirken also phlogogen; in weiteren Stadien
verursachen sie Verjauchungen, Gangrän; in gewissen Stadien wirken
sie septisch, septogen, später nur Eiterung erregend, pyogen, und ganz
zuletzt, in den Endstadien der Fäulniss, werden sie unwirksam. Sa¬
muel theilt die Wirkung der Fäulnissbacterien je nach den Stadien
in eine phlogogene, septogene und pyogene ein. Unter besonderen
Umständen entwickeln sich aus sich zersetzenden Substanzen Miasmen,
wie das Miasma des Milzbrandes, des Wechselfiebers, des Typhus,
der Cholera. Dass aus den Miasmen im lebenden circulirenden Blute
Contagien hervorgehen können, sehen wir beim Milzbrand.
Ebenso verhält es sich aber mit der Septicämie. Aus den Fäul-
nissstoffen oder vielmehr den Fäulnissbacterien entwickelt sich im
lebenden Thierkörper ein Contagium, das, in den kleinsten Mengen
verimpft, den Tod in kurzer Zeit unter vollständiger Blutzersetzung
verursacht, ohne dass an der Impfungsstelle irgend welche bedeutende
Localerscheinungen aufzutreten brauchen. Am intensivsten tritt diese
Wirkung bei kleinen Thieren, besonders bei Kaninchen, Meerschwein¬
chen und Vögeln hervor.
Versuche über die contagiöse Septicämie wurden zuerst 1869 von
mir und A. Unterberger in Dorpat angestellt. Es wurde einem
Füllen das von Bergmann u. Schmiedeberg dargestellte Sepsin
beigebracht, und nachdem das Thier verendet, von ihm ein anderes
Fullen und ein Schaf mit einem Tropfen Blut geimpft. Beide ver¬
endeten in 24 Stunden septisch. Von diesen Thieren wurde ein Tropfen
Blut auf eine Taube verimpft; dieselbe ging in 16 Stunden ein, und
eine andere, mit dem Blute der ersteren geimpfte Taube starb in
10 Stundon. Die Intensität der Wirkung des septischen Blutes nimmt
also bei Impfungen von Generation zu Generation zu. Dieses Factum
wurde durch Davaine’s Arbeiten bestätigt, der bis zur 25. Gene¬
ration an Kaninchen fortimpfte und constatirte, dass zuletzt schon
ein Billionstel und ein Trillionstel eines Tropfens septischen Blutes
genügte, um durch Verimpfen ein Kaninchen zu tödten. Aehnliche
Versuche mit den gleichen Resultaten wurden angestellt von Coze,
Felz, Vulpian, Hayem, Klein, BourdonSanderson, Clementi,
Thin, Dreyer, Gutmann, Krajewski u. A. Andere Autoren, wie
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328
SfiMMER,
Bouley, Behier, Colin, Chassaignac, die an grossen Thieren ope-
rirten, erhielten nicht die gleichen Resultate, und es ist in der That
schwer, die contagiöse Septicämie bei grösseren Thieren künstlich zu
erzeugen. Es entstehen viel leichter Erysipele, Phlegmonen, Gangrän
und putride Intoxicationen als wirkliche Septicämie.
Putride Blutzersetzungen entstehen in Folge von Gangrän und
Verjauchungen bei Suffocationen, Genuss fauliger Substanzen, Coliken,
putriden Nabelentzündungen, putriden Metriten, Bluttransfusionen etc.
Alle die genannten Zustände können aber auch zu Ursachen der
Septicämie werden, sobald die Fäulnissbacterien sich im lebenden
Thierkörper in septische umbilden. Nach Colin kann Septicämie
erzeugt werden: 1) durch Blut, das bei höheren Temperaturen an der
Luft sich schnell zersetzt; 2) durch Pfortaderblut von Herbivoren-
cadavern in Zersetzung; 3) durch zersetzte Transsudate aus der Bauch¬
höhle; 4) durch Blut von Milzbrandcadavern in Zersetzung; 5) durch
Brandjauche und jauchiges Fistelsecret lebender Thiere; 6) durch
frische animalische Substanzen, die man lebenden Thieren unter die
Haut bringt.
Davaine empfiehlt Blut, das bei 37—40° C. schnell in Fäul-
niss übergeht, Sigual das Blut Erschlagener und mit CO Vergifteter.
Von mir wurde die contagiöse Septicämie hervorgebracht durch
Blut eines mit Bergmann’schem Sepsin getödteten Füllens (durch
alle Thiergattungen verimpfbar) und bei Kaninchen durch subcutane
Application ganz frischen Blutes. Gut mann erhielt contagiöse Sep¬
ticämie bei Kaninchen durch Impfung mit Blut von einem an Tetanus
und einem an Lungengangrän eingegangenen Pferde; Krajewski
durch Impfung mit dem Leberblut eines an Staupe verendeten Hundes.
Die septischen Bacterien zerstören die rothen Blutkörperchen,
stören den Gesammtstoffwechsel, verursachen Verfettungen der drüsigen
Organe und Muskeln und tödten durch Asphyxie. Nach dem Tode
bei beginnender Fäulniss gehen die septischen Bacterien unter, gleich
den Milzbrand bacterien und anderen Contagien.
Zwischen den putriden Blutzersetzungen und der contagiösen
Septicämie giebt es eine Menge Uebergangsstufen, die in ihrer Wir¬
kung ähnlich sind. Die Formen der Bacterien sind hierbei nicht
typisch, sondern ihre differenten chemischen Eigenschaften; man findet
Kugel-, Ketten-, Stab- und Fadenformen. Die Widersprüche in der
Anschauung der verschiedenen Autoren in der Frage über die Be¬
deutung der Bacterien lösen sich bei genauer Betrachtung von selber,
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Wundin fectionskrankheiten.
329
wenn man berücksichtigt, dass die Bacterien schädliche Stoffe produ-
ciren, die gleich deletär wirken, wie die Bacterien selbst, und die
durch Kochen, Alkohol und andere Desinfectionsmittel nicht mehr
zerstörbar sind, aber in gerader Linie von den Bacterien her¬
stammen.
Frisches septisches und putrides Blut kann aber durch Desin¬
fectionsmittel unwirksam gemacht werden, ist wenigstens nicht ver-
impf bar, und seine Wirksamkeit dann allein abhängig von der Menge
der schon producirten schädlichen Stoffe. Die antiseptische Wund¬
behandlung beweist den Nutzen der Zerstörung der Bacterien auf
Wundflächen.
Der Umstand, dass die septischen Bacterien bald nach dem Tode
aus den Leichen verschwinden, hat ebenfalls zu Irrthümern Anlass
gegeben. Zuweilen findet man statt der Bacterien nur Dauersporen,
oft auch werden die septischen Bacterien in den Leichen durch die
bald auftretenden Fäulnissbacterien verdrängt und ist solches Blut
dann unwirksam.
Nach Impfungen mit septischem Blute findet man nicht gleich
darauf Bacterien im Blute der Geimpften, die Bacterien treten erst
in den Endstadien der Krankheit massenhaft auf und verleihen dem
Blute die infectiösen Eigenschaften.
Das septische Contagium wird nicht durch die unverletzte Haut
und gesunde Schleimhäute, ebenso auch nicht durch die Lungen und
gut granulirende Wunden aufgenommen. Am intensivsten wirkt es
von frischen Wunden und vom subcutanen Bindegewebe aus. Wenn
sich septisches Contagium zu Phlegmonen, eitrigem Zerfall von
Thromben und zu metastatischen Processen hinzugesellt, so entwickelt
sich eine Mischkrankheit, die man als Septicopyämie bezeichnet.
Die Pyämie ist aber eine Krankheit für sich und wesentlich
verschieden von der Septicämie. Die Pyämie entsteht nach den älteren
Anschauungen durch einen jeden Eintritt von Eiter ins Blut von Ge¬
schwüren und Eiterherden aus, Verschleppung des Eiters und Ablage¬
rung desselben in den kleineren Blutgefässen und Capillaren mit
Bildung metastatischer Herde. Spätere Experimentatoren haben diese
Anschauung als nicht stichhaltig erwiesen; denn Injectionen grosser
Mengen frischen guten Eiters ins Blut werden ohne schädliche Folgen
ertragen; ebenso kann der Eiter bei Phlegmonen und eitrigen Infil¬
trationen ohne Nachtheil wieder resorbirt werden, weil die Eiterkör¬
perchen als solche nicht so sehr von den farblosen Blutkörperchen
Archiv f. wlaaenach. o. prakt. Thierhallk. VII. 4 u 5. 22
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SEMMEtt,
differiren und die Blutcapillaren leicht passiren können. Frischer
Eiter wirkt allenfalls fiebererregend, zur Pyämie gehört aber ein ganz
besonderer specifischer Eiter.
Schon N. Massa lehrte, dass der Eiter wandere, und nach
Boerhave (1711) dringt der Eiter durch corrodirte Blutgefässe ins
Blut. Morgagni sprach die Ansicht aus, dass der ins Blut gedrun¬
gene Eiter in engen Wegen stecken bleibe und neuen Eiter erzeuge.
Hunter leitet die Pyämie von Venenentzündung und Aufnahme der
Entzündungsproducte ins Blut her.
Cruveilhier legte besonderes Gewicht auf die Coagulation des
Blutes und wurde somit Begründer der von Virchow ausgeführten
embolischen Theorie.
Andral leitete die Pyämie von Aufnahme zersetzten Eiters ab
und Sedillot machte die Wirkung von dem Grade der Putriditat
abhängig, bezeichnete die Pyämie als purulente Infection (1849) und
trennte die Pyämie von der Septicopyämie oder putriden Infection.
Auch Rokitansky leitet die Pyämie von zersetztem Eiter ab.
Virchow legt das Hauptgewicht auf die embolischen Processe.
Viele Autoren haben aber nachgewiesen, dass der Eiter als solcher
weder Pyämie noch metastatische Processe erzeugt. Gaspard (1808),
Weber, Billroth (1863), Frese (1866) und Kettler (1867) haben
ferner constatirt, dass fauliger, zersetzter Eiter nicht als Eiter schäd¬
lich wirkt, sondern durch die darin enthaltenen Zersetzungsproducte.
Schon Arndt nahm (1830) bei der Pyämie einen Infectionsstoff
an, der ähnlich wie das Leichengift wirke, und Roser bezeichnete
die Pyämie als Zymose.
Durch Arbeiten von Guerin, Chassaignac, Litzmann, Sem-
melweiss, Simpson, Stromeyer, Birch-Hirschfeld u. A. ist
es ohne Zweifel nachgewiesen, dass die Pyämie durch ein Miasma
hervorgerufen wird und entschieden contagiöse Eigenschaften erlangt.
Zur Pyämie gehört ein ganz specifischer, an niederen Organismen aus
der Gruppe der Mikrococcen reicher Eiter. Diese Mikrococcen be¬
sitzen ganz besondere chemische und toxische Eigenschaften, sie dringen
in die Eiterkörperchen, durchsetzen das Eiterserum, gelangen von den
Wundflächen aus in die Lymph- und Blutgefässe oder in etwa vor¬
handene Thromben, mit deren Zerfallsproducten sie fortgeschwemmt
werden und in letzterem Falle Anlass zu metastatischen entzündlichen
Processen geben. Sie gehören den Aeroben an, bilden ein wirkliches
Contagium und wirken fieber-, entzündungs- und eitererregend.
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W undinfectionskrankheiten.
331
Nach Birch-Hirschfeld sind die Eiterkörperchen in gutem,
frischen Eiter gleichmässig gross, kugelig, scharf contourirt, ohne
sichtbaren Kern; das Serum ist klar, enthält allenfalls etwas Detritus¬
massen und einzelne Fäulnissorganismen. In pyämischem Eiter sind
die Eiterkörperchen verschieden gross, weniger scharf contourirt,
stachelig, uneben, grob granulirt, dunkler, mit deutlichem Kern und
enthalten zahlreiche Mikrococcen; das Eiterserum ist gefüllt mitMikro-
coccen und Kettenbacterien, und solche finden sich bei der Pyämie
auch im Blute. Aehnliche Befunde wurden von Rindfleisch, Reck¬
linghausen, Sanderson, Vogt, Waldeyer, Israel und mir bei
der Pyämie constatirt.
Birch-Hirschfeld wies ferner nach, dass subcutane Injectionen
eines Tropfens gutartigen Eiters weder locale noch Allgemeinerschei¬
nungen hervorriefen, während Injectionen gleicher Mengen pyämischen
Eiters Fieber und den Tod in 7—24 Tagen zur Folge hatten. An der
Injectionsstelle entstand ausgedehnte Vereiterung; im Eiter, Blut, in
den Nieren, • der Leber und Milz fanden sich zahlreiche Mikrococcen.
Injectionen putrider Wundsecrete dagegen hatten Gangrän oder putride
Vergiftung zur Folge.
Zu ähnlichen Resultaten kamen Schüller, Hüter, Reckling¬
hausen, Klebs, Vogt u. A.
Daraus geht hervor, dass die Pyämie sowohl von der putriden
Intoxication als auch von der Septicämie streng geschieden werden
muss; mit der Septicämie hat sie nur die Contagiosität gemein. So¬
wohl das Krankheitsbild als auch der pathologisch-anatomische Befund
verhält sich bei der Pyämie ganz anders als bei der Septicämie. Es
fehlen bei der Pyämie die missfarbige Beschaffenheit des Blutes, die
Ecchymosen und Imbibitionen, die bräunlichen Transsudate in den
serösen Höhlen, der eigenthümlich stechend faulige Geruch und die
schnelle Fäulniss der Cadaver, der Zerfall der rothen Blutkörperchen
und die Stab- und Fadenbacterien, welche bei der Septicämie grösserer
Thiere stets angetroffen werden.
Nach den von mir gemachten Erfahrungen verläuft die Pyämie
bei den Thieren mit und ohne Metastasen.
Wenn die Mikrococcen in eitrig zerfallende* Thromben eindringen
und Partikel solcher Thromben mit dem Blutstrora verschleppt und
anderweitig eingekeilt werden, so erregen die mitgeführten Mikro¬
coccen Entzündung und Eiterung in der Umgebung des Embolus. Es
bilden sich metastatische Abscesse aus, besonders in den Lungen,
22 *
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SEMMER,
Nieren, der Leber. Fehlt dagegen eitriger Zerfall gebildeter Thromben,
so kann die Pyämie auch ohne Metastasen verlaufen; man findet
dann nur zahlreiche Mikrococcen und Zusammenballungen mikrococcen-
haltiger, farbloser Blutkörperchen im Blute.
Besonders häufig gehen die phlegmonös-eitrigen Entzündungen
mit diffuser, eitriger Infiltration und Bacterienverbreitung durch die
Bindegewebsinterstitien in Pyämie aus; aber auch Phlebiten und alle
bedeutenderen Geschwürsbildungen und Eiterungen können in Pyämie
übergehen.
Die Symptome der Pyämie sind: Schüttelfröste, Fieber, beschleu¬
nigter Puls, beschleunigte Respiration, Schweiss, Durst, Appetitlosig¬
keit, belegte Zunge, Gelbfärbung der Schleimhäute, Mattigkeit, Nie¬
dergeschlagenheit, Sopor, Dispnoe. Der Eiter an den Wunden wird
dünn, missfarbig, die Wunden werden schmerzhaft, die Umgebung
derselben ödematös.
Der Verlauf der Pyämie ist ein subacuter und acuter, selten
chronischer; der gewöhnliche Ausgang der Tod.
Therapie.
Da sämmtliche Wundinfectionskrankheiten durch niedere Orga¬
nismen aus der Gruppe der Schizomyceten verursacht werden, so ist
es Aufgabe der Wundbehandlung, solche Organismen von den Wunden
fern zu halten, und wo sie sich schon festgesetzt, durch geeignete
Mittel zu zerstören.
Das Fernhalten der niederen Organismen kann auf verschiedenem
Wege erzielt werden. Oft genügt eine gehörige Ventilation der Kran¬
kenräume, da ganz reine, trockene Luft besonders günstig für die
Wundheilung ist. Durch Bildung trockener Schorfe auf der Wunde
können ebenfalls die darunter gelegenen Theile vor Infection mit nie¬
deren Organismen geschützt werden. Dasselbe wird erzielt durch
fleissige Reinigung, Abwaschen mit reinem Wasser und durch bestän¬
dige Irrigation. Eine profuse Eiterung mit beständigem Abfluss des
Eiters ist ebenfalls geeignet, ein Eindringen der Mikroorganismen in
die tieferen Gewebsschichten zu verhüten, und endlich werden die
Infectionen vermieden durch Anwendung antiseptischer Waschungen,
Bäder und Verbandmittel.
Dumpfe, feuchte, unreine, stagnirende Luft, Anhäufungen von
Wundsecreten auf den Wundflächen, mangelhafte Reinigung, schlechtes
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Wundinfectionskrankheiten.
333
Anlegen und zu seltenes Wechseln der Verbände sind am meisten
geeignet zum Eindringen der verschiedenen niederen Organismen aus
der unreinen Luft und zur Vermehrung und Entwickelung solcher auf
den Wundflächen.
Wo bereits Patienten mit accessorischen Wundkrankheiten vor¬
handen sind, da verbreiten sich solche oft über ein ganzes Spital,
und so entstehen periodenweise Massenerkrankungen an Wunddiph¬
therie, Wundervsipel, Gangrän, Phlegmone, Pyämie und Septicämie.
Die antiseptischen Mittel haben besonders den Zweck, die Ent¬
wickelung und Verbreitung dieser Wundkrankheiten zu verhüten.
Selbstverständlich wirken nicht alle sogenannten Antiseptica, deren
Zahl eine sehr grosse ist, gleich intensiv gegen alle genannten Wund¬
krankheiten, da jeder derselben specifisch verschiedene niedere Orga¬
nismen zu Grunde liegen, welche gegen die verschiedenen Mittel
keineswegs in gleicher Weise reagiren. Schon die Bacterien der ge¬
wöhnlichen Fäulniss verhalten sich gegen die Antiseptica sehr ver¬
schieden darnach, in welchem Nährboden sie sich entwickelt haben
und aus welchen Quellen sie stammen.
Das Verhalten der gewöhnlichen Bacterien gegen Antiseptica ist
besonders studirt worden von Dungall, Billroth, Buchholz,
Haberkorn, Kühn, Jalan de la Croix u. A. Es wurden von
denselben eine grosse Menge der gebräuchlichsten Antiseptica in ihrer
Wirkung auf Bacterien geprüft. Sie fanden das Verhalten der Bac¬
terien verschieden nach dem Nährboden, in welchem dieselben ge¬
züchtet wurden, und zwar verschieden darnach, ob die Züchtungen in
Lösungen von Zucker, weinsaurem Ammoniak und phosphorsaurem
Kalk in Wasser, oder ob dieselben in Pflanzeninfusen, Harn, Eiweiss,
Fleischwasser vorgenommen und ob diese Flüssigkeiten vorher ge¬
kocht oder ungekocht benutzt wurden. Ferner war das Verhalten
der Bacterien darnach verschieden, ob ihre Keime aus schon angc-
stellten Culturen oder aus der Luft stammten.
Die Fäulnissbacterien verhalten sich ausserdem je nach den ver¬
schiedenen Stadien der Fäulniss verschieden.
Eine Prüfung der Antiseptica in ihrer Wirkung auf specifische
niedere Organismen und Contagien ist bisher nur von wenigen Autoren
ausgeführt worden. Die hauptsächlichsten Arbeiten, die sich hierauf
beziehen, sind folgende:
Davaine fand, dass das Milzbrandcontagium zerstört wird
durch längeres Erwärmen auf mehr als 50° C.; durch Lösungen von
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334
SEMMER,
Chromsäure 1:5000—6000, Salzsäure 1:3000, Kali hypermangani-
cum 1: 1000—1250, Schwefelsäure 1 : 5000, Jodlösung 1 :12000,
Chlornätrium 1 : 600, Aetzkali 1 : 375, Ammoniak 1 : 100, kiesel¬
saures Natron, Weinessig und Carbolsäure 1 : 100—150.
Declat fand die Carbolsäure (lprocentige Lösungen) gegen den
Milzbrand wirksam; Cesard die Jodtinctur 1:500—4000.
Feser konnte das Milzbrandcontagium durch Zusatz von 0,1 bis
0,5 Grm. Saljcylsäure auf 1 Grm. wirksamer Milzbrandsubstanz zer¬
stören.
Bert vernichtete die Virulenz des Milzbrandblutes durch com-
primirten Sauerstoff und absoluten Alkohol.
Orth zerstörte die Virulenz des erysipelatösen Exsudats
durch 2procentige Carboisäurelösungen.
Nach Nedswetzky wird die Bewegungs- und Fortpflanzungs¬
fähigkeit der Cholerabacterien vernichtet von Salzsäure 1 : 1820,
Salpetersäure 1: 240, Schwefelsäure 1 : 240, Tannin 1:48, Chlor¬
wasser 1 : 24 und Eisenvitriol 1:4.
Nach Braidwood u. Vacher heben eine Reihe von Metallsal¬
zen, Mineral- und Pflanzensäuren die Wirksamkeit der Kuhpocken¬
lymphe auf, namentlich schwefelige Säure, Chlor, Kupferalaun,
Eisenalaun, Ozon, die Terebene, Kali hypermanganicum, Carbolsäure
(öprocentige), Carboiglycerin, salzsaures Chinin.
Nach Davaine wird die Wirksamkeit septischen Blutes zer¬
stört durch Phenylsäure in lprocentiger Lösung, kieselsaures Natron
(lproc.), Aetzkali und Schwefelsäure in 15proc. Lösung, Chromsäure
1 : 3000, Kali hypermang. 1 : 3000, Jod 1 : 10000.
Onimus vernichtete die Wirksamkeit septischen Blutes durch
Carbolsäure, Alkohol, Jodtinctur, Salpetersäure, Schwefelsäure und
Sublimat.
Nach Dreyer wird die Wirkung des septischen Blutes aufge¬
hoben durch Carbolsäure (2—3proc. Lösung), Kali hypermanganicum
1 : 3000 und Chlorwasser.
Gutmann zerstörte die Wirksamkeit septischen Blutes durch
absoluten Alkohol, 4proc. Carboisäurelösungen und durch Kochen.
Nach Krajewski wird das septische Contagium unwirksam ge¬
macht durch Jod 1:5760, Sublimat 1:400, Salicylsäure 1:300,
Kupfervitriol 1 : 160, Schwefelsäure 1 : 160, Carbolsäure 1 :160,
Höllenstein 1:160, Aetzkali 1:160, Aetznatron 1 : 160, Salzsäure
1:80. carbolsaures Natron, Thymol 1:40, Chlorkalk, Plumb. acet.,
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Wundinfectionskrankheiten.
335
Ferr. sulphuricum, Salpetersäure, benzoesaures Natron 1:20, Al¬
kohol 1:1.
Die Fortpflanzungsfähigkeit der in Kaninchenbouillon bei 35 bis
40° C. gezüchteten Bacterien der Kaninchensepticämie wird nach
Krajewski vernichtet durch lOproc. Lösungen von Carbolsäure,
Schwefelsäure, Salzsäure, Kupfervitriol, Höllenstein, Aetzkali, 4proc.
Sublimatlösungen und absoluten Alkohol.
Das verimpfbare Exsudat bei erysipelatösen Entzündungen
wird nach Krajewski unwirksam gemacht durch lOproc. Lösungen
von Carbolsäure, Aetzkali, Aetznatron, Höllenstein und Kupfervitriol
und durch 2proc. Sublimatlösungen.
Da sich bei unseren grösseren Hausthieren luftdicht schliessendo
antiseptische Verbände schwer anbringen lassen und die ßacterien-
entwickelung unter schlechten, unreinen Verbänden erst recht vor sich
geht, so empfiehlt Pütz mit Recht bei den Hausthieren vorzugsweise
die offene Wundbehandlung und nur da antiseptische Verbände, wo
sich solche gut anbringen lassen, wie an den unteren Extremitäten¬
enden.
Aber auch bei der offenen Wundbehandlung leisten antiseptische
Waschungen, Irrigationen und Bäder vortreffliche Dienste.
Pütz empfiehlt als Antiseptica für die Thierheilkunde die Car¬
bolsäure, die Salicylsäure, die Borsäure, die Benzoesäure, Zinkchlorid
und die essigsaure Thonerde; als Aetzmittel die Salzsäure, Zinkchlorid
und Antimonchlorid.
Zur Verhütung der Wundinfectionskrankheiten dürften alle oben
angeführten Mittel, die sich zur Zerstörung des Contagiums der Sep-
ticämie und des Erysipels bewährt haben, in den angegebenen Lö¬
sungen zu Waschungen, Bädern, Umschlägen, Verbänden und Injectio-
nen zu empfehlen sein.
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XV.
Ueber einen Fall von Knoohenrotz.
Von
Kreisthierarzt L Grebe in Altena.
Die Krankheit, welche wir mit dem Namen Knochenrotz bezeich¬
nen, kommt nicht häufig vor. In der Literatur finden sich bis jetzt
nur zwei Fälle verzeichnet, bei welchen der Rotzprocess seinen Sitz
im Knochengewebe hatte. Unter solchen Umständen dürfte die Patho-
graphie eines von mir beobachteten Falles von Knochenrotz nicht
ohne Interesse sein.
In Folge amtlicher Aufforderung untersuchte ich am 5. Januar
1880 in dem Orte Kierspe, Kreis Altena, ein Pferd wegen Rotzver¬
dacht. Drei Geschwülste, die sich an verschiedenen Stellen des Kör¬
pers gebildet hatten, und auffallendes Zurückgehen im Ernährungs¬
zustände bei reichlichem Futter und gutem Appetit, waren die Ursache
des Verdachts.
Status praesens. Das qu. Pferd ist ein kaum raittelmässig
genährter, etwa 18 Jahre alter Wallach hiesigen Landschlages. Auf
beiden Seiten der Wirbelsäule, ungefähr zwei Finger breit von den
Dornfortsätzen entfernt, befindet sich in der Gegend der letzten Rippen
ein handgrosser Tumor von unregelmässig höckeriger Form. Jeder
derselben erhebt sich mit vielfach eingezogenem, etwa 2 Ctm. hohem
Rande von der Umgebung und erreicht auf seiner erhabensten Stelle
eine Höhe von 4 Ctm. Die Oberflächen derselben sind nur spärlich
mit gesträubten, glanzlosen Haaren besetzt und enthalten zahlreiche,
kleine, trichterförmige Vertiefungen. Die Haut sitzt fest auf. Die
Tumoren nehmen keinen Fingereindruck an, sind hart, schmerzlos und
{scheinen von normaler Temperatur.
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Knochen roiz.
337
Die untere Fläche der Brust ist merklich geschwollen. Die
Geschwulst erstreckt sich vom Schaufelknorpel des Brustbeins bis
zwischen die Vorderschenkel. Ihre deutlich sichtbaren Seitenränder
erreichen die Gegend der äusseren Brustvenen. Das Betasten der¬
selben verursacht dem Thiere keinen Schmerz. Die Anschwellung
fühlt sich teigig an, ist nicht vermehrt warm und hat eine glatte
Oberfläche. Die Haut über derselben lässt sich nicht aufheben.
Die Axillardrüsen sind beiderseits als umfangreiche, harte Packete
deutlich fühlbar; die zufdhrenden Lymphgefässe der Schultern und
äusseren Brustwände treten strangartig hervor; die Lymphdrüsen ira
Kehlgange sind wahrnehmbar gelockert. Andere auf die. Rotzkrank¬
heit hindeutende Erscheinungen sind nicht vorhanden.
Die genaue Anamnese ergiebt, dass die Geschwülste auf dem
Rücken durch Confluenz mehrerer erbsen- bis haselnussgrosser Knoten,
die aufbrachen und eine gelbbraune, klebrige Flüssigkeit absonderten,
in dem Zeitraum von 4—5 Monaten nach und nach entstanden sind.
Die Geschwulst an der Unterbrust wird seit 10 Tagen bemerkt, und
zwar sofort in der jetzt noch bestehenden Grösse. Die Möglichkeit,
dass die Geschwülste in Folge Einwirkung äusserer Schädlichkeiten,
namentlich diejenigen auf dem Rücken durch Druck des Sattels,
entstanden sein könnten, wird von dem Eigenthümer des Pferdes,
der, beiläufig bemerkt, auf einem isolirten Gehöft Schmiederei und
^ Landwirtschaft betreibt, nicht zugegeben. Auch versichert derselbe,
dass fragliches Thier, welches er seit 15 Jahren besitzt, während der
beiden letzten Jahre mit einem anderen Pferde nicht in Berührung
gekommen sei.
♦ Das in Rede stehende Pferd wurde, von mir als rotzig erkannt,
sofort getödtet. Die Diagnose stützte sich auf die geschilderte Be¬
schaffenheit der Achseldrüsen und den Umstand, dass sich für die
in letzter Zeit allmählich eingetretene Magerkeit eine andere Ursache
nicht auffinden liess.
Anatomischer Befund. Einschnitte in die Geschwulst an der
Unterbrust ergeben, dass das subcutane Bindegewebe daselbst sulzig
infiltrirt und mit erbsengrossen, weissen Knoten, die mit einer eiter-
ähnlichen Masse gefüllt sind, dicht durchsetzt ist. Die indurirten
Achseldrüsen haben jede den Umfang und die Form eines sehr grossen
Apfels. Im Innern derselben liegen viele stecknadelkopfgrosse, mit
käsiger Masse erfüllte Herde. Die nächste Umgebung der Drüsen ist
verhärtet und hat eine gelblich-weisse Farbe, Die Wände der zu-
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338
GREBE,
führenden Lymphgefässe sind verdickt. Die Lungenpleura hat durch¬
weg eine graugelbe Farbe, ist getrübt und stellenweise verdickt.
Unter derselben sitzen gelblich-weisse, harte Knoten von Erbsen- bis
zu Bohnengrösse in unschätzbarer Anzahl. Sämmtliche Lymphdrüsen
des Körpers sind mehr oder weniger markig geschwollen, von gelb¬
licher Farbe.
Die Tumoren auf dem Rücken bestehen, wie Incisionen lehren,
aus einem mattgelben, festen, scheinbar nerven- und gefasslosen Ge¬
webe. Dasselbe wird von mehreren intensiv gelben, schmalen Strängen,
die augenscheinlich die Residuen obliterirter Gefasse sind, durchzogen
und enthält einzelne, sehr kleine, jedoch deutlich erkennbare, derbe
Knötchen von weisslicher Farbe.
Jedes dieser Gebilde ist an der Peripherie deutlich begrenzt und
hat den Umfang zweier Mannsfauste. Sie erstrecken sich von der
äusseren Haut, mit der sie adhärent sind, bis zu den Rippen, werden
nach der Tiefe hin immer fester und trockener und stehen mit den
convexen Flächen des 18. Rippenpaares in festem Zusammenhänge.
Nach Abtrennung der Neubildungen von den Rippen zeigen sich
letztere, soweit sie mit jenen verwachsen waren, in ihrem ganzen
Umfange erheblich verdickt. Diese Rippenanschwellungen haben eine
vorherrschend elliptische Form. Jede hat eine Länge von 14 Ctra.
Die linke misst an ihrer umfangreichsten Stelle 16, die rechte 13 Ctm.
Mit der Säge angelegte Querschnitte demonstrirei^ dass die Ver¬
dickungen der Rippen durch dem Knochengewebe angehörige Neu¬
bildungen entstanden sind. Die am meisten in die Augen fallende
Erscheinung ist die elfenbeinartige Beschaffenheit der Diploe. Es
lässt sich leicht erkennen, dass innerhalb der Rindensubstanz Ein¬
lagerungen compacter Knochenmassen von so gleichmässig dichtem
Gefüge in die Maschen der Diploe stattgefunden, dass von den Bälk-
chen und Maschenräumen der Spongiosa nichts wahrzunehmen ist. Die
Diploe zeigt auf der Schnittfläche eine durchweg gleichförmige, sehr
feste Masse von graugelber Farbe.
Zwischen Corticalis und Periost hat, wie an der Verdickung der
ersteren leicht zu ersehen, ebenfalls eine ossificirte Neubildung platz¬
gegriffen. Dieselbe umgiebt die Peripherie der Rindensubstanz im
ganzen Umfange der Geschwülste wie eine Kapsel, ist mit deren
Aussenfläche innig verschmolzen und besteht aus grobporöser Knochen¬
masse von hellgelber Farbe.
Das Periost, welches auf der der Brusthöhle zugewendeten Fläche
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Knochenrotz.
339
der Rippenanschwellungen von dem Brustfell und der Brustbinde be¬
deckt und mit denselben fest verwachsen ist, hat eine bläulich-weisse
Farbe, ist stark verdickt, lederartig und leicht abzulösen.
Die Aussenflächen der von der Beinhaut entblössten Rippen¬
geschwülste zeigen ein unebenes, höckeriges Ansehen und enthalten
zahlreiche Oeffnungen von sehr verschiedenem Durchmesser. Die bei
weitem meisten derselben sind so klein, dass sie kaum zu erkennen.
Viele sind stecknadelkopfgross, und einige, in die man leicht mit der
Sonde eindringen kann, haben den Umfang kleiner Linsen.
Ausserdem fallen zwei nahe an einander stehende Löcher, die
sich auf der äusseren Fläche, nahe am vorderen Rande der Anschwel¬
lung der linken Rippe befinden, durch ihre Grösse auf. Dieselben
haben nämlich den Umfang grosser Erbsen. Die genaue Untersuchung
derselben vermittelst Sonde und Säge weist nach, dass sie die Ein¬
gangsöffnungen unregelmässig gestalteter Hohlräume sind, die, vielfach
unter einander communicirend, sich bis in die sclerosirte Marksubstanz
verfolgen lassen. Diese Hohlräume enthalten spärliche Mengen einer
durchweg trockenen, bröckeligen Masse von gelblich-weisser Farbe.
Weitere Anomalien sind an den betreffenden Rippen nicht wahrzu¬
nehmen.
Alle übrigen Organe, sowie auch besonders die Schleimhaut der
Kopfhöhlen und der Trachea, erscheinen normal.
Der Befund lässt nicht den geringsten Zweifel darüber auf kom¬
men, dass das fragliche Pferd mit der Rotzkrankheit behaftet gewesen
ist. Die unter der Lungenpleura Vorgefundenen harten Knoten sind
als inveterirte rotzige Veränderungen aufzufassen. Dagegen müssen
die in dem subcutanen Bindegewebe der Unterbrust infiltrirten eite¬
rigen Herde als Producte jüngerer Rotzprocesse angesprochen werden.
Die Abnormitäten an den Rippen gehören ebenfalls in die Kate¬
gorie der specifisch-rotzigen Neubildungen. Dass die Knochenentar¬
tungen nicht etwa die Folgen einer einfachen traumatischen Entzün¬
dung sind, lässt sich aus den krankhaften Erscheinungen sicher er¬
schlossen. Vor Allem ist es die Eburnation der Markräurae, welche
die maligne Natur der Veränderungen mit Sicherheit bekundet. Letz¬
tere sind entschieden Producte der chronisch verlaufenden Osteomye¬
litis. Durch klinische Beobachtungen ist aber längst festgcstellt,
dass der chronischen Knochenmarkentzündung in sehr vielen Fällen
eiue dyskratische Ursache zu Grunde liegt. Ganz besonders aber
lässt die Destruction der Knochenmassen und nicht minder auch die
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340
GREBE,
mit miliaren Knötchen durchsetzte sclerosirte Musculatur in der Nähe
der entarteten Rippenpartien über die specifisch rotzige Eigenschaft
des Knochenleidens keinen Zweifel aufkomraen.
Hinsichtlich des ätiologischen Moments der rotzigen Knochen-
affection kann man ohne Bedenken annehmen, dass dieselbe mit den
rotzigen Veränderungen in den Lungen in genetischem Zusammenhänge
stand; dass das Rotzgift von den Lungen her entweder durch Ver¬
mittelung der Circulation oder per continuitatem et contiguitatem
ohne eine traumatische Ursache übertragen wurde, mithin eine wirk¬
liche Metastase war.
Es ist zwar nicht unmöglich, dass die Entzündung, welche wir
als den rotzigen Knochenneubildungen vorausgehend betrachten müssen,
mitunter traumatischen Ursprungs ist und erst unter der Einwirkung
des rotzigen Contagiums den malignen Charakter annirarat. Berück¬
sichtigt man jedoch, dass die Bedingungen für eine traumatische
Knochenentzündung höchst ungünstig waren, indem die Rippen an der
Stelle ihrer Erkrankung gegen mechanische Insulte durch starke Mus¬
kellagen vorzugsweise geschützt sind, so möchte doch für den vor¬
liegenden Fall die erste Deutung die richtige sein.
Es lässt sich vielleicht darüber streiten, wo der Angriff des
rotzigen Virus stattgehabt, ob im Knochen oder im Periost. Ich
möchte mich zu der Ansicht hinneigen, dass, wie in der Regel bei
chronisch entzündlichen Knochenerkrankungen, das Periost zuerst er¬
krankt und erst später der pathologische Process durch Vermittelung
der Blutgefässe sich in das Innere des Knochens fortpflanzt, auch in
unserem Falle die Erkrankung des Periosts die primäre war. Es
spricht dafür auch ferner noch der ganze Krankheitsverlauf. Den Weg,
welchen die Infection genommen, würde man kurz also bezeichnen:
Lungen, Pleura, Muskeln, Periost, Knochen.
Nachdem das Periost durch die Infection des Giftes in Entzün¬
dung gerathen, pflanzte sich letztere, wie schon vorher gesagt, durch
die Blutgefässe in das Knochengewebe fort. Massenhafte Granula¬
tionen erweiterten die natürlichen feinen Gänge, durch welche die
Blutgefässe in den Knochen eindringen. Das reichlich wuchernde
Granulationsgewebe zerstörte vermittelst seiner specifisch infectiösen
Eigenschaft durch Auflösung und Verflüssigung die Wände der Knochen¬
canäle, überwucherte dieselben und legte durch theilweise Ossification
den Grund zu inneren und äusseren Knochenauflagerungen; während
der Rest in Folge des ihm anhaftenden Rotzcontagiums der Necrose
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Knochenrotz.
341
verfiel. Die beiderseitige Veränderung der Granulationen, das ist die
Schrumpfung und Ossification, sowie der trockene Zerfall, gab die
Veranlassung zur Bildung sinuöser und fistulöser Hohlgänge und der
in denselben enthaltenen trockenen Zerfallsmassen.
Andererseits wurden durch die Erkrankung des Periosts auch die
benachbarten Weichtheile in Mitleidenschaft gezogen, als deren Folge
wir die Sclerose der Musculatur, die Verdickung und Verwachsung
der Cutis, sowie die in den Tumoren vereinzelt eingestreuten Knötchen
betrachten dürfen. Die trichterförmigen Vertiefungen auf der Ober¬
fläche der Haut, sowie die narbigen Einziehungen der Geschwulst-
r änder lasssen sich mit Sicherheit auf die Veränderungen in der Mus¬
culatur zurückführen.
Ich möchte noch ausdrücklich betonen, dass, während bei son¬
stigen chronisch entzündlichen Knochenaffectionen, mögen sie spontan
oder durch Trauma entstanden sein, die Granulationen zunächst eiterig
zerfallen, bei der Rotzinfection stets eine Necrose derselben stattfindet.
Deshalb finden wir auch in allen Fällen von rotzigen Knochenerkran¬
kungen diese trockenen Zerfallsmassen, und gerade hierdurch wird
die Diagnose auf Knochenrotz erheblich gesichert.
Vorbericht und Befund berechtigen zu dem Schlüsse, dass die
Rotzkrankheit seit langer Zeit, vielleicht seit Jahren, latent war.
Den Fall selbst halte ich deshalb für besonders interessant, weil er
aufs Neue beweist, dass die Localisation der constitutionellen Rotz¬
krankheit viel mannigfaltiger ist, als man früher verrauthet hat.
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Referate und Kritiken.
Die Buchner’schen Forschungen Aber die ■ilzbr&nd&tiologie. l ) Von
Prof. Feser in München.
Seit der ausgezeichneten Arbeit Dr. Koch’s über die Entwicke¬
lungsgeschichte des Milzbrandparasiten hat keine hierauf bezügliche
Forschung mehr Aufsehen gemacht, als die des königl. bayerischen
Assistenzarztes und nunmehrigen Privatdocenten Dr. Hans Büchner
in München, welcher der Münchener medicinischen Facultät pro venia
legendi im vergangenen Jahre die Resultate vieler vortrefflich gelei¬
teter und durchdachter Versuche „Ueber die experimentelle Er¬
zeugung des Milzbrandcontagiums aus den Heupilzen und
über die Entstehung des Milzbrandes durch Einathmung“ 2 )
vorgelegt hat.
Wer sich, wie ich, seit längerer Zeit im gleichen Gebiete arbei¬
tend bewegt hat, empfindet grosse Freude über solche glänzenden
Ergebnisse, und wer wieder wie ich sich vom exacten und gewissen¬
haften Experimentiren Dr. Buchner’s überzeugt und seine Versuche
theilweise durch Anschauung verfolgt hat, darf sich gestatten, ein
ausführliches Referat darüber mitzutheilen. Ich halte mich um so
mehr dazu verpflichtet, als ich von der eminent hohen Bedeutung der
ßuchner’schen Arbeiten auch für die praktische Seuchenbehandlung
überzeugt bin und ich meine Beurtheilung über die vorliegenden For¬
schungen vielfältig auf eigene Erfahrungen stützen kann.
Besonders der erste Theil der Buchner’schen Publication, „die
experimentelle Erzeugung des Milzbrandcontaginms aus
! ) Nach einem Vortrage im thierärztlichen Verein in München, November
1880 und Januar 1881.
2 ) München, akademische Buchdruckerei von F. Straub, 1880.
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Referate und Kritiken.
343
den Heupilzen“, verdient unsere Beachtung, denn er muss noth-
wendig unsere bisherige Vorstellung über die natürliche Aetioiogie
des Milzbrandes grundsätzlich ändern und eröffnet uns Analogien für
andere sich ähnlich verhaltende Seuchen.
Ausgehend von der durch Prof. Nägeli in München auf Grund
allgemeiner physiologischer Thatsachen aufgestellten Theorie von der
functioneilen Anpassung der Spaltpilze als Krankheitserreger 1 ), stu-
dirte Büchner im pflanzenphysiologischen Institut in München das
Verhalten des von mir gelieferten Milzbrandparasiten bei künstlichen
Culturen, wobei er insbesondere die Constanz seiner Eigenschaften und
und namentlich seiner infectiösen Wirksamkeit ins Auge fasste. Er
stellte sich die Frage, ob Veränderungen an diesen Pilzen durch lange
fortgesetzte Züchtung in künstlichen Nährlösungen bewirkt werden
können. Zur fortgesetzten Züchtung benutzte Büchner einen Apparat,
der die Uebertragbarkeit der Pilze der ersten Reincultur von Nähr¬
lösung zu Nährlösung im pilzfreien Raume ermöglichte und gegen
Hinzutreten anderer Pilzformen ausreichende Sicherheit gewährte. Der
Apparat bestand aus einem grossen Gefäss zur Aufnahme der pilz-
freien Reservenährlösung (Lösungen von Fleischextract mit oder ohne
Pepton- oder Zuckerzusatz) und einem kleinen, durch einen seitlichen
Tubus damit verbundenen Züchtungsgefäss, in welches aus dem Re¬
serveglas durch einfaches Neigen des letzteren Nährlösung zufliessen
konnte. Die nach aussen führenden Gefasse wurden pilzdicht ver¬
schlossen, das Ganze im Dampfkessel keimfrei gemacht. Das Züch-
tungsgefass wurde nun unter kurzdauernder Oeffnung des Verschlusses
mit einer Reincultur von Milzbrandbacterien inficirt. Nun brauchte
dieser Verschluss nicht mehr geöffnet zu werden. Nach Ablauf der
Vegetation im Züchtungsgefäss bei 35—37° C. unter Anwendung
eines Schüttelapparates, der ersterem eine constante Bewegung or¬
theilte und für eine genügende Zufuhr von Sauerstoff Sorge trug,
konnte die Pilzflüssigkeit aus dessen Boden durch eine verschliessbare
enge Oeffnung abgelassen werden, die weder ein Eintreten von Luft,
noch einen Rücktritt der abgelaufenen Pilzflüssigkeit gestattete und
daher jedem fremden Pilz den Eintritt verwehrte. Die dabei im
Züchtungsgefäss zurückbleibenden Reste der Pilzflüssigkeit dienten
l ) Prof. Karsten hat übrigens schon viel früher die Abhängigkeit der
Entwickelnng und der Wirkung niederer Pilze von der ihnen gebotenen Nahrung
betont — s. Chemismus der Pflanzenzelle. Wien, 1869. Wilhelm Braumüller.
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344
PESER.
jedesmal zur weiteren Infection der aus dem Reserveglas neu hinzu¬
gegebenen Nährlösung. So konnte bis zu iy 2 Monaten bei täglich
ein- bis zweimaliger Zugabe neuer Nährlösung fortgeziichtet werden.
Mit den erhaltenen Pilzflüssigkeiten wurden fortlaufende Infections-
versuche bei weissen Mäusen gemacht, die für Milzbrand sehr empfäng¬
lich sind und überdies keine merkliche Verschiedenheit der individuellen
Disposition für diese Krankheit erkennen lassen.
Das Ergebniss dieser Züchtungsversuche mit parallel gehenden
Impfungen bestand merkwürdigerweise nun zunächst darin, dass die
infectiöse Wirksamkeit der Pilze um so geringer wurde, je mehr
Generationen dieselben in . der künstlichen Nährlösung zurückgelegt
hatten. Trotz der vollkommen morphologischen Uebereinstimmung
aller durch die Züchtung erhaltenen Pilze, trotz der völligen Gleich¬
heit ihres chemischen Verhaltens und ihrer Wachsthums weise, zeigte
sich bei jeder Wiederholung des Versuchs, dass die anfangs positiv
ausfallenden Impfungen nach einiger Zeit keinen Erfolg mehr hatten.
Dabei machte sich ein Unterschied geltend bezüglich der Nährlösung
und der zur wirksamen Impfung benöthigten Pilzquantität. In
einem Versuch mit Ernährung durch blosse Fleischextractlösung erwies
sich beispielsweise bei Anwendung einer geringen Impfquantität die
1. Pilzzüchtung noch wirksam, dagegen nicht mehr die 2., 3., 4. bei
gleicher Pilzmenge; während die 5. bei grösserer Pilzmenge wieder
wirkte, die 6. bei der gleichen Quantität aber unwirksam blieb. Ein
anderes Mal bei Ernährung mit Fieischextract, Pepton und Zucker,
war die 2. Züchtung wirksam, unwirksam die 3. und 4., wirksam
dagegen wieder die 5., als bei dieser eine grössere Impfmenge ange¬
wendet wurde. Es zeigte sich so bei diesem Verfahren einmal die
7., ein anderes Mal die 18., und endlich sogar noch die 36. Züchtung
wirksam; in letzterem Falle musste aber die enorme Mengen von
36 Cmra. des dichten, am Boden abgesetzten Pilzbreies verwendet
werden, der mindestens 100 Millionen Pilze enthielt.
Ueber die 36. Züchtung hinaus hatte aber auch die letztgenannte
grosse Pilzquantität keine Infectionsfahigkeit mehr. Die Bacterien
hatten somit, obwohl sie bezüglich ihrer Form und ihres
chemischen Verhaltens noch immer Milzbrandbacterien
waren, die Infectionsfähigkeit vollkommen verloren.
Bei fortgesetzter Züchtung traten nun aber auch ganz allmählich
Veränderungen im chemischen Verhalten und in der Wachsthumsart
ein, die einen stattfindenden Uebergang zu den sogenannten Heupilzen,
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Referate und Kritiken.
345
welche in Henaufgössen sich finden, unzweifelhaft erkennen Hessen.
Etwa von der 100. Züchtung an, welche ungefähr der 700. Pilzgene¬
ration entspricht, zeigten die Pilze im Züchtungsgefäss oben einen
Ueberzug, was bei der 900. Pilzgeneration das bisherige Schüttelungs¬
verfahren am Apparate unmöglich machte und die Weiterzüchtung in
der Ruhe veranlasste, wobei sich eine starke weissliche Deckenbildung
bei sonst klarer Nährlösung ergab, was bei echten Milzbrandbacterien
niemals beobachtet wird. Die bis jetzt erhaltenen Decken der Pilz¬
wucherung stimmten wohl mit jenen der Heupilze noch nicht völlig
überein, sie waren noch glatt, schleimig, lose zusammenhängend;
in Heuaufguss vermehrten sie sich nur ausserordentlich langsam und
geringfügig und zeigten auch hier ein verkümmertes pathologisches
Aussehen; als aber diese Mittelform der Pilze bis zur 1100. Pilz¬
generation in blosser Fleischextractlösung fortgesetzt wurde und nun
wieder die Weiterzüchtung in Heuaufguss versucht wurde, trat, hier
eine reichliche Vermehrung derselben mit Bildung einer schleimigen,
lockeren Decke ein, die bei der weiter mit Heuaufguss fortgesetzten
Züchtung, bei der 1500. Pilzgeneration, jene gelbbräunliche, stark
gerunzelte, festere Beschaffenheit zeigte, wie sie bei echten Heupilz-
culturen vorkommt. Nun sei nicht der geringste Unterschied
mehr zwischen unmittelbar rein cultivirten Heupilzen wahr¬
zunehmen und die völlige Umwandlung der Milzbrandpilze
in Heupilze wäre erreicht worden. Dazu bedurfte es aber
einer, ein halbes Jahr andauernden, fortgesetzten Züchtung.
Nachdem in der vorbeschriebenen Weise Büchner den gene¬
tischen Zusammenhang der Heubacterien mit den Milzbrandbacterien
sicher festgestellt hielt, musste sich ihm die Frage aufdrängen, ob
nicht die häufig stattfindende autochthone Entwickelung des Milz¬
brandes auf eine in der Natur eintretende Umänderung der Heupilze
in die infectiöse Form zu beziehen sei.
Zunächst lag jedenfalls, die Cultur im lebenden thierischen Orga¬
nismus zu versuchen, nachdem ja doch in demselben Milzbrandbacte¬
rien, die ihre infectiöse Wirksamkeit durch fortgesetzte Züchtung
beinahe verloren hatten, dieselbe wieder von Neuem erhielten. Es
wurden daher mit den echten, von gewöhnlichem Heu durch Kochen
des Aufgusses unmittelbar rein cultivirten Heupilzen einige grössere
Versuchsreihen an Kaninchen ausgeführt. Diese erhielten verschiedene
Mengen der in eiweisshaltigen Nährflüssigkeiten und unter Sauerstoff¬
zufuhr rein gezüchteten Heupilze intraperitoneal injicirt Das Resultat
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FESER.
dieser Injectionen bestand darin, dass kleinere Mengen von Pilzflüs¬
sigkeit (immerhin doch 1—6 Ccm.) in der Regel ohne wahrnehmbare
Wirkung blieben. Erst grössere Injectionsmengen veranlassten in der
Mehrzahl der Fälle tödtlichen Ausgang, meist schon innerhalb 24
Stunden. Die Section ergab hier in den Organismen beinahe stets
reichlichen Gehalt an Heubacterien, jedoch in gleichmässiger Verthei-
lung, so dass es sich nur um eine einfache Vermischung der injicirten
Pilze im Körper handeln konnte und der Tod durch die giftigen Zer¬
setzungsstoffe der Heupilze bewirkt wurde. Letztere, die so in
grösserer Menge die Versuchsthiere tödteten, Hessen sich in keiner
Weise von den Pilzen vollständig entfernen. Nach dem mikrosko¬
pischen Bilde hätten die Heubacterien in den Cadavern wohl mit
Milzbrandbacterien verwechselt werden können, allein die kurze Zeit
von der Infection bis zum tödtlichen Ausgange hätte unmöglich ihre
Umwandlung in infectiöse Bacterien bewirken können, was denn auch
Controlzüchtungen und Controlimpfungen nachweisen Hessen.
Da somit auf diesem Wege nichts zu erreichen war, so wurde
die Züchtung der Heubacterien ausserhalb des Thierkörpers, anfangs
einige Male in Eiereiweiss, dann in defibrinirtem, frisch der Carotis
entzogenem Blute fortgesetzt. Das Blut befand sich bei Körper¬
temperatur in einem mit Sauerstoff reichlich versehenen Schüttel¬
apparat und wurde dadurch dessen arterielle Beschaffenheit möglichst
lange erhalten. Nach je 12 Stunden erfolgte stets neue Umzüchtung
in frischem Blute, so dass es nie zum Auftreten anderer Pilze kam.
Die im Blute bis zur 14. Cultur gezüchteten Heubacterien zeigten
nun merkwürdige Veränderungen in ihrem chemischen Verhalten und
ihrer Wachsthumsart, so dass sie nicht mehr als echte Heupilze,
sondern als eine Uebergangsform zu den Milzbrandpilzen — als die
schon oben beschriebene Mittelform im Uebergang der Milzbrand- zu
den Heupilzen — betrachtet werden mussten. Da eine weitere Um¬
änderung durch länger fortgesetzte Züchtung im Blute aussichtslos
gehalten wurde, kam es nun von Neuem zum Thierexperiment mit
diesen veränderten Heupilzen, was viel günstigere Aussichten bot.
Das Resultat war ein überraschendes: Kleinere Mengen der verän¬
derten Heupilze, sowie sie von echten Milzbrandbacterien bei weitem
zur Infection genügt hätten, blieben bei weissen Mäusen und Kanin¬
chen ohne Wirkung; grössere Impfquantitäten jedoch hatten den er¬
warteten Erfolg. Es entstand nun nach einer ganz regelmässig
jedesmal wiederkehrenden Incubationszeit von 4—6 Tagen,
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Referate nnd Kritiken.
347
während welcher die Thiere sich vollkommen munter zeigten,
eclatanter Milzbrand mit allen dazu gehörigen Befunden.
Das nun fertig gebildete Milzbrandcontagium, d. d. die echten Milz-
brandbacterien fanden sich in den Organen in grösster Menge, sie
zeigten bei Controlzüchtungen vollständig das charakteristische Ver¬
halten, und weiter geimpft bewirkten sie in sehr kleiner Menge und
ohne jene Incubationsdauer wie gewöhnlich innerhalb 24—48 Stunden
wiederum tödtlichen Milzbrand.
Dieser merkwürdige Erfolg trat aber nicht etwa ein einziges Mal
ein, sondern, nachdem die erforderliche Pilzmenge der Mittelform und
die beste Anwendungsweise gefunden war, in jedem einzelnen Falle,
so dass über Ursache und Wirkung hier kein Zweifel bestehen kann,
wenn bei dem geübten Infections- und Züchtungsverfahren eine unab¬
sichtliche Uebertragung von echtem Milzbrandcontagium auf die Thiere
vollständig ausgeschlossen war, was Büchner aufs Bestimmteste ver¬
sichert. Dieser Versicherung bringe ich allen Glauben entgegen, da
ich Büchner als gewissenhaften, exacten Experimentator kenne.
Damit wäre sonach der genetische Zusammenhang der Milzbrand-
bacterien mit den Heupilzen und die Möglichkeit des Ueberganges der
einen in die anderen vollkommen und in beiden Richtungen erwiesen
und die Aetiologie des Milzbrandes um ein geradezu gewaltiges Stück
vorgerückt. Die nächste Forschungsaufgabe wäre nun dahin zu rich¬
ten, ob nicht auch in den Milzbrandlocalitäten die daselbst unzweifelhaft
vegetirenden Heupilze zur autochthonen Milzbrandentstehung Veran¬
lassung geben. Ohne Rücksicht auf die grossartigen Versuchsergeb¬
nisse Büchner’s liess die seitherige Kenntniss über die Aetiologie
des Milzbrandes vermuthen, dass derselbe keineswegs ausschliesslich
durch directe Uebertragung oder durch restirendes Contagium von
einer früheren Erkrankung her verbreitet wird, sondern sich nament¬
lich in den Milzbranddistricten zeitweise aufs Neue an Thieren
aus natürlich daselbst vorkommenden Pilzelementen entwickelt. Aus
allen meinen in und um Lenggries während meiner Thätigkeit auf
der oberbayerischen Milzbrandversuchsstation vorgenommenen Arbeiten
geht offenkundig das Streben hervor, in der genannten Richtung Auf¬
klärung zu bekommen, und es gereicht mir zur hohen Befriedigung,
dass ich aus meinen Arbeiten nachweisen kann, wie nahe ich zu den
Buchner’schen Resultaten gerückt war, und dass ich mit der Zeit
auch ohne diese sie selbst hätte erzielen müssen.
Eine Auslese aus meinen bisherigen Publicationen und den amtlichen
23*
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348
PESER,
Berichten über meine Thätigkeit in Lenggries möge in Nachfolgendem
dies beweisen. Ich gebe solche absichtlich in einer gewissen Ausführ¬
lichkeit, weil damit die Buch ne r’schen Arbeiten ergänzt werden und
Fingerzeige genug gegeben werden, wie sich die Forschung über die
Milzbrandätiologie in den Milzbranddistrikten fortsetzen muss, um die
noch fehlenden Lücken auszufullen').
Schon im ersten Jahre meines Aufenthalts in Lenggries (1875)
fielen mir bei der Untersuchung der Milzbrandalpen die milchweissen
Schleimmassen auf der Oberfläche stagnirender Sumpfwasserstel¬
len auf,
S. 29 meiner Schrift: „Der Milzbrand auf den oberbayerischen
Alpen“ (München, bei Theodor Ackermann, 1877), sagte ich darüber:
„Vorstehende Alpenweidebeschreibung ergiebt zur Genüge, dass
ich mit Ausnahme der ron mehreren sumpfigen Stellen gewonnenen
roehlthauartigen Schlammmassen nichts gefunden habe, was als Milz¬
brandursache verdächtig erscheint. Aber auch mit diesem mehlthau-
artigen Schlamm, den ich zu Infectionsversuchen mehrfach verwendet
habe, liess sich kein Milzbrand erzeugen. Immerhin möchte ich
aber betonen, diesen mehlthauartigen Schlamm im Auge
zu behalten, da er einerseits bezüglich seiner einzelnen
mikroskopischen Formelemente (den Stäbchen) an die beim
Milzbrand im Blute und in den Geweben vorkommenden
Bacterien erinnert, und andererseits gerade da getroffen
wurde, wo dieses Jahr entweder Milzbrand beobachtet oder
von woher Streu bezogen wurde. Ersteres war auf der Lassl-
heimweide der Fall, letzteres beim Sägmüller am Leger. Auch auf
der Oberstickelalpe, die wegen der Gefährlichkeit als Milzbrandstation
gar nicht mehr bezogen wird, fand ich solchen Mehlthauschl&mm.
„Weiteren Beobachtungen und Untersuchungen muss es
Vorbehalten werden, die Bedeutung dieses weissen Schlam¬
mes festznstellen. Es wäre ja möglich, dass von da aus
nur zu gewissen Zeiten und unter gewissen Bedingungen
der Milzbrand seine Entstehung nimmt. Deshalb erachte
ich es für nöthig, solche schlaromhaltenden Sümpfe, be¬
sonders auf Milzbrandalpen und zur Zeit des Herrschens
') Auch möge dies beweisen, dass Büchner ans meinen Arbeiten, die ihm
bekannt waren, Anhaltspunkte genug für sein Studium erhielt, obwohl er der¬
selben nirgends erwähnt!
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Referate und Kritiken.
349
von Milzbrand, öfters zu untersuchen und mit den dabei
erhaltenen verdächtigen Objecten Experimente an Thieren
anzustellen. *
Zur Ergänzung vorstehender Mittheilung aus dem Jahre 1875
lasse ich noch folgende Stellen aus meiner Schrift folgen, welche die
Aetiologie der damals in Lenggries vorgefallenen Milzbrandfalle be¬
treffen.
S. 44: „m) Streu, mitten aus dem vor dem Hause neben dem
Verscbarrungsplatze liegenden Streuhaufen. Dieselbe ist fest zusam¬
mengepresst, sieht grösstentheils grau und staubig aus, ist theilweise
multrig, moderig und feucht; besteht grösstentheils aus sauren Sumpf¬
gräsern; stammt von einem Sumpfe der hinteren Graberweide aus
dem Jahre 1874. Mit destillirtem Wasser übergossen, bildete sich
nach 12 ständigem Stehen damit nach mehrmaligem Umrühren ein
feinpulveriger, graugelber Bodensatz, der nach der mikroskopischen
Untersuchung enthielt: Sehr viele, verschieden lange, zarte, feine,
bewegliche Bacterien, einzelne sind 0,005 Mm. lang und an den Enden
kolbig verdickt. Ferner unbewegliche Stäbe, gerade, gekniet, 0,01
bis 0,1 Mm. lang, den Milzbrandstäben sehr ähnlich. (Sehr viele.)
Rundliche, farblose Infusorien, sehr kleine, rundliche, helle, glänzende
Kügelchen. Von vorstehendem feinpulverigen Absatz der mit Wasser
übergossenen Streu bekamen am 2. September 1875 zwei Schafe je
5 Ccm. unter die Haut der Seitenbrust eingespritzt. Beide Schafe
blieben völlig gesund, es wurde weder allgemein noch örtlich an der
Infectionsstelle ein Nachtheil beobachtet. Sie blieben bis zum 20. Sep¬
tember in Beobachtung. Aus vorstehenden Beobachtungen und Unter¬
suchungen über den Milzbrandfall am Leger ergeben sich für die
Aetiologie des Milzbrandes, sowie für seine veterinärpolizeiliche Be¬
handlung wichtige Fingerzeige. In ersterer Beziehung bleibt trotz der
erfolglosen Impfversuche die von der etwa eine Stunde entfernt ge¬
legenen Milzbrandlocalität bezogene Sumpfstreu als einzig mögliche
Einschleppungsursache verdächtig. Diese Streu — schon vor einem
Jahre gesammelt — kann, was ganz gut denkbar ist, an einzelnen
Stellen der aus vielen Centnern bestehenden Masse noch wirkungs-
fähiges Milzbrandcontagium enthalten haben. Die darin nachgewie¬
senen Formelemente zeigten sich den Milzbrandbacterien äusserlich
völlig gleich. Wenn nun auch die zur Impfung benutzten sich nicht
schädlich erwiesen, so ist durch zwei Versuche mit einer einzigen
kleinen Probe aus der viele Centner schweren Masse noch nicht dar-
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350
FESER.
gethan, dass diese Unschädlichkeit auch in der ganzen Streu, die
schon äusserlich sehr verschiedenes Ansehen bot, bestand. Bedenkt
man, wie leicht durch Fäulniss oder Austrocknung das Milzbrandblut
selbst seine Virulenz einbüsst, so ist auch einzusehen, dass dies eben¬
sogut mit Theilen der Streu der Fall sein konnte. Dabei muss ferner
trotz der raschen Vernichtung des Milzbrandcontagiums durch einige
Einflüsse immer noch berücksichtigt werden, dass es auch Verhält¬
nisse geben kann, unter denen sich das Milzbrandcontagium länger
erhält, was obige Beobachtungen und Versuche mit der mit viel Wasser
gemischten Jauche und anderen Objecten des Seuchestalles ganz deut¬
lich nachweisen.“ (S. 41—44 meiner Schrift.)
Auch der zweite von mir 1875 beobachtete Milzbrandfall in
Lenggries auf der Lasslheimweide enthält deutlich hierauf bezügliche
Hinweisungen (S. 51 meiner Milzbrandschrift):
* Obige Beschreibung der Lasslheimweide lässt ersehen, dass die
sumpfigen Stellen, insbesondere der dort an mehreren Orten Vorge¬
fundene rahmige Schlamm, als mögliches ursächliches Moment für den
daselbst aufgetretenen Milzbrand ins Auge gefasst werden müssen.
„Die Vermuthung lag nahe, dass von hier aus die Thiere, ins¬
besondere das zuletzt gefallene Pferd, inficirt worden sein konnten.
Die Aehnlichkeit der im Sumpfe und vorzüglich in dem daselbst vor¬
kommenden weissen Schlamme aufgefundenen Stäbchen mit den Milz¬
brandstäbchen bestimmten mich, mit den hier gewonnenen verdächtigen
Objecten einige Versuche anzustellen. Ich verwendete dazu 1 Ziege
und 2 Schafe.
„Die Ziege erhielt am 11. September Abends 6 Uhr von dem
am gleichen Tage von der Lasslheimweide mit nach Hause genom¬
menen weissen Schlamme, welcher oben unter 6 (S. 49) beschrieben
ist, mit dem am Gewinnungsorte gegebenen Sumpfwasser gemischt,
und zwar 5 Ccm. davon unter die Haut.
„Am 12. September früh fanden sieh die Injeotionsstellen höher warm und
stark angeschwollen; das Allgemeinbefinden der Ziege war normal. Am 13.Sept.
fand ich die Ziege munter; die örtlichen Entzündungserscheinungen geringer. Am
16. Sept. bemerkte ich an den Injeotionsstellen harte, 1 Ctm. dicke, 3 Ctm.
breite Verdickungen; Allgemeinbefinden normal. Am 17. Sept. begannen diese
Verdickungen zu abscediren. Am 19. Sept. wurden zwei wallnussgrosse Abscesse
daselbst geöffnet. Die Ziege blieb bis zum 23. Sept. unter meiner Beobachtung
und erwies sich während dieser Zeit gesund.
„Den 2 Schafen gab ich am 11. Sept. Abends 6 Uhr von dem
gleichen weissen Schlamme innerlich. Jedes Schaf erhielt eine ziem-
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Referate und Kritiken.
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lieh grosse Menge desselben mit V« Ltr. Wasser gemischt einge-
schüttet. Es hatte diese Verabreichung nicht die geringsten nach¬
theiligen Folgen; ich holte daher von der Lasslheimweide am 15. Sept.
eine neue Menge des daselbst sich noch immer vorfindenden Schlammes
und gab am 16. Abends die gleiche Dosis mit derselben Menge
Wasser beiden Schafen nochmals ein. Sie blieben auch hierauf ge¬
sund; sie waren bis zum 23. Sept. unter meiner Beobachtung und
' bis dahin in einem reinen Stalle des Schuhmachers neben der Woh¬
nung des Wasenmeisters Hartei untergebracht.
„Diese drei Thiere konnten also mit dem verdächtigen Schlamme
nicht milzbrandkrank gemacht werden. Dessenungeachtet halte
ich diese wenigen Versuche noch nicht für ausreichend, zu
erklären, dass derselbe in Beziehung auf die Milzbrand¬
erzeugung völlig freizusprechen sei. Es wäre ja möglich, dass
derselbe von anderen Orten oder zu anderen Vegetationsperio¬
den Milzbrand hervorzurufen im Stande ist. Ich halte es für höchst
wünschenswerth, diese Versuche mit verschiedenem derartigen Material
an verschiedenen Orten des Sumpfes erhalten und zu verschiedenen
Zeiten an mehreren Thieren fortzusetzen. Auch der in verschiedenen
Schichten des Sumpfes sich vorfindende schwarze Schlamm wäre zu
derartigen Versuchen zu verwenden.
„Ich bin gezwungen, die Fortsetzung solcher Versuche um so
mehr zu betonen, da mir Wasenmeister Hartei, dem ich von obigen
drei Thieren die Ziege und ein Schaf als Entgelt für Futter- und
Verpflegungskosten bei meinem am 23. September erfolgten Abgang
von Lenggries überlassen hatte, leider erst am 19. December brieflich
berichtet, dass die Ziege am 28. September und das Schaf am 5. Oc-
tober an Milzbrand zu Grunde gegangen seien. Dazu muss ich be¬
merken, dass diese beiden Todesfälle — angenommen, es sei wirklich
Milzbrand gewesen — auch erst durch im Stalle des Hartei nachträg¬
lich erfolgte Infection mit Milzbrandgift veranlasst worden sein konn¬
ten, da ich nicht weiss, ob Hartei den eigenen Stall, in welchem
froher mehrere an Milzbrand erkrankte Thiere standen, genügend
desinficirt hatte.“
Als mir die Fortsetzung meiner Beobachtungen und Untersuchun¬
gen im Milzbranddistrict Lenggries auch in den Jahren 1877—1880
möglich gemacht wurde, blieb mein Hauptbestreben, der Aetiologie
des dort enzootisch und hier und da epizootisch herrschenden Milz¬
brandes ständig nachzuforschen. Es blieben mir für die darauf bezüg-
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FESER.
liehen Arbeiten stets der weisse Schleim der Suropfwässer, das von
den Sümpfen bezogene Heu, die Streu etc. verdächtig. Daher kam
es, dass ich alljährlich die derartigen, auf Weiden sich vorfindenden
Objecte, besonders die den Sümpfen an stagnirenden Stellen entnom¬
menen Schlammsorten, zu Thierexperimenten verwendete, aber auch
die bei den wenig vorgekommenen Milzbrandausbrüchen dargebotenen
ätiologischen Momente zu verwerthen trachtete. Der meist negative
Erfolg meiner Versuche schreckte mich nicht ab, sie stets immer von
Neuem zu wiederholen, denn es war mir klar, dass bei dem Nachlass
resp. dem Erloschensein der Milzbrandepizootie in Oberbayern die natür¬
lichen Bedingungen zur Milzbrandentstehung im Grossen fehlen tnuss-
ten, und es handelte sich mir besonders darum, zu erkennen, ob noch
Contagium auf den für am gefährlichsten gehaltenen Alpenweiden
gegeben sei oder nicht, welches unter gewissen noch unbekannten
Bedingungen (ausserhalb oder innerhalb des Thierkörpers) seine ver¬
heerende Wirkung zeitweise zur Geltung zu bringen vermag. Die
Thatsache, dass nach Milzbrandjahren oft eine milzbrandfreie Zeit
selbst bis zu 20 Jahren folgen kann, ferner dass die Epizootien selbst
unter sich bezüglich der Ex- und Intensität ausserordentlich abweichen,
weist sicher darauf hin, dass beim Milzbrand nicht nur örtliche, son¬
dern auch zeitlich wirkende Momente existiren müssen, von deren
Vorhandensein eben die Art und Ausdehnung der Milzbrandseuchen¬
erkrankungen abhängen muss. Ich denke mir die darauf bezüglichen
zeitlichen Momente doppelter Art. Einmal ausserhalb des thierischen
Organismus: auf den Milzbrand weiden, und dann innerhalb des thie¬
rischen Organismus: durch abweichende Ernährungsverhältnisse bedingt.
Nach beiden Bichtungen hin wollte ich in der Milzbrandätiologie Vor¬
dringen. Dass ich es gethan habe, beweisen meine Arbeiten. In
ersterer Beziehung habe ich nicht nur unausgesetzt verdächtige Alpen¬
weideobjecte zu Infectionsversuchen bei Thieren benutzt, sondern auch
den immer noch so schwer beschuldigten vergrabenen Milzbrandcada-
vern alle Rücksicht zugewendet 1 ). In letzterer Beziehung stellte ich
Milzbrandübertragungsversuche bei Batten unter verschiedenen Ernäh¬
rungsverhältnissen an 3 ).
') Vergl. meine Abhandlung: „Untersuchungen und Versuche mit vergra¬
benen Milzbrandcadavern“, in der Zeitschrift von Bollinger u. Franck.
3 ) Mitgetheilt in der Adam’schen Wochenschrift für Thierheilkunde und
Viehzucht, 1879.
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Referate und Kritiken.
353
Bei diesem Versuchsprogramm spielte der weisse Sumpfschleim
auf den Milzbrandalpen eine Hauptrolle. Wie ich ihn gleich anfangs
beurtheilte, davon giebt mein an die oberbayerische Kreisregierung in
Mönchen am 28. Februar 1877 erstatteter Bericht über die Thätig-
keit der Milzbrandversuchsstation in Lenggries für das Jahr 1876
hinreichend Aufschluss. Ich sagte im Anschluss an meine Ausfüh¬
rungen über die Versuche mit verdächtigen Alpenweideobjecten:
„Ich halte die vorgenommenen Untersuchungen und Versuche mit
dem schon im vorigen Jahre als besonders verdächtig erwähnten
weissen Schleime auf Sumpfwässern unserer Alpenweiden für beson¬
ders wichtig. Ich freue mich mit einer gewissen Genugthuung dar¬
über, dass ich sein Studium schon voriges Jahr als ausserordentlich
nützlich empfohlen habe. Seit der Koch’sehen und der letzten
Cohn’schen Arbeit über Bacterien 1 ) ist dies mehr als hinreichend
begründet worden. Denn der weisse Schleim ist nichts Anderes als
eine Bacterienbrut des Bacillus subtilis, der in Form und Lebens¬
weise dem Bacillus anthracis sich höchst ähnlich verhält. Auch
die Milzbrandstäbe bilden nach massenhaftem Wachsthum ganz ähn¬
liche schleimige Massen, und selbst mikroskopisch lassen sie sich
sogar vom geübtesten Beobachter von den unschädlichen Bacillen gar
nicht oder nur schwer unterscheiden. Zu gewissen Zeiten findet sich
dieser Bacillus subtilis in nur kurzen, unbeweglichen Exemplaren im
Sumpfschlamm der Alpenweiden vor, welche sich von den echten
Milzbrandbacillen bezüglich der Form nicht unterscheiden lassen und
sich nur durch das Irapfresultat als etwas Anderes, d. i. indifferent,
erweisen. Bei etwas mehr Länge zeigen sich diese unschädlichen
Bacillen schwach beweglich, windend, und, nach grösserem Wachsthum
wieder unbeweglich geworden, bilden sie genau in derselben Weise
Sporen, wie es Koch bei den Anthraxbacillen zuerst nachgewiesen hat.
„Dass aber die Bacillen in den Vorgefundenen weissen Schleim¬
sorten der Alpenweiden — genau so wie die Cohn’schen Heubacillen
— indifferent sind, beweist die ohne allen Nachtheil gebliebene ver¬
schiedenartige Einverleibung bei Rindern, Schafen und Kaninchen, wie
ich solche sehr häufig und massenhaft in allen Stadien ihrer Ent¬
wickelung dieses Jahr besorgt habe.
„Dessenungeachtet haben diese indifferenten Bacillen hohe Be¬
deutung: Sie bilden für sich und in ihren Sporen einen regelmässigen
Beiträge zur Biologie der Pflanzenwelt, II. Bd., 2. Heft, 1876.
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FESER.
Begleiter des Futters unserer Pflanzenfresser; sie bedürfen dieselben
oder •nicht sehr abweichenden Lebens- und Wachsthumsbedingungen,
wie die gefährlichen Anthraxbacillen, denen sie ausserordentlich ähn¬
lich sind. Ihr Studium wird jenes der Anthraxbacillen fordern, ihr
Verhalten giebt der Forschung Fingerzeige für das Vorkommen, die
Einwanderung und das Verhalten der Anthraxbacillen und ihrer Sporen.
Da sich diese Bacillen auch ausserhalb des Organismus in Sümpfen
entwickeln, vermehren und selbstständig erhalten können, so wird in
hohem Grade wahrscheinlich, dass dies auch mit den Anthraxbacillen
in gleicher Weise der Fall sein wird.
„Jeder weisse Schleim auf dem Wasser sumpfiger Milz¬
brandweiden ist daher so lange verdächtig, bis seine indiffe¬
rente Natur, sei es durch nachweisbare anatomische Merk¬
male oder durch das Thierexperiment festgestellt worden ist
„Ob sich gegenwärtig auf den früher stark verseuchten Alpen
noch Milzbrandcontagium findet, ob sie also für sich später wieder,
wenn die örtlichen und zeitlichen Umstände günstig sind, Milzbrand
primär bei Weidethieren veranlassen können, vermag ich noch nicht
zu entscheiden. Für diese höchst wichtige Frage sind unsere Beob¬
achtungen noch nicht ausreichend; immerhin ist die Thatsache, dass
dieses Jahr wie im vorigen Jahre — mit Ausnahme eines einzigen
Falles am Grieslerberg — auf den Alpen kein Milzbrand vorgekom¬
men ist, sowie das Resultat meines erfolglosen Suchens nach wirk¬
samem Milzbrandcontagium auf den Alpen geeignet, die Möglichkeit
zuzugeben, dass gegenwärtig entweder kein Milzbrandcontagium mehr
auf den früheren Seuchealpen existirt, oder dass dasselbe zu Grunde
gegangen ist, wo es unzweifelhaft vorhanden war — oder es war
während dieser Zeit weder für die Weidethiere schädlich,
noch für meine Versuche erreichbar und doch noch vor¬
handen, resp. es fehlten die örtlichen und zeitlichen Bedin¬
gungen zur Entfaltung seiner Schädlichkeit, wobei selbst
die abweichende Disposition der Thiere zur Erkrankung
eine Rolle spielen kann.“
Dass ich bei solcher Voraussetzung nicht müde wurde, den Alpen¬
weideobjecten alle Aufmerksamkeit zu schenken, wird Jedermann
begreifen. Gegen 100 Thierexperimente führte, ich in den Jahren
1876—1880 aus, bei welchen grösstentheils der Heubacillen haltende
Sumpfschlamm benutzt wurde. Nachfolgende Zusammenstellung macht
dies ersichtlich.
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Referate und Kritiken.
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Referate und Kritiken.
363
Vorstehend angeführte Thierexperimente bei verschiedenen Thieren
mit verschiedenen Quantitäten verdächtiger, besonders reichlich Heu¬
bacillen haltender Alpen weideobjecte beweisen deutlich, dass für die
vieljährige Beobachtungszeit denselben eine besondere Gefährlichkeit
nicht zugeschrieben werden kann. Nur ein einziges Mal konnte unter
den zahlreichen Fällen wirklicher Milzbrand bei einem Kaninchen mit¬
telst subcutaner Injection einer Sorte vom Grieslerbergschlaram (Sep¬
tember 1879) erzeugt werden; wobei merkwürdig bleibt, dass trotz
vielfältiger Wiederholung theils mit demselben, theils mit von der¬
selben Stelle geschöpftem Schlammwasser dieser Erfolg nicht mehr
erzielt werden konnte. Alle übrigen Versuche hatten aber entschie¬
den negatives Resultat. Es liess sich bei ihnen trotz reichlicher
interner und subcutaner Verabreichung niemals Milzbrand erzeugen;
kleine Mengen blieben meist ohne allen Nachtheil für die Versuchs-
thiere oder erzeugten nur locale Entzündungsherde mit nachfolgender
Abscedirung und leichter Heilung; grosse Mengen wirkten besonders
bei subcutanem Gebrauch mit tödtlichem Ausgang durch allgemeine
Sepsis, bei der sich nur die kurzen, beweglichen Bacterien der Sumpf¬
schlammsorten vermehrten und ein Krankheitsbild veranlassten, das
jenem des auf den Alpen weiden neben dem Milzbrände auftretenden
Rauschbrandes völlig glich.
Dieses Resultat stimmt, wenn man von der einzigen Ausnahme,
die nicht sicher erklärt werden kann, absieht, mit jenem der Buch-
ner’schen Versuche mit den halb veränderten Heupilzen ganz gut
überein, doch sind sie nicht vergleichbar, da hier reine Heupilzculturen,
dort neben solchen noch alles Mögliche, darunter auch die Rausch¬
brand bacterien, Anwendung fanden.
Trotz alledem wird ersichtlich, dass während meiner Beobach¬
tungszeit in allen meinen Versuchen mit negativem Resultat weder
die echten Heupilze noch die echten fertigen Milzbrandpilze in den
benutzten Sumpfschlammsorten verwendet worden sind. Es waren
vielmehr grösstentheils unzweifelhaft die von Büchner bei
seinen Culturen erreichten Mittelstadien resp. Uebergangs-
formen der Heu- zu den Milzbrandpilzen. Dies auszusprechen
halte ich mich nach dem Charakter der natürlich in Sumpfwasser¬
stellen der Milzbrandweiden vorkommenden Pilzculturen für berechtigt:
die oberflächliche Lagerung eines sehr lockeren, zarten, weissen,
schleimigen Pilzgewebes, die von mir schon anfangs constatirte schlei-
mig-mehlthauartige Beschaffenheit desselben, gehört weder den echten
24*
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364
FESER.
Heupilzen noch echten Milzbrandpilzen zu. Erstere bilden feste und
oberflächlich trockene Decken, letztere zarte Wolken am Boden der
Flüssigkeit.
Jedenfalls halte ich ausser allem Zweifel gestellt, dass die auf
den von mir untersuchten oberbayerischen Milzbrandgegenden in
stagnirenden Sumpfstellen sich findenden Heupilze andere Eigen¬
schaften besitzen, als die gewöhnlichen, direct aus Heuaufgüssen er¬
zielten. Dieses — im Zusammenhalt mit meinen früher schon aus¬
gesprochenen Verdachten und insbesondere mit den oben mitgetheilten
Buchner’schen Versuchsresultaten — bestärkt mich in der Annahme,
dass der schon oft erwähnte weisse Surapfschlaram unserer Milzbrand¬
weiden in und um Lenggries zu gewissen Zeiten und unter gewissen
Bedingungen die autochthone Entwickelung des Milzbrandes unter
unseren Hausthieren in den Milzbrandorten veranlasst. Ich halte es
nach den von Büchner mitgetheilten Nachweisen recht gut für mög¬
lich, dass in Milzbrandjahren durch die noch unbekannten örtlich
und zeitlich wirkenden Momente die Umänderung der Heupilze so weit
fortschreitet, dass ausserhalb oder erst innerhalb des thierischen Or¬
ganismus die völlige Umwandlung in echte Milzbrandbacillen erreicht
wird. Deshalb ist auch fernerhin der von mir zuerst für verdächtig
gehaltene Heupilzschleim unserer Alpenweiden im Auge zu behalten,
die Thierversuche damit sind fortzusetzen, insbesondere aber in Milz¬
brandjahren, und ist derselbe nach dem Buchner’schen Vorgänge
aber auch sofort zu künstlichen Culturversuchen behufs weiterer und
völliger Umwandlung in infectiöse Pilzform zu verwerthen. Wenn
diese letztere damit erreicht wird, dann hat die natürliche Aetiologie
des Milzbrandes eine folgenschwere Aufklärung erfahren, die den
Arbeitern in diesem Gebiete für alle Zukunft den verdienten Dank
sichert.
Aber auch dem aus Milzbrandgegenden bezogenen Heu- und Streu¬
material muss alle Aufmerksamkeit zugewendet werden. Auch für
dieses muss zugegeben werden, dass es die Milzbrandorganismen oder
der infectiösen Form derselben nahestehende Heubacillen oder ihre
Sporen beherbergen kann. In den festen Excrementen der auf Milz¬
brandalpen weidenden Thiere fand ich nicht selten längere, im Innern
sporentragende, ruhige Bacillen. Wenn ich auch bei Impfungen damit
stets nur negatives Resultat erhielt, so ist dessenungeachtet recht gut
möglich, dass auch die infectiöse Form der Milzbrandbacillen resp.
ihre Sporen diesen Weg nehmen und so zur Entstehung und Weiter-
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Referate und Kritiken.
365
Verbreitung des Milzbrandes direct oder indirect Veranlassung geben
können.
Die Heubacterien selbst — in ihrer reinen primären Form —
halte ich schon als solche für nicht ungefährlich; jedenfalls bestehen
Verhältnisse, dass auch sie, besonders bei massenhafter Einführung
und ermöglichtem Eintritt in den Blutstrom, tödtlich verlaufende Pilz-
infection veranlassen. So fand ich mit Prof. Friedberger bei einem
am 4. Januar 1877 in der Thierarzneischule verendeten Pferde, dessen
Section den Verdacht auf Milzbrand nach der dünnflüssigen, theer-
artigen Blutbeschaffenheit und der bedeutenden Erweichung und
Schwellung der Milz rechtfertigte, in den Geweben und im Blute
völlig unbewegliche Bacillen, genau von Form und Grösse der An-
thraxbacillen, welche im Brütapparat ganz wie letztere sich ent¬
wickelten, aber schon vom frischen Cadaver weg bei ausgeführten
Impfungen keine infectiöse Eigenschaft nachweisen liessen. Es ist
recht gut denkbar, dass es sich hier um eine einfache Heupilzinfection
gehandelt hat — vielleicht um eine Mittelform der Infection, welche
jenen der Buchner’schen Versuche mittelst intraperitonealer Injection
grosser Heupilzmengen, die ja auch tödtlichen Ausgang veranlassten,
ganz gleich sich verhielt 1 ).
Die Unschädlichkeit der Heubacillen als solche geht aus meinen
und den Buchner’schen Experimenten noch nicht genügend hervor.
Dass solche unter gewöhnlichen Verhältnissen nicht krank machen,
ist wohl selbstverständlich, denn sonst hätten wir bei ihrem allge¬
meinen Vorkommen in fast jedem Heu eine allerorts gegebene, ständig
einwirkende Gefahr für unsere pflanzenfressenden Hausthiere. Weil
dies sicherlich nicht der Fall ist, gehören zur Schädigung durch die¬
selben noch unbekannte Bedingungen, worunter ich z. B. ihre grössere
directe Einverleibung in die Blutbahn zählen möchte. Erst wenn
diese letztere resultatlos geblieben ist, schliesse ich mich dem allge¬
meinen Urtheil Buchner’s an.
Bei der vorausgegangenen Darstellung meiner auf die Heupilze
bezüglichen Erfahrungen ist ersichtlich, dass ich der Buchner’schen
Arbeit über die Erzeugung des Milzbrandcontagiums aus Heupilzen
*) Die Untersuchungen von Klein (Jahresber. über die Leistungen und
Fortschritte der gesammten Medicin von Virchow u. Hirsch für 1879, Bd. I,
S. 345) über die Rothlaufkrankheit der Schweine führten denselben zu dem Re¬
sultat, dass in dem Bacillus subtilis das Contagiura des bösartigen Rothlaufs der
Schweine zu erblicken sei.
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FESER.
und der Verwandlung letzterer in infectiöse Milzbrandbacillen alles
Vertrauen entgegengetragen habe. Ich konnte dies um so leichter,
als ich meine Erfahrungen damit in Einklang bringen konnte, diese
jedenfalls mehr für als gegen die Buchner’schen Resultate sprechen.
Dessenungeachtet erfordert es die Vorsicht, — bei der hochwichtigen
Bedeutung der Sache um so mehr, — die Buchner’schen Resultate
durch Wiederholung seines Forschungsganges zu controliren. Was
Büchner gelungen ist, muss Anderen auch gelingen. Erst dann,
wenn die mitgetheilten Funde von vorurtheilsfreien, gewissenhaften
Forschern ihre volle Bestätigung finden, darf man die Sache als er¬
ledigt erachten. Die Wiederholung solcher Culturversuche mit Heu-
und Anthraxbacillen erachte ich aber auch noch aus anderer Rücksicht
für geboten. Büchner kennt die von Koch 1 ) hervorgehobenen mor¬
phologischen Unterschiede zwischen dem Bacillus anthracis und dem
Bacillus subtilis nicht, hat solche wenigstens in seiner Arbeit nicht
berücksichtigt; es wäre daher sehr interessant, zu erfahren, ob und
wann bei der Umwandlung der Anthraxbacillen in Heubacillen erstere
Geissein (gekrümmte zarte Anhängsel) bekommen und umgekehrt
letztere bei Ueberfuhrung in Milzbrandbacillen diese verlieren. Da
man dies bei gewöhnlicher mikroskopischer Betrachtung, auch mit
guten Instrumenten, nicht beobachten kann, so ist es nothwendig, die
zu verschiedenen Zeiten und in allen Culturabschnitten erhaltenen
Bacillen zu trocknen und zu färben 2 ).
Die zweite grössere Arbeit Buchner’s liefert den Nachweis,
dass bei Anwendung der richtigen Bedingungen durch Einathmung
milzbrandsporenhaltigen, trockenen Staubes ungemein leicht Milzbrand-
infection bei den Versuchsthieren erzielt werden kann. Zu diesen
Versuchen dienten ausschliesslich weisse Mäuse, die bekanntlich eine
grosse Empfänglichkeit für Milzbrand besitzen. Verschiedene feine,
chemisch indifferente Pulverarten (Holzkohle, Talk, Magnesia usta,
Sulfur praecipitatum, Bärlappsamen und solcher vom Riesenpulver¬
schwamm) wurden als Pilzträger gewählt, indem dieselben mit der
*) Verfahren zur Untersuchung, zum Conserviren und Photographiren der
Bacterien, von Dr. Koch. (Beiträge zur Biologie der Pflanzen, von Cohn.)
2 ) Fokker, Prof, der Hygiene in Gronigen, bestätigt im Centralbl. für die
medicin. Wissenschaften (1880, No. 44) durch eine vorläufige Mittheilung auf
Grund eigener Versuche die Augaben Buchner’s. Derselbe erkennt den Heu¬
bacillen keine Geissein zu und giebt als einzigen erkennbaren Unterschied von
den Heubacillen an, dass die Milzbraodbacillen stärker seien.
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Referate und Kritiken.
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Milzbrandsporenflüssigkeit benetzt, dann bei Körperwärme getrocknet
und wieder zerrieben wurden. Die Zerstäubung und Einathmung er¬
folgte in einem geschlossenen, ergiebig ventilirten Raume mit trichter¬
förmig vertieftem Boden, in welchem durch beständige Erschütterung
ein fortwährendes Aufwirbeln des Staubes und so eine ausreichende
Inhalation desselben ermöglicht wurde. Nur die Inhalationsversuche
mit Kohlen- und Talksporenpulver hatten positiven Erfolg, aber nur
dann, wenn die beiden Pulverarten in genügender Feinheit hergestellt
waren. Die übrigen angewandten pulverigen Vehikel liessen nach
oben beschriebener Procedur keinen feinen Staub erzeugen, und nur
daraus wird der Misserfolg damit erklärt, denn durch Controlimpfun¬
gen wurde jedesmal constatirt, dass diese bei der Inhalation unwirk¬
samen Staubarten infectionstüchtiges Material enthielten.
In 24 Fällen, bei je einmaliger, V 4 —2 Stunden dauernder Ein¬
athmung von Kohlen- oder Talksporenpulver, erfolgte der Tod der
Mäuse an Milzbrand nach 1—3 Tagen.
Büchner fragt sich nach diesem Resultat, ob man annehmen
darf, dass dieser Erfolg eine Aufnahme der Pilzstäubchen durch die
Lungen beweise. Er bejaht diese Frage und hält die noch übrigen
anderen drei Einverleibungsmöglichkeiten der Milzbrandsporen (Ver¬
letzungen der Oberhaut, oberflächliche Schleimhautpartien, Verdauungs¬
canal) für unbetheiligt. Schon die angeführten, negativ ausgefallenen
Versuche mit weniger fein stäubenden Pulverarten sprächen dafür;
sie bilden die denkbar beste Controle für die Art der Wirkung der
positiv geendeten Versuche, da in diesen Fällen Alles bis auf die Art
der Verstaubung gleich blieb und die Ueberführung der gröberen
Stäubchen in die Lungenalveolen nicht erfolgte. Um aber die etwaige
Betheiligung des Verdauungscanals bei seinen Inhalationsversuchen
sicherzustellen, kamen vielfache Fütterungsversuche mit Anthrax-
bacillen und Anthraxsporen zur Ausführung. Schon Koch hatte bei
Mäusen Milzen anthraxkranker Thiere und ausserdem sporenhaltige
Massen ohne Erfolg verfuttert. Das gleiche Resultat bekam
Büchner bei Anwendung frischer Milzbrandtheile, die nur Bacterien
enthielten, oder bei mehrtägiger Fütterung mit grossen Mengen ge¬
züchteter, als wirksam erwiesener Milzbrandbacterien; auch bei Zu¬
mischung von Kohlenpulver, das durch seine scharfen Splitter mög¬
licherweise Verletzungen in den Schleimhäuten bewirken kann, wurde
der Erfolg nicht geändert. Ebenso blieben die Resultate, als Milz¬
brandsporen in mässiger Menge mit und ohne Kohlenpulver dem
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FESER.
Futter beigegebeu wurden. Dagegen wurden positive Ergebnisse er¬
zielt bei Anwendung von grösseren Sporenmengen, gleichviel ob
Kohlenpulver dabei war oder nicht. Interessant dabei bleibt, dass
auch in letzteren Versuchen einzelne Thiere gesund blieben, und
ist aus diesen Experimenten noch hervorzuheben, dass der Koth von
nur mit Anthraxbacillen gefütterten Mäusen bei Impfungen unwirk¬
sam blieb, während der Koth der Mäuse nach Sporenfütterung bei
subcutaner Anwendung ungemein leicht Milzbrand ‘hervorrief 1 ).
Ging schon bei den Fütterungsversuchen der Mäuse hervor, dass
bei den stattgefundenen Sporeneinathmungsversuchen keine Gefahr
einer störenden Nebenwirkung von Seiten des Verdauungscanals exi-
stirte, so wurde diese Thatsache sichergestellt durch eigene Experi¬
mente unter Benutzung bestimmter Quantitäten des Infectionsmaterials:
von einer bestimmten Menge Talksporenstaub wurde der vierte Theil
bei 10 weissen Mäusen zur Einathmung verwendet, dieselben starben
säramtlich an Milzbrand; die übrigen drei Viertel Staub wurden an
weitere 10 Mäuse verfüttert, diese blieben aber gesund.
Damit ist entschieden, dass die Lungen ganz ausser¬
ordentlich viel leichter den Uebertritt der Milzbrandpilze
ins Blut ermöglichten als der Darm.
Für die Praxis ist dieses Verhalten von höchster Bedeutung,
denn es muss die schon längst ausgesprochene Möglichkeit zugegeben
werden, dass an Milzbrandlocalitäten, wo sich bei anhaltender Dürre
ebenfalls Milzbrandsporen mit feinstaubigem Vehikel in der Einath-
mungsluft befinden können, in gleicher Weise sehr häufig die natür¬
liche Infection erfolgt. Vielleicht sind gerade deshalb die trockenen
Jahre viel gefährlicher als die an Regen reichen.
Die Mittheilung Büchner’s betreffs seiner Inhalationsversuche
lässt bei Unkundigen die Annahme aufkommen, als ob er der Einzige
und Erste war, welcher solche ausgeführt hat. Lemke 2 ) und ich 8 )
haben schon früher solche Inhalationen mit Milzbrandsporen vorge-
*) Im Lenggrieser Bezirk fand ich im Koth der Weidethiere nicht selten
sporentragende Bacillen. Impfungen damit waren erfolglos. Ich hielt sie dar¬
nach für Heubacillensporen. Es ist nun recht gut möglich, dass bei Genuss
milzbrandsporenhaltigen Futters Thiere gesund bleiben können, der von ihnen
abgesetzte Koth aber die durchgegangenen enthält und zu natürlichen Infectionen
resp. zur Weiterschleppung des Milzbrandes Veranlassung giebt,
2 ) Inauguraldissertation. Göttingen, 1879.
3 ) Dieses Archiv, Bd, III, Heft 5 u. 6, 1878.
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Referate und Kritiken.
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nomraen. Ersterer durch die tracheotomirte Luftröhre mittelst mit
Amylum verpulvertem Anthraxraaterial, und ich schon 1877 mit wäs¬
seriger Sporenflüssigkeit durch Einsprühung mittelst einer Saugdruck¬
pumpe. Während Lemke positives Resultat bei 2 Schafen und
1 Ziege erhielt und den Eintritt der Anthraxparasiten durch die
Lungenalveolen constatiren konnte, hatte ich bei 10 Versuchsthieren
nur einmal sicheres positives Resultat, während 8 Einspriihungen in
die Lunge resp. die grösseren und mittleren Bronchialäste erfolglos
blieben.
Wenn auch die Versuche Buchner’s in überzeugender Weise
nachweisen, dass die Infection unter seinen Versuchsbedingungen durch
die Lungen leichter gelingt, als von den Verdauungswegen aus, so
kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass der natürliche Gang
der Infection nicht so selten auch anders verlaufe, dass insbesondere
die Aufnahme und Uebertragung des Milzbrandgiftes im Futter und
Getränk durch den Nahrungstractus und auch cutan und von den
äusseren Schleimhäuten aus besonders nach Verwundungen und In-
sectenstichen erfolge.
Die Beobachtungen der französischen Forscher Toussaint 1 ) und
Pasteur 2 ) sowie meine eigenen 3 ) ergeben unzweifelhaft, dass dio
Verfütterung wirksamer Milzbrandsubstanzen unter gewissen begünsti¬
genden Verhältnissen (z. B. Verletzungen der Schleimhaut, Katarrhe)
Milzbrandinfectionen veranlasst.
Pasteur übergoss frisch geschnittenen Luzerneklee mit anthrax-
sporenhaltigem Wasser und verfütterte dies an Schafe. Es erkrankten
nicht alle, sondern nur wenige nach 4—10 Tagen an Milzbrand,
woraus er schloss, dass die Bedingungen der Infection nur bei den
erkrankten gegeben sein konnten. Als er bei seinen fortgesetzten
Füterungsversuchen das milzbrandpilzhaltige Futter mit Disteln oder
Gerstengrannen, d. h. mit die Schleimhäute der ersten Verdauungs¬
wege leicht verwundenden Substanzen vermischte, erkrankten un¬
gleich mehr Thiere am Milzbrand, als bei den früheren Versuchen.
Die Untersuchung fast aller bei diesen Versuchen erhaltenen Milz¬
brandleichen ergab zugleich die stattgehabte Infection von der Maul¬
und Rachenhöhle aus, weil die diesen Localen zunächst liegenden
*) Recueil d. m. vet., 1879, p. 362.
2 ) Ebendaselbst, 1879; 4. Heft.
3 ) Dieses Archiv, 1877, S. 398—407.
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FESER.
Lymphgebiete am ausgeprägtesten die Milzbranderscheinungen nach-
weisen Hessen. Daraus schloss Pasteur, dass in der Natur die
Thiere dann Milzbrand bekämen, wenn sie bei gegebenen, auch nur
ganz unbedeutenden Wunden in der Schleimhaut des vordersten Theils
der Verdauungsorgane Milzbrandpilze oder deren Keime haltendes
Futter aufnähmen, und dass dementsprechend selbst das railzbrand-
pilzreichste Futter keinen Schaden bringen könnte, wenn die Ver¬
dauungsschleimhäute intact wären. Der Milzbrand käme auch aus
diesem Grunde während der Sommerhitze und bei längerer Trocken¬
heit am häufigsten vor; das Futter sei zu diesen Zeiten sehr trocken,
holzig und staubig und könne daher, wie die warme und trockene
Luft selbst, leicht Maul- und Rachenhöhle verletzen. Um die Ent¬
stehung des Milzbrandes möglichst hintanzuhalten, müsse man alle
die Schleimhaut verletzen könnenden Theile aus dem Futter entfernen
oder nur weiches (künstlich zubereitetes) Futter verabreichen.
Auch Toussaint zu Toulouse ist auf Grund seiner im Milzbrand¬
bezirke des Departements Eure et Loire gemachten Cadaverunter-
suchungen zu dem Ausspruche gelangt, dass der Milzbrandpilz in den
weitaus meisten Fällen, welche ihm zur Untersuchung gekommen sind,
nur durch die Schleimhaut des Maules und der Rachenhöhlo in den
Körper der erkrankten Thiere eingedrungen sei. Er fand nämlich in
14 Sectionen 12 mal lediglich die Lymphdrüsen der Maul- und Rachen¬
höhle und am Halse im inficirten Zustande.
Meine Fütterungsversuche bei Herbiroren mit wirksamen Milz¬
brandobjecten ergaben, dass Pferde durch die unverletzten Verdauungs¬
wege nur schwer oder gar nicht inficirt werden können; eine Kuh
starb durch Eingiessen frischen Milzbrandblutes, und von gleich be¬
handelten Schafen 2 und von 2 Ziegen 1 Stück. Aus meinen dies¬
bezüglichen Versuchsprotocollen geht deutlich hervor, dass auch bei
diesen Fütterungsversuchen die Infection selbst bei unverletzter Schleim¬
haut vom Rachen und vom Kehldeckel weg und hier indirect durch
die Luftwege der Respirationsorgane aus erfolgt war, und es ist hier
wie bei anderen Infectionen durch Verfütterung wirksamer Milzbrand¬
substanzen, besonders auch jenen von Pasteur, recht gut möglich,
dass die Infection doch nur von dem Athmungsorganc aus erfolgt ist.
Der Rachen und die Kehlkopftaschen bilden, wie ich gefunden habe 1 ),
eine ausserordentlich vortheilhafte Brutstelle für Milzbrandbacillen, es
Vergl. S. 402—405 in diesem Archiv, 18 77.
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Referate und Kritiken.
371
kommt hier beim Verfuttern solcher Substanzen zur vollendetsten
Sporenbildung, durch welche die Infection recht gut erklärt werden
kann, besonders wenu man die Weiterführung der Sporen bis tief in ? s
Lungengewebe nachweisen kann.
Meines Erachtens ist bei der natürlichen Infection jeder der oben
citirten Eingangswege für den Milzbrandparasiten zu beschuldigen und
es mag bald dieser bald jener vorzugsweise betheiligt sein. Dass aber
jeder nur unter besonderen Bedingungen zur Milzbranderkrankung führt,
dürfte nicht bezweifelt werden. Es wäre sonst unbegreiflich, wie es
inmitten grosser Viehbestände, die unter denselben äusseren Verhält¬
nissen stehen, oft nur zu einzelnen Erkrankungen kommt. Jedenfalls
spielt hier auch die Masse der einverleibten Milzbrandkeime und der
Ernährungszustand d. i. die individuelle Disposition der Thiere eine
Rolle. Was das erstere betrifft, so ist schon durch eigene Versuche *)
und ebenfalls durch Büchner 2 ) constatirt, dass man auch von wirk¬
samen Milzbrandsporen, selbst bei directen Impfungen, eine gewisse,
nicht allzu geringe Menge braucht, um Milzbrand bei für Milzbrand
empfänglichen Thieren hervorzurufen. In letzterer Beziehung verweise
ich auf meine Ernährungsversuche bei Ratten 3 ), aus denen hervorgeht,
dass Fleischkost diese Thiere gegen gewöhnliche Impfungen mit wirk¬
samen Milzbrandsubstanzen schützt, während sie solchem bei aus¬
schliesslicher Brodkost sicher erliegen. Die Erfahrung eines Bauern
in Lenggries, dass auf von Thieren verschiedener Besitzer bezogenen
Milzbrandalpen häufig nur Thiere eines Besitzers an Milzbrand er¬
kranken, obwohl dieselben mit den Thieren der übrigen Besitzer genau
denselben äusseren Verhältnissen die ganze Weidezeit über ausgesetzt
waren, lässt sich auch nur durch die in Folge der verschiedenen vor¬
ausgegangenen Ernährung und Aufzucht erworbenen verschiedenen Dis¬
position erklären 4 ).
Hank, Dr. Immanuel, Physiologie des Menschen und der
Säugethiere. Ein Lehrbuch für Studirende. Berlin, 1881. Verlag
von A. Hirschwald.
Das vorliegende Lehrbuch soll, wie der Verf. in der Vorrede sagt,
‘) Zeitschr. f. Thiermedic. von Bollinger u. Franck, Bd. VI, Vers. 15—24.
2 ) Siehe die oben citirte Arbeit Buchner’s, der Münchener Akadomic der
Wissenschaften vorgelegt. Separatabdruck S. 418.
3 ) Wochenschrift von Adam, 23. Jahrg., ls T o. 24.
4 ) Siehe meine Schrift: „Der Milzbrand auf den oberbayer. Alpen*, S. 87,
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ELLENBERGER.
dem Gebrauche der Studirenden dienen, dem Anfänger das Verstand-
niss der Physiologie erleichtern und sein Interesse für diese Disciplin
erwecken. Diesen Zweck zu erfüllen ist das Lehrbuch voll und ganz
geeignet; den jungen Studenten führt es in die physiologischen Wissen¬
schaften ein, dem älteren dient es als ein durchaus brauchbares Re¬
petitorium. Auch dem viel beschäftigten Praktiker, der im Drange
der Berufsgeschäfte den Fortschritten der Physiologie nicht immer zu
folgen vermochte, kann das Werk nur empfohlen werden. Er kann
sich leicht und bequem in demselben über den heutigen Stand der
physiologischen Fragen unterrichten.
Das Munk’sehe Werk zerfällt in drei Theile. Der erste Theil
behandelt die vegetative, die Stoffwechsel-Physiologie, der zweito die
animalen und der dritte die generativen Functionen.
Die Lehre vom Stoffwechsel beginnt Verf. mit einer klaren
und verständlichen Darlegung der Physiologie des Blutes. Nur bei
Besprechung der Speckhaut und deren Entstehung vermisse ich die
nöthige Klarheit. Zunächst ist das Auffangen des Pferdcblutes
auf Eis zur Erzeugung der Speckhaut überflüssig. Die Speck¬
haut des Pferdeblutes bildet sich bei gewöhnlicher Temperatur im
Sommer und Winter; es ist daher nicht nothwendig, Mittel in An¬
wendung zu bringen, welche die Gerinnung verlangsamen. Was Verf.
als Speckhaut beschreibt, stellt die Leucocytenschicht dar. Speck¬
haut ist das geronnene Plasma ohne die zelligen Elemente. Da das
Pferdeblut erst nach 15—20 Minuten gerinnt, welche Angabe ich in
dem Werk vermisse, so haben die Blutkörperchen Zeit sich zu senken,
ehe die Gerinnung des Faserstoffs erfolgt. Wenn Verf. nur eine Art
von weissen Blutkörperchen beschreibt und sie den Lymph-, Schleira-
ctc. Zellen ununterscheidbar ähnlich nennt, so ist dies eine Anschauung,
der ich nicht zustimmen kann. Bei Erwähnung des Zahlenverhält¬
nisses der weissen Elemente zu den rothen, hätte des Unterschiedes
gedacht werden können, der in dieser Beziehung zwischen dem krei¬
senden und dem aus der Ader gelassenen Blute besteht.
Das nächste Kapitel behandelt die Blutbewegung, indem zuerst
die Mechanik der Herzpumpe erläutert und dann die Hämodynamik
besprochen wird. Die eingeschalteten allgemein-physikalischen Be¬
trachtungen erleichtern wesentlich das Verständniss dieses Gegenstandes.
Die Physiologie der Athmung wird sodann in der Weise vorge¬
tragen, dass zuerst die Chemie und dann die Mechanik der Athmung
abgehandelt wird. Auch dieses Kapitel gewinnt sehr an Verstände
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Referate und Kritiken.
373
lichkeit und Klarheit durch Einfügung von allgemeinen Betrachtungen
über die Aerodiffusion u. dgl.
Die Physiologie der Verdauung leitet Verf. durch allgemeine Be¬
trachtungen ein über Nahrungsmittel, einseitige Ernährung, Fermente
und Fermentwirkung und bespricht sodann, zur Mundverdauung über¬
gehend, den Speichel und dessen Bedeutung für den Vorgang der Digestion.
Da Verf. erwähnt, dass der Speichel viel kohlensauren Kalk ent¬
halte, der durch freie C0 2 in Lösung erhalten werde und durch Ab¬
dunsten dieser an der Luft ein krystallinisches Häutchen auf der
Oberfläche des Speichels bilde, hätte dann ader auch betonen müssen,
dass sich aus diesem und anderen Gründen der Speichel an der Luft
trübt und dass namentlich der anfangs ganz klare, wasserhelle Parotis-
speichel des Pferdes an der Luft eine sehr starke, milchige Trübung
annimmt, weil er ausnehmend reich an kohlensaurem Kalk ist. Auch
wäre die Thatsache wohl erwähnenswerth gewesen, dass der Speichel
des Pferdes ebenso wie der vieler anderen Thiere kein Rhodankaliura
enthält. Ob der Speichel thatsächlich freie C0 2 enthält, ist eine
Frage, die heute noch controvers ist. Es sprechen mehr Gründe
gegen als für diese Annahme.
Die chemischen Veränderungen, welche die Stärke durch den
Speichel erleidet, hätte ich gern etwas eingehender in Bezug auf die
dabei sich bildenden Zwischenprodukte abgehandelt gesehen. Den An¬
gaben des Verfassers, dass der Herbivorenspeichel, mit Ausnahme von
dem des Pferdes, diastatisch fast unwirksam sei, kann ich mich we¬
nigstens in Bezug auf das Rind und Schaf nicht anschliessen. Bei
der Schilderung der Veränderungen der Munddrüsen während der Thä-
tigkeit vermisst man die scharfe Scheidung zwischen den Eiweiss- und
den Schleimdrüsen.
Die Bildung des Bissens, das Schlingen und der Vorgang der
Magenverdauung und des Erbrechens wird anschaulich dargestellt.
Verf. erwähnt auch die bekannte Thatsache, dass die Pferde nicht er¬
brechen können und begründet dieselbe anatomisch. Er erwähnt dabei
aber nicht die eigenthümliche Sphincterenbildung an der Cardia, die
bei der Contraction des Magens sich daselbst bildende Schleirahaut-
duplicatur und das Entferntsein des Magens von der Bauchwand (was
auch das Anlegen einer Fistel verhindert), Umstände, die wohl in
Betracht gezogen werden müssen. Dieselben erklären auch, warum das
Erbrechen bei Pferden möglich wird, sobald eine Ruptur der Magen-
muscularis eingetreten ist.
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374
ELLENBERGER.
An die Betrachtung des Erbrechens der Thiere schliesst Verf. die
Darstellung des Wiederkauens und der Functionen der 4 Mägen der
ruminirenden Thiere. Den in diesem Abschnitte ausgesprochenen An¬
sichten des Verfassers vermag ich in vielen Punkten nicht beizu¬
pflichten, erlaube mir jedoch, nur Einiges zu erwähnen. N. m. A.
findet im Pansen eine Umwandlung der Stärke in Zucker statt und
sind die wässerigen Auszüge von Heu, Stroh, Hafer, Häcksel, in der
Regel nicht alkalisch, sondern neutral oder schwach sauer. Der zweite
Magen ist ein Flüssigkeitsreservoir, seine sogen. Zellen stellen con-
tractile Räume dar; denn die Scheidewände derselben enthalten Mus-
culatur. Aus den ersten Mägen treten in den dritten nicht allein
Flüssigkeiten oder solche Flüssigkeiten, in denen kleine feste Par¬
tikel aufgeschwemmt sind, wie Verf. glaubt, sondern auch zusammen¬
hängende durchfeuchtete feste, ja manchmal sogar ganz grobe, nicht
ruminirte Massen.
In Bezug auf die Functionen der Schlundrinne und die Verände¬
rungen des Futters im Psalter möchte ich bemerken, dass man ge¬
wöhnlich die beiden ersten Mägen als divertikelartige Ausstülpungen
der unteren und den dritten als solche der oberen Schlundwand be¬
schreibt. Daraus folgt, dass die Schlundrinne vom ersten bis zum An¬
fang des dritten Magens nach unten, im dritten Magen aber nach oben
offen ist. Das Futter, welches von den ersten Mägen kommt, fällt nicht
zwischen die Blätter des Psalters, sondern muss in die Kammern zwischen
den Blättern geschafft und dort vor dem Herabfallen bewahrt werden.
Es geschieht dies durch die Blattmusculatur, den musculösen Anfangs¬
und Randwulst derselben und die starken, vorn spitzen, Eggenzinken
ähnlichen, hinten knopfförmigen Warzen. Das Flüssige und Dünn¬
breiige fliesst gleich die Psalterrinne entlang nach dem Labmagen und
tritt nicht in die Karamerräume ein. In den Kammern wird das
Futter mechanisch zerkleinert und verliert Wasser durch Abtropfen
nach unten. Ein Erweichen des Inhaltes kann dagegen hier nicht
statthaben, schon aus dem Grunde nicht, weil nur wenig Wasser in
die Kammerräurae eintreten kann. Die gefährlichen Folgen, welche
nach dem Entziehen des Trinkwassers, wie Verf. annimmt, bei Wider-
käuern eintreten sollen, werden erfahrungsgemäß bei Schafen nicht
beobachtet. In den Labmagen treten nicht, wie Verf. meint, nur
flüssige, dünnbreiige, alkalische Massen, sondern der Psalterinhalt tritt
in zwei Portionen über. Was die Rinne entlang kommt, ist dünn¬
breiig oder flüssig, was aus den Karamerräuraen Übertritt, ist sehr
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Referate und Kritiken.
375
trocken, enthält nur 60—75 pCt. Wasser und reagirt in der Regel
neutral oder schwach sauer.
Nach der Magenverdauung wendet sich Verf. zur Besprechung der
Galle und des pancreatischen Saftes. In Bezug auf ersteres Secret
scheint mir die diastatische Wirkung z. B. bei Schweinen und Schafen
nicht so unbedeutend, wie Verf. meint; in Bezug auf letzteres ver¬
misse ich die Angabe über die verschiedene Wirkung der Pancreas-
und Magenpeptone auf den thierischen Organismus bei Injectionen in
das Blut.
Die sich an die Betrachtung dieser beiden Verdauungssäfte an¬
schliessende Darstellung der gesaramten Darmverdauung, der Aus¬
nutzung der einzelnen Nährstoffe u. dergl. zeichnet sich durch grosse
Klarheit und Verständlichkeit aus. Es wird auch die Wichtigkeit der
Dickdarm-, speciell der Blinddarm Verdauung der Herbivoren, welche
die meisten neueren Autoren übersehen, betont und auch die Ver¬
daulichkeit der Cellulose im Herbivoren-Verdauungstractus besprochen.
Sodann folgt ein Kapitel über die Lymphe und die Resorption
der Nährstoffe im Verdauungstractus und die Resorption überhaupt,
wobei auch die Gesetze der Hydrodiffusion besprochen werden. Folge¬
richtig schliesst sich hieran eine Schilderung der Schicksale, welche
das Blut auf seiner Bahn erleidet und der Ausscheidungen desselben
resp. des Körpers überhaupt, des Harns, Schweisses und Talges, wobei
auch der Epidermisabschuppung und der Hautathraung gedacht wird,
dann des Schleimes, der Thränen und der Milch. Diese Kapitel
zeigen, dass der Autor die physiologische Chemie vollkommen be¬
herrscht, was auch aus den nächsten Kapiteln über Einnahmen und
Ausgaben des Thierkörpers, die Bilanz des Stoffwechsels, die Nahrungs¬
mittel, die chemischen Processe im Thierkörper und über die Mischungs¬
bestandteile der Organismen und den Kreislauf des Stoffes in der
organischen Natur klar ersichtlich ist.
Der zweite Theil des Buches, der über die Leistungen des Thier¬
körpers handelt, beginnt mit der Physiologie der thierischen Wärme
und bringt im zweiten Kapitel die Muskelphysiologie. Dieses wird
eingeleitet durch Betrachtungen über Bewegung im Allgemeinen, die
Bewegungen des Protoplasma im Thier- und Pflanzenreiche und den
histologischen Aufbau der glatten und quergestreiften Musculatur.
Warum Verf. hierbei die Theorie über den Aufbau der Musculatur
aus Muskelkästen (Engelmann, Krause u.s.w.), nicht erwähnt,
vermag ich nicht einzusehen, um so weniger, als sich aus ihr eine
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ELLENBERGER.
leicht verständliche Hypothese über das Zustandekommen der Con-
traction ergiebt, über welchen Vorgang eine Reihe unverständlicher
oder schwer verständlicher Hypothesen bestehen, die Verf. mit Recht
nicht erwähnt.
• Verf. erledigt mit Geschick darauf die schwierige Aufgabe, der
Besprechung der allgemeinen Muskelphysik und der elektrischen Erschei¬
nungen am Muskel. In dem folgenden Kapitel über specielle Muskel¬
physik hätte die Bewegung der Vierfüssler etwas schärfer von der der
Menschen geschieden werden können. Bei der Besprechung des Stehens
dieser Thiere vermisse ich die Angabe, dass die Pferde das Stehen
nicht ermüdet und eine detaillirte Anführung der Gründe für diese
auffallende Thatsache. Nur wenn dargethan wird, wie jedes Ge¬
lenk der Extremitäten ohne ermüdende Muskelwirkung beim Stehen
in seiner Lage gehalten wird, kann die angegebene Thatsache begriffen
werden.
Bei der Erklärung des Aufrichtens des Rumpfes, des Erhebens
der Thiere auf die Hinterbeine erwähnt Verf. eine Reihe von Muskeln,
welche dies bewirken sollen. Nach meiner unmassgeblichen Meinung
wirken die im gewöhnlichen Leben als Lendenmuskeln bezeichneten
Muskeln beim Erheben der Vierfüssler wohl kaum mit. Die eigent¬
lichen Erheber sind der M. longissimus dorsi mit seinen vorderen und
hinteren Verlängerungen, dem Spinalis und Semispinalis d., den Glutaei
mit dem Biceps femoris. In der Auffassung der Galopbewegung der
Pferde schliesst sich Verf. aus theoretischen Gründen der Anschauung
der Minorität an, wonach beim Galopsprung die Füsse in derselben
Reihenfolge den Boden wieder berühren, wie sie ihn verlassen haben.
Trotzdem ich mir die grösste Mühe gegeben und Hunderte von Pferden
beim Galopiren beobachtet habe, ist es mir niemals gelungen, diese
Bewegungsform zu sehen. Die Gefahren, welche eine derartige Be¬
wegung, bei der ein Vorderbein hemmend und stemmend den Boden
berührt, während Reiter und Rumpf noch nach vorwärts streben, für
den Reiter und dessen Genitalien haben, erscheint mir nicht un¬
bedeutend und deshalb habe ich Tag für Tag wochenlang Galopstudien
gemacht, ohne mich von der Richtigkeit der gedachten Anschauung,
für welche ja alle möglichen theoretischen Gründe sprechen, über¬
zeugen zu können. Im Anhang an die Bewegungslehre folgt ein Ka¬
pitel über die Stimme der Thiere und die Sprache des Menschen.
Die Physiologie des Nervensystems wird theilweise musterhaft
vorgetragen, nur hätte ich die Schilderung der histologischen Verhält-
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Referate und Kritiken.
377
nisse des Nervensystems etwas klarer gewünscht. Meisterhaft sind
einige Abschnitte der speciellen Nervenphysiologie vom Standpunkte
der Localisationstheorie abgehandelt. Dass ich der Lehre von CI. Ber-
nard, dass die Pferde nach beiderseitiger Facialislähmung sterben,
nicht zustimme, lehrt ein in diesem Heft erschienener Artikel von
mir über diesen Gegenstand.
Die specielle Nervenphysiologie fuhrt den Verf. zur Physiologie
der Sinnesorgane. Die schwierigen Kapitel über Sehen und Hören
werden durch specielles Eingehen auf die physikalischen Gesetze leicht
fasslich gemacht. Für den Veterinär haben jedoch die specielle Ner¬
venphysiologie und die Physiologie der Sinnesorgane keine so hohe Be¬
deutung wie die vegetative und die Bewegungsphysiologie, weshalb ich
auf die betr. Kapitel hier nicht näher eingehe. Es sei überhaupt er¬
wähnt, dass ich bei meiner Besprechung nur die in die Veterinär-
Physiologie einschlagenden Punkte specieller beleuchtet habe. Ueber
die rein human-physiologischen Punkte wage ich kein Urtheil abzugeben.
Der dritte und letzte Theil des Buches behandelt die Fortpflan¬
zung, die generativen Functionen. Bei der Besprechung der Men¬
struation gedenkt Verf. nur des Berstens der Blutgefässe der Schleim¬
haut, dagegen nicht des theilweisen Verlustes derselben (des Stratum
epitheliale et cellulare), was doch sehr viele Forscher annehraen. Die
Entstehung der Spermatozoen schildert Verf. noch nach der älteren
Theorie und ignorirt die Resultate der Forschungen von Landois,
v. Ebner u. s. w. Auch die ersten Veränderungen des Eies nach
der Befruchtung beschreibt Verf. noch nach früheren Anschauungen,
er lässt das Keimbläschen verschwinden u. dgl. Hier hätten doch
wohl die neueren Anschauungen, wenn ihnen auch Verf. nicht zu¬
stimmt, vorgetragen werden können. Die Entwickelung des Fötus
wird anschaulich in der Ausdehnung geschildert, wie es in den Rahmen
dieses physiologischen Lehrbuches passt. Erwünscht wäre gewesen
eine klarere Darstellung der Bildung der Eihäute.
Wenn ich, wie aus Vorstehendem ersichtlich ist, auch über einige
in dem Lehrbuche vorgetragene Lehren anderer Meinung bin, als der
Verfasser, muss ich dennoch wiederholen, dass ich das Werk aus voll¬
ster Ueberzeugung allen Kollegen, namentlich den Studirenden aufs
Wärmste empfehlen kann. Dürfte ich in Bezug auf die Einrichtung
des Buches noch einen Wunsch aussprechen, so wäre es der, dass in
der unzweifelhaft rasch folgenden zweiten Auflage des Werkes die
Uebersichtlichkeit über das Material durch das öftere Anbringen von
▲rchi? f. wisse nieh. u. prakt. TMerhellk. VII. 4u.S. 25
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378
MUELLER.
Ueberschriften oder durch Inhaltsangaben am Rande erhöht werde.
Der Raum könnte nach meiner unmassgeblichen Meinung leicht durch
Wegfall einer Reihe anatomischer resp. histologischer (im Petitdruck
gegebener) Notizen gewonnen werden, die zum Verständniss der betr.
Functionen nicht unbedingt nothwendig sind und in Anbetracht des
Raumes doch nur lückenhaft gegeben werden können. Damit meine
ich natürlich nicht die anatomischen Schilderungen der Darrazotten,
der Lvmphdrüsen, der Milz u. s. w. Diese sind zum Verständniss
unbedingt nothwendig. Die Verlagsbuchhandlung hat das Werk vor¬
trefflich ausgestattet, Druck und Papier sind sehr gut und eine Reihe
guter Holzschnitte veranschaulicht die heutzutage gebräuchlichsten In¬
strumente der physiologischen Untersuchungen.
Möchte das Buch bald in den Händen aller unserer Studirenden
sein, möchte es dazu beitragen, das Interesse derselben für die phy¬
siologischen Wissenschaften derart zu erregen, dass sie sich mit Lust
und Liebe dem Studium derselben hingeben, um später fördernd in
die physiologische Forschung eintreten zu können. Ellenberger.
Beyer, B., Geh. Reg.-Rath. Reichsgesetze und Preussische
Landesgesetze über Ab wehr und Unterdrückung von Vieh¬
seuchen nebst den zur Ausführung derselben ergangenen Vor¬
schriften und anderen die Handhabung der Veterinärpolizei betreffen¬
den Bestimmungen. Berlin, 1881. Verlag von P. Parey.
Das oben genannte, soeben erschienene Buch enthält in höchst
übersichtlicher Anordnung die vollständigste Sammlung der in
Preussen gültigen gesetzlichen Bestimmungen, welche sich auf die Ab¬
wehr und Unterdrückung der ansteckenden Thierkrankheiten, auf die
Ausbildung und die Prüfungen der Thierärzte und auf die amtlichen
Functionen der Letzteren beziehen. Den nachstehend genannten, im
Wortlaut mitgetheilten Gesetzen, Instructionen und Erlassen sind über¬
all, wo es erforderlich schien, Erläuterungen hinzugefügt, welche zum
grossen Theil den Motiven der betreffenden Gesetzvorlagen entnommen
und in allen Fällen geeignet sind, das Verständniss der Bestimmungen
wesentlich zu erleichtern:
Reichsgesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von
Viehseuchen; Instruction des Bundesrathes, Preussisches Aus-
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Referate und Kritiken.
379
führungsgesetz zu demselben; Circularerlass des Herrn Ministers
für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, betreffend Aus¬
führung der genannten Gesetze und der Instruction; Reichs¬
gesetz, betreffend Massregeln gegen die Rinderpest; revidirte
Instruction zu demselben; Circularverfügung betreffend die
Kosten, welche aus den Massregeln gegen die Rinderpest er¬
wachsen; Reichsgesetz, betreffend die Beseitigung von An¬
steckungsstoffen bei Yiehbeförderungen auf Eisenbahnen; An¬
ordnungen des Bundesrathes und des Preussischen Handels¬
ministers zur Ausführung dieses Gesetzes; gesetzliche Be¬
stimmungen über die Bestrafung der Zuwiderhandlungen gegen
Anordnungen zur Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen.
Ausserdem enthält das Buch die Reglements der Provinzial- und
Koramunalverbände über die Aufbringung der Entschädigung für auf
polizeiliche Anordnung getödtete rotzkranke Pferde und lungenseuche¬
kranke Rinder, die Verordnung über die Errichtung der technischen
Deputation für das Veterinärwesen, die Reglements für die Staats¬
prüfungen der Thierärzte und die kreisthierärztlichen Prüfungen, die
gesetzlichen Bestimmungen über die Gebühren der Thierärzte und die
Gebührnisse solcher Militärcoramando’s, welche bei Absperrungsmass-
regeln gegen die Rinderpest verwendet werden.
Den Schluss bilden gemeinfassliche Belehrungen über die Kenn¬
zeichen und den Verlauf der im Reichsgesetz vom 23. Juni 1880 aufge¬
führten ansteckenden Thierkrankheiten und der Rinderpest.
Ohne dass es einer weiteren Empfehlung bedarf, ergiebt sich
schon aus der mitgetheilten Inhaltsangabe, dass diese Sammlung und
Erläuterung der gesetzlichen Bestimmungen nicht nur den beamteten
Thierärzten sondern auch den Ortspolizeibehörden, welche
mit der Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen zu thun haben,
unentbehrlich werden muss.
Das Buch ist von der Verlagsbuchhandlung sehr gut ausgestattet.
Müller.
25*
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Kleinere Hittheilnngen.
Die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten in Prenssen während
des Quartals October-December 1880.
1. Milzbrand. An Milzbrand sind gefallen in 189 Gehöften, welche sich
auf 172 Ortschaften in 96 Kreisen vcrtheilen: 11 Pferde, 281 Stück Rindvieh,
210 Schafe, 2 Schweine.
Die 11 an Milzbrand gestorbenen Pferde entfallen auf 6 Bestände, von
denen 2 je 3, eines 2 Pferde verloren; in 5 Gehöften herrschte der Milzbrand
gleichzeitig auch unter dem Rindvieh. Drei iin Kreise Johannisburg, Reg.-Bez.
Gumbinnen, gefallene Pferde gehörten einem Posthalter, das Trinkwasser wurde
einem im Stall befindlichen Brunnen entnommen und enthielt Ammoniak und sal¬
petrige Säure. Ein Pferd im Kreise Delitsch ist angeblich durch das Fleisch
einer an Milzbrand gefallenen Kuh inficirt worden, welches man im Pferdestall
an Hunde verfüttert hatte.
Die 281 an Milzbrand gefallenen »Stück Rindvieh vertheilen sich in ab¬
gerundeten Procentsätzen wie folgt auf die einzelnen Provinzen:
Ostpreussen . . . ,
. . . 2.45 pCt.
Schleswig-Holstein . . .
8,25 pCt.
Westpreussen . . .
. . 1,45 „
Hannover.
6,10 „
Brandenburg . .
. . 2.45 „
Westfalen.
1,45 „
Pommern ....
• • 4,20 „
Hessen-Nassau . . . .
3,90 „
Posen .
. . 30,60 „
Rheinprovinz.
7,10 „
Schlesien ....
. . 17,85 „
Hohenzotlernsche Lande
0,00 „
Sachsen ....
. . 14,20 „
Summa
100,00 pCt.
Ueber 4 Stück Rindvieh starben kurz hinter einander am Milzbrand:
Bestand. Gefallen.
in
1
Geh., Kreis Pyritz,
Reg.-Bezirk Stettin,
120 Stück,
6 Stück
r>
1
* * Lauenburg,
* Köslin,
43 „
6 .
2
» » Buk,
„ Posen,
86 „
31 .
1
„ „ Inowraclaw,
„ Bromberg,
59 „
17 „
»»
1
„ w Liebenwerda,
„ Merseburg,
50 ,
9 ,
1
„ „ Liebenberg, Landdr.-Bez. Hildesheim
46 „
9 ,
In dem Gehöfte des Kreises Pyritz dauerte das Herrschen des Milzbrandes
seit dem Quartal Juli-September fort; der Gesammtverlust betrug 5 Pferde,
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Kleinere Mittheilungen.
381
42 Stück Rindvieh und 3 Ziegen. In Posadowo, Kreis Buk, sind auch während
des vorigen Jahres einzelne Fälle von Milzbrand vorgekommen, der Ausbruch im
Berichtsquartal wird auf Unterlassung der Desinfection des Schafstalles zurück¬
geführt, in welchem während des Juli der Milzbrand geherrscht hatte. Die Ort¬
schaft des Kreises Inowraclaw wird als eine alte Milzbrandstation bezeichnet. In
dem Orte des Kreises Liebenwerda hatte der Milzbrand während des vorigen
Jahres sehr bedeutende Verluste im Gefolge gehabt, im Berichtsquartal fielen
1 Pferd, 9 Stück Rindvieh und 2 Ziegen.
Abgesehen von den oben genannten Ausbrüchen des Milzbrandes, welche als
seuchenartig bezeichnet werden können, fielen kurz hinter einander in 2 Gehöften
je 4, in 7 Gehöften je 3, in 18 Gehöften je 2, in 138 Gehöften beschränkte sich
der Verlust auf 1 Stück Rindvieh. Besonders zahlreiche Erkrankungen entfallen
auf solche Orte bez. Gehöfte, in denen der Milzbrand stationär ist. In einem Orte
des Kreises Namslau trat der Milzbrand wiederholt auf, nachdem an derselben
Krankheit gefallene Schafe theils auf der Hütung, theils in Composthaufen ver¬
graben worden waren. Im Uebrigen wiederholen die Berichte in Betreff der
ursächlichen Verhältnisse meistens die gewöhnlichen, fast durchweg sehr unbe¬
stimmten Angaben. Namentlich sollen durch Tränken mit Wasser, welchem sich
Stalljauche beigemischt hatte und in der Provinz Sachsen durch Verfütterung von
Rübenschnitzeln häufig Ausbrüche des Milzbrandes veranlasst worden sein.
Im Reg.-Bezirk Schleswig und im Kreise Eupen, Rog.-Bez. Aachen, trat der
Milzbrand grösstentheils in Form des sogenannten Rauschbrandes,* in einer Ort¬
schaft des Reg.-Bez. Münster in Form des Carbunkel-Milzbrandes auf. Im Kreise
Jülich, Reg.-Bez. Aachen, starb ein Stück Rindvieh nach 12 ständiger Krankheits¬
dauer am Milzbrandfieber. Im Uebrigen scheint die Krankheit fast durchweg in
der apoplectischen Form vorgekommen zu sein.
Keine Fälle von Milzbrand wurden beobachtet in den Reg.- bez. Landdr.-
Bez. Danzig, Stralsund, Lüneburg, Osnabrück, Aurich, Minden, Arnsberg, Koblenz
und Sigmaringen.
Die 210 an Milzbrand gefallenen Schafe vertheilen sich auf 9 Gehöfte der
Provinzen Ostpreusson, Westpreussen, Brandenburg, Posen, Schlesien und West¬
falen. In einem dieser Gehöfte herrschte der Milzbrand gleichzeitig unter dem
Rindvieh.
Die beiden Fälle von Milzbrand bei Schweinen sind in den Kreisen
Schwetz, Reg.-Bez. Marienwerder und Sangerhausen, Reg.-Bez. Merseburg, be¬
obachtet worden. Das Vorhandensein des Milzbrandes bei dem Schwein im Kreise
Schwetz wurde durch das Auffinden von Bacterien festgestellt.
In Folge von Milzbrandinfection erkrankten schwer 4 Menschen, von denen
ein Mann — im Kreise Jerichow I., Reg.-Bez. Magdeburg — starb.
2. Maul- und Klauenseuche. Von den 61 Ortschaften, in denen Aus¬
brüche der Maul- und Klauenseuche beobachtet wurden, entfallen 49 auf die
Provinz Hannover und unter diesen 25 bez. 15 auf die Landdr.-Bez. Aurich und
Hannover; nur der Landdr.-Bez. Osnabrück blieb seuchefrei. Die Einschlep¬
pung der Krankheit erfolgte fast in allen Fällen unmittelbar oder
mittelbar durch in den Niederlanden angekauftes Vieh, welches
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382
Kleinere Mittheilungen.
ausserdem Anlass zu Ausbrüchen der Seuche in je einer Ortschaft der Reg.-Bez.
Potsdam und Köln gegeben hat. Ausserdem wurde die Seuche beobachtet in zu¬
sammen 10 Ortschaften der Reg.-Bez. Potsdam, Köslin, Bromberg, Arnsberg,
Köln und Aachen; bei 5 Ausbrüchen wurde die Einschleppung durch angekauftes
Vieh nachgewiesen, bei 5 Ausbrüchen blieb die Einschleppung unermittelt. In
2 Ortschaften erkrankten ausser dem Rindvieh auch Schafe. Die meisten Aus¬
brüche kamen gegen Ende des Berichtsquartals vor, eine weitere Verbreitung der
Seuche im Quartal Januar-März steht zu befürchten.
Der Verlauf der Krankheit, welcho vorwaltend die Maulschleimhaut, nur
ausnahmsweise die Fussonden ergriff, war im Allgemeinen gutartig, Todesfälle
bei an der Aphthenseuche erkrankten Thieren sind nicht vorgekommen.
Im Kreise Leer, Landdr.-Bez. Aurich, erkrankten 2 Kinder, welche frische
rohe Milch von an der Seuche erkrankten Kühen getrunken hatten. Dieselben
bekamen wunde Stellen an der Mundschleimhaut, die Lippen waren ganz unförm¬
lich geschwollen, nach 6 Tagen trat Besserung ein, und nach 14 Tagen war die
Krankheit gehoben. In demselben Kreise erkrankten 5 Schweine nach dem Ge¬
nüsse von roher Buttermilch.
3. Lungenseuche. Die Zahl der Kreise \ Ortschaften und Gehöfte, in
denen die Lungenseuche auftrat, hat sich gegen das Quartal Juli-September 1880
wenig geändert; dagegen macht sich eine nicht unerhebliche Abnahme der er¬
krankten, getödteten und gefallenen Thiere im Berichtsquartal bemerklich, wie
die nachstehende Vergleichung zeigt:
Quartal
Zahl der Kreise.
„ * Ortschaften .
* „ Gehöfte.
Gesammtbestand der verseuchten Gehöfte
Juli-Septbr.
37
65
92
October-Decbr.
36
63
96
2506St.Rindv. 2258St.Rindv.
Erkrankt. 371
Gefallen .
Auf polizeiliche Anordnung getödtet . .
Auf Veranlassung der Besitzer „ . .
Am Schlüsse des Berichtsquartals blieben
verseucht .
21
336
27
285
12
252
25
77 Gehöfte 86 Gehöfte.
Die 285 an der Lungenseuche erkrankten Stück Rindvieh vertheilen sich in
abgerundeten Procentsätzen, wie folgt,
auf die Provinzen:
Westpreussen . . .
. . . 5,95pCt,
Schleswig-Holstein
. . . 0,35pCt.
Brandenburg . . .
. . . 2,80 „
Hannover.
. . . 3,85 „
Posen.
. . . 20,70 „
Hessen-Nassau . . .
. . . 10,90 „
Schlesien.
. . . 5,25 „
Rheinprovinz . . .
. . . 1,05 „
Sachsen .
. . . 49,15 „
100,00 pCt.
Die 289 getödteten und gefallenen Stück Rindvieh betragen 12,80 pCt.
der 2258 Stück, welche in den verseuchten Gehöften vorhanden waren. Das¬
selbe Verhältniss berechnet sich für die einzelnen Provinzen, wie folgt:
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Kleinere Mittheilungen. 383
Westpreussen . . .
. . . 9,90 pCt.
Schleswig-Holstein . .
. . l4,28pCt.
Brandenburg . . .
. . . 5,88 „
Hannover .
. . 32,35 „
Posen.
. . . 9,97 „
Hessen-Nassau ....
. . 15,50 .
Schlesien.
Sachsen .
. . . 50,00 „
. . . 13.32 „
Rheinprovinz ....
. . 30,00 „
Frei von der Lungenseuche blieben die Provinzen Ostpreussen, Pommern,
die Hohenzollernschen Lande, die Stadt Berlin, die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Ma¬
rienwerder, Breslau, Liegnitz, Erfurt, Hannover, Lüneburg, Stade, Aurich, Ko¬
blenz, Köln, Aachen und Trier. Im Reg.-Bez. Schleswig beschränkte sich das
Vorkommen auf ein Thier in einem Bestände von 7 Stück des Kreises Stormarn;
die Einschleppung blieb unaufgeklärt. Im Reg.-Bez. Wiesbaden wurde die Lun¬
genseuche nur bei einem geschlachteten Mastochsen constatirt.
Im Kreise Pr. Stargard, Reg.-Bez. Danzig, dauerte das Herrschen der Lun¬
genseuche unter einem Bestände seit dem vorigen Quartal fort und kamen in 2
Gehöften Neuausbrüche vor, von denen einer auf Verschleppung aus dem zuerst
genannten Bestände zurückzuführen ist.
Der einzige Ausbruch im Reg.-Bez. Potsdam betraf den Bestand eines Gutes
im Kreise Teltow und ist durch in Holland angekauftes Vieh vermittelt worden.
Von den 6 verseuchten Beständen des Reg.-Bez. Frankfurt gehören 3 einem
Dorfe des Kreises Züllichau an, in welchem die Krankheit auch früher geherrscht
hatte. Von 37 Stück dieser Bestände, welche auf dem Berliner Viehmarkt ab¬
geschlachtet wurden, erwiesen sich 4 mit der Krankheit behaftet. In einen
Gutsbestand des Kreises Lebus wurde die Krankheit durch angekaufte Ochsen
eingeschleppt. Die Ursachen der Ausbrüche in 2 kleinen Beständen des Kreises
Königsberg sind nicht ermittelt worden.
Im Reg.-Bez. Posen sind 2 Neuausbrüche unter je einem kleinen Bestände
der Kreise Bomst und Fraustadt beobachtet worden, in 6 seit dem vorigen Quartal
verseuchten Gehöften dauerte das Herrschen der Krankheit fort. Die Lungen¬
seuche herrschte unter 2 schon im vorigen Quartal verseucht gewesenen Bestän¬
den des Reg.-Bez. Bromberg weiter fort und brach während des Quartals, einge¬
schleppt durch in Böhmen angekaufte Ochsen, unter einem dritten Bestände aus.
In einem seit dem vorigen Quartal verseuchten Dorfe des Kreises Pless,
Reg.-Bez. Oppeln, verbreitete sich die Lungenseuche auf 6 andere Gehöfte.
Die Seuchenausbrüche im Reg.-Bez. Magdeburg betrafen während des Be¬
richtsquartals vorwaltend Viehbestände kleinerer Besitzer in grösstentheils seit
längerer Zeit verseuchten Ortschaften; nur wenige Ausbrüche unter Beständen
grösserer Fabrikwirthschaften gelangten zur Kenntniss der Behörden. Die Ver¬
breitung auf weitere Gehöfte derselben Ortschaft soll besonders häufig durch
Zwischenträger vermittelt worden sein. In je einem Falle waren die erkrankten
Thiere in Braunschweig bez. in Bayern angekauft. Die Verluste blieben im All¬
gemeinen gering, jedoch sind sämmtliche 12 Stück eines Bestandes im Kreise
Jorichow I. auf polizeiliche Anordnung getödtet worden. Die 10 verseuchten
Gehöfte des Reg.-Bez. Merseburg, von denen 3 schon im vorigen Quartal Verluste
erlitten hatten, vertheilen sich auf die Kreise Liebenwerda, Mansfelder See- und
Gebirgskreis, Merseburg und Sangerhausen. Die Einschleppung erfolgte je einmal
durch einen in England angekauften Shorthorn-Bullen bez. durch aus Bayern ein-
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384
Kleinere Mittheilungen.
geführte Zugochsen. In Borschütz, Kreis Liebenwerda, war die am 9. Februar
1880 constatirte Lungenseuche am 15. September für erloschen erklärt worden.
Am 19. November 1880 wurde auf polizeiliche Anordnung ein Stück geschlachtet;
die rechte Lunge enthielt am hinteren Ende von einer starken bindegewebigen
Kapsel umschlossen ein abgestorbenes Stück, welches auf der Schnittfläche noch
die Structur der Lunge erkennen liess. Da dieses Thier jedenfalls noch Infections-
fähigkeit besass, trotzdem seit dem letzten Erkrankungsfall in der Heerde über
6 Monate vergangen waren, so dürfte die Folgerung berechtigt erscheinen, dass
die gegenwärtige Observationsfrist zu kurz bemessen ist.
In einer Ortschaft des Kr. und Landdr.-Bez. Hildesheim wurde die Lungen¬
seuche auf das Vieh benachbarter Gehöfte übertragen. Die Berichte führen einen
Ausbruch im Kreise Liebenberg ohne weitere Bemerkungen und ausserdem an, dass
zwei während des Novembers bez. Decembers geschlachtete Kühe eines Bestandes
im Kreise Melle, Landdr.-Bez. Osnabrück, unter welchem die Lungenseuche wäh¬
rend des Aprils geherrscht hatte, die anatomischen Veränderungen derselben
Krankheit erkennen Hessen.
Von 18 im Reg.-Bez. Kassel verseuchten Gehöften entfallen 16 auf den
Kreis Gersfeld — in welchem die Lungenseuche stets am stärksten verbreitet
auftritt —, je 1 auf die Kreise Eschwege und Fulda. Die Einschleppung erfolgte
zweimal durch Ankauf von Vieh im Grossherzogthum Sachsen-Weimar.
In Düsseldorf fiel eine kurz vorher aus dem Kreise Dortmund angekaufte
Kuh; ein zweiter Ausbruch der Lungenseuche im Reg.-Bez. Düsseldorf betraf
einen Viehbestand im Landkreis Krefeld. Die Einschleppung wurde durch in der
Nachbarschaft angekaufte Kühe vermittelt.
Von den verseuchten Beständen entfallen 22,72, von den auf polizeiliche
Anordnung getödteten Rindern 50,70 pCt. auf grössere Güter, 77,28 bez.
49.30 pCt. auf kleinere Besitzungen. Berechnet man dieselben Verhältnisszahlen
für die Provinzen Westpreussen, Brandenburg, Posen und Sachsen, in denen die
grösseren Güter liegen, so entfallen auf letztere 33,33 pCt. der verseuchten Be¬
stände und 61,65 pCt. der auf polizeiliche Anordnung getödteten Stück Rindvieh.
Der Verlust an auf polizeiliche Anordnung getödteten Thieren beträgt in den
grösseren Gütern nahezu 8 und in den kleineren Besitzungen etwas über 27pCt.
der vorhandenen Bestände.
Aus dem Auslande ist die Lungenseuche in 8 Bestände eingeschleppt wor¬
den und zwar: zweimal aus Bayern und Sachsen-Weimar, je einmal aus Holland,
England, Braunschweig und Böhmen.
Das statistische Material erwähnt, dass die Impfung mit sehr gutem Erfolge
in 4 Beständen des Reg.-Bez. Magdeburg und — ohne Angabe des Resultates —
in einem Bestände des Reg.-Bez. Merseburg ausgeführt worden ist. In Strelitz,
Kreis Kolmar, Reg.-Bez. Bromberg, erkrankte hochgradig eine 4 Jahre vorher
mit Erfolg geimpfte Kuh.
4. Rotz-Wurmkrankheit. Die Rotz-Wurmkrankheit wurde beobachtet:
Quartal Juli-Septbr. October-Decbr.
Zahl der Kreise. 160 129
„ „ Ortschaften . 276 255
* „ Gehöfte. 315 322
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Kleinere Mittheilungen.
385
Quartal
Juli-Septbr.
October-Decbr.
Gesammtbestand der verseuchten Gehöfte .
2681 Pferde
2817 Pferde
Erkrankt .
620 „
614 ,
Gefallen.
58 ,
20 „
Auf polizeiliche Anordnung getödtet . . .
542 »
541 *
Auf Veranlassung der Besitzer „ ...
29 „
105 „
Am Schluss des Berichtsquartals blieben
verseucht.
172 Gehöfte
165 Gehöfte
Die 666 im Berichtsquartal getödteten und gefallenen Pferde bilden 20,80
pCt. der 2817 Pferde, welche in den verseuchten Beständen vorhanden waren
und vertheilen sich in abgerundeten Procentsätzen, wie folgt, auf die einzelnen
Provinzen:
Ostpreussen . . . .
. . . 4,65 pCt.
Westpreussen . . .
. . . 16.20 „
Brandenburg . . .
. . . 6,15 ,
Pommern.
. . . 6,75 „
Posen.
. . . 10,85 „
Schlesien.
. . . 44,75 „
Sachsen. 3,45 pCt.
Schleswig-Holstein .... 0,15 „
Hannover. 1,65 *
Westfalen . .. 1,05 „
Hessen-Nassau . 1,20 *
Rheinprovinz. 3,15 „
100,00pCt.
Die Berechnung zeigt, dass der bedeutendste Procentsatz auf die Provinz
Schlesien entfällt, 268 Pferde, fast genau 2 /s des Gesammtverlustes
im ganzen Staate, sind im Reg.-Bez. Oppeln getödtet worden bez.
gefallen.
Die 29 im Reg.-Bez. Königsberg getödteten und gefallenen Pferde ver¬
theilen sich auf 10 Gehöfte, von denen 4 zusammen 19 Pferde verloren. Zwei
Pferde waren kurz vor Constatirung der Krankheit angekauft worden. Die beiden
im Reg.-Bez. Gumbinnen beobachteten Rotzfalle betrafen das einzige Pferd je
eines Besitzers. Eines dieser Pferde war kurz vorher angekauft worden.
Von 34 im Reg.-Bez. Danzig getödteten Pferden entfallen 28 auf 9 Be¬
stände des Kreises Pr. Stargard. In dem früher stark verseuchten Landkreise
Danzig kam nur ein Neuausbruch der Rotzkrankheit vor. Frei von der letzteren
blieben die Kreise Carthaus, Elbing und Neustadt. Im Reg.-Bez. Marienwerder
sind 74 Pferde getödtet worden bez. gefallen, davon 15 im Kreise Strassburg,
14 im Kr. Marienwerder und 13 im Kr. Thorn. In einem Gutsbestande des
Kreises Thorn brach die Rotzkrankheit während des Quartals zum dritten Male
aus: erster Ausbruch October 1878, 10 Pferde getödtet, erloschen Juni 1879;
Juni 1879 ein verdächtiges Pferd, später aus der Observation entlassen; zweiter
Ausbruch November 1879, 14 Pferde getödtet, erloschen August 1880; dritter
Ausbruch October 1880, 6 Pferde getödtet. Am 1. Januar 1881 war noch ein
Bestand von 35 Pferden und Fohlen vorhanden. Der häufige Wiederausbruch in
Gutsbeständen des Reg.-Bez. Marienwerder wird zum Theil auf den Missbrauch
zurückgeführt, dass nach Tödtung der rotzkranken Pferde bald früher bald später
neue Pferde angekauft und zwischen die der Ansteckung ausgesetzt gewesenen
gestellt, und dass die in besonderen Ställen gehaltenen Fohlen, sobald sie arbeits¬
fähig erscheinen, in den verseuchten Bestand eingereiht werden. In vielen Fällen
wurde gleich bei der ersten Constatirung der Rotzkrankheit eine grössere Anzahl
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386
Kleinere Mitteilungen.
kranker Pferde vorgefunden. Drei Pferde waren kurz vorher angekauft. Frei von
der Rotzkrankheit blieben nur die Kreise Könitz und D.-Krone.
Von 12 im Reg.-Bez. Potsdam getödteten Pferden entfallen 8 auf einen
Gutsbestand im Kreise West-Havelland — die Einschleppung blieb unermittelt
— und 2 auf einen alten Seuchenherd im Kreise Prenzlau. Von den 22 im
Reg.-Bez. Frankfurt getödteten und gefallenen Pferden gehörten 10 vier Gehöften
des Kreises Friedeberg, 8 vier Gehöften des Kreises Königsberg an. ln Berlin
ist die Zahl der Rotzfälle von 26 im Quartal Juli-October auf 7 im Berichts¬
quartal gesunken. Fünf in der Provinz Brandenburg getödtete Pferde waren kurz
vorher angekauft worden.
In der Provinz Pommern macht sich eine Abnahme der Rotzerkrankungen
bemerklich, die 12 im Reg.-Bez. Stettin getödteten und gefallenen Pferde ver¬
theilen sich auf 7 Bestände, unter diesen befindet sich der Rest von ursprünglich
15 Pferden eines Fuhrwerksbesitzers in Stettin und der Bestand eines Gutes im
Kreise Greifenhagen, welches während der beiden letzten Quartale 5 Pferde verloren
hat. Zwei Pferde waren kurz vorher angekauft. Die 33 im Reg.-Bez. Köslin ge¬
tödteten Pferde vertheilen sich mit Ausnahme eines Pferdes auf 3 seit längerer
Zeit bez. seit dem vorigen Quartal verseuchte Güter, in je einem Bestände der
Kreise Belgard und Stolp wurde der Rest des ganzen Bestandes — zusammen
23 Pferde — getödtet. Der Reg.-Bez. Stralsund blieb frei von der Rotzkrankheit.
Die Zahl der in der Provinz Posen getödteten und gefallenen Pferde beträgt
35 weniger als im Quartal Juli-September, 5 rotzkranke Pferde waren kurze Zeit
vorher angekauft worden. In 2 alten Rotzherden des Reg.-Bez. Posen wurden
zusammen 5, in 4 Rotzstationen des Reg.-Bez. Bromberg 27 Pferde getödtet,
unter den letzteren befindet sich der Rest zweier Bestände. In einem Gehöfte
des Kreises Wongrowiec erwiesen sich bei der ersten Untersuchung von 12 Pfer¬
den 5 rotzkrank. Die Zahl der Rotzausbrüche unter den Pferden von Handels¬
leuten und Handwerkern der kleinen Städte war geringer als in früheren Quar¬
talen. Von den 28 Stadt- und Landkreisen der Provinz blieben 10 seuchefrei.
Die 18 im Reg.-Bez. Breslau und die 12 im Reg.-Bez. Liegnitz getödteten
bez. gefallenen Pferde vertheilen sich auf zusammen 28 Bestände mit 109 Pfer¬
den. Die Fälle blieben mithin fast durchweg vereinzelt. Zwei rotzkrank befun¬
dene Pferde hatten ein Jahr vorher unter Observation gestanden und waren als
unverdächtig aus derselben entlassen worden. Sieben Pferde befanden sich, als
die Krankheit constatirt wurde, erst kurze Zeit in den Händen der betreffenden
Besitzer.
Im Reg.-Bez. Oppeln sind 268 Pferde getödtet worden und gefallen, dar¬
unter in dem sogenannten Montanbezirk, d. h. irr. altbeuthener Kreise, und im
Kreise Tost-Gleiwitz zusammen 203, im Kreise Neustadt 38 Pferde. Frei von
der Rotzkrankheit blieben nur die Kreise Lublinitz und Kosenberg.
Das Herrschen der Rotzkrankheit unter den Pferden eines Hüttenwerkes im
Kreise Kattowitz gelangte durch den Sectionsbefund bei einem in der Ross¬
schlächterei zu Zawodzie getödteten Pferde zur Kenntniss der Behörde. Die
Hütten Verwaltung liess sämmtliche 57 Pferde ihres Besitzes tödten und erwiesen
sich bei der Section 38 Pferde, welche oberirdisch gearbeitet hatten, rotzkrank;
die unterirdisch arbeitenden waren gesund. Von den übrigen 31 im Kreise Katto-
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Kleinere Mittheilungen.
387
witz getödteten Pferden gehörten 5 einer Hüttenverwaltung, 26 18 Besitzern.
In sämmtlichen 23 verseuchten Gehöften des Kreises Kattowitz waren 95 Pferde
vorhanden gewesen, von denen am Schlüsse des Berichtsquartals noch 5 lebten.
Die 39 im Kreise Beuthen getödteten Pferde gehörten 23 Gehöften an, in denen
zusammen 94 Pferde gehalten wurden. Ein Bestand von 45 Pferden verlor 6 ,
ein anderer von 12 2 Pferde, die übrigen 21 Bestände zählten ursprünglich
35 Pferde, von denen am Schlüsse des Berichtsquartals noch 4 vorhanden waren.
In den Kreisen Tamowitz und Zabrze wurden zusammen 15, im Kreise Tost-Gleiwitz
59 Pferde getödtet. Die meisten rotzkranken Pferde in den bisher genannten
Kreisen gehörten kleinen Ackerwirthen, welche nebenbei Fuhrwerk betreiben,
oder Fuhrleuten und hatten einen sehr geringen Werth. Ein Pferd wurde auf
IIV 3 Mark taxirt, ein anderes war kurz vorher für 15 Mark angekauft worden.
Die Märkte in Beuthen, Kattowitz, Königshütte, Tarnowitz, namentlich aber in
Gleiwitz haben vielfach zur Verbreitung der Rotzkrankheit Anlass gegeben,
ebenso auch die Gastställe und die transportabelen Futtertröge vor denselben.
Die Krankheit ist vielfach von den Besitzern wissentlich verheimlicht oder doch
verkannt worden.
Sämmtliche 19 Pferde zweier Vorwerke im Kreise Neustadt wurden auf
polizeiliche Anordnung getödtet, dieselben waren hauptsächlich zu Fuhren benutzt
worden. Die übrigen 19 Rotzfälle im Kreise Neustadt vertheilen sich auf 9 Ge¬
höfte, deren Besitzer zum Theil ebenfalls Fuhrwerk betrieben. Im Kreise Kreuz¬
burg wurde der ganze Bestand von 5 Pferden eines Besitzers getödtet.
Von den rotzkranken Pferden im Reg.-Bez. Oppeln waren 16 kurz vorher
angekauft worden, 2 wurden auf Rossschlächtereien, 8 auf Märkten, 2 herrenlos
angetroffen, 4 bez. 5 Ausbrüche der Rotzkrankheit sollen durch in Polen bez.
Galizien angekaufte Pferde, 2 durch Infection unterwegs oder in Gastställen ver¬
mittelt worden sein. Von 185 auf polizeiliche Anordnung getödteten Pferden
gehörten 75 Fuhrleuten und 66 kleineren Ackerwirthen, von denen ein grosser
Theil jedoch nebenbei Fuhrwerk betreibt.
Von 20 im Reg.-Bez. Magdeburg getödteten Pferden gehörten 16 je einem
Gute der Kreise Jerichow I., Kalbe und Osterburg an. Ein Pferd war kurze Zeit
vorher angekauft worden, ein Ausbruch ist durch Uebertragung von Pferden eines
benachbarten Gehöftes, ein anderer durch Infection auf Reisen veranlasst worden.
Im Reg.-Bez. Merseburg sind 2 Pferde auf Veranlassung der Besitzer, im Reg.-
Bez. Erfurt ist ein Pferd auf polizeiliche Anordnung getödtet worden.
Der Ursprung eines auf der Rossschlächterei in Altona rotzkrank befundenen
Pferdes konnte nicht ermittelt werden. Weitere Rotzfälle sind im Reg.-Bez.
Schleswig nicht beobachtet worden.
In den Landdr.-Bez. Hildesheim, Lüneburg, Stade und Aurich sind zu¬
sammen 11 Pferde getödtet worden bez. gefallen. Dieselben vertheilen sich auf
7 Gehöfte, in denen 24 Pferde vorhanden waren. Die Landdr.-Bez. Hannover
und Osnabrück blieben frei von der Rotzkrankheit.
In 6 Beständen mit zusammen 40 Pferden der Reg.-Bez. Münster und Arns¬
berg wurden 7 Pferde getödtet. Ein Pferd war kurz vorher angekauft worden.
Im Reg.-Bez. Minden wurden keine Fälle von Rotzkrankheit beobachtet.
Die 7 im Reg.-Bez. Kassel getödteten Pferde gehörten je einem Bestände
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388
Kleinere Mittheilungen.
der Kreise Eschwege und Marburg an. Sämmtliche 4 Pferde des Bestandes im
Kreise Marburg erwiesen sich rotzkrank, die Einschleppung war durch ein ange¬
kauftes Pferd vermittelt worden, das 2. Pferd erkrankte nach 14 Tagen, bald
darauf auch das 3. und 4. Pferd. Im Reg.-Bez. Wiesbaden wurde die Rotzkrank¬
heit nur bei einem Pferde beobachtet.
Im Reg.-Bez. Düsseldorf kamen 4 Rotz fälle unter den Pferdebeständen der
Städte Elberfeld und Barmen vor. Im Reg.-Bez. Köln wurden 5 rotzkranke
Pferde auf der Rossschlächterei in Köln ermittelt, ausserdem brach die Krankheit
bei einem Pferde im Kreise Bergheira aus. Von 11 im Reg.-Bez. Trier getödteten
Pferden gehörten 4 einem Fuhrmann, 3 Saarschiffern, 2 Rotzfälle wurden auf
Rossschlächtereien ermittelt. In der Grube Dudweiler, Kreis Saarbrücken, erwies
sich ein Pferd rotzkrank, 7 wegen anderer unheilbarer Leiden getödtete Pferde,
von denen eines schon seit 12 Jahren dem seit lange verseuchten Bestände der
Grube angehörte, zeigten bei der Section keine Erscheinungen der Rotzkrankheit.
Die Hohenzollerschen Lande blieben frei von der Rotzkrankheit.
Von den verseuchten Beständen und den auf polizeiliche Anordnung ge¬
tödteten Pferden entfallen:
verseuchte Bestände auf pol. Anordn. get. Pferde
auf grössere Güter.
21.48 pCt.
40,00 pCt.
auf kleinere Ackerwirthschaften
37,77 „
30,90 „
auf Besitzer, welche Fuhrwerk
betreiben.
33,33 ,
24,10 .
Unbestimmt.
7,42 „
5,00 ,
Berechnet man dieselben Verhältnisszahlen für die Provinzen Ostpreussen, West-
preussen, Brandenburg (excl. Berlin), Pommern, Posen und Schlesien, so stellen
sich dieselben, wie folgt:
verseuchte Bestände auf pol. Anordn. get. Pferde
grössere Güter. 23,20 pCt. 41,70 pCt.
kleinere Ackerwirthschaften .. 38,80» 31,30»
Betrieb von Fuhrwerk .... 30,80 » 22,00 »
Unbestimmt. 7,20 » 5,00 »
48 rotzkranke Pferde waren kurz vor Constatirung der Krankheit angekauft, 10
rotzkranke Pferde wurden auf den Märkten in Beuthen, Gleiwitz, Pilchowitz (4),
Schafstedt, Sohrau, Tost, Zeitz, 20 auf Rossschlächtereien ermittelt, 6 Ausbrüche
der Rotzkrankheit werden auf Infection unterwegs in Gastställen zurückgefübrt,
über einen erneuten Ausbruch der Rotzkrankheit in früher verseucht gewesenen Be¬
ständen wird nur einmal (aus dem Reg.-Bez. Marienwerder) berichtet. 14 Aus¬
brüche sind angeblich durch Einschleppung aus dem Auslande veranlasst worden*
nämlich 5 aus Polen, 5 aus Galizien, je 1 aus Braunschweig, Oldenburg, Belgien
und Holland.
Bei 40 auf polizeiliche Anordnung getödteten Pferden = 7,40 pCt. wurde
das Vorhandensein der Rotzkrankheit durch die Section nicht bestätigt.
Ueber Erkrankungen von Menschen in Folge von Rotzinfection ist nichts be¬
kannt geworden.
5. Schafpocken. Die Verbreitung der Schafpockenseuche ist zwar etwas
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Kleinere Mitteilungen.
389
geringer als im Quartal Juli-September, jedoch noch immer sehr bedeutend ge¬
wesen. Die Schafpocken wurden beobachtet:
Quartal Juli-Septbr. Quartal October-December
in 111 Kreisen in 119 Kreisen
„ 846 Ortschaften „ 749 Ortschaften
* 1809 Heerden „ 1636 Heerden
gefallen 3720 Schafe 12267 Schafe.
Von den 1636 im Berichtsquartal verseuchten Beständen sind 1034 solche, in
denen die natürlichen Pocken ausbrachen, in 543 Heerden wurde die Schutz¬
impfung der Lämmer, in 59 die Praecautionsimpfung des ganzen Bestandes aus¬
geführt. Die erheblich grössere Zahl der gefallenen Schafe im Berichtsquartal
ist der Hauptsache nach dadurch bedingt worden, dass Verluste, welche die
Heerden ira Quartal Juli-September betroffen hatten, den Berichterstattern erst
während des letzten Quartals bekannt wurden. Ausdrücklich muss hervorgehoben
werden, dass die oben erwähnten Ausbrüche der Schafpocken während des Be¬
richtsquartals constatirt worden sind.
Von den Ortschaften der Reg.-Bez. Königsberg, Gumbinnen, Marienwerder,
Potsdam, Frankfurt, Stettin, Köslin, Stralsund, Posen, Bromberg, Magdeburg und
Merseburg, in denen natürliche Pocken zum Ausbruch gelangten, liegen 85,33 pCt.
in Kreisen, in denen die Schutzimpfung der Lämmer gebräuchlich ist, 14,67 pCt.
in Kreisen, in denen die Impfung der Lämmer nicht ausgeführt wird. Diese
Verhältnisse sprechen für die Richtigkeit der Behauptung, dass die Ausbrüche
der natürlichen Pocken zum grössten Theil auf die Schutzimpfungen zurückzu¬
führen sind.
In den Reg.-Bez. Danzig, Breslau und Erfurt, in denen Schutzimpfungen
der Lämmer nicht ausgeführt werden, brachen die natürlichen Pocken unter den
Schafen von zusammen 8 Ortschaften aus. Die Pockenausbrüche in 3 Ortschaften
des Reg.-Bez. Schleswig werden als Nachzügler der während des Quartals Juli-
September in denselben Kreisen beobachteten bezeichnet, ebenso auch die Aus¬
brüche in zusammen 88 Ortschaften der Landdr.-Bez. Hannover, Hildesheim und
Stade. Wie in fast allen Berichtsperioden erlangte die Pockenseuche unter den
Schafen des Landdr.-Bez. Lüneburg eine sehr grosse, zum Theil so bedeutende
Verbreitung, dass, wie z. B. im Kreise Gifhorn, fast kein Schafbestand verschont
blieb. Die Ursachen dieser fast allgemeinen Ausbreitung der Pocken sind nicht
aufgeklärt worden.
In allen übrigen bisher nicht genannten Reg.- bez. Landdr.-Bez. wurden
keine Fälle von Schafpocken beobachtet.
Abgesehen von den Schutzimpfungen, welche in den östlichen Provinzen am
häufigsten — direct oder durch Zwischenträger — Anlass zur Verbreitung der
Seuche gaben, werden zahlreiche Ausbrüche auf Infection durch Treibheerden
oder durch angekaufte Schafe — welche zum grössten Theil aus Pommern und
Mecklenburg, mithin aus Gegenden, wo die Schutzimpfung üblich ist, stamm¬
ten — zurück geführt, bez. auf Ankauf gesunder Schafe, welche lediglich
Träger des Contagiums waren, vom Berliner Schlachtvieh markt. In einzelnen
Ortschaften des Reg.-Bez. Merseburg sollen die Schafpocken aus dem benach¬
barten Fürstenthum Schwarzburg-Rudolstadt eingeschleppt worden sein. In den
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390
Kleinere Mittheilungen.
östlichen Provinzen wurde die Verbreitung der Pocken mehrfach durch Schafe be¬
dingt, welche den neu anziehender. Dienstleuten gehörten.
Ueber die Resultate der Impfungen liegen nur sehr dürftige Angaben vor;
mehrfach wird jedoch hervorgehoben, dass die Verluste bei den Praecautions-
impfungen im Allgemeinen unbedeutend waren und nur in Heerden, welche
regnerischer Witterung ausgesetzt wurden, einen etwas grösseren Umfang erreich¬
ten. An 2 Orten des Kreises Rügen hatte die Incubation bei nothgeimpften
Schafen — anscheinend in Folge des nasskalten Wetters — eine Dauer von über
3 Wochen.
6 . Der Bläschenausschlag der Pferde und des Rindviehs. Der
Bläschenausschlag ist bei 42 Stück Rindvi eh, jedoch nicht bei Pferden
beobachtet worden und erlangte nirgends eine grössere Verbreitung. Die 42
Stück Rindvieh gehörten 38 Beständen in 13 Ortschaften der Reg.-Bez. Potsdam,
Liegnitz, Merseburg, Minden, Kassel, Wiesbaden, Köln und Aachen an.
Die Beschälseuche ist nicht beobachtet worden.
7. Räude der Pferde und Schafe. Von 157 räudekranken Pferden
— 43 mehr als im Quartal Juli-September — sind 22 gestorben bez. auf Ver¬
anlassung der Besitzer und 8 auf polizeiliche Anordnung getödtet worden und
entfallen die zahlreichsten — 27, 23 bez. 22 — auf die Reg.-Bez. Marien wer-
der, Breslau und Schleswig, über 5 auf die Reg.-Bez. Königsberg (15), Gum¬
binnen (7), Danzig (8), Potsdam (13), Bromberg (12), Oppeln (9), 1—5 auf
die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Stettin, Köslin, Posen, Magdeburg, Merseburg, Han¬
nover, Aurich und Trier. Die übrigen Regierungs- bez. Landdrostei bezirke blie¬
ben frei von der Pferderäude.
Vier räudekranke Pferde waren kurz vor Constatirung der Krankheit ange¬
kauft, zwei wurden auf Märkten angetroffen; zwei Ausbrüche der Räude werden
auf Einschleppung aus Polen, zwei auf Infection unterwegs zurückgeführt. Ein
Pferd war gleichzeitig räude- und rotzkrank.
In Kokotzko, Kr. Kulm, Reg.-Bez. Marienwerder, und in Beuthen, Reg.-Bez.
Oppeln, wurde die Räude auf 4 bez. 2 Menschen übertragen.
Ueber die Verbreitung der Schafräude liegt ein im Allgemeinen nur dürf¬
tiges Material vor. Die Krankheit soll unter den Schafen der Provinz Westfalen
sehr verbreitet herrschen, jedoch nicht zur Kenntniss der Behörden gelangen;
namentlich behaupten die Berichterstatter für die Kreise Ahaus, Reg.-Bez. Mün¬
ster, Höxter, Reg.-Bez. Minden, und Soest, Reg.-Bez. Arnsberg, dass die Schaf¬
bestände der kleinen Besitzungen fast durchweg räudekrank sind. Das statistische
Material des Reg.-Bez. Kassel erwähnt die Schafräude gar nicht, das des Reg.-
Bez. Wiesbaden nur, dass die Krankheit nach wie vor in mehreren Kreisen unter
dem sogenannten Schmiervieh herrsche.
Auch die Berichte aus der Provinz Hannover enthalten nur spärliche Mit¬
theilungen über die Schafräude, aus denen jedoch im Allgemeinen die Folgerung
zu begründen sein dürfte, dass sich im Stande der Schafräude wenig geändert
hat. Im Kreise Rothenburg, Landdr.-Bez. Stade, scheint die Schafräude getilgt
zu sein, und aus dem Landdr.-Bez. Osnabrück wird in den letzten Quartalen
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Kleinere Mittheilungen.
391
wiederholt berichtet, dass die Verbreitung der Schafräude im Kreise Meppen auf
dem linken Emsufer unverändert, dass es dagegen auf dem rechten Emsufer ge¬
lungen sei, die Krankheit zu tilgen.
Im Reg.-Bez. Schleswig ist während des Berichtsquartals nur ein Neuaus¬
bruch vorgekommen, welcher 3 Schafe im Kreise Pinneberg betraf; die während
der letzten vorhergegangenen Quartale constatirtcn Ausbrüche der Räude waren
bis zum 1. Januar 1881 — und zwar vielfach durch Abschlachten der Bestände
— vollständig getilgt.
Ausserdem wird über das Auftreten der Schafräude aus folgenden Kreisen
berichtet: Reg.-Bez. Königsberg. Kr. Ortelsburg, Wiederausbruch in 1 Schaf¬
heerde nach Ablauf von 4 Monaten, die Krankheit wurde auf 6 andere Bestände
desselben Ortes übertragen; Kr. Neidenburg in 4 Ortschaften. Reg.-Bez. Marien¬
werder, Kr. Schlochau, 17 Schafheerden in 7 Ortschaften. Reg.-Bez. Potsdam,
4 Heerden im Kreise Zauch-Belzig. Reg.-Bez. Frankfurt, Kr. Königsberg, 3
kleine Schafbestände. Reg.-Bez. Stettin, Kr. Greifenberg, 5 kleine Bestände einer
Ortschaft. Reg.-Bez. Köslin, 5 Schafheerden in 4 Ortschaften des Kreises Kol-
berg-Körlin. Reg.-Bez. Liegnitz, Kr. Lauban, eine Heerde Masthammel. Reg.-
Bez. Magdeburg, zusammen 5 Heerden in den Kreisen Gardelegen, Jerichow II
und Stendal. Reg.-Bez. Merseburg, 2 sofort abgeschlachtete Schafe im Kreise
Sangerhausen. Reg.-Bez. Aachen, eine Heerde im Kreise Schleiden. Die Ein¬
schleppung durch angekaufte Schafe konnte meistens nachgewiesen werden; die
Tilgung erfolgte in vielen Fällen durch sofortige Abschlachtung der kranken
Bestände.
In den übrigen Regierungsbezirken sind keine Fälle von Schafräude beob¬
achtet worden.
8 . Tollwuth. Die Zahl der Erkrankungen an Tollwuth ist, wie die nach¬
stehende Vergleichung zeigt, geringer gewesen, als im Quartal Juli-September.
Quartal Juli-Septbr. October-Decbr.
Zahl der Kreise.
111
108
y>
T>
Ortschaften.
250
232
r »
V
wtithkranken Hunde.
186
136
n
V
„ Pferde.
3
2
V
r
„ Stück Rindvieh . .
53
46
V
r>
„ Schafe.
25
4
»
V
„ Schweine ....
5
1
y>
herrenlosen wuthverdächt. Hunde
61
88
vt
nach § 111 der Instruction ge-
tödteten Hunde.
264
241
Ueber 10 wuthkranke Hunde entfallen auf die Reg.-Bez. Gumbinnen (17),
Danzig (10), Bromberg (12), Minden (11). Frei von der Tollwuth blieben die
Reg.- bez. Landdr.-Bez. Köslin, Stralsund, Magdeburg, Schleswig, Lüneburg,
Aurich, Wiesbaden, Trier, Aachen, Sigmaringen. In den Reg.- bez. Landdr.-Bez.
Potsdam, Stettin, Breslau, Liegnitz, Merseburg, Erfurt, Hannover, Kassel und
Köln beschränkte sich das Vorkommen der Wuth auf 1—2 Hunde.
Die Berichte führen vielfach an, dass die Anzeigen von Erkrankungen an
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392
Kleinere Mittheilangen.
Wath häufig nicht geleistet worden sind, und dass die Dorchführung des § 111
der Instruction fortdauernd auf die grössten Schwierigkeiten stösst. Besonders
zahlreiche Ausbrüche der Wuth sind auf Infection durch den Biss herrenlos um¬
herschweifender Hunde zurückzuführen, von denen im Reg.-Bez. Gumbinnen ein
Theil aus Polen, im Landdr.-Bez. Hildesheim, ein Theil aus Braunschweig überge¬
laufen war.
Von den 46 wuthkranken Stück Rindvieh entfallen 19 auf den Reg.-Bez.
Königsberg — 10 auf ein Gehöft des Kreises Pr.-Holland — und 12 auf den
Reg.-Bez. Marienwerder — 6 auf ein Gehöft des Kreises Könitz.
Von sicher beobachteten Incubationszeiten erwähnt das statistische Material:
bei Hunden je einmal 14. 25. 28. 138 Tage,
„ Pferden „ „ 28. 29 Tage.
„ Rindvieh * „ 24. 26. 35 41. 46. 82. 90. 91. 98. 102 (der
zweite Fall in demselben Bestände), je zweimal
21. 37. 57, fünfmal 30 Tage,
„ Schafen „ „ 42. 61, zweimal 15 Tage.
In Ober-Heyduk, Kr. Beuthen, Reg.-Bez. Oppeln, erkrankte ein Knabe an
Wasserscheu, nachdem er 9 Tage vorher von einem fremden Hunde gebissen
worden war. Der Tod erfolgte nach viertägiger Krankheitsdauer. Müller.
Am 20. und 21. Juli 1881 wird in den Sälen der Sooiety of Arts, John Street,
Adelphi Strand (nahe dem Bahnhof Charing Cross) zu London ein thierärzt¬
licher Congress abgehalten werden, auf welchem die nachstehend genannten
Hauptfragen zur Besprechung gelangen sollen:
1) über Gewährskrankheiten; 2) über den Einfluss, welchen die Krank¬
heiten der niederen Thiere auf die Gesundheit des Menschen haben;
3) über Thierquälerei vom thierärztlichen Standpunkte aus; 4) über
Viehseuchengesetze.
Andere Gegenstände können als Neben fragen zur Debatte gestellt werden, nament¬
lich auch solche, welche von Theilnehmern am Congresse einem der Secretäre des
Congresses bis zum 9. Juli er. mitgetheilt werden. Jeder Theilnehmer am Con¬
gress hat zur Bestreitung der Kosten eine Guinea (21 Mark) zu zahlen.
Herr J. H. Steel, Brunswick Villa, Herbert Road, Woolwich SE., Secretär
des Congresses, ladet die Thierärzte Deutschlands zur Theilnahme an dieser Ver¬
sammlung mit dem Bemerken ein, dass er gern bereit ist, nähere Auskunft zu
ertheilen. Müller.
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Amtliche Erlasse,
Mit dem 1. April d. J. treten
das Keichsgesetz, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von
Viehseuchen vom 23. Juni 1880 (R.-G.-Bl. S. 153),
die zur Ausführung dieses Gesetzes von dem Bundesrathe be¬
schlossene, von dem Herrn Reichskanzler unter dem 24. Februar 1881
publicirte Instruction (Centralblatt für das Deutsche Reich. S. 37),
das Preussische Gesetz, betreffend die Ausführung des Reichgesetzes
über die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen vom 12. März
1881 (G.-S. S. 128)
in Kraft, während gleichzeitig das Preussische Viehseuchen-Gesetz vom 25. Juni
1875 (G.-S. S. 306) ausser Kraft tritt.
Eure pp. wollen die Polizeibehörden ihres Verwaltungsbezirks hierauf un¬
verzüglich durch eine Bekanntmachung in dem Amtsblatte, welcher ein Abdruck
der beifolgenden Ausführungs-Instruction des Bundesraths vom 24. d. M. beizu¬
fügen ist, aufmerksam machen und auch dafür Sorge tragen, dass eine ent¬
sprechende Hinweisung auf das Inkrafttreten der obigen Vorschriften durch die
Kreisblätter, bezw. durch die zu amtlichen Publicationen bestimmten Blätter der
Kreisbehörden veröffentlicht wird. Desgleichen ist zu veranlassen, dass in Ge¬
genden, wo bisher die Impfung der Lämmer gegen die Schafpocken üblich ge¬
wesen, in jeder Gemeinde und in jedem Gutsbezirke der Inhalt des § 49 des
Reichsgesetzes in ortsüblicher Weise bekannt gemacht und darauf hingewiesen
wird, dass in Gemässheit des § 65 1. c. mit Geldstrafe von 10 bis 150 Mark
oder mit Haft nicht unter einer Woche bestraft wird, wer ausser dem Falle poli¬
zeilicher Anordnung die Pockenimpfung eines Schafes vornimmt.
Die Anordnung und Ueberwachung der durch das Reichsgesetz und die
Instruction des Bundesraths vorgeschriebenen, beziehentlich nach deren Bestim¬
mungen zulässigen (§ 1 der Instruction) Massregeln zur Abwehr und Unter¬
drückung von Viehseuchen liegt in Gemässheit des § 1 des Preussischen Aus¬
führungsgesetzes vom 12. März d. J. unter meiner Oberleitung den Regierungs¬
präsidenten (Landdrosten), Landräthen und Ortspolizeibehörden ob. Ueber die
Befugnisse dieser polizeilichen Instanzen enthalten die §§ 2 bis 11 des Aus¬
führungsgesetzes die näheren Bestimmungen.
I. Zu einzelnen Vorschriften des Ausführungsgesetzes vom 12. März d. J.
bemerke ich Folgendes:
Archiv t wiMcnteh. u. prakt. Thicrhcilk. VH. 4 u. &. 26
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394
Amtliche Erlasse.
Zu § 4.
Die Regierungspräsidenten (Landdrosten) haben zu prüfen, ob in ihrem
Verwaltungsbezirke Ortschaften vorhanden sind, in welchen der Milzbrand noto¬
risch ständig auftritt und event. für diese Orte die nach § 11 des Reichsgesetzes
erforderlichen Anordnungen zu treffen. Ueber die erfolgte Bildung eines oder
mehrerer solcher „Milzbrandbezirke“, in welchen vereinzelte Milzbrandfälle nicht
angezeigt zu werden brauchen und die Zuziehung des beamteten Thierarztes be¬
hufs der Feststellung der Krankheit gemäss § 15 des Reichsgesetzes in der Regel
nicht erforderlich ist, erwarte ich jedesmal eine Anzeige.
Zu § 6.
Zur Abgabe des thierärztlichen Obergutachtens in den Fällen der §§14
und 16 des Reichsgesetzes ist der Departementsthierarzt des benachbarten
Bezirks zu requiriren, wenn der Departementsthierarzt des dortigen Bezirks
das erste Gutachten in seiner Eigenschaft als Kreisthierarzt abgegeben hat
und aus diesem Grunde die Inanspruchnahme eines Vertreters nothwendig
wird. Die Regierungspräsidenten (Landdrosten) haben durch eine Bekannt¬
machung im Amtsblatt vorzuschreiben, welcher Departementsthierarzt in sol¬
chen Fällen als Vertreter zu requiriren ist. In der Regel wird deijenige
benachbarte Departementsthierarzt als Vertreter zu bestimmen sein, dessen Zu¬
ziehung der Staatskasse die geringsten Reisekosten verursacht; es wird daher
bisweilen angemessen sein, nicht für den ganzen Verwaltungsbezirk nur einen
Departementsthierarzt als Stellvertreter zu designiren, sondern je nach der ört¬
lichen Lage für einzelne Theile des Bezirks verschiedene Stellvertreter zu be¬
zeichnen l ).
Abgesehen von den Fällen der §§14 und 16 des Reichsgesetzes kann die
Vertretung des Departementsthierarztes im Falle der Krankheit oder einer vor¬
übergehenden sonstigen Behinderung desselben einem Kreisthierarzte des Bezirks
übertragen werden.
Dem dortigen Departementsthierarzt ist von dem Inhalt meiner vorstehenden
Bestimmungen zu § 6 des Ausführungsgesetzes mit dem Bemerken Kenntniss zu
geben, dass meinerseits eine besondere Ernennung der Vertreter nicht erfol¬
gen wird.
Die oben erwähnte Bekanntmachung im Amtsblatt ist dem darin als Ver¬
treter bezeichneten Departementsthierarzt unter Hinweis auf meinen gegenwärti¬
gen Erlass mitzutheilen.
Zu § 8.
Die Ortspolizeibehörde hat nach § 2 des Gesetzes die Tödtung rotzkranker
Thiere in allen Fällen, die Tödtung verdächtiger Thiere nach § 8 aber nur in
dem ersten Falle des § 42 des Reichsgesetzes anzuordnen, d. i. wenn von dem
! ) Mit Rücksicht auf die geographische Lage der Hohenzollernsohen Lande
ist in dem Reg.-Bez. Sigmaringen — nach einer besonderen Verfügung des
Herrn Ministers — zur Abgabe des tierärztlichen Obergutachtens in den Fällen
der §§14 und 16 des Reichsgesetzes einer der dortigen beamteten Thierärzte
zum Stellvertreter des Departementsthierarztes zu designiren.
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Amtliche Erlasse.
3&5
beamteten Thierarzt der Ausbruch der Rotzkrankheit auf Grund der vorliegenden
Anzeichen für wahrscheinlich erklärt wird.
In den beiden anderen Fällen, in welchen nach § 42 des Reichsgesetzes in
Verbindung mit § 41 der Instruction des Bundesraths die Tödtung der der
Rotzseuche verdächtigen Thiere erfolgen muss, d. i. wenn durch ander¬
weite, den Vorschriften des Reichsgesetzes entsprechende Massregeln ein wirk¬
samer Schutz gegen die Verbreitung der Seuche nach Lage des Falles nicht er¬
zielt werden kann, oder wenn der Besitzer die Tödtung beantragt und die
beschleunigte Unterdrückung der Seuche im öffentlichen Interesse erforderlich ist,
steht nach der Vorschrift in § 8 des Ausführungsgesetzes die Anordnung der
Tödtung nur dem Regierungspräsidenten (Landdrosten) zu. Derselbe hat daher
in solchen Fällen nach Anhörung des Departementsthierarztes sorgfältig zu
prüfen, ob die zur Anordnung der Tödtung berechtigenden Voraussetzungen vor¬
liegen, und sobald er hiervon Ueberzeugung gewonnen hat, die Tödtung der
rotzverdächtigen Thiere sofort anzuordnen.
Die Tödtung von Thieren, welche nicht der Seuche verdächtig, sondern nur
der Ansteckung verdächtig sind (cf. § 1 des Reichsgesetzes), ist in Gemäss-
heit des § 53 der Instruction des Bundesraths nur in dem letzten der oben an¬
geführten Fälle anzuordnen, d. i. wenn der Besitzer die Tödtung beantragt und
nach dem Ermessen der höheren Behörde die beschleunigte Unterdrückung der
Seuche im öffentlichen Interesse erforderlich ist. Der Regierungspräsident (Land¬
drost) wird demgemäss in solchen Fällen nach Einforderung eines schriftlichen
Gutachtens des Departementsthierarztes jedesmal zu erwägen haben, ob nach den
besonderen Verhältnissen des Falles die beschleunigte Unterdrückung der Seuche
im öffentlichen Interesse nothwendig ist, oder ob eine weitere Observation der
der Ansteckung verdächtigen Thiere mit Rücksicht auf die isolirte Lage des Seu¬
chenorts oder Gehöfts oder wegen sonstiger Umstände ohne Gefahr der Verschlep¬
pung der Seuche in andere Pferdebestände stattfinden kann.
Erscheint eine derartige Gefahr nach Lage der Verhältnisse ausgeschlossen,
dann wird das öffentliche Interesse durch die Fortsetzung der Observation bis zur
klareren Erkenntniss des Gesundheitszustandes der Thiere nicht geschädigt und
liegt keine berechtigte Veranlassung zur Anordnung der Tödtung vor.
Andererseits werden in anderen Fällen, je nachdem besondere eigenartige
Verhältnisse obwalten, deren Beurtheilung dem eigenen Ermessen der zuständigen
Regierungspräsidenten (Landdrosten) überlassen bleiben muss, durch energische
Massregeln, welche die Seuche in kurzer Zeit tilgen, geringere wirthschaftliche
Opfer verursacht werden, als durch lange fortgesetzte Observationen. Bei Pferde¬
beständen z. B., in welchen die Seuche wiederholt zum Ausbruch gekommen ist,
wird es in der Regel angemessen sein, die der Ansteckung durch unmittelbare
Berührung mit rotzkranken Pferden ausgesetzt gewesenen Thiere möglichst schnell
tödten zu lassen, und nur solche Thiere desselben Bestandes, welche garnicht
in directe Berührung mit kranken gekommen sind, unter Observation zu stellen.
Ich vertraue, dass die Herren Regierungspräsidenten (Landdrosten) in jedem
Falle mit Sorgfalt aber ohne Aengstlichkeit im vollen Bewusstsein der eigenen
Verantwortlichkeit prüfen werden, ob und in welchem Umfange die Tödtung von
verdächtigen Pferden angemessen erscheint. — In allen Fällen, wo es sich um
26*
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396
Amtliche Erlasse.
die Tödtung verdächtiger Pferde handelt, ißt dafür Sorge zu tragen, dass die
erforderlichen Ermittelungen mit thunlichster Beschleunigung vorgenommen und
die angeordneten Tödtungen möglichst schnell ausgeführt werden.
Von der erfolgten Tödtung der Ansteckung verdächtiger Pferde ist mir unter
Mittheilung des Resultats der Obduction und unter Beifügung einer Abschrift des
oben erwähnten Gutachtens des Departementsthierarztes Anzeige zu machen.
Zu § 9.
Die Tödtung von Rindvieh, welches nach der schriftlichen Erklärung des
beamteten Thierarztes lungenseuchekrank ist, hat die Ortspolizeibehörde anzuord¬
nen. Dagegen ist die Anordnung der Tödtung verdächtigen Rindviehs, d. h. sol¬
cher Thiere, welche der Lungenseuche oder der Ansteckung verdächtig sind (§ 1
des Reichsgesetzes), dem Ermessen des Regierungspräsidenten (Landdrosten)
überlassen. (§ 45 des Reichsgesetzes und § 79 der Instruction des Bundesraths.)
Nach dem Preuss. Gesetz vom 25. Juni 1875 (§ 22) durfte zwar die Tödtung
kranker, nicht aber die Tödtung verdächtiger Rinder angeordnet werden. Es
erweitert mithin das Reichsgesetz in Betreff der Lungenseuche sehr erheblich die
Befugnisse der Veterinärpolizei.
Die Tödtung aller verdächtigen Rinder, d. h. allen Rindviehs, welches mit
kranken Thieren zusammen in einem Gehöft gestanden hat, ist zwar ein sehr
wirksames Mittel gegen die Weiterverbreitung der Lungenseuche, darf aber wegen
der damit verbundenen wirthschaftlichen Verluste nur mit grosser Vorsicht und
nur dann angewendet werden, wenn dadurch nach den localen Verhältnissen auch
wirklich die vollständige Ausrottung der Seuche in der betreffenden Gegend er¬
reicht werden kann. Es wird demgemäss von diesem Mittel in der Regel Gebrauch
zu machen sein, wenn die Seuche in einem einzelnen kleineren Viehbestände eines
Landestheils ausbricht, welcher bisher seuchefrei war und wegen seiner blühen¬
den Viehzucht und Viehausfuhr ein ganz besonderes Interesse an der schnellen
Tilgung der Seuche hat. Dagegen wird dies Mittel in der Regel nicht anzuwen¬
den sein in Landestheilen, in welchen die Seuche bereits in zahlreichen grossen
Viehbeständen herrscht, weil in solchen Gegenden die Tödtunng aller verdächtigen
Thiere unverhältnissmässige Schädigungen des National- und Privatvermögens
herbeiführen und eine vollständige Ausrottung der Seuche in kurzer Zeit doch
nicht mit Sicherheit zur Folge haben würde. In solchen Landestheilen wird viel¬
mehr die allmähliche Unterdrückung der Seuche durch die anderen in der In¬
struction des Bundesraths (§§ 70—91) vorgeschriebenen Massregeln zu erstreben
und insbesondere die baldige Abschlachtung der verdächtigen Rinder in den von
der Instruction gegebenen Grenzen möglichst zu begünstigen sein.
Die Impfung des Rindviehs gegen die Lungenseuche darf polizeilich nicht
angeordnet werden, sondern ist dem freien Ermessen der Viehbesitzer zu über¬
lassen. Durch die Ausführung der Impfung werden rücksichtlich der geimpften
Thiere keine besonderen Ansprüche auf Entschädigung erworben. Für die Ent¬
schädigungsfrage ist es vielmehr ohne allen Einfluss, ob an den in Betracht kom¬
menden Rindern eine Impfung vorgenommen ist oder nicht.
Von der erfolgten Tödtung verdächtiger Rinder ist mir in jedem Falle unter
Ueberreichung des Gutachtens des Departementsthierarztes, welches stets vor der
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Amtliche Erlasse.
397
Anordnung der Tödtung-einzufordern ist, und unter Mittheilung des Ergebnisses
der Obdnctionen Anzeige zu machen.
Zu § 12—21.
Im Allgemeinen haben die bisher in Preussen geltenden Bestimmungen über
die Entschädigung für Verluste aus Anlass von Seuchen durch das Reichsgesetz
keine erhebliche Abänderung erfahren. Nur in den nachstehenden Punkten er¬
halten die Vorschriften des Gesetzes vom 25. Juni 1875 einige Ergänzungen und
Modificationen:
1. Es wird vom 1. April d. J. an in Gemässheit des § 57 des Reichsgesetzes
auch Entschädigung gewährt für diejenigen Thiere, welche nach erfolgter polizei¬
licher Anordnung derTödtung aber vor der Ausführung derselben an der Seuche
gefallen sind, während bisher nur für die auf polizeiliche Anordnung wirklich ge-
tödteten Thiere entschädigt wurde.
2. Desgleichen wird Entschädigung bewilligt für Esel, Maulthiere und Maul¬
esel, welche mit der Rotzkrankheit behaftet waren, während bisher eine Ent¬
schädigung nur für die mit dieser Seuche behafteten Pferde stattfand. (Vergl.
die Ueberschrift über § 40 des Reichsgesetzes und § 60 des Gesetzes vom
25. Juni 1875.)
3. Es wird künftig gemäss § 59 des Reichsgesotzes im ganzen Rdfchsgebiete
die Entschädigung bei den mit der Rotzkrankheit behafteten Thieren 3 / 4 , bei dem
mit der Lungenseuche behafteten Rindvieh % des gemeinen Werths der Thiere
betragen, während nach den Bestimmungen im § 60 des Preussischen Gesetzes
vom 25. Juni 1875 den verpflichteten Verbänden für die Festsetzung der Höhe der
zu gewährenden Entschädigung ein gewisser Spielraum gelassen ist, bei Rotz
zwischen ! / 4 bis V 2 und bei Lungenseuche zwischen V 2 bis 4 / 5 dos gemeinen
Werths der Thiere. Thatsächlich haben jedoch alle Verbände die Entschädigung
bei Rotz auf 1 2 und bei Lungensouche auf 4 / 5 des gemeinen Werths festgestellt,
so dass in dieser Richtung durch das Reichsgesetz an dem gegenwärtigen Zu¬
stande bis auf die Erhöhung der Entschädigungsquote für rotzkranke Thiere von
V a auf 3 / 4 des gemeinen Werths nichts geändert wird.
Auch die Bestimmungen des Ausführungsgesetzes vom 12. März 1881 über
die Aufbringung und Feststellung der Entschädigungen enthalten kein neues
Prinzip, sondern wiederholen die bezüglichen Bestimmungen des Preussischen
Viehseuchengesetzes vom 25. Juni 1875.
Nach der Bestimmung im zweiten Absatz des § 16 des Ausführungsgesetzes
bleiben die seiner Zeit auf Grund des § 60 des Gesetzes vom 25. Juni 1875 er¬
lassenen Reglements der Provinzial- bezw. Communalverbände über die Aufbrin¬
gung der Entschädigungen auch nach dem 1. April d. J. mit der Massgabe in
Kraft, dass mit diesem Zeitpunkte die durch das Reichsseuchengesetz herbei¬
geführten, oben unter Ziffer 1—3 angegebenen Erweiterungen der Entschädigungs¬
verbindlichkeit wirksam werden.
Indem ich die Herren Oberpräsidenten ersuche, die betreffenden Verbände
hierauf gefälligst aufmerksam zu machen, bemerke ich, dass mir eine Abänderung
der bestehenden Reglements auf dem im ersten Absatz des § 16 des Ausführungs¬
gesetzes vorgeschriebenen Wege nicht nothwendig erscheint, da die erörterten,
durch das Reichsgesetz bewirkten Erweiterungen der Entschädigungsverbindlich-
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398
Amtliche Erlasse.
keit ipso jure eintreten. Nur in der Provinz Hannover wird mit Rücksicht auf
die Specialbestimmungen für Ostfriesland im § 30 des Ausführungsgesetzes eine
Abänderung des Reglements vor dem 1. Januar 1882 in Betracht kommen.
Zu § 22.
Die im § 14 Absatz 1 bezeichneten Verbände sind berechtigt, aber nicht
verpflichtet, die Gewährung einer Entschädigung für an der Pockenseuche ge¬
fallene Schafe nach Massgabe der Vorschriften des § 22 zu beschliessen, beziehent¬
lich die Entschädigungspflicht auf kleinere Verbände, jedoch nur mit deren
Zustimmung, zu übertragen. Aus letzterer Einschränkung folgt, dass zur Bil¬
dung eines kleineren, z. B. einen oder mehrere landräthliche Kreise umfassenden
Verbandes der Beschluss eines der im § 14 Abs. 1 bezeichneten grösseren Ver¬
bände, die Zustimmung des kleineren Verbandes und ausserdem in jedem Falle
die Genehmigung des betreffenden Reglements durch die Minister des Innern und
für Landwirtschaft etc. notwendig ist.
Zu § 23.
Bezüglich der den Schiedsmännern zu gewährenden Vergütung für Reise¬
kosten und Auslagen bleiben die Bestimmungen der diesseitigen Erlasse vom
26. März 1876 und 21. Februar 1881 massgebend.
II. In Betreff der Vorschriften des Reichsseuchengesetzes vom 23. Juni
1880 und der Ausführungsinstruction des Bundesraths vom 24. Februar 1881 wird
es zur Zeit einer weiteren Erläuterung oder Anweisung nicht bedürfen. Nur in
Betreff der nach der Vorschrift im letzten Absatz des § 37 des Reichsgesetzes zu¬
lässigen ausnahmsweisen Absperrung eines der Tollwut verdächtigen Hundes
bestimme ich in Anbetracht der Schwierigkeit einer sicheren Absperrung und
der mit der Pflege eines verdächtigen Hundes verbundenen grossen Gefahr der
Uebertragung der Tollwut auf Menschen, dass die Ortspolizeibehörde in jedem
Falle, wo sie eine solche ausnahmsweise Absperrung gestattet, sofort dem Landrath
(in der Provinz Hannover dem Landdrosten) hiervon Anzeige macht, damit der¬
selbe nochmals erwägt, ob in dem betreffenden Falle eine vollständige und auch
für die Wärter gefahrlose Absperrung durchführbar ist und — wenn er zu dieser
Ueberzeugung nicht gelangt — die unverzügliche Tödtung des Hundes anordnet.
Bei der grossen vorliegenden gemeinen Gefahr ist eine stricte Handhabung dieser
Vorschriften dringend geboten.
Die nachgeordneten Polizeibehörden sind hierüber mit entsprechender An¬
weisung zu versehen.
Bei dieser Gelegenheit wird es sich ferner empfehlen, die letzteren aus¬
drücklich auf die Beachtung des § 15 des Reichsgesetzes aufmerksam zu machen,
nach dessen Bestimmungen die Zuziehung des beamteten Thierarztes behufs der
Feststellung des Ausbruchs der Maul- und Klauenseuche, sowie des Milzbrandes
in vielen Fällen zu unterlassen sein wird.
Berlin, den 22. März 1881.
Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Lucius.
An sämmtliche Königl. Oberpräsidenten, Regierungspräsidenten
und Landdrosten.
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Amtliche Erlasse.
399
Ener etc. erwidere ich anf den Bericht vom 21. v. M. ergebenst, dass nach
§ 53 der Instruction des Bundesraths vom 24. Februar 1881 die Tödtung von
Pferden, welche der Ansteckung mit der Rotzkrankheit verdächtig sind, nur
dann angeordnet werden soll, wenn der Besitzer die Tödtung beantragt und nach
dem Ermessen der höheren Behörde die beschleunigte Unterdrückung der Seuche
im öffentlichen Interesse erforderlich ist.
Diese Bestimmung der Instruction hat durch meinen Erlass vom 22. März d. J.
keine Abänderung, sondern nur eine Erläuterung insofern erfahren, als der Be¬
griff „öffentliches Interesse“ näher erörtert wird.
Der von Euer etc. wörtlich angeführte Absatz meines vorbezeichneten Er¬
lasses: „Andererseits werden u. s. w.“ führt nur als Beispiel einen Fall an, in
welchem das öffentliche Interesse in der Regel die Tödtung der der Ansteckung
verdächtigen Pferde erfordern wird.
Es darf hiernach die Tödtung der Ansteckung verdächtiger Pferde, abge¬
sehen von dem Falle des § 13 des Reichsgesetzes vom 23. Juni 1880 nicht an¬
geordnet werden, wenn der Besitzer der Pferde keinen bezüglichen Antrag ge¬
stellt hat.
Da übrigens die schnelle Beseitigung der der Ansteckung verdächtigen
Pferde dem Interesse der Pferdebesitzer entspricht, so glaube ich, dass die letz¬
teren die Tödtung ihrer Pferde stets beantragen werden, wenn dies im öffentlichen
Interesse wünschenswert ist. Sollte ausnahmsweise in einem Falle ein solcher
Antrag wider Erwarten nicht gestellt und dessen Stellung auch auf ergangene
Aufforderung Seitens des Besitzers abgelehnt werden, so wollen Euer etc. mir
darüber gefälligst Bericht erstatten. Ich werde dann mit Rücksicht auf die in
§ 1 der Instruction des Bundesraths erteilte Ermächtigung erwägen und ent¬
scheiden, ob die Tödtung der betreffenden Pferde in dem speciellen Falle vorzu¬
nehmen ist.
Berlin, den 18. Mai 1881.
Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
Lucius.
An den Königl. Regierungspräsidenten Herrn N. zu N.
Euer Hochwohlgeboren erwidere ich auf den Bericht der dortigen Königl.
Regierung vom 11. Februar er., dass bei Festsetzung von Liquidationen beamteter
Thierärzte überObductionen, welche auf Grund des Reichsgesetzes vom 23. Juni pr.,
betr. die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen, bezw. der zur Ausführung
dieses Gesetzes vom Bundesrath erlassenen Instruction vom 24. Februar er. und
des Preuss. Ausführungsgesetzes vom 12. Marz er. vorgenommen wurden, lediglich
zu prüfen ist, ob die betr. Obductionen wirklich ausgeführt sind. Ein mangel¬
hafter Inhalt des Ocductionsprotocolls kann den Anspruch des Obducenten auf
die gesetzlichen Obductionsgebühren nicht aufheben, wohl aber begründeten An-
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400
Amtliche Erlasse.
lass zur Rüge gegen den betr. beamteten Thierarzt geben, da derselbe nach § 36
der Anweisung für das Obductionsverfahren (Anl. B der Instr. vom 24. Febr. er.)
für die genaue Aufnahme des Obductionsbefundes in das von dem anwesenden
Polizeibeamten aufzunehmende Protocoll zu sorgen hat.
Nach der Vorschrift im § 1 der gedachten Anweisung soll die Obduotion in
Gegenwart des leitenden Beamten der Polizeibehörde oder eines von demselben
beauftragten Beamten ausgeführt werden, worauf zu achten ist.
Berlin, den 31. Mai 1881.
Der Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten.
LA.:
Marcard.
An sämmtliche Herren Regierungspräsidenten, Herren Landdrosten
und an den Herrn Polizeipräsidenten in Berlin.
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Personal-Notizen.
Nekrolog.
Unerwartet traf uns die Kunde von dem Hinscheiden des Obermedicinalrathes
Dr. von Hering. Ein Hirnschlag hat seinem arbeitsvollen Leben nach kurzem
Krankenlager am 28. März d. J. ein Ende gemacht. Die Lebensgeschichte dieses
hervorragenden Collegen eingehend zu schildern, ist nicht die Aufgabe dieses
Archivs. Wohl aber ziemt es, den Kern der Verdienste festzustellen, welche der
Verstorbene sich um unsere Wissenschaft erworben hat.
An der Schwelle des scheidenden achtzehnten Jahrhunderts am 22. März
1799 geboren, besuchte Hering in seiner Vaterstadt Stuttgart das Gymnasium
und bezog nach erstandener Maturitätsprüfung 1819 die Universität Tübingen,
später in den Jahren 1821 und 1822 besuchte er die Thierarzneischulen in
Wien, München und Kopenhagen. Im letztgenannten Jahre fand seine Anstellung
als Lehrer an der Thierarzneischule in Stuttgart statt. Herings Ausbildung,
sein Wirken und Schaffen fällt noch in die Zeiten, in welchen die Strömungen in
unserer Wissenschaft nicht so bedeutend und die Wogen nicht so hochgehend
waren wie jetzt. Das empirische Wissen war das Steuer des damaligen Thier¬
arztes, der Broderwerb sein Compas. Nur wenige Auserwählte machten hiervon
eine Ausnahme und unter diesen war Hering einer der ersten, welcher einer
wissenschaftlichen Thierheilkunde die Bahn ebnete und zugleich den Beweis lie¬
ferte , dass die Kluft zwischen thierärztlicher Wissenschaft und Praxis keine so
bedeutende ist, wie man damals annahm und sogar jetzt noch da und dort (nicht
zu Nutz und Frommen unserer Wissenschaft) anzunehmen geneigt ist. Die Werke,
die er uns hinterlassen, liefern hierfür den vollgiltigsten Beweis. Seine „specielle
Pathologie und Therapie“ ist und bleibt ein classisches Handbuch, in allen Ka¬
piteln trägt es das Gepräge der durch eigene Beobachtungen und Erfahrungen
gewonnenen Wahrheit; das gleiche gilt von seiner Operationslehre, deren dritte
Auflage den würdigen Schluss von Hering’s literarischer Thätigkeit bildete.
Hering war ein ausgezeichneter Diagnostiker, obgleich ihm der bahnbrechende
Einfluss der physikalischen Hilfsmittel noch nicht zu Gebote stand. Seiner ganzen
Richtung gehörte Hering zu den Anhängern der physiologischen Heilkunde. Auf
die Physiologie hauptsächlich stützte er seine diagnostischen Schlüsse und sein
therapeutisches Handeln. Mit der Cellularpathologie und den neuesten Fort¬
schritten und Ansichten in der pathologischen Anatomie konnte sich Hering nie
ganz befreunden; er fürchtete durch dieselben eine Ablenkung von der Bahn des
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402
Personal-Notizen.
Universellen und das Einlenken in eine einseitige Richtung, die nur das letzte
Stadium der Krankheit, den Tod und die Section in den Bereich ihrer Betrachtung
ziehe. Seine Verdienste um die „Experimentalphysiologie“ sind bekannt; die
epochemachende Arbeit „über den Blutumlauf“ hat seinen Namen weit über die
Grenzen unseres deutschen Vaterlandes hinausgetragen und ihm für alle Zeiten
einen Ehrenplatz in der physiologischen Wissenschaft gesichert. Die Naturwissen¬
schaften verdanken ihm eine wesentliche Erweiterung der Kenntnisse der Haut¬
parasiten und der Eingeweidewürmer. Das Resultat seiner Forschungen war eine
Sammlung von ca. 500 Species, welche er dem K. Naturalien-Cabinet in Stutt¬
gart überlassen bat. Seine kleinoren oder grösseren Abhandlungen über diesen
oder jenen ihm wichtig scheinenden Gegenstand enthalten reiche Schätze des
Wissens und der Aufklärung. Der Mehrzahl nach findet man sie im „Repertorium
der Thierheilkunde“, der von ihm gegründeten und lange Jahre hindurch redi-
girten Zeitschrift. Die thierärztliche Literatur in derselben ist von Hering bear¬
beitet worden; seine eminenten Sprachkenntnisse (er übersetzte aus dem franzö¬
sischen, englischen, italienischen, dänischen, schwedischen und holländischen)
machten es möglich, dieselbe so ausführlich wie möglich zu geben. Es dürfte zu
weit führen, alle seine Werke hier namentlich aufzuführen, darf man doch voraus¬
setzen, dass die Mehrzahl der Thierärzte sie dem Namen und Inhalte nach kennt.
Durchdrungen von den höchsten Principien der Wissenschaft, trachtete
Hering, vorerst allerdings nur für seine Person, nach werkthätiger Verwirk¬
lichung derselben. Eifrig im Lernen und Forschen liess er sich nie von dem
Geist der Zeit fortreissen. Der da und dort auch in unserer Wissenschaft sich
breit machenden Mode hat er nie gehuldigt.
Das historische Recht hielt er hoch, insofern ihm nicht alles Moderne in der
Wissenschaft annehmbar erschien. Seine Selbstständigkeit im Denken und Han¬
deln, die allseitige Anerkennung seiner geistigen Ueberlegenheit von Seiten seiner
zahlreichen Schüler, für deren Mehrzahl er auch in der That dachte und handelte,
trug in der Folge sehr viel zu der Steigerung des ihm in den letzten Decennien
seines Lebens innewohnenden conservativen Sinnes bei und dürfte wohl auch den
Grund zu der beständigen Negation gegen eine umfangreichere wissenschaftliche
Vor- und Ausbildung abgegeben haben. Der Wissenschaft selbst blieb er stets
ein treuer Freund und je tiefer er in den Schacht derselben eindrang, um so
eifriger wurde sein Bemühen, ihre Schätze zu heben und dadurch seine eigenen
Kenntnisse zu verbessern und zu vermehren. Noch bis in sein hohes Alter ar¬
beitete Hering, sichtend und lichtend. Die vielen Correspondenzen mit Collegen
und mit Universitätslehrern, mit denen Hering in unausgesetztem schriftlichen
Verkehr stand (seine Autographensammlung zählt 224, darunter viele bedeutende
Namen älteren und neueren Datums) würden allein den bestenBeweis fürseineThä-
tigkeit liefern, wenn es nothwendig wäre, den Beweis hierfür anzutreten. Hering
war kein Stubengelehrter; genau in der Erhebung der Thatsachen, einfach und
klar in der Darstellung tragen seine Werke und sein klinisches Handeln neben
der wissenschaftlichen Gründlichkeit den Stempel der praktischen Erfahrung. Der
Vorwurf, den man Hering allseitig macht, „dass er Thierärzte zum grossen
Theil ohne zureichende Vorbildung und Studienzeit heranbildete“, ist leider nicht
zu entkräften, wohl aber zu entschuldigen mit der Ueberzeugungstreue, welche
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Personal-Notizen.
403
Hering von der Ansicht nicht abbringen Hess, dass durch die gesteigerten An¬
forderungen es endlich an Thierärzten für das platte Land fehlen würde. Mit
dieser Ansicht stand Hering übrigens nicht allein; Männer, welche wir als Pio¬
niere in unserer Wissenschaft verehren müssen, und welche gleichzeitig und bei¬
nahe im gleichen Alter mit Hering am Horizonte unserer Wissenschaft glänzten,
hegten die gleiche Befürchtung. Hierzu müssen wir auch noch hervorheben, dass
der Einfluss, den Hering in dieser Beziehung lange Zeit ausgeübt hat, der
Württembergischen Thierarzneischule insofern weniger schadete, als dieselbe in
der durch diese Unterlassungssünde und duroh andere einflussreiche Momente für
sie entstandenen kritischen Periode von dem glänzenden Namen Hering’s noch
zehren konnte. Trotz der in obiger Richtung stark ausgeprägten Meinungsver¬
schiedenheit zwischen ihm und seinen an der Schule mit ihm wirkenden Collegen
ist das freundschaftliche Verhältnis zwischen beiden nie getrübt worden. Die
Liebe zur Wissenschaft war das geistige Ferment, das ihn innig mit der Schule,
an der er nahezu ein halbes Jahrhundert segensreich gewirkt hat, verband; stets
zog es ihn nach seiner über alles geliebten Schule. Sein Verkehr mit den an der
Schule jetzt noch thätigen Lehrern, von denen die älteren noch seine Schäler
waren, ist bis an sein Lebensende ein sehr reger und freundschaftlicher geblieben
und manche unvergessliche Abendstunden durften dieselben, und ein enger Kreis
von Stuttgarter Collegen nach seinem Rücktritte vom Amte noch in seiner Ge¬
sellschaft verleben. Seine Manuscripte und seine ganze umfangreiche Bibliothek
unserer Fachwissenschaft hat er der Bibliothek der Thierarzneischule vermacht.
Hell glänzte das geistreiche Auge des ehrwürdigen 83jährigen Greisen, als er
etwa 10 Tage vor seinem Tode noch in voller Rüstigkeit bei einem Besuche dem
Schreiber dieses seinen letzten Willen bezüglich seiner Bibliothek kund gab mit
der Bitte, derselben ein bescheidenes Plätzchen in unseren Bibliothekräumlich¬
keiten zu gönnen; rührend war die Freude, mit welcher er den Dank dafür hin¬
nahm und die Stelle sehen durfte, allwo das theure Vermächtniss als „Herin-
gianeum“ fortan prangen wird. Es war sein Abschiedsbesuch auf der Schule,
der letzte Gruss, den er seiner geliebten Wissenschaft spendete.
Nach besonderer Gunst der Menschen hat He ring nie gestrebt; seine allzeit
gespitzte Feder lieferte manches Gefecht, wenn es galt, für sich und die Wissen¬
schaft einzutreten; seine literarische Thätigkeit entsprang durchaus nicht der
Sucht, vor der Welt zu glänzen; das ganze Wesen des geistvollen Mannes war
dazu angethan, in der Arbeit seine Befriedigung zu finden, in der Erforschung
der Natur und der Erkenntniss der Wahrheit fand er seine Belohnung, in der
Musik und Poesie seine Erholnng; dieser widmete er die wenigen Mussestunden,
die er sich gönnte; seine eigenen launigen Ergüsse in Poesie und Prosa, leider
nur für engere Kreise bestimmt, tragen den Stempel der Originalität und der
Hering eigenen classischeü Satyre.
Von den zahlreichen Ehrenbezeugungen, die ihm von Seiten seiner und
fremder Regierungen, ebenso von Seiten wissenschaftlicher Vereine und Academien
geworden, hebe ich nur eine hervor. Im Jahre 1845 ernannte ihn die medici-
nische Facultät zu Tübingen in verdienter Würdigung seiner Verdienste auf dem
Gebiete der Thierheilkunde und experimentellen Physiologie (dominum de re ve-
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404
Personal-Notizen.
terinaria, inprimis pbysiologia experimentali meritissimum) zum Dr. medicinae
honoris causa.
Die Geschichte wird seinem Namen einen ehrenvollen Platz in ihren Tafeln
anweisen, sein Andenken aber unter uns im Segen bleiben. Fricker.
EraeMimigei und Versetzungen.
Der Veterinärassessor bei dem Kgl. Medicinal-Collegium der Provinz Han¬
nover, Director der Thierarzneischule, Prof. Dr. med. Carl Joh. Dam mann in
Hannover, zum Medicinalrath.
Der Departementsthierarzt Dr. Peter Anton Steinbach zu Münster zum
Veterinärassessor bei dem Kgl. Medicinal-Collegium der Provinz Westfalen.
Der bisherige Kreisthierarzt des Kreises Prenzlau, Reg.-Bez. Potsdam, Carl
Aug. Wilh. Schmidt zum Departementsthierarzt des Reg.-Bez. Bromberg und
zum Kreisthierarzt für den Stadt- und Landkreis Bromberg, sowie für die Poli-
zeidistricte Labischin, Znin und den östlichen Polizeibezirk Schubin des Kreises
Schubin.
Der Kreisthierarzt Friedr. Adolf Prümers in Burgsteinfurt, Reg.-Bez.
Münster, zum Departementsthierarzt für den Regierungsbezirk Koblenz und zum
Kreisthierarzt für den Kreis Koblenz, Reg.-Bez. Koblenz.
Der Rossarzt Adolf Eisenblätter zu Königsberg i. Pr. zum commissa¬
rischen Kreisthierarzt des Kreises Memel, Reg.-Bez. Königsberg.
Der commissarische Grenz- und Kreisthierarzt Carl Gottl. Theod; Frick zu
Beuthen, Reg.-Bez. Oppeln, unter Entbindung von seinem gegenwärtigen Amte
zum commissarischen Kreisthierarzt des Kreises Kröben, Reg.-Bez. Posen, mit
dem Amtswohnsitz in Rawitsch.
Der Kreisthierarzt Adolf Eug. Grebin zu Memel, Reg.-Bez. Königsberg,
zum Kreisthierarzt des Kreises Bublitz, Reg.-Bez. Köslin.
Der commissarische Kreisthierarzt Fr. Rud. Groening in Goldap unter
Entbindung von seinem gegenwärtigen Amte zum commissarischen Kreisthierarzt
des Kreises Angerburg, Reg.-Bez. Gumbinnen.
Der Rossarzt Carl Ho ebne zu Könitz zum commissarischen Kreisthierarzt
des Kreises Könitz, Reg.-Bez. Marienwerder.
Der Kreisthierarzt Jacob Luchhau zu Lötzen unter Entbindung von seinem
gegenwärtigen Amte zum Kreisthierarzt für den Kreis Goldap, Reg.-Bez. Gum¬
binnen.
Der Thierarzt I. CI. Jacob Ort zu Gladenbach zum commissarischen Kreis¬
thierarzt des Kreises Biedenkopf mit dem Amtswohnsitz in Gladenbach, Reg.-Bez.
Wiesbaden.
Der Rossarzt im 2. Hannov. Ul.-Regmt. No. 14, Friedr. Adolf Pirl in Ver¬
den zum commissarischen Kreisthierarzt des Kreises Wittenberg, Reg.-Bez.
Merseburg.
Der Rossarzt Erh. Wilh. Heinr. Reissmann in Berlin zum commissarischen
Kreistnierarzt für die 4. Kreisthierarztstelle der Stadt Berlin.
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Personal-Notteen.
405
Der Repetitor an der Kgl. Thierarzneischule zu Berlin, Joh. Mich. Carl
Schilling, zum commissarischen Grenz- und Kreisthierarzt für die Kreise Beu-
then und Kattowitz, Reg.-Bez. Oppeln.
Der Assistent an der Kgl. Thierarzneischule zu Berlin, Wilh. Tappe, zum
commissarischen Kreisthierarzt für die Kreise Tarnowitz und Zabrze und zum
Grenzthierarzt für den Kreis Tarnowitz, Reg.-Bez. Oppeln.
Todesfälle.
Der Thierarzt Ernst Heinr. Ed. Fleer in Königsberg i. Pr.
Der Departementsthierarzt Friedr. Luethens iu Oppeln.
Der Kreisthierarzt R. Pofeld in Dirschau, Reg.-Bez. Danzig.
Der Thierarzt Adolf Schmidt in Düsseldorf.
Der Kreisthierarzt Pet. Jos. Schoengen in Bergheim, Reg.-Bez. Köln.
Der Thierarzt Herrn. Zehnich in Neustadt O.-S., Reg.-Bez. Oppeln.
Vacanzeii.
(Die mit * bezeichnten Vacanzen sind seit dem Erscheinen von Band YII Heft 3
dieses Archivs hinzugetreten oder von Neuem ausgeboten).
Regierungs-
resp.
Landdrostei-Bezirk
Kreisthierarztstellen
des
Kreises
Gehalt.
Zuschuss
aus
Kreismitteln.
Königsberg
Labiau
600
Mark
600 Mark
Gumbinnen
Lötzen *
600
9
9
Danzig
Pr. Stargard* f )
600
V
9
Potsdam
Prenzlau *
600
9
V
Frankfurt
Luckau* 2 )
600
9
9
Oppeln
Oppeln*, Departements¬
thierarztstelle
900
9
9
Kre i sthierarzts teile
600
9
9
Magdeburg
Kalbe*
600
.»
9
Merseburg
Querfurt* 3 )
600
9
9
Erfurt
Weissensee
600
9
9
»
Worbis
600
9
9
9
Heiligenstadt*
600
9
9
Schleswig
Eckeraförde
600
9
9
Münster
Steinfurt - Tecklenburg *
600
9
450 ,
Arnsberg
Olpe
600
9
300 »
Brilon
600
9
9
Kassel
Hersfeld
600
9
9
*) Mit dem Amtswohnsitz in Pr. Stargard.
2 ) „ „ » » Luckau.
3 ) n » n » Querfurt.
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406
Personal-Notizen.
Regierungs-
resp.
Landdrostei-Bezirk
Kreisthierarztstellen
des
Kreises
Gehalt.
Zuschuss
aus
Kreismitteln.
Koblenz
Adenau-Ahrweiler* ! )
600 Mark
200 Mark
Aachen
Heinsberg*
600 „
300 „
Köln
Bergheim*
Ferner:
600 „
Königsberg
Die Stelle eines Assisten¬
ten des Grenzthierarztes
in Orteisburg 2 )
1200 *
1
1 - „
I
Die Niederlassung eines Thierarztes wird gewünscht:
In Bibra, Kr. Eckartsberga, Reg.-Bez. Merseburg, durch den Magistrat
daselbst.
In Falkenburg, Kr. Dramburg, Reg.-Bez. Köslin, durch den Vorsitzenden
des dortigen landwirtschaftlichen Vereins, Herrn von Zadow in Alt-Wuhrow.
In Aussicht gestellt werden 150 Mark jährlicher Zuschuss von dem Magistrat der
Stadt und 900 Mark jährliches Minimalfixum von 21 Besitzern in der unmittel¬
baren Nähe von Falkenburg.
In Gransee, Kr. Ruppin, Reg.-Bez. Potsdam, durch den Magistrat
daselbst.
In Höxter, Kreisstadt im Reg.-Bez. Minden, durch den Herrn Amtmann
Jaenke daselbst. Offerirt wird ein festes Gehalt von ca. 700 Mark.
In Leobschütz, Kreisstadt im Reg.-Bez. Oppeln. Die Anstellung eines
Thierarztes gegen ein zu vereinbarendes Gehalt für die Untersuchung des
Schlachtviehes, Trichinenschau u. s. w. wird beabsichtigt durch den Schlacht¬
hausbesitzer Jos. Hampel daselbst.
In Oderberg, Kr. Angermünde, Reg.-Bez. Potsdam, durch den Magi¬
strat daselbst.
In Rheinsberg, Kr. Ruppin, Reg.-Bez. Potsdam, durch den dortigen
landwirthschaftlichen Verein. Auskunft ertheilt Herr Gutsbesitzer Stromeyer
in Bienenwalde.
In Schkeuditz, Kr. u. Reg.-Bez. Merseburg. Auskunft ertheilt der Herr
Gutsbesitzer Jessnitzer daselbst.
Veränderungen im militär-rossärztlichen Personal.
Beförderungen.
Zu Ober-Rossärzten sind ernannt:
Die Rossärzte: Hell vom 1. Hannov. Ul.-Regmt. No. 13 als Ober-Rossarzt
*) Mit dem Amtswohnsitz in Ahrweiler.
2 ) Mit der Berechtigung zur Privatpraxis.
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Personal-Notizen.
407
bei demselben Regiment; Koesters, Assistent der Lehrschmiede der Militär-
Rossarztschule als Ober-Rossarzt bei genannter Lehrschmiede unter Belassung in
seiner bisherigen Stellung; Maximilian vom Magdeb. Hus.-Regmt. No. 10 als
Ober-Rossarzt bei demselben Regiment; Pilz vom Regmt. d. Gard.-du-Corps als
Ober-Rossarzt beim 1. Brandenb. Ul.-Regmt. (Kais. Alexander v. Russl.) No. 3;
Plaettner vom 1. Bad. Feld-Art.-Regmt. No. 14 als Ober-Rossarzt beim 2.
Pomm. Ul.-Regmt. No. 9.
Zu Rossärzten sind ernannt:
Die Unter-Rossärzte: Buss vom Westpr. Kür.-Regmt. No. 5; Kattner
vojp 2. Schles. Drag.-Regmt. No. 8; Koch vom Westf. Ul.-Regmt. No. 5.
Als Unter-Rossärzte sind in die Armee eingestellt:
Die Unter-Rossärzte: Böckel beim 1. Pomm. Feld-Art.-Regmt. No. 2;
Duvinage beim Oldenb. Drag.-Regmt. No. 19; Feuerhack beim Thüring.
Ul.-Regmt. No. 6; Hain beim 2. Leib-Hus.-Regmt. No. 2; Hirsemann beim
Kurmärk. Drag.-Regmt. No. 14; Krause beim Nieder^chl. Feld-Art.-Regmt.
No. 5; Langer beim Westpr. Ul.-Regmt. No. 1; Rupprecht beim Ostpr. Ul.-
Regmt. No. 8; Schlake beim Hess. Feld-Art.-Regmt. No. 11; Schmidt beim
2. Hannov. Ul.-Regmt. No. 14; Schultze beim 1. Garde-Dragoner-Regiment.;
Straehler beim Niederschi. Feld-Art.-Regmt. No. 5; Tetzner beim Magdeb.
Hus.-Regmt. No. 10; Tobolewski beim Ostpr. Kür.-Rgt. No. 3 (Graf Wrangel).
Der 3jähr.-freiwillige Unter-Rossarzt Schumacher beim 2. Pomm. Ul.-
Regmt. No. 9.
Der 1 jähr.-freiwillige Unter-Rossarzt Schulz beim 1. Badisch. Feld-Art.-
Regmt. No. 14. '
Versetzungen.
Die Ober-Rossärzte: Kunze, Assistent der Lehrschmiede der Militär-Ross¬
arztschule, zum 2. Hannov. Drag.-Regmt. No. 16; Lindstaedt vom 1. Westf.
Feld-Art.-Regmt. No. 7 zum Feld-Art.-Regmt. No. 31; Meyer vom 2. Hannov.
Drag.-Regmt. No. 16 zum Westf. Feld-Art.-Regmt. No. 7.
Die Rossärzte: Beckmann vom Feld-Art.-Regmt. No. 15 zum Feld-Art.-
Regmt. No. 31; Boit vom 2. Rhein. Hus.-Regmt. No. 9 zum 1. Bad. Feld-Art.-
Regmt. No. 14; Gruener vom 1. Westf. Feld-Art.-Regmt. No. 7 zum Feld-
Art.-Regmt. No. 15; Koedix vom Westf. Ul.-Regmt. No. 5 als Assistent zur
Lehrschmiede der Militär-Rossarztschule; Welz vom Neumärkisch. Drag.-Regmt.
No. 3 zum 1. Schles. Hus.-Regmt. No. 4; Wunderlich vom Niederschi. Feld-
Art.-Regmt. No. 5 zum Regmt. d. Gard.-du-Corps.
Die Untei-Rossärzte*. Bierthen vom 2. Westf. Hus.-Regmt. No. 11 zum
Westf. Ul.-Regmt. No. 5; Neuendorff vom 1. Pomm. Feld-Art.-Regmt. No. 2
zum Ostpr. Kür.-Regmt. No. 3 (Graf Wrangel).
Abgegangen:
Der Ober-Rossarzt Meyersburg vom 1. Hannov. Ul.-Regmt. No. 13.
Die Rossärzte: Eisenblaetter vom Ostpreuss. Kür.-Regmt. No. 3 (Graf
Wrangel); Gueckel vom 1. Schles. Hus.-Regmt. No. 4; Ho eh ne vom Holst.
Feld-Art.-Regmt. No. 24; Koehler vom Königs-Hus.-Regmt. (1. Rhein.) No. 7;
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408
Personal-Notizen.
Pirl vom 2. Hannov. Ul.-Regmt. No. 14; Reissmann vom 1. Garde-Drag.-
Regmt.; Weile vom Ostpr. Ul.-Regmt. No. 8.
Die charakteris. Rossärzte: Brose vom Thüring. Hus.-Regmt. No. 12;
Siegel vom Regmt. d. Gard.-du-Corps.
Die Unter-Rossärzte: Baltzer vom Niederschi. Feld-Art.-Regmt. No. 5;
Rohr vom 2. Hannov. Ul.-Regmt No. 14.
Der 3jähr.-freiw. Unter-Rossarzt Samplebe vom Ostpreuss. Drag.-Regmt.
No. 10.
Die 1 jähr.-freiw. Unter-Rossärzte: Blind vom Feld-Art.-Regmt. No. 15;
Boos vom Königs-Hus.-Regmt. (1. Rhein.) No. 7; Schmidt von der Grossherz.
Hess. Train-Comp.; Vollbrecht vom Hess. Feld-Art.-Regmt. No. 11; Wagner
vom 1. Garde-Drag.-Regmt.; Westphal vom Schlesw. Feld-Art.-Regmt. No. 9.
Gestorben:
Der Ober-Rossarzt Gantzer vom 1. Brandenb. Ul.-Regmt. (Kaiser Alexan¬
der von Russland) No. 3.
Sonstige Veränderungen.
Ober-Rossarzt Rackow vom Schles. Feld-Art.-Regmt. No. 16, Commando
als Inspicient bei der Militär-Rossarztschule auf fernere 6 Monate verlängert.
Rossarzt Krueger vom 2. Brandenb. Drag.-Regmt. No. 12 behufs Wahr¬
nehmung der Geschäfte des Ober-Rossarztes zum 3. Schles. Drag.-Regmt. No. 15
commandirt.
Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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XVI.
Die Zwangsimpfüng bei der Unterdrückung der Lungen-
seuobe.
Von
F. Bol oft
Die Unterdrückung der Lungenseuche ist in einzelnen Theilen
des preussischen Staates noch nicht in dem Masse gelungen, als nach
Erlass des Gesetzes vom 25. Juni 1875 erwartet wurde. Dieser
Mangel an Erfolg ist wohl vorzugsweise auf wiederholte Einschlep¬
pungen aus anderen deutschen Staaten und auf öftere Verheimlichungen
der Seuche zurückzuführen. Die Verschleppungen der Seuche inner¬
halb Deutschlands werden zweifellos durch das Reichsgesetz vom
23. Juni 1880 möglichst verhindert werden, und auch Verheim¬
lichungen der Seuche werden hoffentlich immer seltener Vorkommen.
Wer bei der Tilgung der Lungenseuche mitgewirkt hat, weiss, dass
vor Allem die durch die Instruction vom 19. Mai 1876 vor¬
geschriebene Einschränkung der Benutzung des der Ansteckung
verdächtigen Zugviehes zu Verheimlichungen des Seuchenausbruchs
Veranlassung gegeben hat. Nach der Instruction zur Ausführung des
Reichsgesetzes sind die Sperrmassregeln bezüglich des Zugviehes wie
des Weideviehes erträglich. Danach konnte auch die überall als
nothwendig anerkannte Verlängerung der Sperre vorgeschrieben werden.
Wer von der Vorbereitung solcher Gesetze, welche die verschie¬
densten Interessen berühren, auch nur eine Ahnung hat, wird nicht
bezweifeln, dass dabei verschiedene Sachverständige mitwirken; und
man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man an nimmt, dass bei den
Berathungen über das Viehseuchengesetz auch die Frage nach dem
Werth der Lungenseucheimpfung namentlich von Landwirthen und
Thierärzten gründlich erwogen, und dass, wenn die Impfung in dem
27
Archiv f. wimnsoh. und praJct. Thterheilk. VH. 6.
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410
ROLOFP,
Gesetz und in der Instruction als Tilgungsmittel nicht erwähnt ist,
dazu bestimmte Gründe Vorgelegen haben. Vermuthlich hat die all¬
bekannte Thatsache den Ausschlag gegeben, dass die Sachverständigen
über den Werth der Impfung noch sehr getheilter Meinung sind und
dass sogar über die beste Art zu impfen noch keine Einigung erzielt
ist. Nicht nur die Thierärzte, sondern auch viele Landwirthe wissen,
dass die Impfärzte durch den örtlichen Erfolg der Impfung, sei es,
dass dieser zu schwach, oder dass er zu stark ist, nicht selten aufs
Unangenehmste überrascht werden und keine Erklärung dafür zu geben
wissen. Bei dem bekannten Versuch auf der Domäne Schianstedt,
der doch gewiss mit aller Vorsicht ausgeführt worden ist, bekamen
113 von 125 geimpften Thieren eine Anschwellung an der Impfstelle
am Schwanz und verloren von jenen 113 Thieren 96 durch brandiges
Absterben die Schwanzspitze, während 5 Stück wegen bösartiger An¬
schwellung des Schwanzes etc. geschlachtet werden mussten. Aehn-
liche Beobachtungen sind in grosser Zahl veröffentlicht, und in nicht
seltenen Fällen waren die Verluste in Folge der Impfung noch weit
beträchtlicher. An diesem Verhältniss hat sich in Deutschland bis
auf den heutigen Tag noch nichts geändert, und für ein deutsches
Gesetz sind wahrscheinlich die hiesigen Verhältnisse bestimmend ge¬
wesen, da die Ausführung der Impfung schliesslich doch wohl den
deutschen beamteten Thierärzten hätte übertragen werden müssen.
Um die phlegmonösen Processe, die eine Verstümmelung oder
Verlust des Impflings zur Folge haben können, zu vermeiden, ist in
neuerer Zeit der Versuch gemacht, die Lymphe zu mitigiren. Die
Phlegmone ist nach Ansicht der betreffenden Forscher wahrscheinlich
septischer Natur in Folge der Unreinigkeit der Lymphe; eine Ansicht,
die von mir schon früher geäussert, von den Anhängern der Impfung
aber nicht als richtig anerkannt wurde. Letztere behaupteten viel¬
mehr bisher, dass die Entzündung an der Impfstelle durch den spe-
cifischen Ansteckungsstoff hervorgerufen werde, und dass die entzünd¬
lichen Veränderungen wesentlich mit denen in der Lunge bei der
Lungenseuche übereinstimmen. Auf dieser Anschauung beruhte zum
grossen Theil die Annahme, dass die Impfung vor der Ansteckung
auf natürlichem Wege schütze. Jetzt will man nun Lymphe verwen¬
den, die neben dem Ansteckungsstoff keine differenten Stoffe enthält.
Um solche Lymphe zu produciren, haben Bruylants undVerriest,
Professoren an der Universität zu Löwen, die in der gewöhnlichen
Lungenlymphe vorfindlichen Mikrococcen, welche sie als Ansteckungs-
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
411
stoff betrachten, bei fractionirter Züchtung im Reinculturapparat ver¬
mehrt. Als Nährflüssigkeit wurde Bouillon von Rindslungen oder von
Rindfleisch oder Liebig’sche Bouillon verwendet. In diese Flüssigkeit
wurden auf 20 Grm. einige Tropfen von der mittelst desinficirter
Instrumente und unter Carbolspray aus der kranken Lunge eines ge¬
schlachteten Rindes entnommenen Lymphe gebracht und dann die
Flüssigkeit bei 19° im Reinculturapparat stehen gelassen. Am zweiten
Tage war die Flüssigkeit durch Mikrococcen stark getrübt. Darauf
wurden einige Tropfen der Flüssigkeit in neue Nährflüssigkeit gebracht,
in der sich bei einer Temperatur von 38—39° die Mikrococcen nach
24 Stunden wieder stark vermehrt hatten. Von dieser Flüssigkeit
wurde darauf ein Tropfen wieder in neue Nährflüssigkeit gebracht,
und so fort, bis die 7. Generation von Mikrococcen erzeugt war. Blieb
die durch die Mikrococcen getrübte Flüssigkeit ruhig stehen, so senk¬
ten erstere sich zu Boden, gaben dann aber später wieder schöne
Culturen.
Diese Versuche wurden viele Male wiederholt und hatten immer
gleichen Erfolg, wenn flüssiges Exsudat aus den kranken Lungen zu
der Nährflüssigkeit gesetzt war; die Resultate waren dagegen sehr
unregelmässig, wenn statt der Lungenlymphe pleuritisches Exsudat
oder Stückchen der hepatisirten Lungen oder Stückchen von der Leber,
der Milz, den Nieren oder Blut von lungenseuchekranken Thieren zur
ersten Besamung der Nährflüssigkeit verwendet wurde.
Eine Temperatur von 60° bewirkte in 15 Minuten vollständige.
Sterilisirung der Culturflüssigkeit.
Impfungen mit dieser cultivirten Lymphe hatten schönen ört¬
lichen Erfolg. In keinem Falle entstanden bei der Impfung phlegmo¬
nöse Processe, die sich sonst bei der Lungenseucheimpfung zuweilen
zeigen. Dr. Willems, der bekanntlich die Impfung zuerst empfahl,
theilt mit (Annales de Möd. vöter., Januarheft 1881), dass er mit
der cultivirten Lymphe im Ganzen 72 Thiere geimpft und bei 52
einen örtlichen Erfolg, nämlich eine kleine Geschwulst von der Grösse
einer Erbse bis zur Grösse einer kleinen Nuss erzielt habe. Mithin
zeigte sich bei einem nicht unerheblichen Theil der Impflinge gar
keine örtliche Reaction. Auf eine solche soll es auch nach der An¬
sicht mancher Impfärzte gar nicht ankommen, da der Process, welcher
die Immunität erzeuge, ausschliesslich im Blute ablaufen könne. Zur
Begründung dieser Annahme wird behauptet, die natürliche Lungen¬
seuche könne ebenfalls ohne eine Spur von Veränderungen in der
27*
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m
ROLOFF,
Lunge bestehen, der Localprocess könne sich in irgend einem anderen
Organ, nach Willems z. B. in der Leber, finden, oder es könne
jeder örtliche Process fehlen. Eine solche Behauptung kann selbst¬
verständlich nur als Hypothese gelten, so lange nicht festgestellt ist,
wodurch sich entzündliche Veränderungen in der Leber oder in einem
anderen Organ als Erscheinungen der Lungenseuche zu erkennen geben,
oder welche Veränderung des Blutes für Lungenseuche charakteristisch
ist. Andererseits würde es jedem beamteten Thierarzt anheiragestellt
sein, auf Grund eines beliebigen Befundes oder auch ohne irgend
welchen Befund ein Thier für lungenseuchekrank zu erklären. Glück¬
licherweise und, wie sich neuerdings gezeigt hat, nicht überflüssiger¬
weise setzt das Gesetz solchen Verirrungen Schranken, indem die
Motive es aussprechen, dass Lungenseuche nur da besteht, wo die
Lungen sichtbar und selbstverständlich in der zur Zeit von der thier¬
ärztlichen Wissenschaft als charakteristisch bezeichneten Art erkrankt
sind. Die Viehbesitzer können darin eine Garantie erblicken, dass
von den gesetzlichen Bestimmungen nur der vom Gesetzgeber gewollte
vorsichtige Gebrauch gemacht werden wird.
Um es Jedermann recht klar zu machen, dass es auf die Ent¬
wickelung eines örtlichen Krankheitsprocesses bei der Lungenseuche¬
impfung nicht ankomme, ist dann sogar noch angeführt, dass auch
bei der Pockenimpfung ein örtlicher Process nicht nothwendig und
dass der etwaige Process nicht charakteristisch sei. Hoffentlich wer¬
den Fernstehende die wissenschaftliche und praktische Befähigung der
Thierärzte nicht nach solchen Aeusserungen beurtheilen. Wir können
dreist behaupten, dass die Thierärzte fähig sind, die gesetzlich vor¬
geschriebene Pockenimpfung auszuführen und bei der vorschrifts-
mässigen Revision eine Impfpocke von einer einfachen Eiterpustel oder
einer etwa durch Anwendung einer Scharfsalbe erzeugten Blase zu
unterscheiden. Wenn einem Thierarzt diese Fähigkeit noch abgeht,
so bildet ein solcher eine sehr seltene Ausnahme.
Aus Vorstehendem geht hervor, dass es bis jetzt noch nicht ge¬
lungen ist, bestimmte Vorschriften zu forrauliren, wie die Lungen¬
seucheimpfung ausgeführt werden muss, um wenigstens erhebliche
Verluste und Verstümmelungen der Thiere zu vermeiden, und anzu¬
geben, ob an der Impfstelle eine Anschwellung entstehen und wie
diese beschaffen sein muss, um als eine richtige und genügende Impf¬
geschwulst betrachtet werden zu können. Trotzdem wird von ein¬
zelnen Anhängern der Impfung die Einführung der Zwangsimpfung
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
413
verlangt, das heisst mit anderen Worten: die Besitzer sollen gesetz¬
lich gezwungen werden, den Polizeibehörden und den beamteten Thier¬
ärzten ihre Thiere zu Versuchen zur Verfügung zu stellen, für welche
noch nicht einmal ein Verfahren festgestellt ist und über deren Erfolg
nur erst in der Beziehung eine Einstimmigkeit unter den Sachverstän¬
digen besteht, dass sie auf unerklärliche Weise nicht zu schätzende
Verluste verursachen können. Die Sachverständigen, welche sich dem
Anträge gegenüber noch ablehnend verhalten, werden nicht gerade
wohlwollend beurtheilt. Glücklicherweise können sich da Viele mit
einander trösten; wir haben wenigstens nicht gehört oder gelesen,
dass in einer der zahlreichen Instanzen, die der Gesetzentwurf jeden¬
falls hat passiren müssen, ehe er zum Gesetz geworden, die Zwangs¬
impfung bei der Lungenseuche empfohlen bez. beschlossen wäre. Auch
in Oesterreich ist die Sache so wie hier beurtheilt; das Seuchengesetz
vom 29. Februar 1880 bestimmt im § 28 No. 13: „Die Impfung der
Lungenseuche darf nur in von der Lungenseuche bereits verseuchten
Ställen ^Nothimpfung) über Verlangen des Vieheigenthümers und auf
seine Gefahr und nur von dem Amtsthierarzt vorgenommen werden.
Die Sperrmassregeln dürfen hierdurch keinen Abbruch erleiden.“ Vor
Allem möchten wir aber Denen, die da meinen, die Zwangsimpfung
sei überall, nur nicht in Deutschland als ein probates Mittel zur Til¬
gung der Seuche anerkannt, das Urtheil des englischen Privy Council
Office nicht vorenthalten. In dem Jahresbericht pro 1876 heisst es
bei der Erörterung der verschiedenen Tilgungsmassregeln bezüglich
der Zwangsimpfung bei der Lungenseuche: „Die Sache mag keine
grosse Bedeutung haben, so lange die Experimente sich auf Thiere
von geringem Werth beschränken; aber das Leben von Thieren zu
riskiren, deren Werth sich nach Hunderten oder Tausenden berechnet,
blos aus dem Grunde, ihnen einen zweifelhaften Schutz gegen eine
Krankheit zu gewähren, die sie nicht einmal nothwendig bekommen,
liiesse eine ungeheure Ungerechtigkeit im Namen des Gesetzes begehen.
Die Sache kann getrost dem gesunden Sinne der Viehbesitzer über¬
lassen werden. Nichts steht der allgemeinen Anwendung der Impfung
entgegen, wenn deren Wirkung hinreichend erprobt ist, und wenn diese
Zeit kommt, so wird es angezeigt sein, darüber zu discutiren, ob es
zweckmässig ist, gegen diejenigen Personen Zwang auszuüben, welche
zum Schaden ihrer Nachbarn eine offenbare Wohlthat zurückweisen.“
Eine ähnliche Aeusserung enthält der belgische Jahresbericht über den
Gesundheitszustand der Hausthiere in der Provinz Brabant.
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414
ROLOFF,
Es liegt uns fern, uns auf eine Widerlegung der allbekannten,
in neuerer Zeit wiederum publicirten Behauptungen einzulassen, welche
das Verlangen nach Einführung der Zwangsimpfung motiviren sollen.
Neu und eigenthümlich ist nur der Ton in den jüngeren Publicationen
und ganz geeignet, eine Entgegnung auszuschliessen. Dagegen scheint
es uns nicht überflüssig zu sein, einmal nach den amtlichen und er¬
giebigen Quellen über den Stand der Lungenseuche im Auslande und
namentlich darüber zu berichten, welche Erfahrungen daselbst in Be¬
treff der Wirksamkeit der Impfung bei der Tilgung der Seuche ge¬
macht sind.
Eine sehr häufige Anwendung hat die Impfung der Lungenseuche
in Belgien gefunden. Die Seuche war 1828 in Belgien eingeschleppt
und wurde 1836 in Hasselt, wo Dr. Willems 1850 seine ersten
Impfversuche machte, constatirt. Die Verluste durch die Seuche
waren sehr erhebliche; dieselben verminderten sich, als 1865 der
Rinderpest wegen die holländische Grenze geschlossen wurde, nahmen
aber nach Eröffnung der Grenze wieder zu. Bis zum Jahre ,1878 ist
wiederholt berichtet, dass die Seuche häufig durch holländisches Vieh
in Belgien eingeschleppt sei.
Die Zahl der als krank oder verdächtig gemeldeten Thiere betrug
in den einzelnen Jahren seit 1867:
1867: 1481. 1871: 1571. 1875: 2739.
1868: 1384. 1872: 1547. 1876: 2533.
1869: 1502. 1873: 2271. 1877: 2667.
1870: 2146. 1874: 2046. 1878: 2800.
Die meisten Fälle im Verhältniss zum Viehbestände zeigten sich
nach den amtlichen Berichten 1 ) fast immer in der Provinz Limburg.
In dieser Provinz betrug die Zahl der gemeldeten Fälle im Jahre
1876 0,484 pCt., im Jahre 1877 sogar 0,619 pCt. des Gesammtvieh-
bestandes, während in den übrigen Provinzen nur 0,064—0,283 pCt.
(Brabant) als krank oder verdächtig gemeldet wurden. Von den in
der Provinz Limburg gemeldeten Fällen kam stets die grösste Zahl in
der Stadt Hasselt vor. Von den 1876 gemeldeten 2533 Fällen kamen
455 auf die Provinz Limburg und von diesen wieder 429 auf die
Stadt Hasselt. Im Jahre 1877 kamen in der Provinz Limburg 582,
im Jahre 1878 682 und von letzteren 600 Fälle in Hasselt vor.
! ) Etat sanitaire des animaux domestiques. Extrait du Bulletin du Con¬
seil superieur d’Agriculture, par Dr. J. M. Wehenkel.
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
415
Die dauernde starke Verseuchung der Stadt Hasselt ist darauf
zurückzuführen, dass daselbst in den Ställen der 22 oder 23 Bren¬
nereien viel Vieh gemästet wird. In diesen Ställen stehen durch¬
schnittlich 3500 Stück, die jährlich zwei- oder dreimal gewechselt
werden. Die meisten Brennereibesitzer impfen das Vieh sofort bei
seiner Ankunft, und dieses Verfahren soll nach der Angabe des Dr*
Willems so vorzüglich sein, dass in den Ställen jährlich nur 1 pCt.
der Thiere in Folge der Impfung und 1—2 pCt. an der Lungenseuche
verloren gehen, eine Angabe, die allerdings mit den erwähnten amt¬
lichen Berichten nicht im Einklänge steht. Auch die beiden Thier¬
ärzte in Hasselt berichten speciell im Jahre 1878 anders als Dr.
Willems. Der Thierarzt M. Maris sagt: „Die Landwirthe und
Milchviehhalter des Districts haben die Impfung niemals angewendet;
die Brennereibesitzer hingegen impfen ihr Vieh sofort, wenn es an¬
kommt. Die Lungenseuchefälle in Hasselt zeigen sich mithin fast
immer bei geimpftem Vieh. Heftige Zufälle in Folge der Impfung
sind nicht selten, nämlich bei 2 oder 3 Thieren von 50, und diese
Zufälle führen in einem Drittel der Fälle zum Tode. Während der
beiden letzten Quartale des Jahres 1878 mussten in dem Bezirke
(des etc. Maris) 40 Thiere in Folge der Impfung geschlachtet
werden.“
Der andere Thierarzt in Hasselt, M. Vaes, berichtet, dass die
Destillateure die Symptome der Lungenseuche kennen und alle er¬
krankenden Thiere schlachten. Manche Destillateure impfen nur,
wenn die Seuche ausbricht; andere impfen alle neu eingeführten Thiere,
und auch bei letzteren findet man immer Lungenseuchefälle.
Der belgische General-Veterinärbericht betont wie der preussische
alljährlich, dass die Thierärzte über die Wirkung der Impfung die
widersprechendsten Angaben machen. In manchen Fällen wurde die
Seuche durch die Impfung angeblich sofort coupirt, während sie in
anderen Fällen nach der Impfung fortdauerte und in wieder anderen
Fällen auch ohne Anwendung der Impfung schnell ihr Ende er¬
reichte.
Das Tilgungsverfahren in Belgien entbehrt nach den Berichten
der erforderlichen Energie. Das Gesetz ist nicht zweckmässig, und
die Behörden gehen nicht energisch vor, um nicht etwas zu thun ?
was im Gesetz nicht ausdrücklich für zulässig erklärt ist. Die kran¬
ken Thiere werden getödtet; da aber nach dem Arretö royal vom
1. December 1868 die Entschädigung für Rinder nur V 3 des Wer-
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416
ROLOFF,
thes beträgt, die Abschätzung durch zwei Experten auch auf Kosten
des Besitzers erfolgt, so findet häufig Verheimlichung der Krank¬
heit statt.
In Frankreich, wo die Lungenseuche bereits im Jahre 1768
beobachtet ist und seit 1850 in grosser Verbreitung herrscht, sind
bisher über die Wirkung der Impfung keine bedeutenden Erfahrungen
gemacht. Eine Statistik der Seuche existirt nicht. Die gesetzlichen
Bestimmungen sind nicht zweckmässig. Meist wird die Seuche ver¬
heimlicht, um die lästige Absperrung des der Ansteckung verdächtigen
Zugviehes zu verhindern. Kranke Thiere werden an gefällige Fleischer
verkauft, und wenn die Feldarbeit beendet ist, verkauft der Besitzer
die übrigen verdächtigen Thiere, die dann die Seuche verbreiten. Ent¬
schädigung wird für die auf polizeiliche Anordnung getödteten kran¬
ken Thiere nicht geleistet und wird voraussichtlich auch durch das
neue zur Berathung stehende Seuchengesetz ausgeschlossen werden.
Unter diesen Umständen wünscht man wo möglich die Impfung als
Tilgungsmittel zu verwerthen, aber zunächst Versuche darüber anzu¬
stellen, da die Meinungen über die Wirksamkeit derselben noch ge-
theilt sind. Leblanc z. B. hält nach seiner Erfahrung die Impfung
nicht für ein Schutzmittel 1 ).
Eine grosse Verbreitung hat die Lungenseuche ferner in England.
Sie wurde im Jahre 1840 nach Irland eingeschleppt, 1842 in London
und 1843 in Schottland constatirt. Seitdem hat sie ununterbrochen
geherrscht. Ihre Contagiosität wurde lange bezweifelt, und noch 1865
misslang ein Versuch, für diese Seuche gesetzliche Massregeln herbei¬
zuführen. Erst 1869, als The Contagious Diseases (Animais) Act
erlassen wurde, kam die Lungenseuche in die Liste der ansteckenden
Krankheiten. Darauf wurden Anordnungen gegen die Weiterverbrei¬
tung getroffen. Eine Vorschrift, die kranken Thiere zu schlachten,
trat am 1. September 1873 in Kraft. Die auf polizeiliche Anord¬
nung getödteten kranken Thiere werden zu 3 / 4 ihres Werthes, aber
höchstens mit 30 Lst. vergütet.
Die Verbreitung der Seuche seit dem Jahre 1871 war folgende:
*) Recueil de Med. veter. 1880.
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
417
Jahr.
Zahl
der
Graf¬
schaften.
Neue
Aus¬
brüche.
Gehöfte
Erkrankt.
Stück
Kranke
vom vor.
Jahre.
Stück
Ge¬
schlach¬
tet.
Stück
Ge¬
storben.
Stück
Genesen.
Stück
1871
68
1669
5869
133
2207
1309
2332
1872
71
2474
7983
124
3871
1979
2017
1873
72
2711
6787
240
5061
1028
904
1874
71
3262
7740
34
7734
289
31
1875
71
1 2492
5806
20
5584
190
29
1876
66
2178
5253
23
5131
114
12
1877
70
2007
5330
19
5323
107
3
1878
67
i 1721
4593
16
4488
114
—
1879
63
1549
4414
i
7
4296
119
—
Danach hat die Tilgung in den 9 Jahren im Ganzen keine er¬
heblichen Fortschritte gemacht. In manchen Grafschaften wurde die
Seuche unterdrückt, in anderen breitete sie sich weiter aus. Die un¬
genügenden Resultate des Tilgungsverfahrens haben verschiedene
Gründe. In manchen Districten ist die Untersuchung nicht zweck¬
mässig, indem die Veterinärinspectoren nur die krank gemeldeten
Thiere untersuchen und nicht feststellen, ob die übrigen Thiere der
Herde noch gesund sind. Manche Localbehörden instruiren die In¬
spectoren dahin, dass sie die inficirten Ställe erst einen Monat nach
dem letztgemeldeten Krankheitsfalle wieder zu inspiciren haben. Ein
anderer Grund ist dieser, dass, wie auch die Zahlen der gestorbenen
beweisen, die kranken Thiere nicht immer sofort geschlachtet werden,
und dass die Localbehörden von der ihnen nach der Contagious
Diseases Act zustehenden Befugniss, auch die der Ansteckung ver¬
dächtigen Thiere schlachten zu lassen, keinen Gebrauch machen. Auch
wurden nach den Berichten der Inspectoren nicht immer Ermittelungen
über die Herkunft der bald nach dem Ankauf erkrankten Thiere
angestellt, obgleich die Localbehörden ermächtigt sind, ein Gehöft für
verseucht zu erklären, in welchem innerhalb 56 Tagen ein Seuchen¬
fall vorgekommen ist. Dass die Feststellung der Krankheit und die
Tödtung der erkrankten Thiere nicht immer rechtzeitig erfolgt, und
dass die Ermittelungen in Betreff des Standes der Seuche und deren
Herkunft oft zu wünschen übrig lassen, ist erklärlich, da von den
Localinspectoren, deren Zahl 1678 beträgt, im Jahre 1873 nur 22 pCt.
Thierärzte waren. Dazu kommt, dass, wie namentlich der amtliche
Bericht für 1876 hervorhebt, immer noch eine beträchtliche Zahl von
kranken, genesenden, sowie von inficirten Thieren verheimlicht wird,
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418
ROLOFF,
und dass auch neue Seuchenausbrüche nicht immer zur Anzeige ge¬
bracht werden. Aus diesem Grunde wurde nach dem Bericht pro
1879 das Untersuchungsverfahren für die Grafschaft Northumberland
anders organisirt. Dort wurde ein Ober-Veterinärinspector für die
ganze Grafschaft angestellt. Ausserdem wurden ein Executivcomit6
und ein Subcomite ernannt, für welche der Polizeiinspector als Local¬
inspector fungirt. Kein Thier darf in der Grafschaft ohne Genehmi¬
gung des Localinspectors geschlachtet werden, der in zweifelhaften
oder schwierigen Fällen mit Genehmigung des Subcomit6s oder dessen
Vorsitzenden einen Thierarzt zuziehen kann.
Der Verlauf der Seuche in den einzelnen Herden ist in England
ebenso verschieden wie in anderen Ländern. Mitunter erkrankt ein
grosser Theil der Herde, während viele Male nach den Berichten der
Inspectoren in Herden, die aus 10—80 oder 90 Stück bestanden,
nur ein Thier als krank gemeldet wurde.
In welchem Umfange die Impfung in England angewendet wird,
ist aus den Berichten nicht ersichtlich. Es wird aber wiederholt be¬
merkt, dass die Schutzkraft der Impfung noch nicht erwiesen ist,
dass weitere positive Thatsachen zu Gunsten der Impfung nicht bei¬
gebracht sind etc. In dem Bericht pro 1874 wird mitgetheilt, dass
in einer grossen Molkerei zu London trotz aller Vorsicht die Seuche
ausbrach. Alle neu angekauften Kühe wurden von einem der geüb¬
testen Impfer geimpft und nach der Impfung noch mehrere Wochen in
einem besonderen Stalle gelassen. Trotzdem brach die Seuche unter
den geimpften Kühen aus und konnte nur durch Schlachten der
kranken unterdrückt werden 1 ).
Ueber die Anwendung der Lungenseucheimpfung in Australien
giebt der Bericht über die Verhandlungen der Conferenz der Chief
Inspectors of Stock der verschiedenen Colonien zu Sidney im No¬
vember 1874 einige Auskunft. Danach war die Verbreitung der Seuche,
welche 1858 durch eine englische Kuh, die in Melbourne landete, ein¬
geschleppt war, bis zum Jahre 1860 sehr gering. Die Unterdrückung
der Seuche war trotz der Abschlachtung der zuerst inficirten Herde,
welche aus Privatbeiträgen bezahlt wurde, nicht gelungen, weil ein
Nachbar einige von seinen Viehstücken in die inficirten Paddocks ge¬
bracht hatte. Die Weiterverbreitung wurde dann besonders durch die
Treibherden vermittelt und fand nach 1860 in dem Masse statt, dass
*) Jahresberichte des Veterinärdepartements des Privy Council Office.
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
419
bis zum Jahre 1873 wenigstens 40 pOt. des Gesammtviehbestandes,
mithin 1,750,000 Stück im Werthe von 8,000,000 Lst. zu Grunde
gingen.
Sperrmassregeln sind in Australien nicht durchzuführen, und
eine rationelle Behandlung der kranken Thiere findet nicht statt, weil
das Vieh zu wild und nicht werthvoll genug ist. Der Preis für ein
Thier beträgt durchschnittlich 4 Lst. 10 sh.
Unter diesen Umständen wurde 1861 durch Cleote in einem in
der Sidney- und Melbourne-Zeitung veröffentlichten Briefe die Impfung
empfohlen. Im April 1869 wurden 1200 Fragebogen an Herden¬
besitzer, die mehr als 200 Stück Vieh besassen, versandt. Von den¬
selben gingen 501 mit Beantwortung der Fragen wieder ein. Von
den Besitzern, die antworteten, liessen 279 ihre Heerden impfen;
222 impften nicht. Von den Besitzern, die impfen liessen, sprachen
sich 237 zu Gunsten der Impfung, 25 weder ffir noch gegen die
Impfung, 17 dagegen aus. Im Jahre 1873 sprachen sich die Besitzer
in 26 Districten zu Gunsten der Impfung aus; in 3 Districten waren
die Meinungen getheilt und aus 5 Districten ging auf die Anfragen
keine Antwort ein.
Ueber die Wirkung der Impfung enthält der genannte Bericht
nur die Mittheilung, dass dadurch die Dauer fer Seuche abgekürzt
werde. Die Dauer betrage in einer geimpften Herde sechs
Monate, in einer nicht geimpften selbst mehrere Jahre. Oft nutze
jedoch die Impfung nichts, und zwar wenn sie zu spät angewendet
oder wenn unzweckmässig operirt oder eine unwirksame Lymphe ver¬
wendet werde, oder wenn die Witterung zu heiss sei. Geimpft wird
in Australien an der Aussenseite des Schwanzes, 1—1V 2 Zoll von
der Spitze, und zwar entweder mit Messer oder Lancette, die in
Lymphe getaucht sind, oder mit einem ausgehöhlten Impfmesser, oder
es wird ein in Lymphe getauchter Faden eingezogen. Letztere Me¬
thode soll die beste, bequemste und ungefährlichste sein. Als Lymphe
wird das flüssige Exsudat aus der Lunge oder das flüssige pleuritische
Exsudat benutzt, und zwar ersteres mit Zusatz von gleichen Theilen
Glycerin, um es milder und haltbarer zu machen. Als die beste
Lymphe wird das flüssige pleuritische Exsudat betrachtet, weil dann
die Gefahr geringer, die Wirkung jedoch ebenso gut sei. Die Be¬
nutzung der Lymphe aus der Lunge ist nach dem Bericht für 1874
im Corencedistrict ganz verlassen.
Nach diesen Mittheilungen über die Impfmethode können wir es
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420
ROLOFF,
verstehen, dass man in Australien in Folge der Impfpng so geringe
Verluste hat. Aber die Angabe über die sichere Wirkung der Impfung
mit pleuritischem Exsudat steht mit den erwähnten neuesten Unter¬
suchungen über das eigentliche Agens nicht im Einklang.
Dass in neuerer Zeit in Australien andere Beweise für die Schutz¬
kraft der Impfung gewonnen seien, als die Behauptungen der Herden¬
besitzer und einiger Thierärzte, ist uns nicht bekannt. Auch die
Tilgung der Seuche ist bis jetzt mit Hülfe der Impfung nicht ge¬
lungen. Nur das hat man gefunden, dass trotz der fast allgemein
üblichen Impfung die Verluste gewöhnlich sehr gross sind, wenn die
verseuchte Herde getrieben wird, während die Verluste gering sind,
wenn das Vieh ruhig auf den Koppeln bleibt. Diese Erfahrung stimmt
mit der Erfahrung in Europa überein. Dass man bei ruhiger Ueber-
legung nicht dazu kommen kann, die vorliegenden oberflächlichen Be¬
richte über den Niutzen der Impfung in Australien als brauchbare
Motive für die Einführung der Zwangsimpfung in Deutschland zu be¬
trachten, liegt auf der Hand.
Vor Allem soll nun aber der Erfolg der Impfung bei der Unter¬
drückung der Lungenseuche in den Niederlanden beweisend sein,
dass die Impfung ein sicheres und unentbehrliches Tilgungsmittel ist
Es dürften daher namentlich die Verhältnisse in den Niederlanden
etwas eingehender zu schildern sein; denn an der Hand der ober¬
flächlichen Berichte, die gewöhnlich als Beweismittel benutzt werden,
lässt sich die Frage nicht beurtheilen.
Die Lungenseuche wurde 1833 in Holland eingeschleppt, indem
dortiges Vieh an der Grenze auf der Weide mit einer preussischen
kranken Kuh in Berührung kam. Binnen 10 Jahren hatte sich die
Seuche über ganz Holland verbreitet. Eine staatliche Aufsicht über
die Seuche besteht erst seit dem Jahre 1870.
Nach dem Gesetz vom 20. Juli 1870 wurden Districtsthierärzte
ernannt, welche die Aufsicht über den Gesundheitszustand des Viehes
auszuüben haben. Beim Ausbruch einer Seuche oder beim Seuchen¬
verdacht hat der Besitzer beim Bürgermeister Anzeige zu erstatten,
auch das kranke Thier abzusondern. Der Bürgermeister hat die
Krankheit durch den Districtsthierarzt feststellen zu lassen und die
von letzterem vorgeschlagenen Massregeln in Uebereinstimmung mit
den Bestimmungen des Gesetzes anzuordnen. Er hat den Hof, das
Gut, den Stall oder die Weide, wo sich das kranke oder verdächtige
Vieh befindet oder befunden hat, deutlich kenntlich zu machen. Die
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
421
Kennzeichen bleiben während einer durch den Bürgermeister nach
Ueberlegung mit dem Districtsthierarzt zu bestimmenden Zeit erhalten;
jedoch darf diese Frist nicht länger bemessen werden, als 100 Tage
nach Beendigung des letzten Falles.
Das kranke oder verdächtige (der Ansteckung verdächtige) Vieh
ist zu zeichnen.
Der Versandt von krankem oder verdächtigem Vieh ist verboten;
jedoch kann der Bürgermeister > wenn es erforderlich ist, nach An¬
hörung des Districtsthierarztes den Versandt unter den ärztlicherseits
gebotenen Vorsichtsmassregeln gestatten.
Der Bürgermeister kann die Tödtung des Viehes nach vorheriger
Enteignung desselben anordnen. Die Entschädigung beträgt für das
kranke Vieh die Hälfte des Werthes, für das gesunde Vieh den vollen
Werth. Die Entschädigung ist zu versagen, wenn die Anzeige oder
die Absperrung des kranken Viehes verabsäumt ist.
Die Desinfection, die auf Kosten des Staates geschieht, muss 14
Tage nach dem letzten Krankheitsfall beendet sein.
Dass das Gesetz nicht die gehoffte Wirkung haben konnte, liegt
auf der Hand. Es war in Betreff der Bemessung der Dauer der Ab¬
sperrung des verdächtigen, sowie bezüglich des Versandts des kranken
oder verdächtigen Viehes dem Districtsthierarzt und dem Bürgermeister
eine zu grosse Befugniss eingeräumt.
Es erging daher der Beschluss des Königs vom 30. October 1872,
nach welchem die von der Lungenseuche ergriffenen Rinder getödtet,
Brust- und Baucheingeweide vergraben und die Häute desinficirt wer¬
den müssen. Der Minister des Innern kann jedoch die Tödtung für
bestimmte Strecken und auf bestimmte Zeit suspendiren, sowie die
Tödtung von verdächtigen (d. i. der Ansteckung verdächtigen) Rin¬
dern befehlen.
Eigentümer von lungenkrankem Vieh sind befugt, dasselbe nach
Anzeige bei dem Bürgermeister und unter Aufsicht der Polizei zu
schlachten, unbeschadet ihrer Verpflichtung zur Befolgung der übrigen
Bestimmungen des Gesetzes und dieses Beschlusses.
Vieh, welches als verdächtig anzusehen ist, verbleibt in diesem
Zustande bei Lungenseuche 3 Monate. Innerhalb dieser Frist ist die
Ein- und Ausfuhr von Rindvieh für den gesperrten Bezirk verboten.
Diese Frist kann jedoch Seitens des Ministers des Innern um 1 Monat
gekürzt werden, sobald der Districtsthierarzt oder dessen Stellvertreter
schriftlich erklärt, dass das verdächtige Vieh innerhalb 8 Tagen, nach-
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422
ROLOFF,
dem es in den verdächtigen Zustand gerathen, durch einen appro-
birten Thierarzt geimpft worden ist.
Auf Grund des vorstehenden Beschlusses verfugte der Minister
des Innern am 19. Januar 1873 die Tödtung des der Ansteckung
verdächtigen Viehes für die Provinzen Friesland und Groningen.
Die danach gebotene bezw. nach dem Gesetz gestattete Tödtung
des verdächtigen Viehes war indess so kostspielig, dass die für das
Jahr 1873 bewilligten Mittel bei weitem nicht ausreichten. Die Ge¬
neralstaaten bewilligten zwar eine neue Summe, erklärten sich jedoch
gegen die Tödtung der verdächtigen Thiere. Der Minister behielt sich
übrigens vor, die Tödtung wenigstens da anzuordnen, wo die Seuche
nicht stationär war, sondern nur hin und wieder eingeschleppt wurde.
Da trotz der genannten Massregeln noch häufige Verschleppun¬
gen der Seuche vorkamen, weil Ausbrüche verheimlicht und verdäch¬
tige Thiere verkauft wurden, so wurde durch Beschluss des Königs
vom 3. October 1873 verordnet:
dass in Gemeinden, die der Minister des Innern bezeichnen werde,
eine Ein- und Ausfuhr von Vieh ohne Erlaubniss des Bürger¬
meisters nicht stattfinden dürfe;
dass in den vom Minister zu bezeichnenden Gemeinden Märkte
und öffentlicher Verkauf von Thieren nicht stattfinden sollen;
dass in den Gemeinden der Viehstand durch besondere Revi¬
soren zu überwachen,
dass daselbst ein Viehregister anzulegen,
dass jede Veränderung des Viehstandes binnen 24 Stunden beim
Bürgermeister anzuzeigen sei;
dass der Viehrevisor jedes geschlachtete oder gefallene Viehstück
innerhalb 24 Stunden nach der Anzeige zu besichtigen habe
und dass vorher das Thier, namentlich die Lungen desselben,
nicht entfernt werden dürften;
dass die Viehrevisoren wenigstens einmal wöchentlich die Vieh¬
stände revidiren sollten.
Diese, für lange verseuchte Bezirke, in welchen Verheimlichungen
der Seuche häufig Vorkommen, höchst zweckmässigen Bestimmungen
fanden auf eine Anzahl von Gemeinden in Südholland und Friesland,
sowie auf einzelne Gemeinden in den Provinzen Nordholland und
Utrecht Anwendung. Die Wirkung trat bald ein; in Friesland nahm
die Zahl der Seuchenfälle gegen früher zu, weil die dort üblichen
Verheimlichungen nicht mehr stattfinden konnten, während sich in den
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Zwangsimpfang bei Unterdrückung der Lungenseuche. 423
beiden Holland und in Utrecht ein Abnahme der Seuche bemerklich
machte.
Durch Beschluss des Königs vom 17. April 1874 wurde dann
ferner angeordnet, dass beim Ausbruch der Seuche der Besitzer das
der Ansteckungsgefahr ausgesetzte Vieh impfen lassen muss. Fehlt
es an geeignetem Impfstoff, so kann die Impfung aufgeschoben wer¬
den, bis solcher Stoff zu beschaffen ist. — Nach dem Beschluss des
Königs vom 9. October 1874 sollen Kälber unter 3 Monaten nicht
geimpft werden, da man bei solchen jungen Thieren nach der Impfung
öfter heftige Gelenkentzündung hatte eintreten sehen.
Ausser der Impfung wurde durch den Beschluss vom 17. April
1874 auch noch angeordnet, dass, wenn das verdächtige Vieh auf der
Weide nicht vollständig abgesondert werden könne, die Absonderung
in einem Stalle oder in einem anderen Gebäude stattzufinden habe.
In Folge der strengeren Massregeln und, wie in dem amtlichen
Bericht betont ist, in Folge der schnellen Tilgung der Seuchenherde
durch Tödtung der verdächtigen Thiere hatte sich namentlich im Jahre
1876 eine Abnahme der Seuche gezeigt. In dem letzteren Jahre
waren 822 verdächtige Thiere, die 50 verschiedenen Herden ange¬
hörten, getödtet, während noch im Jahre vorher die Tödtung nur in
einzelnen Fällen in Anwendung gekommen war. Trotzdem und un¬
geachtet der seit zwei Jahren in Anwendung gebrachten obligato¬
rischen Impfung des der Ansteckungsgefahr ausgesetzten Viehes wurde
der Zustand noch nicht als ein befriedigender betrachtet. Es wurden
daher am 2. März 1876 mehrere Thierärzte zu einer Sitzung einge¬
laden, um über weitere Tilgungsmassregeln zu berathen. Dieselben
erklärten, dass die in Friesland getroffene Anordnung, kein verdäch¬
tiges Vieh auf die Weide zu lassen, sondern im Stalle zu halten, den
gewünschten Erfolg gehabt habe. Diese Massregel würde sich daher
auch für Südholland empfehlen, sei dort aber schwer durchführbar,
weil die Bauern die Viehställe bei der Käsebereitung benutzten. Da¬
gegen würde anzuordnen sein, dass das Vieh, welches am Ende der
Stallperiode noch verdächtig ist, so lange im Stalle bleiben müsse,
bis der Verdacht beseitigt sei, vorausgesetzt, dass, wie in Friesland,
während der Weidezeit vom 1. Mai bis 1. November eine Entschädi¬
gung für die Mehrkosten der Stallfütterung, und zwar 20 Cent für
eine Milchkuh und 10 Cent für ein anderes Viehstück, gezahlt werde.
Die Herden, welche später noch eine Ansteckung vermitteln könnten,
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fcOLOFF,
müssten getödtet werden. Diese Massregel sei auch in Friesland und
in den anderen Provinzen anzuordnen.
Die Versammlung stellte daher den Antrag, mit der Tödtung in-
ficirter Rindviehherden sofort vorzugehen.
In Verbindung mit dieser Massregel sollten nach dem Gutachten
der Versammlung die Viehhalter in Friesland und in Südholland ver¬
anlasst werden, ihre Herden auf den Weiden in kleinere Koppeln zu
theilen, weil in Folge dessen die Entschädigungskosten geringer wür¬
den. Bei dem Vorkommen von Lungenseuchefällen sei auf das Vieh
benachbarter Weiden zu achten. Auf letzteres sei die Verordnung
vom 3. October 1873 (Revision etc.) anzuwenden.
Danach wurde denn auch die Tödtung verdächtiger Thiere in viel
grösserem Umfange als vorher in Anwendung gebracht. Die Tödtung
geschah nach folgenden Grundsätzen:
In Friesland und in den Provinzen, in welchen die Seuche nur
an einzelnen Orten vorkam, wurde die ganze Herde abgeschlachtet,
wenn Grund zu der Annahme vorlag, dass sämmtliche Thiere inficirt
waren. War nur erst ein Krankheitsfall vorgekommen und das
kranke Thier sofort isolirt, so wartete man einen zweiten Fall ab,
ehe die Abschlachtung der Herde stattfand. Ebenso war das Ver¬
fahren in der Rheingegend und auf den Inseln Südhollands, während
im Westland und in der Umgegend von Delft und Schiedara, den
grossen Seuchenherden, das Abschlachten der verdächtigen Thiere nur
selten angewendet wurde, weil es zu kostspielig erschien, auch weil
das Vieh meist Mastvieh und daher ohnehin zum Schlachten bestimmt
war. Dort wurden die inficirten Herden nur dann abgeschlachtet,
wenn die Seuche in einem einzelnen Gehöft einer viehreichen Ortschaft
ausbrach, die Umgebung des Gehöfts noch seuchefrei war und die Ab¬
sperrung der verdächtigen Thiere nur mangelhaft durchgeführt wer¬
den konnte.
Die Zweckmässigkeit der genannten Massregeln, insbesondere des
Abschlachtens der inficirten Herden, wurde bald offenbar: Die Seuche
nahm in den Jahren 1877 und 1878 erheblich ab, obgleich die wich¬
tigsten Seuchenherde in Südholland von den Massregeln nur wenig
betroffen waren.
Die Wirkung der verschiedenen Massregeln wird durch folgende
Zahlenangaben veranschaulicht.
Es wurden amtlich gemeldet, bez. entdeckt:
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
425
Jahr.
Zahl der kranken Thiere.
Zahl der Gemeinden.
1871
6078
3(13
1872
4008
261
1873
2479
199
1874
2214
136
1875
2227
106
1876
1723
110
1877
956
78
1878
701
72
Es wurden getödtet:
Provinzen.
Kranke
Thiere.
Stück.
Gemein¬
den.
■En
Herden.
Gemein¬
den.
1877« Nordbrabant . .
10
8
67
6
6
Geldern.
4
2
34
2
2
Südholland . . .
717
44
1399
91
34
Nordholland . .
29
5
208
17
5
Seeland.
1
1
19
1
1
Utrecht.
26
5
200
14
5
Friesland ....
168
12
1378
47
12
Limburg ....
1
1
13
1
1
956
78
3318
179
66
1978. Nordbrabant . .
4
3
n
2
2
Geldern.
52
2
157
3
2
Südholland . . .
572
48
1041
61
36
Nordholland . .
22
7
178
11
6
Seeland.
1
1
21
1
1
Utrecht.
2
2
21
1
1
Friesland ....
48
9
767
25
9
701
72
2200
104
57
Von den letzteren 2200 der Ansteckung verdächtigen Thieren
wurden 492 beim Schlachten mit der Lungenseuche gehaftet befunden.
Die Provinzen Groningen, Drenthe und Ober-Yssel waren in den
Jahren 1877 und 1878, in dem letzteren Jahre auch die Provinz
Limburg seuchefrei.
Da trotz der strengen Tilgungsmassregeln die Lungenseuche in
mehreren Provinzen noch in grosser Verbreitung herrschte, so wurde
von den Generalstaaten eine Untersuchung darüber veranlasst, weshalb
die Massregeln in gewissen Gegenden und Gemeinden günstig gewirkt
hatten, in anderen hingegen erfolglos geblieben waren. Nach dem im
März 1878 erstatteten Bericht der Lntersuchungscomraission hatten
28
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Archiv f. wissensch. und pnkt. Thterhcilk. VU. 6.
426
ROLOFF,
sämmtliche Sachverständige ausgesagt, dass die Bestimmungen des
Gesetzes von 1870 vollständig ausreichend seien und dass der Mangel
an Erfolg ausschliesslich den eigennützigen und widerstrebenden Züch¬
tern zuzuschreiben sei. Die Commission erklärte auf Grund der Er¬
hebungen für nothwendig:
1) die thierärztliche Ueberwachung des Viehes in den Theilen
des Reiches, wo die Seuche fortdauernd stark herrsche, zu
verschärfen;
2) durch eine Abänderung des Gesetzes vom 20. Juli 1870 die
sofortige Anzeige des Seuchenausbruchs in einer Herde her¬
beizuführen;
3) die Impfung des Viehes als Vorbeugungsmittel zu begün¬
stigen ;
4) für die Brennereibezirke in Südholland besondere Massregeln
anzuordnen, um daselbst die Befolgung der gesetzlichen Mass¬
regeln zu sichern.
In Folge dieser Vorschläge wurde das Gesetz vom 8. August
1878 erlassen. Die hier besonders in Betracht kommenden Bestim¬
mungen desselben lauten:
Wir Wilhelm III. etc. etc.
Art. 1. Es kann durch Uns befohlen werden, dass die Rinder in bestimm¬
ten Theilen des Reiches, welche durch Unseren, mit der Ausführung dieses Ge¬
setzes beauftragten Minister zu bezeichnen sind, geimpft und gezeichnet werden
müssen, oder eins von beiden.
Weigert sich der Eigenthümer oder Viehhalter, die Impfung oder das Zeich¬
nen zu gestatten, so wird das Vieh durch den Bürgermeister mit Beschlag belegt
und hat letzterer dafür zu sorgen, dass die Impfung oder das Zeichnen auf Kosten
des Eigenthümers vorgenommen werde.
Ist in Folge einer auf Grund dieses Artikels vorgenommenen Impfung ein
Stück Vieh nach Erklärung des Districtsthierarztes oder seines Vertreters einge¬
gangen, so wird dem Eigenthümer der volle Werth des Viehes im gesunden Zu¬
stande ersetzt.
Art. 2. Eigenthümer oder Viehhalter in den Theilen des Reiches, welche
im vorigen Artikel gemeint sind, sind verpflichtet, den Districtsthierärzten oder
ihren Stellvertretern sowie denjenigen Aufsichtsbeamten, welche durch Unseren
mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragten Minister dazu angewiesen wor¬
den sind, den Zugang in die Stallungen, Weiden oder Aufbewahrungsplätze von
Vieh zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang zu gestatten. Auf Erfordern
ist dabei die Anstellungsverfügung vorzuzeigen.
(Art. 3, 4. Strafbestimmungen.)
Art. 5. Die Vorschriften des Gesetzes vom 20. Juli 1870 und die auf
Grund dieses Gesetzes durch Uns erlassenen Beschlüsse bleiben auch fernerhin
in Kraft.
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche. 427
Der auf Grund dieses Gesetzes erlassene Beschluss des Königs
vom 17. August 1878 enthält folgende Anordnungen:
Art. 1. Es ist verboten, ohne Erlauhniss des Bürgermeisters Vieh aus den
von dem Minister des Innern bezeichneten Kreisen zu bringen. Die Bezeichnung
der Kreise wird öffentlich bekannt gemacht.
Art. 2. Die Erlaubniss darf nur nach Anhörung des Districtsthierarztes
ertheilt werden, und nachdem derselbe erklärt hat. dass die Ausführung des
Thieres absolut nothwendig ist und ohne Gefahr geschehen kann.
Der Erlaubnissschein des Bürgermeisters muss angeben: den Namen und
Wohnort des Interessenten, das Gutachten des Districtsthierarztes, den Namen
und Wohnort des Empfängers und ein genaues Signalement des Thieres. Der
Schein ist dem Bürgermeister des Bestimmungsortes des Viehes innerhalb 12
Stunden vorzulegen.
Ist das so transportirte Thier nicht zum Schlachten bestimmt, so hat der
Bürgermeister eine Abschrift des Scheines dem Districtsthierarzt zuzufertigen.
Art. 3. Das so transportirte Thier darf innerhalb 3 Monaten weder mit
anderem Vieh in Berührung kommen, noch lebend wieder ausgeführt werden.
Beim Tode des Thieres oder 3 Monate nach der Translocirung wird der Trans¬
portschein durch den Bürgermeister vernichtet.
Art. 4. Den Unternehmern öffentlichen Transportfuhrwesens ist verboten,
Vieh aus den bezeichneten Kreisen anders als in geschlossenen Wagen oder in
separirten und isolirten Theilen solcher Wagen zu transportiren. sodass das Thier
mit anderem Rindvieh oder Waaren nicht in Berührung kommen kann. Der
Wagen soll mit der Aufschrift „Vieh aus einem gesperrten Kreise“ versehen sein.
Das Thier darf nur an seinem Bestimmungsorte und unter polizeilicher Ueber-
wachung ausgeladen werden.
Der Transportwagen ist sofort zu desinficiren.
Art. 5. Die Ausführung von Vieh aus den gesperrten Kreisen kann ohne
Erlaubniss geschehen, wenn dasselbe zum Export bestimmt ist, jedoch unter
Beachtung der Bestimmungen in dem Königl. Beschluss vom 28. Mai 1871.
(Es ist verboten, Vieh nach dem Auslande zu verladen ohne vorherige
Untersuchung des Viehes durch einen dazu angestellten Thierarzt.)
In diesem Falle gelten die Bestimmungen des Art. 3, 1. Satz, nur bis zum
Augenblick der Ausladung des Viehes; eine Ausladung darf jedoch auf nieder¬
ländischem Gebiet nicht stattfinden.
Findet der Transport auf der Eisenbahn statt, so muss der Wagen ge¬
schlossen sein.
Art. 6. Alles Vieh in den gesperrten Kreisen muss durch Thierärzte, die
vom Minister zu bezeichnen sind, geimpft werden. Die geimpften Thiere sind
auf dem rechten Hinterschenkel unter dem Hüftgelenk mit dem Brandzeichen V.
zu bezeichnen. Alles in die Kreisö eingeführte Vieh ist innerhalb 3 Tagen zu
impfen. Das Brandzeichen ist zwischen dem 7. und 10. Tage nach der Impfung
anzubringen. Kein Thier darf mit anderen in Berührung kommen, bevor es das
Brandzeichen erhalten hat.
Art.'8. Wird Vieh mit Erlaubniss anders als zum Schlachten ausgeführt,
so erhält es seitlich von dem ersten ein zweites Brandzeichen V.
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ROLOFF,
Art. 10. Ausserhalb der gesperrten Kreise darf Niemand ein nicht zum
Schlachten bestimmtes Rindviehstück besitzen, welches mit dem Brandzeichen V.
versehen ist; auch nicht ein Thier mit dem Brandzeichen V. V., wenn der er¬
wähnte Erlaubnisschein nicht dem Bürgermeister ausgehändigt ist.
Art. 11. Scheidet ein Kreis aus der Zahl der gesperrten aus, so bekommt
sämmtliches Vieh neben dem ersten Brandzeichen V. ein zweites A. Solches
Vieh kann frei transportirt werden.
Art. 12. Kälber sind erst im Alter von 3 Monaten zu impfen.
Ein Königl. Beschluss vom 9. Januar 1879 ordnete an, dass das
erwähnte Zeichen in das rechte Horn, oder beim Fehlen desselben in
das linke Horn, oder beim Fehlen beider Hörner in die rechte Vor¬
derklaue eingebrannt werden soll.
Die durch den Königl. Beschluss vom 17. August 1878 ange¬
ordneten Massregeln wurden mit dem 20. September desselben Jahres
in dem besonders stark verseuchten Theile Südhollands, nördlich von
Lek und Maas, in Anwendung gebracht. Dies ist der sogenannte
Spoelingsdistrict, in welchem zahlreiche grosse Brennereien liegen.
Derselbe umfasste 17 Gemeinden einschliesslich Schiedara. Mit der
Ausführung der Impfung in diesem gesperrten Kreise wurden vier
Districtsthierärzte beauftragt, die im Jahre 1878 vom 22. September
bis zum 31. December 34,784, im Jahre 1879 im Ganzen 24,396
Stück Vieh impften.
Da von dem Spoelingsdistrict aus die Seuche vielfach durch Ver¬
mittelung der Märkte in Delft und in Rotterdam verbreitet war, so
wurde in Rotterdam für das Vieh aus diesem District ein besonderer
Markt eingerichtet, wo es mit Vieh aus anderen Districten nicht in
Berührung kam. Auf dem Markte in Delft war die Berührung ohne¬
hin ausgeschlossen, da dieser Ort innerhalb des gesperrten Kreises
lag. Diese Massregel wirkte offenbar sehr günstig.
Unter dem Einflüsse der genannten scharfen Bestimmungen nahm
die Seuche im Jahre 1879 bedeutend ab. Die Provinzen Seeland,
Utrecht, Ober-Yssel, Groningen, Drenthe und Liraburg waren seuche¬
frei, und in dem früher stark verseuchten Friesland kamen nur noch
einige Fälle in einer Gemeinde vor. Die günstigen Resultate sind
nach dem amtlichen Bericht auf das Zusammenwirken der Bürger¬
meister und der höheren Polizeibeamteh, die namentlich im Spoelings¬
district die Durchführung der gesetzlichen Vorschriften mit grösster
Sorgfalt überwachten, zurückzuführen.
Getödtet wurden im Jahre 1879:
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
429
Provinzen.
Kranke
Thiere.
Stück.
Gemein¬
den.
Verdäch¬
tige
Thiere.
Stück.
Gemein¬
den.
Nordbrabant . . .
8
2
35
2
Geldern.
3
1
79
1
Südholland . . .
139
22
385
13
Nordholland . . .
5
1
60
1
Friesland ....
2
1
3
1
157
27
532
18
Von den 385 in Südholland getödteten Thieren entfallen 310 auf
den Theil nördlich von Maas und Lek, während südlich davon die
Seuche nur in 3 Gemeinden der Insel Isselmonde vorkam. Von den
532 verdächtigen Thieren wurden 113 beim Schlachten mit der Lun¬
genseuche behaftet gefunden.
In Folge des Fortschritts der Seuchentilgung im Jahre 1879
konnte der gesperrte Kreis verkleinert werden.
Im Jahre 1880 kamen bis zum 4. September in Südholland 38
Fälle, in Friesland und Groningen je 1 Fall und in Nordbrabant 4
Fälle vor 1 ).
Danach ist die Frage, welchen Antheil die Impfung an der ver-
hältnissraässig schnellen Tilgung der Seuche in den Niederlanden ge¬
habt hat, nicht bestimmt zu beantworten, da die Impfung immer nur
in Verbindung mit anderen, erfahrungsmässig an und für sich sehr
wirksamen Massregeln angewendet ist. Dass die Impfung allein selbst
bei allgemeiner Anwendung die Tilgung der Seuche nicht zu bewirken
vermag, zeigen namentlich die Mittheilungen aus Belgien, hauptsäch¬
lich aus der Stadt Hasselt, und geht insbesondere daraus hervor, dass
trotzdem die Noth- bezw. die Präcautionsirapfung in den Niederlanden
bereits im Jahre 1874 obligatorisch geworden und nach den Berichten
sehr bereitwillig angewendet war, die übrigen Massregeln immer wie¬
der verschärft und endlich sogar umfangreiche und höchst kostspielige
Abschlachtungen vorgenoraraen werden mussten, um der Seuche Herr
zu werden. Insbesondere mussten in den stark verseuchten Kreisen
die erforderlichen Einrichtungen getroffen werden, um den Widerstand
der Thierbesitzer, der Anzeigepflicht zu genügen, zu brechen.
*) Amtliche Berichte: Verslag an den Koning van den Bevindingen on Han¬
delingen van het veearznykundig Staatstoezigt,
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430
R0L0FF,
Ausserdem ist daraus, dass von den frühzeitig der Impfung un¬
terworfenen Rindern später beim Schlachten ein nicht unbeträchtlicher
Theil mit der Seuche behaftet gefunden wurde, zu ersehen, dass die
Impfung durchaus kein zuverlässiges Schutzmittel ist.
Danach kann unseres Erachtens die Erfahrung, welche man in
Holland gemacht hat, nicht als hinreichende Veranlassung zur Ein¬
führung der Zwangsimpfung in Deutschland betrachtet werden; wir
glauben vielmehr, dass die Bestimmungen des Gesetzes vom 23. Juni
1880 vollständig genügen werden, die Seuche zu unterdrücken, wenn
sie nur überall gehörig durchgeführt werden, ebenso wie die Commis¬
sionen in Holland die in dem Gesetz von 1870 vorgeschriebenen Mass-
regeln für ausreichend erklärten und nur die Durchführung derselben
zu sichern empfahlen. Dass mit Massregeln, wie solche neben und
trotz der Impfung schliesslich noch in Holland angewendet werden
mussten, die Lungenseuche auch ohne Impfung getilgt werden kann,
dürfte wohl von keiner Seite bezweifelt werden, und dieser Ansicht
werden auch die Sachverständigen, Thierärzte und Landwirthe, gewesen
sein, welche berufen waren, über den Entwurf des Viehseuchengesetzes
für das Deutsche Reich sich gutachtlich zu äussern. Wir glauben,
dass Diejenigen, welche keinen Anstand nehmen, jene Sachverständigen
als unwissend und vorurtheilsvoll hinzustellen, wenn auch nicht be¬
scheidener, so doch etwas vorsichtiger auftreten würden, wenn sie sich
namentlich mit den Verhältnissen in Holland etwas näher bekannt
gemacht und einmal darüber nachgedacht hätten, was daselbst die
Polizeibehörden neben den Impfärzten geleistet haben. Vielleicht
würden sie es dann für zweckmässiger erachtet haben, zunächst zu
untersuchen, ob es sich nicht empfiehlt, auch in gewissen Theilen
Deutschlands noch besondere Einrichtungen zu treffen, um die Durch¬
führung der gesetzlichen Massregeln sicher zu stellen. Dann können
wir es abwarten, ob neue thatsächliche Beweise für die NothWendig¬
keit der Impfung erbracht werden. Inzwischen ist es keinem Vieh¬
besitzer verwehrt, von der angeblich ebenso ungefährlichen als wirk¬
samen Impfung zu seinem eigenen Nutzen Gebrauch zu machen. Das
müssen wir uns wohl von vornherein sagen, dass, wenn Einzelne
das bekanntlich seit Jahren erstrebte und vorbereitete und nun eben
erlassene Gesetz in einigen Phrasen abfällig beurtheilen, dies keine
Veranlassung bilden kann, das Gesetz sofort zu ändern, um so weni¬
ger, wenn die abfällige Beurtheilung von Personen kommt, von denen
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Zwangsimpfung bei Unterdrückung der Lungenseuche.
431
noch nicht bekannt ist, dass sie auf dem Gebiete der Veterinärpolizei
Nennenswerthes geleistet haben.
Selbstverständlich wird es sich empfehlen, Alles aufzubieten, um
die Impffrage möglichst bald definitiv zu lösen. In Belgien werden
jetzt die erwähnten Versuche, die Lungenseuchelymphe zu cultiviren
und gleichzeitig zu mitigiren, auf Anordnung der Staatsregierung von
einer Commission von Sachverständigen fortgesetzt, und in Preussen
hat auf Antrag des Herrn Prof. Pütz der landwirtschaftliche Cen¬
tralverein der Provinz Sachsen beschlossen, Leim Königl. Ministerium
für Land Wirtschaft eine Prüfung der Frage durch umfassende Ver¬
suche zu beantragen. Wir wünschen diesem Anträge den besten
Erfolg, können aber nicht unterlassen zu bemerken, dass Versuche
nach dem Vorschläge des Herrn Prof. Pütz einen höchst zweifel¬
haften Nutzen gewähren würden. Herr Prof. Pütz will nach einem
schon früher von anderer Seite veröffentlichten Vorschläge Thiere erst
am Schwänze und dann nach einiger Zeit am Triel impfen und auf
diese Weise bestimmt ermitteln, ob die Thiere durch die Impfung für
das Lungenseuchegift unempfänglich werden. Wenn Herr Prof. Pütz
an einer anderen Stelle die Befürchtung ausspricht, dass gewisse impf¬
gegnerische Collegen seine Versuche nach dem von ihm skizzirten
Plane hintertreiben, weil sie den Ausfall derselben fürchten, so hat
er dadurch bei jenen Collegen wohl nur mehr ein Lächeln erregt.
Bei den Verhandlungen der Centralversammlung des landwirt¬
schaftlichen Centralvereins der Provinz Sachsen ist gegen das neue
Viehseuchengesetz besonders eingewendet, dass danach die Tödtung
von inficirten Thieren nicht in genügendem Umfange vorgenommen
werden könne; namentlich wurde wieder den Thierärzten vorgeworfen,
dass sie nicht immer rechtzeitig tödten Hessen. Diese Einwendungen
beruhen offenbar auf Unkenntniss des Gesetzes. Der Thierarzt hat
überhaupt kein Recht, Tödtungen anzuordnen; er erklärt Thiere für
lungenseuchekrank oder für verdächtig, und die Anordnung der Tödtung
ist dann Sache der Polizeibehörden. Wer die gesetzlichen Bestim¬
mungen kennt, weiss, dass die Ortspolizeibehörde die für krank er¬
klärten Thiere tödten lassen muss, und dass es in der Befugniss des
Regierungspräsidenten liegt, auch die Tödtung der der Ansteckung
verdächtigen Thiere anzuordnen. Soll denn da der Thierarzt verant¬
wortlich sein, wenn die Anordnung der Tödtung unterbleibt? oder
soll etwa der beamtete Thierarzt gegen seine Ueberzeugung Thiere
für krank bez, für verdächtig erklären? Herr Prof. Pütz machte bei
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432
ROLOFP.
der Gelegenheit die überraschende Bemerkung, dass von Seiten der Re¬
gierung der beamtete Thierarzt, der ein Stück Vieh tödten lasse (soll
wohl heissen: die Anordnung der Tödtung durch seine gutachtliche
Erklärung veranlasse), bei dem keine Lungenseuche vorhanden sei,
in Ordnungsstrafe genommen und ausserdem zur Schadloshaltung des
Besitzers herangezogen werden könne. Diese Verfügung sei auch für
derartige Fälle ergangen, wo wirklich eine Lungenkrankheit consta-
tirt, nach dem Tödten aber vielleicht in der Anwesenheit von Echino-
coccen in den Lungen begründet gefunden werde. Wenn dem Thier¬
arzt die Aussicht blühe, dass er ein Thier bezahlen müsse, welches
während des Lebens ihm lungenkrank erschien, nach dem Tode aber
nicht lungenkrank befunden werde, so sei das sehr bedenklich.
Wir sind über diese Mittheilung des Herrn Prof. Pütz aufs
Höchste erstaunt, und da wir uns kaum denken können, dass Herr
Pütz der hochansehnlichen Versammlung eine solche Mittheilung ge¬
macht haben würde, wenn die von ihm angezogene Verfügung, welche
den Thierärzten eine in der That ganz ungewöhnliche Verantwortlich¬
keit auferlegte, nicht wirklich existirte, so glauben wir ihn im Inter¬
esse der beamteten Thierärzte um eine Veröffentlichung des Wortlauts
der besagten Verfügung, sowie um nähere Auskunft darüber bitten
zu sollen, wann und wo sie erlassen ist.
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XVII.
lieber die Verdauungssäfte und die Verdauung des Pferdes.
Experimentelle Untersuchungen.
Von
Ellenberger und V. Hofmeister.
(Fortsetzung.)
(Hieran Tal III, Fig. 1—6.)
II. Der histologische Bau und die Extracte der Speicheldrüsen des
Pferdes.
Da das Secret der Sublingual- und Buccaldrüsen und der in den
Lippen und dem weichen Gaumen gelegenen Drüsenhaufen, wie bereits
erwähnt, der Untersuchung nicht direct zugänglich ist, mussten wir
die Functionen dieser Drüsen und die Eigenschaften ihrer Secrete auf
anderem Wege festzustellen suchen. Zu dem Zwecke bereiteten wir
Extracte dieser Organe und prüften dieselben auf ihre physikalischen,
physiologischen und chemischen Eigenschaften. Aus den Eigenschaften
des Drüsenextractes schlossen wir auf die des Secretes. Wir nahmen
an, dass das Secret dem Extract sehr ähnlich beschaffen ist und dass
ihm, abgesehen von Nebensächlichem, dieselben Eigenschaften zukom¬
men. Ist aber eine derartige Annahme gerechtfertigt? Ist es statt¬
haft, aus den Eigenschaften des Extractes einer Drüse die seines
Secretes abzuleiten?
Diese Frage musste zunächst beantwortet werden. Dies ge¬
schah nun in der Weise, dass wir Extracte derjenigen Drüsen berei¬
teten, deren Secrete wir kannten und ira ersten Theil dieses Arti¬
kels besprochen haben. Hier konnten wir sehen, ob das Extract die¬
selben Eigenschaften besitzt, wie wir sie vom Secret kennen, und
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434
ELLEN BERGER u. HOFMEISTER,
namentlich konnten wir prüfen, oh das ira Secret vorhandene Ferment
auch ira Extract zugegen ist.
Die Extracte stellten wir in der Weise her, dass die betreffenden
Drüsen zunächst gründlich zerschnitten und zerkleinert wurden (mit
Hülfe eines Wiegemessers), dann wurde diese Masse mit Glycerin
oder Glycerin + Wasser oder auch reinem Wasser übergossen. Das
Ganze wurde öfter umgerührt, blieb 24 Stunden bis 8 Tage stehen
und wurde dann durch ein Seihtuch ausgepresst. Eventuell wurde
das so hergestellte Glycerin- oder Wasserextract nochmals durch ein
zartes Seihtuch filtrirt. Das Glycerinextract ist dem Wasserextract
wegen seiner Haltbarkeit entschieden vorzuziehen; im Wasserextract
stellte sich immer bald Fäulniss ein.
Ehe wir an die Betrachtung der Extracte selbst herantreten,
senden wir eine anatomische Skizze über den Bau der betreffenden
Drüsen des Pferdes voraus. Aus derselben soll nur ersehen werden,
welche Drüsen reine Speichel-, welche Schleim- und welche gemischte
Drüsen sind. Eine Bearbeitung der Histologie der gesammten Maul¬
höhle hat nicht stattgefunden, weil mit dieser Arbeit ein College von
uns bereits seit längerer Zeit beschäftigt ist. Künftig werden wir
von jedem Abschnitt des Verdauungstractus und der Anhänge des¬
selben, den wir physiologisch besprechen, auch eine Beschreibung
der feineren anatomischen Einrichtung geben. Bei den Speicheldrüsen
können wir uns kurz fassen, weil die Speicheldrüsen der Pferde
wenig Besonderheiten darbieten. Eine Beschreibung des Stroma, der
Blutgefässe u. dgl. ist überflüssig, weil wir da nur Allbekanntes an¬
zugeben hätten. Für uns handelt es sich wesentlich um Feststellung
des Charakters der Drüsen, wie er an den Drüsenzellen zu erken¬
nen ist. Bis jetzt sind die Speicheldrüsen des Pferdes in dieser Weise
noch nicht classificirt worden.
In Bezug auf das Vorkommen der Speicheldrüsen bei den Wirbelthieren
wissen wir, dass sich bei den Fischen eigentliche Speicheldrüsen gar nicht finden.
Was Meckel. Retzius u. A. als solche beschreiben, sind Gefässdrüsen. Bei
einigen Fischen (Neunaugen z. B.) treten sogenannte Backendrüsen auf, die aber
Schleimdrüsen darstcllen.
Die Batrachier besitzen ebenfalls keine Speicheldrüsen. In der Schleim¬
haut der Maulhöhle befinden sich kleine Drüschen, ohne gemeinschaftlichen Aus¬
führungsgang, die nicht als Salivaldrüseti anzusehen sind.
Bei den beschuppten Amphibien, den Reptilien, treten Speicheldrüsen auf.
Bei einigen, namentlich denen, die viel ins Wasser gehen, fehlen sie ganz oder
sind als submucöse Drüsen schwach entwickelt (Crocodile, Saurier, Chelonier);
bei einigen Schildkröten sind sogenannte Sublingualdrüsen vorhanden.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
435
Bei den Schlangen, die ausserhalb des Wassers leben, sind die Salival-
drüsen sehr bedeutend entwickelt, besonders die, welche längs der Kieferränder
ihre Lage haben.
Bei den ihre Nahrung im Wasser suchenden Vögeln sind die Speicheldrüsen
schwach entwickelt, ja sie können ganz fehlen. Bei den übrigen Vögeln sind
sie vorhanden und bei den Herbivoren, besonders den Körner fressenden Vögeln
am stärksten entwickelt. Sie besitzen eine Submaxillardrüse, eine Parotis (am
Mundwinkel) und häufig eine Sublingualis.
Unter den Säugethieren fehlen den Cetaceen die genannten Drüsen (Carni-
voren) oder sind rudimentär (Herbivoren); ebenso sind sie bei den Robben sehr
klein. Bei den Landsäugethieren sind sie bedeutend entwickelt und unter ihnen
wieder am schwächsten bei den Carnivoren, am stärksten bei den Herbivoren.
Die Edentaten besitzen sehr kleine Parotiden- und enorm ausgebildete Submaxil-
lardrüsen. Besonders colossal sind diese (vom Kieferwinkel bis zum Sternum
reichend) bei Myrmecophaga tamandua. Bei Echidna fehlen die Parotiden ganz,
die Submaxillardrüsen sind stark entwickelt. Auch den Robben fehlen die erste-
ren und bei den Ottern sind sie nur sehr klein. Fast alle herbivoren Landthiere
haben grosse Parotiden, namentlich der Biber, dessen Parotis 20 Mal grösser ist
als die Submaxillaris. Bei den Carnivoren pflegt die Parotis nicht grösser zu
sein als die Submaxillaris, und vielen kommt noch eine besondere Orbitalis zu.
Die Wiederkäuer besitzen grosse Parotiden.
Die Parotis des Pferdes ist sehr gross und viel grösser als die
Submaxillaris. Das Pferd besitzt auch jederseits eine Sublingualis,
eine obere und untere Buccalis, colossale Drüsenhaufen im Velum
palatinium und den Lippen. Die sämmtlichen Drüsen können als aci-
nöse Drüsen aufgefasst werden und sind nach dem bekannten Schema
derselben gebaut. Bei Untersuchung der Parotis und Submaxillaris
findet man nur rundliche Acini, dagegen trafen wir bei der Sublin¬
gualis und den Gaumendrüsen auch Längere Drüsenhohlräume an, die
mehr schlauchförmig, tubulös erschienen, sodass man diese Drüsen
demnach >auch gemischte, d. h. theilweise acinöse, theilweiso tubulöse
Hohlräume enthaltende Drüsen nennen kann. Die tubulösen Hohl¬
räume waren aber selten und herrschten die rundlichen, kugeligen
entschieden vor. In letzteren waren beim Querschnitt im Mittel 5—7,
selten mehr Zellen sichtbar, die das Lumen bis auf einen kleinen
rundlichen, centralen Theil ausfüllten. In den schlauchförmigen Hohl¬
räumen lagen natürlich bedeutend mehr Zellen und war der freie
Raum selbstverständlich auch länglich. Jede Zelle reichte von der
Peripherie des Acinus bis gegen das Centrum. Die Zellen sassen
offenbar auf einer hyalinen Membrana propria auf, deren Aussenseite
längliche, spindelförmige, mit dem Acinusumriss gebogene Zellen
dicht anlagen, die vielleicht ihr, vielleicht auch dem sich an die
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436
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Membran direct anschliessenden Bindegewebsstroma angehören. Dieses
letztere und die daselbst liegenden Blutgefässe verhielten sich wie
bekannt.
Die Untersuchung der Acini und der Drüsenzellen behufs Classification der
Drüsen nach dem Heidenhain’schen Vorgänge geschah wie folgt: Erstens wur¬
den von frischen Drüsen Isolationspräparate der Zellen angefertigt, indem kleine
Drüsenstückchen in die bekannten Isolationsflüssigkeiten, ! /s Alkohol, verdünnte
Chromsäure, neutrales öproc. chromsaures Ammonium und V 2 proc. Osmium¬
säure, eingelegt wurden. Die letzteren kamen, sobald sie gefärbt erschienen in
Solutio Kali acetici, die anderen Hessen wir 12—36 Stunden maceriren. Dann
wurden die Präparate gut zerzupft und theilweise sofort untersucht, theilweise
vorher tingirt. Zweitens härteten wir frische Drüsen und zwar 1) in Müller ? scher,
2) in MerkePscher Flüssigkeit, 3) in Alkohol, 4) in lproc. Ueberosmiumsäure.
Von den gehärteten Präparaten wurden Schnitte angefertigt, die tingirt wurden.
Die in Merkel’scher Flüssigkeit gehärteten, Mucin enthaltenden Drüsen färbten
sich mit Picrocarmin mangelhaft, es traten zwar die Kerne deutlich hervor, aber
sonst erschienen die ganzen Zellen gelblich oder röthlich diffus gefärbt, sodass
wir diese Härtungsmethode für Schleimdrüsen nicht empfehlen können. Drittens
untersuchten wir frische Drüsensphnitte, welche mit dem Gefriermikrotom ge¬
macht wurden. Auch diese versuchten wir zu tingiren, aber mit wenig Erfolg.
Eosin ist hierzu noch am besten verwendbar, dann folgt Hämatoxylin. Beide
aber geben zu wenig prägnante Bilder, sodass die Unterschiede der Drüsen nur
schwer erkennbar waren; am besten tingirte sich noch die Parotis, weniger gut
die Submaxillaris und noch weniger die anderen Drüsen. Der Geübte konnte
immerhin eine mehr gleichmässige Tinction der Parotis und stärkere Randtiction,
ungleiche Färbung der anderen Drüsen wahrnehmen, aber nicht annähernd so
deutlich wie an gehärteten Drüsen. In Picrocarmin, in welchem die Schnitte
bekanntlich längere Zeit behufs Tinction liegen müssen (die neue Weigert’sche
Methode der Schnellfärbung mit Picrocarmin war uns noch nicht bekannt), ver¬
änderten sich die frischen Drüsenzellen meist derart, dass sie nicht mehr als
Zellen erkennbar waren. Nur die Parotisschnitte und einzolne Stellen in den
Submaxillarschnitten lieferten, wenn auch keine guten, so doch Färbungen, die
das Drüsengewebe erkennen Hessen. Die anderen Drüsenschnitte wurden mehr
oder weniger durch schleimige Metamorphose des Leibes der Zellen, Umwandlung
ihrer mucigenen Substanz in Mucin zu schleimigen Massen. Fasste man einen
solchen Schnitt mit der Pincette, um ihn aus der Farbe zu heben, so zog er sich
in einen langen, zähen, schleimigen Strang, eine fadenartige Masse aus. Am
meisten war dies bei der Sublingualdrüse der Fall; bei dieser waren die verschie¬
denen in der Farbe liegenden Schnitte in eine rothe, gleichmässig schleimige
Masse umgewandelt. Bei diesen Färbungen bemerkten wir nun noch, dass das
Picrocarmin. in dem die Schnitte Jagen, eine andere Farbe annahm, je nachdem
ob Schnitte von dieser oder jener Drüse sich darin befanden; so wurde es z. B.
durch die Lippendrüsen hellroth, durch die Gauraendrüsen dunkelroth, durch die
Submaxillardrüsen ziegelroth u. s. w. Das schleimige Metamorphosiren der Ge¬
frierschnitte trat auch an den genannten Drüsen beim Liegen in Kochsalzlösung
auf. Die Schnitte von der Parotis zeigten diese Veränderungen in beiden
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes. 437
Fällen gar nicht und die von der Submaxillaris weniger als die von den an-
dereigprüsen.
Die Untersuchung der ungefärbten Gefrierschnitte der frischen Drüsen lie¬
ferte zwar insofern gute Bilder, als die Zellen mit ihren Kernen deutlich hervor¬
traten, aber es war unmöglich, scharfe Unterschiede zwischen den einzelnen
Drüsen an ihren Zellen zu erkennen, die Bilder der verschiedenen Drüsen waren
einander in Bezug auf die Drüsenzellen zu ähnlich. Zu Reagentien verhielten
sie sich wie die Isolationspräparate, in denen ja neben freien Zellen stets ganze
Acini und aus mehreren Acini bestehende Stückchen wahrnehmbar sind. In
diesen Isolationspräparaten fanden wir die Drüsenzellen der verschiedenen Drüsen
in Bezug auf die Form einander so ähnlich, dass auch hier ein scharfer Unter¬
schied nicht gefunden werden konnte. Die Zellen der Parotis erschienen aller¬
dings stärker gekörnt, sie waren rundlich polyedrisch, oder mehr dreieckig, der
Kern wurde erst durch Zusatz von Reagentien sichtbar, dabei waren die Zellen
leicht zerbrechlich, sodass stets viel Zellstücke in den Präparaten sichtbar waren.
Theilweise war dies letztere auch noch bei der Submaxillaris der Fall, während
die anderen Drüsen gute Präparate gaben, bei ihnen traten die Zellformen scharf
hervor. Die Zellen waren resistent und nicht zerbrechlich, sie hatten eine mehr
oder weniger dreieckige, pyramidale, kolbige oder bimförmige Gestalt, dabei
waren oft ein oder zwei Fortsätze gleichsam als Stiele der Birne etc. wahrnehm¬
bar. Der Kern lag excentrisch im breiteren Theil der Zellen und war körnig,
granulirt. Der Zellleib war ebenfalls granulirt, am stärksten in der Nähe des
Kerns. Zwischen diesen gewöhnlichen Zellformen wurden einzelne echte Cylin-
derzellen und ganz vereinzelt sternförmige, mit Fortsätzen versehene Zellen sicht¬
bar. Erstere entstammen offenbar den Ausführungsgängen, letztere der Acinus-
membran. Ausserdem bemerkte man bei diesen Drüsen auch vereinzelte polye-
drische, sehr stark körnige Zellen, in denen der Kern durch die Granulation
verdeckt war. Vereinzelt lagen auch derartige Zellen in Complexon zusammen,
die eine mehr oder weniger halbmondförmige Gestalt zeigten. Bei der Parotis
und Submaxillaris sah man derartige Complexe nicht. Schöne Halbmonde beob¬
achteten wir nur in den Isolationspräparaten der Sublingualis. Am deutlichsten
wurden die Verhältnisse der Zellen, wenn man sie tingirte. Nachfolgendes Aus¬
waschen zeigte dann deutliche Kemfärbung und mit Ausnahme der Parotis
blassen, ungefärbten Zellleib, bis auf die nächste Umgebung des Kerns, die auch
schwach tingirt war.
Zusatz von Kalilauge, verdünnten Alkalien und concentrirten Säuren macht
die Zellen erblassen, sodass die Zellgrenzen und Kerne verschwinden und nur
noch die Acinigrenzen sichtbar sind. Bei Behandlung mit Essigsäure treten
helle, glänzende Pünktchen wie Bläschen in den Zellen auf; verdünnte Essigsäure
bedingte mit Ausnahme der Parotis Niederschläge in den Zellen. Die Osmium¬
säure färbte die Parotiszellen und Acini gleichmässig, während bei den anderen
Drüsen dunklere Färbungen am breiteren Theil, am Kerntheil auftraten. Die
Isolation gelang aber mit der Osmiumsäure schlecht. Die anderen Isolatious-
flüssigkeiten lieferten gute Resultate; die Isolation war meist leicht und bequem,
am besten bei der Sublingualis, am schlechtesten bei der Parotis.
Bei den Untersuchungen der gehärteten und event. nachher tingirten Prä-
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438
ELLENBERG ER u. HOFMEISTER.
parate ergaben sich erst die charakteristischen Unterschiede der Drüsen unter
einander. Am schärfsten treten diese an den in Osmiumsäure gehärteten Äapa-
raten hervor und stellen wir deshalb das an diesen Beobachtete voraus. Die
Präparate wurden in der Weise angefertigt, dass kleine Stückchen der frischen
Drüsen in 1 proc. Osmiumsäure eingelegt wurden, in der sie so lange liegen
blieben, bis sie hart und schwarz geworden waren. Dann wurden Schnitte von
ihnen angefertigt, welche in Glycerin untersucht und event. auch tingirt wurden.
Aus der Osmiumsäure kamen die Stückchen in eine Solutio Kali acetici zur Auf¬
bewahrung bis zum Schneiden.
Die Untersuchung der nach dieser Methode hergestellten Präpa¬
rate ergab, dass vier Typen von Drüsen unter den sechs untersuchten
Drüsenpaaren unterschieden werden können. Zwei Typen scheiden
sich sehr scharf von einander, nämlich der Parotis- und der Sublin-
gualistypus; die anderen Drüsen bilden keine so scharfen Typen, sie
sind alle von der Parotis sehr verschieden, nähern sich aber in vielen
Punkten der Sublingualis.
Bei der Parotis erschienen die Acini, d. h. ihre Drüsenzellen,
gleichmässig grau gefärbt, nur die Kerne der Zellen und die Zell¬
grenzen hoben sich scharf ab. Die letzteren erschienen als schwarze,
oft etwas geschlängelte Linien, die von der Peripherie des Acinus
radiär gegen das freie Lumen verliefen, dieses aber nicht erreichten,
sondern vorher undeutlich wurden, sodass hier die Zellgrenzen ver¬
schwinden, die Zellen in einander (Hessen.
Bei der Sublingualis erscheint der innere Theil der Acini ganz
hell, ungefärbt, der äussere periphere Theil, wo die Kerne liegen, ist
schwach gelblichgrau tingirt, granulirt, die Kerne treten deutlich her¬
vor. Ausserdem heben sich am Rande der Acini halbmondförmige,
schwärzlich erscheinende Figuren ab, in denen oft Kerne (namentlich
bei nachfolgender Färbung) deutlich hervortreten. Die Zellgrenzen
im Acinus sind sehr deutlich, im Halbmond sind sie selten sichtbar.
Diese Verhältnisse treten an einfach gefärbten, nicht mit Osmium-
säure behandelten Schnitten nur undeutlich hervor. Sobald man aber
erst die Osmiumbilder gesehen hat, findet man auch in den direct
mit Picrocarmin, Hämatoxylin etc. gefärbten Präparaten die leicht
gefärbten Halbmonde, die sich von dem nicht gefärbten Acinusinncrn
abheben u. dgl. — Ein Blick durch das Mikroskop, namentlich bei
den Osmiumpräparaten, genügt, um sofort zu erkennen, mit welcher
Drüse man es zu thun hat. Der Totaleindruck ist bei beiden
enorm verschieden; in dem einen Falle gleichmässige Graufärbung,
höchstens mit hellen, weissen Streifen (Spalten zwischen den Acini),
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Verdauungssafte und Verdauung des Pferdes.
439
im anderen Falle belle Flecke von dunkler bis schwarzer Zone
umgeben, ungleichmässige Färbung. Das ist der erste Eindruck.
Beim genaueren Hinsehen und Einstellen sieht man dann die Halb¬
monde u. s. w.
Die Submaxillaris nähert sich in ihrem Verhalten sehr der
Sublingualis. Auch an ihr treten Halbmonde auf, dieselben sind aber
bedeutend grösser als an der Sublingualis. Ihr Querdurchmesser ist
stärker; während es bei letzterer Drüse mehr Mondsicheln sind,
beobachten wir bei ersterer mehr echte Halbmonde, die die Hälfte
des Acinus einnehmen, und Uebergänge von der Sichel zum Halb¬
mond. So kann also eine Hälfte des Acinus dunkel, die andere hell mit
kleiner dunkler Randzone, in der die Kerne liegen, erscheinen. Da¬
neben findet man auch total helle Acini mit unbedeutender dunkler
Randzone, und total dunkel gefärbte Acini, die denen in der Parotis
gleichen. Dadurch, dass oft mehrere Halbmonde an einander liegen
und dazu noch ein oder zwei dunkle Acini kommen, entstehen oft
grössere dunkle Stellen, die mit grösseren hellen abwechseln. Dieses
Bild bemerkt man bei der Sublingualis nicht.
Die Lippendrüsen zeigen einzelne Halbmonde, aber viel weniger
als die Unterzungendrüse. Die Acinizellen sind grösstentheils hell
und klar und nur der Rand des Acinus, d. h. der breitere, periphere
Theil der Zellen mit dem Kern ist dunkler. Die Lippendrüsen stellen
ein Mittelding dar zwischen den Sublingual- und Gaumendrüsen, wie
die Submaxillares einen Uebergang von der Sublingualis zur Pa¬
rotis bilden.
Die Gaumen- und Backendrüsen zeigen keine Halbmondbildungen;
sie sind aber auch nicht gleichmässig gefärbt, wie die Parotis, son¬
dern an jedem Acinus tritt eine rundum verlaufende, dunklere peri¬
phere Partie mit den Kernen und eine hellere centrale Partie auf.
Die eine geht natürlich allmählich in die andere über.
Zwischen den Acini der Drüsen scheinen hier und da in dem
Bindegewebe Muskelzellen zu liegen. Die halbmondförmigen Bildungen
enthalten mehrere Kerne, können also nur Zellencomplexe sein. Ein
weiteres Urtheil über diese Gebilde wage ich nicht auszusprechen.
Man ist oft versucht, sie für Kunstproducte durch Schrägschnitte der
Acinuswand zu halten; dem widerspricht aber die Thatsache des Vor¬
kommens echter Zellencomplexe von halbmondförmiger Gestalt in den
Isolationspräparaten.
Nebenbei bemerke ich hier noch, dass in der Schleimhaut des
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440
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Pferdegaumens sich Bildungen befinden, die ganz und gar Geschmacks¬
bechern entsprechen und wohl auch als solche zu betrachten sind.
Auffallend ist nur ihre bedeutende Grösse, sonst sind sie so gebaut,
wie dies von den Geschmacksknospen bekannt ist.
Ueber die Resultate der Tinctionen noch einige Worte. Die Färbungen der
besprochenen Osmiumpräparate mit Hämatoxylin und Carmin sind sehr zu em¬
pfehlen, weil sie die Zellkerne klar zum Vorschein bringen. Dickere Stellen der
Schnitte werden allerdings so dunkel, dass an ihnen nichts mehr zu erkennen ist.
Das beste Färbemittel für die in Alkohol oder Müller’scher Flüssigkeit ge¬
härteten Präparate ist das Picrocarmin. Die Kerne werden sehr deutlich, die
Zollgrenzen mit Ausnahme der Parotis meist ebenfalls deutlich sichtbar. Die
Ausführungsgänge treten scharf hervor, weil sie einen gelblicheren Ton als das
ganze übrige Gewebe zeigen. Das Bindegewebe ist schön rosaroth tingirt. Nächst
dem Picrocarmin steht das Hämatoxylin und Carmin; auch Bismarckbraun liefert
schöne Bilder, namentlich in Bezug auf die Kernfärbung. Indigcarmin färbt die
ganzen Zellen gleichmässig, nur die Ausführungsgänge, Blutgefässe und Stroma
heben sich scharf ab. Aehnlich verhält sich Dahlia. Gentianaviolett liefert sehr
schöne Bilder; die Ausführungsgänge heben sich scharf ab, ihre Zellen erschei¬
nen schwach röthlich tingirt, mit blauem Kern, während alles Uebrige bläulich
erscheint; die Drüsenkerne sind gut wahrzunehmen. Das Unangenehme bei
dieser Farbe ist aber, dass beim Auswaschen der Schnitte oft totales Entfärben
eintritt. Empfehlenswerth ist auch eine Doppelfärbung mit Picrocarmin und
Hämatoxylin, bei der die röthlicher erscheinenden Ausführungsgänge scharf her¬
vortreten. Eosin leistete nichts Besonderes. Durch Goldchlorid erhielt ich nur
mangelhafte Bilder.
Bei den guten Tinctionen können die geschilderten Unterschiede der ver¬
schiedenen Drüsen unter einander erkannt werden. Dem Nichtgeübten macht
dies aber immerhin nicht unbedeutende Schwierigkeiten. Zum Demonstriren
dieser Verhältnisse eignen sich nur die wie geschildert angefertigten Osmium¬
präparate.
Um den Unterschied zwischen ruhenden und thätigen Drüsen
festzustellen, untersuchte ich Drüsen von Pferden, die einige Zeit
gehungert, und von solchen, die unmittelbar vorher gefressen hatten.
Die Untersuchung mit Osmiurasäure fand aber nicht statt, weil mir
damals die Vortheile dieser Methode nicht bekannt waren und weil
mir später keine Versuchspferde zur Verfügung standen. An den
gehärteten und tingirten Präparaten konnten kaum Unterschiede fest¬
gestellt werden. Dass bei der naturgemässen Thätigkeit der Drüsen
die Unterschiede, wie sie Heidenhain schildert, nur undeutlich sind,
ist bereits von Bermann u. Klein beobachtet worden. Man findet
Unterschiede zwischen ausgeruhten und ermüdeten Drüsen; sie sind
aber nicht prägnant und lassen sich nicht scharf charakterisiren.
Künstliche Beizungen haben wir nicht vorgenommen wegen des hohen
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
441
Preises der Versuchsthiere und der Schwierigkeit der vorzunehmenden
Operationen. Wir hoffen jedoch, diesen Gegenstand später speciell
bearbeiten zu können.
Obwohl wir eigentlich nur die Drüsenzellen behufs Classification
der Drüsen schildern wollten, müssen wir doch noch Einiges
über den Bau des Ductus Stenonianus und Whartonianus anfügen,
weil hier die Verhältnisse anders liegen, als es in den Lehr¬
büchern angegeben wird. Herr Assistent Mühlbach hatte die Güte,
diese beiden Organe zu untersuchen und folgen wir seinen Angaben.
Voraussenden wollen wir, dass man in den an Drüsenschnitten
sichtbaren kleinen Ausführungsgängen ein einschichtiges, hohes Cylin-
derepithel findet, welches grosse runde Kerne enthält, die nicht peri¬
pher, sondern mehr gegen das Lumen hin liegen. Der Zellleib zeigt
aussen ein streifiges Aussehen. In den etwas weiteren, grösseren
Gängen bemerkt man unter diesen eigentümlichen Stäbchenzellen
vereinzelte rundliche Zellen, in noch grösseren Gängen bilden diese
eine zusammenhängende Lage. Man sieht dann unter dem Cylinder-
epithel eine geradlinig geordnete Reihe von bei den Tinctionen scharf
hervortretenden Kernen, die dicht neben einander liegen, also nur
kleinen Zellen angehören können. Die Verschiedenheit des Epithels
der Gänge von dem der Acini geht (abgesehen von der Gestalt)
schon aus ihrem Verhalten gegen die Tinctionsmittel hervor. Das
Epithel der Gänge erscheint bei Picrocarminfarbung gelb, wie dies
überhaupt bei vielen Drüsenzellen und namentlich bei Epidermiszellen,
den oberflächlichen Zellen des geschichteten Plattenepithels etc. der
Fall ist, im gelben Zellleib liegt der rothgefärbte Kern; dem gegen¬
über sind die Drüsenzellen farblos oder schwach röthlich, ihr Kern
ist ebenfalls roth. In Gentianaviolett erscheinen die Gangzellen röth¬
lich, d. h. im röthlichen Zellleib liegt ein blauer Kern, die Drüsen¬
zellen dagegen bläulich u. s. w.
Ueber die grossen Ausführungsgänge giebt Herr Mühlbach fol¬
genden Aufschluss:
Die Ausführungsgängp der Glandula parotis und submaxillaris sind röhren¬
förmige Bildungen, die innen mit einem mehrschichtigen Epithel ausgekleidet sind.
ln den nach bekannten Methoden angefertigten Isolationspräparaten trifft
man zunächst viele langgestreckte Cylinderzellen von mehr oder weniger kegel¬
förmiger, theilweise auch rein cylindrischer Gestalt, das eine Ende breiter, das
andere verjüngt, mit deutlichem Kern und schwacher Granulation.
Diese Zellen besitzen oft an dem einen Ende einen oder zwei stäbchen-
oder fadenförmige Fortsätze, am anderen, dem breiteren Ende befindet sich in
29
Archiv f. wissensch. und prakt. Thierheilk. VII. 6.
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442 ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
der Regel ein deutlich sichtbarer Saum, an dem aber eine weitere Stmctur nicht
erkennbar ist.
Von diesen Zellen sind die einen sehr lang gestreckt und schmal, nach
unten spitz zulaufend, die anderen breiter, das untere Ende ist abgestutzt, tragt
aber oft auch einen oder zwei dünne Fortsätze (Zellform a und b); die Cylinder-
zellen sind oft mit der Zellform c zu Gruppen zusammengelagert, indem sie mit
dem breiteren Ende (der Basis) fest und dicht an einander liegen, während in
den Zwischenräumen zwischen den veijüngten Enden rundliche, spindelför¬
mige etc. Zellen sitzen. Die dritte in der obersten Lage anzutreffende Zellform
sieht man seltener. Es sind Zellen mit bauchig erweitertem Leibe, worin der
grosse Kern liegt, deren eines, oberes Ende in einen stäbchenartigen, das an¬
dere, untere, in einen fadenartigen Fortsatz ausgeht (Zellform c). Von derartigen
Zellen schiebt sich hier und da eine zwischen je zwei Cylinderzellen so ein, dass
das bauchige Ende den Zwischenraum zwischen den verjüngten Enden dieser
ausfüllt, während der Stab zwischen den breiten Enden liegt und gegen das Lu¬
men sieht.
Eine weitere Zellform nähert sich dem Plattenepithel, es sind grosse runde
oder vieleckige, auch gebogene, z. B. halbmondförmige Zellen u. dgl., mit einem
oder zwei spitzen Fortsätzen, deutlichem Kern und schwacher Granulation des
Zellleibes. Sie enthalten auch manchmal zwei Kerne.
Ausserdem finden sich häufig Becherzellen, welche, an ihrer Basis geöffnet,
als leere Düten oder mit einer hyalinen Masse gefüllt erscheinen, die aus dem
breiten Ende heraushängt.
Diese letzteren Zellformen, d. h. die Becherzellen, sind im Wharton’schen
Gange sehr häufig.
Endlich finden sich handförmige, an einem Ende verjüngte Zellen vor, die
an ihrer Basis eine Menge kürzerer oder längerer Fortsätze tragen, sodass sie
gefingert oder wenigstens grob gesägt erscheinen.
Die Zellformen sind in beiden Gängen ziemlich dieselben; nur zeigt das
isolirte Epithel des Wharton’schen Ganges mehr schleimige, das des Stenson’schen
Ganges eine mehr flockige Beschaffenheit; ferner sind die Zellen imWharton’schen
Gange kleiner und stärker granulirt und erscheinen die Cylinderzellen niedriger
als im Stenson’schen Gange.
Betrachtet man nun Quer- und Längsschnitte durch die beiden Gänge, so
findet man Folgendes: Innen sitzt ein mehrschichtiges Epithel, dessen innerste
Schicht aus den hohen Zellen besteht, die als Zellform a, b, c beschrieben sind.
Sie liegen mit dem breiten, mit einem Saum versehenen Ende so fest an ein¬
ander, dass man beim ersten Hinsehen glaubt, auf den Zellen liege eine homo¬
gene, feine Membran — es ist dies nichts weiteres als der fest an einander lie¬
gende Saum der einzelnen Zellen.
In sehr vielen Präparaten vom Wharton’schen Gange findet man eine mem¬
branartige Masse innen auf den Zellen aufliegen, die einen merkwürdigen Eindruck
macht. Es ist dies das durch Alkohol niedergeschlagene Mucin, Eiweiss etc. des
Drüsensecretes, welches sich beim Härten noch in den Gängen befand.
An die cylindrische Innenschicht schliessen sich mehrere Zellschichten an,
die aus den verschiedensten Zellformen bestehen, die sich aber in der tiefsten
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
443
Schicht stets der runden Form nähert. Die oberen Zellen sitzen in den Zwischen¬
räumen, welche die Cylinderzellen der Innenlage durch Verjüngung ihres äusseren
Theils zwischen sich lassen.
An einzelnen Stellen bietet das Epithel einen anderen Anblick als beschrie¬
ben. Dort ist dasselbe dicker, mehrschichtiger, bildet Buchten in die Wand hin¬
ein und überragt auch gegen das Lumen das beschriebene Epithel. Hier sind
die Innenzellen nicht cylindrisch, sondern mehr rund und stellen mehr Platten¬
epithel dar. Die Zellen der anderen Schichten zeigen in diesen Haufen sehr
verschiedene Gestalten.
An die Epithellage schliesst sich nach aussen die eigentliche Wand des
Ganges. Dicht am Epithel liegt fibrilläres, sehr dicht gelagertes, fest verwebtes
Bindegewebe. Ob unter dem Epithel eine Basalmembran ist, konnte nicht er¬
kannt werden. Mehr nach aussen wird dann das Bindegewebe lockerer. Im
Allgemeinen sind aber seine Fasern in der Richtung der Gänge geordnet. Am
Wharton’schen Gange liegen sie in parallelfaserigen, sehnigen Bündeln, die von
lockerem Bindegewebe umgeben und verbunden sind.
Am Stenson’schen Gang ist das Bindegewebe mehr gleichmässig sehnig
geordnet. Mit dem Bindegewebe vermischen sich elastische Fasern, die massen¬
haft vorhanden sind, und glatte Musculatur; letztere ist am Wharton’schen Gang
weit reichlicher zu finden als am Stenson’schen, kommt aber an beiden Gängen
vor. Am Wharton’schen finden sich förmliche Bündel glatter Musculatur.
Die äusserste Schicht der Gänge besteht aus lockerem Bindegewebe, wel¬
ches die Gänge an das umgebende Gewebe befestigt und das Stratum conjuncti-
vum darstellt.
Der Verlauf der Blutgefässe der Gänge bietet nichts Besonderes. Die Gänge
sind reich an Gefässen.
Man ersieht hieraus, dass die Angabe, die Gänge trügen ein
einschichtiges Cylinderepithel, unrichtig ist und dass beide Gänge
Musculatur in ihrer Wand besitzen. Die Bedeutung der im Whar¬
ton’schen Gang vielfach vorhandenen Becherzellen erscheint deshalb
zweifelhaft, weil auch im Epithel des Stenson’schen Ganges hier und
da einmal, allerdings sehr selten, eine Zelle angetroffen wurde,
welche den Becherzellen höchst ähnlich war. Bekanntlich enthält
aber der Parotidenspeichel des Pferdes kein Mucin; es können also
die Becherzellen im Stenson’schen Gang nicht als schleimig metamor-
phosirte Zellen angesehen werden. Im Wharton’schen Gang scheinen
aber die Epithelien theilweise zur Schleimbildung verwendet zu wer¬
den; man muss dies schon aus der Thatsache folgern, dass das Epi¬
thel bei der Behandlung mit den Isolationsflüssigkeiten eine schleimige
Beschaffenheit anniramt. Dafür scheint auch das reichliche Vorkom¬
men der Becherzellen zu sprechen.
Wir wenden uns nunmehr zur Betrachtung der Driisenextracte.
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444
ELLENBERGER n. HOFMEISTER,
Extract der Parotis und Submaxillaris.
1. Das Parotisglycerinextract war nicht fadenziehend, während das der
Submaxillaris sehr stark fadenziehend, wie Schleim erschien. Ersteres gab mit
Alkohol einen flockigen, weissgelblichen, zähen Niederschlag, während in letz¬
terem sich bei gleicher Behandlung eine glasig zähe, opalisirende, schleimig
fadenziehende, zusammenhängende Masse abschied, die bei wiederholter Alkohol¬
behandlung bedeutend schrumpfte.
Zur Prüfung des Niederschlags auf Ferment behandelten wir ihn wie folgt:
Er blieb an der Luft liegen bis er trocken geworden und der Alkohol verdunstet
war. Dann wurde er mit Wasser in den Verdauungsofen gebracht, um das Fer¬
ment zu extrahiren; die entstehende trübe Flüssigkeit wurde filtrirt. Es ergab
sich nun, dass das Filtrat beider Drüsen saccharificirendes Vermögen besass.
Brachte man nämlich einen Theil desselben mit Kleister in den Brütofen, so
konnte nach 2—3 Stunden Zucker nachgewiesen werden. Der Versuch, das
Filtrat einzuengen, um im trockenen Rückstände schliesslich das Ptyalin, wenn
auch verunreinigt, zu heben, misslang gänzlich. Der Rückstand besass kern
saccharificirendes Vermögen mehr. Ob das Ptyalin hier durch die Wärme oder
durch auftretende Zersetzungsprocesse gestört wurde, lassen wir dahingestellt
sein; Thatsache ist. dass es zerstört war.
Wir prüften die Extracte nunmehr auf Eiweisskörper und fanden zunächst
die gewöhnlichen, auch bei den Secreten constatirten Eiweissreactionen. Sodann
constatirten wir auch wieder das Vorhandensein des Eiweisskörpers, der sich in
heisser Salpetersäure löste, in kalter dagegen wieder ausschied (Hemialbumose).
Bei Behandlung der Extracte mit Kupfervitriollösung und Kalilauge entstand
eine violettrothe Färbung. Wurde aber das Eiweiss vorher soweit abgeschieden,
dass Ferrocyankali -f- Essigsäure keine Trübung mehr bewirkten, so trat auch
bei Anwendung der vorstehend genannten Methode keine Färbung mehr ein.
Pepton fand sich also im Niederschlag nicht, oder wenigstens nur in minimalen
Mengen. Phosphorwolfram- -f- Salzsäure bewirkte auch in dem eiweissfreien
Filtrat noch eine schwache Trübung bei Parotisextract, starke Fällung bei Sub-
maxillarextract. Die Prüfung auf Rhodan lieferte negative Resultate.
Beide Glycerinextracte wandelten, mit Kleister in den Brütofen gebracht,
bald einen Theil desselben in Zucker um.
2. Zum Studium der Wirkung der auf verschiedene Weise bereiteten
Extracte machten wir von den Drüson eines anderen Pferdes Wasser-, Glycerin-
und Salzsäureextracte. Die letzteren wurden in der Weise bereitet, dass die zer¬
kleinerten Drüsen der Wirkung einer 0,2proc. Salzsäure 24 Stunden ausgesetzt
wurden. Die beiden ersten Extracte zeigten das vorstehend gedachte chemisch¬
physikalische Verhalten. Im Salzsäureextract bildete sich aber ein bedeutender
Niederschlag, welcher, in Alkali gelöst, Peptonreaction zeigte. Wurde das Ei¬
weiss aus dem Niederschlag vollständig abgeschieden, dann verschwand die
Peptonreaction beim Submaxillarextract, blieb aber beim Parotidenextract. Merk¬
würdiger Weise zeigten alle drei Extracte kein saccharificirendes Vermögen. Die
zu den Experimenten verwendete Drüse war also offenbar eine solche, welche
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
445
gearbeitet und ihr Ferment abgegeben hatte, d. h. eine ermüdete Drüse, die fer¬
mentfrei war resp. nur noch Spuren davon enthielt. (Zur Prüfung der Salzsäure¬
wirkung auf Kleister brachten wir O,2proc. Salzsäure mit Kleister in den Brüt¬
ofen und constatirten, dass erst am 10. Tage Zuckerreaction auftritt, dass also
Salzsäure allein in der genannten Verdünnung und bei 35—37 0 C. kein sacjha-
rificirendes Vermögen besitzt.)
Da diese beiden Experimente nur ungenügenden Aufschluss über
das Vorhandensein eines saccharificirenden Ferments in den beiden
Drüsen zu geben vermochten, nahmen wir mit den Extracten dieser
Drüsen behufs Entscheidung dieses Punktes eine Reihe weiterer Ver¬
suche vor, die wir kurz nachstehend folgen lassen.
Zu den Experimenten dienten die Drüsen verschiedener Pferde,
die in der Pferdeschlächterei oder zu anatomischen Zwecken getödtet
wurden und an keiner inneren Krankheit litten.
3. Pferd a. Glycerinextract, durch 24stündiges Extrahiren gewonnen,
kam mit Kleister in den Brütofen. Resultat: Beim Submaxillarextract war nach
5, beim Parotidenextract nach 6 Stunden Zucker nachweisbar. Nach 20 Stun¬
den hatten 20 Grm. des ersteren von 1 Grm. Kleister 0,071, und 20 Grm. des
letzteren 0,087 Grm. in Zucker übergeführt.
4. Pferd b. Dasselbe hatte während der letzten 12 Stunden vor dem
Tode gehungert. Die Drüsen waren also ausgeruht, sie wurden 6 Tage mit
Glycerin extrahirt. Extract mit Kleister in den Brütofen. Resultat: Das Sub¬
maxillarextract lieferte nach 4, das Parotidenextract nach 7 Stunden Erythro¬
dextrin und Zucker. 40 Grm. des ersteren wandelten in 20 Stunden 0,0236,
von letzterem 0,04 Grm. Kleister in Zucker um.
5. Pferd c. Die ausgeruhten Drüsen wurden 36 Stunden mit Wasser ex¬
trahirt. Vom Extract kamen 40 Grm. mit 1 Grm. Kleister in den Brütofen.
Nach 20 Stunden hatte das Submaxillarextract 0,140, das Parotidenextract
0,045 Grm. Zucker producirt.
6. Pferd d. Die zerkleinerten ausgeruhten Drüsen wurden mit viel Alkohol
übergossen, der nach 24 Stunden wieder abgehoben wurde. Die Drüsen wurden
nun getrocknet und dann 6 Tage lang mit Glycerin extrahirt. Das mit Kleister
in den Brütofen gebrachte Extract leistete Folgendes: Nach 20 Stunden hatte
das Submaxillarextract 0,0225, das Parotidenextract 0,035 Grm. Kleister ver¬
zuckert.
7. Pferd e. Dieses Thier hatte unmittelbar vor dem Tode 1 V 2 Stunden
lang gefressen, die Drüsen waren also ermüdet. Von ihnen wurden Wasser-
extracte (36 Stunden) hergestellt, die wir auf Kleister einwirken liessen. Nach
20 Stunden hatten sie noch keine Spur des Kleisters in Zucker übergeführt.
8. Pferd f. Ermüdete Drüsen wurden 7 Tage lang mit Glycerin extrahirt.
Auch sie hatten nach 20 Stunden noch keinen Kleister zu verzuckern vermocht.
Extracte von ruhenden Drüsen wurden mehrfach mit Alkohol behandelt
und der lufttrocken gemachte Niederschlag auf Ferment geprüft. In allen Fällen
fand sich dasselbe vor, d. h. der Niederschlag besass saccharificirendes Vermögen,
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ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
Aus diesen Versuchsergebnissen folgt mit Sicherheit, dass sich
in den beiden Drüsen ein saccharificirendes Ferment befindet, welches
in Wasser und Glycerin löslich ist und deshalb sowohl in das künst¬
lich hergestellte Drüsenextract als in das natürliche Drüsensecret
übergeht. Das Ferment findet sich im Extract allerdings in
viel geringerer Menge als in dem während der ersten Zeit
der Thätigkeit der Drüse secernirten Speichel. Ferner folgt
aus vorstehenden Versuchen, dass die ermüdete Drüse kein
Ferment enthält, ihr Extract wirkte nicht saccharificirend; selbst
bei 7 Tage langem Extrahiren zeigte dasselbe kein saccharificirendes
Vermögen. Diese Thatsache beweist wohl am evidentesten,
dass in den Drüsenzellen zu Beginn ihrer Thätigkeit ein
Ferment sich befindet, welches nur während der Ruhe dort
gebildet und angehäuft worden sein kann und bei der Secre-
tion des Speichels in das Secret übergeht. Der aus dem Blute
durch Attraction der Drüsenzellen transsudirenden Flüssigkeit mischt
sich während des Durchfliessens derselben durch die Drüsenzellen das
Ferment bei. Allmählich wird das ganze angehäufte Ferment verbraucht
und der weiter secernirte Speichel enthält davon nichts mehr. Die diese
Schlussfolgerung nothwendig ergebenden, von uns constatirtenThatsachen
sind: die Extracte der Drüsen von Pferden, die soeben gefressen haben
(eine Stunde und darüber), besitzen kein Ferment, während die von
Pferden, welche gehungert haben, ein solches enthalten. Der Speichel,
der zu Beginn des Fressens secernirt wird, ist fermentreich, der zu
Ende der Mahlzeit abgesonderte besitzt kein Ferment. Also Extract
und Secret verhalten sich in dieser Beziehung gleich.
Wir mussten nun weiter der Frage näher treten, ob das Paro-
tidenextract auch eine fibrinlösende Wirkung besitze, wie wir das vom
Parotidenspeichel kennen lernten.
Zu dem Zweck wurden Verdauungsversuche mit dem Extract auf Hühner-
eiweiss, Serumcasein und Fibrinflocken gemacht. Dem Extract wurde in dem
im I. Artikel angegebenen Verhältnis« 0,lproc. Salzsäure zugesetzt. Zur Con-
trole dienten die gleichen Versuche mit gekochtem Extract.
Auf gekochtes Hühnereiweiss äusserte das Extract keine verdauende Kraft,
nach 24 Stunden war in der Verdauungsflüssigkeit noch kein Pepton nachweisbar.
Von den beiden anderen Eiweisskörpern war dagegen nach dieser Zeit
etwas gelöst und peptonisirt. Die Verdauungsflüssigkeiten zeigten deutliche
Peptonreaction. Bei dem gekochten Extract fehlte diese Erscheinung. Dieses
hatte also kein peptonisirendes Vermögen.
Experimente mit Submaxillarextract ergaben negative Resltate.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
447
Aus diesen Versuchsergebnissen folgt, dass auch in dieser Be¬
ziehung das Extract und Secret einander gleich sind.
Um gewissen Einwänden gegen die letzteren Experimente, welche
das Feststellen des Peptonferments bezweckten, zu begegnen, bemerken
wir ausdrücklich, dass wir sehr wohl an die Thatsache gedacht haben,
dass sich in den Eiweisskörpern durch eintretende Fäulniss sehr leicht
Pepton bildet.
Wir haben daraufhin verschiedene Eiweisskörper und namentlich das Hüh-
nereiweiss vielfach untersucht. So fanden wir in anscheinend frischen Hühner¬
eiern, die noch einen guten frischen Geschmack und Geruch zeigten, schon
Spuren von Pepton. Die Untersuchung geschah in der Weise, dass wir aus einer
frisch bereiteten Lösung des gewöhnlichen Hühnereiweisses das Eiweiss so ab-
schieden, dass Ferrocyankali -j- Essigsäure und rauchende Salpetersäure -|- con-
centrirte Salpetersäure keine Fällung mehr gaben. Dann prüften wir mit alka¬
lischer Kupfervitriollösung. Bei ganz frischen, nachweislich soeben, d. h. an
dem betreffenden Tage gelegten Eiern trat dann die Biuretreaction nicht auf,
wohl aber gab Phosphorwolframsäure -f- Essigsäure eine schwache und -|- Salz¬
säure eine starke Fällung. Es beweist dies, dass absolut frische Eier kein Pepton
enthalten, oder nur verschwindende, nicht nachweisbare Spuren. Sobald die
Eier einige Tage gelegen haben, tritt schon schwache Rothfärbung durch Kupfer
und Kali im eiweissfreien Filtrat auf, d. h. es ist jetzt schon Pepton vorhanden.
Dass es sich bei unseren Experimenten nicht um Fäulnisspepton,
sondern um ein in der Versuchsflüssigkeit durch ein in derselben ent¬
haltenes Ferment entstandenes Pepton handelt, beweist die Thatsache,
dass in den vielen anderen Flüssigkeiten, die den gleichen Bedingungen
ausgesetzt waren und ebenfalls aus Drüsenextracten -|- Fibrin oder
+ Eiweiss bestanden, niemals Pepton nachweisbar war.
Es könnte aber gegen die aus unseren Experimenten gezogene
Schlussfolgerung noch der weitere Einwand erhoben werden, dass das
Pepton ein Product der einfachen Salzsäurewirkung sei. Wäre dies
der Fall, so hätte auch bei den Versuchen mit dem Submaxillar- und
dem Parotidenextract Pepton auftreten müssen, da hier ja die gleiche
Menge Salzsäure zugegen war. Um aber jede Täuschung als ausge¬
schlossen erachten zu können, haben wir zum Ueberfluss auch noch
eine Reihe von Experimenten vorgeuommen, welche bezwecken, die
reine Wirkung der verdünnten Salzsäure auf Fibrin zu demonstriren.
Wir brachten Fibrin mit 0,2proc. Salzsäure in den Brütofen. Nach 24
Stunden war das Fibrin bedeutend aufgequollen, glasig. Das Filtrat desselben
zeigte folgende Eigenschaften:
Es blieb beim Kochen unverändert, ebenso beim Kochen mit Essigsäure, bei
Neutralisation mit Natriumcarbonat entstand ein im Ueberschuss löslicher Nie¬
derschlag, bei Zusatz von Kalkwasser ein Niederschlag, der durch Kochen flockig
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ELLENBERQER u. HOFMEISTER,
wird* ein klares Filtrat giebt, in dem Phosphorwolframsäure mit Essigsäure Trü¬
bung bewirkt. Ebenso verhält sich Magnesia sulfurica, nur dass die letztgedachte
Trübung nicht auftritt.
Kupferlösung -|- Kalilauge bewirkt violettblaue Färbung.
Salpetersäure bewirkt Niederschlag, der beim Kochen flockig wird. Beim
Erkalten trübt sich die klare Flüssigkeit, in der die Flocken schwimmen; beim
Kochen wird sie wieder klar. Die heisse Flüssigkeit wurde filtrirt. Das Filtrat
war klar, trübte sich beim Erkalten und wurde beim Erhitzen wieder klar.
Nach dem Abscheiden des Eiweisses mit Natriumcarbonat und Essigsäure
gab das klare Filtrat keine Peptonreaction mit Kupfer und Kali und
keine Fällung mit Phosphorwolframsäure. Demnach war nach 24 Stun¬
den noch kein Pepton gebildet, wohl aber Syntonin und Parapepton.
Nach 48 ständigem Digeriren zeigte das Filtrat dieselben Eigenschaften.
Nach Abscheidung des Syntonins und gelösten Eiweisses trat ebenso wenig Rö-
thung durch Kupfer auf; wohl aber bewirkten Phosphorwolframsäure-{-Salzsäure,
nicht aber -f- Essigsäure eine Fällung. Diese war nach 72 Stunden viel stärker.
Nach 96 Stunden war fast die gesammte Menge des Fibrin gelöst. Die
Reactionen des Filtrats im Allgemeinen dieselben wie angegeben. Jetzt trat aber
auch nach Abscheidung des Eiweisses nach genannter Methode im Filtrat eine
Spur Rothfärbung durch Kupfer auf. Es war also jetzt auch etwas Pepton vor¬
handen.
Wir digerirten ausserdem noch Fibrin mit O,lproc. Salzsäure. Nach 30
Stunden war zwar Syntonin vorhanden, aber noch keine Spur Pepton.
Diese Experimente beweisen evident, dass in den oben
genannten Versuchen mit den Drüsenextracten nicht die
Salzsäure, sondern das in den Extracten enthaltene Fer¬
ment die Peptonbildung veranlasst hat. Das in dem Salz-
säureextract der Drüse vorhandene Pepton ist Product der Selbstvcr-
dauung der Drüse. Durch den Salzsäurezusatz wurde das in der
Drüse vorhandene Pepsin wirksam und äusserte seine Wirksamkeit
durch Peptonisirung der eigenen Eiweisskörper.
Aus den sämmtlichen mit den Extracten der beiden Speichel¬
drüsen angestellten Experimenten geht hervor, dass man aus den
Eigenschaften des Extracts einer Drüse auf die ihres Secrets schliessen
kann. Die Extracte enthalten ein saccharificirendes Ferment, die
Secrete auch; das Parotidenextract wirkt peptonisirend auf Fibrin,
das Secret auch; dem Submaxillarextract sowohl als dem Secret geht
diese Wirkung ab; das zähe, glasige Submaxillarextract entspricht
dem ebenso beschaffenen Speichel, wie das mucinfreie, nicht faden¬
ziehende Parotisextract dem Secret dieser Drüse; der Alkoholnieder¬
schlag der Extracte beider Drüsen ist genau gleich dem der Se¬
crete u. s. w.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
449
Alle diese Thatsachen rechtfertigen es, wenn wir von den Drüsen,
deren Secret wir nicht rein erhalten können, Extracte anfertigen,
deren Eigenschaften feststellen und aus diesen auf die der Secrete
dieser Drüsen schliessen.
Wir machten demzufolge Glycerinextracte der Unterzungen-, Gau¬
men-, Backen- und Lippendrüsen und stellten an ihnen Folgendes fest.
a. Chemische und physikalische Eigenschaften der Extracte.
I. Sublingualextract, II. Buccalextr. Palatinalextr. Labialextract,
zähe, fadeDziehend, sehr wenig, fast stark fadenzie- schwach faden-
schleimig. nicht fadenzfehd. hend. ziehend.
Alkohol: zäher, glasiger, flockig., leicht ab- wie II. wie II.
gallertiger Niederschlag. sötzdr.Niederschl.
Essigsäure: schleimiger, flockiger,imUeber- flockig, imUeber- kaum Trübung,
im Ueberschuss und beim schuss löslicher schuss schwer
Kochen unlösl.Niederschlg. Niederschlag. löslich.
Phosphor-S.: Niederschi, wie bei Essigsäure, zähe, gallertig, im ebenso. do.
zähe, gallertig, im Ueber- Ueberschuss opa*
schuss und durch Kochen lisirende Lösung,
löslich.
Salz-S.: Niederschlag zähe, schwache Trübg., starke Fällung in wie III.
schleimig, durch Kochen nurbeiZusatzvon der Kälte, bleibt
flockig. viel HCl starke, grösstentheils
flockige Fällung, beim Kochen,
die beim Kochen
bleibt.
Salpeter-S.: Niederschlag flockige Fällung, ebenso; nur ist starke Fällung,
glasig, gallertig, b. Kochen die durch Kochen der in heisser Xanthoprotein-
flockig, gelb, mit Ammoniak gelb, durch Am- Salpetersäure reaction, wie bei
orange; das heisse, klare moniak orange lösliche und in I und III, Hemi-
Filtrat trübt sich in der wird. der Kälte sich albumose vor-
Kälte und wird wieder klar abscheidende Ei- handen.
in der Hitze. weisskörper hier
vorhanden.
Phosphorwolfram* S.+Essig- — — —
säure: starke Fällung.
Salzs. Eisen: Gelbfärbung, wie I. wie I. wie I.
Ferrocyankali + Essigsäure: ebenso. ebenso. ebenso,
starke Fällung.
Nach Abscheidung des Ei- ebenso, die Trü- ebenso, Fällung wie III.
weisses, sodass Ferrocyan- bung stark. stark,
kali -f Essig-S. keine Trübg.
mehr gab, zeigte d. Filtrat
noch Trübung bei Zusatz
von Phosphorwolfram-S. +
Salzsäure, während Kali-f-
Kupfer keine Färbung des
Filtrats veranlassten.
Kali+Kupfer auf frisches Ex- wie I. wie I. wie I.
tract direct = violettroth.
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ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
b. Physiologische Wirkungen der Extracte.
Um 10 Uhr des Morgens früh gelangten die Extracte mit Stärkekleister zur
qualitativen Bestimmung in den Verdauungsofen. Die Resultate waren folgende:
Zeit.
Sublingualdruse.
Buccaldrüse.
Palatinaldrüse.
Labialdrüse.
12 Uhr.
ungelöste Stärke.
ebenso.
ebenso.
ebenso.
4 Uhr Nm.
Erythrodextrin.
etwas gelöste
Stärke.
ebenso.
Erythrodextrin,
Spuren Zucker.
8 U. M. am
nächst. Tg.
Zucker u. Erythro¬
dextrin.
ebenso.
schwächer.
Erythro.- u. starke
Zuckerreaction.
Die Gegenwart eines zuckerbildejiden Ferments in sämmtlichen Drüsen
scheint sich aus dem Vorstehenden zu ergeben. Zum weiteren Beweise aber
wurde noch eine Reihe von Experimenten angestellt.
Zu einem 2. Versuch nahmen wir absichtlich Drüsen, welche schon einige
Tage gelegen hatten. Die Extracte erwiesen sich als unwirksam auf Kleister
und rohe Stärke; wenigstens reducirten die betreffenden Flüssigkeiten nach 20
Stunden noch keine Spur Kupfer. Da Fäulniss eingetreten war, musste der Ver¬
such unterbrochen werden.
Auch in einem 3. Versuch, zu dem frische Drüsen verwendet wurden, trat
erst nach 40 Stunden die Zuckerreaction ein.
In einem 4. Versuch, in dem um 9V 2 Uhr der Kleister mit den Extracten
in den Brütofen kam, wurde Folgendes beobachtet:
Zeit.
Sublingualextract.
Buccalextract.
Palatinalextract.
10* Uhr.
2 .
4 .
54 .
gelöste Stärke schwach,
do. stark.
Spur von Erythrodextrin
Erythrodextrin stark und
Zucker stark.
ebenso.
ebenso.
Amylogen stark.
Erythrodextrin schwach.
Zuckerreaction schwach
ungelöste Stärke.
Spuren von Amylogen.
Amylogen.
Amylogen stark, Andeu¬
tung d. Zuckerreaction.
In einem 5. Versuch trat ebenfalls die Zuckerreaction nach 8 Stunden in
allen Extracten auf.
Eine quantitative Bestimmung des in bestimmter Zeit durch die Extracte in
Zucker umgewandelten Kleisters ergab, dass 40 Ccm. Extract in 20 Stunden
umwandeln: von der Sublingualdrüse 0,0225, der Buccaldrüse 0,0253, der
Palatinaldrüse 0,0285, vom Extract der Lippendrüse incl. Schleimhaut 0,165
Grm. Zucker.
Weitere quantitative Bestimmungen, zu denen stets 1 Grm. Kleister mit
40 Grm. Extract -(- 20 Grm. Wasser 20 Stunden in den Brütofen gelangten,
ergaben Folgendes:
1. Labialextract (48stündiges Extrahiren) 0.028 Grm. Kleister in Zucker.
2. Drüsen eines Pferdes, das 12 Stunden vor dem Tode gehungert (aus¬
geruhte Drüsen). Glycerinextract. 6tägiges Extrahiren. Resultat: a) Labial¬
extract 0,045, b) Palatinalextract 0,160, c) Buccalextract 0,0225, d) Sublin-
gualextract 0,0225 Grm. Zucker.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
451
3. Ausgeruhte Drüsen, mit Alcohol behandelt, getrocknet, mit Glycerin
6 Tage* extrahirt. a) Labialextract 0,026, b) Palatinalextract 0,064, c) Buccal¬
extract 0,056, 6) Sublingualextract 0,050 Grm. Zucker.
4. Ausgeruhte Drüsen. Wasserextract. 36 Stunden extrahirt. a) Labial¬
extract 0,035, b) Palatinalextract 0,056, c) Buccalextract 0,064, d) Sublingual¬
extract 0,0283 Grm. Zucker.
5. Ermüdete Drüse. Wasserextract. 36 Stunden extrahirt. a) Labial¬
extract 0 Zucker, b) Palatinalextract 0 Zucker, c) Buccalextract Zuckerreduction,
aber unter 0,02, d) Sublingualextract 0 Zucker.
6. Ermüdete Drüse. Glycerinextract. 7 Tage extrahirt. a) Labialextract
Reduction, aber schwach, noch nicht 0,02, b) Palatinalextract kaum nachweis¬
bare Reduction, c) Buccalextract Reduction, aber schwach, noch nicht 0,02,
d) Sublingualextract 0 Zucker.
Bei den qualitativen Untersuchungen der nicht ermüdeten Drüsen war nach
oa. 2 Stunden Amylogen, nach 4 Stunden Erothrodextrin und Zucker nachweisbar.
Ein Extract aus dem Gemisch mehrerer Speicheldrüsen wandelte in 20 Stun¬
den 0,055 Grm. Kleister in Zucker um.
Die zahlreich angestellten, hier aufgeführten Experimente erweisen
wohl mit Bestimmtheit, dass die sämmtlichen untersuchten Drüsen
ein zuckerbildendes Ferment enthalten. Aus dem, was wir bei den
Extracten und Secreten der Parotis und Submaxillaris besprochen
haben, müssen wir auch folgern, dass die zuletzt besprochenen vier
Drüsenpaare dieses Ferment auch bei der Secretion an das Secret
abgeben, dass also das Secret aller dieser Drüsen ein zuckerbildendes
Ferment enthält.
Etwaige Einwürfe gegen die Richtigkeit vorgenannter Resultate, basirend
auf der leichten Zersetzlichkeit der Fehling’schen Lösung, auf die reduci-
rende Wirkung des Glycerins auf diese beim Kochen, auf die fermentirende
Wirkung des Glycerins auf Kleister bei längerer Digestion damit im Brütofen
und dadurch veranlasste Täuschungen, glauben wir mit gutem Grund durch den
eingeschlagenen Weg der Untersuchung und nach den dabei gemachten Beobach¬
tungen zurück weisen zu können.
Die Fehling’sehe Lösung wurde stets frisch bereitet. Unmittelbar vor
der analytischen Bestimmung mischte man die Kupferlösung mit der soeben fil-
trirten (pilzfreien) Seignettesalzlösung und 5proc. Kalilauge. Es ist allseitig
bekannt, dass die Fehling’sche Lösung ein längeres Aufbewahren ohne Zersetzung
nicht verträgt; es scheidet sich aus derselben namentlich beim Kochen Kupfer¬
oxydul ab. Die frisch bereitete Lösung thut dies niemals, und liegt ja gerade
in der Anwendung der Fehling’schen Lösung zur Prüfung auf zuckerhaltige Flüs¬
sigkeiten eine grosse Sicherheit des Nachweises desselben darin, dass sie vor
Zusatz der zu prüfenden Flüssigkeit gekocht wird; ob die Fehling’sche Lösung
brauchbar oder nicht, und, ein bei vielen Zuckerbestimmungen nicht zu vernach¬
lässigender Umstand, ob das zur Reaction benutzte Gefäss rein sei, giebt sich
dabei sofort zu erkennen.
Anlangend das Glycerin, so reducirt altes Glycerin, das lange gestanden
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452
ELLENBERGER n. HOFMEISTER,
hat, allerdings Fehling’sche Lösung; ebenso das sogenannte englische Glycerin,
feinste Handelswaare, und zwar sofort. Frisches Glycerin, das officinelle (specif.
Gewicht 1,23), welches wir benutzten, verhält sich anders. Kocht man dieses
mit schwefelsaurem Kupfer und überschüssigem Kali, so tritt auch bei längerem
Kochen keine Reduction ein. Die Uhr in der Hand, geben 40 Grm. dieses Gly¬
cerins mit 5 Grm. Fehling’scher Lösung nach */ 4 ständigem Kochen keine Re¬
duction, dann schwache Reduction, nach einer Stunde stärkere Reduction; aber
immer noch ist viel nicht reducirtes Kupferoxyd zugegen. Die Analyse, quali¬
tativ oder quantitativ ausgeführt, erfordert aber niemals mehr als höchstens 10
Minuten Zeit; es konnte somit die Glycerinwirkung auf Kupferoxyd an sich keine
Täuschung und Trübung der Resultate bewirken.
Die fermentirende Wirkung des Glycerins ist von v. Wittich
angegeben 1 ), er sagt: „Das Glycerin verhält sich nicht inactiv auf gekoch¬
tes Amylum; denn nach ein- und mehrstündiger Einwirkung zeigt die alka¬
lisch gemachte Flüssigkeit, wenn auch schwach, doch unzweifelhaft reducirende
Eigenschaft. “
Hieraufhin wurde von uns qualitativ und quantitativ geprüft:
Glycerin -f- Kleister -f- Wasser (Wasser ist hier wie bei allen früheren Un¬
tersuchungen dabei, weil nur bei Gegenwart von hinreichenden Mengen Wasser
Zuckerbildung vor sich gehen kann) wurde im Brütofen digerirt: Nach 16 Stun¬
den kein Amylogen, Erythrodextrin etc., nur ungelöste Stärke. Mit Fehling’scher
Lösung gekocht, unmittelbar keine Reduction, erst nach längerem Stehen im
Reagensglase schwache Reduction. Nach 48 Stunden dasselbe Resultat. Nach
72 Stunden wenig Amylogen, kein Erythrodextrin, schwache Reduction beim
längeren Kochen.
Quantitativ waren angesetzt:
1 Grm. Kleister -f- 25 Grm. Glycerin 25 Grm. Wasser.
1 - - +50 . . -j-50 -
1 - - + 75 - + 75 -
Nach 72 Stunden in sämmtlichen drei Proben schwache Amylogenbildung be¬
merkbar, kein Erythrodextrin.
Eine Reduction der Fehling’schen Lösung erfolgte bei Ausführung der Ana¬
lyse nach 10 und 15 Minuten nicht, erst beim länger andauernden Kochen trat
schwache, nicht messbare Reduction ein.
Somit wäre denn auch diese schwach .fermentirende Eigenschaft des Gly¬
cerins als einflusslos auf unsere gegebenen Resultate zu erachten.
Eine Einwirkung der Extracte auf Fibrin konnte nicht constatirt
werden. Die Versuche wurden in derselben Weise angestellt, wie beim
Parotidenextract. Es gab 0,lproc. Salzsäure mit dem Extract allein,
und 0,lproc. Salzsäure + Fibrin dieselben Resultate, wie Extract +
0,lproc. Salzsäure + Fibrin. Nach Abscheidung des Eiweisses aus
den resp. Flüssigkeiten bewirkten Kupfer und Kali keine Röthung,
wohl aber Phosphorwolfram- -f- Salzsäure eine Fällung. Es hatte
! ) Pflüger’s Archiv, Bd. II, S. 193.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes. 453
also keine Peptonbildung stattgefunden. Die Digestionsflüssigkeit
verhielt sich ebenso wie die Extracte an und für sich.
Aus den Versuchen über die Extracte folgt physiologisch, dass
die kleinen Mauldrüsen mindestens ebensoviel Ferment in ihren Zellen
bilden resp. anhäufen, wie die Parotis und Submaxillaris, und dass
diese kleinen Drüsen das Ferment ebenfalls an das Secret abgeben.
Denn die Drüsen der Pferde, welche gefressen hatten, enthielten gar
kein oder nur Spuren von Ferment, während die von Pferden, welche
gehungert hatten, verhältnissmässig fermentreich waren. Das Ferment
ist also während des Fressens aus den Drüsenzellen verschwunden,
d. h. es ist in das Secret übergegangen, es hat sich der durch die
Drüsenzellen strömenden, transsudirten Blutflüssigkeit beigemischt.
Es können demnach die Drüsen in Bezug auf ihren Fermentgehalt
nicht mit anderen Theilen des Pferdekörpers verglichen werden. Hier
in den Drüsen wird das Ferment zum Zweck seiner Abgabe an
das Secret aufgehäuft, resp. bereitet. Ueber die Verbreitung
des Zucker bildenden Ferments im Pferdekörper überhaupt haben wir
ebenfalls eine Reihe von Experimenten angestellt und die Resultate
derselben in einem besonderen Artikel mitgetheilt.
Resumö der Resultate uuserer Versuche über die Maul¬
verdauung der Pferde und die Eigenschaften des Speichels
derselben.
1. Die Parotis des Pferdes ist eine reine Eiweissdrüse im Heiden-
hain’schen Sinne. Die Sublingualis ist eine echte Schleimdrüse (ent¬
hält aber trotzdem ein diastatisches Ferment). Die Submaxillaris ist
eine gemischte Drüse. Die Gaumen-, Backen- und Lippendrüsen stellen
Uebergänge zwischen Eiweiss- und Schleimdrüsen dar. Die Backen¬
drüsen nähern sich mehr den ersteren, die Lippendrüsen mehr den
letzteren.
2. Mit Ausnahme des Parotidenspeichels, der mucinfrei ist, ent¬
halten die Secrete aller anderen Munddrüsen Mucin. Am reichsten
daran ist die Sublingualis, am wenigsten Mucin enthalten die Backen¬
drüsen, die sich überhaupt der Parotis in ihren Eigenschaften am
meisten nähern.
3. Die sämmtlichen Speichelarten des Pferdes und der gemischte
Speichel enthalten kein Rhodankalium.
4. Sie reagiren alkalisch, sind sehr wasserreich und enthalten
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454
ELLENBERGER u. HOFMEISTER,
geringe Mengen fester Stoffe, worunter die anorganischen Salze
ganz entsprechend dem specifischen Gewicht der Speichelarten im
Submaxillarspeichel die geringste Menge ausmachen, der Parotiden-
speichel enthält die doppelte Menge als dieser und der gemischte
Speichel die Summe beider zusamracngenommen davon. Diese Salze
sind bezüglich ihrer Löslichkeit in Wasser bei sämmtlichen Speichel¬
arten verschieden; die grösste Menge in Wasser löslicher Salze ent¬
hält der gemischte Speichel und der Parotidenspeichel wieder mehr
als der Submaxillarspeichel. Unter den Salzen spielt das Kochsalz
(CINa) eine grosse Rolle, am reichhaltigsten ist der gemischte Speichel.
In gerade absteigenden Verhältnissen ist der kohlensaure Kalk ver¬
treten, nämlich wie 3:2:1 im Parotiden-, Submaxillar- und ge¬
mischten Speichel. Nach Abzug der Kohlensäure ist es der Paro¬
tidenspeichel, welcher den meisten Kalk enthält.
5. Der Speichel reagirt alkalisch und enthält verschiedene Arten
von Eiweisskörpern, u. A. auch die Hemialbumose.
6. Der gemischte Speichel ist reich an saccharificirendem Fer¬
ment, er verzuckert Kleister schon nach l / 4 Minute, rohe Kartoffel¬
stärke (in den Kartoffeln) nach V / 2 —2 Minuten.
7. In der Maulhöhle können während des Kauens nur Spuren
der Stärke der Nahrungsmittel verzuckert werden. Die diastatische
Wirkung des Speichels tritt also erst im Magen ein.
8. Schwache Säuerung (0,02 proc. Salzsäure z. B.) des Speichels
und Mischen desselben mit geringen Mengen künstlichen sauren Ma¬
gensaftes (5 Grm. : 20 Grm. Speichel) hindert seine diastatische Wir¬
kung nicht. Stärkere Säureconcentration hemmt diese Wirkung zwar,
zerstört aber das Ferment nicht.
9. Beim Kauen secemiren die Pferde zum Einspeicheln des
Hafers und Häcksels die doppelte Gewichtsmenge Speichel, des Heues
die vierfache Gewichtsmenge, und bei Grünfutter etwas über die
Hälfte des Gewichts des Futters.
10. Jede Speichelart des Pferdes enthält diastatisches Ferment,
wenn auch in geringerer Menge als der gemischte Speichel.
11. Die ausgeruhte Drüse ist reich, die ermüdete arm oder ganz
frei von Ferment. Der zu Beginn des Fressens gelieferte Speichel
verzuckert stark, der spätere schwach oder gar nicht.
12. Ein peptonisirendes Ferment enthält nur die Parotis, aber
auch diese nur in Spuren.
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Verdauungssäfte und Verdauung des Pferdes.
455
13. Durch die Vermischung mehrerer Driisenextracte oder -Secrete
tritt keine wesentliche Steigerung der Fermentwirkung ein, höchstens
eine einfache Summation.
14. Auf die Cellulose hat der Pferdespeichel gar keine und auf
die Fette keine spaltende Wirkung; wohl aber kann er letztere emul-
giren, namentlich vermag dies der Parotidenspeichel.
15. Im Pferdeblute und in den meisten Organen und Flüssig¬
keiten des Pferdekörpers findet sich ebenfalls diastatisches Ferment,
aber in viel geringerer Menge als in dem Speichel.
Im Sommer 1881 hatten wir nochmals Gelegenheit, an drei auf einander
folgenden Tagen durch Anlegen einer Fistel Parotidenspeichel von einem Pferde
zu gewinnen. Der am 3. Tage früh 7 Uhr gesammelte Speichel war bedeutend
reicher an Eiweiss und zeigte eine stärkere fermentative Wirkung auf Stärke¬
kleister, als der am 1. und 2. Tage um die Mittagszeit aufgefangene. An der
Luft wurden alle Speichelproben milchig trübe, der Frühspeichel bekam nach
längerem Stehen eine grünlich schillernde Färbung.
Wurde C0 2 in klaren, wasserhellen Speiohel geleitet, so trat die Trübung
des letzteren nicht ein, auch wenn der C0 2 -reiche Speichel in einem gut ver¬
schlossenen Gefass 1,4 Stunden stehen blieb; dagegen machte sich nach Zusatz
von Kalkwasser zu klarem, wasserhellem Speichel sofort eine milchige Trübung
bemerklich. Die von uns zuerst angegebene Ansicht Lehmann’s, dass der Pa¬
rotidenspeichel Kalkhydrat enthalte und sich durch Aufnahme von C0 2 aus der
Luft trübe, kann mithin nicht richtig sein.
Bei längerem Hineinleiten von C0 2 in bereits schwach getrübten Speichel
verschwand die Trübung zwar nicht gänzlich, der Speichel wurde jedoch bedeu¬
tend klarer. Wurde heller, klarer Speichel unmittelbar nach dem Auffangen in
einem Kölbchen, dem Barytwasser vorgelegt war, erhitzt, so trübte sich das
Barytwasser sehr bald; ebenso auch Speichel, welcher durch Kochen C0 2 ver¬
loren hatte. Der Parotidenspeichel muss mithin überschüssige C0 2 frei oder in
sauren doppeltkohlensauren Salzen enthalten.
Um die Wirkung der Milchsäure auf das diastatische Vermögen
des Speichels zu prüfen, machten wir folgende Versuche:
20 Grm. Speichel verzuckerten in 40 Stunden 0,225 Grm. Stärkekleister,
ebenso auch 20 Grm. Speichel -f- 20 Grm. einer 0,2proc. Milchsäure. Die letz¬
tere hemmte mithin in dieser Verdünnung nicht die Fermentwirkung. Wir nah¬
men deshalb zu den weiteren Versuchen l,4proc. Milchsäure und brachten in
den Brütofen:
a) 20 Grm. Speichel -}- 5 Grm. dieser Saure -f- 1 Grm. Kleister,
b) 20 - - -j- 10 - - -j- 1 -
c) 15 - -J- 15 - - -j- 1 -
d) 20 - - -j- 20 - - - + 1 -
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ELLENBERGER u. HOFMEISTER.
nach 40 Stunden fand sich:
a) 0,125 Grm. Zucker mit Erythrodextrinreaction,
b) 0,018 ---
c) 0,00 - - mit Amylum und schwacher Amylogenreaction,
d) 0,00 ------
Ein Controlversuch ergab, dass Milchsäure allein in 40 Stunden noch keine Spur
Kleister in Zucker überführt.
Milchsäure hemmt mithin ebenfalls — obschon in sehr viel geringerem
Masse als Salzsäure — die fermentative Wirkung des Speichels. Es bedarf der
bedeutenden Concentration von 0,52proc. Milchsäure, um die diastatische Spei¬
chelwirkung aufzuheben, welche bei Gegenwart von 0,17proc. Milchsäure jedoch
schon beeinträchtigt wird.
Schliesslich bemerken wir, dass der Speichel noch nach 3 Wochen sacchari-
ficirend wirkte. Nach 14 tägigem Stehen verzuckerten 20 Grm. Speichel in 15
Stunden noch 0,045 Grm. von 1 Grm. Kleister. Die Fermentwirkung wurde
durch das längere Stehen nicht gesteigert.
ErkUrtBg 4er AbbiMiige«.
Figur I. Schnitt von der Parotis des Pferdes. Die obere Seite ist ein
Theil eines Schnittpräparats der mit Osmiumsäure gehärteten, die untere der mit
Alkohol gehärteten und tingirten Drüse. Oben sind die Zellgrenzen undeutlich
oder gar nicht sichtbar.
Figur II. Schnitt aus der in Osmiumsäure gehärteten Glandula sublin-
gualis mit nachheriger Tinction.
Figur III. Ebensolches Präparat aus der Glandula submaxillaris.
Figur IV. Dasselbe aus den Glandulae palatinae.
Figur V. Isolirte Epithelien aus dem Ductus Stenonianus.
Figur VI. Epithelien aus dem Ductus Whartonianus:
a) isolirte Epithelien;
b) zusammenhängende Epithellage.
(Fortsetzung folgt)
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Referate und Kritiken.
Die Anästhetica. Eine Monographie mit besonderer Berück¬
sichtigung von zwei neuen anästhetischen Mitteln. Kri¬
tisch und experimentell bearbeitet von Dr. Eduard Taubner.
(A. Hirschwald. Berlin, 1881.)
Verf. hat sich die Aufgabe gestellt, die Beziehungen der
chemischen Constitution einer Reihe analog zusammengesetzter
Körper zu ihrer Wirkung auf den thierischen Organismus darzu¬
stellen.
Dies Unternehmen ist dem Bcdürfniss entsprungen, für die Er¬
klärung der Arzneiwirkung in dem inneren Bau der Moleküle selbst
einigen Anhalt zu finden. Durch eine gut gewählte übersichtliche
Zusammenstellung deijenigen Körper, welche als Anästhctica bezeichnet
werden, ist der Weg in dieser Richtung nunmehr eingeschlagen.
Gleichzeitig hat aber auch der VeTf. durch experimentelle Unter¬
suchungen, welche theils im physiologischen Laboratorium der Thier¬
arzneischule, theils im chemischen Laboratorium des pathologischen
Instituts der Universität ausgeführt wurden, zur Erweiterung der
Kenntnisse über die Anüsthetica werthvolle Beiträge geliefert. Nach
einer interessanten historischen Einleitung folgen die Anästhetica,
nach ihrem C*Gohalt geordnet; es werden die Wirkungen in ihrer
Abhängigkeit von der Constitution besprochen und die eigenen Erfah¬
rungen ergänzend eingeflochten.
Es möge gestattet sein, dem Leser in Nachstehendem einen kurzen
Ueberblick über den Inhalt der sehr empfehlenswerten Arbeit zu
geben, wobei zu bemerken ist, dass der Gang der Darstellung in
Rücksicht auf die summarische Reproduction sich nicht stricte an den
im Original innegehaltenen Ideengang anlehnt.
Sämmtliche in Rede stehenden Körper, welche durchweg der nie-
Arohiv f. wissensch. und prukt. Thierheilk. VU. 6. 30
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458
. TEREG.
deren Fettsäurereihe zugehören, besitzen die Eigentümlichkeit, in
allen jenen Fällen, in welchen bestimmte Mengen davon in die Blut¬
bahn eines thierischen Organismus gelangt sind, sei es durch Inhala¬
tion, subcutane oder directe Injection in die Blutgefässe, oder durch
Resorption vom Darmcanal aus, die Thätigkeit jener nervösen Appa¬
rate des Grosshirns, welche Bewusstsein und Empfindung vermitteln,
auszuschalten. Neben dieser Hauptwirkung können verschiedene Neben¬
wirkungen zur Beobachtung gelangen, welche sich als Folgen von
theils lähmender, theils excitirender Wirkung auf die Herz- und
Athemthätigkeit regulirenden Nervencentren darstellen. Auch das
Erlöschen der reflectorischen Thätigkeit des Rückenmarks nach Ein¬
wirkung der meisten Anästhetica ist hierher zu zählen.
Die graduellen Unterschiede rücksichtlich dieser Wirkungen hängen
einerseits ab von der Beschaffenheit des Moleküls an sich, anderer¬
seits von den Veränderungen, welche dasselbe im Organismus er¬
fährt. Diejenigen Moleküle, welche unverändert in den Excreten
nach Passirung des Organismus aufgefunden werden, müssen durch
sich selbst gewirkt haben, während für diejenigen, welche Umsetzungs-
producte liefern, die Wirkung der Componenten in Betracht kom¬
men kann.
Ganz besonders auffällig verändert wird die Wirkung der an sich
anästhesirend wirkenden Kohlenwasserstoffe durch Eintritt der Halo¬
gene CI, Br, J in das Molekül. Ausserdem scheint auch die Grösse
des Moleküls nicht ohne Einfluss auf die Wirkung zu sein.
Die gesättigten Kohlenwasserstoffe, von denen Grubengas (CH 4 ),
Aethyl- (C 2 H 6 ), Butyl- (C 4 H I0 ), Arayl- (C 5 H 12 ) und CaprylWasser¬
stoff (C 6 H 14 ) angeführt sind, zeichnen sich sämmtlich durch Herbei¬
führung einer Anästhesie aus, welche nach Sistirung der Inhalation
relativ rasch nachlässt und ohne Nachwehen bleibt. Je mehr C-Atome
resp. Grubengasreste das Molekül der betreffenden Kohlenwasserstoff¬
verbindung enthält, desto weniger Material braucht man bis zum Ein¬
tritt der Bewusstlosigkeit aufzuwenden.
In ähnlicher Weise, aber belästigend durch unangenehmen Geruch,
erzeugen die ungesättigten Kohlenwasserstoffe Aethylen (CH* zz CH 2 )
und Amylen (C 5 H !0 ) eine rasch vorübergehende Narcose. Nach
Acetyleninhalation (CH = CH) tritt die Erholung langsamer ein.
Werden nun eines oder mehrere der H-Atome der genannten Koh¬
lenwasserstoffverbindungen durch CI, Br oder J ersetzt, so ändert sich
die Wirkung der Substitutionsproducte insofern, als die Anästhesie
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Referate und Kritiken.
459
mit dem Steigen des Gehalts an CI- etc. Atomen eine intensivere
wird. Eigenthümlich ist der Einfluss der CI-Atome auf die Todesart.
Die reinen Kohlenwasserstoffe und ebenso auch die ein- oder zweifach
gechlorten führen den Tod durch Lähmung der respiratorischen Ner-
vencentren herbei, während ein Gehalt an mehr Cl-Atomen im Molekül
Tod durch Herzlähmung verursacht.
Bei diesen Derivaten kommt die Verschiedenheit des Verhal¬
tens von CI, Br und J gleichfalls in Betracht Die Grösse der
als Affinität bezeichneten Attractionskraft der Atome verhält sich
in der Reihe CI Br J für H abnehmend, für 0 zunehmend. Hieraus
folgt, dass die J-Substitutionen sich viel leichter im Organismus zer¬
setzen werden, als die Cl-Verbindungen, weil die Affinität des J zu 0,
welcher im Blute reichlich vorhanden ist, viel grösser ist als die des
CI zu 0.
Unter den C-Verbindungen, welche mehr als ein C enthalten,
sind weiterhin solche möglich, die ihrer Constitution nach verschieden
zusammengesetzt, dennoch eine absolut gleiche Anzahl an C- und
H-Atomen aufweisen. Natürlich werden deren Cl-Vcrbindungen eben¬
falls in mancher Hinsicht Differenzen zeigen.
Die einfachen Halogonsubstitutionsproducte bieten im Allgemeinen
keine Vorzüge gegenüber den reinen Kohlenwasserstoffen, im Gegen-
theil wirken sie mehr oder weniger stark reizend auf die Schleim¬
häute; namentlich gilt dies von den J-Verbindungen, nach deren
Einwirkung freies J in den Secreten nachweisbar ist. Die Narcose
beschränkt sich auf relativ kurze Dauer. Hierher gehören Methyl¬
chlorid (CH, CI), Aethylchlorid (CH, — CH,CI), Aethylbromid und
-Jodid, Amylchlorid (C S H,,C1) und -Jodid. Ferner sind hierher zu
rechnen diejenigen CI- etc. Producte, welche zwar mehrere CI-Atome
enthalten, in denen immerhin aber nur je 1 H-Atom je eines Gruben¬
gasrestes ersetzt ist, so z. B. das Aethylenchlorid (CH, CI—CH, CI),
desgleichen das Bromid und Jodid. Die Reizung der Luftwege macht
sich bei letztgenannten Körpern besonders geltend. Der Tod wird
nach Ansicht des Verf. vom Aethylenjodid durch Asphyxie, vom Aethy-
lenbromid durch deletäre Einwirkung auf den Herznervenapparat her¬
beigeführt. Weiterhin gehört hierher das Trichlorhydrin, ein Propyl¬
wasserstoff, von dem jedes der C-Glieder 1 Atom CI an Stelle des
entsprechenden H im ursprünglichen Propylwasserstoff bindet: CH,
CI — CH CI — CH, CI. Diese dem Glycerin ähnliche Substanz wirkte
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460
TEREG.
vom Magen aus beim Menschen nicht sicher anästhesirend, erzeugte
aber ziemlich starken Magencatarrh. Analog wirkte Dichlorhydrin.
Von den zweifachen Cl-Derivaten (2 CI ersetzen 2 H desselben
Kohlenwasserstoffrestes) sind zu erwähnen: Methylenchlorid (CH 2 Cl 2 ),
Aethylidenchlorid (CH 3 —CHC1 2 ) und Monochloräthylenchlorid (CH 2
CI — CHC1 2 ). Alle drei Körper wirken als allgemeine Anästhetica
und zeichnen sich durch das Fehlen der lähmenden Wirkung auf das
Herz aus. Das letztgenannte Anästheticum war Gegenstand eingehen¬
der experimenteller Untersuchungen seitens des Verf. und konnte eine
Cl-Abspaltung durch das im Blute vorhandene Alkali in diesem Falle
nachgewiesen werden.- (Ausserhalb des Organismus entsteht durch
NaHO, NaCl und CHC1=CHC1. Ref.) — Tetrachloräthan (CC1 2 =
CC1 2 ) ist zwar auf seine anästhesirende Wirkung untersucht worden
(Eulenberg), allgemeine Schlüsse lassen sich aber nicht aus den
gegebenen Daten ableiten.
Zu den gechlorten Kohlenwasserstoffen dritter Ordnung (s.v.v)
zählt aus der Methylreihe das Chloroform (CHC1 3 ), jenes Anästheti¬
cum, welches in der praktischen Medicin vorzugsweise Verwendung
findet. Bromoform und Jodoform werden wenig oder gar nicht zur
Anästhesirung benutzt, Jodoform deshalb nicht, weil sich J im Orga¬
nismus abspaltet und als freies J wirkt. Eine Cl-Abspaltung wurde
von Liebreich auch für Chloroform angenommen, es hat diese Theorie
von anderen Seiten jedoch keine Bestätigung erfahren, so dass anzu¬
nehmen ist, das Chloroform wirke als Molekül. Auf die nervösen
Centralapparate wirkt Chloroform in nachstehender Reihenfolge ein:
Grosshirn, Rückenmark, Herzganglien, während bei den vorher er¬
wähnten Cl-Derivaten zweiter Ordnung — Aethylidenchlorid nament¬
lich — die Wirkung sich zuerst am Grosshirn als Bewusstlosigkeit,
sodann als Herabsetzung der Reflexthätigkeit am Rückenmark und
schliesslich als verminderte Respirationsthätigkeit durch Affection der
Medulla obl. äussert, welch letzteres Moment bei fortgesetzter Narcose
zu Respirationsstillstand und damit zum Tode führt. Ganz das Gleiche
gilt auch für das von T. untersuchte Monochloräthylenchlorid (cf. oben),
denn in dem XXII. Versuch (S. 65) verschwand die Respiration vor
Sistirung der Herzaction. — Tritt im Chloroform an Stelle des noch
vorhandenen H die Methylgruppe ein, so erhalten wir eine dem Chloro¬
form ganz ähnliche Flüssigkeit, deren anästhesirende Wirkung T. an
Fröschen, Kaninchen, Hunden und an sich selbst erprobte. Nach T.
ist dieses Methylchloroform aliasMonochlorätlivlidenchlorid (CH 3 —CC1 3 )
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Referate und Kritiken.
461
als allgemeines Anästhoticum zu betrachten, welches bei Kaninchen
den Respirationsapparat nur wenig beeinflusst, bei Hunden er¬
höhend auf Puls- und Respirationsfrequenz ein wirkt (S. 48).
Diese Erhöhung der Pulsfrequenz in den ersten Stadien ist jedoch
ebenfalls beim Chloroform vorhanden, so dass, da eine Anästhesirung
bis zum Eintritt des Todes nicht ausgefuhrt wurde, auch kein Anhalts¬
punkt für die Methylchloroformwirkung in späteren Stadien gegeben
ist. Das Chloral (Chloroform, dessen H durch CHO — den Alde-
• hydrest — ersetzt ist: CC1 3 — CHO) wird im Körper nicht zersetzt,
im Gegentheil verbindet sich dasselbe mit einer organischen Substanz
zu Urochloralsäure. Die Angabe Liebreich’s, dass Chloral resp.
dessen Hydrat (CC1 3 —CH0 + H 2 0), welches letztere allein in der
Medicin Verwendung findet, sich in Chloroform und Ameisensäure
spalte, ist somit als widerlegt zu betrachten; ßromal resp. Bromal-
hydrat und Jodal dagegen erleiden eine derartige Umsetzung und sind
die Wirkungen dieser Körper zum Theil auf die Spaltungsproducte zu
beziehen. Das Chloral wirkt in letzter Instanz ebenfalls auf das Herz
und zwar derart, dass selbst nach Durchschneidung der Vagi eine
Herabsetzung der Pulsfrequenz und ein Sinken des Blutdrucks zu Stande
kommt (S. 72), so dass eine directe Lähmung der intercardialen Cen-
tren anzunehmen ist, da auch die Irritabilität der Herzmuseulatur
erhalten bleibt Das Butylchloral (C 8 H 4 C1 8 . COH), welches zur
Buttersäure in derselben Beziehung steht wie das gewöhnliche Chloral
zur Essigsäure, hat nach den Untersuchungen von v. Mering analoge
Wirkungen wie das Chloral, nur tritt die herzlähmende Wirkung bei
Butylchloral plötzlicher ein als bei Chloral. Die Anästhesie beginnt,
wie Liebreich nachwies, zuerst am Kopf, bei erhaltener Sensibilität
des Rumpfes.
Endlich giebt es noch ein Cl-Derivat des Grubengases, in wel¬
chem alle 4H des CH 4 durch Cl-Atome ersetzt sind, — das einzig
mögliche, — den Tetrachlorkohlenstoff: CC1 4 . Simpson fand ein
dem Chloroform ähnliches Verhalten mit dem Unterschiede, dass die
Anästhesie nicht so rasch eintrat, aber auch länger währte; ferner
Hessen die Versuche an Mäusen und Kaninchen eine grössere depri-
mirende Wirkung auf das Herz erkennen als das Chloroform (S. 30).
Etwas Näheres über die anästhesirende Wirkung der Alkohole —
der ersten Hydroxylsubstitutionsproducte des CH 4 — anzuführen,
dürfte wohl erübrigen, da wohl Jeder aus Erfahrung an sich oder
Anderen deren Einfluss kennt. Einzig aus diesem Grunde scheint
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462
MOELLER.
auch der Alkohol von T. nicht erwähnt zu sein. Es mag aber her¬
vorgehoben werden, dass die Anästhesie erst nach Einführung relativ
grosser Mengen eintritt und ähnlich wie beim Aether (S. 82) — dem
Alkoholanhydrid (C 2 H 5 ) 2 0 — schliesslich Tod durch Lähmung der
Respirationscentren erfolgt.
Die Aldehyde (OH-Substitutionen zweiter Ordnung) besitzen sehr
geringe anästhesirende Eigenschaften und sind hauptsächlich deshalb
nicht verwendbar, weil sie wegen ihrer Neigung, den Geweben 0 zu
entziehen, diese in starken Reizzustand versetzen. Neben dem ge¬
wöhnlichen Aldehyd ist an dieser Stelle auch das Aceton (CH 3 —
CO — CH S ), welches als methylirter Aldehyd aufgefasst werden kann,
zu erwähnen.
Bezüglich des über die zusammengesetzten Aether Angeführten
muss auf das Original verwiesen werden.
Die Cl-Substitutionen in den Benzolverbindungen können ver¬
schieden sein, je nachdem solche im Benzolkern selbst oder in den
Seitenketten eintreten. Die erstere Gruppe verhält sich im Organis¬
mus genau ebenso wie die nicht substituirten Verbindungen, und
kommt weder diesen noch jenen eine anästhesirende Wirkung zu.
Von den in den Seitenketten gechlorten Körpern könnte man eine
solche erwarten, aber auch diese, wie z. B. Phenylchloroform (C 6 H 5
— CC1 3 ), verhalten sich wesentlich anders als die analogen Verbin¬
dungen der niederen Fettsäuren. Die Ursache dieser Eigentümlich¬
keit ist darin gegeben, dass das CI sich aus ihnen leicht abscheidet
und dass die entstehende HCl zwar eine corrodirende, aber keine Spur
einer anästhesirenden Wirkung hervorruft. Tereg.
Peters, Fr., Ober-Rossarzt: Die Fissuren des Fesselbeins vom
Pferde, mit besonderer Berücksichtigung der Bewegungsvorgänge
in den unteren Gelenken. (Vorträge für Thierärzte, red. von Prof.
Dr. Siedamgrotzki, IV. Ser., H. 1. Jena, Dege u. Haenel, 1881.)
Der Verf. hatte Gelegenheit, die in unserer Literatur wenig be¬
kannten Fesselbeinfissuren des Pferdes wiederholt zu beobachten, und
fand sowohl in den Erscheinungen wie auch in dem Verlauf des Lei¬
dens stets eine auffällige Uebereinstiramung. Zwei zufällig zur Section
gelangte Fälle Hessen auch eine überraschende Conformität der Fissuren
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Referate und Kritiken.
463
nachweisen. An beiden Knochen verlief die Spalte, von der Grube
der oberen Gelenkfläche ausgehend, und zwar parallel mit derselben,
in schräger Richtung nach unten und aussen, um in der Diaphyse
oder unteren Epiphyse zu endigen. Diese Gleichförmigkeit erklärte
zwar das übereinstimmende Verhalten jener Brüche in klinischer Be¬
ziehung, um so mehr aber veranlasste diese Beobachtung den Verf.,
die mechanischen Momente zu untersuchen, welche solche Brüche ver¬
ursachen. Bei dieser Gelegenheit hat P. die in den Gelenken der
Phalangen des Pferdes ablaufenden Bewegungsvorgänge und deren
Mechanismus einer eingehenden Untersuchung unterworfen, und auf
Grund des Ergebnisses derselben nicht blos die ursächlichen Verhält¬
nisse der Fesselbeinbrüche klar gelegt, sondern zugleich einen werth-
vollen Beitrag für die Aetiologie und die Beurtheilung der Lahmheiten
geliefert. Es sind ferner die Symptome der Fesselbeinfissuren und
namentlich die Unterscheidung derselben von den Distorsionen des
Fesselgelenks in klarer Weise dargestellt worden, so dass die Arbeit
sowohl in wissenschaftlicher wie auch in praktischer Hinsicht als
höchst beachtenswerth bezeichnet werden muss.
Eine kurze Wiedergabe der Resultate der Peters’schen Unter¬
suchungen ist bei der gedrängten Darstellung derselben nicht möglich
und muss deshalb auf das Original verwiesen werden. Dagegen ist
Ref. in der Lage, die Richtigkeit der von P. über das Auftreten der
Fesselbeinfissuren gemachten Angaben an der Hand verschiedener Prä¬
parate zu beweisen, welche ihm in Folge einer im vorjährigen Bande
dieses Archivs über das fragliche Leiden gemachten Bemerkung von
befreundeten Collegen zugegangen sind.
Die zur Erläuterung der ausgesprochenen Grundsätze beigefügten
schematischen Darstellungen des Gelenkmechanismus sind sehr in-
structiv, den von einem Fesselbein mit verheilter Fissur entworfenen
Abbildungen muss sogar eine künstlerische Ausführung zugesprochen
werden. Möller.
Animal Report of the Veterinary Department of the Privy
Council for the year 1880. London, 1881.
Der amtliche, dem Parlament vorgelegte Bericht des englischen
Veterinärdepartements enthält ausführliche Mittheilungen über die Ver¬
breitung der ansteckenden Thierkrankheiten in England, Wales und
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464
MÜELLER.
Schottland, sowie über den Erfolg der Massregeln, welche zur Tilgung
der letzteren ergriffen wurden. Das dem Berichte beigegebene reich¬
haltige statistische Material enthält ausserdem sehr interessante An¬
gaben über die Einfuhr von Schlachtvieh in Grossbritannien.
Obgleich in 14 Schiffsladungen, durch welche Schlachtvieh aus
Frankreich, Holland, Deutschland, Spanien, Portugal und den Staaten
der nordamerikanischen Union nach Grossbritannien eingeführt wurde,
sich in der Zeit vom 17. Januar bis Anfang September 1880 zusam¬
men 52 Stück Rindvieh und 70 Schafe mit der Maul- und Klauen¬
seuche behaftet erwiesen, fand eine Verbreitung dieser Krankheit auf
das einheimische Vieh nicht statt; Grossbritannfen war vielmehr in
den ersten 9 Monaten des Berichtsjahres vollkommen frei von Maul¬
und Klauenseuche, ln den Schlachthäusern von Deptford, in denen
das aus dem Auslande oingeführte Vieh abgeschlachtet werden muss,
fanden sich schon während des Sommers 1880 vielfach an den Zungen
geschlachteter, aus Frankreich stammender Rinder die deutlichen
Kennzeichen von in Abheilung begriffenen Aphthen. Sämmtlicho
Stücke Rindvieh eines am 20. September 1880 aus Havre eingefährten
Transportes litten stark an Maul- 1 und Klauenseuche; die Krankheit
verbreitete sich von diesen Rindern sehr schnell auf diejenigen Thiere
europäischen und amerikanischen Ursprungs, mit denen zu derselben
Zeit die Ställe des Schlachtviehraarktes in Deptford überfüllt waren,
und brach etwa 14 Tage später auch unter einheimischen Viehständen
in London und Bedfordshire aus.
Da alle in Deptford gelandeten Thiere geschlachtet werden müssen
und keines der letzteren lebend den Markt verlasson darf, kann die
Verschleppung der Maul- und Klauenseuche nur durch Zwischenträger
erfolgt sein. Am häufigsten ist dieselbe wohl durch Menschen ver¬
mittelt worden, welche wegen ihres Gewerbebetriebes vielfach auf den
Märkten in Deptford und in London-Islington verkehrt hatten. Das
an den Kleidern dieser Menschen haftende Contagium konnte von dem
ausländischen Vieh in Deptford leicht auf das einheimische Vieh in
lslington übertragen werden. Für diese Art der Verbreitung wurde
namentlich der Umstand von Bedeutung, dass die beiden Märkte an
demselben Wochentage abgehalteu werden.
Trotz der sofort ergriffenen energischen und im Vergleich zu den
in Deutschland vorgeschriebenen übermässig rigorosen Massregeln, —
über welche bereits Bd. Vll S. 258 dieses Archivs berichtet worden
ist, — verbreitete sich die Maul- und Klauenseuche von dem Isling-
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Referate und Kritiken.
465
toner Schlachtviehmarkt aus mit grosser Schnelligkeit über ganz
England, jedoch nicht bis nach Wales und Schottland. In einzelnen
Grafschaften blieb kaum ein Viehstand verschont, in anderen sollen
die strengen Alassregeln jedoch den Erfolg gehabt haben, dass sich
die Ausbrüche der Maul- und Klauenseuche auf einzelne eng begrenzte
Districte beschränkten. Die Seuche ist auch gegenwärtig — Ende Sep¬
tember 1881 — nicht vollständig getilgt, in jeder Woche kommen noch
Ausbrüche der Krankheit zur Kenntniss der Centralbehörde, welche
nach dem etwas schwerfälligen Verfahren des englischen Seuchen¬
gesetzes genöthigt ist, fast täglich wegen des Ausbruchs der Maul- und
Klauenseuche Verordnungen (Orders of Council) zu erlassen, welche
bestimmte Orte oder Bezirke für verseucht erklären.
Die Verbreitung der Lungenseuche hat in England während
der letzten Jahre fortdauernd abgenommen, wie die nachstehende Ver¬
gleichung zeigt:
1876.
1877.
1878.
1879.
1880.
verseucht ....
66
70
67
63
51 Grafschaften
....
2178
2007
1721
1549
1052 Bestände
erkrankt ....
5253
5350
4593
4414
2765 St. Rindvieh
gefallen ....
114
107
114
119
88 -
getödtet ....
5131
5223
4488
4296
2681 -
genesen . ... .
12
3
—
—
— .
am Schluss d. Jahres
blieben erkrankt
19
16
7
6
2 - -
Die bedeutende Abnahme der durch die Lungenseuche bedingten
Verluste ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Local¬
behörden in immer mehr steigendem Umfange von dem Rechte Ge- •
brauch machen, die Tödtung der an Lungenseuche erkrankten Thicre
gegen Entschädigung anzuordnen.
Von den 2681 getödteten an Lungenseuche erkrankten Rindern
entfallen auf England 2328, auf Wales 5, auf Schottland 348 Stück;
ausserdem sind behufs Tilgung der Lungenseuche in den verseuchten
Gehöften zusammen 725 gesunde Stück - Rindvieh abgeschlachtet; der
Rest der Bestände, zusammen 664 Stück Vieh, wurde rechtzeitig aus
den Seuchegehöften entfernt und ist erhalten geblieben.
Die Zahl der mit Rotz-Wurmkrankheit behafteten Pferde
hat gegen das vorhergegangeno Jahr erheblich zugenommen. Das
statistische Material giebt an:
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466
MUELLER,
an Rotz erkrankt getödtet gefallen
1879 in 49 Grafsch., 646 Pferdebestdn., 906 Pferde 875 Pferde 23 Pferde
1880 -
35
-
938
1346 - 1333
an Wurm erkrankt
- 23 -
1879 -
21
-
290
-
461 Pferde 431
7 -
1880 -
21
-
521
-
764 - 715
- 18 -
Von den im Jahre 1880 getödteten Pferden entfallen 1137 =
84,55 pCt. rotzkranke und 643 = 90,00 pCt. wurmkranke auf Lon¬
don; die Ausbrüche der Rotz-Wurmkrankheit müssen ausserhalb der
Hauptstadt demgemäss verhältnissraässig selten vorgekommen oder
zum grossen Theil nicht zur amtlichen Kenntniss gelangt sein. Die
bedeutende Zahl der Rotz-Wurm falle in London wird auf den Um¬
stand zurückgeführt, dass eine grosse Zahl von Ausbrüchen dieser
Krankheit jetzt angezeigt wird, welche früher unbekannt geblieben
sein würden. Alle Uebertretungen der Anzeigepflicht werden in London
mit Consequenz und Strenge gerichtlich verfolgt.
Die Verbreitung der Schafräude scheint abgenommen zu haben,
die Krankheit herrschte 1879 in 2229, 1880 dagegen nur in 1556
Schafbeständen. Das Vorkommen der Pferderäude wird in dem
Berichte nicht erwähnt, ebensowenig das der Tollwuth. Schaf¬
pocken sind nur bei 3 Schafen unter einem aus Hamburg eingefuhr-
ten Transport von 660 Schafen beobachtet worden. Die Cadaver der
drei pockenkranken Thiere sind vernichtet, die übrigen Schafe des
Transportes sofort abgeschlachtet worden.
Ueber Erkrankungen an Milzbrand enthält der Bericht keine
Mittheilungen. Dagegen wird über die sogenannte Schweineseuche
(swine-fever) angeführt, dass diese Krankheit sehr viel seltener als
im Jahre 1879 aufgetreten ist; es erkrankten 9865 Schweine, von
denen 7961 auf polizeiliche Anordnung getödtet wurden, 1940 sind
gefallen und 23 genesen, 1811 noch gesunde, jedoch der Ansteckung
ausgesetzt gewesene Schweine wurden geschlachtet.
An Entschädigungen für behufs Tilgung der Lungenseuche und
der Schweineseuche auf polizeiliche Anordnung getödtete Thiere sind
im |ahre 1880 44999 Lst. 1 Sh. 3 P. oder rund 900000 Mark von
denp Localbehörden gezahlt worden.
Die Einfuhr von Wiederkäuern und Schweinen aus Russland, so¬
wie von Rindvieh aus Deutschland (mit Ausnahme von Schleswig-
Holstein) und Belgien blieb im Jahre 1880 verboten. Nur die aus
Dänemark, Schweden, Norwegen, Spanien, Portugal und Kanada stam-
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Referate and Kritiken.
467
nienden Wiederkäuer und Schweine dürfen lebend auf englische Märkte
gebracht werden und gleich dem einheimischen Vieh frei verkehren.
Durch Order of Council vom 13. Mai 1881 wurde jedoch bestimmt, dass
vom 19. Juni 1881 an auch die aus Spanien und Portugal eingeführten
Thiere dem Schlachtzwange am Landungsorte unterworfen sind. Die aus
Frankreich, den Niederlanden, aus Schleswig-Holstein und den Staaten
der nordamerikanischen Uniou eingeführten Wiederkäuer und Schweine,
sowie die aus Deutschland und Belgien eingeführten Schafe und
Schweine können nur in den Häfen von Barrow in Furness, Bristol,
Cardiff, Glasgow, Goole, Grimsby, Hartlepool, Hüll, Liverpool, Lon¬
don, Plymouth, Southampton, South-Shields, Sunderland gelandet
und müssen am Landungsorte geschlachtet werden. Dem Import aus
solchen Staaten, deren Vieh frei im Inlande verkehren kann, stehen
dieselben Häfen, — mit Ausnahme von Barrow in Furness, Cardiff,
Goole und South-Shields, — ausserdem die Häfen von Falmouth,
Granton, Harwich, Leith, Middlesbrough, Newcastle upon Tyne, Ports¬
mouth und Weymouth offen.
Die Einfuhr von Schlachtvieh betrug im Jahre 1880:
aus Irland .... 721391 St.Rindv., 714763Schafe, 372890Schweine,
von den Canalinseln .
2632 - -
—
—
-
aus Kanada ....
aus den verein. Staaten
48103 - -
78074 -
671
. -
von Nordamerika .
154814 - -
66722 -
12549
-
vom europ. Continent
180877 - -
797482 -
37907
-
zusammen 1107817St.Rindv., 1657041 Schafe, 424017Schweine,
ausserdem wurden noch 6 Stück Rindvieh und 1 Schaf aus anderen
Ländern eingeführt.
Am auffälligsten ist die Vieheinfuhr aus Kanada und den ver¬
einigten Staaten von Nordamerika in den letzton Jahren gestiegen;
dieselbe betrug aus Kanada:
1876
2557 St. Rindvieh,
1862 Schafe,
— Schweine,
1877
7649 -
-
10275 -
584
1878
17989 -
-
40132 -
1614
1879
25185 -
-
73913 -
3663
1880
48103 -
-
78074 -
671
aus den vereinigten Staaten von Nordamerika:
1876
392 St. Rindvieh,
—
Schafe,
— Schweine,
1877
11538 -
-
13120
-
226
1878
68450 -
-
43940
.
16321
1879
76117 -
-
119350
-
15180
1880
154814 -
-
66722
-
12549
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468
MUELLER.
Die Einfuhr von Rindvieh aus Kanada und den vereinigten Staa¬
ten von Nordamerika berechnet sich mithin für das Jahr 1880 auf
18,30 pCt. der Gesammteinfuhr von Rindvieh und beträgt
22040 Stück Rindvieh mehr als der Import vom ganzen
europäischen Continont.
Steigt die Einfuhr während der nächsten Jahre auch nur an¬
nähernd in demselben Masse, so muss die Befürchtung gerechtfertigt
erscheinen, dass Kanada und die Vereinigten Staaten den Bedarf des
englischen Schlachtviehmarktes zum grössten Theil bestreiten und dem
Viehexport des europäischen Continents diese Absatzquelle immer
weiter abschneiden werden.
Der Transport von Schlachtvieh über den atlantischen Ocean ist
mit nicht unerheblichen Verlusten an Vieh verbunden. Zum Export
nach England wurden in Kanada und in den Vereinigten Staaten wäh¬
rend des Jahres 1880 eingeschifft zusammen: 210924 Stück Rindvieh,
149770 Schafe, 14776 Schweine; von diesen starben während des
Transportes und mussten über Bord geworfen werden: 7644 Stück
Rindvieh, 4611 Schafe, 1364 Schweine; bei der Ausschiffung in Eng¬
land wurden todt gefunden: 221 Stück Rindvieh, 208 Schafe, 111
Schweine. Der Verlust an Thieren, welche während des Transportes
gestorben waren, beträgt mithin:
7865 Stück Rindvieh. =3,73 pCt.
4819 Schafe.= 3,10 -
1475 Schweine.fast genau 10,00 -
Ausserdem waren 142 Stück Rindvieh, 155 Schafe und 81 Schweine
während des Transportes so bedeutend beschädigt und verletzt, dass
dieselben sofort nach der Landung geschlachtet werden mussten. Es
dürfte jedoch kaum zu bezweifeln sein, dass bei diesen Massentrans¬
porten bald Erfahrungen über die Mittel gesammelt werden dürften,
welche geeignet sind, derartige Verluste immer mehr zu beschränken.
Unter den aus Kanada eingeführten Thieren wurden 5 mit Räude
behaftete Schafe, unter den aus den Vereinigten Staaten eingeführten
dagegen ermittelt: 229 Stück Rindvieh mit Lungenseuchc, 21 Stück
Rindvieh und 63 Schafe mit Maul- und Klauenseuche, 124 Schafe
mit Räude und 403 Schweine mit der sogenannten Schweineseuche
behaftet. Die Lungenseuche wurde ausserdem nur noch bei 2 aus
den Niederlanden eingeführten Stück Rindvieh constatirt.
Die verhältnissmässig zahlreichen Fälle von Lungenseuche bei den
importirten Thieren begründen die Folgerung, dass die Krankheit unter
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Referate und Kritiken.
469
den Viehbeständen der nordamerikanischen Union sehr verbreitet herr¬
schen muss. Von Amerika wird die Richtigkeit dieser Folgerung nur
bezüglich der östlichen Staaten anerkannt, dagegen behauptet, dass
die Lungenseuche in den westlichen Staaten der Union nicht herrsche.
Dieser Behauptung steht jedoch die Thatsache entgegen, dass das in
England lungenseuchekrank befundene Vieh durchweg aus den west¬
lichen Staaten der Union stammte.
Die Einfuhr von Rindvieh aus Schleswig-Holstein ist von 50921
Stück im Jahre 1876 auf 24557 Stück im Jahre 1879 und 25889
Stück im Jahre 1880 gesunken. Der Import von Schafen aus Deutsch¬
land (incl. Schleswig-Holstein) hat sich in den letzten 2 Jahren auf
derselben Höhe erhalten. Derselbe betrug 1879 376105 und 1880
376176 Schafe. Dagegen ist die Einfuhr von Schweinen aus Deutsch¬
land von 20 im Jahre 1878 und 492 im Jahre 1879 auf 16916 im
Jahre 1880 gestiegen.
Von den übrigen europäischen Staaten hat der Import von Rind¬
vieh aus Dänemark, Schweden, Norwegen und Spanien während der
letzten Jahre erheblich zugenommen, der aus Portugal ist nahezu
unverändert geblieben, der aus den Niederlanden so zürückgegangen,
dass derselbe weniger als die Hälfte des Jahres 1876 beträgt. Aus
den Niederlanden wurden im Jahre 1876 86350, im Jahre 1880
38795 Stück Rindvieh nach England eingeführt. Frankreich lieferte
für den englischen Schlachtviehmarkt in den beiden letzten Jahren
nur 183 bezw. 1572 Stück Rindvieh. Müller.
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Kleinere Mittheilnngen,
Die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten in Prenssen während
des Quartals Januar-März 1881.
1. Milzbrand. In 167 Gehöften, welche sich auf 161 Ortschaften in
88 Kreisen vertheilen, sind an Milzbrand gefallen: 10 Pferde, 279 Stück Rind¬
vieh, 107 Schafe und 11 Schweine. Frei von der Krankheit blieben die Reg.-
bezw. Landdr.-Bez. Danzig, Köslin, Stralsund, Hannover, Lüneburg, Osnabrück,
Münster, Minden, Kassel, Wiesbaden, Koblenz, Sigmaringen und die Stadt Berlin.
Die 10 an Milzbrand gefallenen Pferde gehörten 8 Gehöften in den Reg.-
Bez. Marienwerder, Posen, Breslau und Merseburg an, welche mit einer Aus¬
nahme als alte Milzbrandstationen bezeichnet werden. In 4 dieser Gehöfte
herrschte der Milzbrand gleichzeitig unter dem Rindvieh.
Die 279 an Milzbrand gefallenen Stück Rindvieh vertheilen sich in abge¬
rundeten Procentsätzen auf die einzelnen Provinzen, wie folgt:
Ostpreussen . . .
.... 4,00 pCt.
Sachsen .
. . . 15,75pCt.
Westpreussen . .
.... 1.40 *
Schleswig-Holstein .
. . . 2,50 .
Brandenburg . .
.... 1,80 „
Hannover.
. . . 13,30 „
Pommern . . . .
.... 1,80 ,
Westfalen.
. . . 0,35 .
Posen.
.... 22,60 „
Rheinprovinz . . .
. . . 3,50 „
Schlesien . . . .
.... 33,00 „
100,00 pCt.
Die Berechnung zeigt, dass über die Hälfte aller Verluste auf die Provinzen
Posen und Schlesien entfällt. Ueber 3 Stück Rindvieh starben kurz hinter ein¬
ander in je einem Gehöft der nachstehend genannten Kreise:
Kreis Orteisburg,
Reg.-Bezirk Königsberg,
Bestand.
36 Stück,
Erkrankt.
6 Stück,
Gefallen.
6 Stück.
„ Kosten,
*
Posen,
13
»
12
y>
12
y>
„ Kröben,
y
»
174
y>
22
w
14
w
j* »
r>
»
110
y>
4
n
4
y
„ Inowraclaw,
y
Bromberg,
42
y>
4
y>
4
y
L.-Kr. Breslau,
y
Breslau,
70
y
13
n
4
y
W f»
y
»
96
y
40
«
18
y
1» n
n
y
160
y
7
4
y
Kreis Militsch
»
y>
28
y
6
n
4
fi
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Kleinere Mittheilungen.
471
Bestand. Erkrankt. Gefallen.
Kreis Merseburg, Reg.-Bezirk Merseburg, 52 Stüok, 12 Stück, 12 Stück.
* Liebenwerda, * * 50 *7*7*
* Emden, Landdr.>Bez. Aurich, 125 * 47 * 32 *
Auffallend bleibt, dass in einzelnen Milzbrandausbrüchen der Reg.-Bezirke
Posen, Breslau und des Landdr.-Bez. Aurich eine verhältnissmässig grosse Zahl
erkrankter Thiere genesen ist. Als Ursache des Ausbruches im Kreise Merseburg
wird von dem Besitzer das Verfüttern von Rüben angesehen, welche auf einer
alten Verscharrungsstelle eingemietet gewesen waren. Die Rüben sind später im,
gedämpften Zustande ohne Nachtheil von den Thieren verzehrt worden.
In 1 Gehöft starben kurz hinter einander 3, in 9 Gehöften 2, in 132 Ge¬
höften beschränkte sich der Verlust auf 1 Stück Rindvieh. Die meisten spora¬
dischen Fälle kamen in Ortschaften bezw. Gehöften vor, in denen der Milzbrand
stationär ist; einzelne worden jedoch auch in Orten beobachtet, in welchen die
Krankheit seit Menschengedenken nicht aufgetreten war. In den Seuchenstationen
erkrankten vorzugsweise solche Thiere, welche aus anderen Orten kurz vorher
angekauft worden waren. Die Berichte enthalten keine besonders interessanten
Mittheilungen über die Ursachen des Milzbrandes. Meist werden als solche Fut¬
terverhältnisse oder mit organischen Stoffen verunreinigtes Trinkw&sser beschul¬
digt, ferner besonders häufig von Verscharrungsplätzen der Milzbrandcadaver
gewonnenes oder verschlämmtes Heu bezw. Heu von kurz vorher urbar ge¬
machten sumpfigen Wiesen.
Die gewöhnlichste Form des Auftretens war Anthrax acutissimus, in der
Provinz Posen wurden einige Fälle von Carbunkelanthrax beobachtet. In Schles¬
wig-Holstein und im Kreise Eupen, Reg.-Bez. Aachen, blieb wie in früheren Be¬
richtsperioden vorwaltend die Form des Rauschbrandes.
Die 107 an Milzbrand gefallenen Schafe vertheilen sich auf 5 Gehöfte
einer Ortschaft im Kreise Kolmar, und auf je 1 Gehöft der Kreise Thom*, Nau-
gard*, Wreschen, Mogilno, Nimptsch*, Glogau und Liebenwerda*; in den mit *
bezeichnten Gehöften herrschte der Milzbrand gleichzeitig auch unter dem
Rindvieh.
Von den 11 an Milzbrand gefallenen Schweinen gehören 10 — welche
wahrscheinlich an der sogenannten Schweineseuche gelitten haben — einem Ge¬
höft des Kreises Brieg, 1 einem Gehöft des Kreises Hildesheim an.
In Folge von Milzbrandinfection erkrankten schwer 4 Menschen, von denen
1 Mann, welcher bei dem Verscharren einer gefallenen Kuh hülfreiche Hand ge¬
leistet hatte, gestorben ist.
2. Maul- und Klauenseuche. Dieselbe erlangte eine grosse Verbrei¬
tung in den Provinzen westlich der Elbe, ausserdem in den Provinzen Schleswig-
Holstein und Brandenburg. In den Provinzen Westpreussen, Posen und Schlesien
kamen nur wenige Ausbrüche vori Seuchefrei blieben Ostpreussen, Pommern,
Hohenzollern und die Reg.-Bez. Danzig und Oppeln.
Da die Zahl der verseuchten Gehöfte und der erkrankten Thiere den Be¬
richterstattern nur ausnahmsweise genauer bekannt wird, giebt die Zahl der ver¬
seuchten Ortschaften allein einen gewissen Massstab, nach dem sich die Verbrei-
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472
Kleinere Mittheilungen.
tung der Maul- und Klauenseuche in den verschiedenen Landestheilen beurtheilen
lässt. Die 504 Ortschaften, in denen die Maul» und Klauenseuche während des
Berichtsquartals auftrat, vertheilen sich in abgerundeten Procentsätzen, wie folgt,
auf die einzelnen Provinzen:
Ostpreussen . .
0,00 pCt. in
—
Kreisen.
Westpreussen.
0,80
* rt
4
vt
Brandenburg .
10,70
t n
13
rt
Pommern.
0,00
rt rt
—
rt
Posen .
1,60
rt *
6
rt
Schlesien.
3,50
rt rt
12
rt
Sachsen .
20,80
n r
25
rt
Schleswig-Holstein . .
3,10
rt rt
5
rt
Hannover.
18.50
rt rt
23
rt
Westfalen .
7,50
rt ti
16
rt
Hessen-Nassau ....
16,00
r> rt
26
rt
Rheinprovinz .
17,50
r> i»
35
rt
Hohenzollemsche Lande
0,00
t rt
—
r
100,00 pCt. in 165 Kreisen.
Die Einschleppung war bei den meisten Ausbrüchen nachzuweisen, dieselbe
erfolgte namentlich häufig durch den Ankauf von Kindvieh oder Schweinen bezw.
durch den Marktverkehr und durch das Durehtreiben von Handelsschweinen. Die
Schlachtviehmärkte in Berlin, Hamburg, Köln und Frankfurt a. M. haben viel¬
fach zur Verbreitung der Seuche auf weite Entfernungen Anlass gegeben. Die
Verbreitung im Seuchetiorte von Gehöft zu Gehöft oder auf benachbarte Orte ist
häufiger durch Zwischenträger als von Thier zu Thier erfolgt; besonders sollen
die Fleischer viel zur Verbreitung der Seuche beigetragen haben. Ueber In-
fectionen in den Eisenbahnwagen berichten nur die Tabellen dos Reg.-Bez.
Aachen. Auffällig häufig ist die Seuche aus Bayern und den Niederlanden, in
einigen Fällen auch aus Hamburg, Hessen, Oldenburg und Lothringen nach
Preussen eingeschleppt worden.
In den Kreisen Wanzleben und Wolmirstedt, Reg.-Bez. Magdeburg, blieb
fast keine Ortschaft von der Seuche verschont. In vielen Fällen verseuchten
nach und nach sämmtliche Gehöfte eines Ortes, in anderen ebenfalls zahlreichen
Ausbrüchen beschränkte sich die Krankheit auf das zuerst ergriffene Gehöft oder
auf wenige Bestände des Ortes. Nicht selten wurde beobachtet, dass die Seuche
in einen anderen Stall desselben Gehöftes nicht eindrang, oder es blieben sogar
einige Thiere des Seuchestalles gesund, ln Gross-Schönebeck, Kr. Ost-Priegnitz,
Reg.-Bez. Potsdam, erkrankte jedoch eine Kuh sehr heftig, nachdem dieselbe im
Berichtsquartal bereits einmal durchgeseucht hatte.
Die Krankheit trat meistens in Form der Maulseuche und sehr gutartig auf,
selbst grössere Viehbestände seuchten in verhältnissmässig kurzer Zeit durch.
Auch wenn die Klauen ohne gleichzeitige AfTection der Maulschleimhaut ergriffen
wurden, verlief die Krankheit in der Regel gutartig, das Durchseuchen der Be¬
stände erforderte dann jedoch längere Zeit. , Langwierige bösartige Nachkrank¬
heiten sind besonders bei solchen Rindern beobachtet worden, welche schon vor
Ausbruch der Seuche mit Klauenübeln behaftet waren.
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Kleinere Mittheilungen.
473
Als an der Seuche gefallen bezw. in Folge derselben getödtet erwähnen die
Berichte: 17 Stück Rindvieh, 15 Schafe, 2 Ziegenlärhmer und 4 Schweine. In
die 17 Stück Rindvieh sind 8 Kälber eingeschlossen, welche, ebenso wie die 2
Ziegenlämmer, nach dem Genüsse der Milch aphthenkranker Mutterthiere erkrankt
waren. Ein Todesfall bei dem Rindvieh ist durch Complication mit bösartigem
Catarrhalfieber, ein zweiter durch Septicämie nach dem Brandigwerden der
Weichgebilde an den Fussenden veranlasst worden. Eine Kuh musste wegen
Lähmung geschlachtet werden.
Die Berichte des Landdr. Bez. Hildesheim erwähnen, dass bei Menschen
nach dem Genüsse der Milch aphthenkranker Kühe mehrfach Bläschen im Munde
beobachtet worden sind.
3. Lungenseuche. Die Zahl der Kreise, Ortschaften und Gehöfte, in
denen Fälle von Lungenseuche vorgekommen sind, hat sich gegen das vorher¬
gehende Quartal, wie die nachstehende Vergleichung zeigt, etwas vermindert;
dagegen haben die starken Verluste, welche einzelne Viehbestände erlitten, zur
Folge gehabt, dass die Zahl der erkrankten, gestorbenen und getödteten Thiere
wesentlich grösser geworden ist:
Quartal
October-Decbr.
Januar-März.
Zahl der Kreise.
36
31
,, * Ortschaften . . . ’..
63
59
„ „ Gehöfte.
96
85
Gesammtbestand der verseuchten Gehöfte
2258St.Rindv.
2260St.Rindv.
Erkrankt.
285 „
434 „
Gefallen .
12 „
22 „
Auf polizeiliche Anordnung getödtet . .
252 „
403 „
Auf Veranlassung der Besitzer „ . .
25 „
72 .
Am Schlüsse des Berichtsquartals blieben
verseucht .
86 Gehöfte
73 Gehöfte.
Frei von der Lungenseuche waren: die Provinzen Ostpreussen, Pommern,
Schleswig-Holstein, Westfalen, die Hohenzollernschen Lande, die Stadt Berlin,
die Reg.- bezw. Landdr.-Bez. Marienwerder, Breslau, Liegnitz, Lüneburg, Stade,
Osnabrück, Aurich, Koblenz und Köln.
Die 434 an der Lungenseuche erkrankten Stück Rindvieh vertheilen sich in
abgerundeten Procentsätzen, wie folgt, auf die Provinzen:
Westpreussen. 1,80 pCt. Sachsen. 47,00pCt.
Brandenburg. 8,00 „ Hannover. 22,30 „
Posen. 7,10 „ Hessen-Nassau. 5,30 „
Schlesien. 6,00 „ Rheinprovinz . 2,50 *
100,00pCt.
Fast die Hälfte aller Erkrankungen entfällt mithin, wie in früheren Quar¬
talen, auf die Provinz Sachsen. Der Procentsatz ist in Folge umfangreicher Ver¬
seuchungen einzelner Viehbestände in Hannover erheblich gestiegen, hat sich
dagegen in der Provinz Posen gegen früher sehr vermindert.
Die 497 gefallenen und getödteten Stück Rindvieh betragen etwa 22 pCt.
des Gesammtbestandes aller Seuchegehöfte. Das einzige Seuchegehöft in der
Arehir L wisaonsoh. und prakt Thierheilk. VII. 6 . 31
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474
Kleinere Mitteilungen.
Provinz Westpreussen war ein Gut des Kreises Pr. Stargard, Reg.-Bez. Danzig,
in welchem das Herrschen der Seuche seit dem vorigen Quartal fortdauert.
Im Reg.-Bez. Potsdam beschränkte sich das Auftreten der Seuche auf ein
Gut des Kreises Ober-Barnim; im Reg.-Bez. Frankfurt auf einen einzelnen Fall
in einem Bestände von 3 Stück des Kreises Königsberg i. N. In das zuerst ge¬
nannte Gut würde die Seuche durch von einem Händler aus Schlesien angekaufte
Ochsen unbekannten Ursprungs eingeschleppt. Auf dem Berliner Schlachtvieh¬
markt wurden 4 aus Seucheherden eingeführte Transporte abgeschlachtet; die¬
selben bestanden aus 122 Stück Rindvieh, von denen sich bei der Section 28
mit der Krankheit behaftet zeigten.
In ein Vorwerk des Kreises Buk, Reg.-Bez. Posen, wurde die Seuche durch
zum Mästen angekauftes Vieh eingeschleppt, dieselbe verbreitete sich auf den
Bestand des Hauptgutes. In einem Viehbestände des Kreises Kosten kam ein
vereinzelter Fall von Lungenseuche vor. Die Krankheit machte in einem seit
dem vorigen Quartal verseuchten Bestände des Kreises Bromberg die Tödtung von
2 Stück Rindvieh erforderlich. Abgesehen von diesen 4 Gehöften war die Lun¬
genseuche in der Provinz Posen getilgt.
Ueber den Ausbruch der Lungenseuche in dem Viehbestände eines Gutes
im Kreise Neisse, Reg.-Bez. Oppeln, wird berichtet, dass die Krankheit daselbst
schon seit dem Jahre 1877 herrsche, jedoch durch Abschlachtung der erkrankten
Thiere niedergehalten worden sei. Die Seuche wurde auf ein zweites Gut des¬
selben Besitzers verschleppt und ausserdem an einem dritten Orte bei 5 Ochsen
constatirt, welche ein Fleischer aus dem zuerst genannten Gutsbestande gekauft
hatte. In einem seit längerer Zeit verseuchten Dorfe des Kreises Pless wurde
während des Berichtsquartals der Viehbestand des siebenten Gehöftes ergriffen.
Die altmärkischen Kreise des Reg.-Bez. Magdeburg blieben frei von Lungen¬
seuche, ebenso kamen in den Kreisen Halberstadt und Oschersleben keine Neu¬
ausbrüche während des Berichtsquartals vor. Die 37 in den übrigen Kreisen
des Reg.-Bez. verseuchten Gehöfte entfallen zum grossen Theil auf Ortschaften,
in denen die Krankheit schon seit längerer Zeit herrscht. Die Erkrankungen
folgten in einzelnen Beständen vielfach nach auffallend langen Zwischenräumen;
zwei Ausbrüche wurden durch Ankauf von Vieh im Herzogthum Braunschweig,
drei durch Ankauf von Vieh auf Märkten der Provinzv vermittelt; in einem Falle
erkrankte zuerst ein aus der Schweiz eingeführter Simmenthaler Bulle. In 2
Gütern des Kreises Merseburg, Reg.-Bez. Merseburg, dauerte das Herrschen der
Krankheit unter bedeutenden Verlusten seit dem vorigen Quartal fort; in einem
Orte des Mansfelder Gebirgskreises verseuchten zwei Gehöfte eines Ortes, in wel¬
chem die Krankheit vor längerer Zeit constatirt werden war, im Mansfelder See¬
kreise ein Gehöft 10 Monate nach einem anderen desselben Ortes. Die
Einschleppung in einen Viehbestand des Kreises Sangerhausen erfolgte durch
Ankauf von Ochsen, welche bald nach ihrer Ankunft unmerklich durchgeseucht
hatten. Im Reg.-Bez. Erfurt wurde die Krankheit nur bei einer Kuh beobachtet.
Die 6 in den Kreisen Hildesheim, Einbeck und Göttingen, Landdr.-Bez.
Hildesheim, verseuchten Viehbestände erlitten bedeutende Verluste; in einem
dauerte das Herrschen aus dem vorigen Quartal fort, drei Ausbrüche erfolgten
durch in Bayern angekaufte Zugochsen, einer durch Ankauf eines Bullen aus
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Kleinere Mittheilungen.
475
Ostfriesland, welcher sich in den Ställen des Händlers inficirt hatte, ein Ausbruch
endlich durch Berührung mit krankem Vieh der Nachbarschaft.
Von den 6 verseuchten Beständen des Reg.-Bez. Kassel entfallen 1 auf die
Stadt Eschwege, — die seit dem vorigen Quartal herrschende Seuche wurde
durch Abschlachten des Bestandes getilgt, — 3 auf die Stadt Fulda, 2 auf den
Kreis Gersfeld. In einem Orte des letzteren herrscht die Krankheit seit längerer
Zeit, sie wurde aus demselben in den Viehbestand eines benachbarten Dorfes
verschleppt. Der durch Ankauf von Vieh auf dem Markt in Wetzlar bedingte
Ausbruch der Lungenseuche in einem Orte des Dillkreises, Reg.-Bez. Wiesbaden,
wurde erst bekannt, nachdem die Bestände von 6 Gehöften verseucht waren.
Das Auftreten der Lungenseuche in der Rheinprovinz beschränkte sich auf
je ein Gehöft der Kreise Krefeld, Reg.-Bez. Düsseldorf, — seit dem vorigen
Quartal verseucht, — St. Wendel, Reg.-Bez. Trier, — Einschleppung aus dem
Fürstenthum Birkenfeld, — und Jülich, Reg.-Bez. Aachen, — Einschleppung
durch in Süddeutschland angekauftes Vieh.
Ueber die Einschleppung der Lungenseuche aus dem Auslande liegen fol¬
gende Mittheilungen vor: 3 Ausbrüche wurden bedingt durch Ankauf von Vieh
aus Bayern, 2 Ausbrüche durch Ankauf aus Braunschweig, je einer aus dem
oldenburgischen Fürstenthum Birkenfeld, aus Süddeutschland und der Schweiz.
Von den in 76 Beständen auf polizeiliche Anordnung getödteten 403
Stück Rindvieh entfallen auf grössere Güter 30,30 pCt. der Bestände und 70,95
pCt. der getödteten Thiere, der Rest auf kleinere Besitzungen. Dieselben Ver-
hältnisszahlen für die Provinzen Westpreussen, Brandenburg, Posen, Schlesien,
Sachsen und Hannover, in denen die grösseren Güter liegen, berechnet, ergeben
für die letzteren 37,70 pCt. der Bestände und 72,20 pCt. der getödteten Thiere.
Der Verlust an letzteren betrug in den grösseren Gütern durchschnittlich 11,90,
in den kleineren Besitzungen 17,90 pCt. des vorhandenen Bestandes.
Ueber die Impfung wird nur erwähnt, dass dieselbe in einem Viehbestände
des Kreises Sangerhausen sehr guten Erfolg hatte und in einem anderen des
Kreises Ober-Barnim bei keinem Thier wahrnehmbare Reaction hervorrief. Aus
dem Reg.-Bez. Magdeburg wird nur von dem Berichterstatter für den Kreis
Oschersleben mitgetheilt, „dass das Ausbleiben von Neuausbrüchen der Lungen¬
seuche jedenfalls den gelungenen Impfungen zugeschrieben werden müsse. “
4. Rotz-Wurmkrankheit. Die nachstehende Vergleichung würde eine
erhebliche Abnahme der Rotzfälle nachweisen, wenn nicht in Betracht gezogen
werden müsste, dass die Zahl der im Reg.-Bez. Oppeln gefallenen und getödteten
rotzkranken Pferde während des Quartals Oetober-December v. J. 268 betragen
hat und während des Berichtsquartals auf 78 gesunken ist.
Quartal October-Decbr. Januar-März.
Zahl der Kreise. 129 108
„ „ Ortschaften . 255 194
„ „ Gehöfte. 322 225
Gesammtbestand der verseuchten Gehöfte . 2817 Pferde 2345 Pferde
Erkrankt. 614 „ 500 „
Gefallen. 20 „ 35 „
31*
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476
Kleinere Mittheilangen.
Quartal October-Decbr. Januar-März.
Auf polizeiliche Anordnung getödtet ... 541 „ 414 „
Auf Veranlassung der Besitzer „ ... 105 „ 24 „
Am Schluss des Berichtsquartals blieben
verseucht. 165 Gehöfte 123 Gehöfte
Berechnet man dieselben Zahlen für die beiden Quartale mit Ausschluss des
Reg.-Bez. Oppeln, so ergiebt sich, dass im
Quartal in Kreisen Ortschaften Gehöften getödtet bezw. gefallen sind
October-Decbr. 112 174 194 398 Pferde.
Januar-März 97 154 177 395 -
Die 473 im Berichtsquartal gefallenen und getödteten Pferde bilden etwa
20 pCt. des Gesammtbestandes der Seuchegehöfte, sie vertheilen sich in abge¬
rundeten Procentsätzen, wie folgt, auf die einzelnen Provinzen; die entsprechen¬
den Zahlen des Quartals October-December sind zur Vergleichung gegenüber¬
gestellt:
Quartal October-Decbr. Januar-März.
Ostpreussen.
4,65 pCt.
3,40 pCt.
Westpreussen.
16,20 „
27,25 „
Brandenburg .
6,15 .
11,45 ,
Pommern.
6,75 ,
7,00 „
Posen .
10,85 „
11,65 ,
Schlesien.
44,75 ,
25,60 ,
Sachsen.
3,45 ,
3,60 .
Schleswig-Holstein . . .
0,15 „
0,60 .
Hannover.
1,65 „
0,60 .
Westfalen.
1,05 ,
0,00 ,
Hessen-Nassau.
1,20 „
1,05 ,
Rheinprovinz.
3,15 „
7,40 „
Hohenzollernsche Lande .
0,00 r
0,40 *
100,00 pCt. 100,00 pCt.
Die Berechnung zeigt, dass über die Hälfte aller Verluste auf die Provinzen
Westpreussen und Schlesien, fast V 4 der Verluste auf die Provinzen Brandenburg
und Posen entfällt.
Frei von der Rotzkrankheit blieben die Provinz Westfalen und die Reg.-
bezw. Landdr.-Bez. Stralsund, Stade, Osnabrück, Aurich, Kassel und Aachen;
1, 2 oder 3 rotzkranke Pferde entfallen auf die Reg.- bezw. Landdr.-Bez. Stettin
(1 Pferd auf der Rossschlächterei in Stettin ermittelt), Erfurt (1 kurze Zeit vor¬
her angekauftes Pferd), Schleswig (1 Pferd auf der Rossschlächterei in Altona
ermittelt, 2 Pferde im Kreise Sonderburg, Einschleppung durch ein in Dänemark
angekauftes Pferd), Hannover (das eine Pferd bildete den ganzen Bestand des
Besitzers), Hildesheim (1 Pferd auf der Rossschlächterei in Vienenburg ermittelt),
Lüneburg (I kurz vorher angekauftes Pferd eines Lumpenhändlers) und Sigma¬
ringen (sämmtliche 2 Pferde eines Bauern erwiesen sich mit Lungenrotz be¬
haftet, als sie nach längerer Observation getödtet wurden).
Die 9 im Reg.-Bez. Königsberg getödteten und gefallenen Pferde vertheilen
sich auf 6 Bestände in den Kreisen Mohrungen, Osterode, Rössel und in der
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Kleinere Mittheil angen.
477
Stadt Königsberg. Ein Pferd war kurz vorher angekauft. In dem Remontedepot
Pr. Mark wurden sämmtliche 56 Arbeitspferde auf Anordnung der Militärbehörde
getödtet. Die Rotzkrankheit soll — lediglich in Form des Lungenrotzes — seit
langer Zeit unter den Pferden geherrscht haben. Bei der Section erwiesen sich
angeblich l / 5 hochgradig, % im geringeren Grade, 2 / 5 nicht rotzkrank. Unter
den Remontepferden ist bisher kein Fall von Rotzkrankheit vorgekommen. Die
56 Pferde sind — weil dem Militär gehörig — bei Zusammenstellung der Ge-
^neralübersicht nicht berücksichtigt worden. Die 7 Rotzfalle des Reg.-Bez. Gum¬
binnen vertheilen sich auf 4 Gehöfte in den Kreisen Ragnit (sämmtliche 3 Pferde
eines Bauern, welcher die Krankheit längere Zeit verheimlicht hatte), Sensburg
(1 Pferd in einer alten Rotzstation) und Angerburg.
Von den 63 Rotzerkrankungen des Reg.-Bez. Danzig entfallen 45 auf zu¬
sammen 3 grössere Pferdebestände der Kreise Marienburg und Pr. Stargard,
unter denen die Rotzkrankheit seit längerer Zeit herrscht, 18 auf 10 Bestände
in den Kreisen Berent, Pr. Stargard und im Landkreis Danzig. In 4 früher
verseucht gewesenen Beständen brach die Rotzkrankheit nach längeren Zwischen¬
zeiten während des Berichtsquartals von Neuem aus. Der Reg.-Bez. Marienwer¬
der enthält zahlreiche alte Rotzherde auf 13 Gehöfte in den Kreisen Graudenz,
Kulm, Löbau, Marienwerder, Rosenberg, Schlochau, Strassburg, Stuhra undThorn
mit einem Gesammtbestande von 270 Pferden entfallen 43 Rotzerkrankungen,
die übrigen 23 vertheilen sich auf 13 Bestände in allen Kreisen mit Ausnahme
von Flatow, Könitz und Dt. Krone. Aus dem Kreise Tuchei ist kein statistisches
Material eingegangen. In einem Bestände des Kreises Marienwerder trat die
Rotzkrankheit nach 6 monatlicher Pause von Neuem auf, 2 rotzkranke Pferde
waren kurz vorher angekauft worden.
Von 20 im Reg.-Bez. Potsdam getödteten Pferden entfallen 9 auf ein Gut
des Kreises West-Havelland, welches im Quartal October-December 8 Pferde ver¬
loren hatte, 3 bildeten den Bestand eines Omnibushalters in Wrietzen, die an¬
deren 8 Pferde vertheilen sich auf 6 Gehöfte mit 9 Pferden der Kreise Prenzlau,
Ruppin und Teltow. Ein Pferd war kurze Zeit vorher angekauft. Die 6 rotz¬
kranken Pferde des Reg.-Bez. Frankfurt gehörten 5 Beständen mit zusammen 7
Pferden der Kreise Friedeberg (das letzte Pferd eines alten Rotzherdes), Königs¬
berg i. N., Landsberg, Soldin und der Stadt Frankfurt an. In Berlin kamen unter
9 Beständen mit zusammen 211 Pferden 28 Rotzerkrankungen vor, drei Besitzer
verloren von ihrem 102 Pferde betragenden Gesammtbestande 21, in einem Be¬
stände folgten die Erkrankungen sehr schnell auf einander. Vier Pferde waren
kurz vorher angekauft worden.
Das Herrschen der Krankheit in einem Gute des Kreises Schlawe, Reg.-Bez.
Köslin, wurde während des Berichtsquartals durch den Ausbruch des Rotzes in
2 Gehöften bekannt, welche Pferde dieses Gutes gekauft hatten. Von 53 Pfer¬
den mussten 21 getödtet werden. Die Krankheit soll unter diesem Pferde-
bestande schon seit dem Jahre 1878 herrschen, und bis zur Constatirung sollen
ungefähr 51 Pferde theils getödtet worden, theils gefallen sein. Ausserdem kamen
in zusammen 6 Pferdebeständen der Kreise Belgard, Dramburg, Schlawe und
Stolp 11 Rotzfälle vor. Drei rotzkranke Pferde waren kurz vorher angekauft
worden.
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478
Kleinere Mittheilungen.
Von 37 im Reg.-Bez. Posen beobachteten Rotzerkrankungen entfallen 21
auf ein Gut des Kreises Pieschen, welches seit Constatirung der Krankheit
sämmtliche 41 Pferde verloren hat, 16 auf 14 Bestände der Kreise Kosten, Kro-
toschin, Obornik, Posen, Samter, Schrimm und Schroda; in 3 dieser Bestände
dauert das Herrschen der Krankheit aus dem vorigen Quartal fort. Drei rotz-
kranke Pferde waren kurz vorher angekauft. Im Reg.-Bez. Bromberg ist die Zahl
der Rotzfälle von 41 im Quartal October-December auf 18 im Berichtsquartal
gesunken; letztere vertheilen sich auf 15 Bestände; die Krankheit erlangte in
keinem eine grössere Verbreitung, jedoch blieb, mit Ausnahme von Kolmar, kein
Kreis frei von der Rotzkrankheit. Drei Pferde waren kurz vorher angekauft. Von
den 55 Rotzerkrankungen der Provinz Posen entfallen 5 auf Pferde, weiche Han¬
delsleuten oder Handwerkern in den kleinen Städten gehörten.
Die 28 rotzkranken Pferde des Reg.-Bez. Breslau vertheilen sich aut 24
mit zusammen 79 Pferden besetzte Gehöfte in 12 Kreisen. Die meisten rotz¬
kranken Pferde gehörten Handelsleuten, welche ihr Gewerbe im Umherziehen be¬
treiben; die Infection soll besonders häufig unterwegs erfolgt sein. Die 4 Rotz¬
fälle im Kreise Habelschwerdt sind angeblich durch Einschleppung aus dem
mährischen Städtchen Jauernik veranlasst worden und die ersten in diesem Kreise
seit dem Jahre 1878. Drei Pferde waren kurz vorher angekauft. In 7 Bestän¬
den des Reg.-Bez. Liegnitz mit zusammen 29 Pferden kamen 15 Rotzfälle vor,
davon 4 bei dem Restbestande eines Gehöftes im Kreise Goldberg-Haynau. Vier
Pferde waren kurz vorher angekauft. Von den 78 Rotzerkrankungen des Reg.-
Bez. Oppeln entfallen 30 auf den Kreis Beuthen und 21 auf den Kreis Tost-
Gleiwitz. Frei von der Rotzkrankheit blieben die Kreise Falkenberg, Grottkau,
Kosel, Kreuzburg, Neisse, Ratibor und Rybnik. Ein Gut im Kreise Beuthen verlor
10, ein zweites im Kreise Gleiwitz 9, ein drittes im Kreise Rosenberg 6 Pferde.
In dem zuletzt genannten Gute brach die im Frühjahr 1880 anscheinend getilgte
Rotzkrankheit von Neuem aus. Die zahlreichsten Rotzausbrüche kamen bei
Pferden vor, welche zum Betriebe von Fuhrwesen gehalten werden oder wenig¬
stens viel auf der Landstrasse verkehrten. Sieben rotzkranke Pferde waren kurze
Zeit vorher angekauft worden, je 2 stammten aus Polen und Galizien. Die Kgl.
Regierung hatte die thierärztliche Untersuchung sämmtlicher Pferde des Kreises
Beuthen angeordnet, hierbei wurden 3 rotzkranke Pferde ermittelt.
Im Reg.-Bez. Magdeburg wurden 10 Rotzfälle beobachtet, unter denselben
6 bei Pferden eines Gutes im Kreise Kalbe, welches im Quartal October-Decem¬
ber v. J. bereits 4 Pferde verloren hatte. Die übrigen Rotzerkrankungen, ebenso
die 6 im Reg.-Bez. Merseburg, blieben vereinzelt und kamen durchweg in kleinen
Beständen vor. Zwei Pferde waren kurz vorher angekauft worden.
Von den 5 im Reg.-Bez. Wiesbaden getödteten bezw. gefallenen Pferden
bildeten 4 den ganzen Bestand zweier Gehöfte im Ober-Westerwaldkreis, ein rotz-
krankes Pferd wurde auf der Rossschlächterei in Frankfurt a. M. ermittelt. Ein
Pferd war kurz vorher angekauft worden.
In Haberscheid, Kr. Neuwied, Reg.-Bez. Koblenz, erwiesen sich sämmtliche
5 Pferde eines Fuhrmannes, welcher Eisenerze transportirte, rotzkrank. Demsel¬
ben Besitzer waren vom Mai 1880 bis zur Constatirung des Rotzes im Januar
1881 bereits 8 Pferde gefallen; während dieser Zeit hatte vielfache Berührung
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Kleinere Mittheilungen.
479
zwischen den Pferden dieses Besitzers und über 400 in derselben Weise beschäf¬
tigten stattgefunden. Bei Untersuchung der zuletzt genannten Pferde fanden sich
3 rotzkrank und eine grössere Anzahl mit verdächtigen Erscheinungen behaftet.
Unter den Pferden der Tramway-Gesellschaft in Elberfeld brach die Rotzkrank¬
heit nach längerer Pause von Neuem aus; dieser Bestand verlor 3, der eines
Fuhrmanns in Elberfeld 6 Pferde. Die übrigen 8 Rotzfälle des Reg.-Bez. Düs¬
seldorf vertheilen sich auf 5 Gehöfte mit zusammen 9 Pferden der Kreise Kem¬
pen, Lennep, Mettmann und Neuss. Drei Pferde eines Besitzers in Köln sollen
sich auf Reisen inficirt haben; ausserdem wurde die Rotzkrankheit bei 2 Pferden
auf der Rossschlächterei ermittelt. Im Reg.-Bez. Trier beschränkte sich die Rotz¬
krankheit auf den Kreis Saarbrücken. Durch ein angekauftes Pferd wurde die¬
selbe von Neuem ir. den früher stark verseuchten Bestand der Grube Dudweiler
sgingeschleppt; in der Gerhardgrube kam der erste Fall seit dem Jahre 1875 vor.
Ein rotzkrankes Pferd gehörte französischen Saarschiffern. Von den 35 rotzkran¬
ken Pferden der Rheinprovinz waren 4 kurze Zeit vor Constatirung der Krank¬
heit angekauft worden.
Vierzig im Berichtsquartal rotzkrank befundene Pferde waren erst seit kurzer
Zeit im Besitz der betreffenden Eigenthümer; zusammen 9 rotzkranke Pferde
wurden auf Märkten, 11 in Rossschlächtereien, 2 auf offener Strasse ermittelt;
11 Ausbrüche der Rotzkrankheit sollen durch Infection auf Reisen veranlasst
worden sein; 3 rotzkranke Pferde stammten aus Mähren, je 2 aus Polen und Ga¬
lizien, je 1 aus Dänemark und Frankreich. In 8 Beständen brach die Rotzhrank-
heit nach längeren Zwischenzeiten in früher verseucht gewesenen Beständen von
Neuem aus.
Von den verseuchten Beständen und den auf polizeiliche Anordnung ge-
tödteten Pferden entfallen:
verseuchte Bestände auf pol. Anordn. get. Pferde
auf grössere Güter. 22,40 pCt.- 46,60 pCt.
auf kleinere Ackerwirthschaften 32,60 * 23,00 *
auf Fuhrwerksbetrieb. 38,00 * 27,00 „
Unbestimmt. 7,00 „ 3,40 *
Berechnet man dieselben Verhältnisszahlen für die Provinzen Ostpreussen,
Westpreussen, Brandenburg (excl. Berlin), Pommern, Posen und Schlesien, so
stellen sich dieselben, wie folgt:
t verseuchte Bestände auf pol. Anordn. get. Pferde
grössere Güter. 28,10 pCt. 55,40 pCt.
kleinere Ackerwirthschaften .. 33,65* 23,10*
Fuhrwerksbetrieb . 30,80 * 18,00 *
Unbestimmt. 7,45 * 3,50 *
Bei 30 auf polizeiliche Anordnung getödteten Pferden (= 7,25 pCt.)
wurde das Vorhandensein der Rotzkrankheit durch die Section nicht bestätigt.
Die 30 Pferde vertheilen sich auf 14 Pferdebestände mit zusammen 268 Pferden,
von denen im Ganzen 86 getödtet worden sind.
Ueber Erkrankungen von Menschen in Folge von Rotzinfection ist wäh¬
rend des Berichtsquartals nichts bekannt geworden.
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480
Kleinere Mittheilungen.
5. Scbafpocken. Ausbrüche der natürlichen Pocken kamen in 95 Schaf¬
beständen vor, welche sich auf 37 Ortschaften der Reg.- bezw. Landdr.-Bez.
Königsberg, Gumbinnen, Marienwerder, Frankfurt, Stettin, Stralsund, Posen,
Bromberg, Magdeburg, Merseburg, Erfurt, Hildesheim und Lüneburg vertheilen.
Ausserdem wurde die Schutzimpfung in 2 Lammerheerden der Insel Rügen vor¬
genommen. In Folge der Pockenausbrüche des Berichtsquartals sind 254 Schafe
gestorben.
Das statistische Material bestätigt wiederum die Erfahrung, dass die Pocken¬
seuche im Quartal Januar-März jeden Jahres, d. h. in der Zeit, während welcher
Schutzimpfungen der Lämmer nur ausnahmsweise vorgenommen werden, stets
sehr viel weniger verbreitet, als in den letzten 3 Quartalen des Kalenderjahres
auftritt.
Der grösste Theil der Pockenausbrüche wird als Nachzügler der im vorigen
Quartal vorgekommenen bezeichnet, d. h. derselbe entfällt auf dieselben Orte, in
denen die Pocken während des Quartals October-December geherrscht hatten oder
auf die Nachbarschaft solcher Ortschaften. Die Einschleppung erfolgte ausser¬
dem öfter durch Schafe neu angezogener Dienstleute oder durch angekaufte Han-
delsschafo, welche meistens aus Pommern oder Mecklenburg eingeführt worden
waren.
Das statistische Material berichtet über einige Pockenausbröche, welche im
Quartal October-December v. J. vorgekommen, jedoch bis dahin nicht erwähnt
sind; ferner über das Erlöschen von Pockenausbrüchen früherer Quartale und
über die durch letztere herbeigeführten Verluste, welche wesentlich grösser
waren, als die ersten Angaben annehmen Hessen.
6. Der Bläschenausschlag der Pferde und des Rindviehs. Der
Bläschenausschlag ist bei 41 Pferden und 102 Stück Rindvieh in 47 Ort¬
schaften vorgekommen, welche .sich auf 19 Kreise der Reg.-Bez. Frankfurt,
Köslin, Breslau, Liegnitz, Merseburg, Erfurt, Schleswig, Arnsberg, Kassel, Wies¬
baden, Trier, Aachen und Sigmaringen vertheilen.
Im Kreise Ohlau, Reg.-Bez. Breslau, erkrankten 34 Stuten, welche von 2
Landbeschälern gedeckt worden waren. Der Ausschlag verbreitete sich bei eini¬
gen Stuten bis auf die innere Schenkellläche und machte sich am 2.—8. Tage
nach dem Begattungsact bemerklich. Auch die Erkrankungen der Pferde in den
anderen Regierungsbezirken kamen bei Landbeschälern oder von denselben ge¬
deckten Stuten vor.
Fälle von Beschälseuche sind nicht beobachtet worden.
7. Räude der Pferde und Schafe. Die Zahl der räudekranken Pferde
betrug 445 (288 mehr als im Quartal October-December), 47 Pferde sind ge¬
fallen bezw. auf Veranlassung der Besitzer, 16 Pferde auf polizeiliche Anordnung
getödtet worden.
Von den 445 räudekranken Pferden entfallen auf:,
Ostpreussen. 36,85 pCt. Schlesien.15,25pCt-
Westpreussen.12,00 » die übrigen Provinzen . . 21.40 »
Posen.14,50 „ 100,00 pCt.
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Kleinere Mittheilungen.
481
Frei von der Pferderäude blieben die Provinz Westfalen, die Hohenzollernschen
Lande, die Reg.- bezw. Landdr.-Bez. Stralsund, Erfurt, Lüneburg, Stade, Osna¬
brück, Aurich, Aachen und Wiesbaden.
Im Reg.-Bez. Königsberg wurde die Räude bei 142 Pferden constatirt,
welche sich auf 30 Bestände in 8 Kreisen vertheilen. Sämmtliche 43 Pferde
eines beim Festungsbau in Königsberg beschäftigten Fuhrunternehmers waren
räudekrank. Ausserdem wurden sämmtliche oder fast sämmtliche Pferde grösserer
Bestände räudekrank befunden in je einem Gehöft der Kreise Stulim, Thorn,
Reg.-Bez. Marienwerder, Jüterbog-Luckenwalde. Reg.-Bez. Potsdam, Fraustadt,
Schroda, Reg.-Bez. Posen. Neumarkt, Reg.-Bez. Breslau. Auf diese eben ge¬
nannten Räudeausbrüche entfallen zusammen 45 Pferde. Im Uebrigen blieben
die Räudeerkrankungen meist vereinzelt, die Krankheit wurde jedoch nicht selten
auf andere Pferdebestände desselben Ortes übertragen.
Zusammen 24 räudekranke Pferde waren kurze Zeit vor Constatirung der
Krankheit angekauft worden, 7 wurden auf Märkten angetroffen. Die Infection
soll vielfach — besonders häufig im Reg.-Bez. Breslau — unterwegs auf Reisen
oder in Gastställen erfolgt sein.
Die Verbreitung der Schafräude hat sich — soweit das dürftige Material
eine Folgerung gestattet — wenig geändert.
Die Räude herrscht noch immer stark unter den Schafen der Provinzen
Hannover, Schleswig-Holstein, Westfalen und Hessen-Nassau. Die Tabellen der
Reg.- bezw. Landdr.-Bez. Kassel, Wiesbaden. Stade, Aurich erwähnen die Räude
gar nicht, die der übrigen Bezirke, mit Ausnahme von Schleswig, berichten theils
nur über wenige Neuausbrüche oder beschränken sich auf ganz allgemeine An¬
gaben über das weit verbreitete Herrschen oder über den unveränderten Stand
der Krankheit. Wir erfahren dabei namentlich folgende Thatsachen: Im Landdr.-
Bez. Hildesheim sind 3 Neuausbrüche constatirt worden, in den früher verseuch¬
ten Ortschaften hat sich an dem Stande der Räude nichts geändert; die letztere
Mittheilung wird aus dem Landdr.-Bez. Osnabrück seit Jahren in jedem Quartal
wörtlich wiederholt. Aus dem Landdr.-Bez. Lüneburg wird über den Ausbruch
der Räude in einer Gemeindeheerde des Kreises Dannenberg berichtet. Im Kreise
Höxter, Reg.-Bez. Minden, sind die meisten Schafheerden, im Kreise Soest, Reg.-
Bez. Arnsberg, etwa 23000 Schafe räudekrank.
Am Schlüsse des Berichtsquartals blieben zusammen 19 Schafbestände der
Kreise Eckernforde, Norderdithmarschen, Oldenburg, Plön, Segeberg, Steinburg
und Stormarn, Reg.-Bez. Schleswig, übrig, in denen die Räude noch nicht ge¬
tilgt worden war. Die Neuausbrüche während des Berichtsquartals waren mei¬
stens bei kurz vorher angekauften Schafen vorgekommen, von denen ein grosser
Theil aus der Provinz Hannover stammte.
Ausserdem erwähnen die Tabellen das Vorkommen der Räude in je 1 grösse¬
ren Heerde der Kreise Friedland, Reg.-Bez. Königsberg, Ober-Barnim, Reg.-Bez.
Potsdam, Kroeben, Schrimm, Reg.-Bez. Posen, Prüm, Reg-Bez. Trier, und in
einzelnen kleinen Schafbeständen der Kreise Mohrungen, Neidenburg, Reg.-Bez.
Königsberg, Schlochau, Reg.-Bez. Marienwerder, Arnswalde, Reg.-Bez. Frankfurt,
Greifenberg, Greifenhagen, Reg.-Bez. Stettin, Kolberg-Körlin, Reg.-Bez. Köslin,
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482 Kleinere Mittheilungen.
Jerichow I, Neuhaldensleben, Reg.-Bez. Magdeburg, Merseburg und Saalkreis,
Reg.-Bez. Morseburg.
Die Einschleppung der Schafräude erfolgte in den meisten Fällen nacbge-
wiesenermassen durch Handelsschafe, welche in je einem Falle aus Anhalt und
aus dem Königreich Sachsen eingeführt waren.
Die Neigung zur schleunigen Tilgung der Räudeausbrüche in kleinen Be¬
ständen durch Abschlachtung aller Schafe scheint nach den Berichten überall in
der Zunahme begriffen zu sein.
8. Tollwuth. In 257 Ortschaften, welche sich auf 125 Kreise verthei¬
len, erkrankten an der Tollwuth 170 Hunde, 6 Pferde, 37 Stück Rindvieh,
1 Schaf und 7 Schweine, und wurden ausserdem 81 herrenlose wuthkranke Hunde
und nach § 111 der Instruction 440 Hunde getödtet. Diejenigen Fälle, hei
denen nicht Tollwuth, sondern nur „Wuthverdacht“ constatirt wurde, sind bei
der obigen Zusammenstellung nicht berücksichtigt worden.
Die zahlreichsten Wutherkrankungen bei Hunden entfallen auf die Reg.-Bez.
Königsberg (24), Gumbinnen (22), Marienwerder (13), Posen (16) und Minden
(15). In den Reg.- bezw. Landdr.-Bez. Danzig, Berlin, Stettin, Köslin, Erfurt,
Liegnitz, Oppeln, Schleswig, Lüneburg, Münster, Kassel und Köln wurde die
Tollwuth nur bei 1, 2 oder 3 Hunden constatirt. Ganz frei von der Krankheit
blieben die Reg.- bezw. Landdr.-Bez. Stralsund, Magdeburg, Aurich, Wiesbaden,
Koblenz, Trier, Aachen und Sigmaringen.
Die Berichte erwähnen auch in diesem Quartal, dass zahlreiche Fälle von
Wuth und Wuthverdacht den beamteten Thierärzten nur aus den Veröffent¬
lichungen der Kreisblätter bekannt geworden sind, und dass die Bestimmungen
des § 111 der Instruction sehr schwer durchzuführen sind, weil die Besitzer in
jeder Weise versuchen, die Tödtung solcher Hunde zu verhindern, welche von
tollen oder tollverdächtigen gebissen worden oder mit den letzteren in nähere
Berührung gekommen sind.
Ein Theil der in Schlesien getödteten herrenlosen wuthverdächtigen Hunde
ist aus benachbarten österreichischen Landestheilen übergelaufen.
Von den 37 an Tollwuth erkrankten Stück Rindvieh entfallen 17 auf den
Reg.-Bez. Potsdam, darunter 16 auf einen Bestand von 26 Stück Rindvieh in
Wochowsee, Kr. Beeskow-Storkow. Die Incubation betrug bei diesen 16 Stück
zwischen 22 und 144 Tage.
Von sicher beobachteten Incubationszeiten erwähnen die Berichte bei:
Hunden je einmal 21. 24 Tage,
Pferden je einmal 12. 15. 184 Tage,
Rindvieh je einmal 16. 19. 20. 22. 25. 26. 30. 35 36. 38. 39.
44. 47. 48. 53. 62. 88. 97. 102. 137. 143. 144. 162, zwei¬
mal 32, dreimal 21 Tage,
Schweinen einmal 25 Tage.
Ein Stück Rindvieh und ein Pferd erkrankten im Berichtsquartal nach
einer Incubation von 143 bezw. 184 Tagen, nachdem während des Quartals
October-December v. J. bereits 3 Stück Rindvieh desselben Bestandes nach
einer Incubation von 30, 37 bezw. 48 Tagen erkrankt waren.
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Kleinere Mittheilungen.
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Die Tabellen berichten über die Wasserscheu bei zwei Menschen, näm¬
lich bei:
1) einem Gärtner in Lehnarten, Kr. Oletzko, Reg.-Bez. Gumbinnen, der¬
selbe war am 17. December 1880 von einem tollen Hunde gebissen
worden und starb am 24. Januar 1881;
2) einer Frau in Kattowitz, Reg.-Bez. Oppeln, dieselbe war am 4. Januar
1881 gebissen worden und starb am 6. April 1881. Müller.
Stomatitis pustulosa contagiosa. Von Moebius, Bezirksthierarzt in Frei¬
berg in Sachsen.
Ein Pferdehändler in Freiberg veranlasste mich am 13. Mai d. J., einen
braunen 4jährigen Wallach, der Geschwüre an den Lippen trug, wegen Rotz zu
untersuchen. Das Pferd war nebst sechs anderen am 26. April d. J. von einem
Händler in Mähren gekauft worden und hatte bis zum obigen Tage keine krank¬
haften Zustände gezeigt.
Ich fand an den Rändern der Ober- und Unterlippe des Wallachs viele
linsengrosse, auch einzelne grössere rundliche Geschwürchen, mit concavem
weissen oder gelben Grunde, ferner viele bis erbsengrosse, harte Knötchen, die
als Vorläufer der Geschwürchen zu betrachten waren. Die Knötchen hatten das
Ansehen von Kuhpocken, und vereinzelt sitzende Geschwürchen glichen einer
frischen Pockennarbe. Knötchen fanden sich weiter an den Backen, auf der
Nase und an der rechten Halsseite in der Richtung gegen das Schultergelenk
vor. Bräunliche Borken hingen halb gelöst an den Lippen und bedeckten in der
Regel zusammengeflossene Geschwürchen. Lymphgefässanschwellungen in der
Nähe der letzteren wurden nicht bemerkt. Aus dem Maule floss viel zäher Schleim.
Beide Kehlgangsdrüsen waren geschwollen und hart, aber nicht adhärent. Als
ich die Maulhöhle des Thieres untersuchen wollte, ward es unduldsam, schlug
mit den Beinen nach vorwärts oder drängte beständig nach rückwärts. Nach
Auflegung einer Bremse ging die Untersuchung leicht von statten. An den Lip¬
penwinkeln, auf der Lade, unter und auf der Zunge bis zu ihrem Grunde, am
Zahnfleisch und an der Lippenschleimhaut, namentlich auf den Ausführungsgängen
der Dräschen, sassen viele kleine Geschwürchen, die sich auf der Lade, den
Maulwinkeln und den Ausführungsgängen der Glandula sublingualis zu höcke¬
rigen, blutschwammähnlichen Massen (Träubchenhaufen nach Eggeling und
Ellenberger) ausgebildet hatten. Diese Geschwürchen waren sonst den auf
der äusseren Haut gleich, manche rund, manche oval, noch andere zusammen¬
geflossen. Schleimhautepithel Verluste bemerkte man an mehreren Stellen. An
der Nase war die Schleimhaut höher geröthet, aber Geschwürchen zeigte sie nicht.
Ein gelber, wässeriger Ausfluss wurde wahrgenommen. Die Conjunctiva der
Augen erschien sehr geröthet. Die Zahl der Pulse betrug 44, die der Athem-
züge 15 pro Minute; die innere Körpertemperatur betrug 38 °C. Im Uebrigen
zeigte das Pferd Appetit, konnte aber der Lippenschwellung wegen nicht ordent-
lieh fressen.
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484
Kleinere Mittheilangen.
Die übrigen 6 Pferde des Händlers, im Alter von 4 und 5 Jahren, ere Me¬
nen zur Zeit gesund.
Das Pferd wurde separirt und durch Kleietränke ernährt. Auf die gesc >1-
lenen Kehlgangsdrüsen rieb ich 30 Grm. Ungt. Cantharid. ein.
Am 14. ur.d 15. Mai war derAlaulzustand derselbe; die linke submaxmare
Lymphdrüse war aufgebrochen.
Am 16. und 17. Mai sah man wesentliche Fortschritte in der Heilung der
Geschwürchen (Abflachung. Bildung von Granulationen); die rechte Drüse war
kleiner geworden.
Am 17. Mai erkrankte ein zweites Pferd, 4jähriger Wallach, der rechts
neben dem ersterkrankten gestanden hatte. Die Erscheinungen waren: Pusteln
und Geschwürchen im Maule, Speicheln, harte Drüsenschwellung, hochrothe Con-
junctiva, gelber, dünner Nasenausfluss. Die Zahl der Pulse betrug 45, die der
Athemzüge 15 pro Minute; die innere Körpertemperatur 38° C. — Man hatte
das Pferd an diesem Tage gefahren und Schwäche in den Vorderfesseln (Ueber-
köthen) bemerkt.
Ich impfte dieses Pferd zweimal mit seinem Speichel an der rechten Hals- -
Seite und mit Lymphe aus den Maulgeschwüren des ersterkrankten an der linken
Halsseite. Die Drüsen wurden nicht eingerieben.
Ein drittes Pferd, 4jähriger Wallach, welcher links neben dem ersterkrank-
teh gestanden hatte, impfte ich mit Speichel der beiden kranken Pferde, und
zwar durch Bestreichen der Maulschleimbaut.
An demselben Abend, es war etwa zwei Stunden nach der Untersuchung,
bekam ich ein heftiges Jucken an der Kückenfläche der rechten Hand. Gleich¬
zeitig röthete sich die Haut. Beide Erscheinungen verschwanden nach Anwen¬
dung eines Seifenbades.
Am 18. Mai war die Heilung des zuerst erkrankten Pferdes weiter fortge¬
schritten. Das zweiterkrankte Pferd zeigte an der rechten Halsseite keine Ver¬
änderungen an der Impfstelle. Auf der linken Seite hingegen, wo es mit Lymphe
aus den Geschwürchen des ersterkrankten Pferdes geimpft war, erschien die
Impfstelle sehr geschwollen, und es hatten sich um diese eine Anzahl Knötchen
gebildet. Im Uebrigen erschien die Maulschleimhaut wie besät mit Geschwürchen.
An der Unterlippe war eine markstiickgrosso Erosion bemerkbar, die wahrschein¬
lich durch Scheuern entstanden war. Die Drüsen im Kehlgange waren etwas
angeschwollen. Das Thier speichelte stark; der Appetit desselben war ziemlich gut.
Das dritte Pferd, welches mit Speichel der beiden ersterkrankten geimpft
worden war, zeigte heute die Initialstadien des Processes. Auch bei diesem Pferde
fand ich die Drüsen des Kehlganges geschwollen und die Conjunctiva sehr ge-
röthet. Die Zahl der Pulse betrug 50, und es athmete 20 Mal pro Minute.
Am 19. Mai zeigte das ersterkrankte Pferd bedeutende Fortschritte in der
Heilung. Am zweiterkrankten waren die Geschwüre von der Beschaffenheit wie
Tags zuvor. Das dritterkrankte Pferd verrieth grosse Empfindlichkeit im Maule.
Vom dritterkrankten Pferde wurde mit Speichel und Lymphe ein Kaninchen
geimpft, und zwar mit dem Speichel zweimal am Ohre und mit der Lymphe an
der inneren Fläche des linken Oberschenkels; ausserdem ward Speichel in das
Maul eingeführt.
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Kleinere Mittheilnngen.
485
Am 20. Mai fingen die Geschwüre des zuletzt erkrankten Pferdes an za
heilen. Das Kaninchen blieb gesund.
Darauf erfolgte bei allen drei Patienten Heilung, und bereits am 25. Mai
sah man bei den zuletzt erkrankten Pferden keine krankhaften Zustände mehr.
Der Verlauf der Krankheit währte beim ersterkrankten Pferde 13, beim
zweiterkrankten 9, beim dritterkrankten 8 Tage.
Bei der mikroskopischen Untersuchung fanden sich in den Inhaltsmassen
der Geschwüre weisse Blutkörperchen und Mikrococcen vor.
Die Krankheit hat Aebnlichkeit mit dem gutartigen Beschälausschlage! Ob
die Krankheit genuin entstehen kann, dürfte vorläufig nicht mit Sicherheit zu ent¬
scheiden sein; nach meiner Meinung ist aber die autochthone Entstehung sehr
wahrscheinlich. Das jugendliche Alter und katarrhalische Affectionen der Luftwege
scheinen den Ausbruch der Krankheit, d. h. die Uebertragung zu begünstigen.
Ein kleiner Beitrag xnr Schlnndkopflähmnng des Pferdes. Von Thierarzt
Bongartz in Bonn.
Meines Wissens ist die Lähmung des Schlundkopfes in der thierärztlichen
Praxis eine seltene Krankheit. Spinola erwähnt dieselbe vorübergehend bei
der Beschreibung der katarrhalischen Bräune; in den meisten thierärztlichen
Lehrbüchern findet man nicht viel über diese wichtige Krankheit. Mir ist die¬
selbe in einem ziemlich ausgedehnten Wirkungskreise nie begegnet. Um so auf¬
fallender musste es daher sein, als sich in einem Monat 3 Fälle zur Beobachtung
darboten, die in ihrem verschiedenen Verlauf und Ausgang auch in weiteren
Kreisen einiges Interesse erregen können. Deshalb möchte ich mir gestatten,
dieselben hier etwas näher zu beschreiben.
I. Fall. Zu Ende des Monats Februar d. J. behandelte ich ein 8jähriges
Wagenpferd ungarischer Race an katarrhalischer Bräune. Von Anfang an traten
Schlingbeschwerden mehr in den Vordergrund als Störungen in der Respiration.
Anschwellung in der Kehlkopfsgegend war gering. Schleimausfluss, vermischt mit
Futterstoffen, ziemlich stark; auch lief beim Saufen aus den Nasenlöchern das
aufgenommene Getränk in fingerdicken Strömen in den vorgehaltenen Eimer zu¬
rück. Fieber war gering, Husten rauh und s hmerzhaft.
Die Behandlung bestand in der Anwendung von Dampfbädern, Einreibung
von Linimentum volatile und später von Unguentum Gantharid. und Verabrei¬
chung von Drusenpulver.
Nach Verlauf von acht Tagen liess der Husten und die Schleimabsonderung
nach, die Schlingbeschwerden dagegen nahmen allmählich derartig zu, dass das
Pferd zum Fressen einer halben Metze Kleie eine halbe Stunde gebrauchte, wobei
dann das Gekaute, eine breiige, schaumige Flüssigkeit darstellend, continuirlich
aus beiden Nasenlöchern abfloss. Wasser wurde begierig aufgenommen, floss
aber ebenso lebhait durch die Nase wieder zurück. Dieser Zustand, in welchem
das früher gut genährte Thier bis zum Gerippe abmagerte, dauerte bis Ende März,
wo eine hinzugetretene Lungenentzündung dem Siechthum ein Ende machte.
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Kleinere Mittheilungen.
Bei der Section fand sich im Schlund- und Kehlkopfe keine krankhafte Ver¬
änderung, welche die Functionsstörungen während der Krankheit hätte erklären
können; die Schleimhaut war glatt, ohne Röthung und Schwellung, wie bei
einem gesunden Pferde. In der Lunge wurden in beiden unteren Hälften kleine
und grössere brandige Herde und Blutaustretungen von Stecknadelkopf- bis Lin¬
sengrösse gefunden; auch waren die unteren Partien des beschriebenen Lungen¬
abschnittes hepatisirt, jedoch enthielten auch diese Theile kleine brandige Herde,
die mit brauner, jauchiger Flüssigkeit angefüllt waren.
Offenbar hatte sich durch Verschlucken eine sogenannte „Fremdkörper¬
lungenentzündung 4 * ausgebildet und den Tod des Thieres veranlasst.
n. Fall. Derselbe betraf einen kräftigen 5jährigen Hengst hiesiger Race;
er erkrankte zu Anfang März an katarrhalischer Bräune und blieben auch bei
diesem die Erscheinungen der Schlundkopflähmung zurück. Nach Verlauf von
ca. 14 Tagen waren die Zeichen der beschriebenen Lähmung ausschliesslich vor¬
handen, während das Thier sich im Uebrigen munter und lebhaft zeigte. Husten
trat immer während der Futteraufnahme ein, und dabei eines Tages so stark,
dass das Pferd in Folge dessen an einem heftigen Blutsturz, an Lungenblutung,
zu Grunde ging. Die Quantität Blut, welche bei diesem Anlass entleert wurde,
betrug mindestens einen grossen Stalleimer voll.
Die Obduction konnte keine materielle Veränderung in der Schleimhaut des
Schlundkopfes nachweisen, auch die Umgebung schien gesund zu sein. In der
Lunge fanden sich die Erscheinungen der Verblutung.
III. Fall. Zu derselben Zeit erkrankte ein Wagenpferd, englische Voll¬
blutstute, 9jährig, an katarrhalischer Bräune. Die auch hier zurückgebliebenen
Schlingbeschwerden zeigten sich hochgradig genug, um in weiteren vier Wochen
eine erhebliche Abmagerung einzuleiten, welche das Leben des Thieres in Frage
zu stellen drohte. Nunmehr consultirte ich wegen dieser Angelegenheit einen
Professor an der hiesigen Hochschule, welcher die Freundlichkeit hatte mir mit-
zutheilen, dass beim Menschen Lähmung des Schlundkopfes eine häufige Folge¬
krankheit der Diphtheritis sei. Zur Heilung derselben genüge in der Regel Be¬
wegung in der frischen Luft, kräftige Diät, und in hartnäckigen Fällen die An¬
wendung des galvanischen Stromes.
Da ich von diesen Mitteln für meine Zwecke nicht viel hoffen konnte, weil
die beiden letzteren nicht gut anwendbar waren, Bewegung in der frischen Luft
bei dem herrschenden Nordostwinde nicht statthaft erschien, versuchte ich das
Strychninum nitricum, und zwar subcutan in der Schlundkopfgegend, in Dosen
von 5—10 Cgrm., wöchentlich zwei- bis dreimal. Dabei Hessen sich nach Appli¬
cation der kleineren Dosis, 5—8 Minuten nach der Injection, unwillkürliche
heftige Kau- und Schlingbewegungen, Aufheben der Vorderfüsse, Zuckungen in
verschiedenen Muskelgruppen und grosse Schreckhaftigkeit bei Geräuschen, beim
Zurufen etc. constatiren. welche Erscheinungen sich in einer halben bis ganzen
Stunde wieder verloren. Nach Injection von0,10Strychn. nitr. traten heftige, teta¬
nusähnliche Krämpfe, schwankende Bewegungen des Körpers, unwillkürliches Er¬
heben des Vordertheils wie beim Springen, Muskelzittern, tiefe, weit hörbare Re¬
spiration mit Aufreissen der Nasenlöcher und starkem Flankenziehen ein, und
dauerte es mehr als 1 l / 2 Stunde, ehe der Zustand des Pferdes wieder als normal
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Kleinere Mittheilungen.
487
bezeichnet werden konnte. Die Wirkung eines Decigrm. Strychn. nitr. schien dem¬
nach einer Vergiftung sehr ähnlich zu sein, weshalb für die Zukunft nicht mehr
wie 5—6 Cgrm. verwendet wurden. Nach Verlauf von drei Wochen trat eine
merkbare Besserung ein; Patient konnte feste Futterstoffe, Hafer, Kleie und
Heu wieder schlucken, ohne dass ein Theil derselben durch die Nase abfloss.
Einige Wochen später floss auch beim Saufen kein Wasser, sondern nur eine
kleine Quantität grünlichen Schleimes in den Wassereimer zurück. Jedoch auch
dieses verlor sich allmählich, der Appetit wurde lebhafter, und das stark abge¬
magerte Pferd erholte sich verhältnissmässig schnell, so dass es heute, nach Ver¬
lauf von ca. 8 Wochen, als geheilt betrachtet werden kann.
Beweist ein einzelner Fall auch nicht viel, so dürfte der günstige Erfolg
doch zu weiteren Versuchen in der gedachten Richtung Veranlassung geben.
Vielleicht finden sich auch berufenere Kräfte, die durch eingehende histologische
Untersuchungen der ursprünglich erkrankten und der secundär gelähmten Theile
eine festere Basis für die Therapie zu schaffen suchen.
Natrium jodicnm, ein fieberwidriges Mittel, bei der Influenza der
Pferde versucht. Von Krüger, Oberrossarzt in Brandenburg a. H.
Je mehr man die Bedeutung der Fiebertemperatur kennen lernte und
namentlich die mit einer länger andauernden Temperatursteigerung für den
Körper verbundene Gefahr der Herz- und Gehirnparalyse erkannte, um so mehr
musste sich auch der Praktiker nach einem wirksamen Antipyreticum umsehen.
Die früher als solche empfohlenen Substanzen, wie der Salpeter, büssten ihren
Ruf bald ein, als man das Thermometer zur Controle ihrer Wirkung benutzte;
die Anwendung der neuerdings in der Menschonheilkunde als wirksam erkannten
Fiebermittel, wie namentlich Chinin und Salicylsäure, ist in der Thierheil¬
kunde, wenigstens bei grösseren Thieren, oftmals des hohen Preises wegen be¬
schränkt. So fehlt es dem praktischen Thierarzt auch heute noch an einem
brauchbaren Antipyreticum. In dem letzten Bande des Archivs für experimen¬
telle Pathologie und Pharmakologie hat Binz auf Grund seiner an Kaninchen
angestellten Versuche das jodsaure Natrium als Fiebermittel empfohlen. Diese
Substanz erschien mir um so mehr willkommen, als sie sich subcutan appliciren
lässt und den bekannten Fiebermitteln im Preise bedeutend nachsteht. Ich be¬
nutzte daher die im letzten Winter in dem hiesigen Kürassier-Regiment in grosser
Verbreitung aufgetretene Influenza, um das neueMittel zu prüfen. Dasselbe wurde
in subcutaner Injection an verschiedenen Körperstellen zur Anwendung gebracht.
An folgenden Pferden sind Versuche angestellt worden:
1. Ein voijähriges Remontepferd, sehr gut genährt, erkrankte am 8. Fe¬
bruar 1881. Das Pferd hatte des Morgens sein Futter noch gut verzehrt und
wurde 3 / 4 Stunden in der Abtheilung geritten. Gegen Mittag stand es mit ge¬
senktem Kopf und schläfrigem Blick an der Krippe und rührte das ihm vorge¬
legte Futter nicht an. Der Puls war wenig frequent, 50 Schläge in der Minute,
Athemzüge normal. Die im Mastdarm gemessene innere Temperatur betrug
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Kleinere Mittheilungen.
40,8 °. Die Ueberführung des Thieres in einen Stall mit reiner frischer Luft
wurde sofort vorgenommen. Bei dem Transport zeigte das Pferd eine so bedeu¬
tende Schwäche im Hintertheil, dass es umzufallen drohte. Futter nahm es auch
in diesem Stalle nicht an, doch genoss es frisches Wasser sehr gern und oft.
Am anderen Morgen, den 9. Februar, stand die Temperatur auf 41,5°.
Die Pulszahl betrug 65 in der Minute. Es wurd< hierauf Natrium salicylicum
(25,00) mit dem Getränt verabreicht, doch blieb die Temperatur den Tag über
auf genannter Höhe stehen. Um 4 Uhr des Nachmittags wurde eine einmalige
Injection von Natrium jodicum, 0,50 in 10,0 Aq. destillata gelöst, am Habicht¬
schnabelfortsatz des Brustbeins und am Halse gemacht. Eine halbe Stunde nach
der Einspritzung wurde der Blick lebhafter, der Puls voller und weicher und um
einige Schläge vermehrt. Die Temperatur hatte sich nicht geändert. Um 10 Uhr
Abends war die Temperatur auf 40,9° gefallen. Patient nahm einige Mohrrüben
an und befand sich im Allgemeinen munterer. Am nächsten Tage früh 8 Uhr
stand die Temperatur auf 40,0°, und Mittags 12V 2 Uhr auf 39,7°. Appetit
viel reger als am vorigen Tage. Wasser wurde gern und viel aufgenommen.
Unter allmählichem Sinken zeigte die Temperatur am 15. Febr., also nach 7 tägi¬
ger Krankheitsdauer, ihre normale Höhe von 37,7°. Die Pulszahl fiel mit der
Temperatur gleichmassig. Am 20. Febr. wurde Patient als geheilt entlassen.
2. Ein junges Remontepferd, sehr kräftig gebaut, gut genährt, sangui¬
nischer Constitution, erkrankte am 12. Febr. Morgens 8 Uhr unter den ausge¬
sprochensten Erscheinungen der Influenza. Die Temperatur stand auf 40,5°.
Von den Futterarten wurden nur etwas Heu, wenig Mohrrüben und Weizenkleie
aufgenommen. Wasser wurde vom Patienten häufig genossen.
Nach der Evacuation wurde sofort eine Injection von Natrium jodicum,
0,75 in 12,0 Aq. dest. gelöst, gemacht. Unmittelbar nach der Injection trat
bei dem etwas sensiblen Pferde eine leichte Aufregung ein, welche es durch
Schütteln mit dem Kopfe und Stampfen der Füsse zu erkennen gab. Nach 10
Minuten waren diese Erscheinungen verschwunden. Eine halbe Stunde nach der
Einspritzung war die Temperatur auf 40,0 0 gefallen. Um 11 V 2 Uhr Mittags
zeigte das Thermometer dieselbe Wärme, doch ging letztere im Laufe des Nach¬
mittags auf 39,0 0 herab und behielt diesen Stand auch in den Abend- und
Nachtstunden bei, denn die Messung am anderen Morgen ergab keine Abwei¬
chung in der Temperatur. Die Einspritzung von 0.75 Natr. jod. wurde wieder¬
holt, und nach dieser sank die Temperatur bis Abends 8 Uhr auf 38,5°. Im
Laufe des Tages kehrte ein ziemlich reger Appetit wieder, die Munterkeit hob sich
sehr, sodass, da auch am nächsten Tage ein bedeutender Fortschritt in der Ge¬
nesung eintrat, von ferneren Injectionen Abstand genommen wurde.
Am 16. Febr. stand die Temperatur auf ihrer normalen Höhe und wurde
Patient, da auch andere Krankheitserscheinungen nicht mehr Vorlagen, als ge¬
heilt entlassen.
Der Puls stieg bei diesem Pferde in den ersten Tagen der Krankheit bis
auf 68 — 70 und fiel, unter voller werdender Arterie, mit Abnahme der Tem¬
peratur nach einigen Tagen auf 40 herab.
3. Am 16. Febr. erkrankte abermals in den Abendstunden ein gut ge¬
nährtes, doch leicht gebautes, junges Remontepferd. Die gleich nach der Erkran-
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Kleinere Mittheilungen. 489
kung vorgenommene Temperaturmessung ergab eine Warmesteigerung auf 41,0°;
Pulszahl 60 in der Minute.
Evacuation und Injection von 0,75 Natrium jodicum in 12,0 Aq. destill.
und 20,0 Natr. salicyl. mit dem Getränk. Letzteres Arzneimittel wurde in einem
Eimer frischen Wassers gelöst und zur Hälfte vom Patienten aufgenommen. Nach
einem Zeitraum von 1 */ 2 Stunde war die Temperatur %uf 40,0° gefallen; in den
anderen Krankheitserscheinungen konnte keine Veränderung constatirt werden,
nur war die Kinnbackenarterie beim Zählen des Pulses scheinbar gespannter und
weicher.
Die von Anfang der Erkrankung stark unterdrückte Fresslust hatte sich bis
zum anderen Morgen nicht geändert, obgleich die-Temperatur wiederum bei der
Messung um 8 Uhr früh um [ 2 0 gesunken war.
Im Laufe des Vormittags wurde eine abermalige Injection von 0,50 Natr.
jodic. applicirt, doch von Natr. salicylic. Abstand genommen, da sich gastrische
Störungen eingestellt hatten.
Unter täglichen subcutanen Einspritzungen von 0,50 Natr. jodic. wurde die
Temperatur nach 7 Tagen auf 37,7 0 herabgesetzt. Die gastrischen Störungen
verlangsamten die vollständige Genesung des Pferdes sehr, so dass es erst nach
18tägiger Krankheitsdauer derEscadron als gesund zurückgegeben werden konnte.
4. Ein 7 Jahre altes Pferd von schwächlichem Bau hatte bei der ersten
Untersuchung am 17. Febr. des Nachmittags 3 Uhr 41,2° innere Körpertempe¬
ratur und 65 schwache, kleine Pulse in der Minute, wurde jedoch, als zur In¬
jection von Natr. jodic. geschritten werden sollte, von epileptischen Krämpfen
befallen, weshalb von dem Gebrauch dieses Heilmittels vorläufig Abstand genom¬
men wurde. Die Krampfanfälle repetirten bis zum anderen Morgen dreimal und
im Laufe des 18. Febr. zweimal.
Da die letzten Anfälle nur leicht auftraten, wurde versuchsweise 0,20 Natr.
jodic. injicirt und dieses Mittel ohne Beschwerden hervorzurufen ertragen.
Bei der geringen Dosis von 0.20 konnte bis zum nächsten Tage keine Tem¬
peraturherabsetzung erzielt werden; es wurde daher zu der früheren Gabe von
0,50 mit Steigerung bis 0,75 geschritten, doch nicht über eine einmalige täg¬
liche Injection hinausgegangen. Die Temperatur fiel nun von Tag zu Tag, theils
V 2 °, theils 3 / i °, so dass nach 9 tägiger Krankheitsdauer der normale Tempera¬
turstand erzielt war.
Mit dem Sinken der Temperatur ging, wie bei allen Patienten, die Vermin¬
derung der Pulse Hand in Hand; hatte die innere Körperwärme den normalen
Stand wieder erreicht, so war auch jede Aufregung im Gefässsystem vorüber.
Ende Februar trat ein Erlöschen der Seuche ein; die wenigen von jetzt ab
noch zur Beobachtung kommenden Fälle verliefen so leicht, dass sie sich nicht
zu ferneren Versuchsobjecten eigneten.
Obgleich das Natrium jodicum durch diese wenigen Versuche nicht als ab¬
solut sicheres temperaturherabsetzendes Mittel betrachtet werden kann, da wir
wissen, dass gerade bei der Influenza oftmals Schwankungen Vorkommen und
ein Theil der Temperaturabfälle möglicherweise Zufälligkeiten zugeschrieben
werden kann, so verdient dieses Mittel doch beachtet und zu weiteren Versuchen
Archiv f. wissensch. u. prakt. Thierheilk. VII, 6 . 32
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Kleinere Mittheilungen.
verwendet zu werden. Die Aufmerksamkeit der Collegen auf dasselbe zu lenken,
war die Veranlassung zu dieser kurzen Mittheilung.
Übertragung der Wnthkrankheit durch Injection von Speichel in die
Blutbahn. Von Prof. Möller.
Zu den räthselhaftesten Eigenthümlichkeiten derWuthkrankheit gehörtauch
das Schwankeu der Incubationszeit von wenigen Tagen bis zu mehreren Monaten.
So unbekannt das Wesen der Krankheit und deren Ursache uns bisher geblieben
ist, so unerforscht sind auch die Schicksale des Contagiums während der Incu¬
bationszeit des Leidens. Zwar liegt der Gedanke nahe, dass das Contagium an
der Impf- bezw. Bissstelle zunächst eine Vermehrung erfährt, um endlich in einer
Menge in die Blutbahn zu gelangen, welche die Krankheit zu erzeugen im Stande
ist; man könnte sich auch vorstellen, dass die Resorption unter dem begünstigen¬
den Einflüsse bestimmter Vorgänge schneller oder selbst plötzlich erfolge, wofür
auch wohl thatsächliche Beobachtungen sprechen könnten; allein diese wie alle
anderen über jene räthselhafte Erscheinung ausgesprochenen Ansichten sind aus¬
schliesslich aus speculativen Erwägungen hervorgegangen, die das Räthsel zu
lösen bezwecken, aber kaum mehr als reine Hypothesen gelten können. Bei dieser
Sachlage verdienen alle Beobachtungen veröffentlicht zu werden, welche geeignet
sind zur Aufklärung dieser in wissenschaftlicher wie auch praktischer Hinsicht
wichtigen Frage einen Beitrag zu liefern.
Zu diesem Zwecke wurde von mir ein Versuch angestellt, welcher meines
Wissens bisher noch nicht gemacht bezw. bekannt geworden ist, nämlich die
Injection von Speichel eines wuthkranken Hundes in die Blutbahn eines anderen
Hundes. Am 22. November 1880 wurde einem mittelgrossen Pintscher der zur
Verdünnung mit Blut gemischte Speichel eines an der Tollwuth leidenden Hundes
mittelst der Pravaz’schen Spritze in die Jugularis gebracht. Der wuthk ranke
Hund wurde durch Erschiessen getödtet und sofort der im Maule desselben be¬
findliche zähe Speichel mit etwas Blut von demselben Hunde verdünnt, und, nach¬
dem zur Erleichterung der Application ein Hautschnitt gemacht worden war, die
Canüle in die Vene eingestossen und die Spritze entleert. Da die Canüle erst
nach der Aufnahme des Impfstoffes in die Spritze aufgesteckt wurde, war eine
locale Infection unmöglich gemacht und musste der Speichel nothwendig direct
in die Blutbahn gelangen.
Die Hautwunde heilte regelmässig, auch traten an dem Blutgefäss keine
nachweisbaren Veränderungen ein. Bei den nunmehr täglich angestellten Beob¬
achtungen des Hundes wurden in dem Gesundheitszustände desselben bis zum
16. December 1880 keinerlei Störungen wahrgenommen. Während noch am
15. December in dem Benehmen des Hundes nichts Abnormes erkannt werden
konnte, waren am 16. December die unzweideutigsten Erscheinungen der
Wuthkrankheit vorhanden, welchem Leiden der Hund am 20. December erlag.
Die Section konnte die Diagnose nur bestätigen.
Dieses Resultat spricht nicht für die Annahme, dass das Wuthgift an der
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Kleinere Mittheilungen.
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Impfstelle zunächst regenerirt werde, kann diese Annahme aber auch nicht wider¬
legen. IJeberbaupt dürfte es gewagt erscheinen, an diesen Versuch bestimmte
Folgerungen zu knüpfen. Da aber derartige Versuche anzustellen begreiflicher¬
weise mit vielen Schwierigkeiten und Bedenken verbunden ist und in neuerer
Zeit von verschiedenen Seiten wissenschaftliche Untersuchungen zur Aufklärung
des Wesens dieser Krankheit ausgeführt worden sind, so schien mir dieses Ver¬
suchsresultat auch ohne solche Schlussfolgerungen zur Veröffentlichung geeignet.
Dass durch Impfungen mit Speichel die Wuthkrankheit erzeugt werden kann,
haben die zahlreichen Versuche Hertwig’s ausser Zweifel gesetzt. Neuerdings
hat auch Prof. Lussana durch Transfusion von Blut eines an Hydrophobie lei¬
denden Menschen auf Hunde die Krankheit hervorgerufen, und zwar erfolgte der
Ausbruch der Wuthkrankheit bei dem einen der beiden Versuchshunde nach 24
Tagen, bei dem anderen nach 5 Monaten.
Leukämie bei einer Kuh. Von Prof. Dr. Esser.
Im März 1879 untersuchte ich eine 6jährige Kuh, welche der Besitzer im
November 1878 gekauft hatte. Nach der Anamnese war bald nach dem Kalben,
welches Anfangs Januar erfolgte, die Nachgeburt abgegangen, doch waren etwa
14 Tage hindurch schleimig-blutige Abgänge aus der Scheide der Kuh bemerkt
worden. Der Milchertrag war anfänglich befriedigend gewesen; aber etwa 4
Wochen nach dem Kalben stellten sich immer stärker werdende Athembeschwer-
den ein und in gleichem Verhältnis wurde, trotz guter Futteraufnahme, ein Zu¬
rückgehen im Milchertrage und im Nährzustande beobachtet. In den letzten
8 Tagen hatte die Kuh sehr viel gelegen und nur wenig gefressen, während
gleichzeitig auffallende Störungen in der Respiration constatirt werden konnten.
Status praesens am 21. März 1879. Stark abgemagerte, grosse Kuh.
Kopf vorwärts gestreckt, Hinterbeine unter den Leib, Vorderbeine weit aus ein¬
ander gestellt. Rücken gekrümmt. Starkes Oedem am Triele. Auftreibung der
Ohrspeicheldrüsengegend auf beiden Seiten. Diese Auftreibung ist durch einen
gänseeigrossen, beweglichen, nicht schmerzhaften, weichen, aber nicht fluctuiren-
den Tumor bedingt, der unmittelbar unter dem Hinterkiefergelenk liegt. Aehn-
liche hühner- bis gänseeigrosse Tumoren finden sich im Kehlgange, in der Achsel¬
gegend und in den Kniefalten. Haut ziemlich leicht in Falten abzuheben und
wenig elastisch. Extremitäten kühl. Eingefallene Hungergruben, Hängebauch.
Gegen den an verschiedenen Stellen des Bauches angebrachten Druck ist das
Thier empfindlich. Athmung ist mühsam und erfolgt mit einem schnarchenden
Geräusch; letzteres wird stärker bei der Futteraufnahme. Inspiration länger als
normal. Respirationsfrequenz 20. Respirationstypus stark ausgeprägt costal.
Puls inäqual und irregulär. Pulsfrequenz 60—65. Mastdarmtemperatur 38 0 C.
Die Percussion ergiebt kein bestimmtes Resultat; die Auscultation verschärftes In-
und Exspirium, auf der rechten Seite schwaches Rasseln. Sichtbare Schleim¬
häute sehr blass.
In der Nacht vom 28. zum 29. März starb die Kuh. Die Section wurde
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Kleinere Mittheilungen.
am 29. März gemacht und ergab folgendes Resultat: Das Cadavcr liegt auf der
rechten Seite, ist sehr wenig aufgetrieben, zeigt geringe Todienstarre. Aeussere
Verletzungen nicht vorhanden. Nach Entfernung der äusseren Haut, deren Ge-
fässe auffallend helles, flüssiges Blut enthalten, erscheint die Subcutis blassroth,
am Triel serös infiltrirt. Musculatur blassroth. Bei Eröffnung der Brusthöhle
fliesst eine massige Quantität, etwa 600—800 Grm., seröse Flüssigkeit ab. Die
Rippen sind mit dem Beil ungewöhnlich leicht zu durchschlagen. Aus der spon¬
giösen Substanz derselben quillt eine schmierige, gelbröthliche Flüssigkeit hervor.
Mittelfell- und Bronchialdrüsen geschwollen, erstere zu faustdicken, letztere zu
hühnereidicken Packeten. In der Trachea und den grossen Bronchien zähe, grau-
röthliche Schleimmassen. Im Herzbeutel etwa 300—400 Grm. klare, seröse
Flüssigkeit. Herz normal gross; Musculatur desselben sehr schlaff. Im rechten
Vorhof ein weiches, zum grösseren Theil gelbweisses, zum kleineren Theil dunkel-
rothes Coagulum; ebenso im rechten Ventrikel. Im linken Vorhof kleine, sehr
weiche, dunkle Coagula; im linken Ventrikel nur wenig rothes, dickflüssiges Blut.
Klappen und grosse Gefässe ohne Veränderung. In der Aorta ein grauröthliches
Coagulum. — Am Zungengrunde finden sich fünf haselnussgrosse, perlschnur¬
artig an einander gereihte, graue Drüsengeschwülste, die sich weich anfühlen
und auf der Schnittfläche eine spärliche, rahmartige Flüssigkeit liefern. An der
hinteren Wand der Rachenhöhle ein fast hühnercigrosses Drüsenpacket. Im Uebri-
gen zeigen sich an den Organen der Maul- und Rachenhöhle keine Abweichungen.
— Bei Eröffnung der Bauchhöhle fliesst eine trübe, geruchlose, seröse Flüssigkeit
(etwa 2000 Grm.) ab. Lage der Eingeweide normal. In den 3 Vormägen wenig
Inhalt. Labmagen enthält etwas grauen, zähflüssigen Schleim. Dünndarm leer
und stark contrahirt; Schleimhaut desselben blass. Die Peyer’schen Haufen und
Solitärfollikei sind mässig hyperplastisch vergrössert und mit einem hyperämischen
Hofe umgeben. Dickdarm enthält wenig, ziemlich weiche Contenta. Die Leber
erscheint bedeutend vergrössert; die Ränder derselben sind abgerundet; ihre
Grundfarbe ist graubraun, mit einem Stich ins Gelbliche. Die gelblichbraunen
Acini werden von netzförmigen, weissgelblichen Zügen begrenzt. An der Porta
hepatis ein Conglomerat von Drüsenmassen im Umfange einer Doppelfaust. Ge¬
wicht der Leber 10,7 Kilo. Bauchspeicheldrüse nicht verändert. Milz vergrössert
(93 Ctm. lang, 37 Ctm. breit und 6,1 Kilo schwer), ihre Oberfläche schwach
hügelig; Consistenz derselben vermehrt. Farbe der Schnittfläche grau violett.
Malpighi’sche Körperchen bis erbsengross. Sämmtliche Lymphdrüsen der Bauch-
und Beckenhöhle sind bedeutend vergrössert. Fettkapseln um die Nieren verklei¬
nert. Die fibrösen Kapseln sind stellenweise mit den Nieren verwachsen und
lassen sich schwer abziehen. Die linke Niere wiegt 1,5 Kilo, die rechte 1,9 Kilo.
Die Oberfläche der zum grössten Theil unter einander verwachsenen Lappen ist
rothgelb gefärbt. Die Schnittfläche der Rindensubstanz hat ein gesprenkeltes
Aussehen, indem weissgelbe und braunrothe Punkte und Streifen abwechseln.
Die Marksubstanz ist streifig.
Zum Zwecke einer mikroskopischen Untersuchung wurden eine Blut¬
probe aus der rechten inneren Hautvene, ferner das Drüsenpacket von der hin¬
teren Rachenwand, ein Stückchen von der Leber, Milz, einer Niere und eine
Rippe mitgenommen. Das Resultat dieser Untersuchung war folgendes: Von der
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Kleinere Mittheilungen.
493
mit einer V 2 P r ocentigen Kochsalzlösung verdünnten Blutprobe wurden 12 Zäh¬
lungen vorgenommen, die nachstehendes Ergebniss lieferten:
Zählung
Farbige
Rothe
Zählung
Farbige
Rothe
No.
* Blutkörperchen.
No.
Blutkörperchen.
1 .
13
124
7.
36
332
2.
16
140
8.
40
351
3.
17
161
9.
42
383
4.
23
215
10.
52
475
5.
30
281
11.
58
534
6.
32
289
12 .
84
741
Summa
443
4026
= 1 : 9,008. Zugegeben auch, dass bei den Zählungen einzelne Blutkörperchen
doppelt gezählt oder einzelne übersehen worden sind, so dürfte doch das ange¬
gebene Verhaltniss als ein richtiges anzusehen und anzunehmen sein, dass auf
9 rothe Blutkörperchen 1 farbloses kommt. — Das von der hinteren Rachenwand
genommene Drüsenpacket war von einer straffen Kapsel umgeben, grauröthlich
gefärbt und lappig. Bei Druck quoll über die Durchschnittsfläche eine milch¬
artige Flüssigkeit. Letztere bestand aus lymphoiden Zellen, denen einzelne rothe
Blutkörperchen beigeraischt waren. — Bei der mikroskopischen Untersuchung der
Leberstückchen fand sich, dass die bereits erwähnten netzförmigen, weissgelb¬
lichen Züge aus Bindegewebe, welches mit lymphoiden Zellen infiltrirt war, be¬
standen. Die Prüfung von in Alkohol gehärteten und mit Hämatoxylin gefärbten
Leberstückchen ergab, dass die lymphoiden Zellen überall das Bindegewebe und
die Gefässe zwischen den Acini begleiteten und an den Theilstellen der Gefässe
kleine Anhäufungen bildeten. — Die sehr vergrösserten Malpighi’schen Körper¬
chen der Milz waren sehr weich; Balkennetz und reticuläres Gewebe abnorm
stark entwickelt. Die Pulpa der Milz war sehr reich an weissen Blutkörperchen.
— Das Interstitialgewebe der Nieren zeigte eine gleichmässige lymphoide Infil¬
tration, so dass einfache und doppelte Reihen von lymphoiden Zeller, parallel
neben den Harncanälchen verliefen. — Die Rippe war ziemlich leicht zu zer¬
brechen. Die auf der Bruchfläche abgestrichene gelbröthliche Masse bestand vor¬
wiegend aus weissen Blutkörperchen; ausserdem wurden rothe Blutkörperchen,
Riesenzellen und auch Fettzellen und Fetttröpfchen in derselben ermittelt. Die
weissen Blutkörperchen wechselten in Bezug auf Grösse und Farbe. Einzelne
waren gelblich gefärbt und schärfer contourirt (wahrscheinlich die von Neu-
mann beschriebenen Uebergangsformen von farblosen in rothe Blutkörperchen).
Hiernach handelt es sich um einen Fall von lymphatischer, lienaler
und myelogener Leukämie.
(Aus den Veterinär-Sanitätsberichten.)
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Amtliche Erlasse.
Verfügungen Sr. Excellenz des Herrn Ministers für Landwirtschaft, Domänen
und Forsten.
1) Vom 9. Juli 1881.
In einem Specialfalle waren über die einem Privatthierarzte für die Behand¬
lung eines Gestütpferdes ausserhalb seines Wohnortes zu gewährende Vergütung
Zweifel entstanden. In Uebereinstimmung mit der Königl. Ober-Rechnungskam¬
mer habe ich dahin entschieden, dass im Geltungsbereiche der Medicinaltaxe vom
21. Juni 1815 ein Privatthierarzt für Leistungen der gedachten Art gemäss
Abschnitt VI. No. 1, 2, 4 der Taxe die Hälfte der den Physikern bei Epidemien
zustehenden Tagegelder und Reisekosten, also mit Rücksicht auf die Bestimmun¬
gen der Verordnung vom 17. September 1876 (Ges.-Samml. S. 411) an Tage¬
geldern 6 Mark und an Reisekosten 30 Pf. für das Kilometer zu beanspruchen
hat. Hiernach sind in vorkommenden Fällen die bezüglichen Liquidationen der
Privatthierärzte festzusetzen.
2) Vom 3. September 1881.
Ew. Hochwohlgeboren erwidere ich auf den gefälligen Bericht vom 28. Juni
d. J., dass gemäss §11. des Reichsgesetzes vom 23. Juni v. J. nur in solchen
Bezirken, wo der Milzbrand sich ständig zeigt, von der Anzeigepflicbt entbun¬
den werden darf. Gegenden oder landräthliche Kreise, in welchen alljährlich
vereinzelte Fälle von Milzbrand Vorkommen, sind deswegen noch nicht als stän¬
dige Milzbrandbezirke zu erachten. Als solche können vielmehr nnr diejenigen
Ortschaften qualificirt werden, in welchen seit einer Reihe von Jahren alljährlich
ein beträchtlicher Procentsatz der vorhandenen Viehbestände an Milzbrand zu
fallen pflegt. Nach der mitgetheilten statistischen Uebersicht der in dortigen
Kreisen während der Jahre 1878 —1880 vorgekommenen Milzbrandfälle scheint
in der dortigen Provinz der Milzbrand zur Zeit nirgends im Sinne des § 11 1. c.
ständig aufzutreten, weshalb die Feststellung von Milzbrandbezirken dort gegen¬
wärtig nicht in Frage kommen dürfte.
3) Vom 8. September 1881.
In meiner Circularverfügung vom 9. Juli d. J. ist der einem Privatthierarzte
für die Behandlung eines Gestütspferdes ausserhalb seines Wohnorts zu gewäh¬
rende Reisekostensatz auf 30 Pf. für das Kilometer angegeben. Dieser Satz be¬
zieht sich indessen nur auf Reisen, welche auf dem Landwege zurückzulegen sind.
Bei Reisen mittelst Eisenbahn oder Dampfschiff hat der Privatthierarzt im Gel¬
tungsbereich der Medicinaltaxe vom 21. Juni 1815 an Reisekosten für das Kilo¬
meter 6 V 2 Pf. und 1 M. 50 Pf. für jeden Zu- und Abgang zu beanspruchen.
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J
Personal-Notizen.
Nekrolog.
Ara 19. Juli d. J. ist der Medicinalrath Professor Dr. med. Hertwig zu
Berlin an einem gastrischen Fieber gestorben. Mit ihm hat die thierärztliche
Wissenschaft einen ihrer hervorragendsten Vertreter verloren. Karl Heinrich
Hertwig wurde am 10. Januar 1798 zu Ohlau, wo seine Eltern eine Brauerei
besassen, geboren. Bis zu seinem 13. Jahre besuchte er die Schule in seiner
Vaterstadt; sein Wunsch, nach Absolvirung der Stadtschule ein Gymnasium zu
besuchen, konnte nicht erfüllt werden, da Ohlau ein solches nicht besass und
seine Eltern in Folge ihrer Verluste bei der französischen Occupation im Jahre
1806 ausser Stande waren, ihm die Mittel zum Unterhalt in einer anderen Stadt
zu gewähren. Glücklicherweise fanden sich in Ohlau zwei Männer, der Rector
der Stadtschule, Dr. Steiner, und der Stadtchirurgus Dr. Scholtz, die sich des
talentvollen und strebsamen Schülers in der hingehendsten Weise annahmen und
ihn durch Privatunterricht so weit brachten, dass er bereits im Jahre 1815 in
die Prima des Gymnasiums zu Brieg aufgenommen werden konnte. Solche Fort¬
schritte hatte der Schüler gemacht, trotzdem durch die Kriegsverhältnisse der
Jahre 1813—15 der Unterricht vielfach gestört war. Als nach den Schlachten
und Gefechten der schlesischen Armee im Jahre 1813 auch in Ohlau zur Unter¬
bringung der Verwundeten Privatlazarethe eingerichtet wurden, stellte der Stadt¬
chirurgus Dr. Soholtz den jungen Hertwig zuerst für ein solches Lazareth und
später für ein Ruhrlazareth als Krankenpfleger ein. Nach Beendigung des täg¬
lichen Dienstes in den Lazarethen wurde der Schulunterricht fortgesetzt. Hert¬
wig selbst äusserte sich hierüber später wiederholt: Wenn die armen Menschen
gehörig versorgt waren, musste ich sogleich an die Erledigung der mir von Steiner
und Scholtz gestellten Schulaufgaben gehen, denn beide hielten streng darauf,
dass auch in diesem Punkte nichts versäumt wurde.
Durch den täglichen Verkehr mit dem Dr. Scholtz und durch die Thätig-
keit in den Lazarethen wurde Hertwig veranlasst, Medicin zu studiren. Er
bezog zu diesem Zwecke im Jahre 1817 das chirurgische Institut zu Breslau.
Als er dort 2 l / 2 Jahre unter den grössten Entbehrungen studirt und die Appro¬
bation als Chirurgus erlangt hatte, wurde ihm die Aufforderung der Königlichen
Regierung bekannt, wonach junge Mediciner, welche Neigung hätten, sich dem
Studium der Thierheilkunde zu widmen, sich melden sollten. Da für dieses Stu¬
dium Stipendien zugesichert wurden, so meldete sich Hertwig und erhielt dann
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496
Personal-Notizen.
auch sofort den Auftrag, sich mit Beginn des nächsten Semesters (April 1819)
nach Wien zu begeben. Dort studirte er 3 Semester Thierheilkunde unter Veith,
Waldinger, Erdelyi u. A., setzte dabei aber auch seine medicinischen Studien
fort. Im Herbst 1820 siedelte Hertwig nach München über, studirte bei der
dortigen Thierarzneischule 2 Semester, besuchte dann auch noch die übrigen
deutschen thierärztlichen Lehranstalten und kam im Herbst 1821 behufs Voll¬
endung seiner thi er ärztlichen Studien nach Berlin. Ein Jahr später bestand er
hier die Prüfung als Thierarzt. Wieder ein Jahr später, Michaelis 1823, wurde
Hertwig zum Repetitor bei der hiesigen Thierarzneischule ernannt. Schon in
dieser Stellung wurden ihm die Vorlesungen über specielle Chirurgie und Opera¬
tionslehre, sowie die Leitung der Klinik für kleine Hausthiere übertragen. Im
Jahre 1825 übernahm er ausserdem die Vorlesungen über Arzneimittellehre und
1826 die Leitung der ersten Abtheilung des Spitals für grosse Hausthiere.
Neben diesen anstrengenden und zeitraubenden dienstlichen Beschäftigungen
machte Hertwig es möglich, sein medicinisches Studium zu vollenden und im
Jahre 1827 die Staatsprüfung als Arzt und Wundarzt abzulegen, nachdem er
bereits am 6. Februar 1826 zum Doctor medicinae promovirt war. Und nicht
nur seine eigene Ausbildung vollendete Hertwig in jener Zeit, auch als Lehrer
erwarb er sich allgemeine Anerkennung, und durch seine Untersuchungen über
die Hundswuth war er bereits in die Reihe der Forscher getreten. Diesen Unter¬
suchungen wurde bald eine so grosse Bedeutung beigelegt, dass das Ministerium
verfügte, dass dem Repetitor Hertwig, nachdem er die Leitung des Hunde¬
spitals abgegeben hatte, alle zugehenden wuthkranken und wuthverdächtigen
Hunde zur Beobachtung überlassen werden sollten. In Anerkennung seiner Ver¬
dienste wurde Hertwig im Jahre 1828 zum Thierarzt I. Classe mit dem Prä-
dicat „Ober-Thierarzt“ ernannt. Gleichzeitig wurde ihm ein Urlaub zu einer
längeren wissenschaftlichen Reise nach England und Frankreich ertheilt, mit dem
Aufträge, in London und in Paris die nöthigsten englischen und französischen
Bücher und Werke für die hiesige Thierarzneischul-Bibliothek anzukaufen.
Im Herbst 1829 wurde Hertwig als Oberlehrer angestellt; bis dahin war
er Repetitor gewesen. Er übernahm dann neben der bis dahin von ihm gelei¬
teten I. Abtheilung auch die II. Abtheilung des Krankenstalles und den gesaram-
tea klinischen Unterricht. Die Klinik hob sich unter seiner Leitung derart, dass
bereits Mitte dei dreissiger Jahre 70—80—90 Patienten in den Ställen standen.
Nur ein Mann von der enormen Arbeitskraft Hertwig’s konnte den Anforderun¬
gen genügen, die an den klinischen Lehrer gestellt wurden. Kein Assistent
stand ihm zur Seite, sodass er nicht nur jeden Tag 5 Stunden in der Klinik be¬
schäftigt war. sondern auch Nachts gerufen wurde, wenn ein schwerkrankes Thier
zuging. Daneben hatte er wöchentlich 9 Stunden zu lesen.
Ostern 1833 wurde Hertwig zum Professor und 1837 zum Veterinär¬
assessor bei dem Medicinalcollegium der Provinz Brandenburg ernannt. Im Jahre
1845 machte er im Aufträge des Ministeriums eine längere Reise nach Russland
zur Beobachtung der Rinderpest.
Die Klinik für grössere Hausthiere leitete Hertwig mit geringen Unter¬
brechungen bis zum Jahre 1857. In den Zwischenzeiten war ihm die Leitung
des Spitals für kleine Hausthiere übertragen. Ostern 1859 musste er die ambula-
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J
Personal-Notizen.
497
torische Klinik übernehmen, und gleichzeitig wurde ihm die Besorgung der kreis-
thierärztlichen Geschäfte in den Kreisen Niederbarnim, Osthavelland und Teltow
übertragen.
Im Jahre 1870 schied Flertwig aus seiner Stellung als Veterinärassessor.
Er erhielt den Charakter als Medicinalrath und wurde mit der commissarischen
Verwaltung der Departements-Thierarztstelle für den Regierungsbezirk Potsdam
betraut, die er bis zum 1. Juli 1875 bekleidete. Seit dem Jahre 1855 war er
auch als Lehrer der Pferdekenntniss an der allgemeinen Kriegsschule angestellt.
Am 1. April 1877 trat Hertwig in den Ruhestand, nachdem er 53Vo Jahre
an der Thierarzneischule als Lehrer gewirkt hatte. Eine ungewöhnlich lange
Thätigkeit in einem Amte, welches so grosse Anforderungen stellte! Und wie
erfolgreich ist diese Thätigkeit gewesen! Welche Bedeutung hat der Stand der
Thierärzte in Preussen seit der Zeit erlangt, in welcher Hertwig zu lehren be¬
gann, und an dieser Hebung des Standes hat Hertwig als langjähriger kli¬
nischer Lehrer einen hervorragenden Antheil! Wer von der grossen Zahl seiner
Schüler wäre nicht durch sein Wissen in Erstaunen versetzt, und wer hätte nicht
die Gabe dieses Lehrers bewundert, aus dem reichen Schatze seiner Kenntnisse
und Erfahrungen mitzutheilen. Die allgemeine Theilnahme der Thierärzte des
Landes an der Feier des Jubiläums Hertwig’s war ein beredtes Zeugniss, welche
Verdienste er sich bei seiner 50jährigen Wirksamkeit erworben hatte. Von nah’
und fern eilten die Thierärzte an dem Tage herboi. um dem verehrten Lehrer
ihre Dankbarkeit zu bezeigen.
Nicht geringer sind die Verdienste Hertwig's um die Entwickelung der
Wissenschaft. Er war einer von den Bevorzugten, die gleich grosse Bedeutung
haben als Lehrer und als Forscher. Schon in seiner Dissertation — Experimenta
quaedam de effectibus laesionura in partibus encephali singularibus et de verosi-
mili harum partium functione — zeigte er, dass er forschen konnte. Klassisch
ist sein Werk: „Beiträge zur näheren Kenntniss der Tollwuth der Hunde“,
Berlin 1829. Diese Arbeit allein hätte genügt, Hertwig einen Platz unter den
Begründern unserer Wissenschaft zu sichern. Von grosser Bedeutung ist ferner
sein „Handbuch der Arzneimittellehre“. 5. Auflage 1872, bei dessen Studium
wir vor Allem den Fleiss und die Ausdauer bei der Durchführung zahlloser Ver¬
suche bewundern. Mag auch in Folge der fortschreitenden Entwickelung der
verschiedenen medicinischen Wissenschaften und der Vervollkommnung der Unter¬
suchungsmethoden die Erkenntniss der Wirkung der Arzneimittel immer voll¬
ständiger werden, die Hertwig’sche Arzneimittellehre wird noch lange eine
Zierde jeder thierärztlichen Bibliothek sein und mehr als einen historischen Werth
haben. Allbekannt sind den Thierärzten ausserdem die Werke: „Praktisches
Handbuch der Chirurgie für Thierärzte“, 2. Auflage 1859; „Krankheiten der
Hunde und deren Heilung“, 2. Auflage 1880; die „Operationslehre“, welche er
gemeinschaftlich mitGurlt verfasste. Für seine Lehrzwecke an der Kriegs¬
schule veröffentlichte er das „Taschenbuch der gesammten Pferdekunde“, 2. Auf¬
lage 1878.
In verschiedenen Zeitschriften hat Hertwig eine grosse Zahl von werth-
vollen Arbeiten veröffentlicht, insbesondere im „Magazin für die gesammte Thier¬
heilkunde“, welches er gemeinschaftlich mit Gurlt im Jahre 1835 gründete
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Personal-Notizen.
und bis zum Jahre 1874 herausgab. Für das von den Professoren der Berliner
medicinischen Facultät herausgegebene „ Encyklopädische Wörterbuch der medici-
nischen Wissenschaften“ hat Hertwig eine Reihe von Artikeln über Krankheiten
der Hausthiere geliefert.
Die wissenschaftlichen Arbeiten Hertwig’s geben Zeugniss von seiner er¬
staunlichen Kenntniss der Literatur; und wie ein echter und gerechter Forscher
hat er nie versäumt, die Quellen anzuführen, aus denen er geschöpft hatte. Seine
Beurtheilung der Leistungen Anderer war stets eine wohlwollende; Neid und
Missgunst waren ihm fremd.
Neben der Freude über die öffentliche Anerkennung seiner vielfachen Ver¬
dienste sind Hertwig in seinem Leben auch Kummer und Sorge nicht erspart
geblieben; häufige Verlegenheiten sind ihm aus dem Missbrauch seiner Gut-
müthigkeit erwachsen.
Unter den Lehrern und Forschem wird Hertwig von der Geschichte der
Thierheilkunde zu allen Zeiten in erster Reihe genannt werden und seine Schüler
werden ihm ein dankbares Andenken bewahren.
Möge die £rde ihm leicht sein!
Roloff.
Ernennungen und Versetzungen.
Der bisherige Rossarzt im Leib-Hus.-Regmt. No. 2, Aug. Jos. Jacob zu
Posen, zum commisssarischen Kreisthierarzt des Kreises Schroda.
Der Kreisthierarzt Herrn. Wilh. Kotelmann in Mohrungen unter Entbin¬
dung von seinem gegenwärtigen Amte zum Kreisthierarzt des Kreises Lötzen.
Der bisherige Rossarzt im Magdeburg. Feld-Art.-Regmt. No. 4. Carl Ludw.
Kühn zu Burg, zum commissarischen Kreisthierarzt für die Kreise Naumburg,
Weissenfels und Zeitz.
Der Thierarzt Heinr. Wilh. Erhard Reissmann zu Berlin zum Kreisthier¬
arzt der vierten Kreisthierarztstelle für den Verwaltungsbezirk des Polizeipräsi¬
diums zu Berlin.
Der Thierarzt Heinr. Ernst Otto Thunecke zu Driesen zum commissa¬
rischen Kreisthierarzt des Kreises Kalbe a. d. Saale.
Der bisherige Rossarzt im 2. Garde-Ul.-Regmt., Paul Toepper zu Berlin,
zum Rossarzt bei dem Pommerschen Landgestüt in Labes.
Der bisherige Rossarzt im Rhein. Kür.-Regrat. No. 8, Anton Hubert Woldt
zu Deutz, zum kommissarischen Kreisthierarzt für die Kreise Gummersbach und
Waldbröl.
PensionirtHigen, Entlassungen etc.
Der Kreisthierarzt Heinr. Jansen in Dülmen ist aus dem Staatsdienst ge¬
schieden.
Charakter- und Ordens-Verleihungen.
Dem Corps-Rossarzt im X. Armeecorps, Ernst Eduard Zorn in Hannover,
ist der Kronenorden 4. CI. verliehen.
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Personal-Notizen.
499
Todesfille.
Der Veterinärassessor Paul Schmelz in Kassel.
Der Thierarzt Wilh. Albert in Schwerte, Reg.-Bez. Arnsberg.
Der Thierarzt Carl Heinr. Ferd. Spilker in Heldrungen, R.-B. Merseburg.
Der Thierarzt Herrn. Jos. Stomma in Eschweiler, Reg.-Bez. Aachen.
Der Kreisthierarzt Wangemann in St. Vith, Reg.-Bez. Aachen.
Der Thierarzt Wilh. Heinr. Wilms in Borbeck, Reg.-Bez. Düsseldorf.
Der Thierarzt Wilh. Wohlleben in Nebra, Reg.-Bez. Merseburg.
Oie Niederlassung eines Thierarztes wird gewünscht:
In Naumburg a. Bober, Kr. Sagan. Auskunft ertheilt der Apotheker
Scheibner daselbst.
Vacanzen.
(Die mit * bezeichneten Vacanzen sind seit dem Erscheinen von Band VII Heft4u.5
dieses Archivs hinzugetreten oder von Neuem ausgeboten).
Regierungs-
resp.
Landdrostei-Bezirk
Kreisthierarztstellen
des
Kreises
Gehalt.
Zuschuss
aus
Kreismitteln.
Königsberg
Heilsberg*
600
Mark
300 Mark
9
Labiau
600
n
600
9
Danzig
Pr. Stargard
600
n
—
»
Frankfurt
Luckau
600
9
360
w
Breslau
Glatz *
600
9
480
Ji
Oppeln
Kosel *
600
9
1050
n
Erfurt
Worbis
600
9
—
9
»
Weissensee
600
9
—
9
9
Heiligenstadt
600
9
—
9
Schleswig
Eckernförde
600
9
—
9
Münster
Cösfeld *
600
**
—
9
Stein furt/Tecklenburg
600
9
450
9
Arnsberg
Hamm*
600
9
—
9
Kassel
Hünfeld*
600
9
—
9
Koblenz
Adenau/Ahrweiler
600
9
200
9
Köln
Bergheim
600
•
9
—
9
Aachen
Malmedy*
600
r
240u.60
9
Düsseldorf
Kempen *
Ferner:
600
300
9
Marien werder
Die Stelle eines Assisten¬
ten bei dem Grenzthier¬
arzt im Kreise Thorn
und Strassburg 1 )
| 600 Mark
600 Mark
! ) Mit dem Amtswohnsitz in Löbau. Privatpraxis nicht beschränkt.
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500
Personal-Notizen.
Veränderungen im militär-ronärztlichen Personal.
B oförderungen.
Zu Ober-Rossärzten sind ernannt:
Der Rossarzt Voss vom 2. Garde-Drag.-Regmt. als Ober Rossarzt bei dem¬
selben Regiment.
Vom Beurlaubtenstande: Der Rossarzt Flindt vom 2.Bat. des 15-Landw.-
Regmts. als Ober-Rossarzt in demselben Bezirk.
Zu Rossärzten sind ernannt:
Die Unter-Rossärzte: Huth vom Schlesw.-Holst. Ul.-Regmt. No. 15; Klein
vom 1. Leib-Hus-Regmt. No. 1.
Vom Beurlaubtenstande: Der Unter-Rossarzt Dr. Steinbach vom 1. Bat.
dos 13. Landw.-Rcgmts.
Als Unter-Rossärzte sind in die Armee eingestellt:
Die Unter-Rossärzte: Post beim Regiment der Gardes-du-Corps; Wilden
beim Königs-Hus.-Regmt. (1. Rhein.) No. 7.
Der einjähr.-freiw. Unter-Rossarzt Schlitzberger beim Hann. Train-Bat.
No. 10.
Versetzungen.
Die Rossärzte: Colberg vom 2. Hess. Hus.-Regrat. No. 14 zum Hess.
Train-Bat. No. 11; Dettmann vom 2. Hannov. Drag.-Regmt. No. 16 zum
1. Garde-Feld-Art.-Regmt.; Ebert vom Hess. Feld-Art.-Regmt. No. 11 zum
Thüring. Hus.-Regmt. No. 12; Mentzel vom 1. Schics. Drag.-Regmt. No. 4
zum Pos. Ul.-Regmt. No. 10; Siebert vom Westfäl. Kür.-Regrat. No. 4 zum
Braunschw. Hus.-Regmt. No. 17.
Der Unter-Rossarzt Mesewinkel vom Braunschw. Hus.-Regmt. No. 17
zum Westf. Kür.-Regmt. No. 4.
Abgegangen:
Die Ober-Rossärzte: Haunschild vom 1. Rhein. Feld-Art.-Regmt. No. 8;
Kunze vom Rgmt. der Gardes-du-Corps; Neu mann vom 2. Garde-Drag.-Rgmt.
Die Rossärzte: Jacob vom 2. Leib-Hus.-Regmt. No. 2; Kunow vom
1. Garde-Feld-Art.-Regmt.; v. Lojewski vom Ostpr. Kür. Regmt. No. 3 (Graf
Wrangel); Niedergesäss vom 2. Schles. Drag.-Regmt. No. 8; Tereg vom
1. Bad. Leib-Drag-Regmt. No. 20; To epp er vom 2. Garde-Ul.-Regmt.; To dt
vom 3. Schles. Drag.-Regmt. No. 15.; Woldt vom Rhein. Kür.-Regmt. No. 8.
Der charakteris. Rossarzt Fischer vom Hess. Train-Bat. No. 11.
Gestorben:
Der Ober-Rossarzt Langer vom 3. Schles. Drag.-Regmt. No. 15.
Sammlung
für das Stammcapital der Unterstützungskasse für die Hinter¬
bliebenen deutscher Thierärzte.
II. Liste (I. Liste s. S. 263).
An Beiträgen sind ferner eingegangen von den Herren: Baudermann,
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Literatur.
501
Höchst a. M., 10 M.; Clausnitzer, Uelzen. 10 M.; Bloss. Adorf i. S., 10 M.;
Collmann, Hanau a. M., 20 M.; Deigendesch, Darmstadt. 5 M.; Dr. Die¬
trich, Wiesbaden, 15 M.; Einicke, Wreschen. 6 M.; Dr. Fiedel er, Walden¬
burg i. Schl., 20 M.; Gabbey, Gleiwitz, 20 M.; Gips, Kolberg, 20 M.;
Güttler, Schweidnitz. 5 M.; Güttlich, Namslau, 10 M.; Hartraann, Han¬
nover, 20 M.; v. Heil 1. Xanten, 10 M.; Hillmann, Grottkau, 5 M.; Kirst,
Tilsit, 5 M.; Köhler, Döbeln, 5 M.; Metelmann, Krivitz, 10 M. 5 Pf.;
Moses, Penzlin, 5M.; Olbrich, Grottkau. 5M.; Peters, Ludwigslust i.Meckl.,
10 M.; Roegener, Wirsitz, 6 M.; Roemer, Kassel, 30 M.; Schadow, Tilsit,
5 M.; Schorling, Harpstedt, 12 M.; Schräder, Helmstedt. 30 M.; Schu¬
mann, Cuhmenen, 10 M.; Schwannecke, Beuthen, 10 M. 5 Pf.; Seffner,
Berlin, 10 M.; Stöhr, Thorn, 20 M.; Dr. Ulrich, Breslau, 50 M.; Völlers,
Altona, 30 M.; Wenzel, Kassel (Sammlung unter den Rossärzten von Kassel,
Hofgeismar, Rotenburg und Fulda), 25 M.*, Winckler, Marienwerder, 20 M.;
Woestendieck, Bochum, 20 M.; Wolff, Dülmen, 10 M.; Wulff, Perle¬
berg, 3 M.
Summa 521 Mark 10 Pf.
Hannover, den 30. Juli 1881.
Dr. Dammann. Geiss.
i
Literatur.
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— La nouvelle loi de police sanitaire vdterinaire d’Allemagne du 23. Juin 1880.
Strassburg i. E. 1881.
Aufruf
zur Betheiligung an der Allgemeinen Deutschen Ausstellung auf dem
Gebiete der Hygi6H6 (Gesundheitspflege und Gesundheitstechnik) und des
Rettnngsweseiis. Berlin 1882, 1. Juni bis 30. September.
Auf Anregung des Vereins für Gesundheitstechnik hat das Centralcomitd,
dessen ca. 160 Mitglieder über ganz Deutschland, Oesterreich und die Schweiz
▼ertheilt sind, sich constituirt. Der Unterzeichnete Ausschuss hat die erforderlichen
Vorarbeiten vollendet und fordert alle Interessenten hierdurch auf, unserem zeit-
gemässen und unter den besten Auspicien begründeten Unternehmen Ihre Unter¬
stützung durch Beschickung der Ausstellung zu gewähren.
Die Ausstellung verspricht ausserordentlich vielseitig und eigenartig zu
werden und wird Fabrikanten und Constructeuren, Corporationen, Gemeinden
und Behörden eine treffliche Gelegenheit bieten, zu zeigen, in welcher Weise sie
den Anforderungen unserer vorwärtsschreitenden Zeit auf dem Gebiete der Hygiene
und des Rettungswesens zu entsprechen vermögen. Die Ausstellung wird am
1. Juni eröffnet und dauert bis 30. September 1882.
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504
Aufruf.
Ein ausführliches Programm enthält die Eintheilung der Gruppen, die
Reglements für die Ausstellung, Mittheilungen über Organisation und Finanzii-
rung des Unternehmens, sowie ein Verzeichniss der Mitglieder des Centralcomites.
Jedem Interessenten wird dieses Programm auf Wunsch franco zugesandt und
bitten wir. sich dieserhalb an unseren ersten Schriftführer, Herrn Fabrikbesitzer
R. Henneberg, Berlin S., Brandenburgstr. 81, wenden zu wollen.
Auszug aus den Bestimmungen für die Ausstellung:
§ I. Zur Ausstellung gelangen Gegenstände. Maschinen und Apparate,
welche den Zwecken der öffentlichen und privaten Gesundheitspflege, des Ret¬
tungswesens und zum Schutz vor Unglücksfällcn, zur Hiilfeleistung bei Verwun¬
dungen im Kriege und Frieden dienen, sowie ferner alle dieses Gebiet behan¬
delnde Literatur, darauf bezügliche Zeichnungen, Modelle und Prospecte.
§ 2. Als Aussteller werden zugelassen: Gewerbetreibende, welche Gegen¬
stände und Einrichtungen für die angegebenen Zwecke anfertigen oder liefern.
Verwaltungen, Vereine, Anstalten und Gesellschaften, soweit dieselben ihre Ein¬
richtungen und Anordnungen zur Darstellung bringen, sowie alle Diejenigen,
welche in literarischen Erzeugnissen die Wissenschaft, Gesetzgebung, den Unter¬
richt in der Gesundheitslehre, Gesundheitspflege und Gesundheitstechnik, die
amtliche und Vereins-Wohlthätigkeit und das Rettungswesen behandeln..
§ 4. Die Anmeldung der Ausstellungsgegenstände muss spätestens bis zua
1. September a. c. erfolgen.
Berlin, im Juni 1881.
Der Vorstand and Ausschuss:
Hobrecht, Staatsminister a. D., Vorsitzender. H. Riotschel, Civil-Ing'enieur.
erster Stellvertreter. Prof. Dr. Roth, Generalarzt 1. CI., zweiter Stellvertreter.
R. Henneberg, Ingenieur, erster Schriftführer. Dr. med. P. Börner, zweiter
Schriftführer. Weigert, Königl. Commerzienrath, Schatzmeister. Kyllmann.
Königl. Baurath. Vorsitzender der Baucommission. P. Dorf fei, Fabrikbesitzer.
Gottheiner, Stadt-Bauinspector. Dr. med. Gurlt, Professor. A. Herzberg.
Ingenieur. W. Marc, Fahr,kbesitzer. Marggraff, Stadtrath. Dr.med. Opitz.
Ober-Stabsarzt 1. CI. v. Weltzien, Regierungs-Baumeister. H. Windler,
Königl. Hoflieferant.
Gedruckt bei L. Schumacher in Berlin.
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Vierter Jahresbericht
der
Königl. technischen Deputation für das Veterinairwesen
über die
Verbreitung ansteckender Thierkrankheiten
in Preussen.
Berichtsjahr vom 1. April 1879 bis 31. März 1880.
Archiv (Ir wissenschaftliche and practlsche Thlerheilknnde. Y1L Band. Sapplemeat
Berlin 1881.
Verlag von Angast Hirschwald.
N.W. Unter den Linden 68.
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Das Material zur Viehseuchen-Statistik ist während des Berichts¬
jahres von den beamteten Thierärzten regelmässig geliefert worden,
Tabellen bezw. Vacat-Anzeigen fehlen nur aus den nachstehend ge¬
nannten Kreisen, welche theils während des Berichtsjahres vacant
wurden, theils schon seit längerer Zeit unbesetzt sind: Hirschberg-
Schönau, Reg.-Bez, Liegnitz, Arnsberg, Hamm, Reg.-Bez. Arns¬
berg, Adenau-Ahrweiler, Reg.-Bez. Koblenz, für 3 Quartale, Prenzlau,
Reg.-Bez. Potsdam, Saarlouis, Reg.-Bez. Trier, für 2 Quartale, Schwetz,
Reg.-Bez. Marienwerder, Hoyerswerda, Reg.-Bez. Liegnitz, Stadt- und
Landkreis Münster, Reg.-Bez. Münster, Frankenberg, Reg.-Bez. Kassel,
Ober-Taunuskreis, Reg.-Bez. Wiesbaden, Daun, Reg.-Bez. Trier, für
1 Quartal. Eine grössere Anzahl nicht beamteter Thierärzte hat sich
— namentlich in den östlichen Provinzen — an der Beschaffung des sta¬
tistischen Materials betheiligt und die Tabellen entweder dem zustän¬
digen Kreisthierarzt oder direct dem Departementsthierarzt eingesandt.
Wir sind auch während des letzten Berichtsjahres sehr häufig
gezwungen gewesen, uns. durch Rückfragen bei den Kreisthierärzten
die erforderliche Aufklärung zu verschaffen: ob die in den Tabellen
angeführten Seuchenfalle in den Berichtsquartalen vorgekommen
sind, oder ob Summirungen mit Seuchenfallen vorhergegangener Be¬
richtsperioden stattgefunden hatten. Indem wir dringend die im Ein¬
gänge unseres letzten Jahresberichtes ausgesprochene Bitte wieder¬
holen: stets nur die in dem Berichtsquartal selbst gefalle¬
nen bezw. getödteten seuchenkranken Thiere aufzuführen
und jede Wiederholung der in vorhergegangenen Berichts¬
perioden getödteten bezw. gefallenen sorgfältig zu vermei¬
den, bemerken wir, dass uns eine grosse Arbeitslast erspart werden
würde, wenn alle Departementsthierärzte sich bemühen woll¬
ten, bei Zusammenstellung der General-Tabellen derartige
Archiv f. wiss. u. pract. Thierheilkuude. VII. 6uppL-Heft. i
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2 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Wiederholungen, welche die Zuverlässigkeit der statisti¬
schen Angaben erheblich beeinträchtigen, durch Vergleichung
mit der Generaltabelle des vorhergegangenen Quartals oder
durch Rückfragen bei den Kreisthierärzten auszuscheiden.
Die Zusammenstellung des vierten Jahresberichtes, schliesst sich
möglichst genau der des dritten an, namentlich beziehen sich die Be¬
zeichnungen 1., 2., 3., 4. Quartal wieder stets auf das Berichts- und
nicht auf das Kalenderjahr. Wir haben ausserdem versucht, die Zahl
der Kreise und Ortschaften, in denen während des Berichtsjahres Fälle
von ansteckenden Thierkrankheiten vorgekoramen sind, genauer zu
berechnen. Die Zahl der im Laufe des Jahres verseucht gewesenen
Gehöfte lässt sich nicht mit Bestimmtheit angeben, weil aus dem
vorliegenden Material häufig nicht zu ersehen ist, ob Seuchenfalle in
den auf einander folgenden Quartalen des Berichtsjahres unter dem¬
selben Viehbestände beobachtet wurden.
1. Der Milzbrand.
Die Tabelle S. 4 und 5 zeigt, dass der durch Milzbrand verur¬
sachte Gesammtverlust an Pferden erheblich, und dass der Verlust
an gefallenen Rindern etwas grösser gewesen ist, als während des
Berichtsjahres 1878/79. Die etwas grössere Zahl der an Milz¬
brand gefallenen Rinder wurde in erster Linie durch den Umstand
bedingt, dass die Krankheit häufiger als im vorigen Jahre unter ein¬
zelnen Viehständen seuchenartig auft.rat und grössere Verluste im Ge¬
folge hatte. Die Zahl der an Milzbrand gefallenen Schafe weicht
nicht wesentlich von der entsprechenden des vorhergegangenen Jahres
ab, und die scheinbar bedeutende Abnahme der Milzbrand fälle unter
den Schweinen muss hauptsächlich darauf zurückgeführt werden, dass
die Berichterstatter immer seltener Fälle der sogenannten Schweine¬
seuche in die Tabellen aufnehmen. Die bedeutendsten Verluste
durch den Milzbrand entfallen auf das 2. und 3. Quartal — nament¬
lich auf die Monate August bis October —, und während derselben
Zeit erlangte der Milzbrand auch räumlich die bedeutendste Ver¬
breitung.
Die Tabellen führen als an Milzbrand erkrankt 53 Pferde an,
2 Pferde im Kreise Marienwerder sind genesen. Die 51 an Milz¬
brand gefallenen Pferde vertheilen sich, wie folgt, auf die nachstehend
genannten Kreise:
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Milzbrand.
3
Kreis Stallupoenen,
Reg.-Bez. Gumbinnen
1
Pferd. *
Tilsit
n n
2
Pferde.
n
Pr. Stargard
. Danzig
2
n
„
Marien werder
„ Marienwerder
2
n
Berlin
•
1
Pferd.
Kreis
Greifenberg
w Stettin
1
n
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Randow
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3
Pferde.
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Saatzig
n n
1
Pferd.
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Frans tadt
„ Posen
2
Pferde.
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Kosten
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Pferd.
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Obornik
m n
10
Pferde.
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Pieschen
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Schroda
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1
Pferd.
Wirsitz
„ Bromberg
4
Pferde.
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Brieg
„ Breslau
1
Pferd.
n
Neumarkt
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1
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Poln. Wartenberg „ „
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Glogau
„ Liegnitz
1
*
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Liebenwerda
„ Merseburg
4
Pferde.
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Hildesheim
Landd.-Bez. Hildesheim
2
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Herford
Reg.-Bez. Minden
1
Pferd.
n
Hoexter
n n
1
w
n
Wiedenbrück
w n
1
n
Zusammen 51
Pferde.
Kurz hinter einander starben in demselben Bestände: zu Packisch,
Kr. Liebenwerda, von 29 Pferden 4, zu Dorotheenwalde, Kr. Randow,
von 32 Pferden 3, in Kl.-Schlanz, Kr. Pr. Stargard, von 40 Pfer-
nen 2 — in diesen drei Orten herrschte der Milzbrand gleichzeitig
unter dem Rindvieh —, zu Parkowo, Kr. Obornik von 30 Pferden 5,
zu Judwiga, Kr. Wirsitz sämmtliche drei in dem betreffenden Gehöft
befindliche Pferde, zu Rospitz, Kr. Marienwerder von 12 Pferden 2,
— die Ursachen der drei zuletzt genannten Ausbrüche sind nicht
ermittelt worden —, zu Lissa, Kr. Fraustadt von 10 Pferden 2, die¬
selben sollen durch Häute von am Milzbrand gefallenen Rindern in-
ficirt worden sein. In allen übrigen Fällen beschränkte sich der
Verlust auf ein Pferd desselben Bestandes. In mehreren Fällen kamen
gleichzeitig Milzbranderkrankungen unter dem Rindvieh desselben Ge¬
höftes vor; in Stahren, Kr. Wirsitz starb kurz hinter einander der
ganze Viehbestand eines Gehöftes (1 Pferd, 2 Stück Rindvieh und
2 Schweine). Im Kreise Pieschen fiel ein Pferd an Milzbrand, kurz
nachdem dasselbe zum Ausfahren von Erde aus einem verseuchten
Schafstalle benutzt worden war. Die beiden Milzbranderkrankungen
1 *
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Laufende Nummer.
4 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Im
ersten Quartal.
Im zweiten Quartal.
Im
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gefallen.
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gefallen.
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Provinz.
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Ostpreussen ...
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Schlesien.
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stein .
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9
Hannover.
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11.
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Hohenzollern-
sche Lande ..
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—
—
1
1
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Summa ..
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210
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6
124
239
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126
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Im Berichts¬
jahr 1878/79.
89
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Im Berichts¬
jahr 1879/80
mehr .
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Milzbrand.
5
ten Quartal.
Im vierten Quartal.
Im Berichtsjahr.
Regierungs- bez. Land¬
drostei-Bezirke, in denen
Fälle von Milzbrand
gefallen.
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Zahl der Gehöfte.
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gefallen.
Pferde.
St. Rindvieh.
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St. Rindvieh.
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Pferde.
St. Rindvieh.
Schafe.
Schweine.
nicht vorgekommen sind,
nebst Angabe der seu¬
chenfrei gebliebenen
Quartale.
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Danzig 3. 4. Quartal.
Marienwerder 4. Quartal.
—
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—
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15
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1
44
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—
Berlin 2. 3. 4. Quartal.
4
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—
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—
Koeslin 1.2.3.4. Quartal.
Stralsund 1. 2. 3. 4. Qu.
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2
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—
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249
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3
4
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24
—
12
20
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26
-
23
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239
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1
—
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—
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2
50
1
Hannover 3. 4 Quartal.
Lüneburg 1. 3. 4. Quart.
Stade 3. 4. Quartal.
Osnabrück 1. 2. 3. 4. Qu.
Aurich 1. 3. 4. Quartal.
2
6
—
1
1
1
1
—
1
—
—
13
22
3
34
19
1
Münster 4. Quartal.
Arnsberg 4. Quartal.
—
18
—
—
3
3
3
—
4
—
l
15
22
38
—
1
—
32
—
1
9
13
19
—
21
—
—
19
58
101
—
33
Trier 1. 3. Quartal.
Düsseldorf 2. 3. Quart.
—
—
—
-
1
1
1
—
1
—
—
2
2
—
2
—
—
Sigmaringen 1. 3. Quart.
21
306
213
4
81
137
147
7
165
241
i
201
665
51
1093
604
92
9
291
,101
34
94
180
195
3
229 221
l
—
—
2S
1009
654
171
12
15
112
4
20
23
84
—
—
—
30
13
43
i 48
—
64
—
—
—
—
—
—
50
79
Digitized by Google
6 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
in Berlin und im Kreise Greifenberg betrafen Pferde der Armee, in
den Stallungen des Berliner Truppentheils war auch während des
4. Quartals 1878 ein Fall von Milzbrand vorgekommen.
Die in den einzelnen Quartalen und im ganzen Berichtsjahr an
Milzbrand gefallenen Rinder vertheilen sich in abgerundeten Pro¬
centsätzen, wie folgt, auf die verschiedenen Provinzen:
I.
Quartal.
11.
Quartal.
III.
Quartal.
IV.
Quartal.
Im Be¬
richtsjahr.
Im Jahr
1878/79.
Zahl der an Milzbrand
gefallenen Stück
Rindvieh
210
412
306
165
1093
1009
davon in
pCt.
pCt.
pCt.
pCt.
pCt.
pCt.
1. Ostpreussen.
5,70
4,00
4,60
1,80
4,10
9,30
2. Westpreussen.
1,90
6,60
1,00
0,00
3,10
5,50
3. Brandenburg.
5,70
2,00
3,00
9,20
4,00
7,50
4. Pommern.
1,30
0,70
8,10
1,20
3,00
2.90
5. Posen.
13,80
19,00
10,80
11,50
14,60
19,10
6. Schlesien.
35,30
16,00
17,30 j
34,00
22,80
25,40
7. Sachsen .
9,50
26,80
27,10
15,75
22,00
8,80
8. Schleswig-Holstein
4,80
4,60
7,90
6,60
5,80
4,40
9. Hannover.
9,10
4,60
1,90
3,60
4,60
5,20
10. Westfalen.
1,00
6,00
1,90
0,60
3,10
1,50
11. Hessen-Nassau....
3,30
2,20
5,70
2,40
3,50
2,80
12. Rheinprovinz.
8,60
7,25
10,70
12,75
9,20
7,50
13. Hohenzollern’sche
Lande.
0,00
0,25
0,00
0,60
0,20
0,10
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Der Procentsatz der an Milzbrand gefallenen Rinder zeigt mithin
gegen das vorhergehende Jahr in der Provinz Sachsen und verhält-
nissmässig auch in Westfalen eine erhebliche Steigerung, dagegen eine
nicht unbeträchtliche Verringerung in den Provinzen Ostpreussen, West-
preussen, Brandenburg, Posen und Schlesien und in den übrigen Pro¬
vinzen nur geringe Abweichungen.
Die 45 in Ostpreussen an Milzbrand gefallenen Rinder ver¬
theilen sich, wie folgt, auf die einzelnen Kreise:
1.
Kreis
Fischhausen
in
1 Gehöft
1 Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Königsberg.
2.
ff
Gerdauen
1
3
n
fl
3.
ff
Memel
2 Gehöften
2
n
n
4.
n
Mohrungen
„
1 Gehöft
1
n
fi
5.
«
Roessei
w
1 .
1
Y>
n
6.
n
Angerburg
w
1 .
2
r>
„ Reg.-Bez. Gumbinnen.
7.
»i
Goldap
w
4 Gehöften
4
n
ff
Latus in
11 Gehöften 14 Stück Rindvieh.
Digitized by Google
Milzbrand.
7
Transport in 11 Gehöften 14 Stück Rindvieh.
8. Kreis Niederung w 1 Gehöft 1 w n Reg.-Bez. Gumbinnen.
9. n Oletzko „ 1 5 *
10. „ Pillkallen „ 3 Gehöften 3 „ „
11. „ Ragnit „ 1 Gehöft 1
12. „ Stallupoenen * 12 Gehöften 12 „ „
13. „ Tilsit „9 w 9 „
Zusammen in 38 Gehöften 45 Stück Rindvieh.
Abgesehen von 3 Beständen, in denen 5, 3 bezw. 2 Stück Rind¬
vieh fielen, beschränkte sich der Verlust stets auf ein Stück des Be¬
standes, 22 ländliche Kreise der Provinz blieben frei von Milzbrand.
Von den oben genannten 13 Kreisen waren in Fischhausen, Gerdauen,
Angerburg, Oletzko während des Berichtsjahres 1878/79 keine Milz¬
branderkrankungen vorgekommen, dagegen wurden in den Kreisen
Braunsberg, Labiau, Neidenburg, Ortelsburg, Heidekrug, welche 1878/79
zusammen 14 Stück Rindvieh verloren hatten, keine Fälle von Milz¬
brand beobachtet.
In Westpreussen fielen 34 Stück Rindvieh in den nachstehend
genannten Kreisen:
1. Kreis Elbing in 7 Gehöften 7 Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Danzig.
2. M Marienburg „ 1 Gehöft 3 „
3. * Pr. Stargard „ 1 4 „
4. „ Rosenberg „ 2 Gehöften 2 „ * Reg.-Bez. Marienwerder.
5. * Strassburg „ 2 6 „
6. „ Stuhm „ 3 3 * *
7. „ Thorn „ 6 „ 9 „
Zusammen in 22 Gehöften 34 Stück Rindvieh.
Zwei Viehbestände verloren je 4, ein Viehbestand 3, 4 Viehbe¬
stände je 2 Stück, alle übrigen Fälle blieben vereinzelt. In 14 länd¬
lichen Kreisen kamen keine Milzbranderkrankungen vor, solche waren
während des vorhergehenden Jahres in den Kreisen Marienburg, Pr.
Stargard, Strassburg nicht beobachtet worden, dagegen blieben der
Landkreis Danzig und der Kreis Marienwerder, welche 1878/79 40 Stück
verloren hatten, seuchenfrei.
Die 44 in der Provinz Brandenburg gefallenen Rinder verthei¬
len sich auf die nachstehend genannten Kreise:
1. Kreis Nieder-Barnim in 1 Gehöft 1 Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Potsdam.
2. „ Ober-Barnim „ 2 Gehöften 9 „ *
3. „ Beeskow-Storkow „ 1 Gehöft 1 w „
4. „ Ost-Havelland „ 5 Gehöften 10 „ „
5. „ Prenzlau „ 1 Gehöft 4 w _«_
Latus in 10 Gehöften 25 Stück Rindvieh.
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8 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheilen.
Transport in
6. Kreis Ruppin n
7. „ Guben ,
8. „ Königsberg i. N. „
9. w Luckau *
10. „ West-Stembcrg „
11. „ Zuellichau
10 Gehöften 25 Stück Rindvieh.
3 Gehöften
9
** *
2 .
1 Gehöft
4 Gehöften
3 .
5 .
2 „
2 „
1 „
6 .
3 .
Reg.-Bez. Potsdam.
Reg.-Bez. Frankfurt.
Zusammen in 25 Gehöften 44 Stück Rindvieh.
In Bergthal, Kr. Ober-Barnim, fielen 8 Stück Rindvieh; von 20
erkrankten sollen angeblich 12 genesen sein. Der Milzbrand hat in
früheren Jahren öfters unter den Rindvieh- und Schaf beständen dieses
Vorwerks geherrscht. Das diesjährige Auftreten fiel mit dem Nieder-
reissen eines Schafstalles zusammen, in welchem häufig sporadische
Milzbranderkrankungen unter den Schafen vorgekoramen waren. Zwei
Gehöfte verloren je 4, zwei, darunter das als Milzbrandstation be¬
kannte Gut Wildenhagen im Kreise West-Sternberg je 3, zwei je 2
Stück, in allen übrigen Ausbrüchen beschränkte sich der Verlust auf
ein Stück; in 20 ländlichen Kreisen kamen keine Milzbranderkran¬
kungen vor. Die Kreise West-Havelland, West-Priegnitz, Teltow,
Krossen, Landsberg, Lebus, Ost-Sternberg und Sorau, welche im vori¬
gen Jahre 36 Stück Rindvieh verloren hatten, blieben seuchenfrei,
dagegen ist 1878 79 in den Kreisen Beeskow, Prenzlau und Ruppin
kein Fall von Milzbrand beobachtet worden.
In der Provinz Pommern beschränkte sich das Auftreten des
Milzbrandes auf die nachstehend genannten Kreise des Reg.-Bez.
Stettin, während die Reg.-Bez. Koeslin und Stralsund seuchen¬
frei blieben.
1. Kreis Greifenbagen in 2 Gehöften 3 Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Stettin.
2. * Naugard „ 2 2 n
3. * Pyiitz „ 2 2
4. „ Randow „2 * 25
5. „ Saatzi g „ 1 Gehöft 1
Zusammen in 9 Gehöften 33 Stück Rindvieh.
Unter den 112 Stück Rindvieh des Gutes Dorotheenwalde, Kr.
Randow, kamen während des 3. Quartals 24 tödtlich verlaufende Fälle
von Milzbrand vor. Die Ursache diesefc seuchenhaften Auftretens der
Krankheit sind nicht ermittelt worden; es wird nur bemerkt, dass
den Thieren ganz verdorbenes Futter untergestreut wurde, von wel¬
chem die Rinder einen Theil verzehrt hatten. Fälle von Milzbrand
sind in Dorotheenwalde früher nicht beobachtet worden. In einem
Gehöfte starben 2 Stück des Bestandes, alle übrigen Erkrankungen
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Milzbrand.
9
blieben vereinzelt. In 7 ländlichen Kreisen kamen keine Milzbrandfalle
vor, und zwar in denselben, welche auch während des vorhergehenden
Berichtsjahres verschont gewesen waren.
Die 160 in der Provinz Posen gefallenen Stück Rindvieh ver¬
theilen sich, wie folgt, auf die Kreise:
1.
Kreis
Adelnau
in
6
Gehöften
6 Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Posen.
2.
ii
Birnbaum
ii
1
Gehöft
1
ii
11
3.
>>
Bomst
ii
3
Gehöften
3
ii
11
4.
Buk
„
3
)!
3
ii
11
5.
ii
Fraustadt
ii
6
ii
6
•i
11
6.
n
Kosten
„
12
n
16
i>
11
7.
ii
Kroeben
ii
3
ii
3
ii
11
8.
„
Krotoschin
ii
2
ii
2
IV
11
9.
ii
Meseritz
„
9
it
9
11
11
10.
ii
Obornik
„
8
ii
8
11
11
11.
ii
Pieschen
ii
10
ii
28
11
11
12.
ii
Posen (Land)
ii
2
ii
4
11
11
13.
ii
Samter
ii
1
Gehöft
7
11
11
14.
n
Scbildberg
n
1
ii
1
11
11
15.
ii
Schrimm
ii
3 Gehöften
7
11
ll
16.
>i
Schroda
ii
4
ii
7
»1
11
17.
11
Wreschen
>i
5
n
11
11
11
18.
ll
Bromberg(Land) „
2
'i
2
11
„ Reg.-Bez. Bromberg.
19.
ll
Czarnikau
ii
1
Gehöft
1
11
ii
20.
ii
Gnesen
ii
5.
Gehöften
11
11
n
21.
ii
Inowraclaw
ii
3
ii
5
11
ii
22.
li
Kolmar
ii
3
n
3
11
ii
23.
ll
Mogilno
ii
4
ii
10
11
ii
24.
li
Schubin
51
1
Gehöft
1
11
ii
25.
it
Wirsitz _
„
3 Gehöften
5
11
Zusammen
in
101
Gehöften
160 Stück
Rindvieh.
In zusammen 2 Gehöften des Kreises Pieschen starben 15 und
in zusammen 4 Gehöften des Kreises Gnesen 9 Stück Rindvieh kurz
hinter einander; die zuletzt genannten Fälle kamen bei dem Behüten
torfiger und überschwemmter Weiden vor. Drei Bestände verloren in
demselben Quartal je 7, zwei je 4, sechs je 3, neun je 2 Stück;
die übrigen Ausbrüche des Milzbrandes beschränkten sich auf je ein
Stück. Frei von der Krankheit blieb — wie im vorigen Jahre —
kein ländlicher Kreis des Reg.-Bez. Posen und im Reg.-Bez. Brom¬
berg, in welchem während des Jahres 1878/79 der Milzbrand nur
in den Kreisen Inowraclaw, Kolmar, Wirsitz aufgetreten war, allein
der Kreis Wongrowiec. In Widziszewo, Kreis Kosten, sind einzelne
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10 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Tbierkrankbeiten.
Fälle von Milzbrand in allen vier Quartalen des Berichtsjahres beob¬
achtet worden.
Die nachstehende Tabelle zeigt, dass in der Provinz Schlesien
der Milzbrand an sehr vielen Orten aufgetreten ist:
1.
Kreis
Breslau (Land)
in
18 Gehöften
24 Stück Rindvieh. Reg.-Bcz. Breslau.
2.
»»
Brieg
»»
14 .
15
77
77
3.
Guhrau
77
6
8
77
77
4.
n
Militscb
77
6 „
6
77
„
5.
77
Namslau
n
4 „
4
77
77
6.
77
Neumarkt
n
13 „
18
„
77
7.
77
Nimptsch
„
1 Gehöft
1
77
77
8.
>7
Oels
77
i „
1
77
77
9.
77
Oh lau
77
4 Gehöften
4
77
»7
10.
77
Reichenbacb
77
4 „
4
77
11.
77
Schweidnitz
„
4
4
77
77
12.
77
Steinau
»»
1 Gehöft
1
77
,,
13.
77
Strehlen
>»
1
2
77
14.
77
Striegau
3 Gehöften
3
77
77
15.
77
Trebnitz
10 „
10
77
77
16.
77
Poln. Wartenberg
n
3 „
3
77
77
17.
77
Wohlau
n
2 „
2
77
77
18.
77
Bolkenhayn
j»
4 „
4
77
„ Reg.-Bez. Liegnitz.
19.
77
Bunzlau
u
8 „
8
77
77
20.
77
Freystadt
«
3 „
3
77
77
21.
77
Glogau
12 „
13
77
„
22.
77
Görlitz (Land)
2 „
3
77
77
23.
77
Goldberg-Haynau
»i
1 Gehöft
1
77
77
24.
77
Grünberg
>»
10 Gehöften
10
77
„
25.
77
Hirschberg
1 Gehöft
1
77
77
26.
77
Jauer
»
1 „
1
„
77
27.
77
Landeshut
5 Gehöften
5
77
77
28.
77
Lauban
7»
3 „
3
77
77
29.
„
Liegnitz (Land)
77
16 „
16
77
77
30.
Lüben
7»
3 „
3
77
77
31.
77
Rothenburg
77
4 „
4
77
77
32.
77
Sagan
77
4 »i
4
77
77
33.
„
Beuthen
77
2 „
2
77
„ Reg.-Bez. Oppeln.
34.
>1
Falkenberg
77
4 „
4
77
77
35.
„
Grottkau
77
3 „
3
77
77
36.
»1
Kattowitz
77
5 „
5
77
77
37.
77
Leobschütz
77
1 Gehöft
1
77
77
38.
*1
Neisse
77
2 Gehöften
4
77
77
39.
77
Neustadt
77
10 „
10
77
77
40.
77
Oppeln
77
7 „
7
77
77
41.
77
Pless
77
3 u
4
77
77
Latus in 209 Gehöften 229 Stück Rindvieh.
Digitized by ^.ooQle
Milzbrand.
11
Transport in 209 Gehöften 229 Stück Rindvieh.
42. Kreis Ratibor „ 4 Gehöften 4 „ Reg.-Bez. Oppeln.
43. „ Gross Strehlitz „11 „ 13 „ „
44. „ Tarnowitz „ 1 Gehöft 1 „ „
45. „ Tost-Gleiwi tz „ 2 Gehöften 2 „ „
Zusammen in 227 Gehöften 249 Stück Rindvieh.
Die Verluste an gefallenem Vieh betrugen in zwei Beständen
während desselben Quartals je 5, in 3 Beständen je 3, in 8 Bestän¬
den je 2 Stück, in allen übrigen Fällen beschränkte sich das Auf¬
treten des Milzbrandes auf ein Stück. In Gossendorf, Kr. Neumarkt,
kamen in allen Quartalen, in Jackschönau, Landkreis Breslau, Rieb-
nig, Kr. Brieg, Perschitz, Kr. Trebnitz und Kleinitz, Kreis Grünberg
in drei Quartalen des Berichtsjahres einzelne Fälle von Milzbrand vor.
Die Krankheit ist in den genannten Orten stationär. Frei von Milz¬
brand blieben 16 ländliche Kreise der Provinz, von denen Münster¬
berg, Waldenburg, Schoenau, Kosel, Kreutzburg und Rybnik 1878/79
zusammen 17 Stück Rindvieh verloren hatten. Dagegen sind in den
Kreisen Militsch, Oels, Goldberg - Haynau, Hirschberg, Kattowitz,
Leobschütz und Neisse während des vorhergehenden Berichtsjahres
keine Fälle von Milzbrand vorgekommen.
Die 239 in der Provinz Sachsen gefallenen Rinder vertheilen
sich, wie folgt, auf die nachstehend genannten Kreise:
1.
Kreis Aschersleben
in
3 Gehöften
4
Stück Rindvieh. Regierungs-Bez.
2.
»»
Kalbe
ii
1 Gehöft
21
>}
ii
Magdeburg.
3.
Halberstadt
»i
1 „
7
n
ii
4.
,,
Jerichow I.
>i
8 Gehöften
23
ii
ii
5.
n
Jerichow II.
ii
3 „
3
ii
ii
6.
Neuhaldensleben
ii
1 Gehöft
1
ii
ii
7.
„
Osterburg
ii
1 „
1
ii
n
8.
Wernigerode
ii
1 „
4
ii
ii
9.
<1
Wolmirstedt
ii
3 Gehöften
3
ii
ii
10.
11
Bitterfeld
ii
6 ..
6
ii
ii
Regierungs-Bez.
11.
1»
Liebenwerda
ii
6
66
n
ii
Merseburg.
12.
17
Mansfeld Gebirgskr.
ii
1 Gehöft
1
n
ii
13.
11
Mansfeld Seekr.
n
4 Gehöften
5
ii
ii
14.
11
Querfurt
n
1 Gehöft
1
ii
n
15.
71
Saalkreis
n
2 Gehöften
2
ii
ii
16.
71
Sängerhausen
ii
12 „
24
ii
ii
17.
11
Schweinitz
ii
10
33
ii
ii
18.
1»
Torgau
ii
6 „
8
ii
n
19.
11
Wittenberg
ii
4 „
4
n
ii
20.
11
Langensalza
ii
14 „
15
»»
n
Reg.-Bez. Erfurt.
Latus in 88 Gehöften 232 Stück Rindvieh.
Digitized by t^ooQle
12 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Transport in 88 Gehöften 232 Stück Rindvieh.
21. Kreis Mühlhausen „ 3 Gehöften 4 „ „ Reg.-Bez. Erfurt.
22. ,, Nordhausen „ 1 Gehöft 2 „ „
23. „ Ziegenrück_ „ 1 1 _„
Zusammen in 93 Gehöften 239 Stück Rindvieh.
Die stärkste seuchenhafte Verbreitung erlangte der Milzbrand auf
der Domaine Packisch, Kr. Liebenwerda; unter einem Bestände von
29 Pferden, 117 Stück Rindvieh, 800 Schafen und 41 Schweinen
fielen in der Zeit von Mitte August bis Anfang November 4 Pferde,
61 Stück Rindvieh, 6 Schafe und 1 Schwein, ausserdem 4 den Guts¬
leuten gehörende Kühe. Acht Stück Rindvieh der Domaine sind
erkrankt, jedoch genesen. Der seit 16 Jahren auf der Domaine be¬
findliche Pächter hat während dieser Zeit angeblich nur einmal vor
etwa 5 Jahren einen Ochsen, welcher unter den Erscheinungen des
Milzbrandes erkrankt war, durch den Tod verloren; dagegen sollen
vereinzelte Milzbrandfälle unter den Schafen öfter vorgekommen sein.
Die näheren Umstände und Bedingungen, welche zu diesem seuchen-
haften Auftreten des Milzbrandes Anlass gaben, sind nicht mit Sicher¬
heit ermittelt worden, jedenfalls haben die Thiere jedoch die Milz¬
brand erzeugende Schädlichkeit mit den von der Gutsfeldmark ge¬
ernteten Futterstoffen aufgenommen, ausserdem wird das bedeutende
Umsichgreifen der Krankheit zum Theil auch auf Ansteckung von
Thier zu Thier zurückgefiihrt. Die Haut der zuerst gefallenen Kuh
ist an einen Sattler in Arzberg bei Torgau verkauft worden, welcher
bald darauf seine einzige Kuh und ausserdem eine Ziege an Milzbrand
verlor. Packisch liegt 2 Kilometer nördlich von der Elbe; die fast
durchweg ebene Feldmark besteht aus einer ziemlich lockeren und
milden, mehr oder weniger humusreichen Ackerkrume von ver¬
schiedener Mächtigkeit, welche grösstentheils auf Lehm oder Thon
lagert. Die zuletzt genannte Schicht hat meistens eine sandige oder
kiesige Unterlage, theilweise liegt die angeschwemmte Oberkrume aber
unmittelbar auf durchlassendem Sand oder Kies, während die undurch¬
lassende lehmige oder thonige Zwischenschicht gänzlich fehlt. Ausser¬
dem fielen in dem benachbarten Gute Otterwitz, woselbst während
der letzten 35 Jahre nur selten, vielleicht alle drei bis vier Jahre,
ganz vereinzelte Milzbrandfälle vorgekommen sind, plötzlich 3 Stück
Rindvieh. Die Bodenverhältnisse sind dieselben wie in Packisch, das
Milzbrandgift ist den Thieren jedenfalls durch Verfüttern von Rüben¬
blättern und grünem Stoppelklee einverleibt worden. Während des
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Milzbrand.
13
4. Quartals brach der Milzbrand in Beiersdorf bei 2 Stück Rindvieh
aus, welche aus dem benachbarten Packisch angekaufte Weizenspreu
verzehrt hatten.
In Löbnitz, Kr. Kalbe, fielen unter einem Bestände von 64 Ochsen
binnen 48 Stunden 21 Stück am Milzbrand. Die erkrankten Ochsen
waren aus einem für die übrigen Stücke des Bestandes nicht benutz¬
ten Brunnen getränkt worden, sonst war Fütterung und Haltung der
sämmtlichen Thiere genau dieselbe. In Gr. Rössen, Kr. Schweinitz,
verloren 2 mit zusammen 50 Stück Rindvieh besetzte Gehöfte während
des 2. Quartals 18 und während des 3. Quartals, bald nachdem die
Endschaft der Seuche constatirt worden war, wieder 6 Stück kurz
nach einander. In Wendelobbese, Kr. Jerichow I, starben unter einem
Bestände von 50 Stück 15, in Suderode, Kr. Halberstadt, 7, in San-
gerhausen unter einem Bestände von 56 8 Thiere plötzlich und binnen
kurzer Frist. In 2 Gehöften fielen während desselben Quartals je 4,
in einem 3, in 8 je 2 Stück Rindvieh, die übrigen Fälle blieben ver¬
einzelt. In 16 ländlichen Kreisen sind keine Milzbrandfälle vorge¬
kommen, mit Ausnahme von Oschersleben, Wanzleben, Delitsch, Mer¬
seburg und Schleusingen sind dieselben auch im Jahre 1878/79 frei
von Milzbrand gewesen. Dagegen kamen im Berichtsjahre Milzbrand¬
erkrankungen in den Kreisen Aschersleben, Kalbe, Halberstadt, Neu¬
haldensleben, Wernigerode, Torgau und Nordhausen zur Kenntniss,
während diese Kreise nach den Mittheilungen der beamteten Thier¬
ärzte 1878/79 keine Verluste durch den Milzbrand erlitten hatten.
In der Provinz Schleswig-Holstein trat der Milzbrand gröss-
tentheils ganz vereinzelt und fast durchweg in der Form des soge¬
nannten Rauschbrandes auf, dessen Zusammengehörigkeit mit dem
Milzbrand von den beamteten Thierärzten der Provinz vielfach be¬
stritten wird. Das statistische Material ergiebt folgende Verluste:
1 .
Kreis
Apenrade
in
5 Gehöften
10 Stück Rindvieh.
2.
Flensburg
55
1 Gehöft
1
55 )5
3.
51
Hadersleben
55
3 Gehöften
5
55 55
4.
55
Husum
ti
2 „
5
55 55
5.
55
Norderdithmarschen
55
7 „
7
'5 55
6.
55
Rendsburg
55
3 „
3
55 *5
7.
55
Südcrdithmarschen
5)
16
16
55 55
8.
55
Tondem
55
12 „
16
55 *5
9.
55
Sonderburg
,,
1 Gehöft
1
51 55
Zusammen
in
50 Gehöften
64 Stück Rindvieh.
Der Verlust während desselben Quartals betrug in einem Gehöft 6,
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14 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankbeiten.
in einem 4, in einem 3, in vier je 2 Stück, die übrigen Fälle blieben
vereinzelt. In 11 ländlichen Kreisen, von denen Eckernförde, Kiel,
Pinneberg, Schleswig und Steinburg im vorhergegangenen Jahre zu¬
sammen 12 Stück Rindvieh verloren hatten, sind keine Milzbrandfalle
beobachtet worden, dagegen trat die Krankheit in den Kreisen Haders¬
leben, Husum, Rendsburg und Sonderburg auf, welche 1878/79 frei
gewesen waren.
Bei Weitem die meisten der in der Provinz Hannover vorge¬
kommenen Milzbranderkrankungen entfallen auf den Landdrosteibezirk
Hildesheim, namentlich auf die zu einem kreisthierärztlichen Bezirk
verbundenen Kreise Hildesheim-Marienburg, in einzelnen Ortschaften
der letzteren ist der Milzbrand eine stationäre Krankheit.
1. Stadt Hannover in 1 Gehöft
2. Kreis Nienburg * 2 Gehöften
n Hildesheim \ 99
9 Marienburg J " ”
4. „ Liebenberg „ 3 „
5. „ Zellerfeld „ 1 Gehöft
6. w Harburg * 1
7. „ Stade-Geest v n 2 Gehöften
8. n Stade-Marsch „ 1 Gehöft
9. „ Leer „ 1
1 Stück Rindvieh. Land-Bez. Hannover.
2 .
29
9
1
1
4
1
2
Land-Bez. Hildesheim.
Land-Bez. Lüneburg.
Land-Bez. Stade.
Land-Bez. Aurich.
Zusammen in 84 Gehöften 50 Stück Rindvieh.
In Wöltingerrode, Kr. Liebenberg, starben fast gleichzeitig 6 kurz
vorher aus dem Magdeburgischen eingefuhrte Ochsen, während die
übrigen mit demselben Futter ernährten Thiere des Gehöftes gesund
blieben. Demgemäss wird behauptet, dass die Krankheit durch Ur¬
sachen entstanden sei, welche auf die Ochsen an ihrem Heimathsorte
eingewirkt hatten. In 2 Gehöften fielen je 3, in 7 Gehöften je
2 Stück Rindvieh; alle übrigen Fälle von Milzbrand blieben verein¬
zelt. In 28 Kreisen der Provinz, von denen Diepholz, Landkreis
Hannover, Wennigsen, Einbeck, Göttingen, Uelzen und Melle im vori¬
gen Jahre zusammen 28 Stück Rindvieh verloren hatten, sind keine
Fälle von Milzbrand vorgekommen; die Kreise Zellerfeld, Stade-Geest
und Marsch, Leer und die Stadt Hannover waren 1878/79 frei von
Milzbrand gewesen.
Die 34 Milzbrandfälle in der Provinz Westfalen kamen in fol¬
genden Kreisen vor:
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Milzbrand.
15
1.
Kreis Ahaus
in
2 Gehöften
4 Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Münster.
2.
*
Münster
n
1 Gehöft
1
n
n
3.
Recklinghausen
n
i .
6
«
w
4.
n
Steinfurt
n
3 Gehöften
4
n
n
5.
„
Tecklenburg
n
1 Gehöft
1
n
6.
w
Büren
n
4 Gehöften
5
n
„
Reg.-Bez. Minden.
7.
w
Herford
n
1 Gehöft
1
»
n
8.
*
Hoexter
»
1 .
1
n
9.
n
Warburg
i»
1 .
1
n
n
10.
„
Lippstadt
w
1 . *
1
w
n
Reg.-Bez. Arnsberg.
11.
„
Siegen
H
3 Gehöften
3
n
1«
12.
Wittgenstein
*
2 .
6
m
w
Zusammen in 21 Gehöften 34 StSck Rindvieh.
Die 6 Fälle in einem Gehöft des Kreises Recklinghausen betrafen
Kälber; gegen die Richtigkeit der Diagnose sind Zweifel erhoben
worden, ln 2 Gehöften des Kreises Wittgenstein fielen zusammen
6 Stück an der Form des sogenannten fliegenden Brandes. Abgesehen
von 4 Gehöften, welche je 2 Stück verloren, blieben alle Milzbrand¬
erkrankungen vereinzelt. In 22 Kreisen, von denen Bielefeld, Halle,
Minden, Brilon und Olpe im vorigen Berichtsjahre zusammen 5 Stück
verloren hatten, kamen keine Milzbranderkrankungen vor. Die Kreise
Recklinghausen, Büren, Höxter, Siegen, Wittgenstein waren 1878/79
seuchenfrei geblieben.
In der Provinz Hessen-Nassau sind 38 Stück Rindvieh in
den nachstehend genannten Kreisen gefallen:
1.
Stadt Kassel
in
1 Gehöft
1 Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Kassel.
2.
Kreis Fulda
>»
2 Gehöften
2 „
jt
3.
„ Gelnhausen
4 „
4 „
it
4.
„ Hanau
»»
1 Gehöft
2 „
tt
5.
„ Homburg
n
1 „
1 n
tt
6.
„ Hünfeld
>»
1
1 »
tt
7.
„ Kircbhayn
D
1 „
1 ,•
tt
8.
„ Rinteln
»»
1 „
1 n
tt
9.
„ Witzenhausen
>»
1
14 „
it
10.
Ober Lahnkreis
ft
2 Gehöften
3 „
„ Reg.-Bez. Wiesbade
11.
Unter-Lahnkreis
ft
1 Gehöft
1 tt
»»
12.
Ober-Taunuskreis
ft
1 „
1 „
tt
13. Unter-Taunuskreis
ft
1
2 „
tt
14.
Ober-Westerwaldkreis
ft
3 Gehöften
3 „
tt
15.
Landkreis Wiesbaden
ff
1 Gehöft
l „
tt
Zusammen in
22 Gehöften 38 Stück Rindvieh.
Seuchenhaft trat der Milzbrand nur unter dem 35 Stück zählen¬
den Viehbestände der Domaine Wendershausen, Kr. Witzenhausen, auf,
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16 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
es erkrankten im 3. Quartal 21, im 4. Quartal 2, zusammen 23 Stück,
von denen 9 Stück genesen sind. Als Ursache wird Verfiitterung von
Gräsern, welche auf überschwemmt gewesenen Wiesen gewonnen waren,
bezeichnet. Drei Bestände verloren je 2 Stück, die übrigen Erkrankungs¬
fälle blieben vereinzelt. In 18 ländlichen Kreisen kam kein Milz¬
brandfall vor, von denselben hatten Marburg, Rotenburg, Biedenkopf,
Dill-, Rheingau- und Unter-Westerwaldkreis im vorhergegangenen Be¬
richtsjahr zusammen 11 Stück Rindvieh verloren. Die Kreise Fulda,
Hanau, Homburg, Hünfeld, Rinteln, Witzenhausen, der Ober-Lahn-
und Unter-Taunuskreis waren 1878/79 frei von Milzbrand gewesen.
Von den 101 in der Rheinprovinz gefallenen Rindern kom¬
men 64 auf den Reg.-Bez. Aachen, wie die nachstehende Tabelle
nach weist:
1.
Kreis
Ahrweiler
in
1 Gehöft
1
Stück Rindvieh. Reg.-Bez. Koblenz.
2.
»»
Kreuznach
J»
4 Gehöften
6
»»
ff
3.
Wetzlar
»1
8 „
8
ff
>*
4.
Zell
„
1 Gehöft
2
ff
ff
5.
Stadt Duisburg
„
1 „
1
ff
„ Reg.-Bez. Düsseldorf.
6.
Kreis Kempen
»
1 „
2
ff
ff
7.
Bonn
ff
1 „
1
ff
„ Reg.-Bez. Ko ein.
8.
*»
Buskirchen
»
1 „
1
ff
i?
9.
n
Mülheim
„
2 Gehöften
2
10.
ff
Rheinbach
ft
7 „
7
i)
>»
11.
ff
Wipperfürth
ft
1 Gehöft
1
ff
ff
12.
n
Ottweiler
ff
4 Gehöften
5
ff
„ Reg.-Bez. Trier.
13. Stadt Aachen
ft
1 Gehöft
1
ff
„ Reg.-Bez. Aachen.
14
Kreis Aachen
ff
3 Gehöften
3
ff
15.
n
Düren
ff
8 „
. 8
.j
16.
Eupen
ff
44 „
45
ff
17.
»»
Geilenkirchen
ff
1 Gehöft
1
•f
ff
18.
>»
Heinsberg
ff
3 Gehöften
4
ff
19.
?>
Jülich
2 „
2
ff
ff
Zusammen
in
94 Gehöften 101
Stück Rindvieh.
Die
bedeutendsten
Verluste
erlitt der
Kreis Eupen, zahlreiche
Ortschaften desselben sind bekannte Stationen, in denen der Milzbrand
— am häufigsten in der Form des Milzbrand-Emphysems — fast zu
allen Jahreszeiten auftritt; in Astenet, Busch und Lontzen kamen
z. B. einzelne Fälle während 3 Quartale des Berichtsjahres vor. Mit
Ausnahme eines Falles, in welchem 2 Thiere desselben Bestandes
kurz nach einander fielen, blieb jedoch jeder Ausbruch im Kreise
Eupen auf ein einzelnes Stück beschränkt. Auch in Betreff der Ver¬
seuchungen in diesem Kreise sind Zweifel erhoben worden, ob die
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Milzbrand.
17
Fälle von sogenanntem Rauschbrand wirklich den Anthrax-Character
an sich tragen. Mit Ausnahme von einem Gehöft, welches 3 Stück
verlor und von 5 Gehöften, in denen je 2 Stück kurz nach einander
fielen, blieben alle Milzbranderkrankungen in der Rheinprovinz ver¬
einzelt. Von 43 seuchenfreien Kreisen der Provinz hatten Simmern,
Kleve, Landkreis Köln, Gummersbach, Bernkastel, Bitburg, Merzig,
Saarlouis und Malmedy im vorhergegangenen Berichtsjahr zusammen
14 Stück Rindvieh verloren. Die Kreise Alirweiler, Kreuznach, Zell,
Bonn, Mühlheim, Rheinbach, Wipperfürth und Düren waren 1878/79
seuchenfrei gewesen.
In den Hohenzollern , sehen Landen ist je ein Stück Rind¬
vieh in den Ober-Aemtern Hechingen und Sigmaringen am Milzbrand
gestorben.
Eine Vergleichung der für erkrankte und gefallene Stück Rind¬
vieh in den Tabellen aufgeführten Zahlen ergiebt, dass im Ganzen 60
an Milzbrand erkrankte Thiere == 5,20 pCt. genesen sind.
Ueber die ursächlichen Verhältnisse des Milzbrandes ent¬
hält das statistische Material nur spärliche Mittheilungen. Bei Wei¬
tem die Mehrzahl aller Milzbrandfälle ist in solchen Ortschaften, bezw.
Gehöften vorgekommen, in denen in Zwischenzeiten von einigen Mona¬
ten, mitunter auch von einigen Jahren ein bis zwei Stück Rindvieh
zu Grunde gehen, und die Krankheit demgemäss als eine stationäre
bezeichnet werden muss. Ebenso sind in Schleswig-Holstein bestimmte
Weiden bekannt, bei deren Benutzung alljährlich vereinzelte Fälle
von Rausch brand unter dem Rindvieh Vorkommen. Sehr häufig wird
von den Berichterstattern erwähnt oder mit Nachdruck betont, dass
Erkrankungen in diesen Milzbrandstationen früher sehr viel häufiger
beobachtet worden sind und während der beiden letzten Decennien
auffallend abgenommen haben. Bemerkungswerth sind ferner die
langen, oft 5 bis 8 Jahre oder noch darüber umfassenden Zwischen¬
räume, in denen Erkrankungen in solchen Milzbrandstationen beobachtet
werden. Ueber die Bodenbeschaffenheit der letzteren, sowie über die
Verhältnisse der Witterung, des Grundwasserstandes, der Art und
Beschaffenheit des Futters etc., unter denen in derartigen Oertlichkeiten
am häufigsten Milzbranderkrankungen beobachtet werden, enthält das
statistische Material so direct sich widersprechende Angaben, dass
dieselben hier gar nicht zusammengefasst oder zur Begründung einer
bestimmten Folgerung verwerthet werden können. Nur soviel geht
aus den Mittheilungen hervor, dass die Niederungen und überhaupt
Archiv f. wisa. u. pract. Thierheilkunde. VII. 8uppl.-Heft. o
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18 Jahresbericht üher die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
die nächste Nachbarschaft nicht nur grösserer Ströme, sondern
auch kleinerer Flüsse besonders reich an solchen Milzbrandstationen
sind, und am häufigsten wird über die Bodenbesehaffenheit der
Milzbrandstationen angeführt, dass die Feldmark entweder humus¬
reichen, kalkhaltigen Boden oder Lehmboden mit Mergel besitze.
Ganz besonders auffallend weichen die Angaben über die Durchlässig¬
keit oder Undurchlässigkeit des Bodens der Milzbrandstationen von
einander ab.
Sehr häufig findet sich in dem statistischen Material die Mitthei¬
lung, dass Ueberschwemmungen von Wiesen und Weiden oder das
von solchen Theilen der Feldmark gewonnene verschlammte, multrig
und dumpfig gewordene Futter bezw. Tränken mit dem auf Ueber-
schweramungsstellen zurückgebliebenen Wasser, oder Eindringen von
Ueberschwemmungswasser in die Brunnen die nächste Ursache zu Aus¬
brüchen des Milzbrandes abgegeben haben. Dieselben Anführungen
kehren so häufig wieder, dass ein gewisses Verhältniss zwischen In-
nundationen der Wiesen und Felder einerseits und dem Auftreten des
Milzbrandes andererseits kaum zu bezweifeln sein dürfte.
Endlich wird durch die Berichte vielfältig hervorgehoben, dass
das Vergraben der Cadaver von an Milzbrand gestorbenen
Thieren — am häufigsten von Schafen — in ungeeigneterWeise
oder an nicht passenden Stellen der Feldmark als eine der
wichtigsten und häufigsten Ursachen von Milzbrandaus¬
brüchen angesehen werden muss. Zahlreiche Beobachtungen
sprechen dafür, dass nicht nur das Beweiden solcher Verscharrungs¬
stätten, sondern auch die Verfütterung der von den letzteren gewon¬
nenen Pflanzen im Stall Anlass zu Ausbrüchen des Milzbrandes ge¬
ben, und dass sich das Milzbrandgift an solchen Verscharrungsstellen
sehr lange Zeit — Jahre, selbst Decennien — hindurch wirksam
erhalten kann. Besonders häufig wurden nach Verfütterung von Kar¬
toffeln oder Rüben, welche an mitunter vor langen Jahren zur Ver¬
scharrung von Milbrandcadavem benutzten Stellen der Feldmarken
oder Gärten eingemietet worden waren, Ausbrüche des Milzbrandes
beobachtet.
Wir müssen an dieser Stelle erwähnen, dass namentlich in
den östlichen Provinzen bei der Beseitigung der Milzbrandcadaver oft
mit einer Sorglosigkeit verfahren wird, welche kaum glaublich er¬
scheint. Cadaver von an Milzbrand gefallenen Rindern und Schafen
sind nicht nur auf den gewöhnlichen Weiden dieser Thiere, son-
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Milzbrand.
19
dem sogar in den Gärten, in unmittelbarer Nachbarschaft der Ställe,
selbst in Scheunen oder auf dem Gehöfte in Dünger- oder Compost-
haufen vergraben worden. Diese Verhältnisse haben vielfach Anlass
gegeben, dass der Milzbrand, welcher früher eine fast unbekannte
Krankheit war, in bestimmten Oertlichkeiten stationär wurde. Die
für die Unterdrückung der Seuche durchaus erforderliche
unschädliche Beseitigung der Milzbrandcadaver wird ferner
wesentlich dadurch erschwert, dass die an Milzbrand erkrankten Thiere
häufig kurz vor dem Tode noch abgeschlachtet werden. In der Pro¬
vinz Posen macht sich unter den Arbeiterklassen sogar nicht selten
kein Widerstreben gegen das Verzehren der gefallenen Thiere bemerk-
lich; in Ossowo, Kr. Wreschen kam es zu einer offenen Rebellion der
kleinen Besitzer und Einlieger (Komorniks), als denselben befohlen
wurde, die Cadaver einiger an Milzbrand gefallenen Kühe vorschrifts-
mässig zu verscharren; die Leute wollten durchaus das Fleisch dieser
Thiere essen.
Im Uebrigen werden als Ursachen des Milzbrandes nur ganz im
Allgemeinen angeführt: verdorbenes, schimmeliges, mit Pilzen befalle¬
nes Heu, dumpfiges Stroh, verdorbene Pressrückstände aus den Zucker¬
fabriken, schlechtes, an organischen Bestandtheilen reiches Trinkwasser,
kellerartige, schlecht ventilirte oder sonst ungeeignete Ställe, sehr
heisse Witterung, Gewitterluft etc.
Eine Verbreitung des Milzbrandes durch Uebertragung von Thier
zu Thier, ist nur ganz ausnahmsweise beobachtet worden.
Abgesehen von den bereits erwähnten Angaben über das Auf¬
treten des Milzbrandemphysems und des sogenannten Rauschbrandes
enthält das statistische Material über die Form der Milzbrand¬
erkrankungen wenig Mittheilungen, aus denen nur soviel hervor¬
geht, dass die carbunculöse Form nur selten beobachtet wor¬
den ist, und die Krankheit in der grossen Mehrzahl der
Fälle als Anthrax acutissimus auftrat.
Von vielen beamteten Thierärzten wird berichtet, dass zahlreiche
sporadische Fälle von Milzbrand nicht zur Kenntniss der Behörden
gelangen. Andererseits sprechen die Berichterstatter selbst oder die
Departementsthierärzte bei Zusammenstellung der Generaltabellen nicht
selten Zweifel aus, ob der eine oder der andere in die Tabellen auf¬
genommene sporadische Erkrankungsfall wirklich Milzbrand gewesen
oder durch Schädlichkeiten des Futters bedingt worden ist.
In noch höherem Grade gilt von den Schafen die durch zahl-
2 *
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20 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
reiche Berichterstatter vorgetragene Thatsache, dass die Erkrankungen
an Milzbrand nicht immer zur Kenntniss der Behörden oder der
beamteten Thierärzte gelangen. Man kann sogar weiter gehen und
behaupten, dass die in den Tabellen verzeichneten 604 an Milzbrand
gestorbenen Schafe nur einen kleinen Bruchtheil der wirklichen Ver¬
luste darstellen. Die 604 Schafe vertheilen sich, wie folgt, auf die
nachstehend genannten Reg.-Bez. und Kreise:
1.
Reg. - Bez.
Marienwerder,
Kreis Strassburg
in
1
Gehöft*
11
Schafe.
2.
»
Potsdam,
i>
Ost-Havelland
ii
1
11
2
ii
3.
>i
Ost-Priegnitz
ii
1
11
16
ii
4.
»»
ii
Zauch-Belzig
ii
1
:i
7
ii
5.
«
Stettin,
ii
Naugard
ii
1
*
ii
22
ii
6.
n
»)
ii
ii
i>
1
ii
17
ii
7.
i»
i»
ii
Saatzig
ii
2
Gehöften
109
»i
8.
ii
P osen,
n
Buk
i»
1
Gehöft
6
ii
9.
n
ii
Pieschen
*1
1
*
ii
44
ii
10.
11
»»
ii
n
ii
1
ii
26
ii
11.
11
>»
ii
Schroda
ii
1
*
ii
4
n
12.
i»
»t
ii
Wreschen
ii
1
ii
15
ii
13.
n
Op peln,
n
Grottkau
ii
2 Gehöften
41
ii
14.
11
»
»i
Oppeln
ii
1
Gehöft
108
n
15.
»»
ii
n
Gr. Strehlitz
ii
1
ii
98
ii
16.
n
Magdeburg,
ii
Halberstadt
ii
1
*
n
20
ii
17.
11
Merseburg,
n
Liebenwerda
ii
1
*
*i
4
ii
18.
>i
i»
ii
Schweinitz
n
1
•
n
30
ii
19.
11
Erfurt,
ii
Langensalza
n
1
n
5
n
20.
i>
Minden,
n
Warburg
n
1
„
19
„
Zusammen
in
22
Gehöften
604 Schafe.
In den mit * bezeichnten Gehöften herrschte der Milzbrand
gleichzeitig unter dem Rindvieh. Aus den Kreisen Pieschen und
Wreschen, Reg.-Bez. Posen, wird ausserdem ohne Angabe bestimmter
Zahlen berichtet, dass einzelne Fälle von Blutseuche unter den Scha¬
fen mehrerer Heerden vorgekommen sind. Die 5 Schafe im Kreise
Langensalza sollen durch den Biss eines Hundes inficirt worden sein,
nachdem der Hund unmittelbar vorher Blut einer an Milzbrand ge¬
fallenen Kuh geleckt hatte. Im Uebrigen enthält das statistische
Material keine Bemerkungen über die ursächlichen Verhältnisse der
Milzbrandausbrüche bei Schafen. Die Tabellen führen 605 erkrankte
Schafe an, von denen mithin ein Schaf genesen sein muss.
Fälle von Milzbrand bei Schweinen sind in den nachstehend
genannten Reg.-Bez. und Kreisen beobachtet worden:
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Milzbrand.
21
1. Reg.-Bez.
Königsberg,
Kreis Mohrungen
in
1 Gehöft
1 Schwein.
2.
Marienwerder,
»>
Sch wetz
i>
1 „
2 Schweine.
3. „
Posen,
Obornik
»»
1 „
2 „
4.
>»
Pieschen
>»
1 ,i *
1
5.
Bromberg,
»»
Wirsitz
1 „ *
2
6.
Oppeln,
11
Neustadt
»»
1 „
3
7.
Merseburg,
i»
Liebenwerda
»
1 „ *
1
8.
Schleswig,
n
Segeberg
»
32 Gehöften 44 „
9. Ldr.-Bez.
Hannover,
ji
Nienburg
n
1 Gehöft
1
10. Reg. -Bez.
Minden,
»»
Herford
»»
1 „
1
11-
Kassel,
11
Fulda
1 „
1 „
12.
Kob lenz,
Kreuznach
23 Gehöften 33 „
Zusammen
in
65 Gehöften 92 Schweine.
In den mit * bezeichneten Gehöften herrschte gleichzeitig der
Milzbrand unter dem Rindvieh. Im Kreise Nienburg erkrankten drei
Schweine, welche Fleisch einer an Milzbrand gefallenen Kuh verzehrt
hatten, zwei dieser Schweine sind genesen. Eines der im Kreise Kreuz¬
nach crepirten Schweine hatte Futterrückstände einer an Milzbrand
gefallenen Kuh gefressen. In Betreff der Fälle im Kreise Segeberg
versichert der Berichterstatter, welcher Ueberschwemmungen des sehr
undurchlassenden Bodens als Ursache beschuldigt, in dem Blute der
gefallenen Schweine stets die charakteristischen Milzbrandstäbchen
gefunden zu haben, und auch der Berichterstatter Für den Kreis Moh¬
rungen verwahrt sich gegen jeden Irrthum in der Diagnose. Im
Uebrigen kann wohl angenommen werden, dass ein grosser Theil der
in den Tabellen aufgeführten Schweine nicht an Milzbrand, sondern
an der sogenannten Schweineseuche gelitten hat.
Während des 2. Quartals sollen Fälle von Milzbrand unter dem
Schwarzwild im Kreise Goldap, Reg.-Bez. Gumbinnen, vorgekom¬
men sein, und ist in Weh rau, Kreis Bunzlau, Reg.-Bez. Liegnitz, ein
Stück Dammwild an Milzbrand gefallen.
Die Tabellen berichten, dass bei dem Schlachten kranker und
bei dem Abhäuten gefallener Rinder 12 Menschen sich inficirt
haben, von diesen sind 11 nach zum Theil schwerem Leiden genesen
und einer — ein Schlächter in Schmedenstedt, Kreis Hildesheim —
gestorben. Ausserdem erkrankte in Folge von Mildbrandinfection im
Kreise Guben, Reg.-Bez. Frankfurt, ein mit dem Bewachen eines Milz-
brandcadavers beauftragter Mensch, welcher sich Nachts auf das noch
warme, mit Stroh bedeckte Cadaver schlafen gelegt hatte. Das sta¬
tistische Material führt ferner zahlreiche Fälle an, in denen Hunde
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22 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
oder Katzen, welche Theile von Milzbrandcadavern verzehrt oder Blut
der letzteren geleckt hatten, erkrankt sind.
2 . Die Maul- und Klauenseuche.
Die Maul- und Klauenseuche ist, wie die Tabelle S. 24 und 25
nachweist, während des ganzen Berichtsjahres nur selten und an ver-
hältnissmässig wenigen Orten aufgetreten, namentlich wurden im 2. und
3. Quartal nur ganz vereinzelte Ausbrüche beobachtet. Verseucht
waren in allen 4 Quartalen die Reg.-Bez. Potsdam und Frankfurt,
in 3 Quartalen die Reg.-Bez. Danzig und Arnsberg, in 2 Quartalen
die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Marienwerder, Stettin, Bromberg,
Liegnitz, Merseburg, Schleswig, Lüneburg, Koeln und Aachen,
in einem Quartal die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Königsberg, Posen,
Breslau, Oppeln, Magdeburg, Hannover, Hildesheim, Stade,
Wiesbaden und Düsseldorf, alle übrigen Reg.- bez. Landdr.-Bez.
blieben während des Berichtsjahres frei von der Krankheit. Eine
seuchenhafte Verbreitung erlangte dieselbe nur während des 1. Quartals
im Kreise Görlitz unter solchen Schweinen, welche von Händlern in
der Provinz Posen zusammengekauft worden waren.
Die Ausbrüche unter dem Rindvieh beschränkten sich stets auf
einzelne Ortschaften, selbst auf einzelne Gehöfte, sogar auf einzelne
Thiere desselben Stalles. Namentlich wurde sehr häufig beobachtet,
dass diejenigen Stücke Rindvieh, welche an der Maul- und Klauen¬
seuche während der beiden vorhergegangenen Jahre gelitten hatten,
selbst unter den für die Ansteckung günstigsten Verhältnissen nicht
erkrankten, oder dass das Auftreten der Seuche sich nur auf neu
angekauftes Vieh, welches zugleich die Einschleppung vermittelt hatte,
und mitunter ausserdem noch auf das Jungvieh erstreckte. Ein Stück
Rindvieh im Kreise Jauer, Reg.-Bez. Liegnitz ist an der Aphthenseuche
gefallen.
Die Einschleppung der Seuche konnte in den meisten Fällen
auf den Viehhandel bez. auf den Marktverkehr oder auf lnfectionen
durch Treiberschweine, welche den betreffenden Ort passirt hatten,
mit Bestimmtheit zurückgeführt werden.
Die Krankheit brach namentlich häufig unter den Rindvieh bestän¬
den solcher Gehöfte aus, in welchen Heerden von Treiberschweinen
oder Marktvieh genächtigt hatten. Während des 1. Quartals wurde
die Seuche mehrmals auf den Schlachtviehhöfen in Berlin, Altona
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Maul- und Klauenseuche.
23
und Düsseldorf bei Schweinen, welche in Berlin stets russischen Ur¬
sprungs waren, constatirt; während der letzten 3 Quartale wurde ein
Auftreten der Maul- und Klauenseuche auch auf den Schlachtviehhöfen
der grossen Städte nicht beobachtet. Von der Impfung der Aphthen¬
seuche ist bei dem Rindvieh nur während des 1. Quartals einmal
— in Amalienhof, Kr. Elbing, Reg.-Bez. Danzig — mit dem Erfolge
Gebrauch gemacht, dass die geimpften Thiere schnell und sehr ge¬
linde durchseuchten.
Man kann behaupten, dass das Berichtsjahr im Verhältniss
zu den vorhergegangenen 10 Jahren fast als ein von der
Maul- und Klauenseuche frei gebliebenes anzusehen ist,
selbst wenn man dabei in Rechnung zieht, dass erfahrungsgemäss
eine nicht unerhebliche Zahl von Seuchenausbrüchen den Behörden
und beamteten Thierärzten unbekannt bleibt. Allein es muss dabei
beachtet werden, dass die beamteten Thierärzte jedenfalls in ihren
Tabellen erwähnt haben würden, dass umlaufenden Gerüchten zufolge
die Maul- und Klauenseuche häufiger aufgetreten sei, wenn eine
grössere Anzahl von Ausbrüchen vorgekommen wäre, über welche
eine Anzeige nicht geleistet wurde. Da sich derartige Bemerkungen in
den Seuchenberichten gar nicht oder sehr vereinzelt finden, muss auch
als festgestellt erachtet werden, dass in der That die Ausbrüche der
Maul- und Klauenseuche während des Berichtsjahres verhältnissmässig
selten vorgekommen sind.
Die Tabellen berichten ferner über das Vorkommen der Maul¬
und Klauenseuche in mehreren Schafheerden, namentlich der Reg.-
bez. Landdr.-Bez. Stettin, Wiesbaden, Hannover und Hildes¬
heim. Die dabei vorgetragenen Angaben über Dauer, Ausbreitung
und Behandlung der Krankheit machen es in den meisten Fällen
zweifelhaft, ob die betreffenden Schafe an der Aphthenseuche oder an
der sogenannten bösartigen Klauenseuche bez. an der Moder¬
hinke gelitten haben. Einzelne Ausbrüche, in denen die Krankheit,
über welche in dem Abschnitt: Maul- und Klauenseuche berichtet
wird, bestimmt die bösartige Klauenseuche gewesen ist, haben wir in
die Generaltabelle nicht aufgenommen. Es wäre zu wünschen, dass
die Kreisthierärzte in Zukunft Aphthenseuche und bösartige
Klauenseuche der Schafe schärfer aus einander halten, und
dass die Departementsthierärzte in ihren Generaltabellen diese bei¬
den Krankheiten von einander trennen.
In Frankfurt a./M. starben zwei Ziegen an der Maul- und Klauen-
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k 24 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
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Maul- und Klauenseuche.
25
Im vierten Quartal.
Im Berichtsjahr.
Regierungs- bcz. Land¬
drostei-Bezirke, in denen
die Maul- und Klauen-
erkrankt.
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£
erkrankt.
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Cd
erkrankt.
Rindvieh.
Schafe.
Schweine.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft
Rindvieh.
Schafe.
Schweine.
Zahl der Kreise.
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2
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Rindvieh.
Schafe.
Schweine.
seuchc nicht aufgetreten
ist, nebst Angabe der
seuchenfrei gebliebenen
Quartale.
—
—
2
3
3
184
—
—
2
3
184
—1
—
Königsberg 1. 2. 3. Quart.
Gumbinnen 1.2. 3. 4. Qu.
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—
2
2
2
22
—
—
4
6
163
—
—
Danzig 3. Quartal.
Marienwerder 2. 3. Quart.
14
—
—
3
3
3
74
12
—
10
25
379
23
18
Berlin 1. 2. 3. 4. Quartal.
3
3
33
320
Stettin 3. 4. Quartal.
Koeslin 1. 2. 3.4. Quartal.
Stralsund 1.2.3.4. Quart.
2
1
1
1
1
—
—
4
4
43
40
—
Posen 1. 2. 4. Quartal.
Bromberg 2. 3. Quartal.
10
12
111
34
200
Breslau 2. 3. 4. Quartal.
Liegnitz 3. 4. Quartal.
Oppeln 2. 3. 4. Quartal.
2
2
86
Magdeburg 2. 3. 4. Quart.
Merseburg 2. 3. Quartal.
Erfurt 1. 2. 3. 4. Quartal.
—,
—
—
—
—
—
—
—
—
2
3
2
260
11
Schleswig 3. 4. Quartal.
•
1
1
1
10
4
4
20
800
Hannover 1. 3. 4. Quartal.
Hildesheim 1. 3. 4. Quart.
Lüneburg 1. 3. Quartal.
Stade 2. 3. 4. Quartal.
Osnabrück 1.2.3.4.Quart.
Aurich 1.2. 3. 4. Quartal.
2
230
2
2
14
Münster 1.2.3.4 Quartal.
Minden 1.2. 3. 4. Quartal.
Arnsberg 4. Quartal.
1
3
—
230
Kassel 1. 2. 3. 4. Quartal.
Wiesbaden 1.2.4.Quartal.
2
4
6
6
105
7
10
111
22
Koblenz 1.2.3.4. Quartal.
Düsseldorf 2.3.4.Quartal.
Koeln 1. 2. Quartal.
Trier 1. 2. 3. 4. Quartal.
Aachen 2. 3. Quartal.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
Sigmaringen 1.2.3.4. Qu.
20
230
) —
13
| 161
~
386
22
51
~
1146
1707
251
2546
37
36
54
80
94
1485
224
172
165
378
8710
977
592
193
730
2526
—
36
41
64
78
1099
202
172
114
301
7564
—
; 341
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26 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
seuche; ein 4 Jahr alter Knabe, welcher gekochte Milch von diesen
kranken Thieren getrunken hatte, bekam einen pemphigusartigen
Ausschlag am Kopfe und an den Händen. Der Ausschlag, welcher
besonders intensiv an den Ohrmuscheln auftrat, heilte erst nach 14
bis 20 Tagen ab.
3. Die Lungenseuelie.
Aus der Zusammenstellung in der Tabelle S. 28 und 29 geht
hervor, dass die Zahl der an der Lungenseuche erkrankten, sowie der
Verlust an erkrankten und behufs Seuchentilgung getödteten Stück
Rindvieh zwar etwas höher gewesen ist, als im vorhergegangenen
Jahre, gleichzeitig aber auch, dass die Gesammtzahl der Kreise und
Ortschaften, in denen die Lungenseuche zum Ausbruch gelangte, im
Allgemeinen nicht bedeutend war und während der drei letzten
Quartale zum Theil erheblich weniger betrug als in den entsprechen¬
den des Jahres 1878/79. Am Schlüsse des letzteren blieben 112, am
Schlüsse des Berichtsjahres 99 Gehöfte übrig, in denen die Seuche
noch nicht als getilgt betrachtet werden konnte. Die Steigerung der
Verluste ist demnach zu einem grossen Theil darauf zurückzuführen,
dass die Neigung der Besitzer grösserer Güter eine schleunigere
Tilgung der Lungenseuche durch Tödtungen zahlreicher — auch nur
in geringen Graden erkrankter, so wie durch Abschlachtung sol¬
cher Thiere herbeizuführen, welche lediglich der Ansteckung ausge¬
setzt gewesen und überhaupt noch nicht sichtlich erkrankt waren, im
Allgemeinen zugenommen hat. Auch die geringere Zahl der gefallenen
Thiere unterstüzt die so eben ausgesprochene Annahme.
Nachstehend versuchen wir, übersichtlich die Verluste anschau¬
lich zu machen, welche durch die Ausbrüche der Lungenseuche ver¬
anlasst wurden. Die Bestände, unter denen die Seuche auftrat, ent¬
hielten im Ganzen:
1878/79.
im 1. Quartal 1814
„ 2. „ 2403
„ 3. „ 3898
„ 4. „ 4068
1879/80.
2911 St. Rindvieh.
2346
3941
4475
Die Gesammtzahl der Thiere, welche die verseuchten Bestände
zusammensetzten, hat mithin während des Berichtsjahres in den
letzten 3 Quartalen zugenommen, obgleich keine erhebliche Steigerung,
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Lungenseuche.
27
theilweise sogar eine Abnahme der verseuchten Ortschaften und Ge¬
höfte stattfand. Diese Thatsache findet lediglich dadurch eine Er¬
klärung, dass die Zahl der grösseren Güter, namentlich in der Provinz
Sachsen, unter deren Viehbeständen das Herrschen der Lungenseuchc
bekannt wurde, auffällig grösser geworden ist (s. auch Zusammen¬
stellung S. 46 u. 47).
Die Verluste an gestorbenen und getödteten Thieren im
Verhältniss zu der oben angeführten Gesammtzahl aller
verseuchten Bestände, berechnen sich:
1878/79. 1879/80.
im 1. Quartal auf 24,00 22,00 pCt.
. 2. „ 17,50 16,28 „
. 3. . 14,00 12,30 „
. 4. „ 17,00 17,00 „
Die genannten Procentsätze stellen sich in den ersten drei Quar¬
talen des Berichtsjahres noch ungleich höher, wenn man die Provinz
Sachsen, in welcher erst während des 4. Quartals umfangreiche Tödtun-
gen behufs Tilgung der Lungenseuche vorgenoramen wurden, ausser
Anschlag lässt. Unter dieser Voraussetzung berechnet sich der Pro¬
centsatz der Verluste im Verhältniss zu der Gesammtzahl der Thiere
in den verseuchten Gehöften, wie folgt:
im 1. Quartal 1879/80 auf 26,40 pCt.
n 2. „ „ „ 24,25 .
* 3. „ * „ 19.20 „
« 4, n * „ 17,90 „
Ein Blick auf die Tabelle S. 28 und 29 zeigt ferner, dass die
Zahl der Seuchenausbrüche und der Umfang der Verluste während
des Berichtsjahres in der Provinz Sachsen erheblich zugenommen hat,
dagegen macht sich eine stetige Abnahme der Seuchenausbrüche und
Verluste in den Provinzen Brandenburg, Schlesien, Westfalen, in der
Rheinprovinz, mit einigen Schwankungen auch in den Provinzen Posen,
Hannover und Hessen-Nassau bemerklich. In Westpreussen, Pommern
und Schleswig-Holstein beschränkte sich das Vorkommen der Lungen¬
seuche auf ganz vereinzelte Ausbrüche.
Noch schärfer ergiebt sich die Richtigkeit dieser Thatsache aus
der Tabelle S. 30, welche die Zahl der auf die einzelnen Pro¬
vinzen entfallenden Erkrankungen an Lungenseuche in abgerundeten
Procentsätzen ausdrückt.
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Laufende Nummer.
28 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Im ersten Quartal.
1
Im zweiten Quartal.
1
Im drit
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Stück Rindvieh
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Zahl der Gehöfte.
Stück Rindvieh
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Provinz.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft«
erkrankt.
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ordnung getodtet.
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Zahl der Kreise.
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ordnung getödtet.
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Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft
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Ostpreussen ...
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—
—
—
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—
—
—
—
—
2
Westpreussen..
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—
—
—
—
—
1
1
1
12
—
10
2
1
1
1
3.
Brandenburg ..
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10
13
146
2
142
51
4
5
8
117
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117
—
5
11
13
4.
Pommern.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
5.
Posen.
6
12
12
30
1
29
5
10
11
25
1
23
_
5
9
11
6.
Schlesien .
3
5
6
61
60
4
3
5
5
17
1
16
6
3
4
4
7.
Sachsen .
13
32
46
181
6
154
23
12
28
44
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3
128
9
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8.
Schleswig-Hol¬
stein .
1
2
2
4
1
15
2
2
2
10
9
7
2
2
2
9
Hannover.
4
5
5
48
4
44
—
6
8
11
85
3
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6
4
5
12
10.
Westfalen.
5
5
7
16
1
13
—
4
5
6
16
—
14
2
1
2
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11
Hessen-Nassau .
6
9
9
18
—
13
8
5
7
10
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1
21
4
6
9
32
12.
Rheinprovinz ..
12
12
15
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2
56
12
5
5
5
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1
14
1
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13.
Hohcnzollern-
sche Lande ..
_
Summa ..
56
92
115
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16
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113
47
76
103
461
10
425
37
40
69
109
Im Berichts¬
jahr 1878/79.
46
77
94
[ 4-24
11
39o
35
50
93
126
396
22
342
56
52
98
146
Im Berichts¬
jahr 1879/80
mehr .
10
15
21
150
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122
78
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weniger .
—
—
—
—
—
—
—
3
17
23
» —
12
—
19
12
29
37
Digitized by
Google
Lungenseuch«.
29
Im vierten Quartal.
Im Berichtsjahr.
Regierungs- bez. Land¬
drostei-Bezirke, in denen
Fälle von Lungenseuche
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Stück Rindvieh
c
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Stück Rindvieh
erkrankt.
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ordnung getödtet.
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nicht vorgekommen sind,
nebst Angabe der seu¬
chenfrei gebliebenen
Quartale,
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1 —
—
—
-
Königsberg 1.2.3. 4. Qu.
Gumbinnen 1.2.3. 4. Qu.
10
—
10
—
—
—
—
—
—
—
1
1
22
—
20
2
Danzig 1. 4. Quartal.
Marienwerder 1.2.3.4. Qu.
81
1
75
7
5
8
10
57
—
54
67
8
22
401
3
388
125
Berlin 1. 2. 3. 4. Quartal.
1
1
1
5
5
1
1
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Stettin 1. 2. 3. Quart.
Kocslin 1. 2. 3. Quartal.
Stralsund 1.2.3.4.Quart.
95
1
93
1
7
11
13
50
1
49
-
11
30
200
4
194
1
Bromberg 3. Quartal.
9
1
9
—
3
3
3
18
—
17
45
7
10
105
2
102
55
Liegnitz 1. 2. Quartal.
Oppeln 3. Quartal.
180
9
147
19
19
148
63
481
20
421
14
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980
38
850
65
Erfurt 2. 3. Quartal.
5
—
5
—
2
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1 —
18
25
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3
3
8
9
22
2
12
8
6
14
202
9
170
17
Hannover 3. 4. Quartal.
Lüneburg 1. Quartal.
Stade 1. 2. 3. 4. Quartal.
Aurich 1. 2.3.4. Quartal.
5
—
5
—
1
1
1
1
—
1
—
7
12
38
1
33
2
Münster 3. 4. Quartal.
Minden 2. 3. 4. Quartal.
60
3
55
2
5
6
12
32
—
32
5
9
21
135
4
121
19
2
2
3
5
1
4
14
15
91
3
71
17
Koblenz 3. 4. Quartal.
Düsseldorf 3. 4. Quartal.
Koeln 3. 4. Quartal.
Trier 1. 2. 3. Quartal.
Aachen 1.2.3.4. Quartal.
—
—
—
-
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
Sigmaringen 1.2.3.4.Qu.
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15
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91
220
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64
1972
328
557
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51
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129
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32
567
92
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2090
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1778
234
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54
111
194
94
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6
39
19
4
5
11
39
9
I
—
—
—
22
—
—
Digitized by ^.ooQle
30 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
1 .
Quartal.
2 .
Quartal.
3.
Quartal.
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4.
Quartal.
Berichts¬
jahr 1879 1
1880.
Berichts¬
jahr 1878
1879.
An Lungenseuche er¬
krankte St. Rindvieh
574 '
461
492
674
2201
2090
1 .
davon in der Provinz
Westpreussen.
pCt
pCt.
2,60
pCt.
2,00
pCt.
pCt.
1,00
pCt.
1,00
2
Brandenburg.
25,40
25,40
16,45
8,40
18,20
21,00
3
Pommern.
—
—
—
0,75
0,20
—
4.
Posen.
5,20
5.40
19,35
7,50
9,00
17,00
5.
Schlesien.
10,70
3,80
1,70
2,75
4,80
7,50
6 .
Sachsen .
31,60
30,00
36,65
71,20
44,70
25,00
7.
Schleswig-Holstein
0,70
2,20
1,00
0,45
1,00
1.20
8 .
Hannover.
8,30
18,20
9,60
3,25
9,10
4,20
9.
Westfalen.
2,80
3,50
1,00
0,15
1,70
2,10
10 .
Hessen-Nassau....
3,10
5,40
12,25
4,80
6,10
13,00
11 .
Rheinprovinz.
12.20
3,50
—
0,75 j
4,20
8,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
Die Vergleichung in der 6. Colonne der vorstehenden Tabelle
zeigt, dass der Procentsatz der Erkrankungen
nur in der Provinz Sachsen erheblich und ausserdem
etwas in Hannover gegen das vorhergegangene Jahr
zugenommen hat. Abgesehen von einem Ausbruch in der
während des vorigen Jahres seuchefreien Provinz Pommern und
von der Provinz Westpreussen, in welcher dasselbe Verhältniss
bestehen blieb, macht sich in allen übrigen Provinzen eine Ab¬
nahme der Lungenseuche bemerklich.
In der Provinz Ostpreussen ist, ebenso wie im Jahre 1878/79,
kein Fall von Lungenseuche beobachtet worden.
Das Auftreten der Krankheit in der Provinz Westpreussen
beschränkte sich auf den Viehbestand des Gutes Stenzlau, Kr. Pr.
Stargard, Reg.-Bez. Danzig. Die Seuche ist durch in Bayern ange¬
kaufte Zugochsen eingeschleppt worden. Von den ursprünglich vor¬
handenen 95 Stück des Bestandes wurden 22 behufs Seuchentilgung
abgeschlachtet. Der Reg.-Bez. Marienwerder blieb das ganze Jahr
hindurch seuchefrei.
Die Verbreitung der Lungenseuche in der Provinz Brandenburg
weist die umstehende Tabelle nach.
Die Kreise Ober-Barnim und Prenzlau des Reg.-Bez. Potsdam
waren 1878/79 seuchefrei geblieben, dagegen hatten die Kreise Teltow
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Lungenseuche.
31
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr gestorbene
und getÖdtete Thiere.
*1 Ü
2 S
S ^
bcH
SS
00 ü
TT
S
c- &
j= ^
•
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtetc Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
1
Ober Barnim ..
1
7
7
Reg.-Bez.
2.
Beeskow-Storkow
3
16
—
—
—
—
1
i
17
49
Potsdam.
3.
Ost-Havelland ..
—
—
—
—
2
7
2
4
11
1
4.
Prenzlau.
—
—
—
—
3
—
3
37
37
—
Summa ..
3
16
1
7
5
7
6
42
72
50
1.
Friedeberg ....
1
63
_
_
_
_
_
63
64
Reg.-Bez.
2.
Königsberg Nord-
Frankfurt.
und Südabthei¬
lung..
3
20
1
27
2
5
2
74
126
44
3
Lebus.
4
22
1
3
4
51
2
5
81
141
4.
Züllichau.
2
74
5
80
2
20
—
174
—
Summa ..
10
179
7
110
8
76
4
79
444
249
und Zauch-Belzig in dem vorigen Jahr zusammen 120 Stück an der
Lungenseuche verloren. Im Kreise Beeskow-Storkow brach die Lungen¬
seuche während des 1. Quartales in 3 bäuerlichen Beständen dadurch
aus, dass die Krankheit von Thieren eines früher verseucht gewesenen
Gutes auf zwei Bestände desselben und einen Bestand eines benach¬
barten Dorfes übertragen wurde. Der Ausbruch im 4. Quartal betraf
das oben erwähnte Gut und beschränkte sich auf einen angekauften
Ochsen. Ucber die Einschleppung der Krankheit in das Gehöft des
Kreises Ober-Barnim wird nichts mitgetheilt. In dem zum Gute
Königshorst, Kr. Ost-Havelland, gehörenden Vorwerk Nordhof, ist
die Lungenseuche, welche unter den Viehbeständen des Gütercom-
plexes seit 1870 zu verschiedenen Zeiten geherrscht hat, eigentlich
nie vollständig erloschen, dieselbe wurde vielmehr durch die in jedem
Jahre geborenen Kälber fortdauernd unterhalten. Durch Verkauf
eines Kalbes wurde die Krankheit von Nordhof in einen Viehbestand
der Stadt Nauen eingeschleppt, und erst die in Folge dieses Aus¬
bruches veranlassten Nachforschungen stellten das Fortherrschen der
Digitized by t^ooQle
32 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Lungenseuche in Nordhof fest. Die Tilgung war auch am Ende des
Berichtsjahres in Nordhof und Nauen noch nicht erfolgt. Der Aus¬
bruch der Lungenseuche im Kreise Prenzlau betraf die Viehbestände
dreier Vorwerke einer Zuckerfabrik und ist durch Ankauf von Zug¬
ochsen in Bayern bedingt worden.
Im Iteg.-Bez. Frankfurt sind die Viehbestände der Güter Holm,
Kr. Friedeberg, Vietnitz mit Vorwerk Charlottenhof, Alt-Bleyen, Kr.
Königsberg, Rathstock, Kr. Lebus, Buckau A. u. B., Cruramendorf und
Vorwerke, Kr. Züllichau, durch die Lungenseuche fast vollständig auf¬
gerieben worden. Ausser sehr zahlreichen auf polizeiliche Anordnung
getödteten Thieren wurde vielfach der Rest der verseuchten Bestände
auf dem Berliner Viehmarkt abgeschlachtet. Die Seuche dauerte
theilweise aus dem letzten Quartal des vorhergehenden Berichtsjahres
fort und hat meist einen stürmischen Verlauf genommen, welcher
auf zahlreiche gleichzeitig stattgehabte Infectionen und auf die Zu¬
sammenhäufung vieler Thiere in denselben Ställen, in denen intensive
Mästung betrieben wird, zurückzufuhren sein dürfte. Ueber die Ver¬
schleppung der Krankheit erfahren wir nur, dass dieselbe in einem
Falle durch Ankauf eines Stück Rindvieh auf einem Markt der Pro¬
vinz Posen, meistens aber durch Berührung mit Vieh benachbarter
Seuchengehöfte bedingt worden ist. Am Schlüsse des Berichtsjahres
war die Lungenseuche bis auf den Viehbestand eines ausgebauten Ge¬
höftes im Kr. Lebus vollständig getilgt.
Bei aus verseuchten Beständen stammenden, anscheinend noch
gesunden Thieren, welche behufs schleuniger Seuchentilgung nach dem
Berliner Viehmarkt zum Abschlachten transportirt worden waren, er¬
gab sich, dass zahlreiche Thiere mit der Lungenseuche behaftet waren,
oder fanden sich diejenigen krankhaften Veränderungen, welche nach
Ablauf der Krankheit in den Lungen Zurückbleiben. Unter dem in
Berlin einheimischen Vieh kam kein Fall von Lungenseuche vor.
In der Provinz Pommern, welche während der letzten 2 Jahre
vollständig seuchenfrei geblieben war, brach die Lungenseuche — ein¬
geschleppt durch den Ankauf bayerischer Zugochsen — unter dem
Viehbestände des Gutes Hufenberg, Kr. Bublitz, Reg.-Bez. Köslin im
4. Quartal aus. Die Krankheit war am Schlüsse des Berichtsjahres
noch nicht getilgt.
In der Provinz Posen sind Ausbrüche der Lungenseuche in den
nachstehend genannten Kreisen vorgekommen:
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Lungenseuche.
33
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr gestorbene
und getödtete Thiere.
Ira Jahre 1878/79 gestor¬
bene und getödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge¬
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge¬
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
1.
Bomst.
4
4
1
5
1
21
1
1
31
24
Reg.-Bez.
2
Buk .
—
—
1
1
2
41
2
7
50
94
Posen.
8.
Fraustadt.
2
2
—
—
1
1
1
1
4
24
4.
Kosten .
3
21
7
14
6
31
6
16
82
26
6.
Kroeben .
1
1
—
—
1
1
—
—
2
28
6 .
Krotoschin ....
1
1
—
—
—
—
—
—
1
—
7
Posen (Landkr.)
—
—
1 1
3
—
—
—
—
3
33
8.
Schrimm.
—
—
—
1
20
20
27
Summa ..
11
29
10
23
11
|95
11
45
193
256
1.
Kolmar.
1
1
1
1
2
25
Reg.-Bez.
2.
Mogilno.
—
—
—
—
—
—
1
3
3
—
Bromberg.
3.
Wongrowiec ...
—
—
—
—
—
—
1
1
1
—
Summa ..
1
1
1
1
—
—
2
4
6
25
Die Kreise Birnbaum, Meseritz und Samter, welche 1878/79 zu¬
sammen 81 Stück Rindvieh verloren hatten, blieben im Reg.-Bez.
Posen während des Berichtsjahres seuchefrei, dagegen war 1878/79
im Kreise Krotoschin kein Fall von Lungenseuche vorgekommen. Die
obige Zusammenstellung zeigt, dass der Kr. Kosten am stärksten ver¬
seucht war, welcher im Jahre 1877/78 unter allen Kreisen des Staates
die bedeutendsten Verluste durch die Lungenseuche erlitten hatte. Die
letztere nahm 1878/79 im Kr. Kosten an Verbreitung bedeutend ab,
um während des Berichtsjahres wieder einen’ erheblicheren Umfang
zu erlangen. Die Mittheilungen über die Einschleppung der Krankheit
in die Seuchenorte des Reg.-Bez. sind sehr dürftig, es hat den An¬
schein, dass die Verschleppung am häufigsten durch Ankauf von
Vieh auf den Märkten der Provinz oder durch das Vieh der oft
ihre Stelle wechselnden Tagelöhner und Dienstboten vermittelt wird;
je einmal erwähnen die Tabellen als Ursache des Ausbruches: An¬
kauf von Vieh in Bayern, Schlesien bez. im Kreise Züllichau, Reg.-
Bez. Frankfurt. Die Verluste waren im Verhältniss zu der Gesammt-
zahl der Bestände theils geringe, theils — namentlich auf einzelnen
Archiv f. witt. n. pxmct. ThUrhcilkunde. VII. 6appl.-H«ft. o
Digitized by Google
34 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
grösseren Gütern — sehr bedeutend, weil eine grosse Zahl Thicre
auf polizeiliche Anordnung getödtet werden musste, z. B. in:
Plastowo, Kreis Kosten, 83 Stück Bestand, 16 Stück getödtet.
Walkowo
„ 33
3?
33
15
33
33
Wonsewo
33
Buk, 180
33
33
39
33
33
Godziszowo
Bomst, 59
33
33
21
33
33
Manieczki
33
Schrimm 102
33
33
21
33
33
Mehrfach wurden Restbestände verseuchter Bestände zum Ab¬
schlachten nach dem Berliner Viehmarkt gebracht.
Die Fälle von Lungenseuche im Kreise Kolmar, Reg.-Bez. Brom¬
berg, betrafen Kühe von Dienstleuten eines Gutes, unter dessen Vieh¬
beständen im vorhergegangenen Berichtsjahre die Krankheit geherrscht
hatte. Die Ausbrüche in je einem Gehöfte der Kreise Mogilno und
Wongrowiec gaben Anlass zu den sorgfältigsten Nachforschungen über
den Ursprung der Seuche, wobei sich herausstellte, dass in den be¬
treffenden Gehöften ein Abgang oder ein Wechsel von Vieh nicht statt¬
gefunden hatte. Da der Reg.-Bez. und speziell die beiden genannten
Kreise bisher von der Lungenseuche frei geblieben waren, und da eine
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr gestorbene
und getödtete Thiere.
Im Jahre 1878/79 gestor¬
bene und getödtete Thiere.
ai
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o
O
o
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•es
3
co :o
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge¬
tödtete Thiere.
,
Landkr. Breslau
4
16
3
9
2
2
1
5
32
90
Reg.-Bez.
2.
Guhrau.
l
44
1
10
54
—
Breslau.
Summa ..
5
60
4
19
2
2
1
5
86
90
1.
Landkr. Görlitz
_
_
1
7
1
5
12
11
Reg.-Bez.
2.
Grünberg.
—
—
1
1
—
1
Liegnitz.
Summa ..
—
—
—
2
8
1
13
11
1
Pless.
1
4
4
21
Reg.-Bez.
2
Ratibor.
—
—
—
—
—
—
1
52
52
—
Oppeln.
3.
Tost-Gleiwitz ..
—
—
i
4
—
—
—
—
4
—
Summa ..
1
4
11
4
^1
—
1
52
60
21
Digitized by
Google
Lungenseuche.
35
weitere Verbreitung in den Beständen nicht erfolgte, dürfte zu ver-
muthen sein, dass ein Irrthum in der Diagnose vorliegt.
Die vorstehende Tabelle zeigt, dass die Lungenseuche in der
Provinz Schlesien nur ein beschränktes Verbreitungsgebiet ge¬
habt hat.
Seuchefrei blieben die Kreise Wohlau, Hirschberg, Lauban, Löwen¬
berg, Beuthen und Leobschütz, welche 1878/79 zusammen 26 Stück
Rindvieh verloren hatten, dagegen wurden im vorhergegangenen Berichts¬
jahre Fälle von Lungenseuche in den Kreisen Guhrau, Grünberg,
Ratibor und Tost-Gleiwitz nicht beobachtet.
Die Ausbrüche der Lungenseuche im Landkreise Breslau, Reg.-
Bez. Breslau, kamen in benachbarten Ortschaften, in denen die
Krankheit zum Theil schon während des vorhergegangenen Jahres
herrschte, vor und sind hauptsächlich durch Berührung der Thiere
unter einander von einem Ort und Gehöft nach dem anderen verschleppt
worden. Die Tilgung wurde dadurch befördert, dass zahlreiche Thiere
— in Jackschoenau und Zaungarten z. B., die zusammen 88 Stück
zählenden Bestände der Seuchengehöfte — theils auf polizeiliche An¬
ordnung getödtet, theils zum Abschlachten verkauft wurden. In
Seitsch, Kr. Guhrau, wurde der ganze Bestand der Gutsheerde auf
polizeiliche Anordnung getödtet.
Die Fälle im Landkreise Görlitz, Reg.-Bez. Liegnitz, sollen,
wie vermuthet wird, auf Einschleppungen aus dem Königreich Sachsen
zurückzuführen sein, in dessen angrenzenden Districten die Seuche
angeblich mehrfach aufgetreten ist. Das im Kreise Grünberg gefallene
Stück konnte nur der „Lungenseuche verdächtig“ erklärt werden und
hat voraussichtlich, da die Krankheit sich in dem Bestände nicht
weiter verbreitete, an einer anderen Krankheit gelitten.
Die Ausbrüche der Lungenseuche im Reg.-Bez. Oppeln wurden
bald durch Abschlachten der verseuchten Bestände auf polizeiliche
Anordnung getilgt, in Morawetzhof, Kreis Ratibor, liess der Besitzer
den Rest des Bestandes. — 44 Stück — auf eigene Veranlassung
schlachten, nachdem 8 Stück auf polizeiliche Anordnung getödtet
worden waren. Die Berichte enthalten keine Mittheilungen über die
Einschleppung der Lungenseuche in die Seuchenorte des Reg.-Bez.
Oppeln.
Die folgende Tabelle giebt einen Ueberblick der Verseuchungs-
Verhältnisse in der Provinz Sachsen.
3*
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36 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
©
©
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verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
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verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
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C/5
k.
©
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
1.
Aschersleben...
1
1
1
18
4
41
60
25
Reg.-Bez.
2.
Kalbe .
2
5
1
1
4
63
9
26
95
—
Magdeburg.
3
Gardelegen ....
—
—
—
—
—
—
1
4
4
—
4.
Halberstadt ...
—
—
—
—
3
19
6
13
32
1
5
Jerichow I.
—
—
—
—
2
8
3
33
41
—
6.
Jerichow II. ...
1
30
1
18
—
—
1
15
63
—
7
Neuhaldensleben
2
3
3
4
1
2
2
4
13
32
8.
Oschersleben ...
6
14
3
13
3
5
4
40
72
27
9.
Osterburg.
—
—
4
4
—
—
1
14
18
7
10.
Wanzlebcn ....
7
24
9
41
3
5
1
14
84
105
11.
Wolmirstcdt ...
1-1
38
10
23
8
16
17
68
145
43
Summa ..
32
114
32
105
25
136
49
272
627
240
1.
Delitsch.
4
13
3
17
1
8
38
49
Reg.-Bez.
2.
Eckartsberga...
—
—
—
—
—
—
2
22
22
—
Merseburg.
3.
Liebenwerda ...
—
—
—
—
—
—
1
17
17
—
4.
Mansfeld Gc-
birgskr.
—
—
—
—
1
1
1
2
3
7
5.
Mansfeld Seekr. .
—
—
—
—
2
9
2
10
19
7
6.
Naumburg ....
1
11
—
—
—
—
—
—
11
43
7
Querfurt .
1
2
2
8
2
11
3
70
91
2
8.
Saalkreis.
2
10
3
5
—
—
2
56
71
40
9
Sangerhausen . .
3
31
4
5
1
10
—
—
46
3
10.
Weissenfels ....
—
—
1
1
1
11
Summa ..
11
67
12
35
7
39
12
178
319
162
1.
Erfurt Landkr. .
1
1
1
Reg.-Bez.
2.
Schleusingcn ...
1
1
—
—
—
—
—
—
1
11
Erfurt
3
Ziegenrück ....
—
—
—
—
—
—
2
5
5
11
Summa ..
2 |
2
—
—
—
—
2|
^ 5
7
22
Im Reg.-Bez. Magdeburg blieben während des Berichtsjahres
nur die Stadt Magdeburg, die Kreise Salzwedel und Wernigerode,
welche 1878/79 zusammen 24 Stück Rindvieh verloren hatten, sowie
der Kreis Stendal, in welchem während der beiden letzten Jahre kein
Fall von Lungenseuche vorgekommen ist, seuchefrei, im Reg.-Bez.
Merseburg die Kreise Bitterfeld, Merseburg, Wittenberg, in denen
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Lungenseuche.
37
1878/79 51 Stück Rindvieh theils getödtet wurden, theils gefallen
waren. In den Kreisen Schweinitz, Torgau und Zeitz ist die Lungen¬
seuche während der beiden letzten Jahre nicht aufgetreten. Im Reg.-
Bez. Erfurt waren 1878/79 die Kreise Nordhausen und Worbis ver¬
seucht gewesen — Verlust 14 Stück Rindvieh — dagegen im Erfurter
Landkreise keine Fälle von Lungenseuche vorgekommen.
Die Zahl der verseuchten Bestände und der auf polizei¬
liche Anordnung getödteten Rinder ist imReg.-Bez. Magde¬
burg fortdauernd gestiegen; trotzdem sind nach den über¬
einstimmenden Versicherungen aller Berichterstatter bei
Weitem noch nicht sämmtliche Seuchenherde des Bezirkes
bekannt. Als solche können namentlich viele grössere Güter,
welche die Zuckerfabrikation betreiben, angesehen werden, in denen
die Krankheit vielfach seit Decennien herrscht und theils ver¬
heimlicht, theils stets von Neuem eingeschleppt wird. Die Besitzer
sind wenig geneigt, die gesetzlich vorgeschriebene Anzeige von Aus¬
brüchen der Lungenseuche zu machen, weil die Einführung der Gehöfts¬
sperre mit zu bedeutenden wirtschaftlichen Störungen verbunden ist
und ziehen es meistens vor, die Thiere sofort nach dem Hervortreten
der ersten Krankheitserscheinungen an Fleischer zu verkaufen, welche
dieselben in der Regel noch am Tage der Uebergabe abschlachten.
Ebenso sind in den Schlachthäusern von Berlin und Köln mehrfach
aus dem Magdeburgischen stammende Stück Rindvieh an der Lungen¬
seuche erkrankt befunden worden; die Constatirung der Seuche bei
einem in .Köln geschlachteten Ochsen brachte das Herrschen der
Krankheit unter einem Viehstande in Groningen, Kr. Oschersleben,
erst zur Kenntniss der Behörden. Die in Folge dessen eingeleitete
Untersuchung ergab bei zwei Ochsen alle Erscheinungen der Krank¬
heit und bei einem Ochsen die Veränderungen eines bereits seit min¬
destens 6 Monaten abgelaufenen Lungenseucheprocesses. Ausserdem
wird die Verbreitung der Seuche auch durch den Umstand begünstigt,
dass die Ställe der Viehhändler, aus denen die grossen Güter ihren
Bedarf beziehen, nicht selten seit Jahren verseucht sind. Die öfter
vertheidigte Behauptung, dass die Seuche aus Holland, Ostfriesland
oder Oldenburg eingeschleppt worden sei, ist fast in der Regel eine
irrthümliche, die Infection hat vielmehr in den Ställen der Vieh¬
händler stattgefunden.
Von den Beständen der grossen Fabrikwirthschaften verbreitet
sich die Seuche vielfach auf solche, welche kleineren Besitzern gehören
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38 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
und mit den erkrankten Thieren der grösseren Güter in mannigfache
Berührung kommen. Diese Verbreitung würde noch ungleich häufiger
stattfinden, wenn die Erfahrung nicht gezeigt hätte, dass das Begegnen
gesunder und kranker Thiere im Freien die Uebertragung der Seuche
sehr viel weniger leicht vermittelt als das Zusammenstehen in dem¬
selben Stalle. Die Einschleppung erfolgte ferner vielfach durch den
Ankauf kranker oder inficirter bez. noch nicht vollständig dureh-
geseuchter Thiere — welche mehrfach aus dem Braunschweig'schen
oder aus Bayern eingeführt worden sind —, durch die mit Viehkuren
sich beschäftigenden Hirten, oder durch das Führen der Kühe zum
Bullen. In einem Falle gab ein erkrankter Bulle Anlass zum Aus¬
bruch der Lungenseuche in 6 Ortschaften.
Die Krankheit verlief — namentlich unter den Zugochsen der
grossen Fabrikwirthschaften — häufig sehr milde und hatte auffallend
geringe Verluste im Gefolge. Dieser günstige Verlauf wird meistens
der zeitig und gleich nach dem Constatiren des ersten Falles
vorgenommenen Impfung zugeschrieben. Jedoch fehlt es anderseitig
auch nicht an Beispielen, dass die Verluste eine bedeutende Höhe
erreichten, oder die Krankheit so bösartig auftrat, dass die Besitzer
sich entschlossen, den Restbestand zur Schlachtbank zu verkaufen.
In Beleke, Kr. Jerichow II. sind z. B. während des 3. und 4. Quartals
unter einem Bestände von 59 Stück 2 gefallen und 46 auf polizeiliche
Anordnung getödtet worden.
Ganz ähnlich liegen die Verhältnisse in denjenigen Kreisen des
Reg.-Bez. Merseburg, in welchen sich grössere Güter mit Zucker¬
fabriken finden; in den an die Provinz Brandenburg grenzenden Kreisen
mit sandigem Boden kommen Ausbrüche der Lungenseuche nur sehr
selten vor, dagegen sollen die um Halle liegenden Kreise ebenso ver¬
seucht sein wie die Umgegend von Magdeburg. In beiden Reg.-Bez.
der Provinz hatte die seit Decennien bestehende Verseuchung gewisser
Distrikte auch zur Folge, dass die Lungenseuche in demselben Stall
häufig nach längeren Pausen von Neuem d. h. sobald neu angekauftes
Vieh in den inficirten Stall gebracht wurde, zum Ausbruch gelangte.
In Plotha, Kr. Naumburg, wurde ein ganzer Bestand von 54 Stück
Rindvieh abgeschlachtet, in Osmünde, Saalkreis, sind von den ursprüng¬
lich vorhandenen 101 Stück Vieh bis zur Tilgung der Seuche nur
37 Stück übrig geblieben, im Uebrigen war der Verlust meistens ein
verhältnissmässig geringer. Die Mittheilungen über die Eiuschleppungs-
und Verbreitungswege sind sehr dürftig.
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Lungenseuche.
39
Ueber die wenigen Ausbrüche der Lungenseuche unter durchweg
ganz kleinen Beständen des Reg.-Bez. Erfurt erwähnen die Berichte
nur, dass die Verseuchung zweier Gehöfte im Kreise Ziegenrück durch
im benachbarten Fürstenthum Reuss ankaufles Vieh vermittelt wurde.
Die Ausbrüche der Lungenseuche in Schleswig - Holstein
beschränkten sich auf die Stadt Altona und deren Vorort Ottensen,
sowie auf 4 Ortschaften der Altona benachbarten Kreise Pinneberg
und Stormam. Der einzige Ausbruch im Jahre 1878 79 ist ebenfalls
im Kreise Stormarn beobachtet worden. Nach den Erfahrungen der
letzten Jahre kann behauptet werden, dass — abgesehen von den
ländlichen Bezirken in der nächsten Umgegend von Hamburg-Altona
— die Lungenseuche in Schleswig-Holstein nicht vorkommt.
Die vereinzelten Ausbrüche im Berichtsjahre wurden ursprünglich
durch Ankauf von Vieh, welches der Infcction in Ställen der Hamburg-
Altonaer Viehcoinmissionaire ausgesetzt worden war, vermittelt, die
Krankheit verbreitete sich dann auf benachbarte Gehöfte desselben
Ortes oder wurde durch das Führen der Kühe zum Bullen auf Be¬
stände benachbarter Ortschaften übertragen. Die Tilgung erfolgte fast
in allen Fällen durch sofortiges Abschlachten der verseuchten Bestände.
Die Landdrostei-Bezirke Stade und Aurich der Provinz Hanno¬
ver blieben — wie im Jahre 1878/79 — seuchefrei, und auch in
den übrigen Bezirken der Provinz gewann die Krankheit keine grössere
Verbreitung.
Der Landdr.-Bez. Lüneburg war 1878/79 seuchefrei geblieben,
im 2. Quartale des Berichtsjahres brach die Krankheit unter dem Be¬
stände des Gutes Sülfeld, Kr. Gifhorn, aus, in welchem der Brennerei-
wirthschaft wegen häufiger Wechsel des Viehs stattfindet. Nachdem
18 Stück auf polizeiliche Anordnung getödtet worden waren, wurde
der Rest — 43 Stück — zum Abschlachten nach Magdeburg ver¬
kauft. Während des 4. Quartals brach die Seuche in einem zweiten
Gehöft von Sülfeld und ausserdem in einem anderen Orte des Kreises
Gifhorn aus, die Einschleppung in den zuletzt genannten Ort wurde
nicht aufgeklärt, die Diagnose blieb überhaupt unsicher.
Die Lungenseuche ist in dem Landdr.-Bez. Hannover während
der beiden letzten Jahre auf die Kreise Hameln und Wennigsen
beschränkt geblieben. In einem Gehöft des Kreises Hameln dauerte
das Herrschen der Seuche aus dem vorhergehenden Jahre fort, in ein
zweites wurde dieselbe angeblich durch Ankauf von Vieh aus Ost¬
friesland eingeschleppt; der Ausbruch im Kreise Wennigsen ist durch
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40 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Uebertragung von einem Bestände im Kreise Hameln bedingt worden,
von 39 Stück wurden 18 auf polizeiliche Anordnung getödtet.
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
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Im Jahre 1878/79 gestor¬
bene und getödtete Thiere.
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Landdr.-Bez.
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32
36
1.
Einbeck .
2
26
5
12
4
6
44
1
Landdr.-Bez.
2.
Hildesheim-Ma¬
Hildesheim.
rienberg .
—
—
1
18
2
16
3
13
47
28
Summa ..
2
26
6
30
6
22
3
13
91
29
1.
Gifhorn.
_
_
1
17
1
3
2
5
25
_
Landdr.-Bez.
Lüneburg.
1.
Melle.
1
12
2
13
5
19
4
4
48
1
Landdr.-Bez.
Osnabrück.
Die Kreise Göttingen und Liebenberg des Landdr.-Bez. Hildes-
heim, welche 1878 79 zusammen 21 Stück Rindvieh verloren hatten,
blieben während des Berichtsjahres seuchefrei. Die Verluste des Landdr.-
Bez. waren im Allgemeinen bedeutend. Ueber die Einschleppung wird
nur berichtet, dass dieselbe in einem Falle durch Ankauf von Vieh in
Bayern erfolgte und mehrfach durch Berührung mit krankem Vieh
benachbarter Orte oder Gehöfte vermittelt wurde. Dep.-Th. Haarstük
theilt betreffend den Ausbruch der Lungenseuche auf der Domaine
Ruthe Folgendes mit: Der Rindviehbestand des Hauptgutes und des
zu demselben gehörenden Vorwerkes Schäferberg hatte vom März bis
Mai 1879 unter Observation gestanden, nachdem das Vieh aus dem
Seuchenstall im Februar zum Abschlachten verkauft und das übrige
Vieh in demselben Monat mit Erfolg geimpft worden war, einzelne
Thiere waren während der beiden letzten Jahre zweimal geimpft
worden. Ein Ankauf von Vieh hat in derselben Zeit nicht stattge¬
funden. Ein erneuter Ausbruch der Lungenseuche wurde am 9. Sep-
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Lungenseuche.
41
tember 1879 constatirt und mussten bis zum 30. desselben Monates
von 94 Stück 17 auf polizeiliche Anordnung getödtet werden. Durch
die Section stellte sich bei einzelnen dieser Thiere heraus, dass neben
frischen Hepatisations-Stellen alte Lungenseuche-Herde — „verkäste
und verkalkte Stellen nebst knorpelartigen Degenerationen“ — im
interstitiellen Bindegewebe vorhanden waren, und dass die an
sequestrirte Lungentheile grenzenden Lobuli frisch erkrankt waren.
Es hatte den Anschein, dass die neue Infection wieder von den alten
Stellen ausgegangen war. Die Seuche ist in Ruthe schliesslich durch
Abschlachten eines Restbestandes von 56 Stück Vieh getilgt worden.
Der Kreis Osnabrück, Landdr.-Bez. Osnabrück, welcher 1878/79
3 Stück Rindvieh verloren hatte, blieb seuchefrei. Die Ausbrüche
im Kreise Melle betrafen durchweg kleine Bestände und sind ursprüng¬
lich durch Ankauf von krankem Vieh in Hamburg und Altona ver¬
anlasst worden. Die Weiterverbreitung erfolgte durch Berührung mit ver¬
seuchtem Vieh benachbarter Gehöfte oder auf einer gemeinschaftlichen
Weide, die Tilgung meist durch Abschlachtung der ganzen Bestände.
Die nachstehende Tabelle giebt eine Uebersicht des Vorkommens
der Lungenseuche in der Provinz Westfalen.
Laufende Nummer.
Kreis.
1 .
Quartal
2 .
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr gestorbene
und getödtete Thiere.
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1
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Reg. - Bez.
2 .
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3
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Münster.
Summa ..
1
3
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1 .
Halle.
1
1
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Reg. - Bez.
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Minden.
1 .
Bochum.
2
3
2
5
1
1
9
Reg. - Bez.
2
Dortmund Land¬
Arnsberg.
kreis .
3
6
1
5
—
—
—
11
15
3.
Hagen.
1
—
1 —
—
—
—
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—
4
Iserlohn .
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7
—
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—
Summa ..
5|
10
5
15
2
5
1
1
31
24
Digitized by Google
42 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Die Kreise Halle, Hagen und Iserlohn waren im vorhergehenden
Jahre seuchefrei geblieben.
Die Ausbrüche der Lungenseuche betrafen durchweg kleine Bestände
und wurden meist durch Abschlachten aller der Ansteckung ausgesetzt
gewesenen Thicre schleunig getilgt. Ara Schluss des Berichtsjahres
war die Provinz frei von Lungenseuche. Mit Ausnahme der Fälle im
Kr. Iserlohn, Reg.-Bez. Arnsberg, in denen die ursprüngliche Ein¬
schleppung nicht ermittelt wurde und eine Verbreitung auf ein
benachbartes Gehöft stattfand, trat die Krankheit zuerst bei von
Händlern auf Märkten der Provinz angekauften Thieren auf, oder die
die lnfection hatte bei Benutzung gemeinschaftlicher Weiden statt¬
gefunden.
Die Ausbrüche der Lungenseuche in der Provinz Hessen-Nassau
vertheilen sich auf die nachstehend genannten Kreise:
Laufende Nummer.
Kreis.
2 .
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr gestorbene
und getödteto Thiere.
Im Jahre 1878/79 gestor¬
bene und getödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtetc Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
1 .
Fulda.
1
3
3
6
1
7
16
39
Reg. - Bez.
2 .
Gersfeld.
2
2
2
2
—
—
2
3
7
45
Kassel.
3.
Hanau .
2
3
—
—
2
5
—
—
S
19
4.
Uersfeld.
—
—
1
1
—
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1
1
2
15
5.
Hünfeld.
1
2
—
—
—
—
—
—
2
—
Summa ..
6
10
3
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118
1 .
Frankfurt a./M.
1
2
2
7
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13
6
18
40
Reg. - Bez.
2
Über-Taunuskr.
—
—
1
1
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17
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Wiesbaden.
3.
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1
Summa ..
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49
sl
26
109
103
Die Kreise Hünfeld, Frankfurt a./M. und der Unter-Taunuskreis
waren 1878 79 seuchefrei geblieben, dagegen hatten im vorher¬
gegangenen Jahr Kreis Rinteln und der Rheingaukreis zusammen
39 Stück Rindvieh verloren.
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Lungenseuche.
43
Die obige Tabelle zeigt im Vergleich zu dem vorhergehenden
Jahre, dass die Tilgung der Lungenseuche im Reg.-Bez.
Kassel erhebliche Fortschritte gemacht hat, und die voll¬
ständige Tilgung der Krankheit in Aussicht genommen
werden dürfte, wenn die stets erneuten Einschleppungen
aus benachbarten hessischen und bayerischen Landestheilen
vermieden werden könnten. Die Krankheit verbreitete sich mehr¬
fach auf weitere Gehöfte verseuchter Ortschaften und brach öfter in
denselben Beständen nach verhältnissmässig langen Zwischenräumen
von Neuem aus. In einem Gehöft des Kreises Gersfeld wurde die
erste Erkrankung am 31. Juli 1879 die zweite am 12. Februar 1880
beobachtet, der Stall war mit 9 Stück Vieh besetzt; in einem zweiten
Gehöft desselben Kreises vergingen zwischen den auf einander folgenden
Erkrankungen 8 Monate.
Im Reg.-Bez. Wiesbaden stiess die Tilgung der Lungenseuche
welche sich in Hattersheim, Kr. Wiesbaden, Niederursel, Kr. Frank¬
furt und Brandeberndorf, Ober-Taunuskreis auf eine grössere Zahl von
Gehöften verbreitet hatte, auf grosse Schwierigkeiten. Die Krankheit
ist während eines Jahres zu drei verschiedenen Malen durch Vieh,
welches auf den Märkten in Frankfurt a./M. und Giessen angekauft
war, nach Hattersheim eingeschleppt worden. Im Uebrigen erfahren
wir aus den Berichten nur, dass die Einschleppung am häufigsten
durch den Viehhandel auf den Märkten der beiden genannten Städte
und in Mainz vermittelt wurde. Von 6 Stück Rindvieh, welche sich
im Schlachthause zu Frankfurt a./M. an der Lungenseuche erkrankt
erwiesen, stammten 4 aus Hessen und 2 aus der Gegend von
Halberstadt.
Die umstehende Tabelle zeigt, dass die Lungenseuche wäh¬
rend des 3. Quartals in der Rheinprovinz vollständig ge¬
tilgt war und im 4. Quartal nur in 3 Gehöften des Reg.-Bez. Trier,
welcher im Uebrigen seuchefrei blieb und im ganzen vorigen Berichts¬
jahr nur ein Stück Rindvieh verloren hatte (im Kr. Ottweiler), zum
Ausbruch gelangte. Die Einschleppung in die drei Bestände des Be¬
zirkes hat nicht nachgewiesen werden können.
In einer Ortschaft des Kreises Wetzlar, Reg.-Bez. Koblenz ver¬
breitete sich die Lungenseuche nach und nach vom 2. Quartal 1878
bis zum 2. Quartal 1879 auf 6 Gehöfte, dieselbe verlief ungemein
milde, in sämmtlichen 6 Gehöften erkrankten auffällig nur 13 Stück,
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44 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten,
von denen zwei durchseuchten. Das Gehöft im Kr. Ahrweiler war
noch vom vorigen Berichtsjahr her verseucht.
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr gestorbene
und getödtete Thiere.
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gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
verseuchte Gehöfte.
gestorbene und ge-
tödtete Thiere.
1 .
Ahrweiler.
1
4
4
10
Reg. - Bez.
2.
Wetzlar.
2
3
1
1
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Koblenz.
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3
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1
1
1
Reg. - Bez.
2.
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1
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1
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Düsseldorf.
3.
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Krefeld Land ..
2
15
1.
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—
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15
—
—
—
—
—
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15
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4
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—
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8.
Solingen .
1
1
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Summa ..
9
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3
13
—
—
—
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69
1
Köln Stadt ....
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1
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1
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2
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1
13
—
—
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1
Köln.
Summa ..
3
15
1
2
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—
17
2
1.
Saarbrücken ...
1
2
.
4
Reg. - Bez.
2
Trier Land ....
1
1
1
Trier.
Summa ..
—
—
—
3
5
5
—
Während der beiden ersten Quartale war eine vollständige Til¬
gung der Krankheit in allen Seuchenherden des Reg.-Bez. Düssel¬
dorf eingetreten. Die Krankheit ist einmal aus den Niederlanden
eingeschleppt worden. Die Kreise Gladbach und Kempen, welche
1878/79 zusammen 46 Stück Vie h verloren hatten, blieben seuchefrei.
Die wenigen Ausbrüche der Lungenseuche im Reg.-Bez. Köln
wurden durch Abschlachten der verseuchten Bestände schnell getilgt.
Ueber die Einschleppung der Krankheit enthalten die Berichte der
beiden letztgenannten Bezirke ausser der oben erwähnten Notiz keine
Mittheilungen. Ausserdem wurde die Seuche im Schlachthause zu
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Lungenseuche.
45
Köln bei 3 aus dem Reg.-Bez. Magdeburg und bei einem aus Württem¬
berg stammenden Ochsen constatirt. Die Kreise Bergheim und Bonn,
welche 1878/79 zusammen 32 Stück Rindvieh verloren hatten, blieben
seuchefrei.
In dem früher stark verseuchten Reg.-Bez. Aachen sind seit
dem 3. Quartal des vorhergegangenen Berichtsjahres keine Fälle von
Lungenseuche beobachtet worden.
Die Hohenzollernsche Lande sind bisher frei von der Lungen¬
seuche geblieben.
Wir haben versucht, in der Tabelle S. 46 und 47 anschaulich
zu machen, in welchem Verhältnis sich die auf polizeiliche
Anordnung getödteten Rinder auf die Bestände grösserer
Güter und kleinerer Besitzungen vertheilen und gelangen an der
Hand des so ermittelten Materials zu folgenden Verhältnisszahlen.
Die gefallenen und die auf Veranlassung der Besitzer getödteten Thiere
sind bei dieser Berechnung
ausser
Acht gelassen.
Von den durch die Lungenseuche verseuchten Gehöften entfallen:
im 1. Quartal 33,33 pCt. auf
grössere
Güter, 66,67 pCt. auf kleinere Besitzungen
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n
„ 65,17 „ „
- 3. „ 29,70 . .
n
• 70,30 n fi w
. 4. „ 40,75 * „
n
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im Berichtsjahr 34,70 „ „
n
• 65,30 „ „
und wenn dasselbe Verhältniss nur für die Provinzen Westpreussen,
Brandenburg, Posen, Schlesien und Sachsen berechnet wird:
im 1. Quartal 45,20 pCt. auf grössere Güter, 54,80 pCt. auf kleinere Besitzungen
. 2. . 43,00 . „
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n 57,00 w n If n
* 3. „ 50,00 * „
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. 4. „ 47,13 „ *
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« 52,87 n w ii fi
im Berichtsjahr 45,90 „ „
ti
« 54,10 . w
Von den auf polizeiliche
Anordnung getödteten Stück
Rindvieh entfallen:
im 1. Quartal 65,44 pCt. auf grössere Güter, 34,66 pCt. auf kleinere Besitzungen
. 2 . . 67,10 . „
n
. 32,90 „ ,
. 3. , 65,22 . .
n
ii 34,78 n ii n ii
. 4. „ 74,62 „ „
fi
f, 25,38 . w
im Berichtsjahr 68,50 „ .
n
fl 31,50 II n n n
oder nur für die oben genannten Provinzen berechnet:
im 1. Quartal 78,70 pCt. auf grössere Güter, 21,30 pCt. auf kleinere Besitzungen
»» „ 76,55 „ „
ff
fi 23,45 ;, „ i, ,,
*» 3. ,, 80,00 „ „
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t> - 20,00 ,, ,, ,, ,,
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„ 20,70 „ „
im Berichtsjahr 78,50 ,, „
fl
ft 21,50 „ ,| „ ft
Digitized by Google
46 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Die Zahl der auf polizeiliche Anordnung getödteten Stück Rind¬
vieh betrug Procente des gesammten in den verseuchten Ge¬
höften vorhandenen Bestandes:
im 1. Quart. 14,16 pCt. d. Bestand, gross. Güter, 27,00 pCt. d.Best. klein. Besitzungen
2. ,, 15,19 „ ,, ,, ,, „ 27,20 ,. „ „ „ y>
y, 10,30 „ „ ,, ,y „ 25,10 ,, „ „ „ ,y
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im Berichtsj. 12,50 „ „ „ „ „ 27,80 „ „ „
Regierungs-
bez.
Landdrostei-Bczirke.
Im ersten Quartal
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Im zweiten Quartal
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Posen .
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3
98
12
1
2
2
8.
Liegnitz .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
9.
Oppeln .
—
—
—
1
4
3
—
—
—
1
6
2
10.
Magdeburg .
9
638
60
19
158
35
8
559
60
21
137
33
11.
Merseburg.
6
415
47
6
66
11
2
114
11
9
126
24
12.
Erfurt.
—
—
—
1
5
1
—
—
—
—
—
—
13.
Schleswig.
—
—
—
1
8
1
—
—
—
1
9
9
14.
Hannover.
1
42
6
1
6
3
2
81
20
—
—
—
15.
Hildesheim.
2
62
26
—
—
—
2
130
22
4
36
6
16.
Lüneburg .
—
—;
—
—
—
—
1
63
15
—
—
—
17.
Osnabrück .
—
—
—
1
26
9
—
—
—
2
40
10
18.
Münster .
—
—
—
1
10
3
—
—
1
9
1
19.
Minden .
—
—
—
1
1
1
—
—
—
—
—
20.
Arnsberg .
—
—
—
4
14
9
—
—
4
31
13
21.
Kassel .
—
—
—
5
59
9
—
—
—
2
21
2
22.
Wiesbaden .
—
—
—
3
13
4
—
—
—
7
60
19
23.
Koblenz .
—
—
—
3
30
7
—
—
.—
—
—
—
24.
Düsseldorf.
—
—
—
7
137
36
—
—
—
3:
29
13
25.
Köln.
.—
—
—
1
27
13
—
—
_
1
2
1
26.
Trier.
-
—
—
—
—
—
—
—
—
Summa ..
34
2365
335|
1
68
655
177
33
1827
285
62
519
140
Digitized by
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ing gei
Lungenseuche,
47
Die Tabellen berichten, dass bei einer auf polizeiliche Anordnung
getödteten Kuh in Nordhof, Kr. Ost-Havelland, und bei einem auf
polizeiliche Anordnung getödteten Kalbe in Ober-Reichenbach, Kreis
Görlitz, das Vorhandensein der Lungenseuche durch die Section
nicht bestätigt wurde.
Von der Impfung ist häufig in der Provinz Sachsen, in ganz
einzelnen Fällen auch in den Provinzen Brandenburg, Posen und
Im dritten Quartal I Im vierten Quartal
Im Berichtsjahr
grössere kleinere grössere kleinere grössere kleinere
Güter. Besitzungen. Güter. Besitzungen. Güter. Besitzungen.
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2 4 418 39 1 9 1
7 4 242 14 - — —
— 1 40 5 — — —
10 5 388 41 5 9 4
— 1 77 3 1 8 1
1 — - — 1 12 5
7 - — — 1 9 4
— 1 55 8 — — —
22 17 1563 165 32 274 88
19 8 846 158 4 38 7
— 1 5 3
— 3 18 3
1 1 13 7
3 — - —
— 17 1
50' 5 42 18
3031 4 51 17
164, 21 85 24
3 3 12 3
70 3 15 8
— 2 16 11
8 2 10 5
374 83 639 178
233 25 374 61
- 2 10 4
7 53 18
26 1 6 3
65 9 58 19
21 — — —
— 9 113 36
— 1 1 1 — — —
7 3 33 4 2 86 9
— 8 43 21 — — -
- 1 5 1-1 -I
60 28
213 22
260 90
30 7
166 49
29 14
30 2811 287 71 609 153 44 3835 444 641 484 151 141 10838 1351 265 2267 621
Digitized by
Google
48 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Hannover Gebrauch gemacht worden. Die Erfolge der Impfung waren
sehr verschieden; einige Berichte führen an, dass weitere Erkrankungen
an Lungenseuche nach der Impfung nicht mehr vorgekommen sind,
andere dagegen, dass selbst nach frühzeitig vorgenommenen Impfungen
noch zahlreiche Thiere und vielfach selbst solche, welche in Folge
der Impfgeschwülste die Hälfte des Schwanzes verloren hatten, längere
Zeit nach der Impfung in auffälliger Art erkrankten und auf polizei¬
liche Anordnung getödtet werden mussten. Besonders häufig kam
es vor, dass die geimpften Stücke längere Zeit einen verdächtigen
Husten hören Hessen, auch einige Tage das Futter versagten, ohne
dass durch die Auscultation und Percussion krankhafte Veränderungen
in den Lungen festgestellt werden konnten. Unter diesen Umständen
erscheint die Annahme berechtigt, dass diese Thiere trotz der Im¬
pfung an der Lungenseuche erkrankt waren, jedoch fast unmerklich
durchgeseucht haben. Vielfach ist auch in nicht geimpften verseuchten
Beständen beobachtet worden, dass die Krankheit ungemein milde und
ohne erhebliche Verluste verlief, sowie dass der bei Weitem grösste
Theil des Bestandes fast unmerklich durchseuchte.
Das statistische Material für das Jahr 1879/80 liefert den
Beweis:
dass mit Ausschluss der Reg.-Bez. Magdeburg und
Merseburg die Tilgung der Lungenseuche überall be¬
deutende Fortschritte gemacht hat, und dass mit
alleiniger Ausnahme der Provinz Sachsen eine voll¬
ständige Unterdrückung der Krankheit wohl in Aus¬
sicht genommen werden kann.
Die zuletzt ausgesprochene Hoffnung dürfte um so eher in Er¬
füllung gehen, wenn nach dem Inkrafttreten des Reichsgesetzes zur
Unterdrückung von Viehseuchen die Tilgung der Lungenseuche auch
in anderen deutschen Staaten energischer als bisher erfolgt. Wir
müssen an dieser Stelle mit Nachdruck betonen: dass der Ankauf
von Zugochsen in Bayern verhältnissmässig häufig Anlass
zu Ausbrüchen der Lungenseuche in Preussen während des
Berichtsjahres gegeben hat, und dass diese Ausbrüche zum
Theil in Reg.-Bez. erfolgten, in denen, wie in den Reg.-Bez. Danzig
und Köslin, die Lungenseuche eine fast unbekannte Krankheit war.
Dagegen muss anderseitig hervorgehoben werden, dass eine Til¬
gung der Lungenseuche in den Reg.-Bez. Magdeburg und
Merseburg nicht erwartet werden kann, so lange die eigen-
Digitized by Google
Lungeilseuche. 49
thüralichen, Seite 37 besprochenen Verhältnisse, welche einer
Unterdrückung der Seuche unübersteigliche Hindernisse entgegenstellen,
fortbestehen, d. h. solange Verheimlichungen der Seuche in grösserem
Umfange stattfinden.
Die folgende Tabelle stellt die von den Provinzial- bez.
Communalverbänden gezahlten Entschädigungen für auf
polizeiliche Anordnung getödtete Stück Rindvieh zusammen;
zur besseren Vergleichung haben wir die entsprechenden Beträge des
vorhergegangenen Berichtsjahres hinzugefügt.
Berichtsjahr
1878/79.
Mark. Pf.
Berichtsjahr
1879/80.
Mark. Pf.
1 .
Provira Westpreussen.. .
2171
68
6357
73
2 .
„ Brandenburg ausschliesslich Berlin....
83509
08
116805
94
3.
„ Posen .
48980
50
35664
50
4.
„ Schlesien.. .
13339
61
24401
87
5.
„ Sachsen .
73185
29
124074
23
6 .
„ Schleswig-Holstein..
512
—
1712
—
7.
„ Hannover .
20972
10
41226
55
8 .
„ Westfalen .
6869
20
4368
87
9.
Reg.-Bez. Kassel .
23648
50
8730
25
10 .
,, Wiesbaden ausschliesslich Frankf. a. M.
29474
56
11575
20
11 .
Stadt Frankfurt a. M. .
—
—
6230
—
12 .
Rheinprovinz....
54593
70
15324
20
Summa ..
357256
"22
396471
|ST
Die Gesammtsumrac der Entschädigungen beträgt mithin:
39215 Hark 12 Pf. mehr als im Berichtsjahre 1878/79
und in folgenden Landestheilen:
Westpreussen . . .
4186 Mark 05
Pf.
Brandenburg . . .
33296
55
86
55
Schlesien ....
11062
55
26
55
Sachsen.
50888
55
94
55
Hannover ....
20254
55
45
55
Stadt Frankfurt a./M.
6230
55
—
55
mehr als 1878 79.
Die Beträge, welche in den Jahren 1878/79 und 1879/80 behufs
Deckung der Entschädigungen für auf polizeiliche Anordnung ge¬
tödtete Stück Rindvieh erhoben wurden, sind uns aus amtlichen
Quellen mitgetheilt worden. Wir führen dieselben in der umstehen¬
den Tabelle an.
Archiv f. wisa. u. pract, Thierhellkundc. VII. Suppl.-Heft. a
Digitized by C^ooQle
50 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Etatsjahr 1878/79.
Etatsjahr 187 9.80.
Beitrag f.
jedes St.
Rindvieh.
Pf.
Mark.
Pf.
Beitrag f.
jedes St.
Rindvieh.
Pf.
Hark.
Pf.
1.
Ostpreussen .
5
33102
“ '
70
5
33812
95
2.
Westpreussen .
5
19246
50
5
19638
—
3.
Brandenburg ausschliesslich
Berlin*.
7
44171
75
23
153310
99
4.
Pommern*.
10
43716
10
—
—
—
5.
Posen.
15
101996
70
10
54995
60
6.
Schlesien* .
0,535
6865
65
2,429
32202
88
7.
Sachsen* .
8
73058
50
8
78480
88
8.
Schleswig-Holstein** .
20
133416
20
—
—
—
9.
Hannover* .
—
—
—
6
28256
66
10.
Westfalen* .
10
55472
70
10
57124
90
11
Reg.-Bez. Kassel .
5
13071
35
5
13989
10
12.
„ Wiesbaden .
5
10146
70
20
44489 !
—
13.
Frankfurt a. M .
—
—
—
195
3441
75
14.
Rheinprovinz*.
5
45993
75
5
49381
15
15.
Hohenzollem’sche Lande.
10
4603
80
10
4964
50
Mithin haben die Einnahmen in den Provinzen Sachsen, Hannover
und in der Stadt Frankfurt a./M. zur Deckung der Ausgaben nicht ge¬
reicht; in den übrigen Landestheilen dagegen sind von den Einnahmen
beträchtliche Summen zur Bildung eines Reservefonds übrig geblieben.
Aus der Staatskasse sind, wie die nachstehende Vergleichung
zeigt, für auf polizeiliche Anordnung behufs Tilgung der
Lungenseuche getödtete Rinder
4307 Mark 6 Pfennige mehr als im Berichtsjahre
1878/79 gezahlt worden.
Berichtsjahr
1878/79.
Mark. Pf.
Berichtsjahr
1879/80.
Mark. Pf.
1.
Ostpreussen.
100
33
122
—
2.
Westpreussen .
173
33
—
—
3:
Posen.
565
—
63
-r-
4.
Schlesien .
—
—
579
76
5.
Sachsen .
828
71
4392
67
6 .
Schleswig-Holstein .
—
—
267
—
7.
Hannover.
—
—
460
—
8.
Westfalen.
264
—
330
—
9.
Hessen-Nassau.
720
—
667
—
10 .
Rheinprovinz .
—
—
77
Summa...
2651
37
6958
43
*) Die Angaben beziehen sich auf die Kalenderjahre 1878 und 1879.
**) Die Zahlen stellen das Soll der zu erhebenden Abgabe dar.
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Rotz - Wurmkrankheit.
51
4. Die Rotz -Wunnkrankheit.
Die Tabelle S. 52 und 53 zeigt, dass die Zahl der Rotzerkran¬
kungen, sowie die durch letztere veranlassten Verluste etwas grösser
gewesen sind als im Jahre 1878/79; jedoch sich vom ersten zum
zweiten und vom dritten zum vierten Quartal des Berichtsjahres er¬
heblich vermindert haben. Die Zahlen für das zweite und dritte
Quartal weichen nicht erheblich von einander ab. Wie in früheren
Jahren entfallen die bei Weitem meisten Rotzerkrankungen
auf die östlichen Provinzen; während unter den westlichen nur
die Rheinprovinz einigermassen erhebliche Verluste erlitten hat. Eine
Vergleichung mit der Tabelle Seite 44 und 45 unseres dritten Jahres¬
berichtes weist nach, dass die Zahl der auf polizeiliche Anordnung
getödteten Pferde in den Provinzen Schlesien, Ostpreussen, Pommern
ganz erheblich grösser als in dem vorigen Jahr gewesen ist, dagegen
macht sich eine auffällige Abnahme in den Provinzen Westpreussen
uud Hannover bemerklich. Die Zu- und Abnahme der Rotzfalle in
den einzelnen Provinzen während der auf einander folgenden Quartale
des Berichtsjahres versuchen wir durch die nachstehende Tabelle zu
veranschaulichen, welche die Zahl der getödteten und gefallenen Pferde
in abgerundeten Procentsätzen des Gesammtverlustes im ganzen Staate
ausdrückt.
1.
Quartal.
2.
Quartal.
3.
Quartal.
4.
Quartal.
Ira Be¬
richtsjahr.
Im Be¬
richtsjahr
1878/79.
An Rotzkrankheit ge¬
fallene und wegen der¬
selben getödtete Pferde
621
565
570
426
2182
1994
davon in der Provinz
pCt.
pCt.
pCt.
pCt.
pCt.
pCt
1. Ostpreussen.
8,50
13,80
14,00
14,80
12,50
9,80
2. Westpreussen.
9,80
10,80
9,80
10,70
10,30
14,90
3. Brandenburg.
11,80
13,30
14,10
14,10
13,75
14,40
4. Pommern.
7,10
10,40
10,20
14,40
10,10
6.70
5. Posen .... .
29,00
21,10
16,10
13,20
20,50
21,00
6 . Schlesien ...
17,20
14,00
27,20
17,20
19,00
15,40
7. Sachsen .
4,00
6,10
1,90
4,00
4,00
4,20
8 . Schleswig-Holstein
0,40
0,00
0,70
1,40
0,55
0,80
9. Hannover.
1,00
1,40
1,00
1,90
1,25
3,90
10. Westfalen..'.
0,80
1,20
0,20
0,70
0,70
1,20
11. Hessen-Nassau....
2,00
2,80
0,40
2,20
1,35
2,30
12. Rheinprovinz.
8,40
5,10
4,40
5,40
6,00
5,30
13. HohenzollenTsche
Lande.
0,00
0,00
0,00
0,00
0,00
0,10
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
100,00
4*
Digitized by
Google
52 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Im ersten Quartal.
Im zweiten Quartal.
Im drit
u,
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Ö
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Pferde
<u
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Pferde
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Provinz.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft«
erkrankt.
gefallen.
auf polizeiliche An¬
ordnung getodtet.
auf Veranlassung der
Besitzer getodtet.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft«
erkrankt.
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Zahl der Kreise.
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2
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Zahl der Gehöft«
1 .
Ostpreussen ...
16
25
25
49
3
50
_
19
31
32
76
8
67
3
15
21
24
2 .
Westpreussen..
17
37
38
62
3
56
2
17
29
29
63
7
50
4
15
30
30
3.
Brandenburg ..
13
28
39
74
5
62
7
16
26
41
80
—
69
6
16
99
36
4.
Pommern.
13
22
23
47
3
34
7
15
22
28
60
4
55
—
13
16
18
5.
6 .
Posen.
23
68
70
183
11
165
4
19
51
52
124
7
111
1
IS
41
42
72
Schlesien.
30
51
53
109
1
104
1
25
48
52
79
4
66
9
35
62
7
Sachsen.
12
12
17
24
3
20
9
11
14
16
34
2
31
1
8
10
11
8 .
Schleswig-Hol-
1
3
1
3
2
2
9
3
4
4
9.
Hannover.
3
6
1
5
5
7
7
7
4
3
1
4
5
6
10
Westfalen.
4
4
4
4
1
3
—
5
5
5
7
1
6
—
1
1
1
11 .
Hessen-Nassau .
4
7
10
12
2
9
1
8
10
13
17
1
14
1
2
2
9
12 .
Rheinprovinz ..
25
29
35
53
3
47
4
16
19
19
27
1
25
3
15
18
18
13.
Hohenzollern-
sche Lande ..
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
-
Summa . .
161
287
319
625
36
555
30
156
262
294
574
39
497
29
145
232
264
Im Berichts¬
jahr 1878/79.
163
303
343
615
34
525
30
147
252
271
507
28
416
24
1
22'
Im Berichts¬
jahr 1879/80
mehr .
10
2
30
9
10
23
67
11
81
5
15
24
36
weniger .
2
16
24
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
Digitized by Google
Rotz-Wurmkrankheit.
53
teil Quartal.
Im vierten Quartal.
Im Berichtsjahr.
Regierungs- bez.
Pferde
c
Pferde
G
5
d
Pferde
Landdrostei - Bezirke,
in denen die Rotz-
erkrankt.
gefallen.
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Zahl der Kreise.
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2
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Zahl der Gehöfte
erkrankt.
gefallen.
auf polizeiliche An¬
ordnung getödtet.
auf Veranlassung der
Besitzer getödtet.
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2
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erkrankt.
gefallen.
auf polizeiliche An¬
ordnung getödtet.
auf Veranlassung der
Besitzer getödtet.
Wurmkrankheit nicht
beobachtet wurde,
nebst Angabe der
seuchenfrei gebliebe¬
nen Quartale.
78
_
71
8
10
12
15
64
2
61
_
26
65
267
13
249
11
58
9
46
1
13
28
29
50
4
41
2
22
95
233
23
193
9
80
6
62
12
10
11
23
60
1
53
6
27
74
294
12
246
31
65
4
42
12
14
19
20
62
2
54
5
22
49
234
13
185
24
Stralsund 3. 4. Qu.
93
4
87
1
17
33
35
56
3
49
4
25
132
456
25
412
10
147
8
141
7
27
43
46
68
4
66
3
55
166
403
17
377
20
13
2
7
2
10
12
12
21
1
16
—
25
39
92
8
74
5
Erfurt 1. 2. Quartal.
4
2
1
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2
2
2
6
—
3
3
4
5
12
2
4
6
Schleswig 2. Quartal.
G
6
5
5
6
8
8
12
15
27
5
22
1
Hannover 1. 3. Quart.
Hildesheim 3. Quart.
Stade 1. 3. 4. Quartal.
Osnabrück 1. 2. Qu.
Aurich 1. 2. 3. 4. Qu.
1
—
1
—
3
3
3
3
—
3
—
9
13
15
2
13
—
Münster3. 4. Quartal.
Arnsberg 3. Quartal.
2
—
2
—
5
5
5
8
—
9
—
12
21
39
3
34
2
25
2
22
1
43
61
130
8
113
10
Koblenz 4. Quartal.
—
—
—
—
I
1
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Sigmaringen 1.2.3.4.
Quartal.
572
37
488
45
128
188
211
431
19
382
25
28 2
735
2202
131
1922
129
444
30
378
38
149
237
260
507
30
426
35
—
2073
122
1745
127
128
7
110
7
129
9
177
2
—
—
—
—
21
49
49
76
11
44
| 10
—
—
—
—
—
—
Digitized by Google
54 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Am auffallendsten erscheint nach der Tabelle S. 51 die Ab¬
nahme der Rotzfälle während der auf einander folgenden Quar¬
tale in der Provinz Posen, sowie die Steigerung des Procent¬
satzes in der Provinz Schlesien während des dritten Quar-
tales; welche jedoch, wie S. 68 näher ausgefiihrt werden soll, ledig¬
lich auf den Reg.-Bez. Oppeln entfällt.
Der Gesammtbestand sämmtlicher Gehöfte, in denen Fälle von
Rotz-Wurmkrankheit vorkamen, betrug;
1878/79.
1879/80.
im 1. Quartal 3117
3191 Pferde.
. 2. „ 2625
3078
. 3. . 2576
2678
. 4. „ 2541
2200
Der Gesammtverlust an getödteten und gestorbenen Pferden
Verhältniss zu der oben erwähnten Pferdezahl beträgt mithin:
im 1. Quartal 1879/80
19,40 pCt.
n 2. n n
18,30 „
« 3. „ * 21,30 „
. 4. . * 19,40 „
Am Schlüsse des Jahres 1878/79 blieben 169, am Schlüsse des
Berichtsjahres 109 Gehöfte übrig, in denen die wegen Ausbruches der
Rotz-Wurmkrankheit angeordneten Sperr- und Observationsmassregeln
noch nicht aufgehoben waren.
Wir stellen nunmehr die Verluste an gefallenen und getödteten
Pferden für die einzelnen Provinzen zusammen.
1. Ostpreussen.
Frei von der Rotz-Wurmkrankheit blieben im Reg.-Bez. Königs¬
berg nur die Kreise Allenstein, Memel und Wehlau; die bedeutendsten
Verluste entfallet auf die Kreise Braunsberg, Fischhausen, Rössel,
sowie auf den Stadt- und Landkreis Königsberg, dieselben sind in
diesen Kreisen, wie die Zusammenstellung S. 56 zeigt, jedoch da¬
durch bedingt worden, dass in einzelnen Rotzstationen der ganze oder
doch nahezu der ganze Pferdebestand an der Rotzkrankheit zu Grunde
gegangen ist.
Digitized by
Google
Rotz - Wurmkrankheit,
'55
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr getödtete
und gefallene Pferde.
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verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
1.
Allenstein .
10
Reg. - Bez.
2.
Braunsberg ....
1
1
2
11
—
—
—
—
12
—
Königsberg.
3
Pr. Evlau.
1
1
—
—
4
6
—
—
7
7
4.
Fischhausen ...
1
11
—
—
—
—
—
—
11
25
5
Fried land.
1
1
1
1
—
—
1
5
7
—
6
Gerdauen.
—
—
1
2
2
2
1
4
8
26
7
Heiligenbeil ....
—
—
2
3
—
—
_
3
1
S.
Heilsbcrg.
—
—
1
1
2
9
—
—
10
5
9
Pr. Holland ....
—
—
1
1
—
—
—
—
1
3
10.
Königsberg Stadt
1
6
1
2
2
7
3
5
20
8
11.
Königsberg Land
2
4
2
17
2
10
1
1
32
13
12.
Labiau.
2
2
1
2
1
2
—
—
6
—
13
2
14.
Mohrungen ....
2
2
—
—
1
2
1
1
5
16
15.
Neidenburg ....
2
2
2
2
1
1
1
2
7
19
16.
Orteisburg.
3
5
1
1
1
2
—
—
8
—
17.
Osterode.
—
—
3
3
1
1
—
—*
4
8
18
Rastenburg.
—
—
—
—
1
2
—
—
2
9
19.
Rocssel.
1
1
3
12
2
29
3
38
80
8
20.
Weh lau.
—
—
—
—
—
—
—
3
Summa ..
17
36
21
58
20
73
11
56
223
158
1
Angerburg.
1
6
6
1
Reg. - Bez.
2.
Darkehmen.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
2
Gumbinnen.
3.
Goldap.
—
—
1
3
1
2
—
—
5
—
4
Gumbinnen ....
—
—
—
—
—
—
—
—
—
11
5.
Insterburg.
—
1
1
—
—
—
—
1
3
6.
Johannisburg ..
1
1
1
1
—
—
—
—
2
7
7.
Loetzen.
—
—
2
3
1
1
2
6
10
—
8.
yl» n
3
9.
Pillkallen.
1
5
_
_
_
_
_
5
10 .
Ragnit.
—
—
—
—
—
_
—
—
—
2
11
Sensburg .
—
—
5
5
2
3
—
8
6
12 .
Stallupoenen ...
3
4
1
7
—
—
—
11
—
13.
Tilsit.
1
1 1
—
—
—
—
1
1
2
5
Summa ..
7
17
11
20
4
6
3
7
50
40
Digitized by Google
56 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Woppen, Kreis Braunsberg, 7 Pferde Bestand, 5 Pf. getödtet, 2 Pf. gefallen.
Cumehnen, „ Fischhausen,
ii ..
1) 1 1 ,, >>
Nasser Garten, Stadt Königsberg,
6 „
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Königsberg, „ „
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Spittelkrug, Kreis „
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Georgensgut, „ Orteisburg,
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Bischdorf, „ Roessei,
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33 „ „
Truchsen, „ „
35 „
ii 35 „ ,,
Summa 134 Pferde Bestand, 118 Pf. getödtet, 6 Pf. gefallen.
Von den 155 in den oben genannten 5 Kreisen (excl. Orteisburg)
gestorbenen und gefallenen Pferden gehörten 117 sieben alten Rotz¬
stationen an und von 111 in den letzteren getödteten Pferden wurden
nur 2 bei der Section nicht rotzkrank befunden, fast durchweg Hessen
sich vielmehr an den Cadavern die Veränderungen der weit vor¬
geschrittenen Rotzkrankheit nach weisen. Die ebenfalls ziemlich
erheblichen Verluste im Kreise Heilsberg entfallen zum grössten
Theil auf das Gut Elditten, in welchem von 64 Pferden 2 starben
und 5 getödtet wurden.
Auch an anderen Orten forderte die Rotzkrankheit grössere
Opfer, namentlich wurden vielfach gleich bei der ersten Constatirung
2 bis 4 rotzkranke Pferde in solchen Beständen gefunden, deren Be¬
sitzer die Anzeige vom Ausbruch der Krankheit sehr verspätet geleistet
hatten. Mehrfach ist diese Anzeige ganz unterblieben, und das Herr¬
schen der Rotzkrankheit gelangte erst dadurch zur Kenntniss der
Behörden, dass verkaufte Pferde sich bei den neuen Besitzern rotz¬
krank erwiesen; überhaupt fand sich eine grössere Anzahl von Pferden,
an denen die Rotzkrankheit constatirt wurde, erst seit kurzer Zeit in
den Händen der letzten Eigenthümer. Die Ermittelung je eines rotz¬
kranken Pferdes auf den Märkten in Wartenberg und Bischofsburg
führte ebenfalls zur Entdeckung von Rotzstationen. In je einem
Pferdebestand der Stadt Königsberg und des Kreises Mohrungen brach
die Rotzkrankheit nach einem Zwischenraum von 6 Monaten von
Neuem aus. Ein Besitzer in Königsberg hatte im März 1879 zwei
Pferde gekauft und dieselben, da sie verdächtige Erscheinungen zeig¬
ten, bald wieder an einen Fuhrmann veräussert, bei welchem die
Pferde als rotzkrank erkannt wurden. Die Pferde des Verkäufers
zeigten sich während längerer Observation anscheinend gesund, und
erst Ende October bez. Anfang November 1879 stellten sich die Er¬
scheinungen der Rotzkrankheit bei 5 Pferden ein, das letzte (sechste)
Pferd des Besitzers erkrankte noch später. Ein Besitzer in Mittel-
Digitized by C^ooQle
Rotz-Wurmkrankheit.
57
hufen, Kr. Königsberg, hat die über seinen Pferdebestand verhängte
Sperre durchbrochen und die unter Observation stehenden beiden
Pferde verkauft, so dass die letzteren getödtet werden mussten.
Sieben Kreise des Reg.-Bez. Gumbinnen blieben frei von der
Rotzkrankheit, von welcher in den Kreisen Heydekrug, Lyk und
Niederung kein Fall während der beiden letzten Jahre beobachtet
worden ist. Die Erkrankungen traten meistens vereinzelt auf, nur in
den nachstehend genannten beiden Orten gewann die Seuche eine
grössere Verbreitung:
Gross Rudszen, Kreis Pillkallen, 8 Pferde Bestand, 5 Pferde getödtet.
Willpischken, „ Stallupocnen, 23 „ „ 7 „ „
Nach Ozonken, Kreis Angerburg, kam eine Zigeuner bande, dieselbe
besass 7 Pferde, von denen 3 mit der Rotzkrankheit behaftet waren.
Die übrigen 4 Pferde im Gesammtwerth von 110 Mark wurden eben¬
falls getödtet. bei der Section jedoch nicht rotzkrank befunden. Die
Krankheit trat mehrfach bei kurze Zeit vorher — namentlich auf den
Märkten des Kreises Johannisburg — gekauften Pferden auf. Im
Kreise Tilsit erkrankte das Pferd eines Gensdarmen, dasselbe hatte
mehrmals Berührung mit Pferden aus Russland gehabt.
2. Westpreussen.
Kein westpreussischer Kreis blieb frei von der Rotz¬
krankheit. Die Vergleichung in der Tabelle S. 58 zeigt jedoch,
dass die Zahl der Rotzfälle im Ganzen und im Reg.-Bez. Marien¬
werder auch fast durchweg in den einzelnen Kreisen gegen das vor¬
hergehende Jahr beträchtlich abgenommen hat.
Der Reg.-Bez. Danzig enthält, namentlich in den Kreisen Marien¬
burg, Pr. Stargard und im Landkreise Danzig, noch mehrfach alte Rotz¬
stationen, in denen die Krankheit nach häufig längeren Zwischenräumen
wieder von Neuem ausbricht. Das Gut Morroszyn, Kr. Pr. Stargard,
verlor von 49 Pferden 11, ein Gehöft in Felgenau desselben Kreises
von 26 Pferden 7; die Krankheit war in diesen Gütern auch am
Schlüsse des Berichtsjahres noch nicht getilgt. Im Landkreise Danzig
wurde ein Wiederausbruch der Krankheit beobachtet in:
Schönwarling, vom 15. Februar bis 6. Juli 1877 wurden 9, im
3. Quartal des Berichtsjahres 2; Letzkau, am 8. April 1877 wurden 2,
vom 4. Januar bis 13. Mai 1878 5, im 3. Quartal des Berichtsjahres
3 Pferde;
im Kreise Marienburg wurden
ia Alt-Münsterberg vom 4. März bis 20. September 1877 11, im
Digitized by
Google
58 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
| Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
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verseuchte Bestände.
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fallene Pferde.
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Bereut.
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6
Reg. - Bez.
2.
Carthaus.
1
1
2
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1
1
2
3
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3
Danzig.
3.
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—
—
—
—
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1
—
4.
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1
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11
5.
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—
—
1
1
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1
—
—
2
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6.
Marienburg .
2
2
1
5
—
—
3
10
17
17
7.
Neustadt .
—
—
2
3
1
6
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2
11
6
S.
Pr. Stargard . ..
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5
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38
36
Summa ..
11
15
14
31
14
33
19
29
108
88
1.
Könitz .
1
1
1
1
Reg. - Bez.
2
Deutsch-Krone ..
1
1
—
—
—
—
—
1
16
Marienwerder.
3
Kulm.
2
1
4
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—
—
7
11
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Flatow.
2
2
—
—
1
1
—
—
3
4
5.
Graudenz.
4
9
—
—
1
3
2
7
19
24
6,
Loebau .
4
7
3
8
2
2
—
17
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7
Marienwerder . ..
2
2
1
2
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—
10
24
8.
Rosen b erg .
1
1
1
1
—
—
1
1
3
6
9.
Schlochau.
1
1
1
3
1
1
1
1
6
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10
Sch wetz .
—
—
2
4
—
—
—
1 -
4
1
11
Strassburg .
4
12
3
4
4
4
2
2
22
32
12.
Stuhm .
1
2
1
2
1
2
—
6
21
13
Thorn .
4
5
1
I
1
2
2
6
14
35
14
Tuchei .
1
1
1
1
1
1
1
1
4
17
Summa ..
27
46
15
30
15
23
9
18
117
213
4. Quartal des Berichtsjahres 6 Pferde auf polizeiliche Anordnung ge-
tödtet. In Petershagen hatte der Rotz vom 15. April bis 15. Juli 1879
geherrscht, ein Pferd war getödtet und 2 Pferde waren als verdächtig
observirt worden; an diesen und an einem dritten Pferde wurde die Rotz¬
krankheit während des 4. Quartals im Berichtsjahre constatirt; in
welchem auch ein 1876 mit rotzkranken in Berührung gekommenes
Pferd in Kl. Montau rotzkrank befunden wurde.
In Schmierau, Kr. Neustadt, erwiesen sich sämmtliche 6 Pferde
eines Besitzers bei der ersten Untersuchung des Bestandes rotzkrank.
Digitized by Google
Rotz - Wurmkrankheit.
59
Im Uebrigen ist das statistische Material aus dem Reg.-Bez.
Danzig sehr arm an Bemerkungen.
Im Reg.-Bez. Marienwerder sind noch zahlreiche alte Rotz¬
stationen, — namentlich unter den Pferdebeständen mittelgrosser Güter —
vorhanden, in denen die Krankheit nach kürzeren oder längeren Zwischen¬
räumen während des Berichtsjahres wieder zum Ausbruch gelangte,
das statistische Material führt als solche alte Krankheitsherde nament¬
lich an: Kowallek, Kr. Graudenz, Warmhof, Kr. Marienwerder, Neu¬
dorf, Kr. Rosenberg — Wiederausbruch nach 9 Monaten —, Marien¬
felde, Kr. Schlochau — Wiederausbruch nach V/ 2 Jahren — Dom-
browken, Kr. Schweiz — nach Angabe des Besitzers herrscht der
Rotz unter den Pferden schon seit 4 Jahren — Gostkowo, Kr. Thorn,
Kl. Bieslaw, Kr. Tuchei. Die Rotzkrankheit kam mehrfach bei kurze
Zeit vorher von kleinen jüdischen Handelsleuten ängekauften Pferden
vor. In Zalesie, Kr. Strassburg, wurde ein ganzer Bestand von 6
und in Kollenken ein ganzer Bestand von 4 Pferden getödtet, in
Omulle, Kr. Löbau, 6 von 23 Pferden, auch sonst gehörten 3—4 rotz-
kranke Pferde in verhältnissmässig kleinen Beständen nicht zu den
Seltenheiten. In Friedeck, Kr. Strassburg, wurde der Rotz bei einem
Pferde constatirt, welches 2 Jahre vorher vorübergehend verdächtige
Erscheinungen und sich seitdem ganz gesund gezeigt hatte.
3. Brandenburg.
Abgesehen von einer geringen Abnahme in Berlin ist die Zahl
der Rotzfälle in der Provinz Brandenburg während der beiden letzten
Berichtsjahre fast genau dieselbe.
Im Reg.-Bez. Potsdam blieben nur die Kreise Angermünde und
— während der beiden letzten Berichtsjahre — Beeskow-Storkow
frei von der Rotz-Wurmkrankheit. Ein grosser Theil der Verluste
entfallt auf solche Pferdebestände, in denen die Rotzkrankheit seit
langer Zeit herrscht bez. so bedeutende Verbreitung gewonnen hatte,
dass ein grosser Theil der Pferde oder der ganze Bestand getödtet
werden musste. Wir führen als Beispiele folgende Rotzausbrüche an:
Ladeberg,
Kr. Ober-Barnim,
7 Pferde Bestand, 7 Pf. getödtet,
Gottesgabe,
ff ft
21
ff
p,
tt u » tt
Tassdorf,
„ Nieder-Barnim,
36
tf
„ 10 „ „ 2 Pf. gefallen.
Malsdorf,
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13
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tt „ „
Bietikow,
„ Prenzlau,
10
tt
Restbest, 10 „ „
Wittstock,
„ Ostpriegnitz,
14
tt
Bestand 14 „ „
Wittenberge,
„ Westpriegnitz,
24
it
„ 24 „ „
In 7 Gehöften mit 125 Pferden Bestand 83 Pf. getödtet, 2 Pf. gefallen,
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60 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
auch das als alte Rotzstation bezeichnetc Gut Mittenwalde, Kr. Templin,
verlor von 69 Pferden 3 während des Berichtsjahres. Eine grössere
Anzahl von Fällen, in denen 2 bis 4 Pferde, welche demselben Be¬
sitzer gehörten, rotzkrank befunden wurden, ergiebt sich aus dem
statistischen Material, mehrfach setzten diese 2 bis 4 Pferde den ganzen
Bestand des betreffenden Gehöftes zusammen. Die Anzeigen vom
Laufende Nummer.
K r c i s.
1 .
Quartal
2 .
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
3
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fallene Pferde.
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2
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2
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3
17
1
3
1
2
32
16
Potsdam.
3.
Ober-Barnim .. .
2
7
4
7
4
12
—
—
26
14
1.
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2
4
2
2
2
3
1
1
10
11
5.
West-Havelland .
1
2
1
1
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—
■ —
—
3
11
6.
Jüterbog-Lucken-
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—
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1
1
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Prenzlau .
—
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West-Priegnitz .
—
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3
2
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1
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—
12
14
13.
Templin.
4
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1
—
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13
14
14
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2
1
2
3
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—
—
—
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2
Summa ..
21
47
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15
47
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Arnswalde.
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2
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1
1
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1
2
—
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2
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5.
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1
2
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—
—
—
2
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B
—
—
2
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—
2
26
7.
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B
—
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1
1
—
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8
3
5
—
—
—
—
13
4
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Luckau .
—
—
—
—
—
—
1
1
1
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—
—
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1
—
—
2
11
Ost-Sternberg. ..
2
2
3
5
—
—
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—
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12.
Spremberg .
—
—
—
—
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1
—
—
1
13.
Züllichau .
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1
—
—
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12
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1.
Berlin.
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15
12
17
15
27
21
97
Berlin.
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e
Rotz - Wurmkrankheit.
61
Ausbruch der Rotzkrankheit scheinen vielfach sehr verspätet erfolgt
zu sein. Dieselben sind mehrfach erst durch Verkäufe von Pferden,
welche bei dem neuen Besitzer rotzkrank befunden wurden, zur Kennt-
niss der Behörden gelangt. Von 7 kurz vorher angekauften rotz¬
kranken Pferden waren 4 auf dem Charlottenburger Markt erstanden.
Die Kreise Friedeberg, Guben, Soldin, Sorau, West-Sternberg des
Reg.-Bez. Frankfurt blieben während der beiden letzten Berichts¬
jahre frei von der Rotzkrankheit und in den übrigen Kreisen sind fast
durchweg nur ganz vereinzelte Erkrankungen vorgekommen. Eine
weite Verbreitung erlangte die Rotzkrankheit nirgends unter den
Pferden desselben Bestandes. Vier rotzkrank befundene Pferde waren
kurz vorher angekauft und ebensoviele wurden auf Märkten angetroffen.
In Berlin trat die Rotzkrankheit fast durchweg bei für das
öffentliche Fuhrwerk benutzten Pferden auf, im 4. Quartal auch —
eingeschleppt durch in Ungarn angekaufte Pferde — unter den Be¬
ständen der grossen Pferdebahngesellschaft, 7 rotzkranke Pferde waren
in den letzten 3 Monaten vor Constatirung der Krankheit angekauft wor¬
den und 6 rotzkranke Pferde wurden auf der Rossschlächterei ermittelt.
4. Pommern.
Von den 75 Pferden, welche im Reg.-Bez. Stettin getödtet
wurden bez. gestorben sind, entfallen 34 auf das Gut Tützpatz, Kr.
Demmin, 9 auf das Gut Crien, Kr. Anclam und 6 auf das Gut Col-
batz, Kr. Greifenhagen. In Tützpatz, dessen ursprünglicher Bestand
von 80 Pferden bereits auf 37 Pferde reducirt ist, welche isolirt
auf einem Vorwerk aufgestellt sind, dauert das Herrschen der Krank¬
heit am Schlüsse des Berichtsjahres noch fort Die übrigen 26 Fälle
von Rotzkrankheit blieben vereinzelt. Drei wurden durch Infection
von Pferden polnischer Handelsjuden vermittelt. In Quitzerow, Kreis
Demmin, stellten sich die ersten verdächtigen Erscheinungen bei einem
Pferde erst nach 8monatlicher Observation, in einem zweiten Falle
erst 11 Monate nach der Infection ein. Drei Pferde waren kurze
Zeit vor dem Constatiren der Rotzkrankheit angekauft, ein Fall wurde
auf der Rossschlächterei in Stettin, mehrere auf Märkten ermittelt.
Frei von der Rotzkrankheit blieben die Kreise Greifenberg, Kammin und
Saatzig.
Die Verluste des Reg.-Bez. Köslin entfallen zu einem grossen
Theil auf einige alte Rotzherde, in denen die Krankheit erst nach
langem Bestehen constatirt wurde oder nach längeren Zwischenräumen
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62 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr getödtete
und gefallene Pferde.
lin.Iahrv 1 n 7> 7'.» . •
und gefallene Pferde.
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Reg. - Bez.
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1
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Stettin.
3.
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Naugard.
—
—
—
—
2
2
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Pyritz.
—
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1
1
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1
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1
1
—
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Saatzig.
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—
—
—
—
—
—
—
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—
—
2
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—
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1
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—
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1
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11.
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2
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Summa ..
5
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45
1.
Belgard.
2
5
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13
2
15
1
18
51
15
Reg. - Bez.
2.
Bublitz.
—
—
3
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2
G
1
1
13
15
Köslin.
3.
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—
—
—
—
—
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2
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2
4.
Köslin.
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—
—
—
—
—
—
1
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5.
Kolberg.
—
—
—
—
—
—
2
2
2
—
6
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1
2
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1
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1
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—
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4
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6
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2
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3
—
—
15
5
9.
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—
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1
2
1
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10
Schievelbein ....
—
—
—
—
—
—
1
2
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11.
Schlawc .
1
1
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2
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12
Stolp .
2
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—
—
1
1
1
1
6
—
Summa ..
14
21
13 !
34
10
35
14
39
129
73
1.
Greifswald.
3
Reg. - Bez.
2.
Rügen .
—
—
—
—
—
—
—
—
18
Stralsund.
3
Stralsund Stadt.
2
11
4
7
—
—
—
—
18
—
Summa ..
2
11
4
7
—
—
—
—
18
21
von Neuem ausgebrochen war. Wir führen die folgenden Beispiele an,
in denen entweder der Bestand ganz oder zum grössten Theil getödtet
wurde bezw. Erkrankungen in 3 Quartalen des Berichtsjahres beobachtet
wurden:
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Hotz - Wurmkrankheit.
63
Belgard,
Kr. Belgard,
7 Pferde Bestand, 6 FF. getödtet,
Karlsruhe,
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11
Gross Poplow,
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„ Dramburg,
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11
Lanzen,
„ Neu Stettin,
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Zuckers,
„ Rummelsburg,
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11
ü 11 1,
J esc ritz,
„ Stolp,
29 „
11 3 „
11
1 11 11
Auf diese 8 Ausbrüche entfallen zusammen 89 Pferde, etwa
2 / 3 aller im Reg.-Bez. gestorbenen und getödteten. Einzelne kleinere
Seuchenherde waren am Schlüsse des Berichtsjahres noch nicht getilgt.
Die Krankheit wurde mehrfach bei kurze Zeit vorher angekauften
Pferden und einmal auch auf einem Markte constatirt. Frei von der
Rotzkrankheit blieb kein Kreis des Reg.-Bez. Köslin.
Im Reg.-Bez. Stralsund beschränkte sich das Vorkommen der
Rotzkrankheit auf 6 Gehöfte der Stadt Stralsund. Die Infection soll
ursprünglich auf Reisen unterwegs stattgefunden haben.
5. Posen.
Die Tabelle S. 64 weist eine erhebliche Abnahme der Rotz-
Wurmkrankheit im Reg.-Bez. Posen, in welchem die Kreise Birn¬
baum, Borast und Krotoschin seuchefrei blieben, nicht nur gegen das
vorhergegangene Jahr, sondern auch in den auf einander folgenden
Quartalen des Berichtsjahres nach. Nichtsdestoweniger muss zugegeben
werden, dass sich in dem Bezirke noch zahlreiche Rotzherde vorfinden,
in denen die Krankheit theils seit Jahren herrscht, theils in längeren
Zwischenräumen von Neuem ausbricht. Als derartige im Berichts¬
jahre wiederum verseuchte Rotzstationen erwähnen die Tabellen z. B.
Niegolewo, Kr. Buk, — Wiederausbruch nach 2 Jahren — Tarce, Kr.
Pieschen, Rokietnica, Landkreis Posen, Chlewo, Kochlow, Baranow,
Kr. Schildberg. Die Zahl der gleich bei der ersten Untersuchung
krank befundenen Pferde war nicht selten bedeutend, und oft musste
während des Berichtsquartals, in welchem die Constatirung erfolgte,
ein namhafter Theil des Pferdebestandes getödtet werden. Wir fuhren
die nachstehenden Beispiele allein aus dem 1. Quartal an:
Stefanowo, Kr. Meseritz, 10 Pferde Bestand, 5 Pferde getödtet,
Gramsdorf,
„ Obomik, 9 „
ii
3 „
i*
Posen,
„ Posen, 4 „
ii
3 „
„ 1 Pferd gefallen.
Karlshof,
„ io „
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Kubera,
„ Schildberg, 6 „
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Biskupice,
„ Schroda, 18 „
ii
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64 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten
Laufende Nummer.
Kreis.
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Quartal
2
Quartal
3.
Quartal
4
Quartal
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—
—
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15
12
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—
—
—
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—
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13.
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15.
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16 .
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2
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1
4
—
—
1
2
10
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17.
Schroda .
4
7
—
—
1
2
3
8
17
8
18.
Wreschen.
5
5
3
6
2
3
2
2
16
8
Summa ..
41
80
26
40
24
21
36
189
242
1.
Bromberg Stadt
_
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—
—
1
1
—
_
1
_
Reg. - Bez.
2.
BrombergLandkr.
5
5
3
s
3
17
3
5
35
46
Broraberg.
3.
Czarnikau.
1
1
3
4
—
—
—
—
5
8
4.
Gnesen.
7
24
5
15
5
13
—
—
52
8
5.
Inowraclaw ....
3
5
5
6
6
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4
5
23
19
6 .
Kolmar.
1
1
—
—
2
2
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3
6
5
7.
Mogilno.
2
4
2
2
3
4
—
—
10
10
8.
Schubin.
1
2
2
11
2
2
2
2
17
9
0
Wirsitz.
2
3
2
11
1
1
1
1
16
8
10.
Wongrowiec ....
6
55
4
13
2
21
2
4
93
57
1
Summa ..
28
100
26 1
70
25 1
1 I
68
14
20
258
170
Die wenigen Beispiele S. 63 könnten, wenn man die übrigen Berichts¬
quartale heranziehen wollte, noch wesentlich vermehrt werden, sie
genügen jedoch, um die Thatsache zu begründen, dass die Ausbrüche
der Rotzkrankheit nicht selten sehr verspätet zur Anzeige gebracht
wurden. Mehrere Besitzer wurden wegen Unterlassung der Anzeige
unter Anklage gestellt, sind jedoch freigesprochen worden. Erwägt
man ferner, dass eine nicht ganz unerhebliche Zahl Pferde bald nach
Digitized by C^ooQle
Kotz - \Y urmkrankheit.
65
dem Ankauf oder auf Märkten rotzkrank befunden wurde bez. herum¬
reisenden Handelsketten oder kleinen jüdischen Pferdehändlern gehörte,
so muss man noch mehr zufrieden sein, dass die Tilgung der Rotz¬
krankheit im Reg.-ßez. Posen trotz dieser ungünstigen Verhältnisse
so erhebliche Fortschritte gemacht hat.
Im Reg.-Bez. Bromberg blieb kein Kreis frei von der
Rotzkrankheit. Die Tabelle S. 64 zeigt jedoch die mit jedem
folgenden Quartal weiter fortschreitende Abnahme der Rotzerkrankungen
noch auffälliger als im Reg.-Bez. Posen. Die bedeutendsten Verluste
erlitten die Kreise Wongrowiec, Gnesen und Bromberg Land, in wel¬
chen einige alte Rotzherde durch Tödtung säramtlicher Pferde der
betreffenden Bestände oder doch eines grossen Theiles derselben getilgt
werden mussten, wie folgende Zusammenstellung nachweist:
Eichberg, Kr. Bromberg,
13 Pferde Bestand, 13 Pferde getödtet,
Karlhof, „ „
28
«
„ 9
j*
ii
Jelitowo, „ Gnesen,
22
«
„ 22
ii
Obora,
24
11
„ 6
»»
„ 5 Pf. gestorben.
Dobieszewko, „ Schubin,
35
11
„ 8
1»
ii 1 ii ii
Eichenhagen, „ Wirsitz,
35
11
„ 9
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ii 2 ,, ,,
Friedrichshof, „ Wongrowiec,
32
11
„ 14
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ii
Kobylec, „ „
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11
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ii
Schocken, „ „
22
11
„ 21
ii
ii 1 ii ii
Zakrzewo, „ „
32
11
„ 10
ii
ii
In diesen 10 Rolzherden sind somit 140 Pferde getödtet worden
bez. gestorben, mehr als die Hälfte des Verlustes im ganzen Reg.-Bez.
Dagegen ist die Rotzkrankheit in dem früher sehr stark verseuchten
Kreise Inowraclaw verhältnissmässig nicht oft beobachtet worden;
dieser Kreis hatte im Jahre 1877/78 145 Pferde an der Rotzkrank¬
heit verloren. Die vollständige Tilgung der letzteren wird durch die
zahlreichen alten Herde, namentlich unter den Pferdebeständen grösserer
Güter und durch die Sorglosigkeit der Besitzer vielfach erschwert.
Die zuletzt genannten Verhältnisse hatten auch zur Folge, dass die
Rotzkrankheit recht häufig bei kurze Zeit vorher angekauften Pferden
ausbrach bez. auf Märkten constatirt wurde. Zur Tilgung der Rotz¬
krankheit hat die Königliche Regierung angeordnet, dass die Pferde
9 Monate nach dem letzten Rotzfall noch unter Observation bleiben,
wobei den Besitzern jede zulässige Erleichterung im Gebrauche der
Pferde gewährt wird. Die Gensdarraen sind beauftragt, über den
Gesundheitszustand der Pferde solcher Bestände in Zwischenzeiten von
14 Tagen dem Landrath zu berichten, damit die Zuziehung des
Archiv f. «Us. u. pract TUierheilkunde. VTT. SnppL-Htft. &
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66 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
beamteten Thierarztes sofort nach dem Hervortreten der ersten ver¬
dächtigen Krankheitserscheinungen erfolgen kann.
6. Schlesien.
Obgleich von den 24 Kreisen des Reg.-Bez. Breslau nur Habel-
schwerdt und Striegau frei von der Rotzkrankheit blieben, erlangte
dieselbe jedoch in keinem Kreise eine grössere Verbreitung und hatte
auch nur in seltenen Fällen erhebliche Verluste im Gefolge. In Biel¬
wiese, Kr. Steinau, wurde ein ganzer Bestand von 12 Pferden in der
Zeit vom 19. Februar bis 18. Juni 1879 getödtet, ausserdem erlitten
grössere Verluste:
Carowahne, Landkreis Breslau, 8 Pferde Bestand, 7 Pferde getödtet.
Heiden, Kreis Wohlau, 13 „ „ 7 „ „
und wurden einzelne Bestände von 3 bis 4 Pferden getödtet. Meistens
trat der Rotz unter kleinen Beständen auf. Das Zusammentreffen
vieler geringwerthiger Pferde beim Bau der Glatz-Dittersbacher Eisen¬
bahn und der Grenzverkehr mit Oesterreich scheinen einer Verbreitung
der Rotzkrankheit vielfach Vorschub geleistet zu haben. Von den
20 während des 4. Quartals auf polizeiliche Anordnung getödteten
Pferden gehörten 13 Fuhrleuten oder überhaupt häufig auf der Land¬
strasse verkehrenden Gespanuen an, die Infection soll namentlich oft
unterwegs in Gastställen erfolgt sein. In zwei Fällen machten sich
die ersten Krankheitserscheinungen erst 6 bez. 9 Monate nach statt¬
gehabter Infection bemerklich. In mehreren Fällen wurde die Rotz¬
krankheit bei kurze Zeit vorher angekauften Pferden bez. auf Märkten
und in Rossschlächtereien und in 2 Fällen durch die Section bei an
anderen Krankheiten gefallenen Pferden ermittelt.
Die Rotzerkrankungen erreichten im Reg.-Bez. Liegnitz keine
erhebliche Anzahl und blieben meistens ganz vereinzelt; in 5 Kreisen
wurden überhaupt keine Fälle von Rotz beobachtet. Die rötzkranken
Pferde gehörten meistens kleinen Beständen an und hatten in der
Regel häufig auf Landstrassen verkehrt, so dass die Vermuthung der
unterwegs erfolgten Infection viel für sich hat. In Lüben traten die
ersten Krankheitserscheinungen 9 Monate nach Berührung mit einem
rötzkranken Pferde hervor. In Lichtenwalde, Kr. Bunzlau, wurde die
Rotzkrankheit an dem Cadaver eines heimlich getödteten und nach
längerer Zeit wieder ausgegrabenen Pferdes constatirt.
Der Reg.-Bez. Oppeln erlitt nächst dem Reg.-Bez. Brom¬
berg die bedeutendsten Verluste, welche namentlich durch den
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Kotz - Wurmkrankheit.
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Quarta] Quartal I Quartal
Quartal
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1. Breslau Stadt ..
2 Breslau Landkr.
3. Brieg.
4 Frankenstein . . .
5 Glatz.
6- Guhrau.
7. Militsch.
8. Münsterberg....
9 Namslau .
10 Neumarkt .
11 Neurode.
12 Nimptsch.
13. Oels .
14. Ohlau.
15- Reichenbach....
16. Schweidnitz ....
17. Steinau .
18. Strehlen.
19* Striegau.
20. Trebnitz.
21. Waldenburg....
22. Wartenberg ....
23. Wohlau .
Summa ..
1- Bolkenhayn ....
2. Bunzlau.
3. Freystadt.
4- Glogau.
5- Görlitz Landkr..
6 Goldberg-Hainau
7 Grünberg.
8 Hirschberg.
9 Hoyerswerda . ..
10 Jauer .
11. Landeshut.
12 Lauban .
13 Liegnitz Stadt..
14. Liegnitz Landkr.
15 Löwenberg.
16. Lüben.
17. Sagan .
18. Sprottau.
Summa ..
2 11 16 Reg. - Bez.
3 13 15 Breslau.
1 4 9
-27
12 9
4 4
21 8 11 2 ih
18 | 46 19 26 24 1 35
16 20 127 123|
3 11
2 Reg. - Bez.
3 Liegnitz.
2
6 | 10 | 11 151 17 10 12 46 39
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Google
68 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
im Berichtsjahr getödtete
und gefallene Pferde.
s>
13
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41
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verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
1
Beuthen .
_
_
2
5
1
2
1
2
9
18
Reg. - Bez.
2
Kosel.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
7
Oppeln.
3
Kreuzburg.
3
10
—
—
3
36
1
2
48
19
4
Falkenburg ....
1
1
1
1
5
5
—
—
7
2
5
Grottkau.
2
5
3
8
2
13
—
—
26
—
c.
Kattowitz.
4
6
—
—
—
—
—
—
6
4
7.
Leobschütz.
3
3
3
6
3
8
1
2
19
3
8
Lublinitz.
—
—
2
2
—
—
2
2
4
4
9
Neisse .
1
1
1
2
—
—
—
—
3
12
10
Neustadt.
—
—
3
3
—
—
—
3
6
11
Oppeln.
2
3
3
4
3
4
3
6
17
3
12.
Pless.
1
1
—
—
3
5
—
—
6
5
13.
Ratibor .
3
6
1
2
1
1
_
—
9
4
14
Rosenberg.
3
4
—
—
—
—
2
5
9
8
15.
Rybnik.
2
5
3
8
1
2
—
—
15
19
16
Gross Strehlitz .
1
1
1
1
2
20
2
14
36
15
17
Tarnowitz.
—
—
—
—
3
4
2
2
6
8
18.
Tost-Gleiwitz ...
4
8
—
—
1
2
3
6
16
3
19.
Zabrze.
—
—
—
—
2
2
—
2
8
Summa ..
30 |
54
23
42
30
104
17
1 41
241
148
Umstand bedingt wurden, dass einzelne Pferdebestände bis auf das
letzte Thier oder doch zum grössten Theil getödtet werden mussten.
Wir führen folgende Zahlen an:
Wzoze,
Kr. Kreuzburg,
5 Pferde Restbestand,
5 Pferde getödtet
Neudorf,
27 „
Bestand,
27
1 »
>»
Sowisna,
n 1 ?
9 „
j»
9
rt
»»
Matzwitz,
„ Grottkau,
11 „
»»
9
11
>1
Zühlshof,
»» »»
30 „
11
»
Friedenshütte,
„ Beuthen,
12 „
6
3 »
»
Marklowitz,
„ Rybnik,
14 „
>»
7
»3
fi
Kalinowitz,
„ Gr.Stiehlitz, 39 „
»»
32
»J
»1
Auf diese 8 Seuchenherde entfallen
106 Pferde.
Die Verschleppung erfolgte mehrfach durch Verkauf von Pferden
aus alten Seuchenherden, welcher in der Regel sofort nach Aufhebung
der Sperre stattfand. Elf rotzkranke Pferde waren kurz vorher an-
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Rotz - Wurnikranklieit.
69
gekauft worden, fünf wurden auf Märkten angetroffen. In Kalinowitz
ist die Rotzkrankheit seit l 1 /, Jahren dreimal constatirt worden, in
Neudorf sind Rotzfalle schon seit 10 Jahren vorgekommen. In einem
Falle brach die Krankheit nach einem Zwischenraum von 6 Monaten
in demselben Bestände wieder aus. Ein rotzkrankes Pferd wurde
herrenlos in einem Walde aufgegriffen. Die Krankheit trat öfter bei
den zum Fuhrwerk im Montanbezirk benutzten Pferden auf, und das
verhältnissmässig häufige Vorkommen bei Pferden, welche Gastwirthen
gehörten, unterstützt wesentlich die Annahme, dass die Infection viel¬
fach auf Reisen erfolgt ist.
7. Sachsen.
Abgesehen von den nachstehend genannten zwei Ausbrüchen
blieben die Rotzerkrankungen vereinzelt oder auf 2—3 Pferde desselben
Stalles beschränkt:
Magdeburg, sämmtlicbe 6 Pferde eines Fuhrherren;
Leubingen, Kr. Eckartsberga, sämmtlicbe 13 Pferde einer Ackerwirthscbaft.
Die Posthalterei zu Wernigerode, in welche die Rotzkrankheit
angeblich aus dem Braunschweig’schen eingeschleppt worden war,
verlor 3 Pferde von 15 Pferden Bestand. In einer grösseren Anzahl
von Fällen waren die rotzkrank befundenen Pferde ausserhalb der
Provinz — je einmal im Posen’schen und in Russland — kurz vor¬
her angekauft worden, 4 rotzkranke Pferde wurden auf Märkten an¬
getroffen und 4 auf polizeiliche Anordnung getödtete Pferde gehörten
hausirenden Handelsleuten. Ein Ausbruch ist auf Infection der Pferde
im Königreich Sachsen zurückzuführen, und in Eisleben, Mansfelder
Seekreis, brach die Rotzkrankheit kurze Zeit nach Aufhebung der
Sperre in einem Pferdebestande von Neuem aus. Die Tödtung
rotzverdächtiger Pferde wurde durchweg so bald wie möglich durch¬
geführt und hierbei erwiesen sich häufig auch solche Pferde rotz¬
krank, welche während des Lebens, abgesehen von den Erscheinungen
der Dämpfigkeit, gar keine verdächtige Symptome gezeigt hatten.
Frei von der Rotzkrankheit blieben 4 Kreise des Reg.-Bez. Magde¬
burg, 5 Kreise des Reg.-Bez. Merseburg und 8 Kreise des Reg.-
Bez. Erfurt.
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70 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
4?
72 «
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Laufende Nummer.
Kreis.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
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getödtete und ge¬
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Im Berichtsjahr get
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Aschersleben...
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1
Reg. - Bez.
2.
Kalbe .
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1
1
2
3
4
—
Magdeburg.
3.
Gardelegen ....
1
1
—
—
1
1
—
—
2
—
4.
Jerichow I.
1
2
—
—
—
—
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5
Jerichow II. ...
—
—
—
—
—
—
—
—
—
5
6.
Magdeburg Stadt
2
2
2
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—
1
2
10
—
7
Neuhaldensleben
—
—
2
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2
3
1
1
7
—
8
Osterburg.
—
—
—
—
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—
—
—
—
1
9
Stendal.
—
—
3
4
—
—
—
—
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—
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Wanzleben ....
—
—
1
1
—
—
—
—
1
3
11
Wernigerode ...
—
—
1
3
—
3
—
12.
Wolmirstedt ...
1
1
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1
1
Summa ..
6
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9
17
5
6
5
7
38
17
1.
Bitterfeld.
2
2
1
2
4
1
Reg. - Bez.
2
Delitsch .
1
1
—
—
—
—
—
—
1
3
Merseburg.
3
Eckartsberga...
1
4
1
9
—
—
—
13
2
4.
Halle Stadt....
3
3
—
—
—
—
—
—
3
13
5
Mansfeld Gebgkr.
1
1
—
—
—
—
—
—
1
3
6.
Mansfeld Seekr. .
—
—
1
3
—
—
1
2
5
8
7
Merseburg.
1
3
1
1
2
2
1
1
7
8
8.
Querfurt .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
2
9.
Saalkreis.
1
2
1
1
1
1
—
—
4
3
10.
Sangerhausen ..
2
2
—
—
—
—
—
2
8
11.
Schweinitz ....
1
1
— 1
—
—
—
2
2
3
—
12
Torgau.
—
—
—
—
—
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1
2
2
5
13.
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—
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1
1
1
1
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—
2
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Summa ..
11
17
7
17
4
4
6
9
47
57
1.
Erfurt.
_
_
_
_
_
_
_
_
_
1
Reg. - Bez.
2.
Langensalza ...
—
—
—
—
—
—
—
—
—
5
Erfurt.
3
Mühlhausen ...
—
—
—
—
1
1
—
—
1
—
4
Nordhausen....
—
—
—
—
1
1
1
2
Summa ..
—
—
—
1
1
1
1
2
8
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Rotz - Wurmkrankheit.
71
8. Schleswig-Holstein.
Von den 12 in Schleswig-Holstein getödteten und gestorbenen
Pferden wurden 6 in der Rossschlächterei zu Altona angetroffen, je
eines derselben stammte aus Hamburg und Lübeck. Die übrigen
6 Pferde entfallen auf folgende 3 Kreise:
Flensburg, 2 Pferde in 2 Ortschaften.
liadei sieben, 1 Pferd.
Pinneberg, 3 Pferde unter einem Bestände von 7 Pferden.
Ausserdem wurden in Itzehoe 2 Pferde eines umherziehenden
Künstlers als rotzverdächtig angehalten. Da der Besitzer erklärte,
die Pferde während der Sperre nicht unterhalten zu können, kaufte
die Polizeibehörde die Pferde an und liess dieselben tödten; sie er¬
wiesen sich bei der Section nicht rotzkrank.
Während des Berichtsjahres 1878/79 wurden in Schleswig-Holstein
14 Fälle von Rotzkrankheit beobachtet.
9. Hannover.
Die Tabelle S. 72 zeigt, dass die Rotzerkrankungen nur ver¬
einzelt und in geringerer Anzahl als während des vorhergegangenen
Berichtsjahres vorgekommen sind. Während sich dieselben in dem
letzteren auf 17 Kreise vertheilen, wurden im Berichtsjahre nur in
12 Kreisen Rotzfälle beobachtet. Drei Pferde in dem Landdr.-Bez.
Lüneburg starben, bevor die von der Königlichen Landdrostei bereits
verfügte Tödtung erfolgte. In einem Bestände des Landdr.-Bez.
Lüneburg waren bereits im vorigen Jahre einige Rotzerkrankungen
vorgekommen, ein Pferd soll schon seit dem Jahre 1877 rotzkrank
gewesen sein. So lange sich das betreffende Pferd in dem Gehöfte
befand, sind mehrere Pferde des Bestandes, angeblich an Typhus ge¬
fallen. Je ein Pferd war kurze Zeit vor Constatirung der Krankheit
aus Russland bez. aus Bremen eingeführt worden, und ein rotzkrankes
Pferd wurde in der Rossschlächterei zu Hannover ermittelt.
Der Landdr.-Bez. Aurich blieb während des ganzen Jahres, die
übrigen Landdr.-Bez. — mit Ausnahme von Lüneburg — waren während
einzelner Quartale frei von der Rotzkrankbeit.
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72 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten,
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
£
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1.
Hannover Stadt.
1
1
1
2
3
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Landdr.-Bez.
2.
Hannover Land kr.
—
—
—
—
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—
—
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Hannover.
3.
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1
Summa ..
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1
1
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30
1.
Einbeck .
2
Landdr.-Bez.
2.
Göttingen .
—
—
—
—
—
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1
1
1
2
Hildesheim.
3.
Hildesheim - Ma-
rienburg.
1
1
2
3
—
—
—
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4
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4.
Liebenberg ....
—
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—
—
—
—
—
—
—
1
5.
Osterode .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
4
6.
Zellerfeld.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
Summa ..
1
1
2
3
—
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5
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1
1
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1
2
10
Landdr.-Bez.
2.
Gifhorn .
—
—
—
—
—
—
1
1
1
—
Lüneburg.
3
Harburg.
1
3
—
—
—
—
—
—
3
9
4.
Lüneburg.
—
—
—
—
—
—
—
—
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2
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1
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2
Landdr.-Bez.
2
Neuhaus a./O. ..
—
—
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—
—
—
—
—
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Stade.
3
Osterholz.
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1
—
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—
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1
—
4
Stade Marscbkr.
—
—
—
—
—
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1
Summa ..
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Bersenbrück....
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2
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Landdr.-Bez.
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Osnabrück.
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Osnabrück.
1
Summa ..
—
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—
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2
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Rotz - Wunnkrankheit.
73
10. Westfalen.
Die Zahl der getödteten und gefallenen Pferde beträgt 15 —
6 weniger als im Jahre 1878/79 —; dieselben vertheilen sich auf
folgende Kreise:
Reg.-Bez. Münster,
Kreis Ahaus,
2 Pferde.
» »»
Lüdinghausen,
1 Pferd.
„ Minden,
Halle,
1
»» »t
Herford,
2 Pferde.
77 77
»
Höxter,
4 „
„ Arnsberg,
ji
Altena,
2 „
i» »»
77
Bochum,
1 Pferd.
77 77
77
Olpe,
1 „
77 77
77
Soest,
1 „
Zusammen
15 Pferde.
Von den genannten Kreisen waren Halle, Herford, Bochum und
Olpe im vorigen Jahre frei von Rotzkrankheit geblieben, dagegen sind
in den Kreisen Bielefeld, Lübbecke, Dortmund und Lippstadt, welche
1878/79 9 Pferde verloren hatten, keine Rotzfälle vorgekommen. Die
beiden Pferde im Kreise Ahaus waren durch die im vorigen Jahr ver¬
seucht gewesenen Pferde eines Nachbargehöftes inficirt worden, das
Pferd im Kreise Soest gehörte einem umherziehenden Handelsmann,
das im Kreise Lüdinghausen wurde auf dem Markt in Werne ermittelt.
11. Hessen-Nassau.
Auch in der Provinz Hessen-Nassau hat die Zahl der Kreise, in
denen die Rotzkrankheit auftrat und die Zahl der getödteten und
gefallenen Pferde gegen das vorhergegangene Jahr etwas abgenommen.
Die 6 Rotzfälle in einer Ortschaft des Kreises Ziegenhayn sind auf
Einschleppung durch die Pferde eines Eisenbahnbau - Unternehmers
zurückzuführen. In Oberzeugheim, Ober-Lahnkreis, wurden sämmtliche
4 Pferde eines Besitzers rotzkrank befunden, ebenso auch sämmtliche
4 Pferde eines Besitzers im Landkreise Kassel, deren Krankheit von
dem beamteten Thierarzt bei zufälligem Begegnen entdeckt wurde.
Alle übrigen Ausbrüche blieben vereinzelt, sie kamen in je einem Be¬
stände der Kreise Hanau und Kassel in früher verseucht gewesenen Ge¬
höften 7 Monate bez. 2 Jahre nach dem letzten Falle vor. Ein am
3. August 1879 der Ansteckung ausgesetzt gewesenes Pferd erkrankte
am 26. November 1879, mithin nach Ablauf von etwa 4 Monaten.
Digitized by Google
74 Jahresbericht über die Verbreituog der ansteckenden Thierkrankheiten.
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr getödtete
und gefallene Pferde.
48
2
JO —
U.
05
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0O =
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1 *
cs
S 3
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
1.
Eschwege.
—
—
—
—
—
—
—
—
_
5
Reg. - Bez.
2.
Gelnhausen ....
1
1
—
—
—
—
—
—
1
—
Kassel.
3.
Hanau .
—
—
3
3
—
—
—
—
3
3
4.
Hersfeld.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
2
5
Hünfeld.
—
—
1
1
—
—
—
—
1
3
6.
Kassel Stadt .. .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
7.
Kassel Land kr. .
—
—
1
1
1
1
1
4
6
—
8.
Kirchhavn.
—
—
—
—
—
—
1
1
1
—
9.
Rinteln .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
5
10.
Ziegenhayn ....
3
3
3
3
6
Summa ..
4
4
8
8
1
1
2
5
18
19
1.
Dillkreis .
1
1
1
1
2
Reg. - Bez.
2
Frankfurt a ,/M. „
4
5
—
—
—
—
—
—
5
21
Wiesbaden.
3.
Ober-Lahnkreis .
—
—
1
4
1
1
1
1
6
1
4.
Unter-Lahnkreis
—
—
—
—
—
—
—
—
2
5.
Rhein gau.
—
—
—
—
—
—
—
—
1 1
6.
Ober-Taunuskr..
—
—
—
-
—
—
—
—
—
1
7.
Unter-Taunuskr.
—
—
2
2
—
—
—
—
2
2
8.
Unter-Wester¬
wald kreis .
2
3
1
1
—
—
—
—
4
1
9.
Wiesbaden Stadt
—
—
—
—
—
—
1
2
2
—
10
Wiesbaden Land¬
kreis .
—
—
—
—
_
—
—
—
—
1
Summa . .
6
8
5
8
1
1
3
4
21
30
12. Rheinprovinz.
Die Rotzerkrankungen im Reg.-ßez. Koblenz blieben durchweg
vereinzelt, die Infection soll fast stets auf Reisen erfolgt sein, ein
Fall betraf ein aus Berlin eingefdhrtes Offizierpferd.
Von den im Reg.-Bez. Düsseldorf rotzkrank befundenen Pferden
entfallen 10 auf die Bestände der Pferdebahngesellschaft in Elberfeld;
die schon seit dem vorigen Jahr unter denselben herrschende Krank?
heit hat in allen Quartalen 2 bis 4 Pferde befallen und war auch
am Schlüsse des Berichtsjahres noch nicht getilgt. Ausserdem erwiesen
sich sämmtliche 3 Pferde eines Besitzers in Duisburg rotzkrank, die-
Digitized by C^ooQle
Rotz - Wurmkrankheit.
75
| Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
3
3
£ ®
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P-
b
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3
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£ ff
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
1
3
B
■
■
A
2.
Kochern .
m
s
B
1
1
_
_
1
_
Reg. - Bez.
Koblenz.
3.
Kreuznach .
1
i
1
i
—
—
—
—
2
3
4
A
5.
Meisenheira ....
1
3
_
_
_
_
_
_
3
6
l
I
i
.1
7.
Simmcrn.
1
1
1
i
_
_
.
_
2
1
8.
Zell.
—
—
1
i
—
—
—
1
Summa ..
7
10
3
3
1
1
—
—
14
1.
Kleve .
1
1
1
Reg. - Bez.
2.
Düsseldorf Stadt
2
2
—
—
—
_
1
1
3
2
Düsseldorf.
3
Düsseldorf Landkr.
—
—
2
3
—
—
1
2
5
5
4.
Duisburg.
—
—
—
—
1
3
—
—
3
—
5.
Elberfeld.
2
5
1
2
1
3
1
1
11
8
6.
Barmen.
1
3
—
—
—
—
1
1
4
—
7.
Essen Landkr. . .
—
—
—
—
1
1
_
_
1
_
8.
Geldern.
1
1
—
—
—
—
1
2
3
_
9
Gladbach .
—
—
—
—
2
2
—
—
2
1
Kempen.
1
1
—
—
—
—
1
1
2
—
Q
Krefeld Landkr..
—
—
—
—
1
1
m
1
—
0
Lennep
1
1
i
9
i
M ftt.tma.nn
1
i
9
Neuss
1
2
B
l
o
1
Solingen .
1
1
1
1
B
lb
1
1
Summa ..
10
lL
16
B
B
6
10
6
8
41
21
1
Bergheira.
_
_
1
1
1
2
Reg.-Bez.
2.
Bonn.
2
2
1
1
—
—
2
3
6
—
Köln.
3.
Euskirchen.
1
1
_
_
1
1
_
_
2
_
4
Gummersbach ..
1
1
_
—
—
_
_
_
1
2
5.
Köln Stadt ....
2
3
1
2
1
1
1
1
n
1
6
Köln Land ....
B
—
_
_
_
H
1
7.
Mülheim .
m
_
_
1
1
H
ftrf
ES
8
Siegkreis.
E
E9
1
4
—
—
B
4
Bi
9
Waldbroel.
n
—
—
—
1
2
—
2
H
Summa ..
6
7
3
7
5
6
3
4
24
^1
Digitized by Google
76 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Laufende Nummer.
Kreis.
1.
Quartal
2.
Quartal
3.
Quartal
4.
Quartal
Im Berichtsjahr getödtete
und gefallene Pferde.
Im Jahre 1878/79 getödtete
und gefallene Pferde
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge-
fallene Pferde.
verseuchte Bestände.
getödtete und ge¬
fallene Pferde.
1.
Bernkastel.
2
2
2
3
1
2
7
Reg. - Bez.
2
Bitburg.
—
—
—
—
—
* —
—
—
—
1
Trier.
3
1
4.
Merzig.
—
—
—
_
—
—
—
—
—
2
5
Ottweiler.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
1
1
2
2
7
Saarbrücken ...
1
5
3
8
2
2
2
3
18
30
8.
Saarburg .
—
—
1
1
—
—
2
4
5
6
9
Saarlouis.
—
—
—
—
—
—
—
—
4
10.
Trier Stadt ....
—
—
—
—
—
—
—
—
1
11.
Trier Landkr. ..
1
3
1
1
—
—
—
—
4
5
12
Wittlich.
1
2
1
1
1
2
—
—
5
1
Summa ..
6
14
6
ii
1
7
5
9
41
52
1.
Aachen Stadt ..
2
4
4
2
Reg. - Bez.
2
Aachen Land...
1
2
—
—
—
—
1
2
4
9
Aachen.
3
Klrlf p1pti7.
i
1
1
4.
Geilenkirchen ..
i
_
_
1
1
_
_
1
_
5.
Jülich.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
3
6
Schleiden.
—
—
1
1
—
—
—
1
—
Summa ..
4
7
1 1
1
1
1
1 1
2
11
14
selben waren als verdächtig auf dem Markte in Steele angehalten
und nach Duisburg zurückgeschickt worden, eines dieser Pferde muss
nach den Ergebnissen der Section schon seit langer Zeit rotzkrank
gewesen sein. Drei rotzkranke Pferde waren kurz vorher angekauft
worden, und ein Pferd wurde in der Rossschlächterei zu Düsseldorf
rotzkrank befunden.
In Scheydt, Siegkreis, Rog.-Bez. Köln, wurde die Rotzkrankheit
bei sämmtlichen 4 Pferden eines Besitzers constatirt, im Uebrigen
blieben alle Fälle vereinzelt. Ein Pferd in Pingsheim, Kr. Euskirchen,
hatte mit verdächtigen Erscheinungen über ein halbes Jahr unter Ob¬
servation gestanden, und im Kreise Waldbroel wurde ein seit 5 Jahren
mit einseitigem Nasenausfluss behaftet gewesenes Pferd getödtet. Fünf
rotzige Pferde ermittelte man auf der Rossschlächterei in Köln. Im
Digitized by Google
Rotz - Wnrmkrankheit.
77
Uebrigen enthält das statistische Material nur dürftige Mittheilungen
über die Verhältnisse der Einschleppung, welche in den meisten Fällen
nicht näher aufgeklärt werden konnte.
Die Rotzkrankheit herrscht noch immer unter den Pferden der
Kohlengruben in Dudweiler, Kr. Saarbrücken, Reg.-Bez. Trier. Eins
von den 12 getödteten Pferden war erst 6 Tage vorher eingestellt
worden, 5 wegen anderer unheilbarer Leiden getödtete Pferde erwiesen
sich bei der Section frei von Rotz. Im Allgemeinen dürfte die Be¬
fürchtung auszusprechen sein, dass eine Tilgung der Rotzkrankheit
unter den Pferden der Saarbrückener Kohlengruben in nächster Zeit
nicht zu erwarten ist. Die bei der Section gefundenen krankhaften
Veränderungen lassen annehmen, dass die Krankheit bei den betreffen¬
den Grubenpferden schon seit langer Zeit bestanden haben muss.
Unter den französischen Saarschiffern gehörenden Pferden erwiesen
sich 5 mit der Rotzkrankheit behaftet. Die übrigen Fälle im Reg.-Bez.
Trier blieben vereinzelt.
Im Reg.-Bez. Aachen wurde während des ersten Quartals ein
alter Seuchenherd durch Tödtung des Restbestandes von 2 Pferden
getilgt. Im 4. Quartal brach die Rotzkrankheit bei dem Pferde eines
Hüttenarztes, welches mit den Pferden einer Kohlengrube vielfach in
Berührung gekommen war, aus, und erst hierdurch gelangte das
Herrschen des Rotzes unter den Grubenpferden zur Kenntniss der
Behörden.
In den Hohenzollern’schen Landen ist kein Fall von Rotz¬
krankheit beobachtet worden.
Bei Erörterung der Gründe, welche veranlasst haben, dass die
Tilgung der Rotzkrankheit während des letzten Jahres nicht
nur keine erheblichen Fortschritte gemacht hat, sondern anscheinend
sogar gegen die Erfolge des vorhergehenden Jahres zurück¬
geblieben ist, dürften namentlich folgende Verhältnisse in
Betracht zu ziehen sein:
1. In den östlichen Provinzen existiren noch zahlreiche
alte Rotzherde unter den Pferdebeständen grösserer
Güter, welche erst sehr allmählich zur Kenntniss der
Behörden gelangen und deren Pferdebestände dann
nicht selten zum grossen Theil oder vollständig ge-
tödtet werden müssen. Es giebt solche Gutsbestände, in denen
Digitized by Google
78 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
die Rotzkrankheit seit Jahrzehnten herrscht und in denen bis
zum Erlass des Gesetzes vom 25. Juni 1875 zur Tilgung der
Rotzkrankheit gar nichts geschehen ist.
Die Tabelle S. 79 versucht anschaulich zu machen, in welchem
Verhältniss sich die durch Rotzkrankheit verseuchten Pferdebestände
und die auf polizeiliche Anordnung getödteten Pferde auf
grössere Güter, kleinere ländliche bez. städtische Ackerwirthschaften
und auf Pferdebestände, welche vorzugsweise zum Transport von
Menschen und Gütern benutzt werden, vertheilen. Die Unvollständig¬
keit des statistischen Materials machte es erforderlich, in die 4 bez.
9 Colonne die Bestände einzureihen, deren Eigenthümer und Be¬
nutzung aus den Tabellen der beamteten Thierärzte nicht zu erkennen
war. Die gefallenen und die auf Veranlassung der Besitzer getödteten
Pferde sind in der Zusammenstellung nicht berücksichtigt, um nach¬
zuweisen, in welcher Weise sich die Pferde, für welche Ent¬
schädigung geleistet wurde, auf die einzelnen Reg.-Bez. und auf
die obengenannten Verhältnisse der Besitzer bez. der Benutzung ver¬
theilen.
In abgerundeten Procentsätzen entfallen:
von den verseuchten von d. a. polizeil. Anordnung
Beständen:
getödteten Pferden:
1. auf grössere Güter
2. auf kleinere ländliche bez.
28,40 pCt.
47,80 pCt.
städtische Ackerwirthschaften
40,10 „
30,00 „
3. auf Pferde, welche vorzugs¬
weise zum Transport von
Menschen undGütern benutzt
werden
21,35 „
16,70 „
4. unbestimmt
10,15 „
5,50 „
100,00
100,00
Berechnet man die Verhältnisszahlen für die Provinzen Ostpreussen,
Westpreussen, Brandenburg (ausschliesslich Berlin), Pommern, Posen
und Schlesien, so kommt man zu folgenden Procentsätzen:
von den verseuchten Beständen: von d. a. polizeil. Anordnung getödteten Pferden:
auf 1.
35,60 pCt.
57,10 pCt.
,, 2.
39,60 „
28,00 „
„ 3.
15,60 „
10,20 „
* 4.
9,20 „
4,70 „
100,00
100,00
Mithin entfallt von den in den östlichen Provinzen auf polizei-
Digitized by C^ooQle
Hotz - Wurmkrankheit
79
Laufende Nummer.
Regierungs-
bez.
Landdrostei-Bczirke.
Verseuchte Bestände.
Auf polizeiliche Anord¬
nung getödtete Pferde.
Grössere Güter.
Kleinere Ackerwirth-
schaften.
Pferde zü Reisen uml
Fuhrwerk gehalten.
Unbestimmt.
Zusammen.
Grössere Güter.
Kleinere Ackerwirth-
schaften.
Zu Reisen und Fuhr¬
werk benutzt.
Unbestimmt.
Zusammen.
1 .
Königsberg.
19
30
8
5
62
131
46
19
6
202
2 .
Gumbinnen.
6
11
2
3
22
20
21
3
3
47
3.
Danzig.
21
22
2
5
50
47
34
2
5
88
4.
Marienwerder.
29
25
1
5
60
64
33
3
5
105
5.
Potsdam .
16
29
5
2
| 52
62
71
8
6
147
6 .
Frankfurt .
3
15
3
4
25
3
25
4
4
36
7.
Berlin .
—
5
32
_
87
—|
8
55
63
8 .
Stettin.
7
7
5
6
25
30
7
6
7
50
9.
Köslin.
18
22
5~
2
41
80
31
5
2
118
10 .
Stralsund .
—
—
6
—
6
—
—
17
—
17
11 .
Posen .
46
36
9
5
96
106
47
14
6
173
12 .
Bromberg .
48
32 1
8
5 1
93
184
42
8
5
239
13.
Breslau .
19
21
24
5
69
50
28
31
5
114
14.
Liegnitz ...
1
11
10
7 1
29
1
13
12
7
33
15.
Oppeln .
26
27
26
12
91
135
47
34
14
230
16.
Magdeburg .
—
12
9
2
23
—
18
17
2
37
17.
Merseburg.
6
8
*2
4
20
15
14
1
5
35
18.
Erfurt.
—
2
—
—
2
—
2
—
—
2
19.
Schleswig .
—
2
—
—
2
—
4
—
—
4
20
Hannover .
—
—
I
1
2
—
—
2
1
3
21 .
Hildesheim.
—,
2
—
—
2
—
2
—
—
2
22 .
Lüneburg .
—
5
—
1
6
—
7
—
1
8
23.
Stade.
—
—
1
—
1
—
—
2
—
2
24
Osnabrück .
—
6
—
—
6
—
7
—
—
7
25.
Münster .
—
1
1
—
2
—
2
1
—
6
26
Minden .
1
—
2
2
5
1
—
3
2
6
27.
Arnsberg .
—
9
1
1
4
—
2
1
1
4
28.
Kassel .
—
10
2
—
12
—,
13
3
—
16
29.
Wiesbaden .
—
5
5
2
L2
—
9
7
2
18
30.
Koblenz .
—
5
5
1
11
—;
7
6
1
14
31
Düsseldorf .
—
5 J
8
10
23
—
8
15
12
35
32
Köln .
—
6
5
2
13
—
8
9
2
19
33
Trier.
—
10
10
2
22
—
15
21
2
38
34.
Aachen.
—
2
2
1
5
—
2
4
1
7
Summa ..
266
376
o
o
95
937
929
573
313
107 1922
lic
ie Anordnung getödteten Pferdei
i üb
er d
ie ]
Hä
fte
i au
f Bestände
grösserer Güter, und die für die einzelnen Reg.-Bez. vorgetragenen
Details geben zahlreiche Beispiele über die Verluste in grösseren
Gütern, welche als alte Rotzherde bezeichnet werden.
Digitized by Google
80 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
2. Der häufige Wiederausbruch der Rotzkrankheit nach
nicht selten sehr langen Zwischenräumen in früher
verseucht gewesenen Pferdebeständen.
Diese Beobachtung ist so häufig gemacht worden, dass es sich in ho-
hemMasse empfehlen dürfte, die Observation aller der Ansteckung
ausgesetzt gewesenen Pferde in den alten Rotzstationen
bez. in Beständen, in denen der Ausbruch nicht auf ein
Pferd beschränkt geblieben ist, durchweg auf möglichst
lange Fristen auszudehnen. Es kann bei der Tilguug der Rotz¬
krankheit, welche in grösseren Pferdebeständen bereits mehrere Thiere
ergriffen hatte, kein schwererer Fehler gemacht werden, als der so
häufig begangene, dass die Observation gleich am frühesten zulässigen
Termin — nach Ablauf von 3 Monaten — aufgehoben wird. Wir
sind der Ueberzeugung, dass die erheblichen Fortschritte der Rotz¬
tilgung im Reg.-Bez. Bromberg hauptsächlich auf die Anordnung
zurückzuführen ist, dass sich die Observation der Pferde in Beständen,
welche als alte Rotzstationen bekannt sind, auf 9 Monate zu erstrecken
hat (S. 65). Nur in Ausnahmefällen ist der Wiederausbruch der Rotz¬
krankheit durch erneute Einschleppung vermittelt worden; fast durch¬
weg war in solchen Fällen die Tilgung nur eine scheinbare gewesen.
Das statistische Material ist ungemein reich an Mittheilungen
über die Feststellung der Rotzkrankheit durch die Section bei
Pferden, welche während des Lebens gar keine oder sehr geringfügige
Krankheitserscheinungen gezeigt hatten und über die Länge der Zeit,
welche zwischen Einwirkung des Contagiums und dem Hervortreten
der ersten Rotzsymptome verging.
3. Die häufige wissentliche oder unwissentliche Ver¬
heimlichung von Ausbrüchen der Rotzkrankheit.
Um die Richtigkeit dieser Behauptung zu erweisen, brauchen wir
wohl nur hervorzuheben, dass häufig — in den östlichen Provinzen
bei grösseren Pferdebeständen fast in der Mehrzahl der Fälle — gleich
bei dem ersten Constatiren der Krankheit eine grössere Anzahl von
Pferden rotzkrank befunden wurde und auf die vielen Pferde hinzu¬
weisen, welche sich bald nach dem Kaufe oder auf Märkten bez. in
Rosschlächtereien mit dem Rotz behaftet zeigten. Viele Pferdebesitzer
sind nur zu sehr geneigt, sich durch den Verkauf verdächtiger Pferde
vor Verlusten zu schützen, und die Zahl der kleinen Pferdehändler,
welche sich kein Gewissen daraus machen, die Fortschaffung verdächtiger
oder voraussichtlich inficirter Pferde in jeder Weise zu unterstützen,
Digitized by Google
Rotz - Wurmkrankheit.
81
ist in den östlichen Provinzen gar nicht unbedeutend, dieser Handel
wirft einen bedeutenden Gewinn ab.
4. Die Rotzkrankheit ist in einer verhältnissmässig
grossen Anzahl von Fällen bei Pferden constatirt
worden, welche hausirenden Handelsleuten oder Hand¬
werkern, herumziehenden Künstlern oder Zigeuner¬
banden gehörten.
Es liegt auf der Hand, dass diese Pferde viel zur Verbreitung
der Rotzkrankheit haben beitragen können. Dieselben machen die in
dem statistischen Material häufig wiederkehrende Behauptung erklär¬
lich, dass die Infection der Pferde auf Reisen oder unterweges erfolgt sein
müsse; denn es war nicht nur häufig genug Gelegenheit zur unmittel¬
baren Berührung mit Pferden der Hausirer etc. geboten, sondern die
letzteren hinterliessen wohl auch Contagiura an den Krippen und
sonstigen Futtergeräthschaften der von ihnen benutzten Gastställe.
5. Die Rotzkrankheit ist öfter durch Pferde eingeschleppt
worden, die in anderen deutschen Staaten oder im
Auslande angekauft waren.
Von den rotzkrank befundenen Pferden stammten:
9 Pferde aus anderen deutschen Staaten, nämlich zwei aus Hamburg,
je eins aus Anhalt, Braunschweig, Bremen, Hessen, Lübeck,
Mecklenburg und Sachsen,
14 * aus Polen,
10 * „ Russland, dieselben waren bei Demobilmachung der
russischen Armee angekauft.
5 „ aus Oesterreich-Ungarn,
2 „ Belgien,
1 » * den Niederlanden,
1 3 Luxemburg.
42 Pferde.
Von den auf polizeiliche Anordnung getödteten Pferden erwiesen
sich bei der Section
106 Pferde = 5,50pCt.
nicht rotzkrank. Wir stellen dieselben, wie folgt, zusammen:
Arehlv f. wias. u. pract. Thierhellkunda. VH. Suppl.-HefL
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82 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Ortschaft
Kreis.
Reg.- bez.
Pferde
Pferde
nicht
Landdr. - Bezirk.
getödtet
rotzkrank.
Cumehnen.
Fischhausen.
Königsberg.
11
1
Kapkeim.
Heilsberg.
n
2
1
Sensen .
Königsberg.
n
3
1
Spittelkrug.
n
n
1
1
Truchsen.
Rössel.
35
1
Kl. Ottern.
n
3
1
Ozonken .
Angerburg.
Gumbinnen.
6
4
Szitkehmen.
Goldap.
n
3
i
Loetzen .
Loetzen.
2
2
Ranten.
n
4
2
Bailau.
Sensburg.
n
2
2
Willpischken.
Stallupönen.
n
7
3
Neu Petzin.
Flatow.
Marienwerder.
4
1
Alt Friedland ....
Ober-Barnim.
Potsdam.
1
1
Wittstock.
Ost-Priegnitz.
n
15
5
Wittenberge.
West-Priegnitz.
n
9
6
Leeskow .
Lübben.
Frankfurt.
1
1
Tützpatz.
Demmin.
Stettin.
12
2
Gr. Poplow.
Belgard.
Köslin.
1
1
Köslin.
Köslin.
18
1
2
Konarzewo.
Kröben.
Posen.
1
Gramsdorf .
Obornik.
n
1
1
Baranowo .
Schildberg.
ft
6
2
Eichberg .
Bromberg.
Bromberg.
6
2
Karlhof .
w
n
9
2
Slupowo .
n
«
3
1
Jelitowo .
Gnesen.
n
9
2
Nakel .
Wirsitz.
ft
1
1
Friedrichhof .
Wongrowiec.
n
23
12
Schokken .
n
ft
19
6
Pötschkendorf ....
Lüben.
Liegnitz.
1
1
Neudorf .
Kreutzburg.
Oppeln.
27
4
Kalinowitz .
Gr. Strehlitz.
w
32
16
Leubingen .
Eckartsberga.
Merseburg.
8
3
Eisleben .
Mansfeld Seekreis.
w
1
1
Körbisdorf .
Querfurt.
«
1
1
Kracklund .
Flensburg.
Schleswig.
1
1
Celle .
Celle.
Lüneburg.
1
1
Barum .
Uelzen.
ft
1
1
Geestendorf .
Lehe.
Stade.
2
1
Welschennest.
Olpe.
Arnsberg.
1
1
Wiesbaden.
Wiesbaden.
Wiesbaden.
1
1
Elberfeld.
Elberfeld.
Düsseldorf.
3
1
Lauperath.
Prüm.
Trier.
2
1
Dudweiler \
Louisenthal / * s
Saarbrücken.
f%
6
3
Summa ..
306
106
ln Nelepp, Kr. Schievelbein, Reg.-Bez. Köslin, starb ein Pferde¬
knecht in Folge von Rotzinfection; derselbe hatte Nachts unter
den bei einem rotzigen Pferde benutzten Decken geschlafen.
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Rotz - Wurmkrankheit.
83
An Entschädigungen für auf polizeiliche Anordnung
getödtete Pferde sind von den Provinzial- und Kommunal-
Verbänden die in nachstehender Tabelle genannten Summen, denen
wir zur Vergleichung die entsprechenden des Jahres 1878/79 beigefugt
haben, gezahlt worden.
Berichtsjahr
1878/79.
Mark. Pf.
Berichtsjahr
1879/80.
Mark. Pf.
1 .
Provinz Ostpreussen.
16077
15
32975
22
2 .
„ Westpreussen .
45656
83
33029
94
3.
„ Brandenburg ausschliesslich Berlin....
46808
72
42768
99
4.
Berlin .
7350
85
9737
89
5.
Provinz Pommern .
23198
43
36041
39
6 .
„ Posen .
59927
50
60687
50
7.
„ Schlesien.
37183
28
61951
27
8 .
„ Sachsen.
18702
69
18032
23
9.
„ Schleswig-Holstein.
571
67
1072
50
10 .
„ Hannover .
9934
49
10464
16
11 .
„ Westfalen.
2625
50
1604
25
12 .
Reg.-Bez. Kassel .
4156
38
4234
67
13.
„ Wiesbaden ausschliesslich Frankf. a.M.
1827
50
2540
—
14.
Frankfurt a. M.
4000
—
575
—
15.
Rheinprovinz.
19536
18
30847
83
16.
Hohenzollern’sche Lande ..
—
110
—
Summa ..
297557
TT
346672
*84
Die Gesammtsumme der Entschädigungen beträgt mithin
49,115 K&rk 67 Pfennig
in
Ostpreussen
16,898
Mk.
7 Pf.
Berlin
2,387
V
4
r>
n
Pommern
12,842
*
96
7>
„
Posen
760
—
»
V
Schlesien
24,767
»
99
n
Schleswig-Holstein
500
*>
83
»
»
Hannover
529
n
67
T>
im
Reg.-Eez. Kassel
78
»
29
T)
»
„ Wiesbaden 712
n
50
r>
in
Frankfurt a. M.
3,425
w
—
w
d. Rheinprovinz
11,311
65
n
r>
Hohenzollern
110
—
fi
mehr als im vorhergehenden Jahre.
Zur Deckung dieser Summen sind folgende Beiträge in den beiden
letzten Jahren erhoben worden.
6 *
Digitized by
Google
84 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Etatsjahr 1878/79.
Etatsjahr 1879/80.
Beitrag
für jedes
Pferd.
Pf.
Mark.
Pf.
Beitrag
für jedes
Pferd.
Pf.
Hark.
Pf.
1.
Provinz Ostpreussen .
20
67990
40
20
69260
20
2.
„ Westpreussen .
20
38254
—
40
77428
—
3.
„ Brandenburg * aus¬
schliesslich Berlin ...
15
33709
35
26
59130
76
4.
Berlin* .
50
12337
50
35
8983
10
5.
Provinz Pommern* .
20
36000 1
20
—
—
—
6.
„ Posen .
60
152684
60
40
77778
—
7.
„ Schlesien* .
16,598
42283
52
22,388
57388
39
8.
„ Sachsen *.
12
20026
24
12
20399
04
9.
„ Schleswig-Holstein** .
20 |
28946 1
80
—
—
—
10.
„ Hannover* .
7
13963
44
4
11807
85
11.
„ Westfalen* .
20
23483 1
—
20
23338
40
12.
Reg.-Bez. Kassel.
40
19125
20
20
9577
80
13.
„ Wiesbaden aus¬
schliesslich Frank¬
furt a. M.
30
4665
90
30
4729
20
14.
Frankfurt a. M.
62
2071
42
70
2380
70
15.
Rheinprovinz*.
40
53955
20
30
4100J
40
16.
Hohenzollern’sche Lande.
50
2834
1 50
50
2835
50
Die Entschädigungen, we
[che für auf polizeiliche Anordnung
ge-
tödtete Pferde in den einzelnen Provinzen aus der Staatskasse ge¬
zahlt wurden, betragen, wie die nachstehende Zusammenstellung zeigt,
18,897 Mark 66 Pfennig
mehr als im Jahre 1878/79.
Berichtsjahr
1878/79.
Mark. Pf.
Berichtsjahr
1879/80.
Mark. Pf.
l.
Provinz Ostpreussen .
9602
44
4746
34
2.
„ Westpreussen .
1064
—
440
—
3.
* Brandenburg ausschliesslich Berlin....
3042
91
6175
99
4.
Berlin ...
—
—
180
—
5.
Provinz Pommern .
3385
—
6457
—
6.
„ Posen.
5383
67
12981
66
7.
* Schlesien .
1925
50
10815
53
8.
w Sachsen .
521
33
2102
66
9.
* Schleswig-Holstein .
77
—
109
—
10.
„ Hannover .
2162
—
1190
—
11.
w Westfalen .
699
—
368
—
12.
Hessen-Nassau .
1000
—
2130
—
13.
Rheinprovinz .
2999
—
3063
33
14.
Hohenzollern’sche Lande .
—
—
—
—
Summa...
31861
85
50759
51
*) Die Angaben beziehen sich auf die Kalenderjahre 1878 und 1879.
**) Die Zahlen stellen das Soll der zu erhebenden Abgabe dar.
Digitized by Google
Schafpocken.
85
B. Die Soliaft)ooken.
Die Pockcnseuche erlangte während des 2. und 3. Quartals eine
bedeutende Verbreitung in den Provinzen Ostpreussen,
Westpreussen, Brandenburg, Pommern, Posen, im Reg.-
Bez. Magdeburg und im Landdrostei-Bez. Lüneburg, trat
auch an einzelnen Orten der Kreise Lauen bürg und Stormarn, Reg.-
Bez. Schleswig, sowie der Landdr.-Bez. Hannover, Hildesheim
und Stade auf. Wie in allen vorhergegangenen Jahren zeichnet sich
das Quartal Januar/März, in welchem Schutzimpfungen der
Lämmer nur sehr ausnahmsweise vorgenommen werden,
durch die geringe Zahl der Pockenausbrüche vor den übri¬
gen Monaten des Jahres auffallend aus.
Eine Erörterung der Frage: in welchem Verhältnisse vertheilten
sich die Ausbrüche der natürlichen Pocken auf Kreise, in denen die
Schutzimpfung der Lämmer gebräuchlicli ist oder nicht vorgenommen
wird, dürfte wohl geeignet sein, weiteres Material zur Begründung
der Thatsache zu liefern, dass die Schutzimpfung der Lämmer
die nächste und bei Weitem häufigste Ursache zu dem Auf¬
treten der natürlichen Pocken abgiebt. Zu diesem Zwecke
stellen wir die Ausbrüche der natürlichen Pocken während des 2. und
3. Quartals in den nachstehend genannten Reg.-Bez., wie folgt, zu¬
sammen:
1. Reg.-Bez. Königsberg. Verseucht waren 71 Schafheerden, davon 54 in
den 7 Kreisen, in denen die Schutzimpfung der Lämmer gebräuchlich ist, auch
die Ausbrüche in den Kreisen Braunsberg und Heiligenbeil werden auf die Vor¬
nahme der Schutzimpfungen in benachbarten Kreisen zurückgeführt.
2. Reg.-Bez. Gumbinnen, 3 Schafheerden in 2 Kreisen, in denen die
Schutzimpfung mehrfach ausgeführt wurde.
3. Reg.-Bez. Danzig. Die Schutzimpfung wird nicht vorgenommen;
das Auftreten der Pockenseuche beschränkte sich auf zusammen 5 Ortschaften
der Kreise Berent uud Preuss. Stargard. Die Ausbrüche im Kreise Berent sind
durch die Schutzimpfungen in benachbarten Theilen des Reg.-Bez. Koeslin be¬
dingt worden.
4. Reg.-Bez. Marienwerder, 444 Schalbestände litten an den Pocken,
davon 295 in den 4 Kreisen Könitz, Dt. Krone, Flatow, Schlochau, in denen die
Schutzimpfung üblich ist. Vom 1. Juli bis 31. December 1879 erkrankten im
Kreise Flatow allein 20742 Schafe, welche 385 Heerden in 50 Ortschaften ange¬
hörten. Die Ausbrüche in anderen Kreisen des Reg.-Bez. werden zum Theil auf
Einschleppungen aus benachbarten Kreisen des Reg.-Bez. Bromberg zurückgeführt,
zwei Ausbrüche wurden durch die Einfuhr von Schafen aus Polen bedingt.
Digitized by ^.ooQle
86 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten
Im
ersten Quartal.
Im zweiten Quartal.
Im
drit
u
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ö
o
w
Gehöfte.
o
05
c3
Gehöfte.
c
5
ct
Laufende Numm
Provinz.
Zahl der Kreise.
XX
C5
■•n
u,
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45
T3
XX
rf
N
Zahl der Gehöft
Natürliche
Pocken.
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3
Um
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3 C
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^ Gefallen.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft
Natürliche
Pocken.
a
3
P4
S
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3 C
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05
3
25
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Schf.
Zahl der Kreise.
XX
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Ui
O
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i
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Zahl der Gehöft
1.
Ostpreussen ...
4
10
12
5
7
50
6
65
68
21
47
31
11
26
62
2.
Westpreussen. .
4
12
21
21
—
235
10
141
265
258
7
1612
10
107
190
3.
Brandenburg ..
7
28
28
10
18
61
20
137
337
253
84
1132
21
125
211
4.
Pommern.
18
53
64
32
32
244
25
254
366
229
137
689
27
536
1060
5.
Posen.
4
8
8
8
—
73
15
233
317
309
8
1724
16
155
201
6.
Sachsen .
2
2
2
2
—
—
10
16
21
20
1
147
13
22
39
7.
Schleswig-Hol¬
stein .
1
8
65
65
45
2
8
68
8.
Hannover.
2
5
5
5
48
9
133
347
346
1
191
9
87
131
Summa ..
41
118
140
83
57
711
96
987
1786
1501
285
5571
109
1066
1962
Im Berichts¬
jahr 1878/79.
30
116
158
76
82
402
81
687
1156
820
336
2623
99
838
1495
Im Berichts¬
jahr 1879 SO
mehr .
11
2
_
7
_
' 309
15
300
^ 630
681
7
2948
10
22S
467
weniger .
-
—
18
—
25
—
—
—
—
—
51
—
—
—
—
Ausserdem sollen die ihr Gewerbe hausirend betreibenden Schafscheerer öfter die
Ausbreitung der Seuche vermittelt haben.
5. Reg.-Bez. Potsdam. Von den 249 an Pocken erkrankten Schafheerden
entfallen im Ganzen nur 3 auf die beiden Kreise Nieder-Barnim und Jüterbog-
Luckenwalde, in denen die Schutzimpfung der Lämmer nicht gebräuchlich ist.
Bei einzelnen Ausbrüchen wird Einschleppung aus Mecklenburg vermuthet, bei
anderen soll durch Treiben von Handelsschafen das Auftreten der Seuche ver¬
mittelt sein.
6. Reg.-Bez. Frankfurt. Im Ganzen waren verseucht 97 Schafbestände,
Digitized by Google
Schafpocken.
87
ten Quartal.
Im vierten Quartal.
Im Berichtsjahr.
Regierungs- bez.
Landdrostei - Bezirke,
in denen die Schaf-
Gehöfte.
Zahl der Ortschaften.
Zahl der Gehöfte.
Gehöfte.
ö
ä
Gehöfte.
Natürliche
Pocken.
•
q
Qk
S
S .
3 c
XX <v
C3 bc
in
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g- Gefallen.
1 Zahl der Kreise.
Natürliche
Pocken.
Schutzimpfun¬
gen.
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3
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Schf.
Zahl der Kreise.
X
o
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o
T5
ja
ei
CSJ
Natürliche
Pocken.
i
3
0
-G
o tx
CA
g. Gefallen.
pocken nicht vorge¬
kommen sind, nebst
Angabe der seuchen¬
frei gebliebenen
Quartale.
60
2
249
4
6
6
6
175
13
73
92
56
505
•
189
1
1798
3
3
3
3
—
46
10
254
471
8
3691
Danzig 1. 4. Quartal.
93
118
1413
1
1
1
1
—
2
23
243
357
220
2608
Potsdam 4. Quartal.
Berlin 1.2.3.4. Quart.
264
796
2251
5
5
10
10
—
29
27
948
535
965
3213
186
15
5953
3
4
4
4
—
17
17
320
507
23
7767
Posen 4. Quartal.
35
4
340
3
12
12
12
—
18
17
36
69
5
505
Merseburg 1.4. Quart.
Erfurt 1.2.3.4. Quart.
68
—
405
—
—
—
—
—-
—
2
14
133
—
450
Schleswig l. Quartal.
129
2
272
3
3
3
3
10
201
483
3
511
Hannover 1. 4. Quart.
Hildesheim 1.4.Quart.
Stade 1. Quartal.
Osnabrück 1.2.3.4. Q.
Aurich 1.2.3.4.Quart.
1024
938
12681
22
34
39
39
—
287
119
2089
2647
12S0
19250
851
644
12468
33
171
270
114
156
876
—
—
1861
1218
16369
173
294
213
786
62
2881
—
—
—
11
137
231
75
156
589
—
—
—
—
unter diesen 88 in den 7 Kreisen, in welchen die Schutzimpfung häufiger ausge¬
führt wird. Nächstdem gab der Ankauf von Handelsschafen aus Pommern und
Posen öfter Anlass zu Pockenausbrüchen. Viele der angekauften Schafe trugen
noch die frischen Narben abgeheilter Impfpocken an den Ohren.
7. B erlin. Ausbrüche der Pocken wurden zwar nicht beobachtet, jedoch gab
der Ankauf von Schafen auf dem Berliner Schlachtviehmarkt Anlass zu 12 Aus¬
brüchen der natürlichen Pocken in den Provinzen Brandenburg, Sachsen und
Hannover.
8. Reg.-Bez. Stettin. Nur die Kreise Ueckermünde und Usedom-Wolün
Digitized by Google
88 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
machen von der Schutzimpfung keinen Gebrauch, von denselben blieb Uecker¬
münde pockenfrei, dagegen brach die Seuche in 61 Beständen der Inseln Usedom-
Wollin aus. Dieselbe gewann in den übrigen Kreisen des Bezirkes eine grössere
Verbreitung, welche jedenfalls noch bedeutender gewesen sein muss, als das sta¬
tistische Material anzunehmen berechtigt. Denn — wie viele Berichterstatter an¬
führen — es unterbleibt gar nicht selten die Anzeige nicht nur der vorgenommenen
Schutzimpfungen, sondern auch von Ausbrüchen der natürlichen Pocken.
9. Reg.-Bez. Koeslin. Kein Kreis blieb frei von den Pocken, auf die
Kreise Bublitz und Koeslin, in welchen nur wenige Güter die Lämmer impfen
lassen, entfallen 32 Ausbrüche der natürlichen Pocken von 157, welche das sta¬
tistische Material anführt. Die Verbreitung der Pocken wurde mehrfach durch
Weideschafe und durch Schaffelle vermittelt.
10. Reg.-Bez. Stralsund. Die Schutzimpfung wird in allen ländlichen
Kreisen ausgeführt und zwar meist von den Schäfern, welche sich zu diesem
Zwecke ein pockenkrankes Lamm aus einem benachbarten Gute holen ohne Rück¬
sicht darauf, wie viele Orte und Feldmarken mit diesem kranken Thiere passirt
werden. Die Tabellen berichten über den Ausbruch der natürlichen Pocken in
25 Heerden und erwähnen, dass die Impfpocken in einem Falle erst nach Ablauf
von 24 Tagen das Stadium der Reife erlangten.
In allen 3 Regierungsbezirken der Provinz Pommern ist die Uebertragung
der geimpften Pocken von Lämmern der Gutsheerden auf Schafe bäuerlicher Be¬
sitzer der Nachbarschaft häufig beobachtet worden.
11. Reg.-Bez. Posen. Von 108 Ausbrüchen der natürlichen Pocken ent¬
fallen 67 auf diejenigen Kreise, in denen die Schutzimpfung gebräuchlich ist. Die
Verlust© waren zum Theil recht bedeutend, für den Kreis Obornik werden 1300,
für den Landkreis Posen 625, für den Kreis Wreschen über 1000 an den Pocken
gestorbene Schafe angegeben.
12. Reg.-Bez. Bromberg. Obgleich auch in diesem Bezirk die zahlreich¬
sten Ausbrüche in den Kreisen mit Schutzimpfung beobachtet wurden, erlangten
die Pocken auch im Kreise Czarnikau, in welchem die Schutzimpfung wenig ge¬
bräuchlich ist, eine bedeutende Verbreitung. Kreis-Thierarzt Kiefer berichtet:
Kreis Czarnikau besitzt etwa 70000 Schafe, von denselben erkrankten während
der letzten 5 Monate des Jahres 1879 16532, welche zusammen 79 Besitzern ge¬
holten. Der Verlust betrug 1269 Schafe = 7,70 pCt. Die Nothimpfung wurde
bei 13608 Schafen vorgenommen, darunter mit etwa 2 pCt. Verlust bei 1055 Scha¬
fen auf Anordnung der Behörde, 2924 Schafe seuchten ohne Impfung durch. Im
Kreise Wongrowiec starben 2613 Schafe an den Pocken.
13. Die Provinz Schlesien blieb während des ganzen Jahres frei von der
Pockenseuche.
14. Reg.-Bez. Magdeburg. Von 20 Ausbrüchen entfällt 1 auf den Kreis
Wernigerode, in welchem die Schutzimpfung nicht üblich ist.
15. Das Auftreten der Pocken im Reg.-Bez. Merseburg ist hauptsächlich
durch Handelsschafe, durch Berührung mit Schafen, welche auf dem Berliner
Viehmarkt angekauft und, ohne selbst zu erkranken, Träger des Coutagiums wa¬
ren, durch Schäfer, welche in verseuchten Ställen verkehrt hatten oder durch Be¬
rührung mit verseuchten Schafen der Nachbarschaft vermittelt worden. In einem
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Schafpocken.
89
Falle soll die Uebertragung von einer weidenden Heerde auf eine andere erfolgt
sein, obgleich die Weideterrains durch die Saale von einander getrennt waren.
16. Der Reg.-Bez. Erfurt blieb frei von der Pockenseuche.
17. Die Einschleppung der Schafpocken in einige Ortschaften der Kreise
Lauenburg und Stormarn, Reg.-Bez. Schleswig soll mittelbar oder unmittelbar
aus benachbarten Theilen der Provinz Hannover erfolgt sein.
18. Die Schafpocken erlangten in allen Kreisen desLanddr.-Bez. Lüneburg,
mit Ausnahme von Celle und Gifhorn, eine sehr bedeutende Verbreitung, die
stärkste im Kreise Uelzen. Ein solches Herrschen der Pocken ist seit langen Jah¬
ren nicht beobachtet worden. Die Ursachen des häufigen — fast ununter¬
brochenen — Vorkommens der Schafpocken im Landr.-Bez. bez. des
bedeutenden Umfangs, welchen die Seuche im 2. und 3. Quartal
des Berichtsjahres erlangte, sind nicht aufgeklärt worden. Die Seuche
würde nach der Ansicht des Departements-Thierarztes Jordan keine so bedeu¬
tende Verbreitung gewonnen haben, wenn der Verkehr mit Schafen in der Um¬
gegend verseuchter Ortschaften schärfer beschränkt, namentlich aber alle Schaf¬
märkte und die von Händlern häufig abgehaltenen Schafauctionen, welche am
häufigsten die Ausbreitung der Seuche vermittelten, untersagt worden wären.
Fast durchweg wurde die Nothimpfung — häufig auf polizeiliche Anordnung —
und in vielen Fällen die Praecautionsimpfung ausgeführt. Die Verluste betrugen
bei zeitiger Nothimpfung bez. bei Praecautionsimpfung 2—6, im Uebrigen bis
18 pCt. der verseuchten Bestände.
Die wenigen Ausbrüche der Schafpocken in den Landdr.-Bez. Hannover
und Stade sind durch Handelsschafe, welche meist aus dem Lüneburgischen
stammten, veranlasst worden. Aus dem Landdr.-Bez. Hildesheim wird nur über
einige Schutzimpfungen im Kreise Liebenberg berichtet. Die Landdr.-Bez. Osna¬
brück und Aurich blieben pockenfrei.
Die verhältnissmässig selteneren Ausbrüche der Pocken während
des 1. Quartals kamen auch fast durchweg in Kreisen, in denen die
Schutzimpfung der Lämmer ausgeführt wird, während des 4. Quartals
dagegen fast durchweg in der Nachbarschaft solcher Ortschaften vor,
in denen die Pocken während des vorhergegangenen Quartals ge¬
herrscht hatten.
In den Provinzen Westfalen, Hessen-Nassau, der Rhein¬
provinz und in den Hohenzollern’schen Landen sind im Berichts¬
jahr keine Erkrankungen an Schafpocken beobachtet worden.
Die Verluste durch die Schafpocken sind jedenfalls sehr viel be¬
deutender gewesen, als die Zahlen der Tabelle betreffend die an den
Pocken gefallenen Schafe anzunehmen berechtigen. Denn die beamteten
Thierärzte befinden sich meist nicht in der Lage, genauere Angaben
über die Höhe der Verluste zu machen und müssen sich häufig darauf
beschränken, die Zahl der bis zur amtlichen Constatirung der Krank¬
heit gestorbenen Schafe anzuführen.
Digitized by C^ooQle
90 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Die Tabellen enthalten nur sehr dürftige Mittheilungen über die
Ausführung von Nothimpfungen und deren Resultate. Von Interesse
sind einige Bemerkungen über die lange Zeit andauernde Wir¬
kungsfähigkeit des Pockeneontagiums in durchgeseuchten
Heerden bcz. in inficirt gewesenen Ställen.
In Wörtz, Kr. Könitz, Reg. - Bez. Marienwerder erkrankten
30 Schafe, nachdem sie während des Monates März in einen während
des vorhergegangenen Herbstes verseucht gewesenen Stall aufgenommen
worden waren. Kr.-Thierarzt Stoehr in Schlochau theilt einen ähn¬
lichen Fall mit, in welchem sich das Pockencontagium von Septem¬
ber 1878 bis Mai 1879 in einem Stalle wirkungsfähig erhielt. Am
31. December 1878 wurde das Erlöschen der Pocken in Häge, Kr.
Regenwalde, Reg.-Bez. Stettin, constatirt, 52 am 19. März 1879 in
denselben Stall eingeführte Schafe erkrankten an den Pocken. In
Reinholdsfelde, Kr. Schlawe, Reg. - Bez. Köslin, erkrankten Schafe,
welche 5 Monate nach Erlöschen der Seuche in den betreffenden
Stall kamen.
In einem Gehöfte des Kreises Kulm, Reg.-Bez. Marienwerder,
erkrankten Lämmer, welche 5 Monate mit durchgeseuchten Schafen
zusammen gestanden hatten, als Stroh, welches während Herrschens
der Seuche über dem Stalle gelegen hatte, zur Verfütterung gelangte.
6. Die Beschälseuche der Pferde und der Beschälaus¬
schlag der Pferde und des Rindviehs.
Ueber das Vorkommen der Beschälseuche wird aus den Kreisen
Militsch, Reg.-Bez. Breslau und Oppeln, Reg.-Bez. Oppeln, Folgen¬
des berichtet.
„In Neudorf, Kr. Militsch, erkrankten 2 Stuten an der Beschälseuche. Die erste
Besichtigung fand am 11. Juni 1879 statt. Eine etwa 20 Jahr alte Stute erschien
trotz guten Appetites sehr abgemagert und struppig im Haar, aus der Scheide
floss eine schleimige Flüssigkeit, welche zu Krusten eingetrocknet die benach¬
barten Theile besudelte. Auf der gerötheten Scheidenschleimhaut fanden sich in
grosser Zahl mit einem weisslichen Exsudat bedeckte und mit aufgeworfenen Rän¬
dern versehene Geschwürchen. Der Rücken, die Bauch- und zum Theil auch die
Brustwandungen waren mit knotigen Lymphgefässanschwellungen und vielen
wurmartigen Geschwüren bedeckt. Eine weitere Besichtigung des auf Veran¬
lassung des Besitzers getödteten Pferdes hat nicht stattgefunden. Eine zweite
wohlgenährte und fortdauernd zur Feldarbeit benutzte Stute erkrankte unter ähn¬
lichen, jedoch weniger auffälligen Erscheinungen, welche sich der Hauptsache
nach auf eine geringe Geschwürsbildnng an der Scheidonschleimhaut und auf
Digitized by Google
Beschälausschlag der Pferde und des Rindviehs.
91
einen weisslichen klebrigen Ausfluss aus der Scheide beschränkten und in 6 Wo¬
chen verschwanden. Beide Stuten sollen durch einen Hengst im Kreise Kroeben,
Reg.-Bez. Posen, inficirt worden sein, welcher ohne weitere Mittheilungen in den
Tabellen als an der Beschälseuche erkrankt aufgeführt wird“.
„In Rogau, Kreis Oppeln, erkrankte ein Hengst. Hodensack und Schlauch
waren etwas geschwollen, an beiden Lenden, etwa bis zum Hüftgelenk hinauf,
fanden sich in grösserer Zahl flache Hautanschwellungen bis zur Grösse eines
50Pfennigstückes und etwas darüber. Geschlechtliche Aufregung, öfteres Aus¬
schachten und Schwäche im Hintertheil wurden nicht beobachtet. Der Hengst
hat stets schwer gearbeitet, sich im Futterzustande erheblich gebessert und ist
genesen, die Hautanschwellungen bestanden nach Ablauf von 2 Monaten noch fort,
hatten sich im Centrum etwas erhoben, und zeigten daselbst kahle Stellen. Nach
Angabe des Besitzers ist der Hengst niemals zum Decken benutzt worden“.
Diese Beschreibung der beiden Fälle berechtigt zu der Annahme,
dass ein Irrthum in der Diagnose vorliegt, und dass die ge¬
nannten 3 Pferde nicht mit der Beschälseuche behaftet waren.
Der Beschälausschlag ist bei Pferden nur selten beobachtet
worden und erlangte auch unter dem Rindvieh nirgends eine erheb¬
liche Verbreitung. Die Krankheit soll unter den Kühen der Westerwald¬
gegend, Reg.-Bez. Wiesbaden, öfter Vorkommen, von den Besitzern
jedoch nicht beachtet werden.
Die Krankheit verlief durchweg sehr milde, nur der Bericht¬
erstatter für den Kreis Wetzlar will beobachtet haben, dass die flachen
Geschwüre nicht auf die Scheide und Scham bei Kühen beschränkt
blieben, sondern sich mitunter bis auf die Haut des Milchspiegels und
des Sprunggelenkes verbreiteten.
Zu Bemerkungen von veterinair-polizeilichem Interesse hat der
Beschälausschlag der Pferde und des Rindviehs keine Veranlassung
gegeben.
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92 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten
Im ersten Quartal.
Im zweiten Quartal.
Im dritten
iZ
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1
erkrankt.
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erkrankt.
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Laufende Nuram
Provinz.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft<
Pferde.
St. Rindvieh.
Zahl der Kreise.
Ja
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Zahl der Gehöft*
Pferde.
St. Rindvieh.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft
1.
Ostpreussen....
—
_
—
—
—
—
—
—
—
—
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—
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2.
Wcstpreussen ..
2
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3
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1
1
2
—
2
—
—
1
3,
Brandenburg...
2
4
7
—
7
2
1 2
45
—
84
1
1
1
4.
Pommern.
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
5.
Posen .
—
—-
—
—
—
1
1
1
1
—
—
—
—
6.
Schlesien.
3
7
8
7
6
4
4
12
4
12
—
—
—
7.
Sachsen .
2
4
15
—
21
3
4
25
— !
29
1
1
1
8.
Schleswig-Holstein
5
10
17
29
3
5
10
39
J
.
_
9.
Hannover.
1
1
1
20
2
2
5
9
10.
Westfalen.
4
4
11
1
11
1
4
4
4
—
—
—
11.
Hessen - Nassau.
3
5
32
42
9
2
14
21
1
3
13
12.
Rheinprovinz...
5
8
33
| 40
1
2
4
8
13.
Hohenzollern-
sche Lande ...
Summa ..
TT]
130
i 11
191
20
27
I 122
9
204
T
5
15
Im Berichts¬
jahr 1878 79.
31
56
2 2f>
21
306
16
1 24
1 in
_
199
9
17
272
Im Berichts¬
jahr 1879/80
mehr .
4
3
11
9
5
weniger .
4
7
96
10
115
—
—
—
—
—
6
12
257
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Beschälausschlag der Pferde und des Rindviehs.
93
Im vierten Quartal.
Im Berichtsjahr.
Regierungs- bez. Land¬
drostei-Bezirke, in denen der
Beschälausschlag der Pferde
d
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Zahl der Gehöfte.
erkrankt.
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8
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erkrankt.
Pferde.
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Zahl der Kreise.
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Pferde.
St. Rindvieh.
Zahl der Kreise.
ä
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VI
c
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ja
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ESJ
Pferde.
St. Rindvieh.
und des Rindviehs nicht vor¬
gekommen ist, nebst Angabe
der seuchenfrei gebliebenen
Quartale.
—
—
1
1
1
—
3
1
1
—
3
Königsberg 1.2.3.4. Quartal.
Gumbinnen l. 2. 3. Quartal.
—
—
—
3
7
3
17
Danzig 2. 3. 4. Quartal.
Marienwerder 1. 3. 4. Quart.
—
2
1
1
1
—
1
5
7
—
94
Frankfurt 2. 3. 4. Quartal.
Berlin 1. 2. 3. 4. Quartal.
1
1
3
3
1
1
3
Stettin 1. 2. 3. Quartal.
Koeslin 1. 2. 3. 4. Quartal.
Stralsund 1. 2. 3. 4. Quartal.
—
1
1
1
Posen 1. 3. 4. Quartal.
Bromberg 1. 2. 3. 4. Quartal.
5
7
8
4
6
10
15
15
24
Breslau 3. Quartal.
Liegnitz 3. Quartal.
Oppeln 1. 3. Quartal.
4
3
5
80
107
6
12
161
Magdeburg 1. 4. Quartal.
Merseburg 3. Quartal.
Erfurt 1. 3. Quartal.
—
—
2
3
7
—
15
7
20
—
83
Schleswig 3. Quartal.
l
3
3
3
3
6
32
Hannover 1. 3. 4. Quartal.
Hildesheim 1. 3. 4. Quartal.
Lüneburg 1. 2. 3. Quartal.
Stade 2. 3. 4. Quartal.
Osnabrück 1. 2.3. 4. Quartal.
Aurich 1. 2. 3. 4. Quartal.
15
10
37
38
5
8
5
11
Münster 2. 3. 4. Quartal.
Minden 2. 3. Quartal.
Arnsberg 3. 4. Quartal.
—
5
—
5
19
—
116
Kassel 2. 3. Quartal.
7
10
48
Koblenz 2. 3. 4. Quartal.
Düsseldorf 1. 2.3.4. Quartal.
Koeln 1. 2. 3. 4. Quartal.
Trier 1. 2. 3. 4. Quartal.
Aachen 4. Quartal.
—
1
1
5
—
5
1
1
—
5
Sigmaringen 1. 2.3. Quartal.
21
20
i 32
| 145
7
178
55
108
27
594
2
443
20
1 33
124
9
181
—
—
32
1129
21
2
422
—
1
—
2
3
—
—
5
535
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94 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
7. Die Räude der Pferde und der Schafe.
Die Zahl der mit Räude behafteten Pferde ist im Berichtsjahre
viel grösser gewesen als 1878/79, gleichzeitig hat aber das Bestreben,
die Krankheit durch Tödtung der unheilbaren Pferde zu tilgen, erheb¬
lich zugenommen, von den 157 Pferden, welche die Tabellen als ge¬
fallen bez. getödtet anfuhren, wurden 51 auf polizeiliche Anordnung
beseitigt.
Auffallend ist die seit Sammlung des statistischen Materials
wiederholt und übereinstimmend gemachte Beobachtung, dass die Zahl
der räudekrank befundenen Pferde vom 1. bis 3. Quartal der Berichts¬
jahre erheblich abnimmt und dann im 4. Quartal wieder bedeutend
steigt.
Wie in allen vorhergehenden Berichtsjahren entfallen die bei
Weitem zahlreichsten Fälle der Räudeerkrankungen auf
die Provinzen Ostpreussen und Westpreussen. Wir stellen
dieselben, wie folgt, zusammen, indem wir gleichzeitig auf die Tabelle
S. 83 unseres dritten Jahresberichtes verweisen.
Regierungsbezirk.
1. Quartal.
2. Quartal.
3. Quartal.
4. Quartal.
Berichtsjahr.
1. Königsberg ...
2. Gumbinnen ...
3. Danzig .
Pf. pCt.
125=36,55
37=10,80
27= 8,00
47=13,75
Pf. pCt.
83=42,30
27=13,80
19= 9,70
25=12,70
Pf. pCt.
28=22,80
13=10,50
16=13,00
21 = 17,00
Pf. pCt.
163=33,30
57=11,60
22= 4,50
49=10,00
Pf. pCt.
399=34,66
134=11,64
84= 7,30
142=12,35
4. Marienwerder .
Summa ..
236=69,10
154=78,50
78=63,30
291=59,40
759=65,95
Die zahlreichsten Räudeerkrankungen im Reg.-Bez. Königsberg
kamen bei geringwerthigen zum Transport von Waaren oder Menschen
benutzten Pferden vor, jedoch trat die Räude mitunter auch unter den
Pferdebeständen grösserer Güter und kleiner Ackerwirthschaften auf.
In dem Gute Postnicken, Landkreis Königsberg, waren von 20 Pferden
16, in dem Gute Lichtenfelde, Kr. Eylau, sämmtliche 38, in Seligen-
felde sämmtliche 56 bei dem Festungsbau in Königsberg beschäftigten
Pferde mit der Räude behaftet. Die zahlreichsten Fälle wurden im
Uebrigen unter den Pferden der Kreise Braunsberg, Königsberg,
Gerdauen, Neidenburg, Orteisburg und Osterode beobachtet. Eine
nicht unerhebliche Anzahl von räudekranken Pferden war kurze Zeit
Digitized by Google
Räude der Pferde und der Schafe.
95
vorher angekauft worden oder wurde auf Märkten angetroffen. Die
Räude brach mehrfach von Neuem in früher verseucht gewesenen
Beständen aus.
Im Reg.-Bez. Gumbinnen blieben die Räudeerkrankungen, ab¬
gesehen von Abbau Bialla, Kr. Johannisburg, unter dessen Bestand
von 39 Pferden 21 räudekrank befunden wurden, meistens vereinzelt,
dieselben entfallen vorzugsweise auf die masurischen Kreise und auf
den Kreis Insterburg. Das Herrschen der Räude gelangte mehrfach
erst nach längeren Verheimlichungen zur Kenntniss der Behörden.
Vier räudekranke Pferde stammten aus Polen.
Von den Kreisen des Reg.-Bez. Danzig weisen Berent, Carthaus,
Neustadt und der Landkreis Danzig die meisten Erkrankungen an
Räude auf. In 6 mit zusammen 14 Pferden besetzten Gehöften von
Fersenau, Kr. Berent, waren 11 Pferde räudekrank.
Im Reg.-Bez. Marienwerder entfallen besonders zahlreiche
Räudeerkrankungen auf die Kreise Strassburg, Stuhm und Thorn.
Anlass zur Ermittelung der Fälle im Kreise Thorn gaben mehrere
auf Märkten und auf Landstrassen angetroffene räudekranke Pferde.
In Gallnau, Kr. Marienwerder, waren von 20 Pferden 10 mit der
Räude behaftet. Drei räudige Pferde des Kreises Graudenz starben in
Folge Anwendung einer Einreibung, welche aus 15 Pfund Fischthran,
1 Pfund Arsenik und 2 Pfund Euphorbium zusammengesetzt war.
Die oben bei dem Reg.-Bez. Königsberg vorgetragenen Bemerkun¬
gen über das Auftreten der Räude unter neuangekauften Pferden, bez.
die Ermittelung der Krankheit auf Märkten und über den Wieder¬
ausbruch in alten Räudestationen gelten auch für die übrigen ost-
und westpreussischen Reg.-Bez. Mehrfach wurde eine Uebertragung
der Räude auf Menschen beobachtet.
Nächstdem sind Räudeerkrankungen am häufigsten in der Provinz
Posen beobachtet worden, nämlich 167 = 14,50 pCt., von denselben
entfallen zusammen 99 aut die Kreise Gnesen (36), Krotoschin (23),
Fraustadt (17), Bomst (13), und Wongrowiec (10).
In Pommern wurden zusammen 50 Räudefälle, davon die meisten
in den Kreisen Stolp (15), Schievelbein (11), Cammin (9), Schlawe (8)
und Naugard (7) beobachtet, die übrigen blieben vereinzelt; 14 Pferde
eines Gutes im Kreise Stolp starben in Folge einer Räudewäsche,
welche aus Arseniklösung mit Zusatz von Veratrin bestand.
In je einem Gehöfte des Kreises Bitterfeld, Reg.-Bez. Merseburg
wurden 5 und des Kreises Hildesheim 8 Pferde räudekrank befunden,
Digitized by t^ooQle
96 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Im ersten Quartal.
Im zweiten Quartal.
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c
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erkrankt.
gefallen
oder
getödtet
a
S
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erkrankt.
gefallen
oder
getödtet.
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Provinz.
Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft
Pferde.
Schafe.
Pferde.
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Zahl der Kreise.
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Zahl der Gehöft
Pferde.
Schafe.
Pferde.
Schafe.
1.
Ostpreussen ...
18
47
67
162
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9
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18
37
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110
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6
73
2.
Westpreussen. .
13
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—
2
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—
4.
Pommern.
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15
22
307
2
79
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7
S
5
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5.
Posen.
12
17
17
32
201
6
8
9
10
18
—
4
—
6.
Schlesien.
5
9
9
15
—
8
5
5
5
6
—
4
—
7.
Sachsen.
7
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16
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2
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4
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9
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—
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Schleswig-Hol¬
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8
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_
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9.
Hannover* ....
9
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—
13
10
18
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2916
—
11
10.
Westfalen.
4
5
5
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—
—
—
—
—
—
—
—
11.
Hessen-Nassau .
—
—
—
—
—
—
—
—
—:
—
—
—
—
—
12.
Rheinprovinz ..
4
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1
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13.
Hohenzollern-
sche Lande ..
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—
—
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Summa ..
92
213 1
415
342
18624
41
1 355
68
107
186
196
5916
22
402
Im Berichts¬
jahr 1878/79.
71
179
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jahr 1879/80
mehr .
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—
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—
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12
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11291
—
—
1 Darunter 3 Gemeindeheerden im Kreise Sangerhausen. — * Ganz allgemein ver-
8 Sehr verbreitet (ohne Angabe der Zahl) in den Kreisen Osterholz und Lehe
Regierungs- bez. Landdrosteibezirke, in denen die Räude der Pferde und Schafe
Potsdam 2. Qu. Frankfurt 3. Qu. Berlin 1. 2. Qu. Stettin 2. Qu. Stralsund 1-
Münster 2. 4. Qu. Minden 2. 4. Qu. Arnsberg 1. 3. Qu. Kassel. 1. 2. 3. 4. Qu.
4. Qu. Aachen 1. 2. 3. 4. Qu. Trier 3. Qu. Sigraaringen 1. 2. 3. 4. Qu.
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Räude der Pferde und der Schafe.
97
Im dritten Quartal.
Im vierten Quartal.
Im Berichtsjahr.
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—
143
—
—
42737
—
—
breitete Schafräude in den Kreisen Lin gen und Meppen, Landdr.-Bez. Osnabrück. —
Landdr.-Bez. Stade.
nicht beobachtet worden ist« nebit Angabe der teuchefrei gebliebenen Quartale.
2. 4. Qu. Liegnitz 3. Qu. Merseburg 3. Qu. Erfurt 1. 2. 3. 4. Qu. Aurich 3. 4. Qu.
Wiesbaden 1. 2. 3. 4. Qu. Koblenz 1. 2. 3. Qu. Düsseldorf 2. 3. 4. Qu. Köln 2. 3.
Archiv f. wies. u. pract Thierheilkundc. VII. 8uppl.*Heft.
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Ö8 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
in dem zuletzt genannten war die Räude auch auf die Wärter der
Pferde übergegangen. Von den 40 räudekranken Pferden der Provinz
Hannover entfällt die Hälfte auf den Kreis Fallingbostel, Landdr.-
Bez. Lüneburg. Die Reg.- bez. Landdr.-Bez. Erfurt, Stade, Aurich,
Arnsberg, Kassel, Wiesbaden, Düsseldorf, Aachen, Köln,
Sigmaringen blieben frei von der Pferderäude, in den übrigen oben
nicht erwähnten Bezirken trat die Räude nur bei einzelnen Pferden auf.
Das in Betreff der Schafräude vorliegende Material ist sehr
dürftig, rechtfertigt jedoch im Allgemeinen die Annahme, dass sich
in Betreff der Verbreitung dieser Krankheit wenig geändert hat.
Die Tabellen des Reg.-Bez. Schleswig zeigen, dass die Räude
fortdauernd herrscht, jedoch mit allem Nachdruck und auch mit Erfolg
bekämpft wird. Meistens sind die Neuausbrüche, welche nament¬
lich durch den Ankauf kranker Schafe, durch das Zusammentreffen von
Thieren verschiedenen Ursprungs auf Gemeindeweiden oder in den
sogenannten Wanderheerden bedingt wurden, bereits in demselben oder
doch in dem nächstfolgenden Quartal getilgt worden, und die Ab¬
schlachtung zahlreicher kleiner Bestände nach dem Constatiren der
Krankheit hat viel zur Unterdrückung der lästigen Seuche beigetragen.
Mehrfach ist die letztere aus der Provinz Hannover und einmal auch
aus Dänemark eingeschleppt worden.
Aus dem Landdr.-Bez. Hannover liegen nur Mittheilungen über
das Herrschen der Räude in einigen kleinen Heerden der Kreise Diep¬
holz und Nienburg vor. Die Berichterstatter erwähnen jedoch, dass
die Krankheit im ganzen Bezirk noch sehr verbreitet sei. Der
Departements-Thierarzt des Landdr.-Bez. Hildesheim wiederholt in
jedem Quartal, dass der Stand der Schafräude in den Kreisen Hildes¬
heim und Marienburg derselbe geblieben sei, er schätzt die Zahl der
räudekranken Schafe in 39 Ortschaften dieser Kreise auf gegen 13000;
die Anordnung der gesetzlichen Massregeln habe nur zur Folge gehabt,
dass die Schäfer sich grössere Mühe geben, die Krankheit durch
Schmierkuren niederzuhalten. Die Tilgungsmassregeln stossen auf das
hartnäckigste Widerstreben der Bevölkerung, namentlich aber der
Schäfer, welche die Krankheit selbst dann verheimlichen, wenn bei
den Besitzern der gute Wille zur Anzeige des Räudeausbruches vor¬
handen ist. Aus den Kreisen Göttingen und Liebenberg wird nur
über das Herrschen der Räude in einzelnen Heerden berichtet und
mitunter hinzugefügt, dass dasselbe lediglich bekannt geworden sei,
weil durch Krankheit oder Sorglosigkeit der Schäfer das Uebel in
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Räude der Pferde und der Schafe.
99
der Heerde überhand genommen habe. Dagegen soll die Verbreitung
der Räude im Landdr.-Bez. Lüneburg während der letzten Jahre
nicht unerheblich abgenommen haben. Hierfür spricht auch der Um¬
stand, dass die zahlreichen Untersuchungen von Schafheerden
behufs Feststellung der an sehr vielen Orten auftretenden
Pockenseuche in keinem Falle zur Entdeckung verheim¬
lichter Räudestationen geführt haben. Im Landdr.-Bez. Stade
ist es der angestrengten Thätigkeit der Behörden und beamteten
Thierärzte gelungen, die Verbreitung der Räude in dem Kreise Roten¬
burg und in einem Theil des Kreises Osterholz wesentlich zu be¬
schränken, dagegen herrscht die Krankheit noch unter zahlreichen
Schafheerden des Kreises Lehe, der grösseren Hälfte des Kreises
Osterholz und des Stader Geestkreises. Aus dem Landdrostei-Bez.
Osnabrück erfahren wir, dass nach wie vor fast alle Schafheerden
der Kreise Lingen und Meppen räudekrank sind, nur ganz ausnahms¬
weise gelingt es die Räude in 2 oder 3 Heerden dieser Kreise zu
tilgen, in denen dann die Krankheit meist nach kurzer Zwischenzeit
von Neuem ausbricht. Für das 1. und 2. Quartal wird über das
Vorkommen der Räude in einigen kleinen Beständen des Kreises
Emden, Landdrostei-Bez. Au rieh, berichtet; dasselbe war durch Con-
statirung der Krankheit an Schafen auf dem Markte zu Emden bekannt
geworden. Im Uebrigen wird, wie in den letzten Jahren, das Vor¬
kommen der Räude in Ostfriesland selten erwähnt.
Das statistische Material der Provinz Hessen - Nassau enthält
gar keine bestimmten Angaben über das Auftreten der Räude, sondern
der General-Referent für den Reg.-ßez. Kassel erwähnt mitunter nur
ganz beiläufig, dass sich die Verhältnisse der Räude Verbreitung in
keiner Weise geändert haben, d. h. dass die Krankheit noch in zahl¬
reichen Heerden herrscht, jedoch durch Schmierkuren niedergehalten
wird. Aus verschiedenen Andeutungen ist zu folgern, dass in dem
Reg.-Bez. Wiesbaden ganz ähnliche Verhältnisse vorliegen, nament¬
lich in den diesseits des Taunus belegenen Kreisen, in welche die
Räude stets von Neuem aus benachbarten hessischen Ortschaften ein¬
geschleppt wird.
Ganz ungemein dürftig sind die Mittheilungen über die Verbrei¬
tung der Schafräude in Westfalen. Die Berichterstatter geben zum
grossen Theil nur an, dass die Krankheit unter den Heerden, nament¬
lich bäuerlicher Besitzer, ganz allgemein verbreitet herrsche, und dass
Seuchengesetz und Instruction bei dem Gebrauch, sogenanntes Schmier-
7*
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100 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
vieh zu halten, nicht durchführbar sind. Der Berichterstatter für den
Kreis Coesfeld spricht seine Ansicht aus, das eine Tilgung der weit¬
verbreiteten Räude überhaupt nur dann einige Aussicht auf Erfolg
habe, wenn alle Heerden, in denen sich durch sogenannte Schmier¬
kuren behandelte Schafe vorfinden, gleichzeitig einer Radicalcur unter¬
worfen werden. Die wenigen Heerden, in denen der Ausbruch der
Räude constatirt wurde, sind meistens solche, welche Anlass zu
Streitigkeiten zwischen Verkäufern und Käufern gegeben hatten, oder
in denen ein sorgloser Schäfer die Krankheit überhand nehmen liess.
Die Berichte aus dem Reg.-Bez. Erfurt erwähnen die Schaf¬
räude gar nicht, obgleich dieselbe, nach einzelnen Andeutungen der
Tabellen zu schliessen, in vielen Schafbeständen herrschen muss.
Die Mittheilungen über das Herrschen der Schafräude in den
übrigen Provinzen lassen sich, wie folgt, kurz zusaramenfassen.
1. Ostpreussen. Die Räude herrschte in den Kreisen Heils¬
berg unter 1, Pr. Holland unter 1, Neidenburg unter 6, Orteisburg
unter 2, Angerburg unter 3 Heerden bäuerlicher Besitzer und in einer
Gutsheerde des Kreises Angerburg, in letzterer wurde dieselbe nach
dem Abschlachten des vierten Theils der Heerde getilgt. Ebenso
starben im Kreise Angerburg 73 Schafe nach Anwendung eines Arsenik¬
bades. Die Unterdrückung der Seuche gelang meistens in kurzer Zeit,
obwohl die Krankheit, namentlich im Kreise Neidenburg, bereits seit
längerer Zeit bestanden haben musste. In den Kreis Orteisburg wurde
die Krankheit durch Schafe der Dienstleute, in Pr. Holland durch in
Hannover, in Osterode und Heilsberg durch auf dem Markt in Hohen¬
stein angekaufte Schafe eingeschleppt. In einer Ortschaft des Kreises
Angerburg hatte die Räude schon einmal im Jahre 1876 geherrscht.
2. Westpreussen. Das statistische Material erwähnt das Vor¬
kommen der Schafräude in 1 Heerde des Kreises Carthaus — ohne
nähere Angaben — und in 6 Heerden des Kreises Schlochau, von
denen 2 durch in den Kreisen Buetow und Rummelsburg, Reg.-Bez.
Köslin angekaufte Schafe inficirt worden waren. Eine kleine Heerde
des Kreises Schlochau wurde sofort abgeschlachtet.
3. Brandenburg. Es ist das Herrschen der Schafräude
in je 2 Heerden der Kreise Ost- und Westhavelland und ausserdem
bekannt geworden, dass die Krankheit in die beiden Bestände des
Kreises West - Havelland durch Ankauf von Schafen eingeschleppt
wurde. Im Reg.-Bez. Frankfurt und in Berlin sind keine Fälle
von Schafräude beobachtet worden.
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Räude der Pferde und der Schafe.
101
4. Pommern. Der Reg.-Bez. Stralsund blieb während des
ganzen Jahres, der Reg.-Bez. Stettin während des 1. und 2. Quartals
frei von Schafräude, welche während des 3. und 4. Quartals in zu¬
sammen 3 kleinen Beständen der Kreise Greifenberg und Regenwalde
auftrat, jedoch bald getilgt wurde. Dagegen ist die Krankheit im
Reg.-Bez. Köslin häufiger vorgekommen, namentlich in einer grösse¬
ren Anzahl kleiner Bestände des Kreises Neu-Stettin, in 3 Heerden
des Kreises Belgard und 2 Heerden des Kreises Lauenburg. Am
Schlüsse des Berichtsjahres war die Räude in den Kreisen Belgard
und Lauenburg getilgt; dieselbe herrschte zu derselben Zeit noch in
ziemlich erheblichem Umfange unter den Gutsschafen zu Lupow, Kr.
Stolp, sie war daselbst erst nach iy 2 jährigem Bestehen constatirt
worden.
5. Posen. Im Reg.-Bez. Posen ist die Räude nur unter einer
kleinen Heerde des Kreises Kröben, im Reg.-Bez. Bromberg unter
6 kleinen Beständen des Kreises Inowraclaw und 2 Heerden bäuer¬
licher Besitzer des Kreises Mogilno beobachtet worden.
6. Schlesien. Es ist nur ein Räudeausbruch vorgekommen,
nämlich unter einer Heerde des Kreises Nimptsch, Reg.-Bez. Breslau.
Derselbe wurde angeblich dadurch bedingt, dass die Schafe sich in
einem Schuppen inficirten, in welchem kurz vorher aus Polen ein-
gkfuhrte Schafe gestanden hatten.
7. Sachsen. Die Räude trat in einzelnen kleinen Beständen
der Kreise Gardelegen, Jerichow I., Neuhaldensleben, Osterburg, Salz¬
wedel, Delitsch, Sangerhausen und Zeitz auf und wurde im Allgemeinen
bald getilgt. In eine Heerde des Kreises Zeitz wurde die Krankheit
durch in Hinterpommern angekaufte Schafe eingeschleppt. Dagegen
herrscht die Krankheit zum Theil seit längerer Zeit und, mit Aus¬
nahme des Mansfelder Gebirgskreises, auch noch am Schlüsse des
Berichtsjahres in einigen Gemeindeheerden der. Kreise Neuhaldens¬
leben, Salzwedel, Wanzleben und Sangerhausen.
8. In der Rheinprovinz wurde die Schafräude constatirt in
zusammen drei Heerden der Kreise Solingen, Reg.-Bez. Düsseldorf
— nähere Angaben fehlen — Bonn und Köln, Reg.-Bez. Köln —
Einschleppung aus Westfalen bez. aus Hessen.
Aus den Hohenzollernschen Landen wird über das Vor¬
kommen der Schafräude nicht berichtet.
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102 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
8. Die Tollwnth.
Die Zahl der wuthkranken Hunde ist in den ersten drei Quar¬
talen des Berichtsjahres fast genau dieselbe gewesen, hat jedoch
im vierten Quartal erheblich zugenommen. Diese Steigerung hat auch
zur Folge gehabt, dass die Gesammtzahl der wuthkranken Hunde
grösser gewesen ist, als im vorhergegangenen Jahre.
Die zahlreichsten Fälle sind in den Provinzen Ost-
preussen, Posen, Hannover und Westfalen beobachtet wor¬
den. Im Landdrostei-Bezirk Hannover blieb kein Kreis frei von der
Tollwuth, in den Reg.-Bez. Gumbinnen und Minden kamen keine
wuthkranken Hunde nur in je einem Kreise — Niederung bez. War-
burg — vor. In den Reg.-Bez. Gumbinnen, Posen und Bromberg
entfallen die meisten Wutherkrankungen auf die Grenzkreise, und es
wird demgemäss die begründete Vermuthung ausgesprochen, dass die
Infection nicht selten durch aus Polen übergelaufene wuthkranke Hunde,
von denen im Reg.-Bez. Gumbinnen eine grössere Anzahl umher¬
schweifend an getroffen und getödtet wurde, bewirkt worden ist.
Im Kreise Stuhm, Reg.-Bez. Marienwerder, wurde die Wuth-
krankheit bei einem Fuchse beobachtet, welcher sich an mehreren
Orten mit den Hunden gebissen hat.
Aus den im Allgemeinen spärlichen Mittheilungen des sta¬
tistischen Materials geht hervor, dass der Wuthkrankheit nach wie
vor ein geringeres veterinairpolizeiliches Interesse als den anderen an¬
steckenden Thierkrankheiten zugewendet wird, und dass die zur Unter¬
drückung der Wuthkrankheit erforderlichen Massregeln fortdauernd auf
den hartnäckigsten Widerstand der Hundebesitzer stossen. Nament¬
lich muss in letzterer Beziehung hervorgehoben werden, dass in vielen
Fällen diejenigen Hunde, welche nachweislich mit tollen oder
tollverdächtigen in die genauste Berührung gekommen bez.
ganz bestimmt von denselben gebissen worden sind, in jeder
Weise der Tödtung entzogen werden, und dass §. 111 der
Instruction nur sehr schwer durchführbar ist. Mehrfach ist es vor¬
gekommen, dass solche Hunde bei dem Eintreten der ersten Krank¬
heitserscheinungen entwichen sind, und deshalb eine sichere Constatirung
der Krankheit nicht erfolgen konnte. Die thierärztliche Feststellung
der Wuth bei evident erkrankten Hunden ist nicht selten unterblieben,
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Tollwuth.
103
und in mehreren Fällen berichten die Tabellen lediglich nach den
Bekanntmachungen der Kreisblätter.
Bei den herrenlos umherschweifenden und als verdächtig getödte-
ten Hunden, — von denen ein Theil aus Polen, Böhmen bez. aus der
bayerischen Pfalz über die Grenze gelaufen war — ist zu einem
erheblichen Theil gar keine Section vorgenommen worden. Diejenigen
Hunde, welche von den beamteten Thierärzten nach den Sections-
ergebnissen nur als wuthverdächtig bezeichnet wurden, sind in unsere
Tabelle nicht aufgenommen worden, wobei nicht ausgeschlossen bleibt,
dass in einzelnen Fällen auch in Betreff der in der General-Tabelle
angeführten Hunde berechtigte Zweifel an der Richtigkeit der Dia¬
gnose geltend zn machen sind.
Die Zahl der nach § 111 der Instruction getödteten Hunde ist
jedenfalls sehr viel bedeutender gewesen, als unsere General-Tabelle
angiebt. Denn sehr häufig wird berichtet, dass sämmtliche von tollen
Hunden gebissene Hunde getödtet worden sind, ohne dass die Zahl
solcher Hunde speciell angeführt ist.
Die Infection der tollkranken Rinder, Schafe und Schweine ist
meistens durch den Biss wuthkranker Hirtenhunde vermittelt worden.
In Elberfeld, Reg.-Bez. Düsseldorf, erkrankten z. B. während des
ersten Quartals in der Zeit vom 19. bis 26. Juni 6 Stück Rindvieh,
welche eben so vielen Besitzern angehörten und vom 1.—4. Juni auf
gemeinschaftlicher Weide von dem Hunde des Hirten gebissen wor¬
den waren.
Von sicher beobachteten Incubationsfristen führt das statisti¬
sche Material an:
bei Hunden: dreimal 10 und 18, zweimal 20, einmal 11, 14, 21, 22, 26, 42,
44, 47, 54, 65, 83, 87, 94, 119 Tage,
bei Pferden: je einmal 21, 24, 42, 66 Tage,
bei dem Rindvieh: zweimal 42 Tage, einmal 13, 14, 21, 22, 23, 25, 26, 28,
30, 34, 41, 49, 52, 71, 72, 90, 154, 161, 168, 289 Tage, 35 Wochen,
5 Monate,
bei Schafen: zweimal 66 Tage,
bei Schweinen: 8, 15, 20, 23, 27, 31 Tage.
Die unverhältnissmässig langen Incubationszeiten von 163 Tagen
bez. 5 Monaten wurden beim Rindvieh in zwei Beständen beobachtet,
welche auch im Quartale vorher Thiere an der Tollwuth verloren
hatten. Im Kreise Pr. Stargard, Reg.-Bez. Danzig, soll eine Kuh
schon 8 Tage nach dem Biss des tollen Hundes an der Wuth gefallen
sein, dagegen bei einer in Neu Stettin, Reg.-Bez. Köslin, gefallenen
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Laufende Nummer.
104 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten,
Provinz.
Im ersten Quartal.
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vorgekommeii, nebst Angabe der seacbefrei gebliebenen Qsartale.
Erfurt 1. 2. 3. 4. Qu. Schleswig 1. 2. 4. Qu. Hildesheim 2. Qu. Lüneburg 1. 2. Qu*
1. 2. 3. 4. Qu. Aachen 1. 2. 4. Qu. Sigmaringen 1. 2. 3. 4. Qu.
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106 Jahresbericht über die Verbreitung der ansteckenden Thierkrankheiten.
Kuh die Incubation über ein Jahr gedauert haben. In Pohlschildern,
Kreis Liegnitz, starben im Berichtsjahr 1878/79 36 Schafe derselben
Heerde an der Wuth und im 2. Quartal des Berichtsjahres noch ein
Schaf, bei welchem die Dauer der Incubation auf 14 Monate be¬
rechnet wird.
Ueber das Vorkommen der Wasserscheu bei den Menschen
enthält das statistische Material folgende Mittheilungen:
Im 1. Quartal:
In Boguszyn, Kr. Pieschen, Reg.-Bez. Posen, starb ein Mensch,
in Holtzen, Kr. Dortmund, Reg.-Bez. Arnsberg, ein Knabe an der
Wasserscheu. Letzterer war am 28. März gebissen, die ersten Krank¬
heitserscheinungen traten am 21. April ein, die Incubation hat mithin
24 Tage gedauert.
Im 3. Quartal wird über das Erkranken von 6 Menschen be¬
richtet:
1. Altena, Kreis Altena, Reg.-Bez. Arnsberg, 1 Mensch. Incubation 28 Tage.
2. Oberhausen, Kreis Mülheim, Reg.-Bez. Düsseldorf, 1 Mann, gebissen am 23 Septem¬
ber, erkrankt am 21. November, nach 40 Tagen.
3. Elz, Oberlahnkrcis, Reg.-Bez. Wiesbaden, 1 Mädchen, gebissen am 30. August,
erkrankt am 9. October, nach 40 Tagen.
4. Ahlbach, Oberlahnkreis, Reg.-Bez. Wiesbaden, 1 Mann, gebissen am 23. Juni,
erkrankt am 16. August, nach 54 Tagen.
5. * * Reg.-Bez. Wiesbaden, 1 Mädchen, gebissen am 30.
August, erkrankt am 1. November, nach 62 Tagen.
6. Offheim, Oberlahnkreis. Reg.-Bez. Wiesbaden, 1 Frau, gebissen am 26. August,
erkrankt am 17. Octobcr, nach 52 Tagen.
Die Menschen 3, 5, 6 wurden von demselben Hunde gebissen.
9. Die Rinderpest.
Preussen ist während des Berichtsjahres -frei von der
Rinderpest geblieben.
Die Gefahr einer Einschleppung dieser Seuche war in der Zeit
vom 12. September bis Ende November 1879 sehr nahe gerückt durch
den Ausbruch der Rinderpest in dem polnischen Grenzkreise Bendzin,
Gouvernement Petrikau, in welchem die Seuche in 18 zum Theil sehr
nahe der Grenze der preussischen Kreise Beuthen und Tarnowitz,
Reg.-Bez. Oppeln, gelegenen Ortschaften eine weite Verbreitung erlangte.
Von den Ukrainer Ochsen, welche die Einschleppung vermittelten,
sind erweislich 5 auf dem Markte in Siewierz durch preussische
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Rinderpest.
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107
Fleischer behufs Einschmuggelung angekauft worden. Einer dieser
Ochsen zeigte sich auf dem Wege zur Grenze in Tonkowice krank
und wurde geschlachtet, das Fleisch des Ochsen soll in Säcken nach
Preussen eingeschwärzt worden sein, ein später gesund befundener
Ochse wurde von den Grenzbeamten beschlagen, und die anderen drei
Ochsen sind wahrscheinlich sofort nach ihrer Ankunft in Preussen
geschlachtet worden. Von den Seuchenorten in Polen ist Tonkowice
2 und Ossy nur ein Kilometer von der preussischen Grenze entfernt.
Der Verlust der verseuchten 18 polnischen Ortschaften betrug
1087 Stück Rindvieh = 21,75 pCt. des in denselben ursprünglich
vorhandenen Bestandes. Es ist von Interesse, dass in den polni¬
schen Ortschaften Schafe nicht erkrankt sind, trotzdem
die günstigsten Verhältnisse für die Uebertragung der
Rinderpest auf Schafe vielfach gegeben waren.
Wenn trotz dieses bedrohlichen Ausbruchs die preussische Grenze
nicht von der Seuche überschritten wurde, so ist dieser glückliche
Zufall nicht nur allein den sorgfältigen von den diesseitigen Behörden
ergriffenen Vorsichtsmassregeln zuzuschreiben, sondern es muss ander¬
seitig auch anerkannt werden, dass die russischen Behörden eine
strenge Sperre der verseuchten Ortschaften aufrecht erhielten und die
Tilgung der Rinderpest mit grosser Energie durchführten.
Gedruckt bei L. 8chumaoher in Berlin.
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Fi ff. 6.
Arrhn? / j ju t/ fiei f je HrJ / ff
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