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e | in 2014
Archiv
skandinavischer Beiträge
zur
Naturgeschichte.
Herausgegeben
von
Christian Friedrich Hornschuch,
Professor zu Greifswald.
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Eirster Theil, z,
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4
Mit vier Stöindrucktafeln. „«’
Greifswald.
Verlagvon(. n Koch
1845.
Hei ranibsun fe
Herrn Baron
JACOB VON BERZELIUN,
seinem langjährigen Freunde und Gönner,
als
ein geringes Zeichen innigster Verehrung
gewidmet
vom
Verfasser.
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VvVoerwort.
Nur wenige Worte will ich dem ersten Bande die-
ser Zeitschrift zur Verständigung dessen, was mich
zur Herausgabe derselben veranlasst hat, hinzufügen,
denn rechtfertigen kann und muss das Unternehmen
sich nur allein selbst.
Seit Linne sich so grossen Ruf erworben, dass
dieser sich über sein Vaterland selbst mit verbreitete,
sind die Naturwissenschaften stets mit besonderer
Vorliebe und rüstiger Thätigkeit in Schweden studirt,
von der Regierung kräftigst unterstützt, ihre Pfleger
aber von König und Volk geehrt worden. Die Folge
hiervon ist, dass vielleicht in keinem anderen Lande
naturwissenschaftliche Kenntnisse so allgemein ver-
breitet sind, als in Schweden; auch werden wenige
Länder verhältnissmässig so viele tüchtige Gelehrte
— ‚unter denen seit längerer Zeit wieder ein Stern
erster Grösse leuchtet, dessen Strahlen, wie die sei-
nes dahin geschiedenen, grossen Vorgängers, in die
weite F'erne glänzen — in den Fächern der Natur-
wissenschaften besitzen. Die Beschränktheit der Geld-
vI
\
mittel des Landes gestattete indessen nicht die Aus-
sendung grosser Expeditionen in ferne Länder und
eben so wenig die Einrichtung kostbarer Institute und
die Naturproducte aller Länder umfassende Samm-
lungen. Man musste sich vielmehr mit dem Einhei-
mischen begnügen und diesem wandte sich daher
vorzugsweise der Geist, die Liebe und der Eifer der
Forscher zu. In Folge hiervon finden in der Lan-
dessprache geschriebene und die einheimischen Na-
turproducte behandelnde Werke, einen, im Vergleich
mit Deutschland, in Erstaunen setzenden Absatz, wo-
durch wieder die Herausgabe solcher Werke ausser-
ordentlich befördert und der Eifer der Forscher an-
gespornt wird. Dadurch ist es dahin gekommen, dass
man mit Grund behaupten darf: kein Volk kennt die
Naturproducte seines Landes besser, als die Schwe-
den. Aber auch Dänemark und Norwegen, wo, wie
in Schweden, die Naturwissenschaften sich königli-
cher Beschützer erfreuen, ja, wo im ersteren Lande
den Thron gegenwärtig ein König ziert, der in einem
specielleren Fache selbst ein gründlicher Naturfor-
scher ist, müssen in Beziehung auf eifrige Pflege
und gründliches Studium der Naturwissenschaften mit
Auszeichnung genannt werden.
Es kann daher nicht auffallen, dass in Skandi-
navien alljährlich eine bedeutende Zahl grösserer und
kleinerer, werthvoller und gründlicher, naturhistori-
scher Schriften erscheinen; mehr dürfte diess der
Fall sein, dass die meisten derselben und selbst die
vii
Verhandlungen der Akademie in Stockholm und der
Königl. Gesellschaft der Wissenschaften in. Kopen-
hagen, so wie der anderen gelehrten Gesellschaften
in der Landessprache geschrieben sind. Allein der
patriotische Skandinavier beabsichtigt vor Allem die
Früchte seiner Beobachtungen und Studien für sein
Volk nützlich zu machen. Deshalb bestimmen die
Statuten der meisten gelehrten Vereine ausdrücklich
die Herausgabe ihrer Verhandlungen in der Landes-
sprache, und dann finden sie bei der so allgemeinen
Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse , wie
schon bemerkt, einen grösseren Absatz im Inlande,
als sie, in einer anderen Sprache geschrieben, im
Auslande erwarten dürften. Hieraus entsteht nun aber
freilich der Nachtheil, dass diese Schriften, in Folge
der wenig verbreiteten Kenntniss der skandinavischen
Sprachen, im Auslande nur wenig und manche gar
nicht bekannt werden.
Seit meinem Hiersein habe ich mich deshalb
bestrebt meine Landsleute mit den Leistungen der
skandinavischen Naturforscher, wenigstens theilweise,
bekannt zu machen, aber für vollständig übertragene,
grössere Abhandlungen fehlte es bisher an einem Or-
gane zur Aufnahme und Mittheilung derselben. Die-
ser Mangel erzeugte in mir den Entschluss mir selbst
ein solches zu schaffen und diesem verdankt diess
Archiv sein Entstehen. Da mir aber meine Zeit nicht
erlaubt alle Uebersetzungen selbst zu machen, so sah
ich mich nach Mitarbeitern um und hatte die Freude,
vıll
meine Freunde, die Herren Beilschmied, Creplin
und Dotzauer bereit zu finden meinen Wünschen
zu entsprechen. Endlich in Herrn Koch einen be-
reitwilligen, uneigennützigen Verleger findend, schritt
ich, der guten Sache und meiner reinen Absicht ver-
trauend, rasch zur Ausführung. Dieser schnellen Aus-
führung und dem ungewöhnlich langen, alle Commu-
nication unterbrechenden, Winter bitte ich die noch
mangelhafte Lösung meines gegebenen Versprechens
zuzuschreiben; deckt der Absatz die Kosten des Drucks,
wovon die Fortsetzung abhängt, so werde ich mich be-
streben mein Versprechen immer vollständiger zu lösen.
So ist denn binnen nicht ganzer Jahresfrist der
vorliegende Band erschienen, der hinreichen wird ein
Urtheil über das Unternehmen fällen zu können, das
von mir, meinen Herren Mitarbeitern und Verleger
ohne alle Rücksicht auf Gewinn, einzig und allein in
der Absicht unseren Landsleuten und der Wissenschaft
einen Dienst zu leisten, freudig begonnen worden ist.
Möchte es eine freundliche, ihm auch einen freu-
digen Fortgang sichernde, Aufnahme finden!
Greifswald im August 1845.
Hlornschuch.:
ininnt des ersten Theiles.
Allgemeines.
Rede bei Eröffnung der ersten allgemeinen Versammlung der
Gesellschaft skandinavischer Naturforscher in Stockholm,
am 13. Julius 1842; vom Freiherrn von Berzelius ..
Auszug aus Lund’s Reise durch die Nordlande und West-Fin-
marken im Sommer 1841 . . ur . . i
Boheman’s Bericht über seine Reise in Lapplaili im Jahre 1843
Wahlberg’s Bericht über seine Reise im südlichen Afrika
vom Junius 1843 bis zum December 1844 .
Zoologie; Anatomie.
Ueber das Vorkommen der Biber in Norrland von Sundevall.
Ueber Scomber Thynnus und Brama Raji, an Schwedens Küsten
gefunden; von Demselben
Ueber die Meeresfauna Norwegens; aus einem Briefe des Frei-
‚ hernvw.Düben ... FREE
Ueber Turteltauben- bei Quickjock i in Lnleh- er von
Wahlberg . ...
Ueber Mus minutus; von Sundevall.
Beiträge zur Naturgeschichte des Härings; von Ekström
Bericht von Sundevall und Boheman überLöwenhjelm’s
Abhandlung über die Wirbelthiere in Lulea Lappmark
Ueber Myodes schisticolor n. sp. und Sorex pygmaeus Pall. in
Skandinavien, von Sundevall und Loven
Ueber schwedische Arten von Sorex und Hypudaeus; aus Brie-
fen von Nilsson .
Bericht vonBoheman und Sundevall üben Stönham mars
Versuch einer Gruppirung u. Revision der schwedischen
Eiphydrinae 0 .V nem b5 7 u
Seite.
134
135
144
145
147
*
4
Ueber Schädel von Avaren, Czechen und Polen; von A. Retzius
Ueber nordische Meer-Mollusken; von Loven . . . Er
Bericht von A. Retzius über Sundevall, Beschreibung der
Vogeltlügel‘. : . RE ETIENNIRER ERBUN E
Bericht von Sundevall und Boheman über Loven, Bei-
träge zur Kenntniss der schwedischen Trilobiten . . . .
Ueber neue Zweiflügler von Norrbotten und Lulea -Lappmark;
von Wahlberg . Km." . VASE
Aeusserung van der Hoeven’s in Hinsicht auf Retzius’s
AbhandInng über die Schädel der Nordbewohner . . ..
Ueber Tetrao hyhridus lagopoides Nilss. von Sundevall ...
Bemerkungen von Sundevall hinsichtlich eines Verzeichnisses
von Säugethieren, Vögeln und Amphibien aus der Gegend
von Upsala; von Mesch . 2... 202 2 000. :
Ueber Insecten, gesammelt in Lulea-, Jockmock- und Quick-
jock-Lappmark; von Boheman . ....
Ueber Heuschreckenzüge in Schweden; von Demselben ..
Mittheilungen aus einem Briefe des Freiherrn von Düben über
die Meerfauna Norwegens . . .». . 2 222.00
Beschreibung des Chaetoderma nitidulum n. g. acsp. aus der
Classe der Echinodermen; von Loven . .....
Ueber die skandinavischen Hasen; von Nilsson u. Sundevall
Ueber Aphis Tanaceticola. Kaltenb. nd einen rothen Farbestoff
in derselben; von Wahlberg . . . ...
Ueber Insecten, in Ameisenhaufen gefunden, von Boheman .
Ueber die von J. Wahlberg aus Südafrika eingesendeten Samm-
lungen; von Sundevall .-.... .-...:.:.7..2390%
Ueber Motacilla Yarrelli; von Demselben . . ...%
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna, gesammelt
im nördlichsten Skandinavien vom 24. Juni 1841 bis zum
26. Juli 18425; vom Malm . 1.7.0... 00 wem)
Ueber Hämozoen des Hechts; von Berg etc. . . .».....»
Ueber den Zug der Kraniche und die Namen Grus, Numenius
und Graculus; von Sundevall . . 2. 2 2 2...
Ueber Sylvia sueeica; von Demselben . .. 2...
Ueber Auer-, Birk- und Pfauhennen und weibliche Enten mit
männlichem Gefieder , so wie über Bastarde von Auer-,
Birk- und Schnee - Hühnern ; von Nilsson
149
151
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311
313
397
*
xı
Ueber die Bildung der Hemisphären u. d. Markbogens des Ge-
hirns; von A. Retzius. . . x...
Beschreibung der Alepas squalicola, n. sp., von Loven .
Bericht von Demselben und Sundevall über eine Abhand-
lung des Freih. v. Düben und des Dr.s Koren, enthaltend
eine kritische Uebersicht der Echinodermen an den skandi-
navischen Westküsten
Bericht von Retzius und Loven über Sundevall’s Abhand-
lung, betitelt: Methodische Uebersicht der wiederkäuenden
haare Na ee et
Ueber Amphipogon, eine neue Zweiflüglergattung; von Wahl-
Berg a ee
Bericht von Loven und Sundevall über eine Abhandlung des
Freih. v. Düben und des Dr. Koren über das Hautskelett
der Holothurien - .: «ao,% se een
Bericht der ersteren Beiden über eine Abhandlung der letzteren
Beiden, enthaltend die Beschreibung von zwölf für die
skandinavische Fauna neuen Fischen . . . . ..
Ueber eine Larve von Cossus ligniperda,- welche im Magen
eines Schafes gelebt haben soll; von Grill. . .
Ueber eine Katze, welche junge Eichhörnchen säugte; von
Demselben
Botanik.
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre; von Fries
Ueber die Namen der Pflanzen; von Demselben
Ueber einige Pflanzenformen in Luleä-Lappmark; von Wahl-
a ee ee
Bericht von Wikström und Wahlberg über eine Abhandlung
a Beurling . ... . 2 20.0 in fi.
Beobachtungen an der Achlya prolifera von Areschoug .
Der Frühling, eine botanische Betrachtung; von Fries . .
Botanisch-antiquarischer Ausflug zu den Nymphaeaceen der
Griechen; von Demselben
Verwahrung gegen manche über einzelne schwedische Pflanzen
hier und da angenommene Ansichten; von Demselben
Briefliche Mittheilung über einige in Umeä cultivirte Pflanzen;
von Plagemann.
429
434
436
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446
449
222
247
313
| *
xl
Verzeichniss der Pflanzen, welche von Plagemann nnd Lin-
der 1843 in Umeä cultivirt worden sind .... ...
Das Vaterland der Gewächse; von Fries ..... 0.20,
Die schwedischen Weiden -Arten, nach ihrer natürlichen Ver-
wandtschaft geordnet, mit kritischen Bemerkungen; von
Demselben ua son. ts ar Ra au
Nachträgliches zu Salix pyrenaica # norvegica Fr. in diesem
Aufsatze; vom Uebersetzer . . 2 u m 0
Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L.; von
Trier eu N 2 ae a
Bestimmung der Divergenz von Blättern und Knospen; von
Silfy,er'sträkle ı 20. De a En
Ueber pompejanische Pflanzen; von Schouw . . . . .
Ueber den Einfluss der Witterung auf die Vegetation im Jahre
1841 "Won PTIEB.. .. 0,0. ee
“Geologie.
Ueber Geröll-Riefen; von Nordenskiöld.
315
319
344
461
375
382
391
454
176
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I.
ÖRede. bei Eröffnung der ersten allgemeinen Ver-
sammlung der Gesellschaft skandinavischer Naturfor-
scher in Stockholm, am 13. Juli 1842.
Vom
Freiherrn 3. von Berzelius.
Uebersetzt von Hornschuch*).
EDie Naturforscher Skandinaviens versammeln sich heute zum
Drittenmale unter der Aegide der Wissenschaften, zum gegen-
seitigen Austausche von neugewonnener Erfahrung oder von er-
weiterten Ansichten und zu gemeinsamen Bemühen mehr und
mehr zu entschleiern, was die Natur mit Sparsamkeit unseren
Forschungen überlässt.
Sein Sie willkommen, meine Herren, tausendmal willkom-
men, um mit vereinten Kräften nach diesem edlen und hohen
Zweck zu streben.
- Vjel ist, seit wir das Letztemal versammelt waren, ent-
deckt worden, was damals unbekannt war, dessen offne Mit-
theilung wird unsern gemeinsamen Vorrath an Kenntnissen be-
reichern, unsern Beifall den glücklichen Bemühungen der jün-
geren Naturforscher erwecken und unsere Hochachtung für die
fortgesetzten glücklichen Fortschritte der älteren’ steigern. Un-
sere dankbare Erkenntlichkeit ihrer Verdienste wird ihren Schei
tel mit neuen Lorbern umflechten.
Der Sinnspruch der Alten: Conjuncta valent, liegt unse-
*) Siehe: Förhandlingar vid de skandinaviske Naturforskarnes tredje
Möte, ti Stockholm 04 43 —19. Juli 1842. Stockholm. ale a;
hr
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2 Eröffnungsrede von Berzelius.
ren, nach bestimmten Zwischenräumen wiederkehrenden , Zu-
sammenkünften zum Grunde, und er wird, ich hoffe es, auch
durch uns bekräftigt werden. n
Die Natur rüstet die Menschen mit ungleichartigen Anla-
gen aus, welche im Frühling des Lebens von Erziehung und
Unterricht ungleich entwickelt werden. Zufällige Umstände ha-
ben Einfluss darauf, welche eine höhere Entwicklung bisweilen
hemmen, bisweilen fördern und ungleiche Richtungen für die
Anwendung der Naturanlagen bestimmen; dadurch werden wir
in ungleiche Entfernungen des ausgedehnten Feldes menschlichen
Vissens Hinaisaöhrt, wo wir bebauen jeder seinen Acker.
Die Früchte des Anhaues beruhen jedoch nicht nur auf der fleis-
sig angewendeten Mühe, sondern auch hauptsächlich auf der
Beurtheilung, womit sie angewendet wird. Unsere Bemühungen
werden zuweilen in eine falsche Richtung geleitet. Der auf sich
selbst beschränkte Forscher merkt da oft nicht,- dass er auf
einen Abweg gerathen, er kann sich weit darauf verirren und
die Gewohnheit auf der falschen Strasse geht leicht zu der
Ueberzeugung von ihrer Unfehlbarkeit über. Durch mündliche
Mittheilung von Ansichten und Erfahrungen zwischen mehreren,
welche auf demselben Weg arbeiten, durch das Untersuchen
dieser Ansichten von Männern mit Erfahrung in verschiedenen
Richtungen, wird die Aufmerksamkeit nach mehreren Seiten ge-
weckt, der einseitige Fehlweg verbaut, und, ohne dass man
selbst merkt wie, wird. man davon auf einen richtigeren Weg
geführt, und diess ist eine von den grossen Früchten der wis-
senschaftlichen Zusammenkünfte.
Eine andere Wirkung davon verdient nicht geringere Aul-
merksamkeit. Eine grosse Kraft ist nicht immer mit einer gleich
erossen Neigung sie anzuwenden gepaart. Man kann Kraft zu
Vielem haben, ohne dass man Sinn für Etwas hat. Diess ist
ein Spiel der Natur, welches durch ein kräftiges Wollen zu ord-
nen der Mensch nicht immer die Kraft besitzt. Der Sinn für
die Forschung ist eben so wohl eine Gabe der Natur, wie die
Kraft dazu. Man muss im Besitz Beider sein, und unter uns
bringen es die am weitesten, welche, was für Hindernisse die
Ereignisse auch in ihren Weg legen, von der Fortsetzung der
Bahn nicht ablassen können, auf welche sie der Trieb ihre
Kraft anzuwenden geleitet hat.
Zu dem Nationalcharacter des skandinavischen Volks ge-
hört eine allgemeiner verbreitete Anlage zum Naehdenken über
Gegenstände aus dem Bereich der Mathematik , Merkasik und
-
Eröffnungsrede von Berzelius. 3
zeigt sich ein gewisser Mangel an Eifer, eine Gleichgültigkeit,
welche bei dem geringsten Hinderniss, das sich dem Versuch
diese Naturanlage anzuwenden entgegenstellt, diese unangewen-
det lässt. Da findet man viel Sinn und Kraft Kemntnisse einzu-
sammeln und sich mit den Erfahrungen Anderer bekannt zu ma-
chen, welchen aber nicht eine Naturanforderung sie anzuwenden
und nützlich zu machen entspricht. Da einen solchen Sinn zu
wecken, eine schlunımernde Naturanlage lebendig und wirksam
zu machen, würde unerwartete Früchte hervorbringen. Eine
‚solche Erweckung kann unser Verein bewirken. Es ist ein rüh-
"menswerther Ehrgeiz mit Anderen in nützlicher Wirksamkeit
zu wetteifern ; dieser edle Trieb wird durch Beispiele geweckt,
und der Sinn, welchen der Gegenstand der Arbeit einsam nicht
zu erwecken vermochte, wird oft von der Begierde nicht hinter
Anderen zurückzubleiben entzündet und bisweilen zu dem
‘Bestreben sie zu übertreffen gesteigert. Auf diese Art
beleben unsere gegenseitigen Mittheilungen den schlummernden
Sinn zu wirksamer Forschung, und wir werden allmählig dahin
kommen, einen edlen Wettstreit in den Fortschritten auf dem
Felde der Natyurwissenschaften zu führen, während dass wir
aus Erfahrung von diesen Bemühungen einen wahren Fortschritt
erwarten, deshalb schenken wir ihnen eine vermehrte Huldigung.
Vergessen wir jedoch nicht, dass es die Erforschung der
Wahrheit ist, nicht die Huldigung für die Entdeckung dersel-
ben, welche unser Zweck ist. Derjenige, welcher die Ehre der
Entdeckung zum Zweck hat, sucht sie oft auf Abwegen, worauf
sie verfehlt wird oder bisweilen den Preis des Tages gewinnt,
welchen der morgende Tag wieder verweht. Die Leitung und
das Beispiel ausgezeichneter Vorgänger werden unseren wissen-
schaftlichen Bemühungen, ich bin dessen gewiss, eine wahre,
und zu unserem rechten Zweck führende Richtung geben. Wir
werden dadurch gewöhnt auszuweichen zu suchen was die Rö-
mer nannten: Nubem pro Junone amplecti.
Unsere Forschungen und Versuche sind Fragen, gestellt
an die Natur. Die Resultate, die wir erhalten, sind ihre Ant-
wort. Um eine sichere und deutliche Antwort zu erhalten, müs-
sen wir wohl zu fragen verstehen. Auf die unvollständige Frage
wird die Antwort meistens undeutlich. Aber oft erhalten wir
auf die am besten angestellten Fragen eine Antwort, welche
uns versteckt scheint, ähnlich einem Orakelspruch, die ausge-
deutet werden muss, um ihren Begriff zu erhalten. Aber so
verhält-es sich nicht. Die Natur antwortet niemals, gleich
dem Orakel der Alten, mit Räthseln. Ihre Sprache ist klar
1*
%
N
re
4 Eröffnungsrede von Berzelius.
und deutlich, aber wir verstehen nicht alle einzelnen Worte
darin, worauf doch ihr Begriff beruht. Diese nach Gutdünken
zu deuten, führt uns jederzeit irre. Wir müssen da ihre Spra-
che mehr lernen, unsere Arbeiten fortsetzen, bis ihre Antwort,
ohne Auslegung, verstanden wird. Diess heisst mit andern
Worten, dass wir zu jeder Zeit viel erfahren, welches wir da
noch nicht recht verstehen, welches aber, früher oder später,
durch neue Versuche und durch erweiterte Erfahrung, so klar
wird, dass es für alle offen liegt.
Es ist ein so natürliches Begehren, das meist Mögliche
verstehen zu wollen, und wir merken oft nicht wie wir, durch
Vermuthungen, die wir mit Wahrheiten verwechseln, den Man-
gel wirklicher Kenntniss ausfüllen und allmählig mehr und mehr
von dem Rechten abgeleitet werden. Es ist eine nothwendige
Eigenschaft eines wahren Naturforschers, bestimmt zu unterschei-
den zwischen dem was er weiss, als vollständig bewiesene Wahr-
heit, und was er kennt, als eine mehr oder mindere Vermu-
thung oder Hypothese. Vermischen wir Wahrheit mit Wahr-
scheinliehkeit, ohne eine Grenzlinie zwischen ihnen zu ziehen,
so können wir sicherlich eine scheinbar grosse Kenntnissmasse
aufstellen, worin aber, oft genug, nur der geringere Theil wirk-
liche Wahrheit ist. ;
Wir halten gleichwohl nieht dafür die Hypothesen auszu-
schliessen, sie sind auf die Art Brücken zur Wahrheit, dass sie
veränderte und erneuerte Fragen an die Natur veranlassen; aber
wir müssen da, ohne vorgefasste Liebe zu unserer Hypothese,
genau auf die Antwort der Natur achten; denn wenn wir die
Fragen versäumen, oder nicht auf die Natur achten, werden die
Hypothesen Rutschbahnen für Fehlgriffe und Verirrungen. Lasst
uns deshalb, bei unseren Forschungen, diese Bahn mit äusser-
ster Vorsicht betreten, sie ist glatt, es ist leicht auf ihr fort-
zueilen, aber sie ist meistens undankbar und nicht zur Wahr-
heit leitend. Der Weg zu dieser ist mühselig, aber er siebt
am Ziele der Mühe vollen Lohn. Unser Zeitalter liebt die Hy-
pothesen, mehrere Naturforscher folgen ihrer lockenden und
leichten Bahn und streuen, mit funkelndem Geiste, verführende
Wahrscheinlichkeiten aus, welche der Junge, noch nicht durch
traurigen Rückzug von eignen Irrfarthen gewarnte, Sinn, als
'Wirklichkeiten auffängt und sich dadurch bald in eine Masse
von Wahrscheinlichkeiten verwebt befindet, von welchen er sich
überzeugt hält, dass sie etwas mehr als blosse Aehnlichkeiten
mit der Wahrheit sind, sogar wo ihnen auch diese Aehnlichkeit
mangelt. Hat diess erst einmal stattgefunden, so erfordert es
“
®
Eröffnungsrede von Berzelius. 5
lange Mühe und beharrlichen Kampf um die wirkliche Wahr-
heit geltend zu machen.
Fasst deshalb diese Beschaffenheit des Zeitgeistes mit
einem prüfenden und durchschauenden Blick auf, um nicht selbst
von Irrlichtern geblendet zu werden. Die, welche auf festem
Grunde stehen und immer suchen darauf fortzugehen, kommen
meistens nicht geschwind, aber sicher , zu ihrem Zweck.
Auf den Jcarus- Schwingen der Hypothesen durchfährt man
die Räume leicht; aber die Sonne schmelzt früher oder später
das Wachs der Schwingen. Die Sage vom Jcarus ist auch für
die Pfleger der Wissenschaft gemacht worden. Lasst uns sie
..
nicht vergessen. Fr
Möge gründliche Prüfung einen Hauptzug von den gemein-
samen Arbeiten ausmachen, die wir heute begonnen haben.
12.
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
Von .
Dr. Elias Fries.
Uebersetzt von Dr, F. C. H. Creplin *).
Einleitung.
Un unseren langen kalten Winterabenden erfreut es uns recht
oft, wenn wir nach des Tages Arbeit uns entweder an der alten
Griechen Seite in die hellenische Vorzeit zurück versetzen, oder
mit den Vätern der Botanik die fröhlichen Jugendjahre dieser
Wissenschaft in Brunfels’s, Tragus’s und Fuchsius’s,
auch noch Clusius’s Tagen (diesem treuen Urbilde der ersten
Lehrjahre eines jeden Botanikers), in welchen sie unter täglı
chen neuen Entdeckungen, still und fröhlich, aber doch ernst,
im Schoosse der Natur spielte oder richtiger, wenn wir es wagen
dürfen, so zu sprechen, in welchen die junge Wissenschaft noch
als Säugling lag an der Mutterbrust, noch einmal wieder durch-
leben. Bei den Ersteren bewundern wir vor Allem ihr grossar-
tiges Streben, das Weltall als ein Ganzes aufzufassen, ohne,
wie es in unseren Tagen geschieht, es erst zu zersplittern, um
es sodann wieder zusammenzuflicken, ihre kühnen, obgleich miss-
geglückten Versuche, in freien Phantasien die Schöpfung umzu-
schaffen oder aus ihrem eignen Innern die Natur zu entwickeln,
welches eben so vergeblich ist, als die Bemühungen einer spä-
tern Zeit, sie aus sich selbst heraus zu erklären Desswegen
blieb die ganze ältere Naturforschung, im allgemeinen betrach-
tet, mit ihrer tiefen Analyse der Seelenkräfte, mit allen ihren
edlen Anstrengungen, ein wissenschaftliches Heidenthum, ein
*) Aus El. Fries, Botaniska Uıflygter, Bd. I, S. 43 1
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 7
bezaubernder Schimmer auf der Oberfläche des Gegenstandes,
welcher bald verblich; schon in Hellas’s späteren Tagen wurde
er vom Sensualismus und Materialismus verdunkelt, welche sich
allezeit aufs Höchste geltend machen, wenn das ganze Volk
sich das Recht zu urtheilen anmasst in wissenschaftlichen Din-
sen. Dass die ältere griechische Naturkunde nicht aus ihrer
reinsten Urquelle floss, geht auch daraus hervor, dass sie wäh-
rend des langen Dunkels des Mittelalters kein helleres Licht
anzuzünden vermochte; jeder Funke aber der ewigen Wahrheit
erweckt eine Flamme, welche nicht erlischt. Die Wissenschaft
musste desswegen von neuem beginnen, von neuem zum Kinde
werden, um in die Mysterien der Natur wahrhaft einzudringen.
Diesen Schritt thaten die erwähnten, so genannten Väter der
Botanik im 16. Jahrhunderte, welche keine von den scholasti-
schen Gelehrten ihrer Zeit waren (denn diese haben fast immer
das Grosse in der Natur seiner Einfachheit wegen verachtet),
sondern unbemerkte deutsche Schullehrer, welche für das ewig
Jugendliche, die Blüthen im Menschenleben und auf dem Felde,
und inmitten desselben, lebten. Bei diesen Letztern entzückt
uns jener Muth zum Entsagen, jenes hingegebene Betrachten
des Göttlichen in der Natur, der Natur in ihrem Selbstwirken
oder, um mit Aristoteles zu reden, ‚der Pflanzenseele in ih-
rem stillen Schlummer.“ Auch ihre Beschreibungen, obzwar
unvollkommen im Vergleiche mit den technisch vollendeten,
aber nach dem Leisten zugeschnittenen Handwerksarbeiten un-
serer Zeit, liest man mit Vergnügen, wenn man Muth und Kraft
hat, sich in ihre Denkweise hinein zu versetzen; denn- sie er-
fassen gerade das Lebende, das dem Auge der Seele mehr, als
‚dem leiblichen Auge, Wahrnehmbare. Ohne alles System: sind
indessen ihre Werke etwas in’s Ganze gegossen*), obzwar in
rohe Formen ; denn sie sind die Früchte der rastlosen Forschung
eines ganzen Lebens. In unseren Tagen hökern wir jeden Fund
im Kleinen aus, verschwenden wir oft unsere besten Kräfte an
jene Flugschriften, welehe nur für den Tag gelesen werden oder
gar nicht, unsere Zeit mit dem Leihen und Uebersetzen aus
fremden Sprachen mehr, als dem Entlehnen aus der Sprache
der Natur.
Aber wie der Frühling unmerklich reift zum Sommer und
vergelbt zum Herbste, so verrannen auch diese Jugendtage der
x
*) Ihre Aufgabe war die Verbindung der einheimischen Vegetation
mit der .altgriechischeu Botanik. Mit Matthiolus war sie ge-
löst und diese Periode geschlossen.
) Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
Botanik, und es trat ein Mannesalter ein, in welchem man. fast
erröthete vor der kindlichen Unschuld der Wissenschaft, in wel-
chem jene passive Naturforschung nicht allein als zu mühsam,
sondern auch als zu einfach und ungekünstelt, erschien; in wel-
chem man lieber seine meistens durch der Väter Fleiss erwor-
benen materiellen Schätze (denn diese werden vererbt, aber nie
der Geist, welcher nur aus der lebenden Natur selbst einströmt *))
sammelte und berechnete und so viel, aber auch mit so weniger:
eigener Beschwerde, wie möglich, zu vermehren suchte — das
Zeitalter der botanischen Folianten in den Tagen der Bauhi-
nus, der Morisons und der Rajus; in welchem man ver-
meinte, man wäre der alten Lehrerin, Natur, über den Kopti
gewachsen, oder mit Anatomie und Experimentalphysiologie sie
zu zwingen suchte, in krampfhaften Zuckungen Antwort zu geben _
auf spitzfindigere Fragen. Indem aber kein lebendiger Geist die
Masse der gehäuften Materialien durchströmte, erstarrten ihre
einzelnen Theile von Winterkälte; die Arten selbst, das Erste
und Einfachste, fielen dahin, wie das Laub im Herbste; sogar
die anatomischen und physiologischen Entdeckungen wurden für
eine Gesichtstäuschung während der als Krisis der Wissenschaft
so merkwürdigen Tournefortischen Periode erklärt, während
deren jedoch die eigentliche innere Lebenskraft in neue Knospen
und Früchte austrieb (Ausbildung des Begriffs von Gattung,
Feststellung der Sexualitätstheorie), um in dem neuen Frühlinge
der Wissenschaft, dessen Verkündiger Linne war, herrlicher
auszuschlagen,
Ein neues, frisches Leben strömte jetzt in alle Adern
der Wissenschaft, nachdem die Forschung zur Natur, der le-
benden, zurückgekehrt war; das Specielle wurde in seinem
Werthe wiederhergestellt, oder richtiger, das Gleichgewicht
zwischen ihm und dem Generellen wurde festgestellt (denn wäh-
rend der ältesten Zeit war das Specielle, während der Tour-
nefortischen das Generelle, Alles); aber das Allerwichtigste
war, dass Linne zu der passiven Forschungsweise der Väter
zurückkehrte, welche, wenn die Rede vom Leben ist, allezeit
die höchste bleibt (die anatomisch - physiologische ist nur sup-
plementär und darf nie etwas Anderes werden, als eine. Erklä-
rung der auf rein biologischem Wege gefundenen Facta), wovon
*) Dies mag zur Antwort auf die so gewöhnliche Frage dienen, wenn
der Botaniker oft besuchte Gegenden durchwandert, ob in diesen
etwas Neues zu finden seyn möge. O nein, es giebt dort so viel
Altes zu lernen. Und das dauert so lange, als die Wissenschaft,
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 9
Linne’s herrliche Dissertationen, z. B. Somnus plantarum ,
Sponsalia plantarum, Horologium et Calendarium Florae,
Vernatio et Gemmae arborum u. s. m., stets als unvergessliche
Denkmäler da stehen werden — und durch welche es Linne
auch vergönnt ward, tiefe, prophetische Blicke in des Pflanzen-
lebens und der Pflanzenlehre Zukunft ( Prolepsis plantarum)
zu werfen*).. Dagegen nahm Linne nur historische Notizen
*) Gerade, während wir Dies niederschrieben, fiel uns die 52%ste Num-
mer der Berliner Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik v. J.
4841 in die Hände, wo es in einer naturphilosophischen Recension
heisst: „Als Goethe mit den Werken Linne’s bekannt
wurde, strebte er gleich, zu vereinen, was dieser aus
einander hielt und sonderte.‘“* Schon diese ersten Worte
der Einleitung enthalten mehres Irrige. Für’s Erste können Lin-
ne’s System und Goethe’s Morphologie in gar keine Verglei-
chung gebrächt werden, da sie ganz verschiedene Aufgaben zu lösen
haben, Für’s Zweite vermied Linne auch nicht das Suchen nach
der Idee-, welche die Mannichfaltiskeit zur Einheit verknüpfte und
welche gerade in seiner Prolepsis plantarum aufgefunden ward.
Für’s Dritte ist es bekannt, dass Goethe’s morphologische
Studien gerade durch das Lesen der Linneischen Schrift erweckt
wurden und Goethe’s Bemühen dahin ging, dasjenige, was Linne
ideell aufgefasst hatte, melır materiell darzustellen. Desshalb ge-
schah es, dass, nach des Rec. Angabe, Goethe der Ansicht hul-
digte, dass „alle Pflanzengestalten aus einer Urgestalt
entwickelt werden könnten „... was seither ganz
willkührlich geschehen war. Immer schwebte ihm
die Urpflanze vor, in der festen ÜUeberzeugung, dass
es eine solchePflanze geben müsste,denn woransollte
man sonst erkennen, dass dies oder jenes Gebilde
eine Pflanze wäre? Nach einem Muster müssten doch
alle gebildet seyn.“ ( Diese Urpflanze ist wohl am ehesten
in der Urzeit zu suchen, und wenn ihr Vegetiren längst vergangen
ist, so müssen wir uns mit dem Auffassen des Gegenwärtigen wohl
begnügen,) So fasste, das wird zugegeben, Linne die Einheit
nicht auf! Da die yerschiedenen Provinzen des Pflanzenreichs oft
schärfer gesondert sind, als das Pflanzen- und Thierreich, wäre
da wohl Grund dazu gewesen, ein Urmuster für beide zusammen
aufzusuchen? — und nimmt man für jede Reihe der”organichen
Naturerzeugnisse eines an, so kann wohl auch eines für die ver-
schiedenen Hauptreihen des Pflanzenreiches angenommen werden,
„Er entdeckte, dass der wahre Proteus im Organ des
Blatis verborgen liege.“ Nein, das halte Linne voraus-
gesehen. „Er hatte den Grundbegriff der Metamor-
phose gefunden.“ Hätte der Vf. hier Lizne, und nicht
Goethe, gemeint, so würde dies richtig seyn. Aber der Rec.
übersieht ganz den wesentlichen Unterschied zwischen Linne’s
und Goethe’s Morphologie. Linne leitete sie aus der suc-
cessiven Entwickelung ab, dass, wie die Blätter eine höhere
Ausbildung vom folgenden Jahre aus dem schon im vorhergegangenen
Jahre im Samenkorn ausgebildeten Herzblättern, so die Blumen -
und Carpellarblätter eine Prolepsis der Blätter der folgenden Jahre
wären; nach Goethe beruht sie auf einer wechselsweise über-
10 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
von den wichtigen anatomischen Entdeckungen seiner Vorgänger
(Malpighi und Grew) auf und befasste sich gar nicht mit
der näher liegenden, aber gekünsteltern und mannichfaltigern
Experimental - Physiologie, welche jetzt gewöhnlich einzig und
allein als solche betrachtet seyn will und unter unaufhörlichem
Wechsel von Meinungen *) alle höheren Fragen der Wissenschaft
zu lösen sucht. Nach der Dinge ewigem Kreislaufe ist nämlich
die Wissenschaft nach Linne sowohl gereift, als gealtert, so
dass sie kaum mehr alle ihre Glieder zu tragen vermag; Herba-
rienstudien verdrängen das Forschen auf dem Felde, die anato-
misch-mechanische Physiologie verdrängt die mehrversprechende
Biologie, die Analyse die Synthese, so dass Mancher in dem
reichlichen Niederschlage (oder wie es nach der heutigen Sprech-
weise heisst, dem rastlosen Fortschreiten) der Litteratur schon
die Winterkälte zu fühlen glaubt und mit dem Verfasser dieser
Zeilen voll Verlangen einem neuen Linneanischen Frühlinge.
einer kommenden Verjüngung der Wissenschaft, welche in le-
bensfrischeren Formen die reiche, obgleich etwas bunte Erfah-
mm 1 nn
wiegenden CGontraction und Expansion. Es ist hier nicht
der Ort, in eine detaillirte Entwicklung dieses interessanten Ge-
genstandes einzugehen. Was a.a. ©. schliesslich über Naturfor-
schung gesagt wird, zeigt, dass der Vf. keinen geringern Begriff
von deren Streben hat, als die Naturforscher gewöhnlich von dem
der Naturphilosophie haben. Die letzt genannte geht von der
Philosophie auf die Natur aus, die Naturforfcher gehen von der
Natur aus zur Pbilosophie; sie mussten sich demnach begegnen ;
bei welchen von ihnen das „Grundühel“ liege, dürfte nicht so
ausgemacht seyn, wie es der Rec. annimmt. Bis auf weiter wäre
es wohl am besten, wenn beide sich ohne Uebermuth beurtheilten.
Auch die meisten Naturforscher dürften einen mehr versprechenden
Frühling durchlebt haben, in welchem sie durch die Schöpfungen
menschlicher Geisteskraft entzückt wurden ; aber oft in ihren Er-
wartungen getäuscht, suchen sie lieber die einzelneu Wahrheiten
der Natur zusammen zu buchstabiren, ohne desshalb jedoch den
höhern Flug der Ersteren weder zu übersehen, noch zu verdammen.
*) So z. B. hat die Befruchtungstheorie bei den Pflanzen während der
letzten 25 Jahre oder von Schelver bis zum heutigen Tage die
ganze Reihe der Meinungen durchlaufen, welche sämmtlich auf
sichere Experimente gegründet waren; alle haben grosses Aufsehen
erregt, indem sie die Sache abmachten, und mit ihnen wurde das
Pollen aus Nichts in seiner Bedeutung zu Allem; aber wissen wir
desshalb jetzt mehr Sicheres, als früher, darüber, obgleich wir eine
Menge materialistischer Erklärungen erhalten haben? Lernen wir
nicht weit mehr aus den biologischen Beobachtungen am Verhalten
der Bastardgewächse? Der neueste Aufsatz von Bernhardi, in der
Flora v. J. 1841, führt (S. 26, 27,) die Sache ungefähr auf den-
selben Standpunct, wie bei Aristoteles, zurück, welchem doch das
magische Wort Polarität unbekannt war.
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 11
rung vorangegangener Zeitalter wiedergebe, entgegensehen dürfte.
Zu diesem Ziele leiten aber weder das Häufen neuer Details,
noeh das Ausjäten derjenigen, welche schon alle Zweige der
Wissenschaft niederdrücken, noch weniger der Ausspruch des
Verwerfungsurtheils über die Theile und Richtungen, welche
nicht die unsrigen sind; sondern Derjenige, welcher eine solche
vorbereiten will, muss zuerst mit Archimedes einen festen,
aber einfachen Stützpunkt ausserhalb oder richtiger oberhalb der
gegenwärtigen Wissenschaft suchen und mit Linn € ihn finden.
Wir haben in einer andern Abhandlung*) dies näher entwickelt
und bemerken desswegen hier bloss, dass wir für unsern eige-
nen Theil wünschen würden, dass die Ideen vom Auffassen des
Typischen (oder Centralen), vom Unterschiede zwischen der
Analogie und der Affinität der Naturerzeugnisse, dem biologi
schen Bestimmen der Arten u. s. w. Knospen wären, welche in
einem neuen Frühlinge zur reichern Entwicklung gelangten.
Was der Wissenschaft in unserer eben so wohl, wie ın Lin-
ne’s, Zeit am meisten Noth thut, ist Vereinzelung und aus in-
nerer Nothwendigkeit bedingte Bestimmtheit. Während man mit
den stärksten mikroskopischen Vergrösserungen die Atomen un-
tersucht, übersieht man oft den Balken oder das ganze indivi-
duelle Leben der Gewächse. — Doch, warum nur das Lob ver-
flossener Zeitalter erheben und nicht lieber den Herrscher des
Tages, die reichere Gegenwart, preisen? Desshalb, weil wir
in ihr schon zum Voraus in der allerglückseligsten Ueberzeugung
von unserer eignen Vortrefllichkeit leben;- es giebt hinlänglich
Viele, welche mit Schmeicheleien die Lobpreisung jener erkau-
fen wollen; und eigentlich kommt es einer Zukunft zu, welche
bald zur Gegenwart wird, das Lob der Mitwelt, da wo es ver-
dient wird, auszusprechen. Die Wissenschaft läuft nämlich,
wie die; Geschichte im allgemeinen, in jetziger Zeit schneller da-
hin, als ehemals, die wissensehaftliehen Theorien und Celebri-
täten halten sich jetzt selten so viele Lustra, als vormals Jahr-
hunderte, hindurch oben; aber eben durch dieses rastlose Fort-
schreiten geht zugleich so viel Wahres und Schönes unter.
Freilich sind die Erden der Flötzformatienen, welche die Ober-
fläche bedecken, fruchtbarer; aber im Urgebirge, auf welchem
sie ruhen, giebt es zwischen dem Granite, der Schlacke der
Urzeit, auch viele reiche Gänge edles Metalles, und die Flüsse,
welche Goldsand führen, entspringen aus ihren Spalten. So
*) „Sind die Naturwissenschaften ein Bildungsmittel?“
12 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
verhält es sich auch in der Litteratur; diejenigen ihrer Erzeug
nisse, welche nicht tiefer wurzeln, als in den Journälen des
Tages, mögen zwar prunken mit schönen Farben, leben aber auch
nur deren ephemeres Leben; aber der wahrhaft Weise ‚‚folgt
der Kette der Bildung von ihrem Anheftepunet in der Urzeit bis
zu den Gliederringen, welche der Tag schmiedet.“
So wie die Mutter der Wissenschaft am zärtlichsten ihre
jüngsten Leibesfrüchte, das Werdende, pflegt und gerade nach
ihnen sich Natura nennt”), so scheinen auch ihre Erforscher
vorzugsweise dem Neuesten nachzutrachten und zu huldigen.
Wie Viele von ihnen haben wohl ihre ältesten Botschafter stu-
dirt und kennen mehr, als den Namen nach, ihre ersten Ge-
sandten. Ja, noch am heutigen Tage fehlt es uns an einer Ge-
schichte der ganzen Wissenschaft (was wir haben, sind Chroni-
ken oder litteraturhistorische Notizen, nebst Angabe des Geburts-
und Todesjahrs, der Reisen und der Beförderungen der Schrift-
steller — oder des Druckorts, der Jahres- und Seitenzahl und
der Verleger der Schriften), welche das innere Leben der Wis:
senschaft betrachte, ihren progressiven sowohl, als regressiven
Metamorphosen oder der ganzen genetischen Ausbildung folge;
aber dieser Mangel findet seine Entschuldigung in der alten Er-
fahrung, dass eine Generation, welche selbst in der Geschichte
handelt, niemals eine solche schreibt. Dennoch ist eine wirk-
liche Geschichte unumgänglich nöthig, nicht allein, um die Be-
mühungen vergangener Zeiten gerecht und billig zu beurtheilen,
denn gerade die Siege der einfachsten Wahrheiten sind oft am
theuersten erkauft worden, sondern vielmehr, um unsere eigne
Stellung zur Wissenschaft begreifen und deren künftige Sieges-
laufbahn ahnen zu können. In den Entwürfen zur Geschichte
der Botanik, welche wir bis jetzt besitzen, vermisst man, ausser
vielem Andern, alle Berücksichtigung der organischen Verbin-
bindung mit den übrigen Naturwissenschaften und deren wech-
selseitiges Wirkens **), des Einflusses des immerfort, obgleich un-
*) Das Wort Natura hat jedoch eine tiefere Bedeutung, nämlich von
dem nicht durch sich Existirenden (als Ens absolutum), sondern
von einem Früheren, Höhern Hervorzubringenden oder zu
Schaffenden.
*#) So z. B. kann Vieles in ihrer Geschichte nur dadurch erklärt wer-
den, dass in gewissen Perioden die Mediein nur ein Anhang der
Botanik, in anderen wiederum die Botanik ein Anhang. der Medicin,
noch in anderen dieselbe ein Anhang der Oekonomie war. Unläug-
bar entspriessen alle diese Forschungsarten. derselben Wurzel; sie
müssen aber dennoch daneben als selbstständige Disciplinen, jede
für sich, betrachtet werden, wenn keine von ihnen unterdrückt
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 13
ter wechselnden Namen, fortlaufenden Streites der Nominalisten
mit den Realisten, der verschiedenen Weltansicht, welche sich
durch die grösseren Perioden der Wissenschaft hindurchzieht ,
alles Auflassen der verschiedenen Probleme*), welche jede
werden oder brach liegen soll. Aristoteles ist unter den Grie-
chen der Repräsentant les Naturgeschichte, als selbstständiger Wis-
senschaft, Theophrastus Eresius der für die Verbindung der
Botanik mit der Oekonomie, Dioskorides für dieMediein als An-
hang der Botanik. Die wissenschaftliche Behandlung der Zool.o-
Sie isi ganz und gar von der älteren Botanik ausgegangen, so wie
gg alle Zoologen, wenigstens früher, als Botaniker begonnen
haben. Erst in den letzteren Zeiten ist die Zoologie eine selbst-
ständige Wissenschaft geworden, welche angefangen hat, die Bota-
nik zu überflügeln. Demzufolge hat man auch bei den Pflanzen
Entsprechendes für die Nerven und Muskeln der ’"Thierc und noch
für viel Mehres gesucht; da aber die Pflanzen kein Sensibilitäts-
undIrrit»bilitätssystem besilzen, so lassen sich auch keine Elementar-
organe für diese finden. Die Pllanzenanatomie kann nie, wie man
in neueren Zeilen hat annehmen wollen, für das Pflanzensystem
das werden, was die Zoolomie für das System des 'Thierreiches ist.
Im Gegentheile sieht man deutlich, wie die Orgauisation der Pflan-
zen, weil diese an ihre Statzo gefesselt sind und nicht, wie die
'Yhiere, sich ihren Aufenthaltsort selbst wählen können, das Ver-
mögen besilzen müssen , sieh nach dem verschiedenen Medium, in
welchem sie leben, melamorphosiren zu können. Desshalb ist bei
ein und derseiben Art, je nachdem sie im Wasser, oder in der
Luft lebt, die Organisation ganz verschieden; ja, gerade das wich-
tigste Elementarorgan der Pflanzen, die Spiralgefässe, verschwindet
ganz auch bei dan höberen Gewächsen, welche beständig unter
Wasser stehen. Dass daher De Candolle’s Eintheilung nach
der Organisation der Pflanzen in Vasculares und Velulares; und
die der, ersteren wieder in Endogeneae und Exogeneae, unrichtig
sei, hat man schon allgemein eingesehen, el die Mlsstsche
in Phanerogamae und Cryptogamae wohl immer bestechen wird. —
Noch nachtheiiiger für die Biologie ist ihr mechanisches Auf-
fassen, welches aus der physisch-chemischen Behandlung hervor-
gegangen ist.
Oft wird ein Zeitalter desshalb ziemlich unbillig getadelt, weil es
hauptsächlich, etwas einseitig, die Lösung eines gewissen Problems
gesucht hat; aber es ist dazu von einem innern Instlincte getrieben
worden, da es für die genetische Ausbildung der Wissenschaft
ein ganz nothwendiger Moment war. Dass es daher bei etwas, von
unseren Höhen angesehen, Niedrigerem stehen blieb, war eben so
wichtig, als dass eine Pflanze erst Herzblätter und gewöhnliche
Blätter reibt und nicht eher, als bis diese vollendet sind, Blumen-
blätter. Wenn sich die Wissenschaft nicht auf dieselbe ftwliche
Weise ausbildet, so entsteht dieselbe Folge, als wenn die Pflanze
anstatt der Blätter aus zu frühzeitiger Metamorphose Kronenblätter
ausbildet; sie stirbt ab, ohne Frucht zu hinterlassen. Man sieht
oft grosse Wahrheiten hingeworfen, aber ohne allen Einfluss, weil
ihre Zeit noch nicht da war; die Grundlagen, auf welchen sie
ruhen ‘sollten, waren noch nicht entworfen. Dies ist die Er-
klärung davon, warum die Nachwelt nicht so viele Wahrheiten
“
14
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
Epoche zu lösen gehabt hat, die Rücksicht endlich auf die Vorbe-
reitung und innere Nothwendigkeit jeder Reform. Wir haben in
einem eigenen Aufsatz über die Namen der Gewächse zu zeigen
gesucht, wie der Zeitgeist sich schon in etwas so Unbedeuten-
dem,
als diese sind, klar abspiegelt*); und wie wichtig derselbe
*)
beim Aristoteles zu finden vermochte. Man tadelt die Patres,
dass sie einseitig alle Pflanzen auf die der Griechen hinführen
wollten; aber es war gerade die Aufgabe jenes Zeitalters, in allen
Richtungen des Wissens das hervorspriessende Nen- Europäische
mit dem Alt- Griechischen zu verbinden. Sie suchten meistens nicht,
um etwas Neues zu finden, sondern um etwas Aelteres, Verloren-
gegangenes wiederzufinden — und unläugbar gewährt dies Wieder-
finden mehr Interesse, so wie in unseren Tagen das Wiederfinden
eines verloren gegangenen Linneischen Gewächses mehr, als das
Finden eines neuen. Man tadelt die Tournefortische Periode
wegen der Auflösung des Artbegriffs; aber gerade, weil sie den
höhern Gattungsbegriff ausbilden wollte, musste sie das Spe-
cielle bei Seite setzen. Die Zeit übernimmt, wie der einzelne
Mensch, nicht wohl die Lösung mehrer Probleme auf einmal,
und das Ziel einer jeden Zeit ist nur eine Stufe zu dem höhern
Ziel einer zukünftigen. Nur dadurch kann irgend etwas wirklich
zu Wege gebracht werden; Einer, der auf einmal in .Alles hinein-
pfuscht, liefert selten eine brauchbare Arbeit. Es ist aber ein
grosser Missgriff, wenn man dieses Ziel stets in einem Puncte oder
auf demselben Wege sucht. Es tritt allezeit bei Naturforschern,
welche sich nur einen gewissen Zweig erwählt haben, sich ihr
sanzes Leben lang mit dessen Bearbeitung auf eine gewisse Weise
beschäftigen , dasselbe Verhältniss ein, wie bei einem Felde,
welches immer mit demselben Korne besäet wird; sein wirkliches
Productionsvermögen nimmt mehr und mehr ab. Wenn sie aber,
nachdem sie sich in einem Theile gründlich heimisch gemacht ha-
ben, ihre Forschungen den nahe verwandten Thheilen widmen, so
sehen sie bei der Rückkehr zum erstern, ganz wie ein aufmerk-
samer Reisender in fremden Ländern bei seiner Heimkehr, Vieles
in einem ganz andern und hellern Lichte, als zuvor.
Botaniska Notiser, 1841, No. 6. In den ältesten Zeiten, in denen
das Fabrikwesen noch. unbekannt war, bildeten die Gelehrten keine
Namen, sondern nahmen die der Volkssprache auf oder führten
die Dinge auch ohne eigentliche Namen an. Hieraus erhellt,
warum allen Pflanzennamen der alten Zeit, in welcher man in der
Natur lebte (das Hirtenleben das Heiligste) und sie vergötterte,
Naturpoesie zum Grunde liegt; sie sind lebende Metaphern.
Jeder einzelne Name dagegen aus dem Mittelalter, in welchem man
sich von der Natur losriss (das Klosterleben das Heiligste) und sie
taufte, hat wieder eine religiöse Beziehung; sie sind lebende Sy m-
bole. In neueren Zeiten, in denen man sich von der Kirche frei
zu machen und die Natur zu beherrschen suchte (weltliche Macht
und bürgerliche Handthierungen das Einflussreichste), gab mat
ihnen die Namen wiederum meistens nach ihrem Nutzen und äussern
Ansehen; sie sind eine Art von Aushängeschildern — und in
unseren ’l'agen, in welchen man sich von allen Fesseln zu befreien
sucht und am liebsten sieh selbst vergöttert (Geist und "Talente
das Heiligste) verewigen (?) die Botaniker sich und ihrer Freunde
3
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 15
für das Auffassen der Behandlung der Wissenschaft im allge-
meinen ist, können wir durch ein sehr populäres Beispiel erläu-
tern. Man wundert sich gewöhnlich, dass die Griechen und
Römer, eine grosse Anzahl exotischer mitgerechnet, kaum 500
Pflanzenarten kannten, obgleich eine viel grössere Anzahl in
ihrer nächsten Umgebung jährlich blüht, und berechnet die grö-
sseren Fortschritte unserer Zeit danach, dass wir jetzt die Na-
men von mehren besitzen, als wir beinahe zählen können; aber
die Alten kannten wirklich weit mehre (unsere Zeit dagegen
kennt unläugbar weit wenigere, als auf dem Papiere stehen)
denn jene ‚„‚numerosa slirpium , graminum, muscorum genera“
wurden mit Fleiss übersehen, wie ganze Classen namenloser
Sklaven, welche eben so wenig Anspruch auf die Wissenschaft
zu machen hätten, wie die niedrigsten Volksclassen auf bürger-
liche Rechte. Man bemerkte nur das, was zum Gebrauche
diente (wir glauben, dass der Materialismus in der alten Zeit
wenigstens crasser war, als in der unsrigen), im Mittelalter
wurde dasjenige hinzugefügt, in welchem man höhere Ideen
symbolisirt glaubte, und erst in neueren Zeiten begann das Su:
chen in der Natur aus rein wissenschaftlichem Interesse. Indem
sonach in unseren Tagen der geringsten Alge, dem kleinsten
Moose im Systeme derselbe Rang und dieselbe Wichtigkeit, wie
der Sonnenblume und der Palme, beigelegt wird, sehen wir da-
rin einen Ausdruck der Persönlichkeitsidee der neuern Zeit*).
Das genannte Änerkennen jedes individuellen Werthes für sich
ist freilich sehr richtig (man sollte sagen christlich); aber in
den neuesten Pflanzensystemen bekommt man auch zu
Namen in der Schöpfung. In allen diesen Richtungen liegt eine
Wahrheit, etwas Gutes, aber auch in allen eine Abgötterei, welche
die alte Welt mit der Natur, das Mittelalter mit der Religion,
die neuere Zeit mit der Macht und dem Gelde trieben und die
neueste Zeit mit sich selbst treibt.
*) Hierbei ist jedoch zu bemerken nöthig, dass es die Wissenschaften
sind, von welchen die veränderten Ansichten in den Zeitgeist aus-
gehen , und nicht umgekehrt, obgieich der letztere sie stärker in
Anwendung bringt. So waren z.B, die Ideen der französischen Revo-
lution lange von den Gelehrten vorbereitet, ehe das Volk sie ahnete —
und nicht schwer ist es einzuschen, worin bei den Wissenschaften
die Gründe zudem Streben unserer Zeit liegen. Da aber in der
neuesten Zeit Alles sich so rasch entwickelt, so geschieht es oft,
dass der Zeitgeist erst dazu gelangt, sich das zuzueignen, was in
der Wissenschaft schon etwas vergangen ist. So weit ein Zeitgeist
auf wissenschaftlichen Wahrheiten ruht, kann er nicht falsch ge-
»aannt werden; aber bisher wenigstens scheint er alle solche ein-
- seitig angewandt zu haben,
16 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
sehen, wie dessen einseitige, abstracte Auffassung zu den am
meisten nach oben und unten gerichteten Verhältnissen leitet,
wie zu dem in ihnen allen gehuldigten Grundsatze, dass man
überall von dem Unvollkommensten ausgehen, dass man das
Niedrigste zu vorderst stellen müsse, dass auf das Zufälligste
in der Schlusssumme eben so viel Gewicht zu legen sei, wie
auf das Typischeste und Herrschendste u. s. w. Je mehr wir
in den Quellen der Wissenschaft forschen, desto mehr lernen
wir auch einsehen, dass unsere Väter verarbeitet und gewusst
haben, obgleich ihnen oft das Wort fehlte, welches die Sache
zu einem bestimmten Begriffe feststellt; der Gedankenreich-
thum kämpft mit der Wortarmuth; auch hierin hat der Zeitgeist
eine merkliche Aenderung erlitten. Wir lernen daraus ferner die
srosse Wahrheit, dass, so oft die Wissenschaft verkünstelt und
stagnirend ward durch Sophismus, Sceptieismus, Formalismus
und alle Arten von ismen, oder durch innere Streite verwilderte
(wo beim Endurtheile beide Theile verlieren), sie stets auf’s
neue in die Schule der Natur gehen und mit ihrem Een
Alphabet anfangen musste.
Gerade in dem Zurückführen zu diesem Tifashei liegt das
wirklich Grosse in Linne’s Reform‘, welcher weder von einer
überlegenen Gelehrsamkeit ausging (denn in dieser steht er
Haller und mehren seiner Vorgänger nach), noch von vielen
grossen, meistens zufälligen, Entdeckungen (denn darin steht er
Vielen nach); Linne’s Reform lag als Embryo voll ausgebil-
det in der Seele des jungen Studenten Carolus Linnaeus, wel-
cher noch keine materielle Entdeckung gemacht hatte. Gerade
die Einfachheit m Linne’s Reform macht es, dass so Viele
ihre grosse Wichtigkeit nicht einsehen können. Linne war
weit weniger ein schaffender,, als ein ordnender Geist, ein Sonn-
tagskind der Natur, welches mit klarem Blicke in dem Gewim-
mel der Meinungen stets das Einfachste, das Natürlichste, folg-
lich auch das Wahrste traf. Daher jene naive, bestimmte, pe-
riodenlose Sprache, ohne Pomp und Staat, ohne einen Schatten
von Anspruch auf Tiefsinnigkeit, so dass ein Kind seine Mei-
nung fassen kann, Wenige aber deren Tiefe einsehen; es ist
der Natur eigenes Bild, gesehen im Spiegel der Sprache. Wäre
Linne bloss der Urheber einer neuen Schule — könnte Linne,
ohne dass sein Name gemissbraucht würde, wie der Jesuitismus
durch Missbrauch eines noch höhern den seinigen erhielt, jemals
der Koryphäus nur für eine Partei von Naturhistorikern werden,
so würde seine Ehre zweideutig seyn; nun aber kann keine
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 17
Geschichte der Gelehrsamkeit eine so ‚‚vere catholica“*) Re-
form, wie die Linneische, aufweisen; nun giebt es an dem
Tage, welcher ist und kommen wird, keinen !Botaniker, der
nicht willig die Linneischen Grundwahrheiten erkennte (die
gehässigsten Feinde Linne’s, z.B. Heister, Crantz, Me-
dicus, haben nicht gesucht, sie zu läugnen, sondern nur, sie
zu schmälern), und dennoch waren sie vorher nicht klar ausge-
sprochen**) oder angewandt, — und siehe! die Ehre ist wohl
*) So betrachtete Linne sie auch selbst, und nannte die, welche
an
nicht die ganz und gar neue Nomenclatur derselben annahmen,
Keizer. Löfling, Linne’s liebster Schüler, ging in spanische
Dienste, mit Beibehaltung seiner Religion, und musste demnach
dort eine beargwohnte Person seyn. Aber in 'Löfling’s, von
- Linne herausgegebenen und Sr. Rechtgläubigsten Majestät,
Ferdinand VI, dedieirten Reisebeschreibung versichert Linz e,
„dass er wenigstens allen Irrgeistern in Fiora’s Reiche trotzen
könne, dass Keiner ihn in diesem zum Ketzer machen werde. “
Hiermit wollen wir jedoch gar nicht läugnen, dass nicht Einzelne
(so wie Mehre vor Luther’s Reformation) das geahnet und
vorhergesagt hätten, was Linne ausführte, insbesondere Jun-
gius; es war sogar das Zufälligere, als Linne’s Sexualsystem,
von Burckhard, in dessen Epistola ad Leibnitzium, W olfen-
büttel 1702, deutlich prophezeiht worden. Denn so müssen alle
Ideen zuerst einzelner geahnet werden, oft in einem dunkeln Be-
wusstseyn sich. vereinigen, ehe sie klar zu Tage treten; so bilden
sich die Gewölke aus dem Nebel und ballen sich zusammen, ehe
sie den Blitzstrahl erzeugen; aber man erinnere sich hierbei nur,
dass diese Nebel zuerst aus den Dünsten der Erde, und so auch die
höheren Ideen ursprünglich aus der Welt der niedern Erfahrung
hervorstiegen, Die Ehre fällt demjenigen zu, welcher sie zuerst
realisirt! — Aber wir bestreiten es durchaus, dass Linne von
den genannten Schrifststellern seine Ideen entlehnt habe; denn erst
wenige Jahre vor seinem 'lode, wo seine Schriftstellerbahn zu
Ende gelaufen war, bekam er Jungtius’s köchst merkwürdige
Isagoge Phytoscopica, Hamb. 1679, nie aber wahrscheiniich
urckhard’s Epistola, zu sehen. Jungius, welcher in Lü-
beck 1587 geboren war und als Rector der Schule zu Hamburg
4657 starb, sab selbst ein, dass ihn bei der Mitwelt das Loos der
Kassandra erwarlete; erst lange nach seinem Tode wurden seine
nachgelassenen Manuscripte herausgegeben ; aber auch dann wurden
sie nicht berücksichtigt, sondern wurden Maculatur, so dass Jun-
gius?’s Schriften zu den allerseltensten in der botanischen Littera-
tur gehören. Und als seine Ideen von Linne dargelegt wurden,
da war es ein elektrischer Stoss, welcher eine ganze Mitwelt zu
einem klaren Bewusstseyn erweckte; denn nun war die Zeit reif
zur Reform; die T’ournefortische Periode war ein ganz noth-
wendiges Mittelglied zwischen der Bauhinischen und Linne-
ischen. Die Tournefortische Schule erhob auch die Sexua-
litätstheorie zur vollen Gewissheit, und eher, als dies geschah,
konnte ja auch kein System darauf erbaut werden; aber so wie
dieser wichtige biologische Act gerade das war, womit sich die
Zeit bei Linne’s Auftreten am meisten beschäftigte, so trug
dies nicht wenig zum Siege des Sexualsystems bei.
2
18 Grundzüge von Aristoteless Pflanzenlehre.
die grösste, für alle Zeit der Polarstern zu seyn für die
ganze Wissenschaft. Es ist hier nicht der Ort, die Bedeutung
des Linneischen Sexualsystems zu entwickeln, dieses unum-
gänglichen Stadiums für die Ausbildung der Systematik, welche
gerade das Problem der Zeit war. Schon vor Linne hatte man,
ermüdet durch die unförmlichen Versuche*) zu einem na-
türlichen Systeme, ungeachtet aller erneuerten Proteste des al-
ten Catonischen Rajus, der äussern Ordnung wegen sich wil-
lig dem Despotismus der künstlichen Systeme ”**) unterworfen, so
wie es in der politischen Welt nach lange dauernder Anarchie
geschieht — und da Linne mit seiner klaren, bestimmten Lo-
gik diese zeitgemässe Richtung mit der grössten Kraft und Con-
sequenz verfolgte, musste es das herrschende werden, wie es
zugleich dadurch das geistreichste und zu seinem Zwecke
brauchbarste war. Nachdem nun diese, wenn man will, einsei-
tige Richtung auf ihre äusserste Höhe getrieben worden war, so
hörte mit einem Male jedes fernere künstliche Systematisiren
auf (nachdem es seine Aufgabe, die Formen auszubilden, ge-
löst hatte), und man suchte mehr und mehr die Freiheit-der
natürlichen Systeme wieder zu gewinnen, welches nun auch bis
zu dem Grade geglückt ist, dass Einer der neuesten und aus-
gezeichnetsten Bearbeiter eines solchen selbst erkennt, dass im
Systeme (!) Alles willkührlich sei — und damit scheint
diese Bahn bis zu Ende durchlaufen zu seyn. Linne sah auch
ein, dass ein natürliches System nach ihm das Problem der
folgenden Zeit werden müsste, und Linne’s Grösse beruht
weit weniger auf seinem Sexualsysteme, als auf seiner klaren
Einsicht in das vollendende natürliche System (das Problem
einer künftigen Zeit), klarer bei ihm, als bei allen seinen Vor-
gängern und fast auch seinen Nachfolgern, deren natürliche Sy-
steme die einseitige Richtung der Zeit sind, welche mehr Rück-
sicht nimmt auf materielle, als ideelle Ausbildung, mehr auf
Charaktere, als Controllen, denn auf innere organische Einheit,
Kraft und Leben ***). Linne sah es richtig voraus, dass dies
*) Von Cäsalpin’s bis zu und mit Ray’s Versuchen.
##) Rivin’s, Hermann’s und zum hauptsächlichen Theile Tour-
nefort’s.
###) Wir müssen uns auf’s kräftigste gegen den Verdacht verwahren,
als ob wir desswegen den Scharfsinn, die edlen Bemühungen,
welche auf jene verwendet, die unermesslichen Schätze, die durch
sie erworben worden sind, nicht dankbar erkennten, würdigten
und bewunderten. Ein einseitiges natürliches System war noth-
wendig ein Problem jener Zeit, welche auf die Lösung des einsei-
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 19
Streben, obgleich es in seiner Zeit nicht so offenbar war, sich
erst auf’s höchste geltend machen würde, nannte solche Consti-
tutionen für das Pflanzenreich eine Campana sine pistillo, und
verglich den Versuch, durch blosse Abstraction ein System der
Natur zu bilden, mit der Quadratura circuli. Und gerade darin,
dass Linne selbst ein natürliches System als höchstes Ziel
der Wissenschaft angiebt, aber doch ein solches nicht selbst
aufstellt, erkennt man den Fürsten der Wissenschaft, welcher
sich nicht mit einem solchen compromittiren wollte, welches
kein vollendetes, für alle Zeiten geltendes, werden konnte, son-
dern in einer zukünftigen Zeit nur ein kümmerliches Parteien-
banner geworden seyn würde; diejenigen, deren Stellung zur
Wissenschaft ihnen nicht denselben Anspruch an Vollendung
gab, konnten ihre Kräfte daran versuchen. Aber nie würde
Linne auch von seiner Mitwelt so schnell und einmüthig*)
sehuldigt worden seyn, wenn er nicht deren eigner Sohn gewe-
sen wäre, d. h. zuerst deren nächste Bedürfnisse befriedigt und,
was die Besten derselben dunkel ahneten und fühlten, klar aus-
gesprochen hätte. Und dass Schweden, welches früher an der
Ausbildung der Wissenschaft nicht Theil genommen hatte, die
Ehre vorbehalten blieb, diesen Mann ın seinem Schoosse zu
hesen, dürfte von denen, welche der &ewohnheit, der Den-
kungsart der Zeit, und des Auctoritätenglaubens nicht bloss nie-
derdrückende, sondern auch verblendende Macht kennen , zum
nicht geringen Theile dem Umstande zugeschrieben werden, dass
der starke Natursohn dort frei von jenen Fesseln aufwuchs.
tig künstlichen folgte, ein eben so nothwendiges Stadium in der
- Ausbildung der Systematik, wie das des vegelativen Systems für
die der Blume, — wie es gerade der grösste Fehler der Zeit war,
wenn sie es verkannte oder versäumte. Aber unrecht ist es im-
mer, das Ziel seiner Zeit als das höchste für alle Zeiten
zu betrachten ; sonderhar, dass man es noeh nicht allgemein einge-
sehen hat, dass die Hoffnung aller Zeiten, endlich das Höchste
oder den Stein der Weisen gefunden zu haben, eitel ist. Als
Naturhistoriker zugleieh Optimisten verdammen wir Nichts, mit
Ausnahme alles dessen, was vorsätzliche Falschheit, wissentliche
Lüge oder der Uebermuth ist, welcher Alles verwirft, was nicht
seine Weise ist, zu sehen. Wir fehlen in vielen Stücken Alle,
aber vor dem Richterstuhle der ewigen Wahrheit hoffen wir, dass
kein redliches Suchen verdammt werden werde,
*) Es waren nur einige Aeltere mit schon befestigtem Ansehn, als
Haller, Dillenius, welche glaubten, ihre Ehre erforderte es,
dass sie nicht in Allem den neuen Formen huldigten, ohne sie
desshalb gerade zu verwerfen — welche lieber mit dem alten
Kettil lebendig in’s Grab stiegen, als sich in die nene Zeit
schickten.
2#
20, Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
Die obige Excursion in die Geschichte der Botanik hat zwar
keinen nothwendigen Zusammenhang mit dem Zwecke dieser
Abhandlung selbst; aber sie ist doch von demselben veranlasst
worden. Ueber Aristoteles selbst können wir uns desto kür-
zer aussprechen, da wir über einen so erschöpften Gegenstand
schwerlich etwas Neues sagen können. Gewöhnlich übergeht
man ihn jedoch ganz in der Geschichte der Botanik und beginnt
diese mit Theophrastus Eresius; aber der Lehrling steht
nicht über dem Meister; desswegen muss man noch um einen
Schritt zurückgehen, — zu dem Gründer der Naturgeschichte,
Aristoteles. Wir wissen freilich, dass er bei einigen Natur-
forschern übel angeschrieben ist; aber unläugbar wird er bestän-
dig einen hohen Platz unter den grössten Geistern der Wissen-
schaften einnehmen ; wir halten es für Pflicht, ihm sein Recht zu
verschaffen zu suchen. Den Vorrath des ganzen Wissens um-
fassend, welcher schon zu seiner Zeit bedeutend, aber ein chao-
tisches Gemisch von deren gesonderten Elementen war, ordnete
er diese nach bestimmten Disciplinen, hauchte in sie einen le-
bendigen Geist ein und erhob die meisten auf eine Höhe, welche
ein Jahrtausend nicht zu übersteigen vermochte. Die neuere
Philosophie erkennt in ihm ihren Meister, die Naturgeschichte
muss in ihm allezeit ihren Vater verehren. Vielleicht werden
durch diesen Vereinigungspunct diese beiden aristokratischen
Brüder des Forschens, welche sich im Streit um das reiche
Erbe gehasst und verketzert haben, wiederum versöhnt werden kön-
nen, wie sie beide in Eintracht zusammen im Vaterhause, Ari-
stoteles’s grosser Seele, wohnten. Aristoteles übertriflt
alle nachfolgenden Naturforscher an philosophischem Scharfsinn,
alle Philosophen an tiefer, Alles umfassender, durch eigene
Forschung erworbener, naturgeschichtlicher Kenntniss, welches
dasjenige ist, was ihn zu einer so merkwürdigen Ausnahme von
den übrigen älteren Schriftstellern macht. Möge man sich von
keiner Seite wegen grösserer, ohne eigne Mühe gesammelter mate-
rieller Schätze, erworben. durch zweier Jahrtausende Fleiss, über-
heben. Erinnere man sich, dass Aristoteles vielleicht der
Erste war, welcher die Wichtigkeit des Beobachtens einsah,
dass er, ohne alle Instrumente und äussere Hülfsmittel unserer
Zeit, mit dem Blicke des Scharfsinns die vorbeischiessenden
‘ Phänomene im Fluge erfassen musste (und wie viele grosse
Wahrheiten hat er nicht ausgesprochen, die erst in neueren Zei-
ten eingesehen und für neue, wichtige Entdeckungen ausgege-
ben wurden); dass er die für alle Zeiten geltende, aber auch
in allen Zeiten von Rationalismus und Sensualismus bestrittene
Grundzüge vom Aristoteles’s Pflanzenlehre. 21
Bahn für wissenschaftliche Naturforschung bezeichnete, nämlich,
dass die Erfahrung der äusseren Sinne die Materie der Kennt-
niss liefere, dass aber diese von der Vernunft beherrscht wer-
den müsse, ehe sie Eintritt in die Wissenschaft bekomme.
Selbst am meisten mit dem Feststellen der speculativen Lehren
beschäftigt, welches auch zuerst nothwendig war, damit das
wissenschaftliche Schlachtfeld von jeder Art von Marodeurs
(Sophisten, Skeptikern, Sensualisten) gereinigt würde, warnt
er doch gegen das Operiren mit Denkformen, als wirklichen
Factis, — und wenn er auch für uns, in unsren Tagen, diesen
Grundsatz nicht allezeit selbst befolgt zu haben scheint, so mö-
gen wir uns erinnern, dass er von solchen Sätzen, z. B. rück-
sichtlich der Bewegung der Himmelskörper, ausging, welche zu
der Zeit als Axiome betrachtet wurden — dass die Worte von
ihm oft in einem ganz andern Sinn aufgefasst worden sind, als
in welehem wir die entsprechenden nehmen, mit denen wir sie
wiedergeben müssen. Daneben aber war er unaufhörlich be-
schäftigt mit naturgeschichtlichen Untersuchungen, fing er seine
Bildungsbahn mit botanischen Excursionen an*) und hatte zum
Ankaufe von Naturalien für sein Privatmuseum grössere Ein-
künfte, als alle europäische Museen jetziger Zeit zusammenge-
nommen. Ausserdem hatte Alexander allen Satrapen in sei-
nem neugeschaffenen Reiche befohlen, an Aristoteles alle
seltenen Naturerzeugnisse einzusenden, welches Alles desswegen
bemerkt wird, weil einige rein empirische Naturforscher bei ihm
meistens nur das Spiel eines reichen Geistes („speciosa ratio-
cinia,‘“ Sprengel,) haben sehen wollen und einige Schilderer
der Schicksale der Botanik ganz vornehm, bloss im Vorbeige-
hen, seinen Namen fast wie den eines Usurpators wissenschaft-
licher Würde nennen.
Die bestimmt entgegengesetzte Richtung, welche in den
biologischen und physischen Naturwissenschaften liegt, macht
es kaum möglich, dass Jemand in beiden ausgezeichnet seyn
könne; ja, wir finden es beinahe nothwendig, dass die einseitig
Gebildeten in beiden Verachtung gegen ihre gegenseitigen Wis-
senschaften hegen müssen. Der Biologe kann in den physischen
nur einen todten, seelenlosen Mechanismus, ohne alles höhere
Leben und alle höhere Freiheit finden, der Physiker wiederum in
*) Wie man angiebt soll er, ehe er Plato’s Zuhörer ward, Apo-
theker gewesen seyn, und Epikur nennt ihn einen Dapyaxon ins.
Athenäus zufolge. Von dieser Menschenclasse, wie auch von
den Rhizotomen, hat Aristoteles viele empirische Kenntnisse
über Naturerzeugnisse eingeholt.
22 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
den biologischen nur ein Meer von unbestimmten Phänomenen,
welche auf keinen genauen und streng beweislichen Gesetzen
beruhen. Obgleich eine Kälte des Verstandes sich durch alle
Schriften des Aristoteles zieht, so war doch die Mathematik
seine schwache Seite, und seine Physica ist unläugbar seine
am wenigsten vollendete Arbeit; und dennoch war es besonders
diese, welche im Mittelalter ein kanonisches Ansehen gewann.
Solchergestalt war sie freilich für den Fortschritt der Wissen-
schaft schädlich, und Niemand kann es desshalb dem Galilei
verdenken, wenn er bei jeder Gelegenheit ihre schwachen Sei-
ten hervorzieht, ja sie sogar zum Gegenstande des Spottes
macht; Aristoteles steht seit der Zeit bei den Physikern
in üblem Rufe. Da man nunmehr nichts Nachtheiliges von sei
ner Auctorität zu befürchten hat, so muss man nicht unterlas-
sen, zu erkennen, dass er dennoch weit über seinem Zeitalter
stand und fast noch jetzt ohne Gleichen in seiner weit umfas-
senden Thätigkeit da steht, dass er die Nothwendigkeit der Er-
fahrung, und dass, 'so weit es möglich sei, die Natur befragt
werden müsse, einsah, so dass E pikur ihn mit dem Vorwurfe
der Mikrologie belastet; aber nicht in eines Mannes Vermögen
lag es, alle Erfahrung zu erschöpfen, da man zumal in seiner
Zeit weder die Begriffe, noch die Instrumente zum Anstellen
richtiger physischer Beobachtung hatte. Es ist weniger Ari-
stoteles’s Fehler, dass er eine fehlerhafte Physik schrieb,
als dass er überall eine solche schrieb. Was seine getadelte
Methode betrifit, so erinnere man sich, dass er sich derjenigen
seiner Zeit, wie deren Sprache, bedienen musste, wenn er ver>
standen werden wollte. Wir behaupten zwar nicht, dass Ari-
stoteles ein überwiegendes Verdienst um die Physik habe,
wenn nicht das, noch ausschweifenderen kosmologischen Träu-
men eine Gränze gesetzt zu haben; aber wir behaupten, dass
Niemand in unserer Zeit Ehre damit einlegt, wenn er sich zum
Ritter an Aristoteles’s Missgriffen darin aufwirft.
Desto kolossaler ragt Aristoteles als Biolog oder Natur-
historiker hervor. Berücksichtigt man, was er ohne alle Vorgän-
ger für die Zoologie gethan hat, so scheint Das allein eines
Mannes Kräfte zu ‚übersteigen — allein mehr als hinreichend,
seinem Namen Unsterblichkeit zuzusichern ; aber derselbe Geist
umfasste zugleich beinahe alle Zweige menschliches Wissens,
Er erschaut und entdeckt nicht allein des Lebens höchste Phä-
nomene, sondern dringt auch mit einer bewundernswürdigen Sach-
kenntniss in das Specielle ein, welches der rechte Prüfstein des
Werthes der ersteren ist. Dies Zeugniss Späterer kann nicht
/
ns
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 23
verworfen werden, da generelle Ansichten fast immer nach Sym
pathien und Antipathien beurtheilt werden und desshalb gerade
die Losung aller Parteienanhänger sind”). Es giebt mehre Wege,
und alles ehrliche Suchen muss zu demselben Ziele führen.
Wie eng schliessen sich nicht Aristoteles’s systematische
Ansichten in der Zoologie an die neuesten? — Aristoteles’s
eigene Schriften über die Pflanzenlehre **) sind verloren gegan-
gen; das untergeschobene Werk, welches seinen Namen trägt,
ist dieser Ehre durchaus unwürdig. Die Resultate seiner spe-
ciellen Forschungen ***) sind zwar von Theophrastus Ere-
sius, dem Erben seiner Schriften und Sammlungen, aufgenom-
men worden; aber was nicht mit vererbt wurde, war Aristo-
leles’s Geist. Desswegen ist es wichtig, das abzusondern,
was Aristoteles wirklich angehört, zumal da sich in seinen
übrigen nachgebliebenen Schriften mehre zerstreute Züge finden,
welche, geordnet, eine Uebersicht seiner Pflanzenlehre liefern
können. Wir haben uns dieser stets mit besonderer Vorliebe
hingegeben, für das Systema orbis vegetabilis derselben mehre
Grundwahrheiten entnommen, in den Fundamenta Lichenolo-
giae aus Aristoteles’s Grundsätzen die Farbenlehre, der
Kryptogamen entwickelt. Es war uns desshalb eine besondere
Freude, durch unsern edlen Freund, den Professor Wimmer,
Rector am Gymnasium zu Breslau, eben so ausgezeichnet als
Botaniker, wie als Philologe,, alle Aristotelischen, auf die Pflan-
zen Bezug habenden Sätze gesammelt und in einem kritisch be-
leuchteten Texte, zu erhalten, wodurch uns mehre Stellen erst
klar geworden sind — und wir haben geglaubt, unserm, wenn
auch kleinen, botanischen Publieum ein Vergnügen zu "bereiten,
wenn wir nach Wimmer’s Bearbeitung die Grundzüge von
*) Dadurch wird es so leicht, nach subjecliivem Gutdünken das ausge-
zeichnetiste Verdienst herabzusetzen, das unbedeutendste zu erhe-
ben; aber nach der Frucht wird man den Baum beurtheilen. Ist
jene gut, so verwerfe man den Baum nicht, ward er gleich nicht
in der eignen Baumschule erzogen. Ueber das Specielle oder die
arben vermag die Welt zu urtheilen, über die Beweg sgründe
urtheilt Gott allein.
**+) Theoria vegetabilium in 2 Büchern (Hist. Anim. V, 1), und in
Brev. Vitae, c. 6, verspricht er ein ausführliches Werk über die
Pflauzen. Von Diogenes Laertius und von Athenäus
werden diese Werke auck. citirt,
*#*) Die zerstreuten Züge derselben, welche in Arzistoteles’s übri-
gen Schriften vorkommen, sind allzu fragmentarisch und werden
desshalb hier übergangen — sie werden am besten in Verbindung
mit Theophrastus abgehandelt.
24 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. .
Aristoteles’s Pflanzenlehre in einem Abrisse darlegten. Eine
eigentliche Uebersetzung haben wir nicht geglaubt wagen zu
dürfen, sondern wir verweisen diejenigen, welche eine vollstän-
digere Kenntniss wünschen, an Aristoteles selbst. Wer des-
selben gedankenschwere Sprache, seine speciöse Deduetion,
kennt, sieht leicht die Schwierigkeiten, welchen ein solches
Vornehmen begegnet, wie auch die Unmöglichkeit, ein, in neue
ren Sprachen den Geist der hingeschwundenen Zeit wiederzuge
ben, welcher nur in den Originalwerken ihrer Meister fortlebt.
Jeder, welcher sie in der Grundsprache studiren kann, findet
daher in dieser allemal mehr, und oft einen ganz andern Geist,
als bei den neueren Epitomatoren. Die aber, welche nicht zum
voraus Aristoteles’s reichen Gehalt (der noch wichtiger für
die Zoologie ist, theils weil Aristoteles’sSchriften über diese
in Erhaltung geblieben sind, theils weil man für sie keinen Com-
mentator hat, welcher dem Theophrastus entspräche,) ken-
nen, werden sich in jedem Falle über seinen Seherblick verwun-
dern; man fühlt sich oft versucht, Vieles für den Göttertraum
eines Geistes zu erklären, welcher mehr ahnet und einsieht, als
er wirklich sah und erfuhr. Aber zwischen diesem und den
Hypothesen der Prosa liegt eine himmelweite Kluft.
Entschuldigungen dafür anzuführen, dass Aristoteles’s
Begriffe von den Elementen, dem Nahrungsprocesse u. s. m.
mit den jetzt herrschenden nicht übereinstimmen, möchten wir
als unpassend betrachten. Bemerkenswerther ist wohl eme
Menge von scharfsinnigen Bemerkungen , welche erst in den
neuesten Zeiten allgemein anerkannt worden sind. Dass sie von
einer tiefen, klarsehenden Naturbetrachtung ausgingen, lässt sich
wohl nicht bestreiten. Aber sie war mehr eine Naturforschung
im Grossen, als die gewöhnliche im |Kleinen. Jede hat ihren
Werth für sich, wenn bloss die Erstere ihren empirischen An-
haltpunct nicht aus den Augen setzt, die Letztere sich nicht in
das ganz Unbedeutende und Zufällige verliert. Die Erstere ist
Blitz in der Nacht; entzündet dieser aber nicht das Specielle,
so erlischt er bald und bleibt nur in einer dunkeln Erinnerung.
Die Aristotelische Naturforschung leitete zu so geringer
Nachfolge, weil sie keine hinreichende specielle Basis hatte,
um auf dieser zu ruhen; durch eine solche kann man auch nur
den wirklichen Blitzstrahl von anderen Meteoren unterscheiden.
Alles Wahre, welches in jener enthalten ist, musste demnach
von der demüthigen Forschung von neuem entdeckt werden, ehe
es zur naturgeschichtlichen Wahrheit ward. Nur der grossar-
tigern Naturbetrachtung huldigen würde den Grund zu einem
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 25
der Forschung feindlichen Dogmatismus legen - Nichts desto
weniger bleibt Aristoteles beständig in der Welt der Wis-
senschaften , was sein königlicher Zögling, dem Aeussern zuge-
wandt, für die politische war. Der Erstere bezwang die ringsum
am festesten angesiedelten geistigen Mächte seiner Zeit, der
Letztere besiegte deren mächtigste weltliche Gewalten. Bald
zersplitterte aber Alexander’s grosses Reich; sein Gedächt-
niss bleibt nur das eines grossen Cometen am politischen
Himmel; Aristoteles’s kleines Reich dagegen besteht noch
nach zwei Jahrtausenden, und obgleich es seine Zelte seitdem
über unermessliche Räume ausgebreitet hat und unzählige neue
Sterne während der Nacht vergangener Jahrhunderte aufgegan-
gen sind, bleibt sein Name für alle Zeit am Himmel der Litte-
ratur ein unverdunkeltes Sternbild.
Grundzüge der Pflanzenlehre nach Aristoteles.
I. Ueber das Leben der Pflanzen im allgemeinen
und verglichen mit dem der Thiere.
1. Die Pflanzen sind aus einfacheren Elementen zusammen-
gesetzte, aber durch ein inneres Prineip, welches der Grund von
aller ihrer Verschiedenheit, allen ihren Veränderungen ist, her-
‚ vorgebrachte Naturerzeugnisse. Von Allem, was auf diese Weise
ernährt wird, erwächst und vergeht, sagt man, es lebe; sonach
haben die Gewächse auch Leben. Das Princip alles Lebens
nennt man Seele (7,77), welche so innig mit dem Körper ver-
bunden ist, dass dessen Form ein Abdruck des Wesens der
Seele ist. Die Seele ist in den Naturerzeugnissen das eigent-
lich Wesentliche, der Grund von ihrem Daseyn und ihrer Thä-
tigkeit (Lebensäusserungen), ihr Bewegungsprincip. Die Bewe-
gung ist untrennbar von der Thätigkeit der Seele, und die Be-
stimmung der sämmtlichen Naturerzeugnisse ist die, dass sie
Werkzeuge des Lebens seien. (Vgl. Aristoteles, Anim., II,
1, 2, und Phys., I, HI, Anfang.)
2. Der Stufen des Lebens giebt es mehre, theils höhere,
theils niedrere.. So sagt man, es lebe, schon von demjenigen,
welches bloss eine einzige, einfache Bewegung in Begleitung
von Wachsthum und Untergang zeigt, eben sowohl, wie von den
Naturerzeugnissen, welche, durch eine vollkommnere Ausbildung
ausgezeichnet, eine mannichfaltige Bewegung und Lebensäusse-
rung, als Gefühl, Begehren, Denkvermögen, den Ausdruck eines
höhern Lebens zeigen, welches sich der Natur der Göttlichkeit
26 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
nähert (Arist. Anim., IL, 2, 3.). :Aber von denen der unorga-
nischen Natur an bis zu den höchsten hinauf bilden alle Natur-
erzeugnisse eine zusammenhangende Kette, so dass die Gränze
und die Trennpunkte zwischen den auf den Uebergängen stehen-
den undeutlich sind. Unter den Meererzeugnissen giebt es mehre,
von welchen es zweifelhaft ist, zu welchem Naturreiche sie am
eigentlichsten gehören (Part. Animal, IV, 5. Hist. Animal.,
VI, 1.)
3. Alles, was in der Natur geschieht, geschieht zu einem
bestimmten Zwecke. Die Natur ist sowohl formell, als materiell
Das Formelle ist ihr Zweck, dasjenige, um dessentwillen alles
Uebrige geschieht. Der Zweck der Pflanzen ist hauptsächlich,
Früchte und Samen, die Mittel zur Fortpflanzung, hervorzubrin-
gen, und der des Samens ist, dass die Naturerzeugnisse be-
stehen können. (Arist. Phys., IL, 8. Gen. Anim., I, 4.)
4. Das Göttliche ıst die wirkende Ursache alles Bessern,
welches geschieht. Besser ist es, geboren zu werden und zu -
leben, als nicht geboren zu werden und nicht zu leben. Alles sucht
daher sein Bestehen zu sichern und ewig, unvergänglich, zu
werden, weil es sich der göttlichen Natur zu nähern sucht.
(Anim., II, 4.) Da jedoch das Einzelne und Individuelle in der
Sinneswelt nicht ewig fortdauern kann, so muss dies dadurch
geschehen, dass die Gattung sich erhält. Deren Bestehen ist
der Zweck der Fortpflanzung; dass aus jeder Pflanze eine an-
dere von derselben Art entstehen möge, ist ihre Bestimmung.
Desshalb ist die Erzeugung das erste und allgemeinste Prineip
des Lebens. (Gen. Anim., II, 1. Polit., I, 2.)
5. Wie die Seele des Lebens Grundursache,, so ist ihre Er-
zeusung das Erste von Allem. Die bildende Seele ist zugleich
die vegetative, das Princip des Ernährens und Wachsens. Die
erste Bewegung des Lebens ist auch der erste Anfang von sei-
nem Zunehmen und Untergange, welche durch einen innern un-
trennbaren Zusammenhang vereinigt sind. (Anim., IL, 1, 4.)
Alles, was wächst, muss ernährt werden, und Nichts wird er-
nährt, was nicht Leben hat. Die Ernährung ist demnach eine
unumgängliche Bedingung für die Thätigkeit des Lebens, für
die Erhaltung aller seiner Eigenschaften. Seine Erhaltung wird
durch die Fortpflanzung vermittelt, welche des Pflanzenlebens
Bestimmung ist, und somit ist es dieselbe Kraft, welche die
Ernährung sowohl, !als die Fortpflanzung der Pflanzen bewirkt.
Die nährende und die erzeugende Seele (die Lebenskraft) sind
also ein und dieselbe; sie ist das Gemeinschaftliche in allem
Lebenden; aber sie kann für sich, getrennt von der sensitiven
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 27
Seele, bestehen ‚. welches gerade das Verhalten bei der Seele
der Pflanzen ist. (Anim., II, 4, u. a. m. St.)
6. Das zweite Prineip der Seele oder das Sensitive, durch
welches die Naturerzeugnisse mittels des Gefühls die Beschaffen-
heiten der Dinge vernehmen und vermöge dessen sie Einiges
begehren und Anderes meiden, kommt nur den Thieren zu; den
Pflanzen mangelt es. Der Unterschied zwischen Thieren und
Pflanzen ist sonach der, dass die Thiere Sensibilität besitzen,
die Pflanzen nicht. Empfinden ist das Vermögen, Eindrücke
von der Form der Dinge ohne Materie zu empfangen. Die
Pflanzen leiden zwar von äusseren Dingen, als Wärme und Kälte;
aber sie empfinden dennoch nicht, denn sie werden nur auf eine
mechanische Weise affıcirt, indem Alles, was die Formen der
Dinge wahrnehmen soll, selbst aus allem demjenigen zusam-
mengesetzt seyn muss, was wahrgenommen werden soll. Die
Pflanzen sind aber, verglichen mit den Thieren, einfache, erden-
artige Wesen; desshalb besitzen sie kein anderes Gefühl, als
das, was sich in den eimfachen, erdenartigen Bestandtheilen der
Thiere, z. B. deren Haaren, findet. Nur das, was etwas be-
gehrt und nach Solchem strebt, bewegt sich; denn ein innerer
Trieb ist die Quelle aller Bewegung*). So kommt Bewegung
nur demjenigen zu, welches Gefühl besitzt; denn wer nicht
fühlt, kann nichts begehren. Die Pflanzen können sich dess-
halb nicht selbst bewegen und auch keine Bewegungsorgane ha-
ben; desshalb sind sie an der Erde festgewachsen , welche ihre
eisne Wohnstätte ist. (Anim., IL, 12, 1, 9).
7. Derjenige Zustand des Körpers, welchen man das Wa-
chen nennt, dessen Gegensatz der Schlaf ist, ist die Thätigkeit
der sensitiven Seele; denn gerade daran erkennt man dei wa-
chenden Zustand, dass er Empfindung mit sich führt. Den
Pflanzen kommt weder Wachen, noch Schlaf, zu, denn sie em-
pfinden nicht. Auch die Thiere haben während des Schlafs
kein Gefühl und Bewusstseyn; das Leben der Gewächse ist
dem der Thiere während eines beständigen Schlafes gleich. Die
Leibesfrucht der Thiere, welche auf dem Uebergange zum Da-
seyn und Leben steht, welche zwar das Empfindungsvermö-
gen in der Anlage (in potestate), aber in keiner bemerkbaren
Thätigkeit, besitzt, lebt auch dieses vegetabilische Leben; aber
obgleich das Leben der Gewächse dem schlafenden Leben des
Thieres gleicht, ist es doch kein wirklicher Schlaf; denn dieser
*) Es ist wohl überflüssig, zu bemerken, dass das Wort Bewegung
hier einen beschränktern Sinn hat, als nach unserm gewöhnli-
chen Sprachgebrauche.
28 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
ist nur ein Gegensatz zu einem wachenden Zustande ; die Pflan-
zen aber können nicht erwachen. (De Somno et Vigil., C.].
Gener. Anim., V, 1.)
S. In jedem organischen Körper ist die Seele der Grund
oder das Princip des Lebens; desshalb ist sie einzig und un-
theilbar. Aber in der Anlage (in potentia) kann sie mehre ein-
schliessen, und bei den Pflanzen können diese auf gewisse Weise
unendlich viele genannt werden, die Pflanzen können nämlich, in
mehre kleinere Theile getheilt, in jedem Theile Leben behalten,
und jeder kann zu einem neuen, vollständigen Individuum ausgebil-
det werden. Aus einem Baume, welcher als Individuum nureine
Seele (ein gemeinschaftliches Lebensprincip) hat, kann eine un
endliche Menge von Individuen entstehen. Die Ursache dieser
sind die Knospen oder Glieder, welche sich an dem G&ewächse
finden; solche aber kommen nicht an jedem beliebigen Puncte
vor; so wie die niedrigsten Gliederthiere, auf dieselbe Weise
zertheilt, neue Individuen hervorbringen. Auch ein Insect, wel-
chem man Kopf und Hintertheil abgeschnitten hat, lebt in sei-
nem mittlern Theile fort, welcher der Sitz des Herzens ist, aber
nicht lange, da ihm die Organe zur Erhaltung des Lebens feh-
len. Die Pflanzen dagegen haben Knospen, welche Vermittler
zwischen Wurzel und Stamm sind, in welchen Embryone der
vegetativen Seele schlummern, und daher können die Theile der
Pflanze, welche jene erzeugen, zu neuen Individuen ausgebildet
werden. Dasselbe, was wir an dem zertheilten Stamme gesche-
hen sehen, geschieht beständig an dem ungetheilten durch neuen
Zuwachs von neuen Zweigen und neuen Wurzeln, während dass
andere verschwinden, wodurch die Pflanzen ein so unendlich
langes Lehen bekommen. (Anim., II, 2. Ju. et Sen., c. 2.
Vit. long. et br., c. 6.)
9. Die Elemente sind ein warmes, ein kaltes, ein festes
und ein flüssiges, deren Verbindungen dem Feuer, der Luft, der
Erde und dem Wasser entsprechen (diese hervorbringen). (@e-
ner. et Int. II, 1, 2, 3.) Die einfache Genesis der Naturkörper
geschieht durch Verbindung des trocknen und des nassen Elemen-
tes, aus deren Theilen sie zusammengesetzt sind, und welche
ihre passive Materie ausmachen; aber sie werden nach ‚ihren
Qualitäten durch das warme und kalte bestimmt, welche active
Kräfte sind. Das trockne Element ist das vorherrschende in der
Erde, das nasse im Wasser. Da alle zusammengesetzte Körper
aus Erde und Wasser bestehen, so liegt ihr materieller Unter-
schied in deren verschiedenen Proportionen. Die Erde ist auch
das Ueberwiegende von den Bestandtheilen der Pflanzen, indem
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 29
die Erde ihre Wohnstätte ist*). Wenige leben im Wasser.
Darum saugen sie so leicht ihre Nahrung aus der Erde auf,
weil sie aus gleichartigen Bestandtheilen mit ihr bestehen. (Me-
teor. , IV, 1. Gen. Anim., III, 2.)
10. Aus den angegebenen Elementen bilden sich die ein-
fachsten inneren (Elementar-) Organe der Pflanzen, welche
gleichwohl unter einander in bestimmte, verschiedene Gebilde
und zu verschiedenen Verrichtungen gesondert sind**). Aus
diesen Elementarorganen werden nachher ihre verschiedenen
äusseren T'heile, als Blätter, Rinde, Holz, Wurzeln, zusammen-
gesetzt: (Meteor., IV, 10.) Die besonderen Theile der Pflan-
zen sind Organe, von denen jedes seine bestimmten Verrich-
tungen hat; es sind aber ihrer wenige, einfache, weil die Ver-
richtungen der Pflanzen weder zahlreich, noch sehr complieirt
sind, da das Pflanzenleben keinen andern Zweck hat, als Er-
nährung und Fortpflanzung; ihrem Wachsthum an Grösse ist
auch eine bestimmte Gränze gesetzt. Alle Organe für eigne
Bewegung fehlen, weil die Pflanzen an der Erde festgewachsen
sind, und weil sie kein Empfindungsvermögen besitzen. (Anim.,
II, 1. Part. Anim., II, 10. Physic., I, ec. 4, 7.)
1l. Alle Theile eines Naturkörpers hönnen nach ihrer Lage
auf einen obern und einen untern Theil, eine rechte und eine
linke, eine vordere und eine hintere, Seite zurückgeführt wer-
den. Die Thiere, als die vollkommensten Naturerzeugnisse, be-
sitzen diese sämmtlichen drei Dimensionen ausgebildet; aber die
Pflanzen haben nur einen obern und einen untern Theil. Alles,
was lebt, muss Bewegung haben, wenigstens nach zwei entge-
' gengesetzten Richtungen hin. Diese einfachste Bewegung ist
der Wachsthum der Pflanzen (nach zwei entgegengesetzten
Richtungen), die Thätigkeit der vegetativen Seele — und da
die Pflanzen keine andere, als diese einzige zum Aufziehen der
Nahrung besitzen, so findet sich bei ihnen bloss die erste der
drei genannten Dimensionen. Die Anordnung der Organe nach
einer rechten und linken Seite bei den vollkommneren Naturer-
*) Empedokles hatte angenommen, die Pflanzen beständen aus
Erde und Feuer und das letztere wäre die Ursache ihres Wach-
sens nach oben, die erstere dagegen vou dem nach unten. Arist.
Anim. II, 4. Nach Anaxagoras wäre die Erde ihre Mutter,
die Sonne ihr Vater.
**) Freilich richtig; aber zu dAristoteles’s Zeitahne Vergrösserungs-
gläser nicht möglich, sie klar zu unterscheiden. Da Aristoteles
sie nicht näher augiebt, so glauben wir, nach Theophrastus,
erklären zu müssen, ‚dass dieselben das Fleisch (entsprechend dem
Zellgewebe), die Fasern und die Venen seien.
30 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. |
zeugnissen ist eine nothwendige Bedingung zu ihrer Bewegung,
und die Anordnung nach einer Vorder- und Hinterseite ist noth-
wendig zu ihrem Gefühls- oder Perceptionsvermögen, welches
alle edelsten Organe concentrirt erheischt*). ( Coel., II, 2.)
12. Der Gegensatz zwischen einem obern und einem untern
Theile ist der Grund der Länge. Da nun die Pflanzen bloss
einen obern und einen untern Theil haben, so wachsen sie
hauptsächlich nach der Länge. Der obere Theil der Pflanzen
oder der, welcher die Nahrung einzieht, ist jedoch bei ihnen
eigentlich der untere, und der untere Theil der Pflanzen oder
der, welcher die Nahrungsstoffe (nach der Blume und dem
Samen) absondert, wird zum obern, wenn man die Pflan-
zen mit den höher ausgebildeten Thieren oder in Beziehung
auf das Weltall vergleicht; das Obere ist nämlich oft ganz an-
ders zufolge seiner Lage, und ganz anders zufolge seiner wirk-
lichen Function. Bei den Naturerzeugnissen ist seiner Bedeu-
tung nach dasjenige das Obere oder der Kopf, welches die
Nahrung einnimmt,**) und das das Untere, welches dieselbe
absondert. Daher ist die Wurzel eigentlich der Kopf der Pflan-
zen, ihr oberer Theil, der Stengel, aber, als Vegetationsorgan
der untere; denn die Pflanze ist in dieser Beziehung ein umge-
kehrtes Thier. Dies steht in unzertrennlichem Zusammenhange
mit ihrer Bestimmung, Nahrung aus der Erde zu entnehmen,
wesswegen die Nahrungsorgane dieser zugekehrt seyn müssen.
Das Vermittelnde zwischen dem obern und untern Theile, wel-
ches dem Herzen bei den Thieren entspricht, sind die Knospen
der Pflanzen, welche die Embryone zu neuen Pflanzenseelen in
sich schliessen. (Anim. Ine., c. 4. Wit. long. et br., e. 6.
Tu. et Senect., ce. 1. Anim., II, e.4. Phys., II, e.'8.)
IL. Äussere Organe der Pflanzen und deren
Bedeutung.
13. Die Wurzeln saugen die Nahrung aus der Erde auf
und entsprechen solchergestalt dem Kopfe und dem Munde der
Thiere. (S. oben.) Sie werden während des Keimens der
*) Diese Erklärung ist zwar mehr speciös, als streng erweislich; aber
als bemerkenswerth dürften wir daran zu erinnern haben, dass
man bei den Pflanzen ein Rechts und Links nur bei denen unter-
scheidet, welche einen sich schlängelnden (volubilis) Wuchs be-
sitzen, da es denn bestimmt ist, dass dieser entweder nach rechts,
oder nach links, gehe.
*+) Schon früher von Empedokles angenommen, welcher die Blät-
ter der Pflanzen mit den. Schuppen der Fische und den Haaren
der (Säng-) Thiere u. s. w. verglich, -
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 31
Pflanze zuerst ausgebildet, und danach der Stengel. (Gen.
Anim., II, c. 6.) Der erste Entwurf der Wurzel kann mit den
Nahelgefässen eines Embryos verglichen werden; denn ein Em-
bryo, welcher auch, wie die Pflanze, festgewachsen ist, zieht
Nahrung aus dem Mutterleibe, wie die Wurzel aus der Erde.
Die Wurzelzäserchen entsprechen vollkommen dem Darmgekröse
mit dessen Fäserchen bei den Thieren; denn die Erde ist für
die Pflanze ganz dasselbe, was für das Thhier die in jenem ein
geschlossenen Nahrungsstoffe sind. (Gen. Anim., II, ce. 4.
Part. Anim., IV, ce. 4.) bei mehrjährigen oder baumartigen
Pflanzen sterben gewisse-Theile ab, und neue erzeugen sich an
ihrer Stelle. (Wit. long. et brev., c, 6.)
14. Die Stengel sind eigentlich der untere Theil der
Pflanzen, indem sie Absonderungsorgane für die Blume und den
Samen sind. Sie sind langgestreckt und rund, weil die Bewe-
sung der Pflanzen einfach (der Wachsthum geschieht nur nach
einer Richtung), nicht dreifach, wie bei den Thieren, ist. (A.
a. O. und Part. Anim., IV, ce. 10.)
15. Die Blätter. sowohl die des Stengels, als die Blu-
menblätter, sind eine Vorbereitung (Hülle) und Bekleidung der
Frucht; sie stellen sich im Kranze um die Frucht (umgeben sie).
Sie sind von Adern durchzogen. welche die Nahrung herum-
führen, wie die Adern der Thiere. Von verweseten (vertrock-
neten) Blättern bleiben nur die Adern zurück. (Anim., II, c.1.
Part. Anim., III, ce. 5.)
16. Die Blumen entwickeln sich vor der Frucht, so dass '
man sie mit der Pubertät bei den Thieren vergleichen kann.
(Hist. Anim., VII, ce. 1.)
17. Die Ausbildung der Frucht*) und des Samens ist
die hauptsächliche und fast einzige Function des Pflanzenlebens.
Frucht und Samen sind identisch; aber Frucht heisst das, was
der Beschluss von etwas Vorhergehendem ist; Same das, was
der Anfang ist von etwas Neuem. (Gen. Anim., I, ec. 4, 17.)
18. Fruchthülle (Meegwxdgruov) ist derjenige Theil, wel-
cher den Samen umgiebt und bedeckt. (Anim., II, c. 1.) Bisweilen
l:önnen ihrer zwei (oder mehre) verwachsen. (Gen. Anim., IV, c.
4) Fehlt diese Umkleidung, so sind die Samen entweder dem
Kelche, oder kleinen Zweigen angeheftet. (A. a. O.; III, c. 2.)
un
*) Ist, wie aus dem Folgenden erhellt, nicht identisch mit dem, was
wir jetzt Frucht nennen. — Es rührt wohl vom Fehlen des Sa-
meneiweisses und der fleischigen Herzblätter her, wenn es von den
Samen der Leguminosen heisst: dia To yns eivar To mAtiorov 18008.
Part; Any IE; 'T.
32 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
19. Die Samen sind als Exeremente der Pflanzen zu be-
trachten; denn da die Wurzel zu ihrer Nahrung keiner anderen
Stoffe bedarf, als der schon zum voraus in der Erde bereit
liegenden, so geht keine solche innere Kochung vor, wie bei
den Thieren. Desswegen fehlt bei den Gewächsen jene grobe
Secretion von verzehrten Nahrungsstoffen, wie sie bei den Thie-
ren abgesondert wird. An ihrer Stelle bilden sich bei den Ge-
wächsen als äusserstes Resultat des Ernährungsprocesses die
Blume und die Frucht aus. Desswegen lösen und sondern sich
diese von der Mutterpflanze ab, weil sie zum Bestehen der
Pflanze nicht nothwendig sind. Die Nahrung wird bei den Thie-
ren von oben nach unten geführt, bei den Pflanzen umgekehrt,
weil die Lage der Theile umgekehrt ist. (Part. Anim., II,
c. 3, 10.) |
20. Die Samen schliessen das Lebensprincip in sich ein, sind
folglich das Organ der Fortpflanzung und der Anfang neuer In-
dividuen. (Phys., I, ce. 7.) Der Same selbst ist aus zwei über
einander liegenden Schalen (den Herzblättern) gebildet, und im
deren Vereinigungspunct ist der Sitz des Lebensprincipes des
Individuums (denn alles Organische muss einen obern Theil ha-
ben, welcher die Nahrung aufnimmt, einen untern, welcher sie
absondert, und einen mittlern, von welchem das Lebensprineip
ausgeht), und von diesem spriesst der erste Entwurf der Wur-
zel nach unten und der Blattkeim (Biaoröos) nach oben aus. Das
Uehrige im Samen besteht aus dem Samenweiss, welches der
zarten Pflanze die erste Nahrung giebt, bis sie sie selbst assi-
miliren kann. (Gen. Anim., II, c. 2,4, I, c. 23.)
HEE. Der Vegetationsprocess der Pflanzen.
31. Untersucht man, wie sich das Thier oder die Pflanze
aus ihrem Samen bilden, so muss man sich erinnern, dass sich
nur Das zum Daseyn (in actu) ausbildet, was in der Anlage
(in potestate) im Samen liegt — dass nach der Ausbildung des
Samens die Lebenskraft jeden Theil desselben durchströmt, dass
aber nachher die Eigenschaften der Theile, als Weichheit, Fe-
stigkeit, äussere Bekleidung, durch äussere Momente, als Kälte,
Wärme, bestimmt werden; aber, der Grund selbst für das Vor-
handenseyn eines jeden Theils ist in dem Impulse zu suchen,
welcher in der Generation gegeben worden ist Da sich dem-
nach Nichts selbst erzeugt, aber ein erzeugtes Etwas sich selbst
ausbildet, so muss Alles zuerst in seinem Prineip eingeschlos-
sen seyn. Dieses ist das Herz bei den Thieren, und bei den
Pflanzen sind es die Knospen oder der Wurzelhals, der Verei
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 33
nigungspunct zwischen Wurzel und Stengel. (Gen. Anim., II,
c. 1, sehr ausführlich.)
22. Der Ernährungsprocess , welcher eine nothwendige Be-
dingung für alles Lebende ist, gehört sowohl der Quantität, als
der Qualität der Naturerzeugnisse an. Er bewirkt, dass das,
was lebt, sowohl bleibt, als wächst; wesshalb das Individuelle
so lange lebt, als es ernährt wird, und stirbt, wenn der Ernäh-
rungsprocess aufhört. Um des Ernährungsprocesses willen haben
die Pflanzen eigene Wärme. (Anim., IL, ce. 4.)
23. Beim Ernährungsprocesse sind insonderheit drei Ge-
sichtspunete zu unterscheiden, das, was ernährt, das, was er-
nährt wird, und das, wodurch dasselbe ernährt wird. Das, was
ernährt, ist die Lebenskraft, welche die vegetative Seele ge-
nannt wird — das, was ernährt wird, sind deren Organe oder
der Körper — und das, wodurch dieser ernährt wird, sind die
zugeführten Nahrungsstoffe. (Anim., II, e. 4.)
24. Alles wird durch Stoffe ernährt, welche ihm homogen
sind; aber alle irdische Körper bestehen aus einfacheren Ele-
menten. In die Zusammensetzung aller irdischen Körper tritt
Erde ein, zugleich aber auch Wasser, damit die erdigen Parti-
keln zusammengehalten und geordnet werden. Für die Pflanzen,
welche die Nahrungsstoffe nur in deren einfachster Gestalt zu
absorbiren scheinen, liefern Erde und Wasser diese; aber die
Nahrungsstoffe, welche aufgesogen werden, müssen gekocht und
danach assimilirt werden, um mit dem Körper in Verbindung
treten zu können. (Anim., Il, e. 4. Gen. et int, I, c.8)
25. Die Assimilation wird durch die Wärme vermittelt,
welche das trockene und das feuchte Element besiegt und das
Verschiedenartige absondert und das Gleichartige wieder verei-
nigt und somit die erste Veränderung für die Möglichkeit der
Assimilation bewirkt. Die Wärme ist es, welche während des
Ernährungsprocesses die schwereren Theile absondert, wodurch
ihre salzigen und bitteren Bestandtheile entstehen, die leichteren
aber absorbirt; denn alles eigentlich Nährende ist süss. ( Sen.
et Sen., c. 4. Meteor., IV, init., Part. An., II, c. 3.)
26. Diese Einwirkung der Wärme auf den Ernährungspro-
cess heisst die Kochung der Nahrungsstoffe, welche man deut-
lich bei den Früchten der &ewächse oder richtiger in ihren Sa-
menhüllen (Zeoıx«erıe) wahrnimmt, in denen die am meisten be-
merkbaren Veränderungen im Geschmacke, nach ihren verschie-
denen Graden der Reife, geschehen. Wenn. die Kochung des
Nahrungssaftes abgeschlossen ist, so ist auch die Frucht
reif, und es wird auch der Same, als äusserstes Resultat
3
34 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
des ganzen Ernährungsprocesses abgesondert. (Meteor, IV,
c. 2, 3.)
27. Crudität ("AQuozns) , der Gegensatz der Kochung, ist ein
unvollkommener Zustand, entstanden durch unzulängliche Ko-
chung, entweder wegen mangelnder Wärme, oder wegen allzu-
grosser Menge von Feuchtigkeit, wie man aus unreifen Früch-
ten, besonders in feuchten Jahren, sieht. (Meteor., IV, ce. 2, 3.)
Wie alle lebenden Körper haben auch die Pflanzen eine innere
gebundene (?) (oissios, pvorzos, natürliche*)) Wärme, deren Er-
haltung die Luft vermittelt. (Juv. et Sen., 6.) Wird diese
Wärme von einer fremden besiegt, so geht die Pflanze in Ver-
wesung über. (Meteor., IV, e. 1.)
38. Vergleicht man den Ernährungsprocess der Pflanzen
mit dem der Thiere, so findet man, dass die Nahrungssäfte,
welche die Pflanzen dnrch die Wurzeln aus der Erde aufsaugen,
auf gewisse Weise schon vorbereitet und digerirt sind. Die
Erde ist nämlich für die Pflanzen, was für die Leibesfrucht die
Gebärmutter; wie in dieser die Nahrungssäfte vorbereitet wer-
den, durch welche die Frucht ernährt wird, so werden auch in
der Erde durch das Auflösen (Kochen) der Erdpartikeln von der
Wärme die für die Pflanzen passenden Nahrungsstoffe bereitet.
Die Wurzelzasern sind für die Pflanze das, was die Nabelge-
fässe für den Fetus und die Gefässe des Darmgekröses für das
Thier sind. (Part. Anim., I, c. 3, 4. Gen. Anim., 1, c. 4,7.)
29. Aber aus allen primitiven Nahrungssäften entsteht durch
fernere innere Kochung ein höher veredelter oder ein letzter,
welcher bei den Thieren das Blut ist; bei den Pflanzen ist die-
sem der Nahrungssaft analog, welcher, vom Stengel und von
den Blättern vorbereitet, in die Blume und Frucht niedergelegt
wird; er ist aber zugleich in allen Theilen der Pflanze verbrei-
tet, welche von ihm ernährt werden und durch ihn wachsen
(Part. Anim., II, 10. Hist. Anim., IV, 6.); am reinsten aber ist
er in der Frucht. (Gen. Anim., IL, c. 20.)
30. Unter der Kochung der Nahrungsstoffe entsteht aus
den dienlichen Theilen der edlere Nahrungssaft; die undienlichen
dagegen werden als Excremente abgesondert. Die Pflanzen
haben eigentlich keine solche, da ihre Nahrungssäfte in der
*) Dass die Pflanzen keine eigene "Temperatur besitzen (aber sie
wohl während gewisser Vorgänge, wie z. B. die Blüthenscheide
bei einigen Aroideen während der Befruchtung entwickeln, ), ist
jetzt ausgemacht; wenn aber Aristoteles sagt, sie werde von
der Luft erhalten, so ist es mir nicht klar, wie man seine Mei-
nung deuten soll; Einige übersetzen ‚, Calor innatus.“®
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 35
Erde vorbereitet sind; was von dem veredelten übrig bleibt,
geht in die Frucht und den Samen über, welche als eine Art
Excremente anzusehen sind. (Part. Anim., II, c. 10.) Daher
giebt es einen bestimmten Antagonismus zwischen dem Wachs:
thume des Krautes und der Samenbildung; je stärker eine Pflanze
heranwächst , desto wenigere Samen giebt sie, und umgekehri,
je weniger sie wächst, desto zahlreicher werden die Samen.
Dies ist die Ursache, aus welcher so viele mehrjährige Pflanzen
nach ungewöhnlicher Fruchtbarkeit absterben, andere einjäh-
rig werden, und solche die meisten Samen (verhältnissmässig
zu den verwandten mehrjährigen) geben. (Gen. An., III,
..1, 4.)
31. Das letzte aus der Nahrung hervorgehende Resultat
ist folglich seiner Qualität nach allezeit unbedeutend gegen die
primitive, welche verzehrt ward. Dies ist nothwendig; denn
wenn sich nicht bloss ein sehr geringer Theil dem Körper assi-
milirte, so würden T'hiere und Pflanzen bis in’s Unendliche fort-
wachsen. (Gen. Anim., IV, 1, auch /, 18.)
32. Wie die Fetus der Thiere im Mutterleibe sich wohl
befinden, wenn ihnen gute und reichliche Nahrung zugeführt
wird, aber übel, wenn diese gering und undienlich ist, eben so
ist das Verhalten bei den Pflanzen in Beziehung auf die Erde.
So wohl das Gedeihen der Pflanze selbst, als ihr Fruchtansetzen
hängt von ihrem Standort (Solum, Statio) und dem Klima
(Regio) ab. Daher verändert sich das Aussehen nach dem
Standorte, auch bei denjenigen Pflanzen, welche aus Samen von
weit entlegenen Ländern gezogen worden sind. ( Hist. Anim.,
V, c. 2. Gen. Anim., Il, e. 4.)
33. Das Bestreben des Ackerbauens geht darauf hinaus,
die Erde dadurch fruchtbarer zu machen, dass eine grössere
Menge von vorbereiteten. gekochten Nahrungsstoffen (verbrann-
tem, verfaultem Dünger), die den Pflanzen dienlich sind, in die
Erde gebracht wird. Die Pflanzen, welche sich in so zuberei-
teter Erde ziehen lassen und zufolge ihrer Natur diese kräftig-
ste Nahrung aufsaugen, nennt man zahme; aber es gieht an-
dere Pflanzen, denen die Natur die Eigenschaft mitgetheilt hat,
sich nur von den Stoffen zu ernähren, welche die erst erwähn-
ten verwerfen, und die daher nicht eultivirt werden können und
wilde genannt werden. (Problem., XX, 12.)
34. Der andere Nahrungsbestandtheil der Pflanzen, das
Wasser, hat einen bemerklichen Einfluss auf sie, so dass die
verschiedene Temperatur desselben mehre ihrer Qualitäten be-
stimmt; Regenwasser wirkt vortheilhafter auf den Wachsthum,
3%
\
36 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
als Bewässerung. Auch der Geschmack hängt vom Wasser ab;
so viele Abänderungen des Geschmacks sich in der Erde finden,
finden sich auch bei den Pflanzen, und die zahlreichsten Abän-
derungen im Geschmacke findet man in den Früchten der Pflan-
zen. Der Geschmack ist eine Qualität des feuchten Elementes,
dadurch hervorgebracht, dass die Natur durch die vertheilende
Kraft der Wärme mittels des Wassers die erdigen Theilchen
so auflöst, dass sie durch den Geschmack wahrgenommen wer-
den. Es ist daher nicht zu verwundern, dass abgepflückte Früchte
in der Sonne oder am Feuer ihren Geschmack verändern; denn
die Wärme verändert die Qualität des in der Frucht eingeschlos-
senen Saftes. (Zst. Anim., VII, ce. 19. Sens. et Sens. ce. 4.)
35. Der Ernährungsprocess bestimmt auch die Farbe der
Pflanzen. Bei Allem, was sich unmittelbar aus der Erde ent-
wickelt, ist die grüne Farbe die ursprüngliche. Durch den Ko-
chungsprocess der Nahrung werden die übrigen hervorgebracht;
auch die grünen Theile bekommen, älter werdend, eine dunklere
Farbe. Die letzte Ursache der Farbe ist jedoch die Sonne,
deren Licht und Wärme auf die Säfte der Pflanzen einwirkt;
daher sehen wir auch dieselben Veränderungen an abgepflück-
ten Früchten. Durch Mischung der Grundfarben entsteht die
unendliche Farbenschattirung, welche wir in den Blumen der
Gewächse gewahr werden. (Color., 5, auch Gen. Anim., V, e.6.)
36. Die Pflanzen sind denselben periodischen Veränderun-
gen, wie die Thiere, unterworfen, der Jugend, dem Mannesalter
und dem hohen Alter (Meteor., I, c. 14.); wie aber die Pflan-
zen mehr von der atmosphärischen Luft abhangen, so durch-
laufen sie ihre Alterszeiten nach den Jahreszeiten Gegen das
hohe Alter wird Alles trockner und kälter; Alles aber, was lebt,
ist feucht und warm. Desshalb eilt das Alter dem Tode durch
das Verschwinden der Feuchtigkeit und der Wärme zu. So se-
hen wir immer, dass grössere und sehr saftige Gewächse (suec-
culentae) zäheres und längeres Lebens sind, als solche, deren
Säfte schnell wegtrocknen. (Wit. long. et br., c. 4,5, 6.) Der
natürliche Tod der Gewächse ist ein Vertrocknen. (Idespir., ce. FP3
37. Aber das Leben schwindet nicht allein durch das Ver-
schwinden der Feuchtigkeit, sondern auch durch das Abnehmen
der innern Wärme, welches am häufigsten durch die Kälte der
umgebenden Atmosphäre verursacht wird. Im Sommer tödtet
die Wärme die Pflanzen durch die Zerstörung des feuchten Ele-
mentes, im Winter der Frost durch die Zerstörung des warmen.
(luv. et Sen.,_c. 4.)
38. Der Ursachen der verschiedenen Dauer der Pflanzen
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 37
gieht es mehre. Einige dauern nur ein Jahr lang, einige mehre,
einige ‚eine lange Reihe von Jahren hindurch aus. Einjährige
Pflanzen sind mehrentheils kleiner und werden schnell saftlos;
sie ‚bringen daneben eine grosse Menge von Samen hervor; da
aller Nahrungssaft in ihnen absorbirt wird, so bleibt keiner zum
Unterhalte des Individuums übrig. Auch die Bäume sterben ab,
wenn. sie in einem Jahr eine ungewöhnlich grosse Menge von
Früchten hervorgebracht haben; denn die Nahrungssäfte, welche
zum 'Fruchtansatz abgehen, werden dem Gewächse für seine Er-
haltung entzogen. Die Gewächse, welche am längsten leben, sind
die Palmen. (Vit. long. et brev., ec. 1,4. Gen. Anim,, III, c.1,4.)
39. In gewisser Hinsicht können auch die Bäume (und die
vieljährigen Pflanzen) einjährige genannt werden, da sie nur
durch das Ansetzen neuer T'heile mehrjährig werden. Die Le-
bensstadien der Gewächse werden desswegen nach den Jahres-
zeiten berechnet, da die Jahre wenig bemerkbare Veränderun-
gen herbeiführen. (Gen. Anim., V, 3.) 5
40. Die am meisten in die Augen fallenden Veränderungen
der Gewächse sind das Ausspriessen und das Abfallen des Lau-
bes, welche ganz und gar nach den Jahreszeiten bestimmt wer-
den. ‘Wie die Menschen gegen das Alter kahl werden, verlieren
die Bäume gegen den Winter ihr Laub. Da das Abfallen des
Laubes durch. verminderte Feuchtigkeit und Wärme bewirkt wird,
so bleibt es bei den Gewächsen mit vielen saftigen Blättern
aus; denn diese grünen beständig. (Eben da.)
IV. Die Fortpflanzung der Gewächse.
41. Da alle Wesen zur Theilnahme an der Natur der Gott-
heit hinstreben, deren Bedingung Unvergänglichkeit ist, Alles
aber, was materiell ist, vergänglich seyn muss, so kann Jenes
nur durch neue Erzeugung geschehen, so dass das eine Indivi-
duum. das andere ahlöst. Desswegen ist es ein den Thieren
und Pflanzen gemeinschaftlicher Naturtrieb, ihres Gleichen her-
vorzubringen ; der letzte Zweck der Pflanzen ist das Samenan-
‚setzen. : Das Prineip der. Generation ist die zengende- Seele,
welche, wie wir bereits bemerkt haben, mit der ernährenden
identisch ist; $ 5. (Anim., DI, c. 4, VII, e. 1. Polit., J,
Bra T | '
42.. Alle Generation geschieht durch Samen; der Same
wird von dem letzten und edelsten Nahrungssafte bei dem Na-
turerzeugnisse bereitet, von welchem er abgesondert wird.
(Gen. Anim., 1, 18.) Es ist ein und dieselbe Kraft, welche
durch die Nahrungsstoffe den Wachsthum und die Erhaltung
38 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
des Körpers bewirkt, und aus ihnen den Samen bildet, welcher,
da er in der Anlage Leben und Seele hat, das Mittel zur Fort-
pflanzung und der Anfang neuer Individuen ist. (Anim., II, 1.)
43. Aus jedem Samenkorn entsteht allemal ein Individuum
derselben Art; denn Nichts entsteht durch zufällig vereinte und
gemischte Theilchen, sondern Alles nach dem Gesetze, welches
in das Wesen (’Ovoi«) eines jeden Naturerzeugnisses niederge-
legt ist. ( Phys., II, ec. 4. Gener. et Inter., Il, 6.)
44. Ausserdem vermehren sich die Pflanzen auch durch
Wurzelschösslinge ; denn solche geben alle ab, welche Knospen
haben — und durch Seitenzwiebeln, welche als unausgebildete
zusammengezogene Wurzelschösslinge zu betrachten sind. (Ge-
ner. Anim. III, c. 2.)
45. Alle Thiere und alle Pflanzen haben ein männliches
und ein weibliches Princip, deren Vereinigung eine nothwendige
Bedingung zu jeder Zeugung ist. Das weibliche Princip erzeugt
die Materie des Emhryos, das männliche dessen Form und Ge-
stalt. Das erstere ist die Bedingung (Receptaculum) für die
Generation; von dem letztern geht die erste Bewegung und Thä-
tigkeit des Lebens aus. (Gen. Anim., I, %, 21.) Hieraus er-
hellt, dass keines von beiden für sich allein generiren könne,
sondern nur beide vereinigt. Aber bei den meisten Thieren sind
diese Principe getrennt, so dass das eine Individuum männlich,
das andere weiblich ist, obzwar diese beiden nur eine Art aus-
machen. So ist es angeordnet, weil die Natur der Thiere ed-
ler ist, als die der Pflanzen, und jene von diesen sich durch
das Empfindungsvermögen unterscheiden ; da dieses bei der Em-
pfängniss vom Vater erzeugt wird, welcher das active Princip
ist, so hat die Natur ihn von der Mutter, welche das passive
ist, getrennt. (Gener. Anim., I, c. 23, UI, 15.) Aber nicht so
bei den Pflanzen, bei denen die Generation nur ein passiver Vor-
gang ist; gerade desswegen mussten die Geschlechter bei die-
sen (typisch) mit einander vereinigt seyn, und darum kann man
von den Pflanzen wohl sagen, dass sie empfangen und gebären,
aber nicht, dass sie sich paaren. (Anim., IV, ce. 2. u.a. m. St,)
46. Die Samen der Gewächse werden weder von dem männ-
lichen, noch von dem weiblichen allein erzeugt, sondern durch
die Vereinigung beider, wie die Leibesfrucht bei den Thieren,
(Gen. Anim., I, 18. II, 4.)*) Ohne vorhergehende Paarung ge-
*) So scharfsinnig Aristoteles auch in die Generalion der Pflan-
zen, in die Geschlechtstrennung der diklinischen Gewächse u. s.
w. schaute, welche bis zu Linne’s Zeit nicht allgemein ange-
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 39
legte Vögeleier gleichen darin den Samen der Gewächse, dass
sie in der Anlage (in potestate) bloss ein vegetatives Lebens-
princip von der Mutter, aber kein sensitives haben. (Gen
Anim., III, e. 7.) Die Samenabsonderung der Pflanzen kann
man nicht mit der Paarung der Thiere identisch nennen; aber
sie wird durch eine Erweckung (stünulus) vorbereitet, nach wel-
cher sie zu bestimmten Jahreszeiten Samen ansetzen. Schon
danach ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Theile der Pflanze
zur Samenbildung. beitragen; ein abgeschnittener Zweig kann
auch Samen ansetzen; Pflanzentheile können vorher abgefallen
seyn und neue danach entstehen. Eben so wenig finden sich
alle Pflanzentheile auf einmal bei einer Pflanze zur Stelle; eimige
werden abgesondert, andere entstehen nach und nach. (Gen.
Anim., I, e. 18.)
47. Obgleich es (in Folie der freiwilligen Bewegung) das
Normale im Thierreich ist, dass die Geschlechter getrennt seyn
sollen, so sind diese bei den, wie die Pflanzen, festgewachsenen
Thieren (wie die Zoophyten) und den eingesperrten (wie die
Mollusken, "Ooreaxoö£geua), welche keine ganz freiwillige Bewe-
gung haben, vereinigt. Ein entgegengesetztes Verhältniss findet
auch bei einigen Pflanzen Statt, bei welchen die Individuen be-
stimmt verschieden, und von denen einige fruchttragend, andere
steril sind. Die letzteren, welche dem männlichen Geschlechte
bei den Thieren entsprechen, tragen wesentlich zur Befruchtung
bei. (Gen. Anim., I, c. 1, II, e. 5. Hist. Anim,, IV, ce. 11.)
48. So verhält es sich beim Feigenbaume (Ficus), welcher
das fruchttragende oder weibliche Geschlecht des wilden Feigen-
baumes (Caprificus) ist, der bloss sein unfruchtbares Geschlecht
oder seine männliche Pflanze ist; zusammen aber machen sie
nur eine Art aus, bei welcher die Natur die Anordnung getrof-
fen hat, dass die Befruchtung durch ein Insect vermittelt werde
(Hist. Anim., V, c. 32.)
49. Da die Samen der Pflanzen die Secretionen (Excre-
mente) der Pflanzen sind; so werden dadurch mannichfäaltige
Verschiedenheiten erklärt. Einige geben eine grosse Menge
Samen ab, wodurch alle Nahrungssäfte zur Samenbildung absor-
birt werden, und solche Pflanzen werden dadurch einjährige.
——
nommen war, ergiebt es sich doch deutlich, dass er ihre Sexual-
organe nicht kannte. Im Gegentheile nimmt er esnach Empedo-
kles als ein Axiom an, dass die Geschlechter bei den Pflanzen
nicht getrennt seien. Noch dentlicher ersieht man dies aus dem
Theophrastus, welcher z. B. das Kätzchen bei der Hasel-
staude für eine Art Galläpfel erklärt.
f
Y?
[7
40 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre.
Andere assimiliren selbst zum Bestehen des Individuums einen
grossen Theil des Nahrungssaftes; solche geben eine geringe
Quantität Samen und werden vieljährige. (Gen. Anim., UI, e.1.)
Es ereignet sich auch, dass Pflanzen keine Samen absetzen;
da muss denn durch die Stockung dieses Nahrungssaftes sein
Ueberfluss an die übrigen Theile der Pflanze vertheilt werden,
welche wir dann ungewöhnlich luxuriirend finden (als doppelte
Blumen). (Gen. Anim., I, ce. 18.)
50. Alles, was durch die Natur geschieht, wird auf eine
bestimmte Weise, oder, ausser dieser, durch Selbsterzeugung,
gebildet. Nicht alle Pflanzen entstehen durch Samen, sondern
es giebt gewisse, welche durch die Selbstthätigkeit der Natur
entstehen, und daher kommt es, dass einige nie anders vorkom-
men, als auf anderen Pflanzen, nämlich auf deren schwindenden
und verfaulten Theilen. Alle Selbsterzeugung bei den Pflanzen
sowohl, als auch bei den Thieren, wird durch Gährung von
Erd- und Pflanzentheilchen hervorgebracht, und die Erklärung
davon ist einfach. Wie die Generation durch die Kochung der
Nahrungsstoflfe, welche bei den Pflanzen Erde und Wasser sind,
mittels der innern Wärme vorbereitet wird, so entsteht Selbst-
erzeugung in der feuchten Erde durch die Kochung derselben
Stoffe mittels der atmosphärischen Wärme, wodurch dasselbe
Resultat, nämlich neuer Same, entsteht*). Dieser Ursprung
kommt den parasitischen Gewächsen zu. (Gen. Anim., L e.1,
IIl, ‘ec. 2.) |
*) Diese dunkle Lehre. welche dem ( 43 widerstreitet, scheint äurch
eine Verwechselung mit der Generatio secundaria entstanden zu
seyu: PMeyen, welcher in neueren Zeiten denselben Satz mit
vieler Wärme verfocht, rechnete dies doch am Ende selhst zu
„seinen Jugendsünden, “
JuE.
Ueber die Namen der Pflanzen *).
Von
‚Dr. Elias Fries.
- Vebersetzt von Dr. €. T. Beilschmied.
Nicht ohne Furcht, als literarischer Abentheurer angesehen zu
werden, begeben wir uns jetzt, nachdem wir auf dem histori-
‚schen Gebiete herumgeschweift**), auf ein neues, uns eben so
fremdes, nämlich das linguistische, — zumal da wir uns zur
Unterstützung unsrer Ansichten, besonders was die Geschichte
der Pflanzennamen betrifft, auf keine Autorität, sondern nur auf
die Resultate berufen können, zu denen wir durch das Studium
der älteren Quellen, unter Vergleichung mit der Natur, gekom-
men sind. Wir kennen die neuere philologische Literatur nicht
hinlänglich,, dass wir unsere Ansichten für neu ausgeben könn-
ten; indess für uns sind sie wenigstens unsre eigenen; daher
wir denn geglaubt, sie in dieser Form darlegen zu müssen, und
zwar — wenn es bekannte Dinge sein sollten — als unverwerl-
liches Mit-Zeugniss für die Richtigkeit der Sache, — wenn
— m
#) .Ofver Vexternes Namn:.... Upsala [ı1842, 64 S. gr. 8.] —
Diese Schrift erschien, wie die vorstehende Abhandlung, in der
Form von Dissertationen zur Erlangung der Magisterwürde, welche
in Schweden von .den betreffenden Decanen geschrieben. werden,
wurde später aber auch von Fries in die von ihm herausgegebenen
Botaniska Utflygter, Bd. I, aufgenommen, in welchen sie
sich p. 113—178 abgedruckt findet.
Ä Anm. d. Red,
++) [Namentlich in: Ueber die N- 'yınphaeaceen bei den Griechen, — Ueber
die Kunde der Pflanzen bei Aristoteles etc. — A. d, Uebers.]
&
42 Ueber die Namen der Pflanzen.
neu — um Berichtigung zu erfahren. Ein Gegenstand kann an
sich für einen eignen und besondern gelten, aber ausser dem,
dass die Bedeutung des Namens gewöhnlich etwas enthält, das
wohl des Kennens werth ist, kommt er zugleich dem Gedächt-
nisse zu Hülfe, wenn er einen wichtigen Character ‚bezeichnet
oder sich auf ein historisches Factum bezieht. Dieses gilt. vor-
züglich von den ältesten Namen, weil der Alten Auflassun
Natur und ihrer Geschöpfe zu einer Zeit, wo es keine Bücher
und Beschreibungen gab, in welchen man seine Weisheit nieder-
legen konnte, in den Namen der Gegenstände ausgeprägt wer-
den musste. Sie sind der Kern (in nace) der Naturkenntniss
der Zeiten, wenn gleich die durch Alter erhärtete Schale zu
brechen jetzt schwer, oft unmöglich ist. Wir werden deshalb
mit Betrachtung der Art und Weise, wie die Etymologie
der Pflanzennamen jetzt gewöhnlich betrieben wird, begin-
nen*). Bei dem Prüfen derselben haben wir uns überzeugt,
dass von solchen isolirten Versuchen wenig Gewinn zu erhof-
fen ist, wenn nicht eine klarere Einsicht in die Geschichte
der Pflanzennamen **) vorausgeht, wozu wir nachher Einiges als
Entwurf mitzutheilen versuchen wollen, obschon, da wir unsers :
Wissens darin gar keinen Vorgänger haben, vom ersten Ver-
suche nicht viel erwartet werden kann. Ist es uns vergönnt,
der Forschung hierin weiter nachzugehen, so hoffen wir wohl
später Vollständigeres und Reiferes zu bieten. Zuletzt gehen
wir an eine kritische Untersuchung über unsre neuern
Pflanzennamen. Wohl kann man von denselben für jetzt
sagen, wie die Hindus von allem was im vierten Jug geschieht,
dass sie keine Geschichte verdienen; da aber die Feststellung
derselben uns eben das Wichtigste ist, so dürfte eine Prüfung
der streitenden Principien, die sich geltend zu machen jetzt mit
einander wetteifern, nöthig sein, nachdem die frühere Linneische
Einförmigkeit, weniger durch Aufgebung ihrer Grundsätze als
durch entstandene neue Fragepunkte, aufgelöset worden ist.
Inwiefern dem Benennen der Naturwesen in der Sprache
im Allgemeinen ein inneres gemeinsames Princip zu Grunde
liegt, welches sich nach gegebenem Gesetze mit dem verschied-
*) Hierüber sprachen wir schon in Botaniska Notiser, 1841, Nr. 6;
von dem dort Gesagten muss des Zusammenhanges wegen die Haupt-
sache hier in gedrängter Darstellung folgen, mit einigen Zusätzen.
*+) Wäre nicht die Sache zu unbedeutend, so würden wir sagen Phi-
E
;
losophie der Pflanzennamen, weil ihr Studium die Auf-
findung der allgemeinen Principien, die ihnen zum Grunde liegen,
erstreben muss. re
Ueber die Naren der Pflanzen. 43
nen Bildungsgrade der Völker ändert, das bleibt einer Folge-
zeit auszumachen überlassen. Hier schränken wir uns, damit
dieser Aufsatz nicht ins Weite gerathe, auf die eigentlich wis-
senschaftlichen Namen, als die einzigen, die für den Botaniker
historisches Interesse haben, ein. In der ganzen ältesten Zeit
fallen dieselben jedoch mit den Volksnamen zusammen, denn da
kam es wohl nie einem Schriftsteller ein, selbst einen neuen
Namen zu bilden: eine Sache, womit sich jetzt jeder Dilettant
gern beschäftigt. Vielmehr glaubten die Alten, ein zu weit ge-
triebenes Studium von Namen lenke vom Auflassen des Wesent-
lichen in einer Sache ab*). Aristoteles, Theophrastus u. A.
bildeten keine. Daraus erklärt es sich, warum für Ursprung
und Bildung der ältesten wissenschaftlichen Namen dieselben
Gesetze gelten, wie für die der Völkersprachen. Alles Bemü-
hen, in die Volkssprache unsre neuen wissenschaftlichen Namen
einzuführen, ist bisher vergeblich gewesen; nur frische Natur-
poesie und Religion leben auf des Volkes Lippen ewig fort.
Beiläufig nur erlauben wir uns Vergleichung mit Benennungen
in neueren Sprachen, obgleich die schwedischen z.B. uns Schwe-
den interessiren könnten **).
HEISSE
*) ,„‚Tum primum homines ipsas res neglexerint, quum nimio stu-
dio nomina quaerere inciperent.““ Galenus.
#*) Die Schwierigkeit, sich hierin einzulassen, liegt in der unsichern
und unzureichenden Kenntniss, die man noch darin hat; wir wissen
aus eigner Erfahrung , dass eine Menge im gothischen oder Göta-
Reiche [sidl. Schweden] allgemein bekannter (uralter) Volksnamen
sonst entweder nicht angeführt oder nur einem einzelnen Orte oder
engen Bezirke zugeschrieben werden. Uns ist es indess gauz klar,
dass in dieser Hinsicht zwischen der Sprache des Svea- [mittl.
Schweden] und der des Göta-Reiches ein wesentlicher ursprüngli-
cher Unterschied stattfindet, welcher zwar bei den grössern Baum-
arten (doch ist z.B. der Svea-Bewohner Name für die Kiefer oder
Föhre, Tall, in den innern Provinzen des Götareiches ganz unbe-
kannt und sie heisst hier stets För, Fur) und allen Handelsartikeln
sich ausgeglichen hat, wobei die Svea- Namen, als in die Schrift-
sprache eingeführt und von den Gebildeten angenommen, an manchen
Orten die der Gothländer immer mehr verdrängen. Die Svea -Na-
men haben gewöhnlich eine selbstständige Ableitung, während die
gothländischen darin fast immer mit den dänischen uud niedersäch-
sischen zusammenfalleu. Als Beispiele führen wir die Namen un-
srer gemeinen Beerenarten an: Erdbeeren: (mittel-) schwedisch
Smultron, — gothl. Jordbär; Heidelbeere: schwed. Bläabär, gothl.
Slinnen; Vaccinium uliginosum: schwed. Odon, gothl. Blabär
(in mehrern Nüancen); Preisselbeere: schwed. Lingon, gothl.
Kröson, [dän. Kröslinger]; Himbeere: schwed, Hallon, gothl,
Bringbär; Rubus saxatilis: schwed. Jungfrubär, gothl. Stenbär\;
Viburnum Opulus: schwed. Olvon, gothl. Ilnabär; Cornus sue-
cica, im Göta-Reiche allgemein Hönsbär. Eben so die meisten
44 Ueber die Namen ..der Pflanzen.
Ferner schliessen wir alle philosophischen Untersuchungen
über den Ursprung der Sprachen aus; ebenso alles rein Linguisti-
sche z. B. über Abstammung eines Thheils der. Namen von. einer
gemeinsamen Ursprache, obgleich die ausgezeichnetern Natur-
wesen meist unter die ersten Gegenstände gehören, die eigne
Benennungen besessen — und die Uebereinstimmung einiger,
gerade der unerklärbarsten, in mehreren europäischen *), Spra-
chen, ohne dass ihre Entlehnung bestimmt behauptet werden
kann, leicht Veranlassung gäbe uns auch darüber zu verbreiten.
Dem Botaniker liegt es aber nicht so nahe, die ursprünglichen
Wurzeln oder deren primitive' Bedeutung zu kennen, ‚als viel-
mehr nur die Bedeutung, die bei der Benamung gemeint, ge-
wesen, die Metapher einzusehen, die bei dem Herüber-
ziehen jener an einen bestimmten Gegenstand zum Grunde liegt.
Wir halten das für einen Fehler im gewöhnlichen Etymologisi-
ren, dass man diese nicht vorzugsweise gesucht hat. Denn nicht
kann ein etymologisches Ergebniss Gewicht haben, wenn man
die Ideenassociation übersieht, die zum Grunde liegen muss.
#, Etymologie der Pfianzennamen.
There is abundant room for the exercise of imagi-
nation in the derivation of names.
Hook ERe
Das angeführte Motto trifft schlagend das im Etymologisiren
über Pflanzennamen jetzt im Schwange gehende Prineip, deutet
aber nach unsrer Meinung auch hinreichend den Irrweg an,
worauf es sich befindet. Wir halten es nämlich für Hauptsache,
Sträucher: Ahamnus cathartica: schwed. Getappel, gothl. ZYal-
björk; Rh. Frangula: schwed. Brakved, gothl.. Torske, (die
Rinde allg. gegen die Schwämmchen /[torsk ] gebr., als Speeificum);
Salix pentandra: schw. Jälster, gothl. Fehare. Ete. Und'so ist es
noch mehr mit den Kräutern, die zwar nach einzelnen Proyinzen
abweichen, so dass es schwer ist, das :Ursprüugliche herauszuschei-
den. Doch sind die Svea-Namen für Farnkräuter? Orıinbunke,
[Filix überh,], Ormris [Pteris aguil ], Fräken [Equisetum fluvi-
atile], u. a. in den innern "l'heilen des Göta-Reiches unbekannt,
wo für Pteris aguil. immer Bräken, [engl. brakes, brakens], für
Equis. fl. Ströple gebraucht wird. Für alle südlichern Pflanzen,
die im mittlern Schweden :(im Svea-Reiche) eingeführt. worden,
hat man ihre südlichern Benennungen angenommen. — Auch auf
'Thiere erstreckt sich solche Namenverschiedenheit, z. B. Wolf:
‚. schwed. arg, gothländ. Ulv; u. s. w.
*) „Wenn der Griechen -#4ı& für stammverwandt mit dem lateinischen
R Salix ‚anzunehmen ist, so:kommt dieselbe Benennung in den mei-
sten europäischen Sprachen wieder‘ (engl. sallow, schwed. Salle
oder Sälg:); ebenso Alnus u. a.
.
Ueber die Namen der Pflanzen. 45
dass die Etymologie klar und’ sicher sei, dass der Einbil-
dungskraft dabei so enge Gränzen als möglich gesteckt werden,
und dass an ihrer Statt die historische Forschung Raum ge-
winne. Aus diesem Gesichtspunkte stellt sie auch Linne in
seiner Philosophia botanica dar. Da aber Linne’s Zweck zu-
gleich war, alle barbarische Namen, d. i. solche die ihre Wur-
zel nicht im Griechischen oder Lateinischen hatten, auszumär-
zen, so behielt er davon nur die bei, für welche sich in den
elassischen Sprachen eine Wurzel (scheinbar) finden liess, wie
fir der Chinesen T’he in Osc, der Araber Coffe in zwgdo, der
Americaner Mamei in fructu mammoso, u. s. w. Linne war
hierin strenger, als selbst Griechen und Römer, die sich oft
barbarische Worte aneigneten, wenn es ihnen an eigenen fehlte,
die sie jedoch nach dem Klange ihrer eignen Sprache milderten.
Jenes hatte indess zur Folge, dass Linne’s Nachfolger für alle
angenommenen Gattungsnamen (auch die alten classischen Na-
men, für welche Linne nur die Autoren citirte) nach der Ety-
mologie suchten, wobei man oft, so scheint es, alle historische,
alle philologische Wahrheit als gleichgültig betrachtete, wenn
man nur eine Ableitung bekam. So entstanden Ableitungen wie
Viburnum „a non vincendo “ (viburnum der Alten war auf jeden
Fall nicht identisch mit unsrem Viburnum, nicht einmal eine
bestimmte Art), Viola von ‚‚ad vias“ oder von der ,‚vo olendi.“
Ohne Rücksicht auf den Ursprung des Namens, ohne Sinn für
die Sprache der Natur, wurde bei der ersten besten Sprache
zugegriffen, aus welcher die Bedeutung des Wortes oft auf die
seltsamste Weise zurechtgeschraubt wurde. Wie solcher Ety-
mologie aller Werth abgeht, zeigen schon die Abweichungen
und Widersprüche: wenn man z. B. Avena verschiedentlich ab-
leitete vom celtischen atan, essen, von advena, F remdling,
von vacuus, leer; oder Milium vom celt. mill, Stein, von mille,
tausend, und von usAvy”*); u. Ss. w. Glaubte man wirklich, dass
an letzteren allen etwas wahr sei? Findet man wissenschaftli-
chen Gewinn: im Vorbringen von dergleichen Unbeweislichem ,
a er Te ET TEE ET TEE TEE EEE EEE TEE ET TEE TEE TEE EEE EEE EEE Ta m a nn
*). Da Plinius sagt: ,, Milium est frumentum ex India allatum“:
so gäbe es wohl mehr Grund, die Wurzel des Wortes im Sanskrit
oder der Sprache des Orients, als im Celtischen, zu suchen.
Hafer kannte man weder in Italien noch in Griechenland als
Getraide, da Plinius (XVIIJ.) desselben als eines den Germanen
augehörenden erwähnt. Deshalb dürfte eine vierte Vermuthung,
dass nämlich in avena eine südlichere Aussprache (b — v) des
germanischen Namens Haber, Hafer, liege, nicht besser sein als
die andere, |
46 Ueber die Namen ..der Pflanzen.
wo nicht Ungereimtem ? Vgl. Hallenberg’s Anmihchan till La-
gerbrings Sv. Hist.
Da wir im Verfolge an den Beweis hiervon ER so
genügt hier eine Andeutung darüber, wie man dabei. verfahren
sein mag. Am gewöhnlichsten hat man wohl in einem Lexicon
irgend ein gleichlautendes Wort aufgesucht: dies musste das
Stammwort sein. Leicht und einfach! aber die Richtigkeit?
Dadurch wurde die Etymologie für viele griechische und latei-
nische Namen gewonnen, wo Dioscorides und Plinius (die sie
am besten kennen sollten ), sie für unbekannt erklären *); desgl.
für Wörter, die (und trotz dem dass sie) erst spät im l6ten
Jahrhundert aus germanischen Sprachen ins Lateinische gezogen
worden **); auch für Namen, die aus dem alten Koptischen und
dem Arabischen ***) ins Griechische und ins Celtische entlehnt
sein sollen. Man kommt oft dahinter, wie beim Etymologisiren
aufs Gerathewohl mit dem Lexicon rasch durch Versehen ein
ähnlich klingendes Wort ohne den geringsten Zusammenhang
mit dem Namen erfasst worden ist. Zuweilen existirt ein ange-
gebenes Wort gar nicht, wenigstens nicht mit der gemeinten
Bedeutung; zuweilen lässt sich wohl die Ableitung vertheidigen,
aber der Sinn ist ein anderer; oder auch, die Uebersetzung der
griechischen Wörter ist ganz falsch, Wir wissen wohl, dass
jedes Wort so schulmeistern zu wollen, für pedantisch gelten
*) Acer ist ein lateinischer Name, dessen Ableitung die Alten nicht
kannten; J. Bauhin, sonst nicht so genau in u Etymologie, ver-
wirft allen Gedanken an acer. scharf ; es ist der mildeste, zucker-
reichste aller europäischen Bäume. _Anagallis von dvaycldu ent-
behrt aller Stütze; aber des Lobelius älteste Deutung von 'Ayal-
Ais, einer Art Hyacinthe (dies von ayalio, exorno), ist sehr
treffend. Dergleichen unzählige,
*»*) Humxlus (schwed. Huimle), ist ein germanisches Wort, wie Pru-
nella, Trollius, Bovista u. a., so jung, dass C. Bauhin, als er
seine Pinax herausgab, es noch nicht gehört hatte; (Humela
kommt jedoch zum erstenmale unter andern deutschen Wörtern in
der heil. Hildegard, Aebtissin zu Bingen + 1180, Sammlung von
Hauscuren vor); jetzt schreibt man aber überall, es komme von
humus, wahrscheinlich weil der Hopfen sich mehr als irgend «in
andres einheimisches Kraut über den Boden erhebt! Wieder ein
„lucus a non lucendo!“
***) _Aron, Arum, ist nach dem Zeugnisse der Alten ein koptisches
Wort; die Pflanze ist nach Aussehen und Eigenschaften so ausge-
zeichnet, dass sich wohl eine treffendere Ableitung erwarten liesse
als die vorgeschlagene von & priv. und 0g0, Wunsch. Wäre dann
nicht das letztere allein genug? Cichorium soll arabischen Ur-
sprungs sein, kommt aber bei 'Theophrast vor.
Ueber die Namen der Pflanzen. | 47
wird; darum geben wir nur ein paar Beispiele in der Note an *);
mehrere folgen weiter unten im Texte. Auf Orthographie, Ac-
centuation und die Gesetze der Veränderungen und Wechsel der
Buchstaben wird oft wenig geachtet. Came in Camelina nimmt
man ohne Bedenken für das griechische zgepai; Populus soll
zweifellos identisch sein mit populus. Solche einzelne Fehl-
griffe sind wohl nicht von Erheblichkeit, desto mehr aber das
Irrige, Willkührliche in dem ganzen Verfahren, jedes Wort,
das sich mit einem Namen zusammenreimen lässt, (ohne Rück-
sicht auf historische Umstände und auf Zeit und Ort der Ent-
stehung dieses Namens) für sein Stammwort zu halten. Man
muss annehmen, dass die Urheber mancher Aufstellungen selbst
nicht daran glauben, sondern, wie ein Theil unsrer älteren Ge-
schichtseribenten, wenn sie Facta erdichten, es für gut halten,
nur etwas zu sagen zu haben. Dass aber ein Wort von einem
andern abgeleitet werden kann, ist eben so wenig des Erwäh-
nens werth, als in der Geschichte, was möglicherweise habe
geschehen können. Doch ist es meistens zu tadeln, dass man
darüber die bestimmten Traditionen übersieht, die sich bei äl-
„ tern Autoren angegeben finden , wodurch alles das geringe
>
Interesse, das an der Etymologie der Namen haften kann , gänz-
lich verschwindet. So begnügte man sich bei Sedum mit dem
ersten Worte, das einem einfiel, nämlich sedere, sitzen, ja noch
sagt man im Schwedischen: auf dem Dache sitzen; aber Festus
sagt, dass bei den Römern Sedum (das Sedum der Alten war
*) Corydalis: ein gleichlautendes griechisches Wort soll mit Fuma-
ria synonym sein (der griechische Name von dieser ist aber Cap-
noides) und [xogvdaldis] bedeutet sonst die Haubenlerche, an
welche nichts von jener erinnert; beide werden richtig von x00vS,
galea, abgeleitet. Heleochloa (von &Aos. Sumpf) wird von 24m,
Sonnenlicht, abgeleitet; ( Heleosciadium richtig von &los). — Der
treffende Name der Camelina von x«w (epice pro xara) und
Aivov, also unter dem Lein, wird viel unbestimmter auf der Erde,
year, gesucht; [nach Dodoens wäre er französisch, cameline; s.:
Böhmer Lexic. rei 'herb. trip. Lips , 1802.]. Schedonorus, be-
namt nach dem Stande der Granne nahe an der Spitze (ö
5005) sucht man nah an Bergen (zo 0p05). Typha, tupn
Diosc., kann mau wohl „im Moraste‘ suchen; ‚‚dieser heisst aber
nicht rupos, sondern Tipos; TU@pog ist ein ganz andres Wort, be-
deutet Rauch, Eitelkeit, Hoffart, wns alles recht gut auf T’ypha
passt, wegen des Rauchs (der Wolke) von Pollen und der Haare
der Blüthen und des stolzen doch nutzlosen hohen Wuchses, und
auf dies eitle Nutzlose scheint Dioscorides hinzudeuten, wenn er
den Namen mit zvp®» (Wirbelwind. auch Riese) in Beziehung
bringt. — Die kleine unschuldige Adoxa aber mit „ehrlos“ zu
erklären, ist grausam, da sich der Name vielmehr sowohl auf
ihre Regellosigkeit als auch ihr Freisein von Ruhmsucht bezieht.
48 Ueber die Namen der Pflanzen.
übrigens eigentlich unser Sempervivum) auf die Dächer gepflanzt
worden, um Gewitter abzuhalten (sedare tempestatenn) wovon
es auch seinen Namen erhalten habe: ein Volksglaube,, der
nach Jahrtausenden in unserm Norden noch fortlebt.' Dieselbe
Pflanze wird in Schweden auch in der Absicht, wie ein Hal-
länder mir vor mehr als 30 Jahren erzählte, auf die Dächer 'ge-
pflanzt, dass sie „, Tomtebo‘““-Glück [Anbau- und Wohn-Glück]
bringe, d. i. dem Eigenthümer einen langen, stillen und ru-
higen Besitz seiner Wohnstelle sichere. (Deshalb rechne ich
in Stirp. agri Femsjon. das Sempervivum unter die ‚„Hallando-
rum penates.‘‘) Das Natursymbolische, das darin liegt, ist
leicht zu fassen, denn von allen unsern Pflanzen ist diese die
unter allen Verhältnissen unvergänglichste und zähest-lebende,
was auch die Synonyme "AsiLwov und ‚Sempervivum andeuten*)
In vielen Fällen wiederum, wo der Ableitung die ältern An-
saben zu Grunde liegen, sind diese durch traditionelles Abschrei-
ben so verstümmelt und unrichtig, dass die meisten zu Verwir-
rnng führen. Hier nur einige Beispiele aus dem ersten Buch-
staben des Alphabets. Von Achillea heisst es, sie habe ihren
Namen von Achilles, und dabei denkt man an den Helden Ho-
mer’s; es ist aber ein Schüler des Chiron gewesen, dem es
selten soll. [Vgl. unt. IL.] Von Artemisia ist überall angege-
ben, sie führe den Namen nach der Artemis = Diana; es ist
aber die Gemahlin des carischen Königs Mausolus. die in ihrem
Gram jenes Kraut gewählt haben soll. So muss man diese Ab-
leitungen nach den Urkunden wiedergeben; aber dennoch
sind sie nach allen innern Gründen unzuverlässig, wie wir in
der Geschichte der Pflanzennamen werden zu zeigen versuchen.
In andern Fällen ist die Ableitung eines ältern Synonyms auf
*) Von den vielen analogen Beispielen wollen wir hier nur Lychnis
noch anführen. Diesen Namen erklärı Dioscorides als eine „Leuchte“
(lucernula) , ein Licht in der Nacht, weil die meisten Arten, die
er darunter begreift (jetzige Silene- oder Melandrium-Arten ) ihre
Blumen zur Nachtzeit öflnen (woher die Namen vespertina, no-
ctiflora) ; jetzt aber heisst es, sie hätten ihren Namen won der
Anwendung zu Lampendochten! Noch in C. Bauhin’s Tagen war die
erstere Ideenassociation so vorwallend, dass nach Hesperis und Luna-
ria unmittelbar Silene und Lychnis folgen, für welche kein an-
dres Einigungsband abzusehen ist. Dies giebt auch Veranlassung,
Silene eher in IeAnyvn zu suchen, als in dem angenommenen oia.Aov
(sollte der Name wirklich auf die Klebrigkeit einiger Arten hin-
deuten, so wäre es uugezwungener, die Wurzel in dem Stamm-
worte. einer ganzen Namenfamilie, Zul, mit v7 oder wow, zu
suchen), weil Luna in der alten Naturmystik als Herrscherin über
alle Blumen der Nacht angesehen ward,
Ueber die Namen der Pflanzen. 49
ein neueres von ganz andrem Ursprunge übergeführt worden.
Der Name unsrer gemeinen Ackelei ist ursprünglich ein religiö-
ser Name aus dem Mittelalter, eigentlichst Alleluja (auch der
Oxalis beigelegt), der aber in der gewöhnlichen Namenverwir-
rung jener Zeit Aceluja geschrieben wurde (von der Aebtissin
Hildegard). Im Anfange der neuern Zeit, wo man die Sprache
zu reinigen suchte, wurde beides in Aguilina umgeändert, von
aquila wegen des Aussehens des Sporns, und in Agzxilegia, von
aqua und lego, weil sie wie die Alchemilla in ihren Blättern
T'hautropfen sammelt, was in der Alchymie jener Zeit für sehr
wichtig galt. Der letzte Name ist nun der angenommene ge-
worden, aber statt der rechten Etymologie desselben giebt man
die der Ayuilina an. — In vielen Fällen wird die Derivation so
übersetzt, dass man unmöglich das Passende darin ahnen kann,
z. B. Alyssum mit: ohne Raserei, Acorus mit: ohne Stern im
Auge, welche Epitheta wohl keiner Pflanze zukommen können,
die aber bedeuten sollen: ersteres: Mittel gegen Verrücktheit,
eig. nach tollen Hundes Biss, letzteres gegen Augenkrankheiten.
Hierher gehört das Verlangen, griechische Stammwörter für alle
lateinische Namen zu finden, welche die Griechen nie gekannt
hatten, die dafür ganz andre Benennungen gehabt. So ist es
mit der älteren Ableitung des Namens Allium von &llsotaı ,
Lauch hat viele griechische Namen, von denen man sich wohl,
wenn man des Entlehnens bedurft hätte, eher einen angeeignet
hätte, als dass man aus einem weiter liegenden griechischen
Worte einen neuen gebildet. Die Uebereinstimmung eines Na-
mens in beiden Sprachen ist nicht Beweis genug für ihre Einer-
leiheit oder ihre Entlehnung aus einer in die andere: sie können
Geschwister sein aus einer gemeinsamen Ursprache. Fagus für
@nyos zu nehmen ist in zweifacher Hinsicht unrichtig, Dass
viele spätere griechische Namen Entlehnungen aus dem Latein
sind, ist vollkommen beweisbar *)! Viscum wird von I&os her-
geleitet; meint man denn auch, dass 'I£i« von Viscus herkomme?
Dadurch wird aber oft die Bedeutung eines Namens verdreht,
wie wenn man Angelica vom profan-griechischen «yys4os ablei-
tet, welches ganz andere Bedeutung hat als das christliche An-
#). Man scheint vergessen zu haben, dass mehrere griechische Autoren
weit hinaus in der römischen Kaiserzeit gelebt haben; ja, selbst
der Hauptschriftsteller, Dioscorides, lebte zu Nero’s Zeit und
hatte lange römische Heere als Arzt begleitet. Die Römer unler-
schieden selbst die Wörter, die griechischen Ursprungs waren;
nicht aber so die spätern griechischen Autoren die lateinischen,
die sie sich aneigneten, z. B. pouyovis von Fraga, u. s. W.
4
50 Ueber die Namen der Pflanzen.
gelus; hätte ein griechischer Autor Angelica. gebraucht,
würde es auf Friedensgruss oder etwas dergleichen iR
ten, wie Verbena bei den ältern Schriftstellern; es ist aber ein
Klostername des Mittelalters und somit lateinischer Ableitung,
die Anspielung eine religiöse. |
Für die Etymologie der Pflanzennamen, die bisher. für la-
teinische Stammwörter gegolten, hat man in neuerer Zeit eine
reiche Quelle in der celtischen Sprache gefunden, und die Bo-
taniker haben geeilt, sie zu benutzen. Für unsern Theil kennen
wir die Celten wenig, das Celtische gar nicht; wir haben aber
gesehen, dass Celten und Celtisches in der. Archäologie und
Etymologie mit vielem Vortheile gebraucht wird, sonst unbe-
kannte Dinge zu erklären. Die von daher gewonnenen etymolo-
gischen Ergebnisse sind oft recht nett, vielleicht aber zu nett, zu
kunstmässig oder zu allgemein. So pflegt nicht der Natursinn der
Völker die Eindrücke der Natur aufzufassen*). Wenn man ausser-
dem sieht, welche Menge Namen aus celtischem Wasser entsprun-
sen sein sollen, wie Arundo von urn, Wasser, Apium von apon,
Wasser, Alisma von alis, Wasser, Sium von siu, Wasser, Sison
von sizyn, fliessender Bach u. s. w., so ist zu befürchten, dass
die Etymologie darin ersäuft. Für die unzweifelhaft griechischen
unter jenen Wörtern den Stamm im Celtischen zu suchen heisst
wohl gar über das Meer, nicht bloss über -den Fluss, nach
Wasser gehen **). Da man sonst den Etymologen im Lateinischen
*) Quercus leitet man ab vom celt. quer, schön, und cuez, Baum;
die älteren Volksnamen sind weder auf diese Art gebildet, noch
ist „schön“ eins der vielen, fast stehenden Epithela in allen Spra-
chen, die der Eiche beigelegt werden. Carpinus vom cell. car,
Wald, und pin, Haupt, aber nicht heht dieser niedrige Baum
seine Krone über die Waldung. Salix soll vom celt. Dr nahe,
und alis, Wasser, herkummen; die Lateiner selbst leiten es von
salire ab: die rasch aufschiessende.e. Alnus von: al, nahe, und
lan, Woasserrand, u. s. w.; es ist aber damit nicht das celtische
ac oder al zu verwechseln. das als Stammwort nicht bloss für
Acer, Ahorn, und acer, scharf, sondern auch für Dex, Ulex,
Allium u. s. w. angegeben wird.
**) Für Sium z. B. verlassen wir uns mehr auf die bestimmte Angabe,
dass es von o&iw, vibro, herkomme, was wegen der hin und her-
gebognen Stengel der südeuropäischen Arten recht treffend ist}). —
Der Sison der Alten wuchs nicht in Bächen, sondern auf Aeckern
zwischen der Saat. Wir schlagen die Ahleituug von 04007, eir-
cinus, vor, denn keine Benennung kann wohl für eine Umbellafe
näher zur Hand liegen; derselbe Begriff liegt den Volksnamen
unsrer meisten Doldenpflanzen zu Grunde, wie Hundlock, [wörtl,
Huudslocke] und Hundloka [Chaeroph. sylv.], Rödloka roh:
Anthriscus], Björnfloka [Heracl. Sphond.], und in unsrer Heimath
[um Wexiö in Schonen] nennt man die Dolden wie in norwegischer
Ueber die Namen der Pflanzen. 51
und Griechischen so leicht nachgiebt, so dürfte es zu entschul-
digen sein, wenn man nicht auch alle die celtischen Ableitungen
unbesehen annimmt. Wo man indess bestimmte Hinweisung
hat, in Gallien einer Derivation nachzugehen, so nehme man sie
mit Danke an, obschon eben nicht viel damit gewonnen ist. So
sagt Plinius „Betula est arbor gallica““ und aus diesem Grunde
halten wir es für wahrscheinlich, dass der Name vom celtischen
Namen des Baumes, Detu, entlehnt sei. Aber Festuca vom
celt. Worte fest, Futter, Weide, abzuleiten, halten wir für aben_
teuerlicher, wenn gleich jetzige Festucae dem Viehe auf der
Weide gutes Futter geben; denn erst Linne stellte den Namen
für die gegenwärtigen Festucae auf und er hat ihn sicherlich
vom lateinischen Festuca entnommen, was bei Plinius auch
Grashalm bedeutet, aber in keiner der Bedeutungen dieses Wor-
tes liegt etwas von Weide oder Nahrung.
Die Menge von Bemerkungen gegen das Thun in der Ety-
mologie der jetzt angenommenen Pflanzennamen wächst uns
indess so zu Kopfe, dass wir uns darauf beschränken müssen;
Sprache Kringlor [Ringel] z. B. Dillkringlor. Sisarum ist ein de-
rivatum davon, Siser engere Zusammenziehung: alles nahverwandte
Wörter. Und dass kein Wasser in ihre Bedeutung eingeht, be-
weiset. am besten Sis-ymbrium. Dieses gehört zu den wenigen
Namen, deren Ableitung zu finden man sich nicht zugetraut hat,
daher man nur seiner Verwandtschaft mit dem Sisymbrion erwähnt.
Weg damit! Was der Alten Sisymbrion gewesen, kann nie zwei-
felhaft werden: es ist himmelweit verschieden, nämlich Mentha
aquatica! Da es hei. Dioscorides u. A. heisst, dass es sich von
Garten- Mentha durch in runde Haufen oder Köpfe gesammelte
Blüthen und durch den Standort (locis irriguis) unterscheide, so
scheint uns darin eine Hindeutung für die Etymologie zu liegen —
auf Iioov. yußgıov, von oußeos, pluvia. Es wurde nachher auf
die jetzigen Nasturtia herübergetauscht, auf welche es auch passt,
nur nicht mehr auf das jetzige Sisymbrium, seit Nasturtium davon
abgetrennt wordenTf). — Es-giebt aber unter den Umbellaten
noch zwei andre ähnliche noch nicht ins Reine gebrachte Namen-
familien, nämlich 4. Silphium, Silaus, Siler, Sesili, und 2.
Selinum mit allen seinen derivatis, die nicht mit derivatis von
Z100n verwechselt werden dürfen: eine Erläuterung ders, 's. u. II.
Es ist wichtig. für die Auslegung, alle, die zu derselben Namen-
Familie gehören, collectiv zu nntersuchen.
+). [Des Dioscorides Iiov wäre, als gerade (Yauviov 0g-
909) nach Sprengel am sichersten Veronica Anagallis.
Spr.’s Comm. zu s. Ausg. des Diosc. (Lips., 1829), 1. 271,
II. 465. — Anm. d. Uebers.]
+7) [Nach Sprengel’s Commentar zum Dioscorides II. 465 sq.
...,vgl. m. I. 271 sq. wäre des Diose. Sisymbrion (locis in-
cultis, &v y&oooıs) die Mentha sylvestris, dessen alterum
Sis. (£te00v Iıe. ) aber, an Wässern wachsend, unser Na-
sturtium officinale. — Anm. d. Üebers.]
4*
52 Ueber die Namen der Pflanzen.
nur. die Hauptpunkte aufzuführen. — 1. Die bedeutenden Ver-
änderungen, welche die meisten Namen in Schreibung und
Aussprache erlitten haben, werden oft übersehen. Ohne das
Ursprüngliche zu kennen, wird man geradezu irre geleitet. Der
Beispiele hiervon sind unzählige (s. II. Geschichte der Pil.-N.).
Allium ward in ältester Zeit auch Alium geschrieben, und seine
älteste Ableitung von (Gramen s. Lilium) halium, stammver-
wandt mit halo, ist gewiss unsicher, jedoch viel wahrscheinli-
cher, als die späteren aus dem Griechischen und dem Celtischen,
da wenigstens sein starker Geruch zu allererst sich bemerklich
macht und seine Eigenschaft den Schweiss zu treiben von jeher
bekannt gewesen*). — 2. Die Namen von unzähligen Pflanzen
werden jetzt ganz an dern (oft himmelweit verschiedenen) Pilan-
zen beigelegt als denen sie ursprünglich zukommen, so
dass die Bedeutung des Namens, das Etymon, nicht in einer
Eigenschaft der Pflanze, die ihn jetzt führt, zu suchen ist.
Der Botaniker darf sich hierbei nicht auf die Lexicographen
verlassen. Von allen beiden, Lexieis und Botanikern, ist als
ausgemacht angenommen, Elatine komme von Ziarn, abies; den-
noch wagen wir dies bestimmt für falsch zu erklären, denn wer
da weiss, dass die Elatine der Alten in unsern Cymbalarien
(Sect. von Linaria) bestand, kann an solche Ableitung gar nicht
denken; kennt man dazu den rankenden Wuchs der Elatinae
der Alten, die sich ins Unendliche verlängern zu können schei-
nen, besonders den der auf Mauern Süd-Europa’s gemeinen
Linaria Cymbalaria, die aus einem Knöspchen in kurzer Zeit
fadendünn herabhangend mehrere Ellen lang sich ausdehnt, so
kann man unmöglich daran zweifeln, dass die rechte Ableitung
die von &iaros, ductilis, ausdehnbar, ist, was obenein dadurch
bestärkt wird, dass derselbe Name sehr verschiedenen Gewäch-
sen, die uur diese Eigenschaft gemein haben, wie Glechoma,
beigelegt worden **). So ist ferner der Griechen 2nyös gar
*) DBetonica, was jetzt von bet, Haupt, und ton, gut, abgeleitet
wird, ist ursprünglich Yetonica geschrieben worden — und zwar
dieses, wie ich aus einer älteren Quelle ersehen habe, nach den
Vetones, einer celtischen Völkerschaft; sowohl Betonica als auch
Veronica wären nach jener Quelle verderbte Aussprache davon.
Was diesen Ursprung unterstützt, ist die Eudung -ica, da diese,
oder -zcum, bei den meisten nach Orten gebildeten Pflanzennamen
vorkommt, dazu Plinius’ Angabe, dass die Pflanze aus Gallien her-
stamme; übrigens setzt aber Plinius hinzu, sie sei synonym mit
Serratula der Römer. Ueber Veronica weiter unten,
**) Zufällig passt der Name Elatine in seiner ächten Bedeutung auch
trefflich auf unsre jetzige Elatine, deren ausserordentlich rankig-
Ueber die Namen der Pflanzen. 53
nicht die Fagus der Lateiner, sondern eine Art Eiche; auch
war die Adies der Lateiner nicht unsre Rothtanne oder Fichte
(diese hiess im classischen Latein Picea, was in Lexicis falsch
mit Kiefer, Föhre, übersetzt wird), sondern eine weit davon
verschiedene uns in Schweden fremde Pinus-Art. — 3. Ein
sonderbarer Irrthum ist es, für alle Namen eine Ableitung fin-
den zu wollen. Ausser dem, dass viele Stammwörter so ent-
fernten Ursprungs sind, dass jedes Bemühen um Aufklärung
darin misslingen muss, sind auch viele durch blosse Namen-
verwirrung, Zufall und Willkühr entstanden*). Schon Plinius
nahm der Griechen imndxn, Hippace, scythischen Käse, aus
Missverstand für eine Pflanze; ferner, da zu der Zeit, wo der
Name Veronica (der gewöhnlich von vere unica, von einer
Prinzessin u. s. w. hergeleitet wird) aufkam, des Nicolaus My-
repsus #egovısn darunter gerechnet wurde ( Medicam. op. ed
Fuchs. Basil. 1549.), obgleich diese Bernstein bedeutet, so ist
wohl der Ursprung von Veronica aus letzterem auch am wahr-
scheinlichsten. Solche Wurzeln mag man surdae oder keinen
vernünftigen Sinn gebende nennen. — 4. Nicht viel besser ist
es, den spätern mythologischen und poetischen Fabeln
wichtigen Einfluss auf Namen beizulegen. Die Namen sind weit
älter; irgend eine Eigenschaft der Pflanze hat Veranlassung zu
der sie betrefienden Fabel oder Metapher gegeben, nicht umge.
kehrt, z. B. zu der vom Ajax”*). Es findet sich in ihnen ge-
kriechender Wuchs für eine gewiss einjährige Pflanze sehr cha-
racteristisch ist. — Gleiche Namenverwechselung hat staltgefunden
mit Ledum, Ribes, Caltha, Myrica, Phyteuma, Jasione und
uuzähligen andern,
*) So versicherte mich der sel. Prof. Retzius, jener Riese in Gelehr-
samkceit und Vielwissen, dessen Bild noch vor mir steht, wie das
des alten Carolinen vor dem Skalden Axels, dass das titanische
Genie Adanson seine Namen oft durch Werfen des Looses um
die Buchstaben, woraus sie bestehen, gebildet hat, — was doch
eben nicht hinderlich gewesen ist, die Etymologie solcher Namen
zu finden!
**) Aus Namenähnlichkeit oder um des Reimes willen ist manche Volks-
sage entstanden, wie unter den Bauern in Smäland ‚„‚att Ljungen
märker för Kungen (dass das Heidekraut für den König zählt)‘:
und eben der Art ist die neue jetzt allgemein angenommene Ablei-
tung des Namens Populus von populus ‚ weil le peuple frangais
le peuple l’arbre zur Zeit der Pflanzuug von Freiheitsbäumen zu
seinem Sinnbilde wählte. (Die Alten wissen nicht, dass die Pap-
pel „des Volkes Baum‘ gewesen, sondern sie war dem Hermes ge-
heiligt, nachher von Dichtern dem Hercules.) Aber wie die bei-
den Wörter Corydalis nicht wohl von einander abgeleitet werden
können , sondern von einem gemeinsamen Stammworle, so könnten
34 Ueber die Namen der Pflanzen:
rade so viel prosaische Wahrheit, wie in Bion’s Worten, dass
die Rose entsprossen ist aus dem Blute des Adonis, aus der
Venus Thränen die Anemone*). — 5. Ungereimt ist es auch,
für unbezweifelte Stammwörter die Etymologie in ihren deri-
vatis zu suchen. ÜUeberall unter den Botanikern wird jetzt z. B.
Scirpus von scirpo abgeleitet; aber sowohl nach der Natur der
Sache als nach allen Lexicis ist das erstere das Stammwort,
und seirpo, mit Binsen anbinden (z. B. Weinranken) ist eben
so gewiss das Derivatum vom ersteren, wie im Schwed. löfva,
vidja von löf, vide |belauben von Laub, Weidenruthe von Weide]
und nicht umgekehrt. Gerade so wäre die Ableitung von
ayyovoa von &yyovoiiw. Solcher Art ist auch die Derivation von
Punicavom color puniceus des Granatapfels; Punica (se. malus,
wie sie zuerst hiess,) ist ganz einfach der punische Apfel (die
Römer hatten ihn von Karthago), was sein griechischer Name
Zidiov, old, von der phöniec. Stadt Sidon, von wo die Griechen
ihn erhielten, zum Ueberflusse beweiset. — 6. Unrichtig scheint
es gleichfalls zu sein, von dem Benamer oder dem der ei-
nen Namen zuerst aufgenommen, wenn dieser eine bestimmte
Ableitung giebt, abzuweichen. Wir denken wirklich, dass
Dioscorides und Plinius die Ableitung der griechischen und la-
tein. Namen sichrer gekannt haben, als die Neuern , gleich. wie
Palisot’s eigne seines Schedonorus als ‚„‚(Granne) nahe der Spitze“
am glaubwürdigsten ist**). — 7. Es fehlt an der nöthigen
sowohl populus als auch populus Frequentaliva (od. Pilpil in
hebräischem Sinne) von pullus in dessen doppelter Bedeutung von
an
Abkommenschaft und Wurzelschoss: populus nach der ersteren,
ganz wie proletarii von proles, Populus nach der letrtern, weil
der Baum so viele Wurzeltriebe macht. Dies ist indess nur eine
Vorschlagsmeinung, und wir legen selbst kein Gewicht darauf —
dagegen mehr darauf, dass zwei gleichlautende Wörter nicht für
identisch angesehen werden dürfen, was man oft nicht einmal zu
ahnen scheint, Völlig gleiche Pflanzennamen haben nicht einmal
immer dieselbe Abstammung: m. vgl. Lotus, wovon der ägyptische
gewiss ganz andern Namen - Ursprung hat, als der griechische.
*) [Wovon freilich Ovid’s spätere Dichtung abweicht (Metam. X,
735); — C. Sprengel aber scheint (Hist. r. herb., Geschichte der
Botanik) die 2 Verse Bion’s vergessen zu haben, die dem von
ihm (Spr. Hist. r. h.) aus Bion angeführten einen Verse bei
Bion vorangehen ; die ganze Stelle lautet näml. bei Bion,
Idylle 1, so:
Jaxgvov 7 Hogin T000vV Enykeı, 00000 "Adowıs
Aiuo yesı' za de navra mori yHovi yiyveroı On‘
Aiua 6odov Tinte, Ta ÖL Öanpva Tav avsuuwov.
Anm. d. Uebers.]
Für Aira giebt Linue, welcher die jetzt so benannte Gattung auf-
gestellt hat, Alou, lolium, als Grund an; soll dieses weiter von
**)
2
‘
Ueber die Namen der Pflanzen. 55
Auffassung des Entgegengesetzten in Entstehung und
Bildung der Namen und in der ganz und gar verschiedenen Na-
turänsicht, welches in den Namen aus dem Alterthume, de-
nen des Mittelalters und solchen aus der neueren Zeit sich
ausdrückt; — wie unten (11.) entwickelt werden soll. Man muss
erst nachforschen oder berücksichtigen, zu welcher Zeit und an
was für einem Orte ein Name zuerst aufkam, und zwaf dann
die beider Namengebung in Betracht gekommenen Verhältnisse *);
die zu der Zeit gangbaren Begriffe, die Analogie mit von dem-
selben oder gleichzeitigen Autoren gegebenen Namen; denn in
einer jeden Zeit ist eine gewisse Grundansicht herrschend oder
etwas Gemeinsames, das in unsrer Zeit verschwunden ist, oder,
richtiger, von uns selbst nicht vernommen wird, weil wir glau-
oioou» ahgeleitet werden, so darf dies nicht geschehen von dessen
Bedeutung tollere, erheben, die hier keine Anwendung findet,
wohl aber von interficere, tödten, welche Eigenschaft dem Lolium
von den Alten zugeschrieben ward. Da die Actaea des Plinius
nicht mit Sicherheit zu bestimmen und die Ableitung ihres Namens
unbekannt ist, ob vielleicht von einem Fundorte (ein ähnlicher
Loeal- Name kommt bei Cornel. Nep. vor): so hleibt für Linne’s
Actaea, nach der Flora lappon., wo der Grund ausführlicher au-
gegeben ist, Linne’s Bezugnalıme auf Actäon der hier gültige rich-
-tigste Ableitungsgrund, wie Prof. Wikström schon bemerkt hat.
Die beiden vorgeschlagenen: von «sn, erhöhter Platz, Seeufer;
und axıy (od. axrla), Flieder, haben keinen sichern Grund, ob-
schon die letztre viel besser passt.
*) Wie vielen Missgriffen wäre man nicht entgangen, wenn man be-
merkt hätte, dass die meisten älteren Namen Adjecliva sind, von
denen das Substantiv weggefallen, und dass man im Geschlecht (genus)
des Namens eine Hindeutung auf dieses Substantivum hat! oder
wenn man auf den Gebrauch der Alten, eine unbekannte Pflanze
nach ihrem Wohnorte zu benennen, mehr Acht gegeben! Man
hätte dann nicht die Ableitung von Teucrion im Namen eines
Prinzen gesucht, nichtdie von Carum oder semen Carium in carus,
noch Aconitum nach Ovid’s Dichtung iu &40v7, Schleifstein (rich-
tiger Sandstein), was für unsre Ohren - „wie ein Schleifstein
klingt“. Damit ist es gerade, als wenn ein Ausländer mit dem
schwedischen Lexicon in der Hand schwedische Pflanzen - Ortsna-
men so verdollmetschen wollte: Alsike - klöfver (Alsike-Kiee,
Trifol. hybridum) als alls icke klöfver [d. i. gar nicht Klee],
... u. dgl. Andre wiederum von entschieden anderweitiger Ab-
0)
leitung würde derselbe für Ortsnamen halten, wie Alandsrot [Inula
Helenium, schwed. sonstauch Alinsrot, s.- Helene-rot (die wahre
Abstammung s. unter II.) 7 als von der Insel and, Calmare-rot
[Kalmerot, Kalmus] als von Calmar, Hven [ Agrostis], als von
der Insel Hven, u. a. Dies nur als warnendes Beispiel, wie leicht
man über alles eiymologisiren kann, wenn man sich an keine be-
stimmten Gesetze bindet; — und, so lächerlich wie die letzt an-
geführten Beispiele uns vorkämen, würden gewiss Römern und
Griechen viele der vorgebrachten Ableitungen erscheinen.
56 Ueber die Namen der Pflanzen.
ben, es sei allgemein geltend *). ‘Die Etymologie der Pflanzen-
namen ist ein Dilettanten- Wissen, das für sich keinen wissen-
schaftlichen Werth hat; aber aus wirklich historischem Gesichts-
punkte kann es Interesse haben. Nur da können nämlich Unter-
suchungen auch der unbedeutendsten Gegenstände, wozu auch
"die über Pflanzennamen unläugbar gehört, wofern man nur sucht.
was ®a Wahrheit, zuverlässliche Wahrheit sei, man-
che nicht zu verachtende Resultate ergeben.
Das Angeführte dürfte indess hinlänglich zeigen, dass die
Art und Weise, wie die Etymologie der Pflanzennamen jetzt ge-
wöhnlich betrieben wird, weder zum Wahren noch zu sonst et-
was Nützlichem führt. Alles was der erlangt, der nicht Wahr-
heit allein sucht, kann nie zu Gewinn für die Wissenschaft werden.
Gäbe man auch zu, jeder Name müsse seine Abstammung ha-
ben, so folgte daraus nicht, dass man eine nach Gutdünken an-
nehmen solle, wo man keine kennt; das ist doch etwas noch
gewisseres, dass jeder Mensch seinen Geburtstag und Aeltern
haben muss, aber nicht erdichtet ein Geschichtsforscher solche,
wenn er die wirklichen nicht weiss. Viel besser keine Etymo-
logie als eine unsichere. Auch ist man nicht geschützt mit der
Autorität Anderer ; ohne Kritik und die nöthige Achtsamkeit darf
man wohl nicht alles nachsagen, eben so wenig, als man sich
heute noch in einer schwedischen Geschichte auf des Johannes
Magnus u. A. Fabeln berufen dürfte. Die Wissenschaften haben
wie jede gut geordnete Haushaltung, ihre Rumpelkammer für
alles, was nur Ekel und Spott erregt; wie eine Hausfrau der-
gleichen nicht ins Gastzimmer bringt, so soll auch ein Autor
dieselbe Achtung seinem Leser beweisen. Leichtgläubigkeit ist
eine alte etymologische Erbsünde. Fehlt es an Hinweisung auf
die Bedeutung eines Namens oder darauf in welcher Sprache
sie zu Suchen sei, so wäre es ein besonderer Glücksfall, wenn
ein Suchen aufs Gerathewohl fruchtbringend ausfiele.. Für alle
älteren Namen müssen vor Allem die ältern, gleichzeitigen Au-
toren befragt werden. Sie geben oft bestimmten Aufschluss
darüber; öfter nur Andeutungen, welche aber verbunden mit
Winken bei andern Autoren derselben Zeit und verglichen mit
der Naturanschauung und dem Namengebungsprineipe des Zeit-
*) Sowohl in der Bildungsweise der Namen der Pflanzen, als auch
in der darin ausgedrückten Auffassung der Natur hat man einen
Probirstein nicht bloss auf ihre Annehmbarkeit (nicht Richtigkeit),
x sondern auch auf das Alter eines Namens, gleichwie Prof. Bru-
nius aus dem Cement und einigen Zierrathen Alter und Baustyl
einer Ruine erkennt.
£
„
2
u
Ueber die Namen der Pflanzen. 57
alters, zu einer an Gewissheit gränzenden Wahrscheinlichkeit
führen können; alles, was dieses Ziel nicht erreicht, halten wir
für verwerflich. — Uebrigens aber möge es dahin gestellt blei-
ben, ob nicht alles Etymologisiren auf eigne Hand, ohne grössere —;
historische Gelehrsamkeit, philologische Einsicht und linguisti- _
sche Kenntniss, als die bei Gelegenheit mittelst eines Lexicons‘ Ri
zu erwerben ist, am besten ganz eingestellt würde*). “
II. Entwurf einer Geschichte der Pflanzennamen.
„Non satis est ad herbariam perdiscendam tradendam-
que herbarios scriptores legere, plantarum videre pictu-
ras, graeca vocabula inspicere, magistri verbis addi-
ctum esse, sed rusticos et montanos homines interrogare
oportet.‘*
Pıno. Correxurius.
In jeder historischen Wissenschaft kommt es darauf haupt-
sächlich an, dass jedes Factum, jeder Theil des Besondern für
sich, treu aufgefasst sei; denn begiebt man sich dabei der Wahr-
heit in Einem nach dem Andern, wie geringfügig sie scheinen
mag, So schiessen endlich diese Fehlerchen zu einer einzigen
grossen Lüge zusammen. Auf diese Weise entstehen durch
Nachlassen vom strengen Rechte in Kleinigkeiten, die für sich
unbedeutend und gleichgültig zu sein scheinen, falsche Ansich-
ten sowohl in der Wissenschaft als auch im gemeinen Leben.
Darum drang ich so stark auf Gewissheit und Genauigkeit in
den Einzelnheiten der Etymologie; aber indem diese hier auf ei-
nem Blatte zu einem ganzen Bilde zusammengezogen werden
sollen, so wird es erlaubt sein von zufälligen Abweichungen,
nachdem man ihr Vorhandensein erkannt hat, hier abzusehen.
Es ist nicht die Menge von Thatsachen, wahren und halbwah-
ren, zu einander summirt, was grosse Resultate giebt, sondern
wenige sichre und vollständig ermittelte — Vieles, was richti-
ger zur Geschichte der Namen gehören möchte, ist bereits bei
der Etymologie angedeutet worden, worunter wir alles eigentlich
Specielle gebracht, während hier das Wenige, das wir in dem
*) Dies kann zwar wie eine harte Rede erscheinen; aber im Namen
der wissenschaftlichen Kritik, ohne die geringste persönliche An-
spielung, musste es doch einmal rein heraus gesagt sein. Wir
wissen übrigens gar zu gut, dass, je ausgezeichneter Wissenschafts-
männer sind, sie desto weniger Gewicht auf etwas so uubedeuten-
des legen, wie die Etymologie der auf Treu und Glauben abge-
schriebenen Pflanzennamen — und dass die Irrthümer, die darin
vorkommen, ihre Ehre nicht um mehr verringern können, als eine
Feder auf den Kleidern eines gelehrten Mannes.
58 ‚Ueber die Namen der Pflanzen.
Generellen aus bis jetzt ausgemachten Verhältnissen annehmen
zu können glauben, dargelegt werden soll. |
Die erste und oft sicherste Quelle zur Auffassung ai Na-
turanschauung der Alten ist gerade der ofine Natursinn, der
__ nicht durch erkünstelte Gelehrsamkeit missgeleitet, ‘sondern
durch vertrauten Umgang mit der Natur geübt worden ist. ‘So
© sehr auch Sprachkenntniss zur Erklärung der älteren Namen
nöthig ist, so reicht sie doch bei weitem nicht aus; ohne jenes
feine Gefühl für das Einfachste und Natürlichste steht man
zwischen allen Vorschlägen und Meinungen der Ausleger un-
schlüssig. Da, wie unten gezeigt werden soll, die ältesten Na-
men wirkliche Volkspoesie sind, solche von der einfachen Art,
wie sie in abgelegenen Gebirgsgegenden noch fortlebt, so befragt
man diese mit so vielem Nutzen. Die Botanik dürfte auch mehr als
die übrigen Wissenschaften aus dieser Quelle geschöpft haben,
nicht bloss in der ältesten Zeit (der des Hippocrates, Theophrast
u.s.w.), sondern auch bei der Wiedergeburt der Wissenschaft zur
Zeit des Brunfels, Tragus, Fuchs, bevor die Gelehrsamkeit das
überwiegende Element wurde. Dass die ältesten bei griechi-
schen Wissenschaftsmännern vorkommenden Pflanzennamen
Volksnamen, und nicht, wie die unserer Zeit, von den Wis-
senschaftsmännern gebildet sind, ist nicht allein aus ihrer innern
Beschaffenheit deutlich, sondern auch durch äussere Beweise.
Desshalb wurden auch keine Charactere gegeben, indem man
‚die Namen für bereits bekannt ansah. Hatte eine Pflanze keinen
gekannten Namen, so führten die Alten sie ohne alle Benennung
an; gewöhnlich verglichen sie dieselbe mit einer ähnlichen, z.
B.: „Die Pflanze, deren Blatt Arum gleicht, aber weiss und
zottig und von der Grösse eines Hedera -Blattes ist.“ Hippo-
crates. Manche jetzt für Namen genommene Epitheta sind an
sich nur solche Phrasen für Pflanzen, die in der en
keinen Namen hatten, z. B. göilov ImAvyovov aal agonvoyovov
Thheophr. Hist. IX. 19., woraus nachher der Name T'helygonum
entstanden ist, wie Parnassia. aus ”Ayoworıs &v to Hoapvaoos.
Fanden die Alten in der Volkssprache mehrere verwechselte, so
. wurde ein Epitheton beigefügt, gewöhnlich £reeos, in welchem
Falle die Pflanze ohne dieses Epitheton für die eigentliche an-
zusehen ist, oder auch &g6nv und $7isıa: bei Anwendung dieser
letzteren wird stets das Männliche, &g67v, der derberen und kräftigern
Pflanze, das letztere der schlankern und schwächern beigelegt *).
Die Naturansicht, die diesem zu Grunde ‚liegt, ist, wie eine Menge
Verhältnisse im Pflanzenreiche- bei den Alten, aus einer ni ums
3
Ueber die Namen der Pflanzen. 59
Das Achtgeben auf solche Kleinigkeiten ist zum 'rechten Ver-
ständnisse der Namen der Alten von. grosser Wichtigkeit. Als
eine Folge des erwähnten Gebrauchs, alle Volksnamen ohne
kritische Prüfung aufzunehmen und zu behalten, ist es zu er-
klären , warum ganz dieselben Namen so himmelweit verschie-
denen Gewächsen, zwischen denen keine Verwandtschaft ‚als
Grund der Namengleichheit zu suchen ist, beigelegt worden
sind, gerade wie bei unsern Volksnamen; z, B. Medica dem
Citronenbaume und. der jetzigen Medicago, und so unzählige
andre. Oft, aber nicht immer, gebrauchte man einen Zusatz
und zwar bei der Pflanze, welcher man den Namen für uneigent-
lich zukommend hielt. Der eigentlich griechische Awzos, ein Col-
lectivname für Pflanzen der T'rifolieen- Gruppe, hat keinen sol-
chen, aber der Lotus der Aegyptier wird stets Awzos aiyurrrıos
genannt, der der Berberei Awros Ö&vdgov. Zuweilen findet man
auch ein ähnliches Epitheton bei der eigentlich einheimischen
Benennung: so z. B. nennt Hippocrates die Vicia Faba »vauos
&llnwızos zum Unterschiede vom zuawos aıyontıos. Der sicherste
Beweis, dass der Name nicht von den Autoren selbst gebildet
worden, liegt in deren gewöhnlichem Ausdrucke ‚‚zaAovor,“ wie:
„o aalovom Evıoı wodoov, aAloı de Cuoryga“‘ bei Theophrast. Waren
gar keine Volksnamen vorhanden, so wurden deren nach einer
Zufälliskeit , nicht nach innerer Verwandtschaft, auf ein solches
Naturproduet herübergezogen: dies erklärt, wie fast sämmtliche
Tangarten bei Theophrast dazu gekommen, Namen nach Baum--
arten zu erhalten, wie yoivı& novrie, dapvn novria, aurelos, 2Adım
devs u. Ss. w. Erst weiterhin bei Dioscorides glaubt man mit Si-
cherheit zu merken, dass eine Anzahl Namen von diesem selbst
gebildet worden, theils an ihrer mehr gesuchten Bedeutung,
-theils an ihrer von der der Volkssprache abweichenden Bildungs-
art, hauptsächlich aber vielleicht daran, dass er bei solchen die
Ableitung angiebt, wie man diese auch in unsern Tagen selten bei
bekannten Wörtern, sondern nur bei einem neuen, das man ein-
menen Analogie mit dem Thierreiche hervorgegangen, ist aber
- eben dadurch falsch, weil hierin wie in mehrerem Andern das
Pflanzenreich dem letzteren völlig entgegengesetzt ist [näml. nach
der herkömml. Annahme der Pollenpflanze für männlich |. Unter
den Gewächsen getrennten Geschlechts ist bei den meisten die bis-
her sogenannte männliche Pflanze immer schwächer, die weib-
liche stärker ; vergl. Hanf, Hopfen u. a. Daraus glauben wir auch
uns erklären zu können, warum von solcheu Gewächsen die weib-
liche Pflanze weniger empfindlieh für Kälte ist, warum diese bei
manchen Species bis viel weiter gegen Norden wild wachsend vor-
kommt als die männliche, wie bei Stratiotes, Sagittaria.
60 Ueber die Namen der Pflanzen.
führen will, beibringt. Dies ist der Grund, warum ich es für so
unrichtig halte, in solchen etymologischen Bestimmungen von
Dioscorides abzuweichen; er musste wohl selbst am besten wis-
sen, was er bei Ertheilung eines Namens gemeint. Dass die
nach seiner Zeit von Bassus, Myrepsus u. A. eingeführten Na-
men von ihnen selbst dietirt sind, wird am besten durch das
Unclassische in ihrer Bildung belegt; darüber nachher bei Be-
trachtung des Formellen im Namen- bilden.
Wir gehen nun zu den Prineipien für die Ermittelung der
Bedeutung der alten Pflanzennamen über. Gerade darin, dass
man deren wirkliche Quelle übersehen und sie nach der Namen-
bildungsweise unserer Zeit gedeutet hat, liegt der Grund zu so
mancher unrichtigen Auslegung. Solche Pflanzennamen, wie
im Schwedischen Skrattaren, Sittaren, Orasande, Oenskelös
[Lacher, Sitzer, Unrasend, Wunschlos | u. a. sind nie in einer
Volkssprache aufgestanden; so lange ein Volk nicht von der
Natur abgelenkt ist, athmet die Sprache nur Poesie und Reli-
sion. Dass die ausgezeichnetern Naturproducte zu den Dingen
gehört haben, die zuerst Namen bekommen, liegt, denken wir,
in der Natur der Sache, und ist auch dadurch bewiesen, dass
die Bedeutung ihrer Namen selten mit Sicherheit zu ermitteln
ist, wofern man nicht Stammwörter oder -Sylben annehmen darf,
die (als für sich stehende) für ihre ursprüngliche Bedeutung
verschwunden sind*). Wo die Ableitung eines solchen Namens
'*) Die Natur ist zu allen Zeiten eine reichere Quelle für meuschli-
| ches Wissen gewesen, als man im Allgemeinen anerkennen will,
seit man sich der Lehrerin über den Kopf gewachsen dünkt. Uns
kommt es als wahrscheinlich vor, dass eine Menge Benennungen
für allgemeiue und abstracte Begriffe ursprünglich von Naturge-
genständen ausgegangen sind; oder dass, im Einzelnen, wie scir-
pare bestimmt von Scirpus herkommt, so wohl auch jungere von
Juncus kommen kann, nicht umgekehrt, obschon die erstere Be-
zeichnung nachgehends die allgemeinere geworden. Dies ist jedoch.
etwas Hypothelisches, das wir als hier nicht eigentlich zur Sache
gchörend bei Seite lassen. Aber als ein Beispiel, wie eine ganze
Namenfamilie erklärt werden kann, wenn man ein ausser Gebrauch
gekommenes Stammwort annehmen darf, wollen wir hier Silphium,
Siler, Silaus, Sesili anführen, welche darin übereinstimmen, dass
die so benamten Pflanzen, wie mehrere in den Gegenden am Mittel-
meere, einen ätherisch-öligen, gummiharzigen Saft liefern, welchen
die Römer Laser nannten, daher auch Silphium gewöhnlich mit
Laserpitium übersetzt wird. Darf man nun als Stammwort ZI44
annehmen, obgleich dieses bei griechischen Autoren nicht vor-
kommt (nur ocı, als dem Ricinus beigelegt, der auch des Oels
wegen ausgezeichnet), dem Laser der Lateiner entsprechend, so
wird die Ableitung der Namen aller obigen Pflanzen einfach, näm-
lich: Sil-phyum, die welche Sil hervorbringt (im); Sil-aus,
Ueber die. Namen. der Pflanzen. 61
klar und deutlich ist, da halten wir ihn für neuerer Bildung und
meinen, dass der ursprüngliche Name verdrängt worden: ist.
Beim Verfolgen sowohl der noch merkbaren An der Entste-
hung der Namen, als auch besonders der Geschichte der ganzen
Wissenschaft bis zn unsern Tagen, ergiebt sich nämlich klar,
dass die Namen im allgemeinen ursprünglich Colleetiva für meh-
rere ähnliche Gegenstände gewesen und später, in dem Maasse
wie man die einzelnen Gattungen unterschieden, im täglichen
Gebrauche verändert worden und dadurch auch in ihrer ursprüng-
lichen Anwendung verschwunden sind. Dieses ist auf zweierlei
Art geschehen, indem entweder der ursprüngliche collective
Name auf bloss eine gewisse Gattung *) übergeführt worden ist,
oder er in ein nomen appellativum für alle darunter begriffene
Gattungen übergegangen. Dies letztere ist wohl am gewöhnlich-
sten geschehen. Man unterschied da zuerst die einzelnen Gat-
tungen durch ein Adjectiv (was unsern jetzt gebräuchlichen Spe-
ciesnamen entspricht); allmählich aber fiel der ursprüngliche
Name hinweg und nur das beigelegte Epitheton wurde als Name
behalten, wovon es sowohl in ältern, als auch noch in neuern
Zeiten (bis zum 17. Jahrhundert) unzählige Beweise giebt. Da
zu alle dem unten Beispiele folgen, so tierühten wir, die ältre
Zeit hier übergehend, nur, dass man noch im 17. Jahrhaänderte
Herba moschatellina, h. paris, h. trientalis u. s. w. schrieb.
Das beigefügte Epitheton war in den meisten Fällen ein
Adjeetivum, welches nicht mit seinem Substantiv zu einem Worte
verbunden wurde (vor der Zeit des Verfalles der Sprache hei
den spätesten griechischen Schriftstellern), so dass das Sub-
stantiv desto leichter wegfallen konnte. Zuweilen hat ein Namen
dadurch von seiner ursprünglichen adjectivischen Form her selbst
eine substantivische Wortform angenommen; diese darf uns nicht
irre machen. Homer schreibt dövaxos (v. dov&w) zaAauos, aber Diosco-
rides und die Späteren dova$; die Aelteren weii« oder ueiin, x0-
vsıov, Spätere aber u£dıas, xuwıov ; Plinius schreibt semen carium,
spätere Carium oder Carum, u s. w Es ist jenes weggefallne
——
die.zu $il erhärtet (ev»); Sileroum oder Siler, wovon Sil aus-
fliesst (2ow&on); Se-sili aber ein Frequentativum davon. Aber das
Siler der Lateiner ist etwas ganz andres als die obigen, welche
sämmtlich Umbellatae sind.
*) So bedeutete, wie bekannt, dovs ursprünglich Baum im Allgemei-
nen, wurde ‘aber zuletzt auf eine gewisse Gattung , nämlich die
Eiche, als Baum per excellentiam, eingeschränkt, wie Lilium von
einer llschieinen Benennung für prächtige ra zum Namen
einer bestimmten Gattung derselben,
62 ‚Ueber die Namen der Pflanzen.
Substantiv, was das Genus der Pflanzennamen bestimmt. Daraus
erklärt sich z. B., warum alle Gräsernamen lateinischen Ur-
sprungs Neutra sind, wie secale, triticum , hordeum , panicum,
milium , lolium, weil gramen oder frumentum das ausgelassene
Substantiv gewesen; alle die griechischen dagegen, worunter
yhön zu verstehen, sind feminina, wie aloe, »g:97, non, tion, Beice,
Celia, oAvga, Aygworis, pahagıe; aber die grössern Arten, wo zakauos
als Substantiv zu ergänzen ist, sind Maseulina, wie mawveos, zv-
81008, napdnıos, mAörauos, Erriysıos (alles Rohrarten, dazu? wvoos
und #eowos oder femuos, wenn diese nicht primitiv‘ sind). —
Jenes Substantiv kann nun nicht allein eine gewisse allge-
meinere Benennung sein, wie ßoravn, Ögvs, dEvöoov, #gılvov, BoAßos,
sondern eben so oft irgend ein Theil der Pflanze, weleher in
der Mediein oder Oekonomie jener Zeit benutzt wurde. . Vor-
züglich gilt dieses von allen, die man nur als Handelswaare
kennen lernte. Dies beweisen alle unten folgenden Beispiele
von nach gewissen Orten benamten Gewächsen. Zu finden, wel-
ches Substantiv es gewesen, ist zum richtigen Verstehen der
Bedeutung durchaus nöthig. Dazu hat man wieder eine gute
Hinweisung im Genus des Namens. Sollte wirklich Acer einer-
lei Wort mit acer sein (wozu indess kein älterer Grund vor-
handen) , so müsste Zignum das Subst. dazu sein; auch haben
alle spätern Etymologen den Namen dem Holze zuwenden wol-
len, ohne an genannten Gegengrund zu denken. — Andererseits
durch Verbindung eines Adjectivs und eines Substantivs zu
einem Worte einen substantivischen Pflanzennamen zu bil-
len, der nachher der gewöhnlichste wnrde und es noch ist,
"scheint in den ältesten Zeiten unbekannt gewesen zu sein. 4#r-
öoov end fordvn, als unter allen am leichtesten wegfallend, kom-
men in Namen der Alten höchst selten vor, sind da vielmehr
stets getrennt geschrieben, wie „Balcauov ötvdgov‘ Theophr., „ree«
Boravn‘“ Diosc., xgivov Baoıkırov Diosc. *), ws avdos Theophr.,
wohl sind diese Wörter oft offenbar ausgeschlossen. Indess
sieht man deutlich, wie man, als die Mannigfaltigkeit der Na-
men nicht mehr die frühere Einfachheit zugelassen, zum Zusam-
mensetzen übergegangen ist: Homer schreibt o&Aıvov EAsodgssror,
Hippocrates o&Awov &isuov, Dioscorides aber !AeıoosAwov, vieler
*) Dagegen schrieb Dioscorides, bei welchem das Substantiv im Gan-
zen überall: weggefallen ist, nicht xgiwov zoAyınov, Yakcyyıov,
Eprusoov u. dgl., wo xgivov für den Sinn ebenso nöthig ist, son-
dern nur die Adjectiva; aber Bacılınov, 1800v scheinen ihm zu all-
gemeine Worte gewesen zu sein um diese Ellipse zu ertragen.
“
Ueber die. Namen der Pflanzen. 63
andern Beispiele zu,;geschweigen.‘ Man braucht nur eiuen flüch-
tigen Blick auf des Dioscorides Pflanzennamen, diese mit denen
der älteren Autoren verglichen, zu werfen, um zu finden, wie
die mehr zusammengesetzten, künstlicher gebildeten sich vermehrt
haben, und dass die einfachen Adjectiva die ältesten sind. Aber
die zusammengesetzten Namen hatten auch ursprünglich :Adje-
etiv-Form, das ‚darin befindliche Substantiv ist. vorangestellt.
wie: »Aorgorıov, u. Ss. w. Erst nach dem Verfall der Sprache
(graeco-barbara aelas) wurden solche Namen wie Balcauodiv-
doov , wosxoßoravev, Ögooıoßoravor, agdıoßoravn gebildet *). — Aus
zwei Substantiven zusammengesetzte Namen kommen in den
ältesten Zeiten äusserst wenige vor (wie: xvrösßaros, vosxiayuos)
und schon dadurch, dass sie einen andern Pflanzennamen in sich
enthalten, zeigen sie sich als jüngeren Ursprungs; bei Diosco-
rides aber werden sie gewöhnlich, vgl. BovpYeAuor, Aayumovs, &p-
voykwovov, uvoswris [od. uvos wris und wuvos ovs] u. a. Offenbar ist
diese Bildungsart jünger (wenn nicht solche Namen aus Adje-
etiven in Substantive übergegangen , wovon inzoveıs u. a. Spuren
geben) und ihre Ableitung ist gewöhnlich höchst einfach. In
die Bedeutung derselben treten keine gekünstelte, gesuchte ein-
zelne Charactere ein, sondern eine metaphorische Total- Auf-
fassung des ganzeu Gewächses, wie in den ältern einfachen
poetischen Epitheten, die zu Namens - Range übergegangen sind.
Man kann sich wundern, dass wir auf dieses Formelle so viel
Gewicht gelegt, aber die Kenntniss desselben scheint zum rich-
tigen Verstehen der Namen wahrhaft nothwendig zu sein; am
gewöhnlichsten sucht man sie in Zeitwörtern, ohne an das nö-
thige Substantiv zu denken. Nur in den Fällen, wo das Epi-
theton ein zu triviales Wort war, behielt man das Substantiv
bei, wie in ßoAßos £dodıuos, Zwerixos, isoa Boravn, U.S.w. Von den
älteren Namen müssen hier wohl einige Beispiele angeführt wer-
den: dövaxos (zaAauos) das bewegte (Rohr) ; «siöwov (gyvrov) **) das
unvergängliche (Gewächs) ; 774:piov [gewöhnlich 774&9:0v] oder
*) Diese Benamungsart ist es, die man jetzt für die beste hält — und
gewiss ist sie vom systematischen Standpunkte aus die richtigste
und bequemste; aber sie ist weder die natürlichste, noch die clas-
sischeste. Wenn Linne adjectivische Namen tadelt, so hat er nicht
f bedacht, dass solche gerade die ältesten waren.
**) Die hier gebrauchten Epitheta sind nicht willkührlich genommen,
soudern wirkliche nach den Quellen. Sempervivum war bei den
Griechen wie ‚bei uns angepflanzt (gvrov) und Hippocrates führt
es. da der Name «&iöwov noch nicht in Gebrauch gekommen, als
ar » 3
TO EN TO OIAELO)V Pvousvov an.
64 Ueber die Namen der Pflanzen.
rnA&gılov, die lange unvergängliche , die treu liebende (schwed..
kärleksört, Liebeskraut*); weis (devs) der mannatragende
(Baum) [näml. d. Esche ]; &mıundıov (YvAlov) das in der Mitte
[?] sitzende (Blatt), oder: mitten auf dem Blatte sitzend;
Zpiusgov (zeivov) die bei Tage blühende (Lilie); HaAızzoov (Yvikor)
das vielverästete (Blatt); va&exı000s (#oAßos) die betäubende (Zwie-
bel), «i9ovoow und &Aarivn etc. (8oravn) die brennende (falsch über-
setzt mit „glänzende *) Pflanze; eig« [gew. aloa] (2467 oder mie)
das tödtende Gras; Aurea, Auratia (poma) u. Ss. w.”*), So
einfach war die ursprüngliche Namengebung, oder richtiger, sie
entstand nicht unter der Absicht, Namen zu bilden, sondern
durch den Gebrauch wurden die Epitheta zu Namen; die älteren
Namen verhalten sich zu den neuern so, wie das Naive, das
um seine Sinnigkeit selbst nicht weiss, zu der studirten preten-
tiösen Witzigkeit.
Ein Theil Namen jedoch, der auszunehmen ist, sind alle
Namen fremden Ursprungs. Man war in ältern Zeiten eben so
bereit neue Namen zu bilden, wie jetzt. Erhielt man also eine
Pflanze unter fremder Benennung, so nahm man diese in die
Sprache auf (wie noch heut zu Tage in lebenden Sprachen ge-
schieht; Thee, Koffee, Tabak und die Namen der meisten aus-
ländischen Naturproducte sind ja aus für uns oft barbarischen
Sprachen entlehnt) ; aber wie heute besonders die Franzosen es
thun, nationalisirte man sie nach der eigenen Aussprache, so
dass das Ursprüngliche nicht leicht wiederzuerkennen ist. Auf
diese Art kamen schon sehr früh für eine Anzahl Handelsarti-
kel indische Namen herein. Indess findet man bei den Alten
gewöhnlich Belehrung darüber, aus welcher Sprache sie herrüh-
*) Ueber die Uebereinstimmung der schwedischen und der griechischen
Volkssage siche: [E. Fries] Grekernes Nymphaeaceer [die N. der
Griechen], ed. 2..p» 1li. [Diese Abh. ist auch abgedruckt in
Fries’ Bot. Utflygter. (Ups., 1843. 328 S. 8.)]
**) Um uus nicht zu tief in eine Sache zu verirren, die gewiss Alle
für zu unbedeutend ansehen werden, müssen wir eine Menge minu-
tiöser Bemerkungen übergehen, die uns jedoch nicht bedeulungslos
erscheinen. Zuweilen hat eine Pflanze verschiedene Namen ver-
schiedenen (grammatischen) generis: dann liegt immer jedem
zweiten Namen ein andrer Theil zum Grunde, wie unter dos zu
verstehen ist dovs, unter %0oTvoSg HA0TTOS ; dass letzteres nur bei un-
reifer Frucht davon gebraucht wird, ist ganz erweislich. Ein
'Theil griechischer Namen hat der Analogie wegen, besonders wenn
sie ins Lateinische herübergeführt worden, das ursprüngliche genus
verloren, wie Padus, Cerasus u. a. Ursprünglich waren sie er-
weislich Masculina, bis unter langem Gebrauche derselben als
Substantive selbst der Gedanke an das ursprüngliche xaeros oder
dergleichen weggefallen.
Ueber die Namen der Pflanzen. 65
ren, wenigstens Andeutungen. Man lasse sich nicht durch die
Leichtigkeit, Wurzeln für Wörter zu finden, verleiten, solche
im Latein oder Griechischen zu suchen. Die Römer (wenigstens
Plinius) eigneten sich griechische Namen en gros zu, diese
sind aber leicht von den wirklich lateinischen zu unterscheiden.
Darauf hat man nicht genug geachtet. Für die letztgenannten
die Wurzel im Griechischen zu suchen ist nach unsrer Meinung
unrecht, selbst wo die Aehnlichkeit offenbar ist. Kannte man
keinen Namen von der Pflanze, so benannte man am allerge-
wöhnlichsten das Gewächs nach dem Fnndorte oder nach dem
Orte, von wo man es als Handelswaare erhielt. Lässt sich des-
sen Ursprung historisch verfolgen, so ist dieses wichtig für die
Kenntniss des Formellen der Ausbildung der Namen und bestä-
tigen letztere die obigen Grundsätze vollends. Alle treten zuerst
als Adjective auf, das das Genus bestimmende Substantiv fallt
vor unsern Augen hinweg und das Beiwort bleibt allein, als
Name, zurück. Aus Medien hatte man zwei verschiedene Ge-
wächse, nämlich ($o7dvn) undır, (jetzige Medicago), und wunida
umdın: so lange man indess von dem letzteren nur die Frucht
kannte. ward diese u740v undıröv genannt, vom erstern Namen
aber blieb nur Medica (wobei gar keine medieinischen Eigen-
schaften in Betracht kommen!). Ebenso zweierlei Persica: eine
die jetzige (Malus) Persica; die andre, xagvov megormor, ist un-
sre Juglans. Dasselbe ist der Fall mit Armeniaca, Punica,
Colchicum (sc. zeivov) Carum oder, wie es zuerst hiess, semen
Carium, Ligusticum (folium) aus Ligurien, Sardoa herba bei
Virsil, aus Sardinien, PBritannica (radix) aus Belgien, Treucrium
aus Troas, Aconitum von einem Örte Acone, T'hapsia und Samolus
nach Inseln des Namens, Amerina (Salix) vom jetzigen Amelia
bei Spoleto, u. a. Ein Theil andrer sind nachweisbar ähnlichen
Ursprungs, nur mehr verändert, wie Cicla von Sicula radix,
die sicilische.. Kam dasselbe Gewächs zu den Griechen und
den Römern von verschiedenen Seiten her, so erhielt es bei bei-
den seinen besondern Namen, z. B.: Punica (s. oben); der Grie-
chen »«oravov nannten die Römer glans (Sardica) aus Lydien,
bis sie ersteres (als Castanea) annahmen; Esculus nannten sie
glans Chaonia nach dem ältern epirotischen Namen; Tamarix
benamten die Römer nach dem jetzigen Tambra in Spanien,
ohne zu wissen, dass sie die wveisn der Griechen war. Die
Nachricht des Plinius von der Benamung der Cerasus nach der
Stadt Kerasunt in Pontus und ihrer Einführung dureh Lueullus
darf nieht auf unsre Prunus Cerasus bezogen werden; diese
war viel früher bekannt, schon dem Theophrast unter dem Namen
3
2 I
66 Ueber die Namen der Pflanzen.
00008, (Plinius giebt übrigens auch selbst mehrere Kirschenar-
ten als in Europa wild an); Cerasus ist, nach Buttmann, wohl
von z2oos gebildet, wie Cornus von cornu, — und die Stadt
hat eher ihren Namen von der Pflanze bekommen, als umge-
kehrt, denn was am ältesten ist, muss wohl den Namen verlie-
hen haben; die Cerasus aber, die bei Kerasunt wächst, ist nach
Belon Lauro- Cerasus.
Dagegen sind wir überzeugt, dass der jetzt gewöhnliche
Gebrauch, Pflanzen nach Personen zu benennen, in der alten
Zeit unbekannt gewesen ist; (erst im Mittelalter fing man an, Hei-
ligen Pflanzen zu widmen, und als Prineip wurde es eigentlich
erst von Plumier angenommen): was wohl am besten daraus er-
hellet, dass nach keinem der ausgezeichnetern Botaniker der
Vorzeit früher als in neuerer Zeit eine Pflanze benannt worden.
Man hat indess diesem Gebrauche Urahnen zu verschaffen ge-
sucht, doch bei genauerer Untersuchung dürften die - meisten
Beispiele, wo nicht alle, zerfallen. In der neuern Zeit hat man
wohl mythologische Namen an Pflanzen verliehen, wie Andro-
meda, Chssandra; u. s. w., aber die ältern: Narcissus, Hya-
cinthus, Adonis ete., sind als Pflauzennamen gewiss älter als
die Mythen, die eben durch eine Allegorie in Bezug auf eine
Eigenschaft der Pflanze entstanden sind; in einer solchen liegt
ihre Erklärung. Bei allen den andern wiederum, die mit histo-
rischen Personen zusammengebracht worden sind, ist dieses
gewöhnlich nur wegen Namengleichheit geschehen; die Pflanzen-
namen sind sicherlich älter, sie haben gewöhnlich eine einfache
Ableitung, die der Pflanze und nicht der Person gilt, wie T'ele-
phium, es Helenium, Lysimachia u. s. w. Die am
meisten für das Gegentheil sprechenden Beispiele sind wohl
Achillea und Artemisia, aber auch diese lassen sich anders er-
klären: ersterer Name, wofür es auch zulloyviäsie (lat. Millefo-
tum) heisst, kann leicht eine Zusammenziehung eben hiervon
sein, 7 zılıeio, — und von Artemisia deutet Plinius selbst an,
es sei eine veränderte Aussprache von Parthenis, wie Tanace-
tum (ohne allen Grund von Ydvaros, Havo abgeleitet) von Tanna-
cum [oder Tamnacum], einem alten Namen des Parthenium,
so dass im Grunde alle diese Namen gleichbedeutend zu sein
scheinen, so wie sie in der Arzneikunde der Alten ohne Unter-
schied zur Anwendung kamen.
Eigentlich erst im Mittelalter fing man an, Gewichte nach
Personen zu benennen, da aber nur nach Heiligen (nach sol-
chen benamte zählt Linne in seiner Philos. bot. gegen 30
Ueber die Namen der Pflanzen. 67
auf*) und in der Religionsgeschichte gefeierten Namen, auch
nach Personen des alten Testaments, wie Sigillum Salomonis,
Candelabrum Salomonis u. s. w. Christus und die Jungfrau
Maria bekamen jedes einen ganzen Blumengarten; aber auch die
Engel (Angelica), sogar der böse Geist (Morsus diaboli), wur-
den nicht vergessen. Mit allen diesen Namen sind Legenden
verknüpft; symbolische Begriffe liegen ihnen zu Grunde. Mit
Unrecht, wie mir scheint, verachtet man alles dergleichen; zwar
gehört es nicht der strengen Wissenschaft an, aber was mit der
Entwickelung der Menschheit im Zusammenhange steht, wozu
ihr Verhältniss zur Natur vorzugsweise gehört, davon darf nichts
übersehen werden, und wer den Geist der Zeiten wirklich er-
kennen will, darf ihre Auffassung der Natur nicht verschmähen.,
Als Symbole der Dreieinigkeit wurden aus drei Blättchen zu-
sammengesetzte Blätter betrachtet (Alleluja u. s. w.); auch Blu-
men mit drei Farben (flos Trinitatis). Pflanzennamen, die auf
heidnische Gottheiten hindeuten, wurden durch Versetzung an
Heilige getauft. Alle diese Namen entstanden unter dem Volke
(dass die Namen jener Zeit nicht von Männern der Wissenschaft
gebildet sind, ist um so gewisser, als es solche damals nicht
gab), noch heut zu Tage ist die Volkssprache die zuverlässig-
ste Quelle derselben — und nur in der noch fortlebenden Tradi-
tion haben sie ihre Erklärung **). Man findet in dieser Hinsicht
eine Uebereinstimmung zum Verwundern in allen christlichen
Ländern. Man erkennt die Namen des Mittelalters leicht an
‚dieser ihrer religiös-symbolischen Bedeutung, und im Formellen
x
*) Helenium, welches man von Helena abgeleitet glaubte, wie un-
0
ser schwedisches Alunsrot, Alandsrot, von St.-Älins rot, hat,
zugleich mit letzterem, einen ganz andern Ursprung. Schon bei
Hippocrates hiess es nach dem Standorte in Sümpfen &A&vıov, und
der schwedische Name ist wohl das gothische Alant, welches
nach Isidorus Hispalensis, einem gebornen Gothen selbst (F 636),
der gothische Volksname der Pflanze war; — die griechischen
Namen kannte Isidorus nicht.
#4) Linne führt in Philos. bot. $ 214 (ed. Stockh. 1751. $ 211) meh-
rere der Art auf, aber eine reiche Nachlese findet sich sowohl bei
ältern Schriftstellern, als auch in der noch lebenden "Tradition. —
Alle Legenden des Mittelalters, soweit sie uusre Pflanzen berüh-
ren, habe ich unter unserm Volke allgemein bekannt gefunden. In
einer frühern Abkandlung [Grek. Nyınphaeac.] haben wir zu zei-
gen gesucht, dass auch gewisse Elemente der griechischen Mytho-
logie noch bei uns [in Schweden] im Volksglauben fortleben — und
es scheint uns sonderbar, dass, während man so viel Gewicht auf
das Griechisch - Alterthümliche legt, man das, was es unter uns
giebt, nicht würdigt Notiz davon zu nehmen,
5
68 Ueber die Namen der Pflanzen.
daran, dass sie aus zwei Substantiven gebildet sind, die nicht
zu einem Worte verbunden sind, so dass das eigentlich Bestim-
mende im Genitiv-Casus steht. In den wenigen und unbedeu
tenden Schriften, die uns aus jener Zeit übrig geblieben, kom-
men sie weniger vor als bei den Vätern der Botanik, welche
die in der Volkssprache vorhandenen sorgfältig aufgenommen.
Daneben ging im Mittelalter die Kenntniss der Namen der Alten
verloren; die, welche sich erhielten, wurden oft geradebrecht,
und auch verwechselte wurden so auf die folgende Zeit fortge-
pflanzt, was man nicht übersehen darf, wenn man ihren Ursprung
historisch untersuchen will. An die Stelle der griechischen
wurde dabei in den Schriften der Zeit eine Menge uralter Volks-
namen aus germanischen Sprachen aufgenommen, wie Dorella
(unser schwed. Dodra oder Döre |[Leindotter]) u. dgl. Die
meisten der Art wurden wohl bei der Restauration der Botanik
ausgemärzt; andre dagegen wurden latinisirt und sind noch bis
heute beibehalten worden, wie Humulus, Trollius. Dies letztere
glauben wir auch nicht missbilligen zu können, da die Römer
gerade ebenso verfuhren. Aber in den Namen jener Periode ist
nicht dies Sprachliche, sondern das Symbol selbst das Wesent-
liche, das mit den verschiedenen Worten ausgedrückt wird; die
Namen sind noch in einem embryonischen Zustande, worin sie
deshalb durch veränderliche Epitheta ausgedrückt werden. So
werden z. B. die Orchides Christo und der Jungfrau Maria zu-
geeignet, sie heissen im Mittelalter gewöhnlich Palma Christi,
in mehrern schwedischen Provinzen noch jetzt Herrans händer
[der Herrin Hand, auch Jungfru Mariae hand]. Es giebt eine
Menge Legenden von ihnen, die in verschiedenen Provinzen ver-
schieden ausgebildet worden, obschon man die primitive Einheit
deutlich erkennt. Oft haben örtliche Verhältnisse zu ihrer Bil-
dung eigenthümlich beigetragen. So ist es eine alte symbolische
Auflassung, dass Wermuth Reue bedeutet; da aber der ihm
zunächst verwandte Beifuss (Artemisia vulg.), welcher nicht
merklich bitter ist, in Smäland das schlimmste Ackerunkraut
ausmacht, das nur mit grösster Mühe auszurotten ist, so hat
man diesen dort zum Symbol der Sünde genommen, wodurch
erst ein im ascetischen Volksunterrichte jener Gegend gewöhn-
licher, sonst unbegreiflicher Ausdruck: Beifuss ist ein böses
Kraut (Grabönan är en ond ört) u. s. w., erklärt wird.
Das Bemühen der Väter und Wiederhersteller der neueren
Botanik in Betreff der Nomenclatur ging hauptsächlich darauf
aus, unter Ausfindigmachung der Pflanzen der Alten auch die
verloren gegangenen classischen Namen wiederherzustellen ; doch
Ueber die Namen der Pflunzen. 69
in Ermangelung dieser eigneten sie sich auch die Benennungen
aus dem Munde des Volkes an, die sie dann in Latein und
Griechisch übersetzten. Sie sind also nur mittelbar aus gleicher
Quelle mit den älteren geflossen, welche Kunstproducte sind,
und an dem Formellen in ihrer Bildung merkt man bald, dass
auch sie es sind. Aber durch sie wurden doch zuerst die im
Mittelalter aufgekommenen Ideen und Benennungen eingeführt,
wobei man übrigens die Sprache zu reinigen suchte, die dunkeln
und unbestimmten (wie' Alleluja, vgl. ob. I.) verwarf oder ihnen
eine dem neuen Geiste der Zeit mehr entsprechende Wendung
zu geben suchte, wie Aquilegia u. s.w. Da wir aber unter die-
ser Periode die ganze Zeit von Brunfels bis Linne, während
welcher die Wissenschaft in stets fortgehender Entwickelung
begriffen war, zusammenfassen, so ist es schwer etwas der
ganzen Zeit Gemeinsames anzugeben. Im Formellen kann dies
jedoch leichter geschehen; der Botaniker erkennt die Namen
dieser Periode sogleich an ihrer Bildungsweise. Die zahllosen
unelassischen Namen auf —oides, —astrum, —astroides, —ella
oder mit einem modificirenden Epitheton vor einem bekannten
Namen, die gegen die Zeit der Linneischen Reform hin sich
immer mehr häuften und ganz besonders Gegenstände der Ver-
dammung von Seiten Linne’s wurden (Phil. bot. $. 228 —231-
[ed. Stockh. $. 225. sgg.], wo Beispiele in Menge aufgeführt
stehen), sind für diese Zeit höchst characteristisch und ihr al-
lein eigenthümlich. Dazu kommen Namen auf —ago, wie Bor-
rago, Plantago, Tussilago, Solidago, Populago ete., in wel-
che alle ago sowohl in der Bedeutung von „etwas vorstellen
(gleichen) “ als auch von „auf etwas wirken“ eingeht; auch die
nun gewöhnlichen Zusammensetzungen eines Nomens mit einem
Verbum (sangui-sorba): waren früher fast unbekannt gewesen-
Im Ideellen lässt sich schwerer etwas gemeinschaftliches her-
vorheben, zumal da Ideen der vorhergegangenen Periode, ob-
gleich 'seltner, wiederkehren, wie in Zerba sancta, welches
besonders, nach unsrer Vorstellung, der älteste botanische Name
des Tabaks war. Dass jedoch die Zeit mehr realistisch wurde,
wird dadurch bezeugt, dass im Anfange die meisten Namen sich
auf die Kräfte der Pflanzen und ihre Anwendung in der Medicin
und Technik bezogen, wovon, ausser schon genannten, Car-
diaca, Podagraria, Camphorata, Alchemilla, Sanguinalis,
Salicornia, Salsola, Kali, und unzählige andere Beispiele sind.
Dies ging indess allmählig dazu über, dass man auf äussere
zufällige Uebereinstimmungen oder Aehnlichkeiten der Pflanzen
mit einander hauptsächlich sah, was endlich so überhand nahm,
%
70 Ueber die Namen der Pflanzen.
dass fast jeder neue Name nur ein Bruch eines bereits beste-
henden war, entweder mittelst der obigen Endungen (—oides,
—astrum, —ella), oder eines vorangesetzten micro—, pseudo—,
chamae—. Es war die Weise jener Zeiten, die natürliche Ver-
wandtschaft durch Aehnlichkeit der Namen auszudrücken, als
man noch keine Familien oder andres wesentliches Verbindungs-
mittel hatte. Auch steht die Ausbildung der Nomenclatur in so
untrennbarer Verknüpfung mit den systematischen Ideen, dass
man sie deren materielle Form nennen kann, — daher es von
Linne wirklich consequent war, zu äussern, „die Disposition und
die Namengebung seien die Grundlagen der Botanik“ (Phil.
bot. $. 213., ed. St. 210.)*): eine Behauptung, die indess in un-
serer Zeit niemand würde unterschreiben wollen.
ZI, Die Linneische Beform der Nomenclatur.
Nomina vera plantis imponere Botanicis genuinis tantum
in potestate est. Lınxz.
In keinem Theile der Naturgeschichte war Linne’s Reforma-
tion so sichtbar, als in der Terminologie und Nomenclatur;
er führte in beiden eine neue Sprache ein, die nicht etwa durch
philosophische Tiefe oder dialectische Schärfe, sondern durch
ihre Einfachheit und Naturgemässheit sich geltend machte. Die
Terminologie wurde allgemein als Sprache der Naturforscher an-
genommen; aber unter weiteren Anbauten sind so wohl ihre aurea
als auch die argentea aetas längst vergangen. Die Grundsätze
für die Benamung der Gattungen waren so einfach, dass man
nunmehr sich nur darüber verwundert, wie man je habe anders zu
Werke gehen können. Dass alle Gewächse, die zu derselben
Gattung gehören, einen gemeinschaftlichen Gattungsnamen haben
müssen (Phil. bot. $. 216.), dass diese wieder für verschiedene
Gattungen verschieden sein müssen ($.217.), u. a., sind so klare
Sätze, dass es wohl in unsrer Zeit überflüssig scheint, derglei-
chen anzuführen; aber die Verwirrung, die vor Linne darin
herrschte, erklärt genügend, warum Linne so viel Gewicht dar-
auf legen konnte. Alles was Linne in seiner Philos. bot. über
*) Dieser Ausdruck erklärt, warum Viele übersehen haben, welche
ganz neue Richtung Linne der Wissenschaft gegeben, so dass 2,
B. Cuvier ihn nur den „grossen Reformator der Nomenclatur der
Wissenschaft“ nennt. Linne, mehr von einem innern brennenden
Gefühle, als von speculativem Scharfsinn geleitet, sah selbst kaum
die Wichtigkeit seiner rein biologischen Auffassung der Natur ein;
er konnte sich keine andre möglieh denken,
Ueber die Namen der Pflanzen. 71
Namen sagt ($. 213—258., ed. Stockh. $. 210. sgg-), betrifft nur
die Gattungsnamen; was Linne 1. c. $. 260. Speciesname [richt
Trivialname ] nennt, ist der Character, die „differentia essentia -
lis“ [von Vielen als ‚Diagnosis“ bezeichnet].
Ueber Namen von Pflanzenfamilien kommt in Linne’s PAi-
los. bot. [ed. Stockh. $ 251 sgg., Willd. Spr. $ 254.] kaum
etwas vor, denn was Linne von den Ordnungen sagt, bezieht
sich. mehr auf ein künstliches System. Dekamntlich werden
diese jetzt gewöhnlich nach der Hauptgattung benannt, und
dieses kann, als nicht allein das Gedächtniss unterstützend,
sondern auch das Typische und Centrale der Familie andeutend,
nicht anders als gebilligt werden. Hierbei ist zu beachten, dass
eine Hauptfamilie einen umfassendern Namen erhalten muss,
als eine Unterabtheilung, und man daher statt ‚„‚Ericee (sensw
lat.)‘“ schreibt Ericace@, während man Ericee für eine Gruppe
derselben in engerem Sinne behält. So müssen auch Familien-
namen nach einer ganzen Gattung allen denen nach einer ein-
zelnen, wohl gar abweichenden, Species vorgezogen werden,
z.B. Ribesie von Grossulari@; ebenso die nach einer typischen
Gattung denen nach einer atypischen, so Potamogetonee dem
Namen Najade« (so lange beide vereint); Najas kann übrigens
gar nicht zu derselben Familie mit Potamogeton kommen: sie
steht den Hydrocharidee näher, und wer Najas mit Udora (!)
vergleicht, wird bald die Unmöglichkeit einsehen, diese weit
aus einander zu halten, Nur sehr natürliche Familien, wo sich
keine eigentliche Centralgattung angeben lässt, wie Crucifer®,
Umbellifere u. a., pflegt man nach einem gemeinsamen Character
zu benennen , der eben bei diesen leichter in die Augen sprinst
als bei andern Familien. Man gebrauche aber dafür nicht ein-
fache, vielumfassende, vage Termini, wie Amentacez, Com-
positae; „Synanther«““ Rich., Lssy., hat einen bestimmten Vor-
zug. Aus guten Gründen verwirft De Candolle die Endung oidee,
behält sie aber selbst für Ficoidee, um so unpassender, da
Ficus nicht dazu gehört.
Besondere, vielleicht zu grosse, Wichtigkeit legte Linne
dem Formellen bei der Bildung der Gattungsnamen bei. Die
Gesetze, welche Linne dafür gegeben, werden im Ganzen noch
als richtig anerkannt; nur will man sie für zu streng halten und
erlaubt sich viele Abweichungen davon. Es ist auch schwer
einzusehen, warum man nicht sollte aus zwei lateinischen Wör-
tern einen Namen zusammensetzen dürfen und warum ein Name
aus dem Sanskrit, Arabischen u. s. w. verwerflicher sein soll,
als ein lateinischer von ganz unbekannter Ableitung. (Philos.
2 Ueber die Namen der Pflanzen.
bot. $. 225 sq. d. neu. Aufl.). Aehnlich klingende Namen wer-
den, als leicht zu Verwechselungen führend, auch von Linne
verworfen; seitdem aber die Zahl der Gattungen so vervielfacht.
worden, ist es nicht mehr möglich auszuweichen. Doch bleibt
es, wie Link schon bemerkt hat, unpassend, durch blosse abge-
änderte Flexion eines bereits existirenden Namens oder mit
einem Vorsatze daran neue Namen zu bilden (gegen Phil. bot..
$. 227, 230.), wie Chamagrostis, Calamagrostis, Valerianella
u a. Die mehreren Namen, die (gegen Phil. b. $ 233, 234.)
früher an Thiere vergeben gewesen oder Kunstausdrücke in an-
dern Fächern sind, führen zu unwillkührlicher Verwirrung. Die
Missbräuche bei dem Benenner von Gattungen nach Personen
hat schon Link gerügt, und Linne’s Verbot, nach allerlei be-
rühmten Personen Pflanzen zu benamen, hat man rein aufgegeben.
Da dieses alltäglich geschieht, so wäre es gar zu einseitig, ultra-
protestantisch, auf die Aufrechthaltung von Linne's Gesetze
gegen Benamung nach Heiligen zu dringen. Sie können. eben
so gut sein, wie Celebritäten neuester Zeit. Wagte aber Jemand
den Versuch, unrichtige Namen zu verwerfen oder sogar nur
fehlerhaft geschriebene zu corrigiren, so würde dies sehr übel
aufgenommen werden. Schreber versuchte es mit Aublet’s
ächten caraibischen Namen (Vouapa’und unzähligen dergleichen),
aber es zog ihm viel Verdruss zu; die barbarischen Namen
hat man wieder angenommen — und Sprengels meistens lingui-
stische Verbesserungen hat man auch als Pedanterie gedeutet. —
Ausser Linne haben auch Sprengel und Link gute Regeln
in der Sache gegeben, weshalb wir nicht länger hierbei ver-
weilen*). Betzius’ Observ. in Linn. Crit. bot. enthalten viele
gute Bemerkungen darüber.
*) Linne’s lebhafte Phantasie zeigte sich auch von starkem Ein-
flusse bei seiner Benamung von Pflanzen nach Personen , so dass
er zu deren Emblemen gern Pflanzen wählte, die auf ihre persön-
lichen Eigenschaften oder Lehrsätze hindeutelen, wie Knautia.
Forskäl war als ein sehr hartnäckiger Disputator bekannt,. wes-
halb Linn eine Forskolea tenacissima erwählte und benannte. Der
berühmte Miller sandte an Linne von seinem reichen Vorrathe oft
Samen, aber gewöhnlich nur 2, höchstens 5 auf einmal; Linne
benamte danach die /Millera biflora und guingueflora. Der be-
rüchtigte Bischof Browallius war vor seiner Ernennung zum Bi-
schofe sehr unterwürfig gewesen, deshalb benannte Linne eine
Pflanze Browallia demissa; weil derselbe aber als Bischof sich
sehr stolz zeigte, so fügte Linne auch eine zweite Art in der Br.
elata hinzu; und als später Browallius als Reichstagsmann als ein
a Partheigäuger bekannt wurde, bedachte ihn Linne
nun mit einer dritten Art, Br. alienata.
Ueber die Namen der Pflanzen. 73
Unter den Reformen Linne's in der formellen Behandlung
der Botanik war keine wichtiger und zugleich mehr das Studium
derselben erleichternd, als die Einführung der logischen Species-
Definitionen und der festen Species-Namen; beide sind so ein-
fach, dass man nun kaum begreift. wie sie so lange den
Botanikern hatten entgehen können. Die Phrasen, deren man
sich früher als Diagnosen und Namen zugleich bedient hatte,
sind keins von beiden und durchaus vag und unbestimmt. Nach
Linne’s erster Ansicht sollten die Definitionen zugleich als
Namen dienen, bis die zwingende Nothwendigkeit, diese zu
ändern und zu erweitern *), zur Annahme der Speciesnamen,
oder romina trivialia, wie Linne sie nennt, führte. Deren
hatte zwar einen guten Theil schon Rivinus, welcher sie
in ähnlicher Weise wie Linne bildete, eingeführt, welche Namen
denn auch Linne gewöhnlich beibehielt (z.B. sind die Artnamen
fast aller unsrer Vicie@ u. a. von Rivin gegeben”**)); aber zum
allgemeinen Grundsatze hatte Rivin diese Benamung nicht
erhoben. Linne scheint die Wichtigkeit derselben im Anfange
selbst nicht eingesehen zu haben (vgl. Phil. bot. $ 162.), auch
hat er keine Gesetze dafür aufgestellt; letztere konnten übrigens
unnöthig sein, theils weil Linne durch allgemeine Einführung
der Trivialnamen in den Spec. plantar. ihnen ein so glück-
liches Vorurtheil für sie erwarb, theils weil Gesetze Missbrauch
und Streit voraussetzen, die um eine so neue Sache nicht zu
*) Linne’s Gesetze für die Art-Definitionen wurden von allen seinen
Nachfolgern, auch von Haller, angenommen uud ebenso von neu-
‚eren Botanikern in thesi anerkannt, hier aber in praxi oft, beson-
ders in Werken nach natürlichen Systemen, wo in Allem ein Stre-
ben nach Regellosigkeit bemerkbar wird, von synoptischen Descri-
ptionen verdrängt, hauptsächlich deshalb, weil, wie mau fand,
die kurzen Linneischen so leicht mehrere Arten umfassten. Aber
nicht bloss in theoretischer Hinsicht, auch iz praxi war das Lin-
neische Verfahren fasslicher, bestimmter und klarer, — und durch
Nichtbeobachten desselben wird die Unsicherheit im Bestimmen
eher vermehrt als vermindert, daher man auch schon angefangen
hat, in diesen Descriptionen die Differenz selbst mit Cursivschrift
hervorzuheben, was in der 'That eine Rückkehr zur Linneischen
Methode ist.
##) Es ist zwar richtig, dass man bei allen diesen vielmehr Rivin
als Autor anführen sollte — (Rivin war einer der ausgezeichnet-
sten und selbstständigsten Botaniker seiner Zeit, ohne dass er jetzt
die volle Anerkennung in der Geschichte der Botanik genösse, weil
er eben nicht Gompilator genereller Werke war); da aber die
ganze Zeit vor Linne das alte ’lestament der Botanik ist, so
bleibt man gewöhnlich bei ihm stehen, und da auf jeden Fall er
die Nomenclatur zum Principe erhoben hat, so ist es am einfach-
sten, von dieser allgemeinen Grundlage auszugehen.
74 Ueber die Namen der Pflanzen.
Linne’s Zeit entstanden. Von allen seinen Nachfolgern, Haller
ausgenommen, wurden die Namen mit Dank aufgenommen und
werden gewiss immer erhalten werden; die einzige Aenderung,
die dem Principe widerfahren, ist das so häufige Benennen nach
Personen aus blosser Artigkeit (nach Linne ist keine einzige
Art in seinem ganzen Systeme benamt worden, kaum aber sind
die nach De Candolle in dessen erst halb vollendetem Werke zu
zählen); nur wenn sie etwas wirklich historisch - Belehrendes
in sich trugen, behielt Linne solche bei. Der Grund, weshalb
Linne keine Gesetze in Betreff der Artnamen aufstellte, lag
wohl darin, dass die Zeit erst zeigen konnte, was für Streit-
fragen darüber entstehen möchten. Diese Punkte sind es daher,
die wir hier zur nähern Untersuchung vorlegen wollen. Möge
man es nicht für vermessen halten, dass wir unsre Ansicht
nach Linne's Weise in der Form von Aphorismen darstellen.
Unsre Vorgänger auf diesem Wege, Sprengel und Link, befolg
ten dieselbe Methode. Zur Erleichterung der Uebersicht werden
wir nach einander die Artnamen betrachten nach ihrer Form,
ihrer Bedeutung, den Aenderungen der Namen, ferner nach der
Priorität, der Auctorität nnd nach dem Principe zu Ermittelung
der darunter gemeinten Art. Hinsichtlich der beiden erstern ist
man im Ganzen in den Grundsätzen einig, obgleich in der An-
wendung viele Abweichungen vorkommen. Jeden Punkt einzeln
mit Beispielen zu erläutern halten wir für überflüssig.
I. Was die Form betrifft, so
1. muss jede Art ihren bestimmten Namen
haben. Es dürfen nicht mehrere Arten derselben Gattung glei-
chen Namen führen. Man darf nicht für eine Art deren zwei
annehmen. Nur wenn ein älterer Name wieder hergestellt wer-
den muss, ist es zweckmässig, eine kurze Zeit, bis der frühere
wieder bekannt wird, den jetzt bekannteren in Parenthese bei-
zusetzen.
2. Adjectivische Namen sind besser als Sub-
stantive. Ohne besonderen Grund bilde man keine neuen,
Substantive. Die schon angenommenen aber müssen bleiben,
und die, welche uralte Autorität haben, sind historisch sehr
wichtig. Auch wenn ein Genus eingezogen wird, behält man
seinen Gattungsnamen am liebsten als Artnamen bei. Substan-
tivische Namen schreibt man, zum Zeichen der Apposition.
stets mit grossen Anfangsbuchstaken.
3. Artnamen müssen auch ein Wort sein. Aus-
nahmen mögen nur die machen, die alten historischen Ursprung
Ueber die Namen der Pflanzen. 75
haben, wie Bursa pastoris, Oculus Christi. Link fordert
hier Ausschliessung der letzteren; diese ist aber in manchen
Fällen nicht möglich, wie bei Noli tangere, und in allen würde
dadurch die Bedeutung geändert. Lieber würden wir schreiben
Bursa - pastoris u. S. w.
A. Lateinische Namen sind besser als grie-
chische, nachdem nun einmal Latein, nicht Griechisch, die
oflicielle Sprache der Botanik geworden ist, sonst könnte man
es gern umkehren. Mit etwas Kenntniss des Griechischen in
Namen glänzen zu wollen, ist Jächerliche Eitelkeit. — Ehrhart
führte, aus wissenschaftlichen Gründen, eine Menge solcher ein,
die zugleich Substantive sind: sie sind in jeder Hinsicht unbe-
quemer als ihre Synonyme. Indess sind die aus classischer
Quelle wichtig genug um erhalten zu werden; auch neu aufge-
stellte solcher Art sind fortzuführen. Ausnahmen sind ferner
bei grossen Wattungen ‘zulässig, wo sie nicht zu vermeiden
sind, so wie mit Wörtern, die bei den Botanikern so allbekannt
sind, dass sie für latinisirt gelten können, z. B. macrorrhizus,
polyphyllus, micranthus, monandrus, digynus, trispermus u. S.w.
5. Solche Pflanzennamen aus lebenden Sprachen,
die entweder als offieinelle durchgängig angenommen oder in der
Heimath allgemein bekannt sind, eignen sich recht gut zu
Artnamen; nur müssen sie Stammwörter und nicht barbarische,
für den Mund manches Volkes schwer oder gar nicht aussprech-
bare oder sonst widrige sein, wie ein Theil americanischer: in
solchen Fällen mildert man ihre Schreibung ‚ auch sind sie nach
ihrer Aussprache zu schreiben.
6. Lexicalische und grammatische Fehler müssen be-
richtigt werden in Gattungs- wie in Artnamen, sowohl in
der Aussprache als in der Schreibung. (Franzosen schreiben
z. B. gewöhnlich örte mit uper u. s. w.) Hybride, d. i. aus ver-
schiedenen Sprachen zusammengesetzte Wörter sind in die
Sprache des Hauptstammworts zu reduciren.
Mi. Hinsichtlich der Bedeutung der Artnamen sind
7. Die brauchbarsten die, welche das ganze
Aussehen der Pflanze, irgend einen leicht in die
Augen fallenden Character, eine ausgezeichnete
Eigenschaft oder ihr Verhältniss zu verwandten Arten aus-
drücken. Wie gleichgültig auch oft ein Name zu sein scheint,
so erleichtert doch ein treflender ausserordentlicher gar sehr
sowohl das Bestimmen, als auch das Gedächtniss. Was die
relativen Namen betrifft, so ist es nicht wohl passend, wenn
\
76 Ueber die Namen der Pflanzen.
sie sich nur auf einen einzelnen Theil der Pflanzen beziehen,
wie Plantago major auf die Breite der Blätter; Androsace
mazima auf die grossen Hüllblätter. | |
8 Die besten sind jedoch die von vegetativen
und biologischen Verhältnissen hergenommenen,
zumal da diese, nach gewöhnlichem. Gebrauche, nicht in’ die
Definition kommen. Recht gut sind auch die nach Standort
und Vaterland. Sollte auch letzteres ausgedehnter sein, als
der Name besagt, so giebt das keine Verwirrung. Man :hüte
sich jedoch, ihn von zu eingeschränkten Orten, wo eine sonst
weit- verbreitete Pflanze nur zufällig vorkommt (wie Potentilla
salisburgensis), oder von ganz unbekannten, die nicht in geogra-
phiscben Büchern stehen, herzunehmen.
9. Historische Namen werden genau bewahrt,
wenn sie von wirklichem Interesse, entweder aus der Volks-
sprache oder ältern Autoren entnommen sind. Bei Benamung'
neuer Arten vergleiche man ältere Autoren, bei welchen manche
noch nicht oder erst in spätern Jahren unterschiedene Arten
(noch unter andern mitbegriffen) vorkommen. Auf Personen
sich beziehende Artnamen, die schon Link u. A. für minder
passend erklärt haben, sind nur zu vertheidigen, wenn
sie inhistorischer Hinsicht aufklärend sind. Miss-
brauch hierin, welcher jährlich zunimmt, hat und wird einst
der Wissenschaft und den Botanikern viele Schmach zuziehen.
Die Ehre ist sehr zweideutig: gewöhnlich will man damit den
Irrthum einer Person verewigen; zuweilen wird sie etwas lächer-
lich, z. B. wenn Raubthiere, Käfer, Pediculi u. dgl. nach Per-
sonen benannt werden, oder wenn Sprengel Z’helebolus sterco-
rarius Tod. mit T'h.. Todeanus übersetzt. Es kann an den Gat-
tungsnamen genug sein. Ob Jemands Ehre dadurch gestiegen,
ist uns unbekannt. Die Linnaea lieben wenigstens wir um:
Linne’s willen, aber nicht umgekehrt.
10. Es ist ganz gleichgültig (besonders in grössern
Gattungen, in kleineren muss es vermieden werden), ob zwei
oder mehrere Namen gleichbedeutend sind, wenn
sie nur in der Form abweichen. — Auch hebt es die Richtig-
keit eines Namens nieht auf, dass man einen ‚bessern hätte
geben können oder ein gegebner einer andern Art besser zukäme.
ll. Nur als provisorische kann man gewisse vage
Namen ansehen, wie dubium, incertum, hybridum, neglectum,
novum u. Ss. w. Der Namengeber giebt im erstern Falle zu, dass.
er die Pflanze nicht sicher kennt, und wenn sie nachher richtig
erkannt worden, hört die Anwendbarkeit des Namens auf. —
Ueber die Namen der Pflanzen. 77
Alle Artnamen mit hybridum sind obenein gewöhnlich falsch
angebracht. (Sorbus hybrida sollte nach Linne’s eignem älteren
Namen S. Fenica heissen). Für wahre Bastarde (aber nicht
der für solche ausgegebenen sind Aybridae) kann Schiede’s
Methode, aus den Namen beider Aeltern einen neuen zu bilden,
angenommen werden, man muss da aber sicher sein, dass es
wirklich Bastarde sind; — doch danach schon ange-
nommene Namen zu ändern kann nicht gebilligt werden.
12. in Betreff der Verhältnisse, von welchen man die Na-
men hernehmen solle, lassen sich indess keine bestimmten
Gesetze geben. Durchaus verwerflich sind nur die
Namen, die auf einem offenbaren Irrthume beruhen,
wie auf ganz falscher Heimath, oder die durch Druckfehler ent-
standen sind (Hieracium pontanum statt montanum | Dielytra
und: Dielytra statt Dicentra]), oder ganz der Natur wider-
sprechen, wie Salic arenaria für S. limosa. Dass etwa ein
Name von einem Character hergenommen worden, der wandel-
bar ist, macht den Namen nicht ungültig, sofern seine Anwend-
barkeit auf die Hauptform sicher ist, z. B. Turritis hirsuta,
Cardamine hirsuta. Dagegen aber sind naturwidrig Namen nach
einer atypischen Form, wie Betula pubescens: dieser Name
kommt nur einer abweichenden Form der DB. glutinosa [die
nämlich in Schweden als Hauptform gilt] zu, und nähme man
die erstere als Hauptform an, so würde der Begriff der Art
ganz verdrehet. .
IH. In Betreff der Aenderung der Namen
gilt als Princip:
13. Dass kein Name ohne die zwingendsten
Gründe geändert werde. Wenn die obigen Grundsätze
nicht so streng rationell scheinen, wenn die Toleranz gegen
minder passende Namen zu weit ausgedehnt scheint, so hat
dies seinen guten Grund darin, dass die Uebel bei einer Namen-
änderung selten durch den Ersatz aufgewogen werden können,
und dass, wenn man aus halben Ursachen, wie etwa dass ein
Name besser passe als ein anderer, neue Namen einführen
dürfte, bald völlige Verwirrung eintreten würde. Darum stimmen
wenigstens die Meisten überein in der Annahme des schon von
Sprengel aufgestellten Grundsatzes, dass kein Artname, der
nicht absolut falsch ist, geändert werden darf. Auch in Fällen,
wo der Gattungsname geändert wird, muss der Speciesname
unverändert erhalten werden, so wie, wenn Varietäten zu
Arten erhoben werden, oder umgekehrt, keine
78 Ueber die Namen der Pflanzen.
Aenderung des Namens stattfinden darf. Diese
Regel wird gar zu oft vergessen.
14. Die Fälle, wo Namenänderung recht und nöthig ist, sind:
a) wenn zwei oder mehrere Arten gleichen Namen
haben ($. 1.),, wo dann der später gegebene zu ändern ist.
Sollte indess der ältere einer unsichern Art oder blossen Abart
verliehen gewesen sein, so verbleibt der Name bei der
späteren Art. Ganz unrecht wäre es, einen Namen deshalb
zu ändern, weil er früher an eine jetzt bereits gestrichene Art
vergeben gewesen, z. B. den von Aubus horridus, mehreren
Salices. In manchen grössern Gattungen, z.B. Agaricus, liesse
sich kaum ein passender Name mehr ertheilen, wenn man nicht
solche schon einmal beseitigte Namen wieder aufnehmen dürfte. —
b) Wenn ein Name ganz und gar falsch ist und der
Natur widerstreitet ($. 12.). In beiden Fällen aber unter-
suche man, ehe man einen neuen bildet, die Synonyme, ob
nicht unter diesen schon gegebenen Namen einer wiederaufnehm-
bar ist. — c) Wenn ein jüngerer Name mit Unrecht
einen älteren verdrängt hat, wo dieser dann wie-
dereingesetzt werden muss. Gerade um der Stabilität
willen ist dieser letztere Punkt höchst wichtig, Dieser Grund-
satz ist es, den man jetzt besonders bestreiten will; man sucht
jene unrecht angebrachten Namen mit Gleichgültigkeit der Na-
men, angenommenem Gebrauche u. s. w. zu vertheidigen. Was
würde man wohl von einem Historiker sagen, welcher eine That-
sache einer andern Person, als der sie angehört, unter Vor-
schützung von Gebrauch und Gleichgültigkeit der Namen zu-
schriebe? Es kann wohl heissen, das sei unbedeutend, —
verlässt man aber die Bahn des Rechts in Einem nach dem
Andern, so erwachsen diese Fehler endlich zu völliger Unordnung
und Willkühr. Dem Gebrauche, wenn er Missbrauch ist, als
der Regel zu huldigen, ist für die Wissenschaft eben so gefähr-
lich, wie Erhebung der Gewohnheit und des Herkommens zum
Moralprineipe. Wir befinden uns hier auf einem sehr wichtigen
Punkte: an der Grundscheidung zwischen den Principien des
Protestantismus und des Catholieismus, zwischen der überwie-
genden Autorität des geschriebenen Worts und der der Kirche.
In der Wissenschaft gilt doch nichts andres, als das Wahre
und Rechte; alles, was nicht davon ausgeht, muss verfallen.
Alle Nebengründe von Gleichgültigkeit, Bequemheit, Gebrauch
u. S. w. müssen schweigen, wenn sie gegen Wahrheit und Recht
streiten. Betet die Wissenschaft andre Götter an als diese, so
werden Dilettantismus und Willkühr sich bald über Gelehrsam-
”
Ueber die Namen der Pflanzen. 79
keit und Forschen erheben, und alle Autorität, weil solche nur
auf dem Rechte ruhen kann, verschwinden — das Unglücklich-
ste eben so für die Wissenschaft, wie für Kirche und Staat.
Fr. in Bot. Notis. 1842, S. 9.
15. Eben der Stabilität wegen müssen anah all Col-
lectivnamen (d. h. die eine ganze Gruppe nah- verwandter
Arten bezeichnenden) beibehalten werden, doch unver-
ändertin dem Sinne, worin der Namengeber sie ge-
nommen. Einen solchen Namen auf nur eine der daraus un-
terschiedenen Arten überzutragen, wie Medicago polymorpha,
Valeriana Locusta, Myosotis scorpioides, Aretium Lappa u.
a., ist unrichtig, weil dadurch die Meinung des Gründers des
Namens falsch dargestellt wird. Da neben der neuern Ansicht
von der Verschiedenheit solcher Arten gewöhnlich bei Mehrern
auch die ältere besteht, so darf nur im Sinne der Letzteren der
collective Name im täglichen Gebrauche beibehalten werden; wo
man aber mehrere Arten unterscheidet, muss jede derselben
einen eignen Namen erhalten und der. collective zur ganzen
Gruppe, der er gilt, eitirt werden. Dazu kommt, dass es immer
unmöglich ist, positiv zu entscheiden, welcher von den getrenn-
ten Arten er mit Recht zukomme, wie bei Halva rotundifolia
L.*), Rumex aquaticeus L.**) u. a. Welcher von den geschie-
denen allein man ihn auch überlasse, immer ist er dann theil-
weise falsch. Nur wo sie als eine Art vereinigt werden, bleibt
der Name mit Recht, und dann bezeichnet man die Varietäten
mit den neueren Namen. Nimnit man diesen Grundsatz, welcher
allein der rechte ist, an, so wird unendliche Namenverwirrung
aufhören. Spricht man nur z. B. von Myosotis scorpioides L.,
*) Wir treten völlig Koch’s neuerer Ansicht bei, dass, wenn Malva
vulgaris und Borbalis als Arten unterschieden werden, M. rotun-
difolia nur als Collectiv-Benennung für beide, wie sie es nach-
weislich bei Linne ist, behalten werden darf. Denn dass M. bore-
alis, auf welcher Tinne alle Tage herumgetreten, nicht die eigent-
lichste M. rotundifolia gewesen sein sollte, davon wird man
schwerlich einen upsaler Botaniker überzeugen, zumal da die
vulgaris in der ganzen Umgegend fehlt. 5
+) Dessen Geschichte ist Fdurch Fries] in Lindblom’s Bot. Not.
4841, S. 7 fl. gegeben. Dass Linne’s Rumex aguaticus ein Col-
leclivum ist, lässt sich gar nicht bestreiten, und wenn wir den-
noch dieseu Namen für A. Hydrolapathum beibehalten haben, so
ist dies nicht deshalb geschehen, dass Linne nur diesen gemeint
haben sollte,’ sondern weil dieser es ist, den alle Vorgänger
Linne’s unter dem Namen Lapathum aquaticum bestimmt ver-
standen haben, er auch in allen al Ren seineu Namen vom
Standorte im Wasser bat, und für ihn jener Name der naturge-
mässeste ist,
“;
s0 Ueber die Namen der Pflanzen.
Malva rotundifolia L., Rumex aquaticus L., so weiss ja kein
Mensch, was darunter zu verstehen ist; deswegen brauchen aber
diese Namen nicht vertilgt zu werden: es ist in manchen Fällen
recht wichtig, sie in ihrem wahren ursprünglichen Sinne zu ha-
ben. Zu wissen, wie Linne eine Pflanzenform betrachtete, bleibt
immer historisch wichtig; trägt man aber ihren Namen in ande-
rer Bedeutung vor, so verfälscht man den Sinn desselben. —
Doch sehe man nicht die Namen der Arten als Collectivnamen
an, wo eine bestimmte Hauptform gemeint ist, so wie noch an-
derer bei. Linne, bei welchen andre, ıhm (Linne) selbst unbe-
kannte, wie häufig, als Aharten untergeordnet sind, weil er de-
ren Unterschiede nicht gekannt. Da behalte die Hauptform im-
mer ihren Namen.
16. Dagegen ist ein neuerer Brauch, in Fällen, wo man
mehrereältereArten zu einer vereinigt,einenneuen
Namen zu geben, ganz verwerflich, z. B. Aenderung
der Namen der Veronica longifolia und V. spicata bloss des-
halb weil man mit ersterer die V. maritima L., mit der letztern
V. hybrida L. vereinigt. Man behalte hier den der Hauptform,
als den bekanntesten, bei. Wegen jenes Grundes hat Spen-
ner in der Fl. friburg. eine Menge allbekannter Namen geän-
dert, z. B. den der Arabis hirsuta L., weil er darunter sowohl
die A. hirsuta DC. als auch A. sagittata DC. begreift, während
doch Linne die Art gerade so wie Spenner genommen hatte, so
dass eher De Candolle jenen Namen hätte verwerfen müssen,
als Spenner.
17. Fraglicher ist die Sache, wenn eine Art von demsel-
ben Autor in verschiedenen Werken unter verschiedenen Namen
beschrieben worden, wie z B. Rosa spinosissima L. auch unter
dem Namen R. pimpinellifolia L., und wieder unter dem er-
stern Namen in Fl. suecica die R. cinnamomea. In diesem
und analogen Fällen muss der Name verschwinden, der bei
Linne nicht klar ‚dargestellt ist: hier R. spinosissima ‚ indem die
beiden andern bestimmt auseinandergesetzt sind. (Rosa villosa
gehört wieder nicht hierher: es ist ein Collectivname, der nur
beibehalten wird, wo man R.villosa und R. mollissima vereinigt,
welcher letztere Name besser und älter ist als R$. tomentosa Sm.)
Ferner hat ein Autor selbst mit Fleiss einen Namen mit einem
andern, als besser passenden, vertauscht, wie Linne Mentha
verticillata mit M. saliva, so ist der letztere vorzuziehen, weil‘
einem Autor die Freiheit zusteht, sich selbst zu verbessern.
Wiederum, wenn ein Autor eine von ihm selbst aufgestellte
Art wieder eingezogen hat, diese aber dann wiederhergestellt
ir
Ueber die Namen der Pflanzen. 8
wird, so ist auch. der erst-gegebene Name wieder aufzunehmen.
Indess finden sich eine Menge Fragen der Art, die ex analo-
_ gia zu beantworten sind.
18. Als auf eine Sache von vorzüglicher Wichtigkeit ist
indess darauf zu dringen, dass so wenig als möglich
Linneische Namen verschwinden oder gestrichen wer-
den. (Darum, dass man mit den Collectivnamen in ihrer wah-
ren Bedeutung eine ganze Gruppe bezeichnet, sind sie nicht
ausgestrichen). Die Orthodoxie der Botanik fordert ein Sym-
bolum zum Vereinigungspunkte, und, es möge nun auf das Rechte
oder auf Zweckmässigkeit ankommen. immer lässt sich für die
specielle Botanik kein anderes angeben, als Linne’s Schriften.
Jede nicht klar aufgehellte Pflanze daraus liegt einem jeden
gewissenhaften Botaniker schwer auf der Seele; sie lässt einen
Bodensatz, der, wenn man ihn auch übersehen will, immer von
neuem hervorfritt; jede falsche Anwendung eines Namens ist
von unberechenbar nachtheiligem Einflusse — und sollte diese
Richtung fortwähreu, sie würde gar bald die Schriften Linne’s
‚ unbrauchbar machen, ungeachtet sie für den Botaniker das sind,
was die Bibel dem Theologen. Man kann es daher nicht
anders als beklagen, dass wirkliche Wahrheit in dieser Sache
in. mehrern allgemeinen Werken fast gänzlich als gleichgültig
betrachtet wird, so dass man nicht einmal Linneische Bestim-
mungen, die durch neuere Kritik über allen Zweifel erhoben
worden, wie unter den Carices in Wahlenberg’s Flora lappon.,
den Potamogetonen etc., der Wiederaufnahme würdigt.
IV, Das Bestimmen der Priorität der Namen erfordert
ebenfalls die Anerkennung gewisser Grundsätze:
19. Die Priorität wird von der allgemeinen Annahme
der Artnamen in Linn. Spec. pl. ed. 1. an bestimmt.
Obgleich Linne viele ältere Benamungen aufnahm oder von den-
selben gewöhnlich seine Artnamen hernahm, so war er es doch,
der ihre Aufstellung zum bestimmten Principe erhob und sie
zuerst consequent einführte. Eines vorschriftgebenden Zeitpunk-
tes bedarf es in dieser Hinsicht jedenfalls, damit man sich nicht
in unbegränztes Dunkel verliere. Indess darf man die ältern
Artnamen, besonders C. Bauhin’s, die vor Linne die allge-
mein angenommenen waren, nicht ganz übersehen, namentlich
bei den Pflanzen, welche durch die Alten gut unterschieden wa-
ren, wie Rumices, von Linne aber vereinigt wurden. Sobald
nun jene wiederhergestellt werden, so hat man nicht bloss zu
Benamung dieser neuen Arten auf die Namen der Alten Rück-
6
Rr
82 Ueber die Namen‘ der Pflanzen.
sicht zu nehmen, sondern hauptsächlich zu‘ ermitteln, welcher‘
von'ihnen der Linneische Name am riehtigsten zukommt. Solche!
Gründe sind es, warum der Name Aria nicht‘ unsrer 'gewöhnli=v
chen schwedischen ’Oxel beigelegt werden 'kanny' sondern der
ausländischen, "der ‘Aria der Alten ; desgleichen warum, falls:
unser nordisches Aconitum Lyeoctonum [A: septentrionale] vom
deutschen‘ verschieden wäre, dem deutschen jener Name zu-'
käme. Dies hat Smith auch“ richtig "beachtet, als er 'Ulmus‘
campestris und U. montana 'Bauh. wiederherstellte, nachdem
sie Linne unter seiner U. campestris vereinigt hatte Obgleich‘
Linne darunter hauptsächlich Bauhin’s U. 'montana oder un-
sre gewöhnliche schwedische Ulme [ÜU. camp. auch’ der’ deut:
schen Autt.] verstanden hat, so fordert doch‘sowohl der 'histo-
tische Grund, als auch die Naturgemässheit' des Namens, dass
man’ den Namen U. campestris der südlichern,, für Schweden
nur auf Oeland und Gottland wachsenden Art [U: efusa Ws
Wahlenb., Hartm. uud der Deutschen *)] lasse. "Wir Schweden:
müssen in solchen Fällen uns des Anspruchs'begeben, dass die
übrige gelehrte Welt sich nach unseren einheiniischem Verhält-
nissen richten solle, damit wir volle Autorität”in Fragen 'gewin-
nen ‚wo ‘ohne Beschimpfung der Wahrheit kein Nachkeßen: mög:
lich ist, wie bei Filago montana' [diese als’ =’ F. arvensis L:
u. der Deutschen, s.: a in Lindbl. ea ‚Not: IV: 9 eh
Mant. II.) | AT
20. Der Name, worunter eine Art zuerst Fahnen
gemacht worden, hat Prioritätsreeht,; niehtso die Be
nennungen in Herbarien oder Manuseripten. Wenn aber zwei
Autoren fast gleichzeitig eine Art beschrieben haben, so dass
die Benamung des einen dem andern nicht hat bekatint oder
sicher sein können, so ist es pedantisch, sich an Jahrzahl' und
Datum festzugreifen ;; man wähle vielmehr. das passendste.: /Dies'
gilt besonders ‚bei Namen aus der: Epoche zunächst‘ nach Linng, '
wo. man keine Journäle besass und Verbreitung: der: Bücher lang-»
samı ging; in ‚solchen Fällen müssen dire Namen die Prierität'
haben, die von.älteren , früher bekannten: 'hergenommen: sind:ıso:
2.B. Ranuneulus eircinatus vor R.. divaricatus, denn-ausserdem;
ae (in diesem: Falle) der erstere‘ Name ebeh so‘ ME
rer F \ E ;
je: Be [Wenn richt Ber auch eine Bee Sn De Form der. erste-,
ren, der campestris der Deutschen, mit hereingefasst ist, — wie
ran glauben möchte, da der Herr Verf.’in Mant."IIT, 19 j'wo er
sich auf vorliegende ‚Abhandlung. bezieht; ‚munter der. ölandischen ;
„’campestris‘‘ auch U, tetrandra. Schd., .tuberosa Ehrh.. und
" glabra Mill. heranzieht, auch die Früchte beider seiner Arten
glabros nemt. — De Ueber]
Ueber die Namen der Pflanzen. 8
‚als der ‘andre haturwidrig ‚ ist und besser zu einem PR. aquatilis
passty 'istoer' auch: alsı R.’folio \eireinato lange: bekannt gewe-
sen *)»ı Eben sosxhat: Potentilla ineana: Mönch. die Priorität vor
P. einerea, einmal, weil:sie wirklich zuerst unter jenem Namen
. beschrieben‘ worden ;; denn bei 'Villars kommt der Name einerea
nur als ein unpuhlicirtes. Synonym zu P.opaca vor, dann aber
hauptsächlieh;, weil jener erstere Name.von der ältern' Benen-
nung! der ‚Pilänze , Pentaphyllum incanum ‚hergenommen: ist.
Wiri sollten‘ »gern in diesen Fällen der Aristocratie etwas den
Ausschlag zugestehen **); ein Autor ‚der da’ eilt, ‚einen Namen
für eine noch nicht recht bekannte Art: zu publieiren , darf: nicht
Priorität-vor dem'haben,, welcher sie genauer prüft und unter-
sucht, sich aber mit der Publication nicht übereilt. : Man denke
andHeritier’s, zu Gewinnung der Priorität vor I -
les zurüekdatirte, Monographien. Ä
‚o»2L,;1st/’ein Name unsicher, ein äbakdien aber ge-
wiss; ,so.muss der sicherste vorgezogen werden.
Dabei ist,indess zu bemerken, dass, wenn der erstere von einem
elassischien: Schriftsteller erläutert worden, er seinen Vorzug be-
hält... Namen ,.die durch gute,‘ leicht: zugängliche Kupferwerke
oder »getrocknete Sammlungen fixirt worden sind, haben unbe-
streitbar ' den Vorzug vor gleichzeitigen, die auf. einer vagen,
vielleieht nur von: ein! paar unvollständigen Exemplaren abgezo:
genen, Diagnose beruhen. Dasselbe scheint mir auch bei Na-
men. zu'igelten, die von ‚ganz falschem Begriffe 'einer Species
ausgegangen . sind.» Cerastium brachypetalum ist offenbar und
nachweisbar- ursprünglich C. viscosum (ovale P.) eglandulosum:
damit. ‚vereinigte .man später C.'strigosum (auch barbulatum
umfassti.diese..beide:. «. ist:das erstere, £. das: letztere); aber
diesen. letzteren’ Namen muss man, däucht mich , vorziehen, weil
er. eine: bestimmte Art betrifit, brach ne ‘aber erst; später
dazu herübergezogen worden. - dsan iA
ya Nanjenisen: kommt die Priorität das Biduh
hie >
„> Auch i in Lindbl. Bot. Not. 1842, Ne S 184 En wo Professor
” ries’ des Namens AR. ‚foeniculaceus Gib: als des ältesten dieser
‚Iu sl Pilanze; ash ‚zieht Bir an A.'eircinatus-als besser vor.
Ida rn ıh s vrs4t r . As d. U.] ag A
#*),, Doch nicht, wie gewöhnlich an Compilatoren generelle
’ erke, sondern nur den wirklichen Beobachtern, welche die
eaßi löwendie ‚Pflanze selbst untersucht 'haben. Die Benamung von
‘77. Dem; ‚welcher die Pflanze ‚selbst gefunden und untersucht, sollte
„stets in streitigen Fä!len die Priorität vor der desjenigen haben,
"der nach einem und dem andern getrockneten Exemplare einen
:*" Nämen ausgebreitet hat.
6*
84 Ueber die Namen der Pflanzen.
mung zu, welcher zuerst zwei oder mehr unter eis
nem Namen verwechselte Arten auseimanderge-
setzt, z. B. Schkuhr bei Polygala vulgaris und comosa,
während Linne unter dem erstern Namen eben 'so oft die letz-
tere, die um Upsala am gemeinsten ist, verstanden’ hat, Hayne
bei Utricularia vulgaris und intermedia, Drosera longifolia
und intermedia, u. s. w. Am deutlichsten hat dieses Anwen-
dung bei Cerastium vulgatum und viscosum L., welche von Linne
nicht gerade ins Klare gebracht worden sind, ob wir gleich in
Schweden sichre Tradition darüber haben, die aber Curtis so
auseinandergesetzt hat, dass keine Verwechselung dieser Arten
mehr möglich ist: wonach Curtis die Priorität der FAN DUENHENE
derselben gebührt.
23. Wenn eine Art von ihrem Begründer göäihghe und
klar dargestellt worden, so kann sie nie ihre Priorität
durch Irrthümer oder Verwechslungen Anderer
verlieren. Diesen Grundsatz halte ich für einen der wichtig-
sten, die zu beachten sind, sonst sehen wir wohl einst alle
Linneischen Arten ausgeschieden. Gewöhnlich hat sich nur in
einem oder dem andern Lande eine Verwechselung geltend ge-
macht, aber man muss nicht erwarten, dass Die, welche das
wahre Verhältniss kennen, dies um Andrer Bequemlichkeit wil-
len aufgeben sollen, wie es mit Filago montana ist. Berichti-
gung darin ist unendlich leichter beizubringen, als man sich‘ ge-
wöhnlich vorstellt. Wird solche in einem classischen, allgemein
verbreiteten Werke, wie Koch’s, aufgenommen, so nimmt gar
bald der bessere Theil sie ‘an. Ein Werk wird elassisch nur
durch Anerkennung des Rechten als höchsten Principes, nie
aber dadurch, dass es der Gewohnheit und dem Schlendrian
selavisch folgt. Zur (lasse der Parasiten gehören alle, die
nicht prüfen und beurtheilen wollen oder können: was isit
recht? sondern nur nachfragen: was hat der oder der
Autor gesagt?
24. Auch kann ein Name nicht. dotlukheih seine
Priorität verlieren, dass sein Gründer unter dem-
selben im Herbarium später hinzugelegte ähnliche,
vorher nicht unterschiedene Formen verwahrt,
‘oder solche ausgetheilt hat. Dies ist etwas, das wohl
kaum ein Botaniker vermeiden kann: man legt eine solche Form
provisorisch zu der, welcher sie am meisten gleicht, und lässt
sie da, bis man Gelegenheit hat sie näher zu untersuchen. Wie
unzählige sichre Linneische Namen würden nicht. untergehen,
wollte man nur auf Linne’s Herbarium und darauf sehen, was
Veber die Numen der Pflanzen. 85
er seinen Üorrespondenten als seine Art bestimmt hat! Viele
Pflanzen sind in getrocknetem oder minder vollständigem Zu.
stande nicht mit voller Gewissheit bestimmbar, zumal von An-
dern gesammelte Exemplare, — und, wenn man Anderen das
Recht zugesteht, eine Art genauer zu bestimmen und zu begrän-
zen, so wäre es ungereimt, dem Entdecker selbst dieses Recht
zu verweigern. Auch darf man nicht glauben, dass die meisten
der Verwechslungen von Exemplaren, denen man so oft in
Sammlungen begegnet, von den Einsendern herrühren:: öfter sind
sie bei der Einreihung von Zusendungen in die Sammlung
geschehen. S.: v. Schlechtendal in der „Flora od. bot.
Zeit.“ über Willdenow’s Herbarium und die Quellen der Namen-
bestimmung.
V. Es war eine Pandora-Büchse, die der Gebrauch übe
der Wissenschaft öffnete, als man anfıng, nach jedem Namen
dessen Autorität beizufügen: es hat zu vieler gesuchten Hy.
perkritik, unnöthigen Gattungszersplitterungen und unzähligen
Namenänderungen geführt. Dergleichen gehört indess zu den
Uebeln, die von der Ausbildung der Wissenschaft nicht zu tren-
nen sind; es ist nur zuzusehen, dass man dabei vom egoisti-
schen Standpunkte zu einem historischen übergehe, wo die Sa-
che erst eigentlich belehrend wird. Daher schlagen wir vor:
25. Der Schriftsteller, welcher einen Artnamen
in der grundsatzmässigen, allgemein angenommenen, Weise
zuerst publicirt hat, wird als dessen Autor. citirt. Obgleich
Linne nach den Aelteren, vorzüglich nach Rivinus, eine
Menge Artnamen unverändert aufnahm, war er doch der erste,
der diese principmässig und consequent einführte (wie Tourne.
fort die Gattungsnamen und den Gattungsbegriff bestimmte”),
und darum geht man nicht in die Zeit vor Linne zurück.
Dasselbe gilt für die nachher von andern Botanikern nach al-
ten Quellen wiederaufgenommenen Namen. Wird der Begriff
einer Art entweder durch Hinzukommen neuer Varietäten erwei-
tert, oder durch Abscheidung gewisser Formen eingeschränkt,
'*) Für die Gattungsnamen, deren Begriff von Tournefort fest-
. gestellt wurde, muss man von diesem ausgehen. Bei diesen, dem
Virgil und anderen alten Autoren, denen nie ein Gatiungsbegriff
eingekommen, zu citiren, ist, gelinde gesagt, lächerlich. Aber
wegen einer Modification in den Characteren, oder der Ausschlies-
sung von provisorisch beigefügt gewesenen Arten, die eigne Signa-
tur beizusetzen, zeugt von Eitelkeit. Erfährt jedoch eine Gattung
eine durchgreifende Reform oder eine Zertheilung, so muss des
Roformators Name nach dem des Begründers hinzugesetzt werden.
86 Ueber die Namen der Pflanzen:
so.behält die Art noch die Autorität ihres‘ Gründers, -demn im
beiden Fällen ist es gewöhnlich späterer Zusatz; was hinzukam'
oder wieder ausschied; ist aber der Artbegriff ganz und garıre-
formirt worden, so wird’ nach des IUHNERNEERE DE der des
Reformators hinzugefügt. y OEM RR
26. Wenn eineÄrt mit Unrecht ge oder
ein Name unrecht angewandt worden, so wird; zu
geschichtlicher Belehrung, ausser der des ersten Gründers, auch:
die Autorität dessen hinzugesetzt,: weleher: sie
zuerst wiederhergestellt oder entwirret hat. Das
ist eine Steuer der Gerechtigkeit, weil dieses etwas weit: ver-
dienstlicheres ist, als auf oft alte, bereits bekannte Sachen neue
Namen hervorzuwerfen, und zeigt zugleich von gründlicherem
Studium , — zugleich ist diese Bezeichnungsart in: historischer
Hinsicht belehrender (z. B. Salix myrtilloides Linn., Wahlenb.),
als die jetzt gewöhnliche: $. myrtilloides Linn., nee Willd., nec
Smith. Nur das erstere sagt etwas positiv; die letztere, nur:
negative Notiz wird nie vollständig, denn in Floren: gehen: hete-
rogene @sewächse unter gleichem Namen öfter, als: man nur ahnt.
27: Wird eine ältere Gattung ‘in mehrere'zer-
theilt, wodurch der Gattungsname verändert wird,
Artund Artname aber ungeändert bleiben, sol'muss:
man den Ertheiler des Artnamensals dessen Auto-
rität beibehalten, besonders wenn er selbst diese Benen-
nung aufgenommen hat. Im Syst. ınycolog. haben wir ' selbst
diesen Grundsatz aufgestellt, welchen auch Mehrere für gut er-
kannt haben. Sobald z. B. die Gattung Petasites angenommen
wird, so versteht es sich von selbst, dass Tussilago nivea: da-
hin gehört; der Aufstelier derselben hätte: dies gewiss so 'gut
als irgend ein Andrer eingesehen; es liegt aber weniger däran;,
an wen es gerade kam; sie zuerst als Petasites niveus zu Schrei-
ben, als die eigentliche Quelle der Art zu wissen. So’ wird für
Nasturtium anceps, da es sehr ungewiss ist, ob ‚andere »Be-
schreiber desselben ausser Wahlenberg, wie De Candolle u. Ay
auch das wirkliche gekannt haben, immer Sisymbrium anceps
Wahlenb. Fl. upsal., Nasturtium anceps Whlnb. Fl. suee. die
Hauptquellen bleiben. Ebenso hat zwar Smith später, als der
Verf. dieses, die Erythraea litoralis unter der Gattung Ery-
thraca vorgetragen, aber dennoch ist Smith der wirkliche Be-
nenner der Art. In historischer Hinsicht kommt es nur darauf
an, diesen zu kennen. Oft werden bei Arten solcher zertheil-
ten Gattungen, wie z. B. Calamagrostis stricta, 3 bis 5 ver-
schiedne Autoren mehr beigefügt: von keinem derselben.ist die
Ueber die Namen: der Pflanzen. 87
t
Autorität in diesen Fällen von Wichtigkeit, sondern nur, die
"wahre Quelle zu wissen. Wenn aber eine Art von einer alten
‚Gattung in eine andere versetzt wird, ‚wie Azalea lapponica in
Behododendron ‚ oder wenn sie einen wirklich unrichtigen Platz
bekommen: hatte ,: muss der die Autorität haben, wer sie zur
rechten: Gattung gebracht.‘ Sie beruht dann auf wirklicher Be-
richtigung und neuer Beobachtung, was die Hauptsache ist. Wo
‚aber: ein ‚Schriftsteller nur dafür, dass er: eine bereits gut be-
‚stimmte‘ 'Section als eigne Gattung nimmt, zu den Arten dersel-
‘ben seinen Beschaustempel : setzt, ist dieses in unsern Augen
‚überflüssig.
28. Versteht ein Autor unter einem nnd demselben Namen
in: verschiedenen Schriften verschiedene Arten, so ist es noth-
wendig, das Werk zu eitiren, worin er .den Namen
in nur angenommenem Sinne gefasst hat. Der jetzt
‚aulgekommene Gebrauch, nicht bloss einen Namen, sondern eine
Schrift als Autorität zu eitiren, verdient allgemeine Folge. Es
ist nicht der Namenertheiler, sondern die Quelle des Namens,
was als banpkeäche zu betrachten ist.
29. Obgleich der, welcher von Andern nur aufge-
stellte Pflanzen beschreibt, nicht unterlassen darf, den
‚der sie vorgeschlagen anzugeben und dessen Benamung beizu-
behalten, so ist doch der erstere als die Autorität der-
selben anzusehen, weil die Art auf ihm beruht, bis der
Namengeber selbst sie beschrieben und für die seinige erkannt
hat. :Die Stelle, wo ein (oft blosser): Name vorkommt, als
‚dessen Quelle anzuführen , wenn derselbe Autor sie später aus-
führlicher beschrieben hat, ist pedantisch.
VI. Zuder Bestimmung der Artnamen, der Deutung nach
ihrem Inhalte, ist es nothwendig, alle Quellen derselben zu
‚untersuchen uud weder an Standort, noch Exemplare der Pflanze
u. s. w. sich einseitig zu halten. Zum äussersten Extreme hat
dies Schultes in seinem Syst. Veget. getrieben, indem er
zur Bestimmung von Linne’s Pflanzen nicht auf Linne’s Her-
‚bariumy,; sondern ‘nur darauf, sah, was Smith mit Linne's
Synonym hingestellt (,, Non Smith, ergo non ita‘). Obgleich
Smith selbst Linne's Sammlungen vorurtheilsfreier benutzte,
‚auch seine Bestimmungen in vielen Fällen nach bessern Auf-
klärungen berichtigte (z.B. bei Aira alpina), so. muss man
doch berücksichtigen, 1.) dass die Hauptsache dabei ist, Smith's
Begränzung der. Art zu keunen; Smith sah zwar die seinige
nieht für völlig identisch mit derjenigen Linne’s an, aber als
«nieht unterscheidbar — und wer findet nicht durch fortgesetzte
88 Ueber die Namen der Pflanzen.
Studien oft wichtige Unterchiede zwischen Pflanzen, die man
früher als identische aufbewahrt hat? 2.) dass Andere in Linne’s
Herbar mitunter ganz Andres gefunden haben als was. Smith
beschreibt z. B. unter den Salices, Rumezx acutus u. s. w. ’
30. Die Worteund Beschreibungen eines Autors
müssen, wenn sie klar und bestimmt sind, immer als die
wichtigste und vorzüglichste Quelle zur Bestim-
mung seiner Species gelten. Dabei muss man indess
nicht minutiös an jedem Wörtchen haften, sondern sie vom subjec-
tiven Standpunkte des Verfassers aus zu fassen suchen, auch
alles absondern, was von andern entlehnt ist. So ist z. B. zu
Allium arenarium bei Linne die Blattform nur nach den Syno-
nymen angegeben, weil Linne es nur blühend gefunden nachdem
die Blätter schon vergangen gewesen; aber alle die übrigen
Kennzeichen, die sich nicht hinwegerklären lassen, sind deutlich
dem A. vineale entnommen, so dass Linne unter jenem Namen
unmöglich A. Scorodoprasum verstehen kann. In Linne’s Man-
tissen findet man mehrere Beschreibungen theilweise aus andern
Autoren entlehnt; diese geben nur schwaches Zeugniss zur Be-
stimmung der Linneischen Art. In der ganzen Periode zunächst
nach Linne war es gewöhnlich, dass man nur die gegebenen
Definitionen abschrieb, sie mochten zur Pflanze passen oder
nicht, wenn man es nur einmal für sich rund hatte, dass diese
zu einer gewissen Art gehörte. Der Unterschied zwischen der
gegenwärtigen Periode und der streng Linneischen scheint uns
mit den bekannten Worten guatenus und quia am besten aus-
gedrückt: in der letzteren folgte man Linne sclavisch, weil er
mit der Natur übereinstimmte ; in unserer Zeit: insoweit er damit
übereinstimmt.
3l. Zunächst folgt der Standort als wichtigste
Quelle zur Bestimmung der Art eines Autors. Dass
er eine untrügliche Quelle dafür ist, was der Autor bei der
: Gelegenheit gemeint habe, ist unbestreitbar; denn das dürfte
zu den seltensten Fällen gehören, dass an einer Stelle eine
Pflanze verschwunden wäre und eine nah- verwandte andere ihren
Platz eingenommen hätte. Daraus folgt aber noch nicht, dass
eine genannte eben die Art sei, die der Autor eigentlich gesehen
oder gemeint hat. Standörter werden oft nach flüchtigem Hin-
sehen ohne nähere Untersuchung notirt, die Pflanze kann in
einem Zustande gewesen sein‘, worin sie nicht ganz sicher zu
bestimmen ist (daher z. B. in /t. scan: statt T’hesium alpinum
Passerina steht; ausserdem wird eine neue Art gewöhnlich
zuerst einer bekannten ältern zugetheilt); durch Verwechselung
Ueber die ‚Namen der Pflanzen. 89
im Gedächtnisse, auch wohl durch blossen Schreibfehler, wird
nicht selten eine andere aufgezeichnet, als an der genannten
Stelle vorkommt: Beispiele des ersteren sind Rosa spinosissima
R. Eglanteria in Linn. Fl. suec., des Verschreibens Melica
eiliata in It. scan. Man lege daher kein besonderes Gewicht
auf einen Fundort, wenn er nicht die Quelle der Art ist, am
allerwenigsten auf solche, die Synonymen angehören oder von
Andern angegeben sind, wo Linne die Pflanze nicht selbst.
gesehen, z. B. bei Oenanthe erocata, Hieracium sabaudum Fl.
suec. Auch wo die Standörter bei einer Pflanze nur im Allgemei-
nen genannt sind, messe man ihnen nicht zu viel Wichtigkeit bei.
Die geringen Vorarbeiten, die Linne besass, und die Kürze der
Zeit, wo er sich der schwedischen Flora widmen konnte, machten
es ihm unmöglich, vollständige Kenntniss von der geographischen
Verbreitung jeder Art innerhalb der weiten Marken Schwedens
zu gewinnen. Dies alles haben wir zugegeben, damit man
andererseits eben so billig erkenne, dass wenn Linne einen
bestimmten Standort angiebt, einen solchen selbst
anweiset, sagt dass er eine Pflanze dort zuerst
gefunden und festgestellt, und sie nur von da be-
schreibt, jener Standort dann immer das einzige völlig Ent-
scheidende zur Bestimmung dieser seiner Species bleiben muss:
so ist es der Fall bei Allium arenarium, Filago montana, Po-
tamogeton marinus, und unzähligen andern.
32. Hierauf kommt in der Reihenfolge die Tradition
oder wie die Zeitgenossen eines Autors die Art
bestimmt haben und wie diese sich alsdann bei des
Autors nächsten Nachfolgern fixirt hat. Wir haben
von dieser Seite in Schweden die reichste und sicherste Quelle
an der herrlichen Schule, die jedes Jahr von der Seite des
Meisters ausgieng, von dessen lebendem Worte sie am sichersten
seine Auslegung der Naturwesen aufgefasst. Möchten wir ver-
stehen, diesen einheimischen Schatz, worauf Prof. Wahlenberg
zuerst aufmerksam gemacht, recht zu schätzen und zu bewahren!
Er ist durch mehrere Generationen, in den meisten Fällen
unzweideutig, zu unsern Tagen herabgeführt worden; und nicht
bloss eine Menge Kräutersammlungen, unter Linne’s eignen
Augen gemacht, sind für ihn ein unzweideutiges Monument
(wichtiger als Linne’s eignes Herbarium, aus Gründen die
weiterhin berührt werden), sondern auch die ganze schwedische
Flora ist seine unvergängliche Dolmetscherin. Darum ist es
betrüblich, zu sehen, wenn Schweden, jene verwahrlosend oder
unkundig derselben, sich nur aneignen, was in ausländischen
0 Ueber die Namen der Pflanzen.
Werken geschrieben 'sie finden. Irrten Fremde in-sölchen Fällen,
so sind’ sie leicht zu entschuldigen , (denn auch" von“ ihnen‘ die
Bessern ehren jene Tradition, die unsrer schwedischen Flora
köstlichster Schatz ist,) — nicht so ein Schwede. Aber auch
zur Erklärung exotischer Gewächse bietet sie eine reiche Quelle -
dar, nicht bloss in Sammlungen‘ von (durch . Linne’s Hand: aus
dem upsaler Garten 'ausgetheilten Pflanzen , ‘sondern: "auch in
vielen Gewächsen, die von Linne’s Zeit her im’ Garten zu Upsala,
aueh im alten Linneischen,, und‘noch heut zu Tage: im Parke
bei Linne’s Hammarby, erhalten worden,‘ so‘ wie in manchen
von Alters her in schwedischen ‘Gärten überall gezogenen z.B.
Mentha gentilis. Specielle Beispiele davon gab der 'Verf.in
Bot. Notis. 1842, Nr. 1., 2. Eine solche Tradition lebt auch
in jedes ausgezeichneten Botanikers Umgebung IARe fort, und
man’ soll nicht unterlassen sie zu befragen. Pe
33. Gegen den gewöhnlichen Glauben schreiben wir Her
barien im Allgemeinen eine mehr untergeordnete
Wichtigkeit zu Der genaueste Artenkenner unsrer Zeit;
Koch, sagt auch, er wünsche seine Arten nach seinen Schrif-
ten und nieht/nach seinem Herbarium bestimmt. Wer irgend'von
Schlechtendal’s Aufsatz in der Flora od. bot. Z. über die
Pflänzen- und Etiquetten- Verwechselungen in Wilidenow’s Her-
bar: gelesen , muss es wohl für einseitig erklären, sich blind an
dergleichen zu halten. Wie leicht Etiquetten sowohl beim Ein-
legen als auch beim Empfange und Einordnen 'grösserer‘ Sen-
dungen herausfallen und Vertauschungen möglich sind, vollends
wenn die Exemplare lose liegen, (es fehlt sogar nicht an’ Bei-
spielen von absichtlichen Verwechselungen — und dass daher in
srösseren Sammlungen unter eines Autors Namen Pflanzen liegen,
die dieser nie gemeint hat — davon hat wohl ein Jeder, welcher
dergleichen durchgegangen, Gelegenheit gehabt, sich zu über-
zeugen, — und es sind gerade sehr ähnliche, nah verwandte,
‚kritische, die auf diese Weise am meisten verwechselt werden.
Und bei der Absicht zu berichtigen wird so leicht die: Unord-
nung vermehrt. Zwar befleissigt man sich in unsern Tagen
grösserer Genauigkeit darin, aber ganz lässt sich solchen Miss:
griffen nicht vorbeugen. — Was nun im Besondern Linne’s
Herbarium betrifft, so hat man damit eine'Abgötterei‘ getrieben
die am meisten vor Allem der Linne’schen Pflanzenkritik ge-
schadet hat. Man sollte doch wissen, — was eine notorische
Sache ist — dass die sehr gewöhnlichen Pflanzen einzulegen
oder zu pressen Linne ‘weder viel Zeit noch Lust: hatte; dass
er die nicht einsammelte, die er alle Jahre Gelegenheit-hätte
Ueber die Namen der Pflanzen. 9
lebend zu vergleichen; ‘daher diese auch gewöhnlich in Linne’s
Herbarium fehlen — oder auch wohl statt deren ihm zugesandte
ausländische sehr ähnliche oder nahe verwandte ohne. weitere
Prüfung hineingelegt wurden, wobeier gewiss nicht meinte,
dass dies» die Typen der Arten wären, sondern sie
für abweichende 'seltnere Formen nahm, die eben äls solche
ihm mehr‘ verdienten aufbewahrt zu werden. So thun auch
wohl noch 'heute die meisten Botaniker: erhalten sie eine sehr
ähnliche Pflanze, die sie nicht sogleich zu unterscheiden sich
getrauen, so legen sie sie,neben die nächst-verwandte. — Die
einzigen anderwärtsher mitgetheilten Exemplare, ‘welchen man
volle: Autorität zugestehen kann, . sind: die in käuflichen Samm-
lungen getrockneter Pflanzen [Exsiceat- Sammlungen in Schweden
genannt] herausgegebenen, weib solehe als auf einmal: gesammelt
identisch sein müssen und zugleich sorgfältiger untersucht sind;
denn dass, zwar von derselben Hand, aber zu verschiedenen
Zeiten und an verschiedenen Orten, gesammelte oder gar von
verschiedenen Personen, deren man sich natürlich oft zum
Sammeln bedienen muss, besorgte, nicht immer Bat identisch
sind, lässt»sich denken.
34. Die REN ui selbst ist
eins der wichtigsten Hülfsmittel zur Bestimmung
der Arten bei tem, welche Pflanzen: beschreiben, die
sie'selbst untersucht haben, und dabei nicht bloss artificiellen
Gründen folgen. Diese ordnen sie nämlich stets nach 'deren
näherer oder: entfernterer -Verwandtschaft ohne Absicht auf
Charactere; beim Bestimmen von Arten z. B. im Systema myco-
logicum, in der :Lichenographia europaea u. s. w. möchte: ich
sie für eins‘ der allerwichtigsten Dinge halten; passt gleich
eime Beschreibung eines Autors auf eine Art des Syst. myjec. ete.,
die ich selbst gesehen, ist aber dabei nicht neben die dieser zu-
nächst verwandten gestellt, so ist es nicht meine Art. — Man
hat übersehen. dass in Linne's Werken auch innerhalb jeder
Gattung fast stets ein (nicht mit Worten ausgedrücktes ) leiten-
des Prineip in der Anordnung: ‚der : Arten: zu finden ist. So
geht z. B. Linne bei den Potamogetonen von den grössten und
breitblättrigsten zu den kleinsten fort, woraus schon klar ist,
dass der P. zosteraceus [Fr.] nicht sein P. marinus sein kann.
Dieses gewährt recht oft eine wichtige Stütze zum Bestimmen
von Linne’s Art. |
85. Zuletzt in der Reihe folgt die TERN zwar
als eine wichtige Quelle zur Aufklärung über Artnamen,
woneben’aber zum Bestimmen einer Pflanze eines Autors stets
9 Ueber die Namen ‚der Pflanzen.
dessen Beschreibungen, angegebenen Standorte u. s. w., als
wichtiger, mehr zu beachten sind als dieselbe. Wie: unzuver-
lässlich die Synonymie aus der ältern Zeit ist, weiss Jedermann,
und vielleicht wird die Folgezeit von der Synonymie 'unsrer
Zeit ebenso urtheilen. Was namentlich die Linneische Syno-
nymie, als Quelle zur Bestimmung seiner Arten, betrifit, so
sagt Linne ausdrücklich in Mant. 2., dass sie wenig von
Gewicht sei. Man weiss auch, dass Linne bei dem Citiren
der Synonyme sich hauptsächlich an die Abbildungen hielt, und
sonach müssen sie ungefähr das Aussehen der Arten ausdrücken,
mehr aber geben sie gar nicht Aufschluss. — Es ist ein grosser
Irrthum noch in unsern Tagen, dass man so oft die Pflanzen
eines Autors nach seinen citirten Synonymen bestimmt; ein
noch grösserer wäre es, die der älteren danach zu bestimmen.
Vi. Die Grundsätze für die Synonymik vollstän.
dig darzustellen würde eine besondere Abhandlung erfordern; hier
beschränken wir uns deshalb auf einige der einfachsten und
darum vielleicht eben die wichtigsten:
36. Vorzugsweise muss man die Quellen selbst
eitiren, und nicht Compendien und Compilationen wie z. B.
Sprengel Syst. Vege. — Sind freilich gleich die letzteren
gewöhnlich zur Hand und weiss man auf alle Fälle, dass die
Pflanze darin vorkommen muss, sofern man die Darstellung
derselben zu vergleichen wünscht, — was mit den Quellen
nicht der Fall ist, als auf welche es specieller Hinweisung
bedarf — so liegt andrerseits die historische ‚ Wichtigkeit am
Tage, diese |letztern zu kennen. Gewöhnlich findet man bei
diesen auch mehr, zuweilen die Sache in einem andern Lichte,
als in den Compendien. Man baue dabei mehr auf die Autoren,
welche die Pflanze lebend untersucht, als auf solche, die sie
nach Andern aufgenommen oder sie nur getrocknet verglichen
haben.
37. So weit möglich eitire man nur die Autoren, die
man selbst verglichen hat. Sind in allgemeine Werke
Irrthümer einmal eingeschlichen, so werden sie gewöhnlich
nachher ins Unendliche abgeschrieben und darin ist es alsdann
kaum möglich Berichtigung zu gewinnen. Ausser Schreib- und
Druckfehlern giebt es in dieser farrago gehäufter Synonyme, die
einen Theil Schriften wie ein altes Inventarium begleiten,
unendliche Irrthümer. Wären in Betreff der Köleria intermedia
die Nov. Fl. suec. selbst verglichen worden, so hätte man dieses
Buch nicht als -Quelle derselben citirt, da ich sie nie anders
Ueber die Namen der Pflanzen. 93
denn als blosse Varietät beschrieben. Unzählige Beispiele der
Art liessen sich beibringen. — Aus guten Gründen dringt auch
Linne darauf, dass man nicht allein den Namen eines Autors,
sondern auch das Werk selbst und die Seite ecitire, theils
weil es das Vergleichen erleichtert, theils weil öfters ein Autor
in verschiedenen Schriften unter demselben Namen Verschiedenes,
oder auch unter ungleichen Namen dasselbe meint. In solchen
Fällen sollte ein Autor immer selbst darüber Auskunft geben,
sowohl weil er es am besten im Stande ist, als auch weil es
sonst, da „nulli celari possunt errores,‘“ den Schein hat, als
hätte er sie verheimlichen wollen.
38. Man citire nur, was wirklich Belehrung ge-
währt, undhauptsächlich, was des Verfassers eigne
Ansicht bestätigt. Das Gegentheil geschieht, wenn nur
abweichende Ansichten citirt werden, als wäre der Verfasser
selbst der einzige, der die Sache vom rechten Gesichtspunkte
aus gefasst. Bei einigen Schriftstellern merkt man einen wah-
ren Hunger, eine Menge verschiedener Benamungen und Be-
stimmungen aufzuhäufen, die längst vergessen sind und uns gar
nichts lehren. Die Wissenschaft für ewige Zeit mit solchem
unnöthigen Ballaste, wie die Synonyme sind, die nie publieirt
worden, mit dem Zusatze Mscr., in litt.*), Herb. u. s. w., zu
beschweren, ist lächerlich. Bauhin’s Pinax war in diesem
Punkte ein Muster, dessen Gleichen nun wohl immer ein pium
desiderium für die Wissenschaft bleib. Wenn ein solches
Werk jetzt erscheinen sollte, so dürfte es nicht bis zu unsern
Tagen fortgesetzt werden, denn das neu Aufgestellte oder die
neuern Bestimmungen fluctuiren noch zu sehr**). Wie eifrig
*) Der Verf. dieses hätte die Lichenologie und besonders die Myco-
logie mit vielen "Tausend Synonymen (und manchen recht curio-
sen) bereichern können, wenn er alle die neuen Namen hätte auf-
nehmen wollen, worunter ihm Lichen- oder Pilz- Arten mitgetheilt
worden. Er hat es aber jedesmal für hinreichend gehalten, den
Einsender zu unterrichten, unter welchem Namen eine Art in seinen
Schriften vorkomme. War indess eine Art wirklich neu, so hat
er nicht allein den Namen des Zusenders beibehalten. sondern auch
diesen als Autor citirt. Manche folgen einem entgegengesetzten
Grundsatze. Ä
”+) Die Arten der Autoren, die solche nach den herrschenden An-
sichten der Zeit aufgestellt haben, welche (Arten) darum bald
anerkannt worden, gehen fort und fort immer mehr unter, — die-
jenigen der Autoren dagegen, welche, wie Ehrhart, vor ihren
Zeitgenossen weit hervorstanden und deswegen Widerspruch von
ihnen erfuhren, sehen wir von Jahr zu Jahr immer mehr wieder-
94 Ueber die Namen'der Pflanzen.
man ist, eine Menge verschiedener Benennungen anzusammell;
zeigt sich darin, wenn aus'bereits "berichtigten Druekfehlern
neue Synonyme geschaffen werden, wie Juncus 'auetus» Retz.,
was im Suppl. für Druckfehler 'statt J. acutus ae ee
Polyyala buzxifolia Nov. ist es derselbe Fall.) = 7 u ww
39: Man eitire ehrlich, sine ira et studio.’ Es
kann wohl ganz ünnöthig scheinen, einen Grundsatz’ zu berüh-
ren, der bei jedem Vorhaben des Menschen gelten muss; “aber
er wird in gar vielen Fällen indirect umgangen. Am lächerlich:
sten ist wohl die Art des Citirens, die nur ein“ Thermometer
des eignen mehr oder minder freundschaftlichen Verhältnisses
eines. Schriftstellers zu anderen abgiebt. . Ungerecht. ist'alles
Citiren, welches — wir. wollen: gern ' glaubeu,.: dass es ‚mehr. aus
Unachtsamkeit als vorsätzlich geschieht: — Meinungen | oder
Wirken eines Autors in falschem ‚Lichte. darstellt,‘ wie: wenn
eitirt wird, als führe ein Schriftsteller, eine Pflanze als: eigene
Art auf, während dieser selbst sie vielmehr nur als. Varietät
angiebt.. Hierher ist auch zu rechnen, wenn man. zur Bestär-
kung seiner. einmal angenommenen Ansicht Umstände »erdichtet;
wie dass ‚Filago montana ‚Linn. Wpwe: eine andre. wäre | als die
der Fl. suecica. | | and
40. Man beachte die,.-für Werke verschiedenen
Zweckes 'nöthigen verschiedenen Principien für
die Synonymie. :In einem allgemeinen Systeme eitire man
die Hauptquellen der Aufstellung einer Art; ein Theil’ verschie:
dener Benamungen aus kleineren Specialfloren, die mie Beifall
gewonnen, können’ gern übergangen werden.‘ In der vollständi-
gern Flora eines Landes ist hauptsächlich aus ‚der ihr 'angehö:-
angenommen. Es van mir deshalb als sehr sachgemäss vor,
dass ein solches Repertorium der Synonymie, wie Steudel’s,
mit einem gewissen abgelaufenen Jahre schlösse (wie etwa mit
41800, oder Srelleicht a 1815, nach welchem | Jahre, die grosse
Lebendigkeit und Bewegung in der Botanik erst begann, — und dies
für sich herausgegeben würde, denn „über die ‚yor genanntem Zeit-
‚punkte beschriebenen Gewächse ist wohl nun das ‚Uribeil ziemlich
festgestellt,) und es die neueren, als ‚wovon noch kein sicheres
Resultat aufgestellt werden kann, für ein besondres. Werk zur
Seite liesse. Der Gewinn dabei würde sein, dass dieses ein abge-
schlossenes Werk 'wäre, welches anf immer seinen Werth behielte;
dieses brauchte nachher nicht weiter in jede neue Auflage mitge-
schleppt zu werden, wodurch: die neuste: Auflage von Steudel mehr
als: verdoppelt worden ist — und jedenfalls wäre nach gegenwär-
‚tigem Princip eine neue: Auflage, wie ein neuer nen. wer, alle
Jahre nöthig, E
Ueber (die Namen‘ der Pflanzen. 95
renden Literatur‘ Kunde zu »geben, : doch: so, dass die Citate,
welche die :Art erläutern, von’ denen gesondert werden , die nur
- hoealitäten. ‚bestätigen : die letztern citirt man am besten unter
diesen, und unrecht scheiht' es mir zu sein,’ wenn nicht (sehr
gemeine Pflanzen ausgenommen) bei jeder Tiocalität die Auto-
rität derselben, die man: in streitigen Fällen: ‘zu: vergleichen nö-
thig hat, angegeben wird. Oft ist es unmöglich, zu ermitteln,
aufwessen Autorität eine diesfällige Angabe beruht, und dadurch
verliert das ganze seinen Werth. Da mit der Synonymie wohl
nicht beabsichtigt sein kann, die meisten disparaten Benennun-
gen anzusammeln, sondern anzugeben, was zur Erläuterung der
Geschichte der Pflanze dienen kann, so ist die chronologische
Ordnung die beste. — In einer kleinern Specialflora, die der
allgemeinen Flora des Landes zu Grunde liegen muss, sind Sy-
nonyme, ausser besondren Fällen, überflüssig.
41. Endlich muss man genau unterscheiden zwi-
schen Geschichte des Artbegriffs und Geschichte
des Artnamens. Linne musste, wie jeder Forscher, der die
Wahrheit mehr liebt als sich selbst, seine Ansichten oft ändern.
Nach und nach wurde manche anfänglich verwechselte Pflanze
ins Klare gesetzt, zuweilen vorher richtiger bestimmte verwech-
selt. In diesen Fällen folge man immer der Stelle, wo die rich-
tigste Ansicht dargelegt ist, und sondre ab, was mit Unrecht
hinzugethan ist, z. B. bei Agrostis rubra. Man muss suchen
den Autor so auszulegen, wie er es selbst gethan hätte, wenn
die spätere Aufhellung zu seiner Zeit gekommen wäre. Wo
verschiedene Arten in verschiedenen Werken vorkommen, ist
nicht jedesmal das älteste die Hauptquelle, sondern das, worin
die Art am richtigsten und vollständigsten abgehandelt ist. Fer-
ner kann die Quelle für die Art eine ganz andre sein als die
iür den Namen: so z. B. bei Salix arenaria. Da erhalte jedes
sein Zeugniss für sich. Indess betrachte man doch nicht die
Citate aus der Fl. lappon. zu Carex leporina, canescens u. a.
als die Quelle dieser Arten; obschon Linne ähnliche Arten für
Alpenformen dieser ihm vor- und nachher wohlbekannten Arten
ansah. Diese letztern sind sicher Linne’s Typen. Die Erörte-
rung aller solcher Fragen erfordert nicht bloss die vollständigste
Sachkenntniss, welche man nie verachten darf, sondern zugleich
auch einen sichern kritischen Blick. Bot. Not. 1842, Nr. 1.—
Es ist eine Hauptregel für alle edle und wahre Kritik, so Vie-
les als möglich bei einem Autor richtig zu finden, während das
Kennzeichen einer unedlen und nichtswürdigen ist, dass sie
alles so schief und unrichtig als möglich darzustellen sucht.
96 Ueber die Namen der Pflanzen..
Aber jede schiefe Richtung des Zeitgeistes muss ein Jeglicher
mit Kraft und Muth, ohne persönliches Abzielen, aber auch ohne
Menschenfurcht, absperren und davon zurechtweisen. Bei ein-
zelnen Irrungen jedoch, bei ungleichen Ansichten, sollen wir
„communiter progredi via caritatis, tendentes ad Unum, de
quo dietum est: Quaerite ejus faciem semper.‘ (Aucu-
STINUS. )
Anmerkungen
a zum vorstehenden Aufsatze*).
Zu Seite 47. Camelina. Wirhaben hier nach der ewöhn-
lichen Ansicht angenommen, dass dieses Wort griechischen
Ursprungs sei, und desshalb seine Ableitung ei wie
sich der Bestimmer der Gattung, Crantz, sie dachte. Wir
selbst indessen hegen starken Zweifel daran, dass es griechischen
Ursprungs sei. Den ältesten Spuren zufolge, welche wir haben
auffinden können, ist dies Wort französischen Ursprungs, Came-
line; ist danach latinisirt, später ist für dasselbe eine passli-
che und schliesslich eine unpassliche griechische Ableitung auf-
gesucht worden.
Zu Seite 48. Achillea. Es ist uns nicht unbekannt, dass
der Held Achilles auch als Zögling des Uentauren Chiron an-
seführt wird, obgleich diese älteste Geschichte ganz und gar
fabelhaft ist, in deren gleichen Verwechselungen sehr gewühn-
lich sind. Wir glauben nach solchen Combinationen kein Recht
dazu zu haben, einen Schritt über die Angaben der Quellen hin-
auszugehen.
Zu Seite 54 Aira. Wir haben hier die Ableitung dieses
Namens treulich nach den Quellen angegeben. Will man je-
doch "A:gn als einen neuen Namen betrachten, nachdem er einem
ganz andern Gegenstande beigelegt worden ist, als dem ur-
sprünglich gemeinten, so kann diese Gattung nach der genauern
egränzung, welche wir ihr zu geben haben, gern die erhobene
genannt werden, theils weil sie sowohl die Erde zu Hügelchen
und ihre Halme hoch über die anderen niedrigeren Gräser er-
hebt, theils weil, unter anderen, Arten von ihr auf den höch-
sten Bergen wachsen.
Zu Seite 6l. Yovaxos Kalauos. Dies Beispiel ist besonders
Jehrreich desswegen. weil, obgleich das erstere Wort schon sub-
stantivische Natur angenommen hat, wie aus seiner Beugung
hervorgeht, es doch noch mit seinem primitiven Subjecte ver-
bunden wird.
Zu Seite 70. Die Linneische Terminologie. Was wir bei
der neuern Terminologie vorzugsweise tadeln, ist, dass sie sich
nieht bloss als Mittel, sondern als Zweck betrachtet und in ih-
rer blossen Erweiterung schon einen Gewinn sieht. Vor Allem
betrachten wir es als unpassend, 1.) für entweder völlig gleich-
artige oder deutlich analoge Theile gesonderter Familien eine ei-
gene Terminologie zu bilden, 2.) für ein und dasselbe Organ,
z. B. die Frucht, eine Menge primitiver, substantivischer Na-
*) Diese Anmerkungen, welche Herr Dr. Beilschmied bei seinım
Exemplare von jenem Aufsatze nicht besass, werden hier aus dem
ersten Bande der Botaniska Utflygter, in welchem sie sich S,
177 — 78 demselben beigefügt finden, übersetzt hinau ‚gelieke
er de.
7,
‘8 Veber die Namen der Pflanzen.
men anzunehmen, wodurch man das Wesentliche in der Sache
so leicht übersieht, nachdem man einen neuen Namen erhalten
hat. Ein neuer Ausdruck: ist:nur für, einen neuen Begriff nöthig.
Eine ausgebreitete neue Sprache, wie Wallroth, Petermann
u. A. sie gesucht haben einzuführen, wird, wenn sie auch mehr
logisch und consequent seyn mag, kaum die Mühe, sie zu lernen,
lohnen und gereicht zu keinem Gewinne ; denn man muss doch
auch die einmal angenommene lernen, um deren reichere Litte-ı
ratur benutzen zu können. j- nt
Zu Seite 71. Die Gattungsnamen. Es ist ın den letzteren
Zeiten, nach De Candolle, gebräuchlich geworden, jede Un-.
terabtheilung einer Gattung mit einem substantivischen Namen
zu belegen. So benennt man die Gruppe der Festucae ovinae
Amnopoa, die der F. rubrae Alaxyper (eine verunglückte Zusam-
mensetzung, welche bedeuten soll foliis superne sulcatis), die
der Posae caninae Cynorrhodon u. s. w. bis in’s Unendliche. Wir
halten dafür, dass dies durchaus keine Nachahmung verdiene,
dla die Verwandtschaft so auffallend ist, dass nie die Rede da-
von seyn kann, sie als eigene Gattungen zu betrachten. Wir
halten es für weit schicklicher, solche Gruppen nach ihrer Haupt-
art zu benennen, z. B. Rosae caninae, pimpinellifoliae, Saxifragae
cotyledoneae u. Ss. w., wie die Familien nach ihrer Hauptgattung ;
sonst verdienten diese wohl weit mehr einen selbstständigen Na-
men zu bekommen. Nur, wenn ein älterer geschiehtlicher Name
dadurch erhalten wird, oder auch, wenn es nothwendig wird, un-
ter einem gemeinschaftliichen Namen mehre kleinere Gruppen
zusammmenzufassen, wie unter den Salices, möchten wir die
Substantive behalten.
Zu Seite 89. ete. Linne’s Herbarium als Quelle. Es ist be-
merkenswerth, dass fast keine derjenigen Gewächse, welche
Linne als für ihn neue oder bemerkenswerthe in seinen Rei-
sen beschreibt, sich in seinen Herbarien aus diesen Localitäten
finden, sondern ganz fehlen, oder auch statt solcher in auslän-
dischen Exemplaren existiren. Dies scheint wohl einer der
schlagendsten beweise zu seyn, dass Linne’s Schriften nicht ,
wie die der Stubenbotaniker unserer Zeit, seine Herbarien, son-
dern die lebendige Naturbetrachtung zur Grundlage haben. Zu
der Zeit stand auch die specielle Botanik im grössten Ansehen,
welches sie nicht mit Unrecht in dem Maasse verloren hat,
als sie zu einer mechanischen Tagelöhnerarbeit geworden ist,
hloss um Diagnosen und Beschreibungen nach Herbarien zu ent-
werfen. — Diese Ansicht von Linne’s Schriften, als haupt-
sächlich von einer lebendigen Naturanschauung ausgehend, hal-
ten wir für um so wichtiger, als man nach einer Vergötterung
des Linneischen Herbariums auch in England jetzt anfängt, es
wegen seiner unvollkommenen Form und seiner einzelnen und
unvollständigen Exemplare zu bespötteln—und demzufolge, nach
der falschen Ansicht, dass Linne’s Schriften nur aus seinem
Herbarium hervorgegangen seien, auch sein Ansehen herahzu-
setzen: |
(Cr)
A
AV.
Auszug aus Lund’s Reise durch die Nordlande und
' West - Finmarken im Sommer 1841 *).
; Aus dem Dänischen übersetzt
von
Mornschuch.
Die Umgegend von 7romsoe ist schöner, als man bei dem
ersten Anblick vermuthet. Die Landschaft worin die kaum eine
halbe Quadratmeile grosse Insel Tromsoe liegt, scheint weder
schön noch malerisch. Nackte, steile Felsen umschliessen sie
und hegen eine nicht unbedeutende Meeresstrecke ein, in deren
Mitte Zromsoe, als Centrum in einer grossen Ellipse, liegt.
Gleich in dessen Nähe, aber auf der andern Seite des Sundes,
*). Der Titel des Originals ist: Heise igjennem Nordlandene og
Vestfinmarken i Sommeren. 1841. Af N. Lumwd, Candid. Phı-
losophiae. Christiania. Guldberg et Dzwonkowski. 1842. 8.
Bei dem hier folgenden Auszuge aus dieser, in vieler Hinsicht
interessanten Reisebeschreibung eines zu schönen Erwartungen
berechtigenden jungen Normannes, hielt ich für nöthig, mich nicht
bloss auf die Namen der gefundenen Pflanzen und deren Stand-
örter zu beschränken, sondern auch die Schilderungen der Gegen-
den, wo die Pflanzen wachsen und die Art ihres Wachsthums , so
weit darüber Auskunft gegeben wird, mit aufzunehmen, da mir
diese für die Wissenschaft noch wichtiger erscheinen , als erstere.
Die wenigen mit aufgenommenen allgemeinen Schilderungen und
Bemerkungen werden, wie ich hoffe, Viele nicht ohne Interesse
lesen, da sie ein lebendiges Bild der hochnordischen Natur geben,
und die Eindrücke, die durch sie auf ein empfängliches Gemüth
hervorgebracht werden, treu schildern.
D. Uebers.
7#*
100 Auszug aus Lund’s Reise.
ragen der Flöi- Alpe und Tromsötinds steile Massen in die Luft,
beide nur bis zur Hälfte ihrer Höhe mit einem schwachen Busch-
wald von Kleinbirken (Betula alba var. glutinosa) bedeckt. Die
rauhen Klippen und das öde Meer verleihen der Landschaft
ihren Character, und die Naturschönheiten von Tromsoe werden
nicht in dem Totaleindruck mit aufgenommen. Diese fallen erst
auf wenn T'rromsoe zum Gegenstand der Betrachtung des ganzen
Kreises gemacht wird. Es bildet eine einzige flach abgerundete
Erhöhung ohne hervorragende Klippen und Steine von unge-
fähr 500 Fuss über das Meer. Ueber sein frisches Grün breiten
junge Birken einen lieblichen Waldteppich, der sich bisweilen
zurückzieht und kleine Wiesenstücke einhegt. Der Herbst tritt
in Tromsoe sehr zeitig ein. In den letzten Tagen des Augusts
beginnt das Birkenlaub stark zu bleichen und in den ersten
Tagen des Septembers tritt Schneefall ein. Die Mitteltemperatur
ist in den Wintermonaten — 3° und in den Sommermonaten
+ 8,0 Reaumur.
Der Kaafjord *) liegt in hohen Felsen eingeschlossen, man
sollte deshalb glauben, dass es hier milde und still sei, allein
weit entfernt. Hier rasen heftige Stosswinde. Die Baumvege-
tation ist verkrüppelt, aber der Graswuchs gut. Mehrere nörd-
liche Gräser werden hier gebaut und gedeihen gut. Von einge-
führten Gewächsen würde ohne Zweifel Vicia cracca zum Anbau
als Futterkraut zu empfehlen sein, da diess Gewächs schnell
vegetirt und sein Gedeihen über ganz Finnmarken beweist, dass
es hier an der rechten Stelle ist. Nachdem ich eine interessante
botanische Ausbeute gemacht, welche in dem angehängten Ver-
zeichniss specificirt ist, verliess ich den Kaafjord und zog in
Gesellschaft mit Professor Blytt nach Bosekop.
Bosekop, welches eine lappische Benennung sein und Wal-
fischbucht bedeuten soll, liegt ungefähr eine Meile östlich von
dem Kaafjord auf einem grünen Hügelabhang, der mit klippen-
vollen Ufern sich um eine halbrunde Meeresbucht biegt und auf
der südlichen Seite von einem Walde von kränkelnden Föhren-
bäumen abgelöst wird, die in dünnen Reihen sich westlich
ziehen. Die Gegend ist traurig und nackt, die Baumvegetation
verkümmert und zeigt deutliche Spuren von der Einwirkung der
Polarwinde. Aber für den Reisenden, der mit den Naturschön-
heiten Finmarkens unbekannt ist oder sie kennen zu lernen
wünscht, hat Bosekop ein grosses Interesse; denn es ist der
Eingang zu dem Theile von Alten, der mit Recht Finmarkens
*) Fjord = Bucht. Anm. d. Ueb,
Auszug aus Lund’s Reise. 101
Paradies genannt wird. Erst ein viertel Wegs landeinwärts
wird die Natur lieblicher. Die Vegetation nimmt einen üppigeren
Oharacter an, die Föhrenbäume eine frischere Farbe; die Laub-
Moose werden grüner in den Wäldern nnd die finmärkische
Lerche flötet ihren einfachen Gesang.
Wo der Wald aufhört und in einen steilen Hügel endet der
zu einer flachen Ebene längs des Altenfjords westlichen Arm
führt, sieht man das stille Bassin des Kongshaunsfjords —
denn so heisst dieser Arm des Altenfjords — in der Ferne von
hohen blauen Alpen mit Schneegruben auf den Spitzen begrenzt.
Längs dessen westlichen Ufer zieht sich die eben erwähnte
Waldebene hin.
Im Westen hievor liegt das Sandfeld, ein steiler Erdrücken,
wovon man eine roalerische Aussicht über einen Theil von
Alten hat. Die Landschaft, welche sich von hier zeigt, ist
räumlich und amphitheatralisch und wird überall von fernen
blauen Bergen mit langen Schneestreifen oberhalb umschlossen,
welche gleichsam die hervorragenden Lippen von dem Eisbär
des Winters bilden, der hinter den Alpen lauert um sich über
die Blumenpracht der Ebene und die üppige Vegetation zu
stürzen. Ueber die Fläche des 'Thales hin wechseln romantische
Waldparthien mit grünen Höhen; bald sieht man grosse Gruppen
von Erlen- oder Birkenbäumen, bald kleine Rasenflächen, worauf
ein Bauerhof, von Birkenwald idyllisch umschlossen, liegt.
Zwischen den armuthigen Waldparthien schlängelt sich der
spiegelblanke Strom des Altenelvs *) wie eine Schlange durch
Blumen. Man entdeckt ihn zuerst, als einen glänzenden Silber-
streif, welcher im heftigen Lauf gegen das Meer hinabrinnt und
mit seinen kleinen Wogen den langblättrigen Ehrenpreis, das
Karlsscepter und den feuerfarbigen Steinbrech (Sarifraga aizoides
var. crocea) tränkt, welche an dessen Ufern wachsen. Hier
und da, besonders gegen das Ende seines Laufes, schickt er
häufige Nebenarme aus die stets mit dem Hauptstrom zusammen-
fliessen und mit diesen anmuthige Parthien von Inseln und
Halbinseln bilden. Die ganze Landschaft ist hinreissend schön
und ich erinnere mich nicht eine schönere gesehen zu haben,
ausgenommen Guuldalen in Trondhjems Stift.
Altens Wälder sind im Verhältniss zu der nördlichen Lage
des Landes von Bedeutung. Hier findet mar grosse Strecken
von Föhren - und Birken - Wald, die in Gegenden, welche tief
und vor den Seewinden geschützt liegen, sich durch schlanken
ee INS
*) Elv = Strom, Fluss, Anm. d. Ueh.
102 Auszug aus Lund’s Reise.
Wuchs und ungewöhnliche Höhe auszeichnen. Aber man behan-
delt den Wald, besonders den Birkenwald, aus dem man eine
Menge Rinde zum Gerben ablöst, unverantwortlich. Dadurch
verkrüppeln die Bäume und sterben in wenig Jahren, und
diese Behandlung besonders die jungen Bäume trifft, deren’ Rinde
sich am Best ablösen lässt, wird es wahrscheinlich nicht
lange währen, bis der Birkenwald ganz verwüstet ist. ' Die
Verwüstung des Birkenwaldes hat die des Föhrenwaldes zur
Folge, indem die dadurch hervorgebrachten grossen Oefinungen
diesen der Einwirkung des Windes und Wetters er sehr
aussetzen Bu
Der Altenelv bietet eine interessante Vegetation el Ich
habe ihn von seiner Mündung bis zur Einmündung des Eidyelvs
in denselben, eine Strecke von ungefähr 2 Meilen verfolgt.
Bei Mundingen auf dem südlichen, sandigen Ufer wächst in
grosser Menge Pisum maritimum, Allium Schoenoprasum 8
majus, Gentiana serrata und die var. detonsa, Carex glareosa,
Cochlearia anglica und wenig entfernt vom Ufer in einer sumpfi-
gen Vertiefung Prümula strieta und norvegica und Carex gla-
reosa. Längs dem Elv findet man fast ununterbrochen Primula
norvegica und striela. Weiter oben näher gegen Faergested hin,
trifft man auf den sandigen Ufern Tamarix germanica, Lyehnis
alpina und affinis. Sazifraga aizoides und die var. crocea und
auf Wiesen wenig entfernter von den Ufern Sonchus sibirieus,
Carex rotundala, zugleich mit einigen anderen lappischen
Pflanzen. Tamarix germanica folgt dem Laufe des Alten- und
Eibyelvs wenigstens 3 bis 4 Meilen. Die Vegetation hierum
ist reich und interessant.
Nachdem ich in den mehr näher liegenden Theilen von
Alten botanisirt hatte, unternahm ich mit dem Gärtner Moe
eine Excursion in das Eibythal, während Professor BDlytt mit
Untersuchung von Store Reipas und den umliegenden Alpen
beschäftigt war. Das Eibythal, ungefähr 2 Meilen südlich von
Bosekop, ist ein Bergthal in dem Innern von Alten. Die
Absicht war die Beschaffenheit der Vegetation in dem Innern
des Landes zu untersuchen und um zu dem Ende so weit vor-
zudringen, als unser noch dauernder kurzer Aufenthalt in Alten
zuliess, unternahmen wir die Reise zu Pferde. Der Tag war
schön und nebelfrei; die Sonne schien klar auf die Waldfläche
und gab der Gegend ein frühlingsartiges Ansehen. Die Natur
lag wie ein schöner, gestickter Teppich , gewirkt in des grossen
Geistes heimlicher Weri:statt, vor uns ausgebreitet. Der Weg
ging im Anfang über den tiefen Bergrücken, welcher Alten
Auszuy aus Lund’s Reise. 103
gegen die Einwirkung des Meeres beschützt. Er ist im Anfang
einförmig und führt durch einen Wald von halbgewachsenen
Föhren, deren verkrüppelter Wuchs und verkümmertes Aussehen
einen klaren: Begriff von der Schärfe des Klimas giebt. Man
wird unbehaglich gestimmt beim Anblick von diesem verwelkten
Föhrenwald gleich oberhalb des freudigen Baumwuchses des
Altenthals; aber das Gefühl geht in eine halb melaneholische
Stimmung über, wenn man sich der Ursachen zu deren ver-
krüppeltem Aussehen erinnert und bedenkt, dass sie einen Schutz
für das anmuthige Altenthal gegen die Meeresstürme bilden.
Diese kränkelnden Föhrenbäume erhalten dann ein eigenes
‚Interesse. Vom Bergrücken führt der Weg in ein grünes, mit
Buschwald von Birken und Erlen bewachsenes Thal hinab, und
folgt den Krümmungen des Altenelvs. Man macht sich schwer-
lich einen Begriff über die Lieblichkeit dieser Landschaft so
weit oben gegen den Pol. Ueberall begegnet das Auge lächeln-
den Gruppen von Bäumen und Blumen mit stets neuen und
frappanten Abwechslungen in den Situationen. Nirgends sieht
man eine Spur von der verkümmerten Vegetation der nördlichen
Zonen, einer‘ solehen, wie sich auf mehr dem Winde ofenen
Stellen zeigt. Das Thal folgt in einer Ausdehnung von ungelahr
einer halben Meile dem Lauf des Elvs und ‚wird auf beiden
Seiten von hohen Alpen beschützt, der grossen und kleinen Keipas.
wovon die erste sich durch ihre steile gegen den Elv gekehrte
Felsenwand, die zweite durch reiche Adern von Kupfererz,
welche in der letzteren Zeit, wie man sagt, das Kupferwerk des
Kaafjords am Leben erhalten haben, auszeichnet. Weiter aber
spaltet das Thal sich, indem der vereinte Strom des Elvs hier
in zwei Betten getheilt fliesst, wovon der grössere, der ungefahr
von Süd nach Nord fliesst, der grosse Elv, der kleinere.
der mit ihm einen Winkel von 80° bildet, Eibyelv genannt
wird. Die Vegetation ist längs dem Altenelv besonders
üppig, ‘aber einförmig. Die gewöhnlichsten Gräser wachsen
hier ohne Kultur zu einer seltenen Höhe, beinahe höher als
südlich der Alpen mit Kultur, und die Ebene eignet sich des-
halb besonders zur Rindviehzucht,, die auch der Hauptnahrungs-
zweig ihrer Bewohner ist. Von merkwürdigen Pflanzen findet
man hier: Calamagrostis strigosa , striela und lapponica, Astra-
galus alpinus, Carex aqualilis, Gnapkalium norvegieum.,
Hieroc.hloa borealis, und auf den sandigen Strandflächen , wo
der grosse und Eibyelv sich vereinigen, eine schmalblättrige
Weide, vielleicht Salix majalis, die häufig und in constanten
Formen längs des Zibyelvs in einer Ausdehnung von ungefähr
104 Auszug aus Lund’s Reise.
einer Meile vorkommt. Wir setzten unsere Reise längs dem
rechten Arm des Altenelvs fort. Hier beginnt das Thal sich zu
verengen und ein wildes, romantisches Aussehen anzunehmen.
Der Wald wird grösser und dichter und bildet ein zusammen-
hängendes Laubdach, in welchem Birken und Föhren ihre Krone
zusammenlegen und worunter das Gras ferner seine ungewöhn-
liche Grösse beibehält.e. Das Thal hat das Aussehen eines
Alpenthals, so wie man sie auf den Alpen der Südalpen trifit,
nur dass des Birkenwaldes riesiger Wuchs ihm ein eigenthüm-
liches arctisches Gepräge giebt. Das Eibythal hat ungeachtet
der Ueppigkeit der Vegetation ein finsteres und trauriges Aus-
sehen. Vorne die hohen Bäume, die überall ein -finsteres
Halbdunkel verbreiten, das Thal wird überschattet von düsteren,
hoch aufsteigenden Alpen: Preskavare in Süden und Skaadavare
(eine allgemeine lappische Benennung für hohe Felsenspitzen,
die „Nebelgebirge * bedeutet) im Norden.
Wir kamen um 8 Uhr Abends in Eibı ye an und unternahmen
zuerst denselben Tag eine botanische Untersuchung von Skaada-
vare. Hier findet sich die allgemeine, lappische Vegetation,
wovon ich nur Carex pedata anführe. Wir kehrten um Mitter.
nacht zurück und suchten, ermattet von dem langen Herum-
klettern zwischen den Klippen, schnell unser Bette. Dies war
von der einfachsten und schwerlich gesundesten Art. In einem
Winkel des Zimmers war ein Theil kürzlich abgemähtes Gras
aufgehäuft und darüber ein Betttuch ausgebreitet. Ich zog jedoch
ein noch einfacheres vor und legte mich auf den Fussboden,
einen Milchkübel unter den Kopf. Aber wenn man müde ist,
schläft man leicht süss und bekümmert sich "nicht um die Be-
schaffenheit des Bettes und um die Leiden der Glieder. Am
andern Morgen zeitig zogen wir durch das Waldthal hinauf nach
Goskavare, eine Meile von Eibye. Unsere kleine Karavane bil-
dete einen genremässigen Aufzug: an der Spitze ein Mann mit
einer Axt auf dem Nacken und einem langen Schnitzmesser im
Gürtel, beide Instrumente zum Schutze gegen wilde Thiere
bestimmt, nach ihm zwei Botaniker zu Pferd und als Arrier-
garde ein kleiner Schussjunge, der mit grosser Mühe hinten-
nach latschte, weil seines Vaters Beinkleider, in welche man
ihn gesteckt hatte, es ihm sehr beschwerlich machten einen
schnelleren Schritt zu versuchen. (Das Verzeichniss über die
auf Goskavare gefundenen Pflanzen findet sich im Anhang.)
Den dritten Tag untersuchten wir die Strandvegetation,
fanden Alsinella rubella und bestiegen Peskavare. Denselben
Abend reisten wir nach Bosekop zurück. Den Tag darauf wurde
Auszug aus Lund’s Reise. 105.
im T'vaerelvs-Thal botanisirt. Das Thal ist schön und die Ve-
getation üppig. Wir fanden Carex aquatilis und Lathyrus pa-
lusiris, welche Professor Blytt einige Tage zuvor auf derselben
Stelle gefunden hatte. Der letzte Fund ist von Wichtigkeit,
weil die Pflanze nach Linne’s Zeit in Finmarken nicht gesehen
worden ist, und Linne’s Angabe schon anfing ein Gegenstand
des Zweifels zu werden.
In den letzten Tagen unseres Aufenthaltes in Alten unter-
nahm ich mit dem Gärtner Moe eine Excursion nach Sakavare,
einer in botanischer Hinsicht interessanten Alpe, durch Wahlen-
berg’s und des jüngeren Vahl’s Reisen, als Standort von Rhodo-
dendron lapponicum und Andromeda tetragona bekannt. Dieser
Berg liegt ungefähr 3 Meilen im Westen von Bosekop und
scheidet des Kaafjords und Quaenvigens parallellaufende Buch-
ten. Wir landeten in Quaenvigen, einer kleinen Bucht des.
Altenfjords, umgeben, oder besser gesagt, eingezwängt zwischen
3 hohe Alpen: Skaadavare, Nalavare, die den Buchtgrund
bildet, im Süden, und Sakavare, im Westen. Die zwei ersten
sind pyramidenförmig, und nähern sich im Aussehen den Ge-
birgsgipfeln längs den Küsten des Nordlandes, ermangeln aber.
der scharfen und kühnen Formen dieser. Sakavare dagegen ist
ein von Süden gegen Norden auslaufender flacher Bergrücken
von ungefähr 4 Meile Länge, der auf seinem äussersten Punkt
gegen das Meer eine scharfe Verbiegung wie ein Knie bildet,
welches ihm in der Entfernung das Ansehen einer Festung mit
Mauern und Absätzen giebt. Von diesen Felsengipfeln beschützt
liest @uaenvigen. Die Felsen senken sich scharf und mit
rauhen Ufern in das Meer und nur einzelne grüne Streifchen
- schlängeln sich gleich wie ein Band über die Klippen hin. |
Sobald ich mich nach dem Wege erkundigt, begannen mein
Begleiter und ich unsere botanischen Beschäftigungen Schon
beim Strande trafen wir Gentiana serrulata (var. detonsa) und
Primula norvegieca. An dem Felsenabhang folgten wir dem
Laufe eines Baches, an dessen Ufern ein grosser Theil von den
alpinischen Schmuckpflanzen ihren Standort hatten. Wir trafen
hier Lychnis alpina, Saxifraga aizoides und die schöne dun-
kelgelbe Abart, Azalea procumbens, Silene acaulis, Menziesia
caerulea, Sazifraga cernua, stellaris und nivalis, Phaca fri-
gida, Viola biflora, Pinguicula alpina, Toffielda borealis u.
5, w. und in grösserer oder geringerer Entfernung vom Bache
Primula strieta, Salix haslata, myrsinites und herbacea u. A.
.m., an den Seiten desselben die gewöhnlichsten Berg- und Wald-
a als Empetrum nigrum, Calluna vulgaris, Cladonia
106 Auszug aus Lund’s Reise.
rangiferina, Cetraria islandica, Melampyrum pratense und
sydvaticum u. Ss. w. Etwas über der Mitte des Bergabhanges
begannen die Eispflanzen der arctischen Zone auf’ ihren steilen
Standorten zwischen nackten Klippenspitzen‘ unter «Heidekraut
und Rennthiermoos hervorzutreten. Diese Standorte haben einen
eigenen Character. Grasflecken sieht man beinahe niemals;
ausser in Vertiefungen zwischen Klippenspalten an der kleinen
Mossevand. Dasselbe gilt im Allgemeinen von den grünen
Laubmoosen. Die Natur scheint mit Fleiss alles Sommerliche
von jenen Orten entfernt zu haben, wo der Sommer nur eih
Augenblick, ein vorbeischwebender Lufthauch ist, der jene von
ewigem Schnee bedeckten Orte aufthaut. Kein Laut von einer
Vogelstimme belebt diese traurigen Gegenden und nur ein ein-
samer Falke unterbricht bisweilen mit seiner heiseren Stimme
die tiefe Stille An solchen Orten wächst Rhododendron lap-
ponicum, die Alpenrose der nordischen Natur, mehr: als halb
zwischen Empetrum nigrum und Vacecinium Vilis idaea ver-
borgen und nur mit den Spitzen seiner Zweige bis zu 2—3 Zoll °
über das Heidekraut hervorragend. Von diesem sprossen dessen
schöne violettrothe Blumen, selten mehr als vier von jedem
Zweige, aus, und stehen dem Rennthiermoös und dem bleichen
Grund von Parmelia tartarea so nahe, dass sie wie Blutflecken
von einem gefällten Rennthier aussehen. Auf denselben Stel-
len kömmt Carex pedata und Chamaeorchis alpina vor. Auf
dem Rückwege fanden wir auf dem Strande am Fusse von
Skaadavare eine vom Prof. Blytt wenige Tage zuvor entdeckte
Conioselinum- Art, die für Skandinaviens Flora neu ist, und
Pisum maritimum , beide in grosser Menge.
Es war Mitternacht. Die Sonne stand noch am Horizont
und warf einen starken goldenen Schein über den Altenfjord,
der zwischen den steilen Felsen ausgebreitet lag, wie ein spie-
gelblanker Schild zwischen seinem erhöhten Schildrand. Unser
Boot glitt stille über die Meeresfläche hin, während Schaaren
von Fischen auf der Oberfläche im lustigen Spiele sich herum-
trieben uud sich in dem krystall- klaren Element innig zu freuen
schienen. Unwillkührlich kam mir der Gesang der Meerlrau
in Goethe’s herrlichem Gedicht ‚, der. Fischer“ in die Ge:
danken:
Ach wüsstest Du wie’s Fischlein ist ete.
Das Meer hat zu gewissen Zeiten eine besondere Anziehungs
kraft: Es scheint zuweilen so stille, so tief und kühlend. Seine
Wogen versprechen Vergessenheit und Friede, wie die Mythe
von Lethes Strom erzählt. Was Wunder deshalb wenn schwache
”
Auszug aus Lund’s Reise. 107
Seelen zuweilen versuchen sich unterzutauchen, um zu verges-
sen und zu: schlummern? — Das boot stiess gegen das Land,
die Fahrt war beendet und die Sonne stieg auf ihrer Bahn. Die
Pieplerche zwitscherte auf den Föhrenbäumen, und die Elster
war in Thätigkeit ihre Jungen zu füttern, aber — an uns war es
Vergessenheit und Ruhe zu suchen.
'Es nahete die Abreise von Alten und das Scheiden von dem
Professor Blytt, von welchem mir übertragen war den nörd-
liehsten Theil von Westfinmarken zu untersuchen, während er
die Vogtei Tromsoes untersuchte. Es war ein schöner. August-
tag, ehe der Herbst mit seinem bleichen Laub gekommen war,
als ich Dosekop verliess und mit dem Dampfschiff «Prinz @-
stav‘“ nach Hammerfest absegelte. Der Weg geht über den Al-
tenfjord au dem ea seiner schönen kapei ucklosuken Talvig
vorbei. |
@Qualoe *), auf deren westlichen Seite Hammerfest liegt, hat
ungefähr ‘fünf Meilen **) im Umkreis und ist durch den Qual-
sund von dem festen Land getrennt. @ualoe ist eine Klippen-
insel im eigentlichsten Sinne des Wortes, und besteht überall
aus nackten Klippen die beinahe die See erreichen und nur sel-
ten Raum für kleinere Wiesenstücke längs des Strandes übrig
lassen. Die Baumvegetation hat beinahe aufgehört und kömmt
nur in Felsenschluchten vor, die gegen Nord und West geschützt
sind. Kleinbirken (Betula alba var. glutinosa), einige Weiden-
arten und Alnus incana, selten über mannshoch, machen die
ganze Baumvegetation aus.
Freitag Abend begab ich mich von Hammerfest mit dem
Kaufmann Ullich, der mich mit finmärkischer Gastfreiheit zu
seiner fernen aber niedlichen Wohnung in der Nachbarschaft _
vom Nordkap eingeladen hatte, auf die Reise nach Havoesund.
Dieser wird durch zwei hohe Gebirge gebildet, wovon das öst-
liche, auf dem Festlande liegende, bis zu seiner halben Höhe
sanz lothrecht vom Meere aufsteigt und sich von da zu einer
kuppelförmigen Spitze ungefähr 2500 Fuss erhebt. Diese hohen
Gebirge geben dem Einlauf zum Zavoesund einen wilden und un-
freundlichen Character; aber dieser verschwindet wie man des
Sundes grösster Enge naht. Im Hintergrunde lag an einer kleinen
Bucht ein eingehegter grüner Rasenplatz malerisch hingestreckt
auf welchem ein altes einstöckiges mit Ziegeln gedecktes Haus
*) Oe äst, die; dänische Benennung für Insel; Qual heisst: Wallisch,
folglich Qualoe: Wallischinsel. D. Uebers.
##) Die norwegische Meile ist — 44 deutsche. D, Uebers,
w
108 Auszug aus Lund’s ‚Reise.
anmuthig lag., Diess ist Ullichs Wohnung nur zwei Meilen vom
Nordkap; aber welchen falschen Begriff macht man sich nicht
von dem Character jener &kegend ? Anstatt einer harten und rauhen
‘Natur, welche der Vegetation ein verkrüppeltes Ansehen giebt;
ziehet sich längs der Bucht eine anmuthige Wiesenfläche hin,
bedeckt mit frischem Grün und Feldblumen der lebhaftesten Far-
ben. Hinter diesen erhebt sich in allmähliger Schräge eine Ge-
birgsstrecke, die den grössten Theil von Yavoe einnimmt, und
den Sund und die grüne Fläche an ihrem Fusse gegen den Nord»
wind schützt.
Das Gebirge ist bis beinahe zur höchsten Höhe des Pla-
teaus mit Grün bewachsen. Die unterste Hälfte ist mit Gräsern
und Carex-Arten, besonders C. rariflora, die die Moore in den
Vertiefungen des Gebirges mit einem dichten Rasen überziehen»
bewachsen, vorzüglich aber mit Salix gluuca, limosa und myrsi-
nites und ‚auf den Sphagnum-Arten wächst Luzula glabrata
Hopp. in grösster Menge, die eine ungewöhnliche Grösse erreicht
und hier auf ihrem rechten Standort zu sein scheint. . Die ober-
ste Hälfte ist der Gürtel der lappischen Alpenvegetation. Hier
blühen Diapensia lapponica, Azalea procumbens, Silene acaulis,
Carex saxatilis, Salia herbacea, Juncus trifidus, Betula nana,
unter Laub- und Lebermoosen, worunter Dryum caespiticium,
Aypnum aduncum, Dieranum scoparium und besonders Jun-
germannia ciliaris, Cladonia rangiferina und Cetraria islandica
die Hauptmasse sind. Auf der Fläche des Plateaus hören diese
meist auf und Juncus trifidus und Jungermannia_ ciliaris fri-
sten noch ein kümmerliches Dasein, während Parmelia tartarea
sich üppig entwickelt und besonders die letzte mit ihrer bleichen
„Farbe überzieht. Die Baumvegetation ist verkrüppelt und kommt
nur in beschützten Felsenlagen vor. Sie ist ein halb ausgebrann-
tes Licht, das in der letzten Gluth flammt, von des Nordwinds
beissender Schärfe ausgeblasen.
Täglich unternahm ich Excursionen auf der Insel und dem
angrenzenden Festlande. Auf der östlichen Seite der Insel fin-
den sich mehr fruchtbare Bergschluchten, wo die gemeinsten
Grasarten, Poa pratensis und alpina, Aira caespitosa und
flexuosa wenigstens die Höhe einer Elle erreichen. In diesen
Schluchten findet man einen grossen Theil der schönsten Erzeug-
nisse der lappischen Alpennatur an der Seite der gewöhnlich-
sten Wiesenpflanzen concentrirt und der Botaniker ist einer in-
teressanten Ausbeute gewiss. JAlavoe hat ungefähr 1 DMeile.
in der Ausdehnung. Das Klima ist mild und behaglich,, beson-
ders im Winter. In den Monaten December und Januar 1840 —
Auszug aus Lund's Reise. 109
1841 war die Mitteltemperatur — 5° und im Juni und Juli 1841
‘+7°. Man wird sich hierüber wundern, wenn man sich der
nördlichen Breite der Stelle erinnert; aber man muss bedenken,
dass die Seeluft das Verhältniss der Temperatur des Strandes
bedeutend verändert, besonders im Winter. Durch die Milde
des Klimas lässt sich leicht erklären, dass hier mehrere Wie-
senblumen gefunden wurden, welche auf Hammerfest verschwun-
den waren.
Eines Sonntagsabends gegen Mitternacht verliess ich Havoe-
sund um zu Boot die Reise nach dem Nordkap fortzusetzen.
Nach mehreren Stunden kam ich zu Gjesvaer, ungefähr 2 Mei-
len nordöstlich von Haroesund, an. Gjesvaer ist ein Handels-
platz auf einer kleinen Insel belegen, die durch einen schma-
len Sund von Mageroe getrennt ist. Das Land um Gjestaer
ist öde und wild. Hohe, rauhe, kegelförmige Klippen haben
sieh in das Meer hinausgelagert wie ein Wald und beschützen
‚diese Nordwestkante von Mageroe. Zerrissene Wolken eilen
schnell über ihre Zacken hin; die Seevögel erheben ihr Geschrei
fern und nah, und die Wogen ziehen schaumbedeckt gegen den
Strand, wo das blaue Lungenkraut und das Löffelkraut ihre
kriechenden Wurzeln ausbreiten. Die Baumvegetation ist bei-
nahe verschwunden und liess nur kriechende Weiden- und Bir-
kenbüsche, die sich in Felsenritzen und Alpenschluchten vor
der scharfen Einwirkung der Seeluft schützen, zurück. Die
Küste ist mit Klippen und Scheeren erfüllt, die in dichten
Haufen liegen und zerrissenen Landstücken gleichen. Sie sind
meist zugespitzt und sehen aus wie Felsenspitzen von einge-
sunkenen Bergen. Unter diesen Inseln ist eine mit Namen
Stappen worauf vor mehreren Jahren eine alte Fingamme *),
auf dem schmalen Strand, halh verborgen unter der Klippe
steiler Versenkung stand. Hier hat Ludwig Phillip auf seiner
Reise in Finmarken übernachtet. Die Vegetation ist einförmig,
aber überall üppig, wo das Land Schutz gegen den Nordwind
darbietet. Mehrere von den südalpinischen Wiesenpflanzen,
wie Chaerophyllum sylvestre, Lychnis sylvestris erreichen hier
eine ungewöhnliche Grösse und das Gras erwächst zu einer
Höhe, wie man am wenigsten unter dieser Breite erwartet.
Nachdem ich die nothwendigen botanischen Exceursionen
auf der Westküste von Mageroe und einigen der dortigen Inseln
angestellt, verliess ich Gjesvaer und reiste über den T’uefjord
und darauf zu Lande nach Skarvaag. Am Grunde vom Tue-
*) Finganme ist der Name einer Lappen- Wohnung, D. Uebers,
110 Auszug aus Lund’s Reise
fjOrd wuchs Pisum maritimum , ‘aber verkümmert und selten
fruchttragend, weshalb ich annehme, dass Mageroe dessen
nördlichste Grenze ist. Um Mittag zu Skarvaag: angekömmen,
eilte ich schnell zum Nordkap, von dem einzigen Besitzer von
Skarvaag, der schon seit einer Reihe von Jahren den Reisenden
den Weg zu diesem weltberühmten Vorgebirg zeigt, begleitet:
In einigen Klippenspalten und Buchten östlich von der Alpe
wuchsen die meisten lappischen Sazifragen und Banunculus
acris erreichte hier eine Ueppigkeit, wie ich nirgends gesehen.
Der Aufgang ist steil und folgt einem Alpenbach der in kühnem
Fall herabstürzt. Mein Begleiter führte mich zu der Nord-
spitze des Berges, dem bekannten Nordkap. Dies hängt mit
der Felsenmasse von Mageroe zusammen und bildet oben ein
ebenes Plateau, das gegen Norden steil und gleich wie abge-
brochen in das Polarmeer vorspringt. ‘Von der Mitte dieser
scharfen Felsenmasse geht ein spitzauslaufendes Klippenstück,
nicht ungleich dem Horne eines Rhinoceros aus. Auf der rech-
ten Seite einer aus losen Steinen aufgeführten, zerfallenden
Pyramide liegt ein grosses Klippenstück und an dessen Fuss
eine Flasche, welche die Etiketten mit den Namen der Reisen-
den einschliesst, von denen mehrere auf dem en ei
selbst eingehauen sind.
Tags darauf reiste ich nach Kjelvig um einige Tage dort
zu botanisiren, da diess aber von seinen Bewohnern, die sich
nur während der Fischerei- Zeit dort aufhalten bereits verlassen
war, ging ich nach Repvaag im Porsangerfjord. Auf dem Weg
dahin wird Gross-Porsangernaes passirt. Hier wuchsen die ge-
wöhnlichsten Erzeugnisse der lappischen Alpennatur beinahe
gleich am Strande Die Alpenpflanzen sind Strandpflanzen
geworden und gedeihen gut in der Nähe des Meeres. Ich be
merkte einige missrathene Exemplare von Dotrychium Lunaria,
weshalb ich dafür halte Porsangernaes sei dessen nördlichste
Grenze, da’ es bei der vorgenommenen en nicht auf
Mageroe gefunden worden war.
Von diesem Vorgebirg übersieht man ganz Mageroe. Diese
Insel besteht aus einer zusammenhängenden . Klippenmasse die
aus der Entfernung gesehen oben ein ebenes Plateau von bedeu-
tender Ausdehnung und mit scharfen Felsenwänden, die steil
ins Meer stürzen, zu bilden scheint. An einigen Stellen spaltet
sich die Klippenmasse und bildet tiefe Fjorde, alle in concen-
trischer Richtung gegen den Mittelpunkt. An anderen Stellen
tritt das Gebirg ebener zurück, eine halbrunde Meeresbucht ein-
schliessend, an deren Grunde ein kleines, grünes Fleckchen
Auszug uus Lund's deeise. 111.
liegt.; Diese grünen, Fleckehen am Grunde der Buchten und
Fjorden sind die einzigen bewohnbaren Stellen auf Mageroe,
Die Felsenwände sind ‚selten nackt, sondern meist mit einem
dünnen Rasenteppich bekleidet. Auf dem: Plateau ist die Gras-
vegetation verschwunden, wenn man kleine Haufen von Festuca
ovina und rubra, und einzeln stehende Halme von Poa flexuosa
ausnimmt. . Von. den Pflanzen der tiefen Länder finden sich auf
dem Plateau nur Polygonum viviparum,. Cardamine pralensis;
die genannten Arten von Festuca und Apargia autumnalis var.
Taraxaki.
In ‚Repvaag traf ich Pastor Zetlitz gerade im Begriff
nach Kjelvig zu reisen. Ich benutzte diese gute Gelegenheit
um: jenen Theil von Mageroe zu untersuchen, den ich bei mei-
nem ersten Besuch unbesehen hatte verlassen müssen und kam
am. Abend in- Kjelvig an. Von da machte ich mehrere Streif-
züge über die Alpen nach Mageroe’s Centrum, welches Keil-
hau zu 12 — 1400 Fuss angiebt. In der Nähe zeigt sich Ma-
geroe als ein unebenes Plateau, zerrissen durch Klippenspalten
und Thalzüge. Die Vegetation ist kümmerlich und zeigt auf
das Deutlichste die Spur von der Einwirkung der Polarstürme.
Ausser den gemeinsten Eispflanzen und den obengenannten Pflan-
zen des ee finden sich auf dem Plateau nur in einiger
Menge Empetrum. nigrum, Hieracium alpinum, Vaccinium uli-
ginosum und Bubus Chamaemorus, die zwei letzten sparsam
fruehtbringend.. Parmelia tartarea und Jungermannio ceiliaris
kommen hier in grösster Menge vor, die letzte jedoch gewöhn-
lich mit einem weissen Ueberzuge von Parmelia tartarea. Um
die Schneeschichten hört die Vegetation, durch ein wildes Ge-
rölle von Schiefersteinen, welches die lose Ueberlage über die
feste Klippenmasse bildet, verdrängt, meistens auf. Der Gras-
wuchs ist überall, wo die Klippen Schutz gewähren, üppig, und
kann dem von den südländischen Alpen an die Seite gesetzt
werden, wo keine künstliche Düngung angewendet, die Vieh-
zucht aber mehr als billig versäumt wird. Nach achttägigem
Aufenthalt auf Mageroe verliess ich diesen nördlichsten Punkt
unseres Vaterlandes und fuhr wieder nach Zepvaag. Nachdem
ich hier 2 Tage vom Wetter aufgehalten worden, segelte ich
nach Zuambsoe. Diese Insel hat. ungefähr 3 DT Meile Ausdeh-
nung und wird durch eine flache, zusammenhängende Klippen-
masse gebildet, deren höchste Höhe kaum 50 Fuss beträgt.
Sie besteht aus fortlaufenden Moorstrecken die mit Zmpetrum
nigrum , BRubus Chamaemorus, Parmelia tartarea und Sphag-
num-Arten bewachsen sind. Auf. der Südseite der Insel fin-
-112 Auszug aus Lund’s Reise.
det sich etwas Buschwald von Birken und Weiden, der mit
Sorgfalt gehegt wird, weder der Schönheit noch des Nutzens
halber, sondern weil er von den Eidervögeln und Gänsen mit
Vorliebe als Brutplatz gesucht wird. Von bemerkenswerthen
Pflanzen finden sich hier Dianthus superbus in grösster Menge
auf dem Strande in einem sandigen, mit ausgeworfenen See-
muscheln gemischten Boden. Diess ist, nach meinen Beobach-
tungen dessen nördlichste Grenze. Er wird übrigens südlich
von Repvaag und bei Kistrand auf allen ähnlichen Standorten,
und wahrscheinlicherweise an mehreren Orten, wo die ange-
führten Ortsbedingungen stattfinden, gefunden. Ausserdem finden
sich Polemonium coeruleum, FPotentilla anserina, Sedum
acre und annuum und wahrscheinlich hier in ihrer nördlichsten
Breite.
Von Tambsoe reiste ich nach Repvaag und von da nach
Kistrand bei welchem sich eine schräge Rasenfläche findet,
die im Hintergrunde durch einen Gürtel von mannshohen Birken-
und Weidenbüschen von den nackten Felsen getrennt wird.
Hier ist, nach meiner Beobachtung, die nördlichste Grenze von
Alnus incana, und eine Meile südlicher, in der Bucht des Por-
sangerfjords finden sich Föhrenbäume, stark genug zu Bauholz.
Aus dem angehängten Verzeichniss wird man ausserdem ersehen,
dass ein Theil andrer Pflanzen hier wahrscheinlicherweise seine
nördlichste Grenze hat. Von seltenen Pflanzen finden sich
Arenaria norvegica und Stellaria humifusa, beide am Strande
bei Kistrand.
Am anderen Tage machte ich mich in der Abenddämme-
rung auf die Reise nach Hammerfest um das Dampfschiff zu
erreichen. Nachdem ich eine Stunde gesegelt landete ich bei
einer an einer Bucht des Posangerfjords gelegenen Fingamme,
wo meine wenigen Sachen auf die Schultern zweier Lappen geladen
wurden, welche zugleich Lastthiere und Wegweiser über das
Gebirge sein sollten. Sobald meine Begleiter ihre frugale, aus
saurer Milch und den Beeren von Empetrum nigrum, getrock-
neten und in Thran getunkten Fischen bestehende Abendmahl-
zeit beendigt hatten, reisten wir ab. Der Weg ging durch
Wildnisse und Buschwald von mannshohen Birken. Durch Dun-
kelheit und Nebel, durch Wildnisse und Moore, über Gebirgs-
abhänge und Steine, wanderten wir immer weiter aufwärts und
naheten uns bei Tagesanbruch der Gebirgsfläche. Der Nebel,
welcher sich dick über die Gebirge gelagert hatte, zerstreute
sich später und wurde von einem kalten, schneidenden Nord-
wind abgelöst, der es unmöglich machte nur bloss 5 Minuten
i=,
7
Auszug aus Lund's Reise. 113
Rühe. zu ‚geniessen. ‚, Ich schied von, meinen Wegweisern und
erreichte um 8 Uhr; Morgens eine Fingamme am Ribberfjord
an der. Westküste des Festlandes. Die Wanderung über das
Gebirg beträgt 4 Meilen und ist: höchst beschwerlich. Auf die-
sem Gebirge finden sich die gemeinen Bergpflanzen der lappi-
schen Flora. Ich nenne nur Carex pedata und Calamogrostis
phragmitoides, die hier in Menge wachsen. . Vom Feibberfjord-
fuhr ‚ich ‘sogleich in einem Boote weiter, und erreichte am
Abend, ermattet von Schlaflosigkeit und; Anstrengung, Ham-
merfest.
‚Auf der. Reise von Hummerfest südwärts hatte ich Gelegen-
heit Talvig näher zu besehen. Es ist von hohen Gebirgen um-
geben, ‚die bei der Einfahrt einen rauhen und wilden Character
haben ‚ aber weiter einwärts ein milderes Aussehen annehmen
und mit Buschwald von Birken bis zu einer Höhe von ungefähr
1000 Fuss über das Meer bewachsen sind.
Ich verweilte einige Tage in ‚Zromsoe, welches ich in den -
ersten Tagen des September verliess um nach Molselvdalen zu
reisen. . Auf den Weg dahin passirt man Ryströmmen, einen
engen Sund, welcher @Qualoe vom Festlande trennt. Am Sunde
liegt: Bensjordet, ein nicht unbedeutendes Landgut. Hier stand
das 'Getreide noeh im September grün und wird selten reif. Da
gegen schlägt es in dem auf der andern Seite vom Sunde bele-
genen Fischerplatz, Sirömsbugten, selten fehl. So grosse Ver-
schiedenheit ‚bewirkt das. örtliche Verhältniss selbst unter dem-
selben Grad der Breite.
Molselvdalen ist ein Bergthal, das. sich in einer Ausdeh-
nung von. 6. — 7. Meilen längs den Ufern des Molselv hinzieht.
Das: Thal,’ das in der Richtung ‘von Süd. nach Norden liegt,
wird auf beiden. Seiten von. parallellaufenden Bergketten umge-
ben;, wovon. die dem Elv zunächst liegenden gewöhnlich bis zur
Spitze mit dichtem Wald von Birkenbäumen bewachsen sind,
und selten Spitzen ausschicken die. über die Birkengränze hinaus-
ragen. ‘Das angebaute Land ist wahrscheinlich aus dem Schlamm
des -Molselv entstanden , welcher ‚noch Insel-Deltas und grosse
Landstrecken bildet und damit die Mündung ganz zu. verstopfen
droht. Diese Hypothese wird ‘durch die Uebereinstimmung des
Bodens: und Pflanzenwuchses auf den älteren und spätest gebil-
deten Insel-Deltas bestärkt. Der Boden ist an beiden Orten
eine Mischung von Lehm und Sand und der ‚Graswuchs eine
Sammlung von Calamogrostis- Arten, besonders Calamogroslis
lanceolata, Halleriana und stricta, die hier eine seltene Ueppig-
keit erlangen. Die Thalfläche ist bis zum Ufer des Elvs mit
s
114 Auszug aus Lund’s Reise.
zusammenhängendem Birkenwald bewachsen, der’ hie und‘ da
längs der Strandkanten von der Axt der Einwanderer nieder-
gefällt und in kleine Rasentlächen umgebildet ist, worauf
die viehzuchttreibenden Bewohner des Thhals ihre kleinen rasen-
bedeckten Häuser aufgeführt haben. Das Thal ist 'ganz zur
Viehzucht geeignet. Die Frische des Birkenwaldes und der
freudige Wuchs des Grases, der Einwanderer gutmüthiger
Character und friedliche Beschäftigung, des Thales Stille und
Entfernung von dem Lärm der Städte und dem Geräusch der
Fabriken‘ geben ihm ein idyllisches Gepräge und eignen. es
vollkommen zum Schauplatz für Virgils und Gessners Hirten-
gedichte.
Im Molselvdal und: Bardodal wird auch Getreideban ge-
trieben, aber, da sie ausserhalb des Getreides sicherer Wachs-
thumsgrenze liegen ist der Getreidebau ein Lotteriespiel, wobei
gewöhnlich unglückliche Loose gezogen werden. In dem Jahre
1840 und 1841 wurde jedoch reifes Getreide gebaut, welches 9
Jahre lang nicht der Fall gewesen war. Der Molselv, der die
Waldflächen des Thales durchströmt, kömmt von Rostovandet
in Senjen, und läuft im Anfang von Ost nach West, später in
nördlicher Richtung in den gleichnamigen Fjord aus. Er ist
7 Meilen lang und fliesst mit heftiger Strömung in einem breiten,
aber nicht tiefen Bette, bildet ungefähr 23 Meile oberhalb sei-
nes Ausflusses den Molselv- Wasserfall uud nimmt gleich unter
diesen den Bardoelv auf. Man führt eine nicht unbedeutende
Menge Föhren-Stämme aus, deren Grösse mich frappirte. Ich
fand Bäume von 14 Fuss Dicke.
Auf der Reise südwärts nach dem Bardodal besah ich den
Bardofoss*). Dieser Wasserfall liegt ungefähr 5 Meile über
dem Ausfluss des Bardoelvs in den Molselv und besteht aus
zwei verschiedenen Wasserfällen die ungefähr 200 Fuss von ein-
ander entfernt sind. In dem oberen, der von moosbewachse-
nen Ufern und schlanken Birkenstämmen umgeben ist, wälzt
sich das Wasser bogenförmig von einer Höhe von ungefähr 15
Fuss nieder. In dem anderen, der zwischen Klippen eingeklemmt
ist, stürzt das Wasser lothrecht von einer Höhe von ungefähr 70
Fuss nieder. An den Abhang des Wasserfalls und ungefähr
mitten in dessen reissender Strömung ragen scharfe Klippen
hervor, über welche die Wassermasse brausend, schäumend und
‚donnernd in einen tiefen Kessel stürzt; aber über diesem hän-
gen Birken in malerischer Sicherheit und lassen ihre dunkelgrü-
*) Foss = Wasserfall, D. Uebers.
. Auszug aus Lund’s Reise. 115
nen Blätter von da fliegenden Wasserstaub befeuchten. In der
Tiefe Schlund siedet es wie in einem Geiser, und von dem
dampfenden Wasserstaub erhebt sich bis zu des Wasserfalls
halber Höhe eine Dampfsäule und deckt mit ihrem undurchsich-
tigen Flor das wilde Wesen drunten. Der Wasserfall ist male-
risch. Ueppige Birkenwälder stehen auf dessen grünen Ufern
und geben der Scene Frische und Reiz, indem sie eine grüne
Umfassung um den weissen Schaumgürtel bilden. Der Was-
serfall schäumt ungebändigt hervor gleich Tausenden von Schlan-
sen, die in unendlichen Geflechten einander umschlingen ; aber
auf dessen Ufern graset die Ziege friedlich, und das Rennthier
steckt nicht selten das zackige Geweih aus dem Birkenwald her-
vor, wenn es aus dem reissenden Strom trinken will. Die ganze
Scene ist ein Ideal von Kraft und Anmuth. .
Die Natur ist ein Complex von Ideen und die Sinnenwelt der
Ausdruck dieser durch Formen. Dieser Satz läuft in unseren
Tagen kaum mehr Gefahr für ungültig erkannt zu werden. Aber
es war eine Zeit, wo die Natur als eine todte Leinwand aufge-
fasst wurde, als eine gedankenlose Zusammenstellung von einer
Manmnichfaltigkeit, während die Kunst allein das Lebende, das
von Gedanken Durchdrungene, die von Geist erfüllte Form war.
Jetzt ist diese Anschauung im Begriff unter zu gehen. Man
sieht ein, oder ist auf dem Wege dazu einzusehen. dass die
Natur ebensowobl wie die Kunst durch Formen stets Ideen vor-
stellt und dass das Ziel jeder Naturauffassung ist die Ideen zu
suchen, welche die Natur durch die Formen hat ausdrücken
wollen. Hierauf muss auch des Reisebeschreibers Streben aus-
gehen. Des Naturprospects ganzes schwellendes Aeussere
kann er nicht wiedergeben, er muss sich auf die Ideen beschrän-
ken, welche sich dadurch aussprechen, oder auf die Stimmung
der Landschaft, welche nur das Resultat der Einwirkung dieser
auf das Bewusstsein ist. Wir haben diess stets vor Augen ge-
habt und müssen es dem Leser überlassen zu beurtheilen, ob
wir glücklich gewesen sind.
Wir kommen zurück zum Bardodal. Diess hat dasselbe
Clima, denselben Ursprung und überhaupt denselben Character,
wie. das Molselvdal,;, nur sind die Gebirge bedeutend höher
und der Thalweg mehr eingezwängt, als in diesem. : Die
höchsten Gebirge sind die Snoetinder bei der Vereinigung
des Molselvs und Bardoelvs, welche eine Höhe von 4 — 5000
Fuss erreichen und in den Gebirgsklüften mit langen Streifen
von ewigem Schnee bedeckt sind. Vom Bardodal wanderte
ich gegen die Küste hinab nach Salangen. Diess ist eigentiich
g*
16° -- Auszug aus Lund’s Reise.
der Name von einem Fjord, es ist aber zugleich die Benennung
des Landes, welches sich in einem Halbzirkel um denselben
herumzieht. Auf der Reise dahin erhielt ich Gelegenheit das
bekannte Phänomen zu beobachten, dass der Herbst an der See:
küste sich frühzeitiger einfindet als im Innlande. ' Je näher ich
der Küste kam, desto mehr gelb und entfärbt war das Birken-
laub. Dass dieses seinen Grund ‘in ‘dem 'schärfern Clima der
Seezegenden hat, das schneller auf die Vegetation einwirkt,
davon halte ich mich überzeugt, gleichwie auch, dass darin der
Grund zu der Verdünnung und dem Aufhören' der Baumvege-
tation, so wie des immer tiefern Vorkommens des Schnees auf
den Gebirgen liegt.
Von Salangen reiste ich nach Havnvigen, einer hühsek ge-
legenen Handelsstadt auf Rolloe, um von da mit dem Dampf-
schiffe nach Trondhjem abzugehen.
Anhang.
Westfinmarkens phanerogamische Flora. '
Nachfolgende Tabellen enthalten das Verzeichniss über alle
phanerogamische Pflanzen, welche ich auf meiner Reise in’ West-
finmarken im Sommer 1841 beobachtete. Ich habe ein gleiches
Verzeichniss über diejenigen Pflanzen hinzugefügt, die ich wäh-
rend meines kurzen Aufenthaltes im Molselvdal und Bardodal
in Senjen beobachtete. Unter den angewendeten Abkürzungen
bezeichnet ‚‚Mls.““ Molsevdal und DBardodal in der Vogtei
Tromsoe und Senjen, ‚‚T’roms.‘“ bedeutet Tromsoe, .,Kfd.“ und
Alt.“ Kaafjord und Alten in Alten-Talvigs Pfarrei, „Ham.“
Hammerfest, ‚„Hod.‘“ Havoesund auf Havoe, drei Meilen süd-
westlich vom Nordkap, ‚Mag.‘ Mayeroe, die nördlichste
Insel in Norwegen unter dem 7lten Grade nördlicher Breite,
und ‚‚Kistr.‘“ bezeichnet Kistrand am westlichen Ufer des Por-
sangerfjords. Das Zeichen + vor einer Angabe des Standortes
bedeutet, dass die Pflanze sich an dem angegebenen Orte luxu-
rirend findet, das Zeichen —, dass die Pflanze verkümmert oder
in geringer Anzahl vorkömmt. Da das letzte Zeichen — nicht
die Art des verkümmerten Wachsthums angiebt, welche ihre
Ursache in des Bodens zufälligen Eigenschaften hat, son-
Auszug aus Lund's Reise. 117
dern diejenige, welche ihren Grund in dem climatischen Ver-
hältniss hat, so deutet es oft zugleich den nördlichsten Stand-
ort der Pflanze an. Einer Pflanze nördlichster Standort ist mei-
stens durch getrocknete Exemplare der Pflanze bewahrheitet,
welche in dem Herbarium der Königlich norwegischen Gesell
schaft der Wissenschaften niedergelegt sind. Molselvdalen ,
Tromsoe und Kistrand sind nur für eine kleine Anzahl Pflan-
zen als Standorte angegeben, welches einzig seinen Grund in
meinem kurzen Aufenthalt an jenen Orten hat. Die zwei letzt-
genannten haben im Wesentlichen dieselbe Vegetation wie das
übrige Finmarken.
Ranunculaceae Juss.
Thalietrum alpinum L. MlIs. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
—_ flavum L. - Mls. Alt.
Ranunculus reptans L. Mls. Alt.
0 — glacials L Mis Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag.
— hyperboreus Rb. Mils. Alt. Mag.
— pygmaeus We. Mis. Kfd. Alt. Hvd. Mag.
— nivalis I. Mis. Kfd. Alt. ae
— acıis L. Mis Kfd. Alt. Ham. Hvd.-} Mag.
— aecris alpestri. Mis. Kfd. Alt. + Mag.
— auricomus L. —Kfd.
— repens L. Mls. Kfd. Alt. Ham. DHovd. +4 Mag.
Caltha palustris L. Mls. Kfd. Alt.— Ham. Hvd.— Mag.
Trollius europaeus L. Mis. Kfd. Alt.— Ham. Hvd. Mag:
Actaea spicata L. Mis. Alt.
Cruciferae Juss.
Barbaraea stricta Fr. Mls. Kfd. Alt.
Arabis hirsuta Scop. : Mls. Kfd. Alt.
— alpina L. Mis.. Kfd. Alt. Ham. + Mae.
Cardamine'bellidifolia L._ Mls. Kfd. Alt.
_ pratensis L. Mis. Kfd. Alt. — Mag.
Draba lapponica DC. Troms.
— hirta L. Mis. Kfd. Alt. Kistr.
— incana L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Kistr. Hvd. Mag.
Cochlearia officinalis L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd.-+ Mag.
= anglica L. Alt. Hvd.-+ Mag
Thlaspi arvense L. Mls. Kfd. Alt.
Capsella Bursa pastoris Mönch. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag
Sisymbrium Sophia L. Alt. (2)
Erysimum hieraeifolium L. Mlis. Kfd. Alt. — Hvd.
L}
118 Auszug aus Lund’s Reise.
Camelina sativa Crantz, Mls, Kfd. Alt.
Sinapis arvensis L, Mis. Kfd, Alt,
Raphanus Raphanistrum L, Kfd,
Nasturtium palustre DE, Mis,
Violariae Juss:
Viola epipsila Ledeb, Mls. Kfd. Alt.
— palustris L. Mls. Kfd. Alt.
— biflora L, Mis. Kfd, Alt.
— arenaria DC. Mis. Troms,
— canina L. Mis.. Kfd. Alt.
— montana L, Mis Kfd, Alt,
Droseraceae DC.
Drosera rotundifolia L, Mis, Kfd, Alt,
— longifolia L, Mis. Kfd. Alt,
Parnassia palustris L« Mis. Kfd, Alt.
Caryophylleae Juss.
‘ Dianthus superbus L.
Silene inflata Sm. Mis.. Kfd, Alt,
— maritima L. Mlis, Kfd. Alt.
— rupestris L. Mis.
— acaulis L, Mis, Kfd. Alt,
Lychnis affinis, + Alt.
— sylvestris Schk. Mis, Kfd, Alt.
— alpina L. Mis. Kfd. Alt.
Sagina procumbens L, Mis. Kfd, Alt,
Spergula arvensis L. Mls. — Alt.
— nodosa L. Mls, Kfd. + Alt.
— _ saginoides L, Mis. Kfd. Alt,
Stellaria nemorum L. Mis, Kfd. Alt,
— media With, Mlis,. Kfd, Alt.
— humifusa Rottb, +-Kfd.
— erassifolia Ehrh, Mis. Kfd, Alt,
E= alpestris Hn. Mis. Kfd. Alt,
—_ Friesiana DC, Mis. Kfd. Alt.
— graminea L. Mis. Kfd, Alt,
Alsine biflora Weg. Kfd. Alt,
— hirta Hn, Alt.
Halianthus peploides Fr. Mis. Kfd, Alt,
Arenaria norvegica Gunn. +Kfd,
Cerastium alpinum L. Mls. Kfd. Alt.
Kistr,. Hvd,
Ham,
Ham, Hvd.+ Mag,
Ham.
Ham. Kistr, Hvd, Mag,
Ham, Hvd.-+ Mag,
+Kistr, + Tamsoe im Porsangerfjord,
Haın. Hvd. +Mag,
Ham. Hivd, + Mag,
Hvd, Mag.
Ham. Hvd, + Mag.
+4Ham. Hvd, Mag.
Ham, Hvd, Mag.
+Hvd. Mag,
+4 Ham. + Hvd. Mag,
Kistr.
Ham. Hvd, Mag.
— Ham, Hvd.— Mag.
Ham, Hvd, Mag.
Ham, Hvd. Mag.
Ham. Hvd. Mag.
nY
Auszug aus Lund's. Reise. 119
Cerastium alpinum $ lanatum.Mls. Kfd. _ Ham. Kistr. Hvd. Mag.
— — yglabratum. Mis.Kfd.. Al. Ham. Hyd. Mae.
trigynum Vill. Mlis.. Kfd. Alt. +Hvd. Mag.
— vulgatum Wg. Miss. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
Ocxalideae DC.
Oxalis Acetosella L.
Mls. Troms.
Leguminosae Juss
Anthyllis Vulneraria L.
Trifolium repens L.
-- medium L.
Lotus corniculatus L.
Phaca frigida 1.
Astragalus alpinus L.
Vicia Cracca L.
Pisum maritimum L.
Lathyrus palustris L.
lapponica Weg. Rolloe in Senjen. +Kfd.
Alt.
Mis. Kfd. Alt. Mag.: bei Kjelvig.
Rolloen in Senjen. 1
Mis.
Mis. Kfd. Alt.
Mis. Kfd.+Alt.
Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mas.
Kfd. + Alt. — Mas.
Alt.
Rosaceae Juss.
Prunus Padus L. Mls.
Ribberfjord bei Qualsund in der Nähe von
Hammerfest.
Spiraea Ulmaria L. Mils. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
Dryas octopetala L. Mis.. Kfd. Alt. Ham. +Hvd. Mag.
Geum rivale L. Mls. Kfd. Alt. — Mag.
Comarum palustre L. Mis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag.
Rubus Chamaemorus L. Mlis. +Kfd. +All.e Ham. Hvd. +4 Mag.
— arcticus L. Mis, Alt.
— saxatilis L. Mis. +Kfd.+Alt.e Ham. Hvd. Mag.
— idaeus L. +Mls. Kfd. Alt. Reift gewöhnlich nur
in Jahren, in welchen das Getreide reif wird.
Fragaria vesca L. Mis. Kfd. Alt.
Potentilla Anserina L. Mis. Kfd. Alt. — Ham, — Tamsöe im
| Porsangerfjord.
— _ alpestris Hall. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae.
0 nivea L. Sakavare an dem Kaafjord.
— TormentillaScop. Mls. Kfd. Alt.
Sibbaldia procumbens L. Kfd. Alt. Mag.
Alchemilla vulgaris L. Mls. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag.
— .. alpina L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
Sorbus aucuparia L. Mls. Kfd. Al. Ham. —Hvd. — Mag.
120 Auszug aus Lund’s Reise.
Onagrariae Juss.
Epilobium angustifolium L. Mils. Kfd,
— montanum L. Mis.
— alpinum L. Mlis. Kfd.
_ — majus Blytt.Mls.Kfd.
= origanifolium Lmk. Mls. Kfd.
—_ nutans, Kfd.
— palustre L, Mis. Kifd.
Circaea alpina L. Mis.
Halorageae Rb.
‚Hippuris vulgaris L. Mis.
Alt,
Alt. Ham. Hvd. Mae.
Alt.
Alt. Ham, Hvd, Mag.
At. Kiste x“ x
Alt. Ham, Hvd. Mas.
Alt.
Br. !
Alt. Hvd. Mag,
Tamariscinae Desv.
Myricaria germaniea Desv.
Alt,
Portulaceae Juss.
Alt.
Alt.
Alt.
Montia fontana L. Mls. Kifld.
Crassulaceae DC.
Sedum acre L. Mis. Kfd.
— annuum L. Mlis. Kifd.
Rhodiola rosea L, Mis. Kifd.
Alt.
Grossularieae DC.
Ribes rubrum L. Mlis, Kifd,
Alt.
Sazifragaceae DC,
Saxifraga nivalis L. Mis. Kfd.
_— stellaris L. Mis. Kfd.
—_ — f carnosa,
—_ Cotyledon L. Kfd.
_ aizoides L. Mls. Kfd.
_ oppositifolia L. Mis. Kfd.
_ cernua L. Mlis. Kfd.
— rivularis L. Mls. Kfd.
— caespitosa L. Mis. Kfd.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt,
Alt,
Alt.
Alt.
Alt,
Umbelliferae Juss.
Carum Carvi L. _Mls Kifd.
Conioselinum tatarieum Fisch,
Alt.
Alt.
Ham. Hvd. Mag.
Ham. +Hvd. + Mag.
— Ham. — Tamsöe im
Porsangerfjord.
— Ham. — Tamsöe im
Porsangerfjord.
Ham. Hvd. Mas,
Ham. Hvd. Mag.
Ham. + Hvd. -+ Mag.
Ham. Hvd. +Mag.
Hanı. Hyd. Mag.
Mag.
+Ham. +Hvd. Mag.
Ham. Hvd, Mag.
Kjelvig auf Mag,
Vom Prof. Blytt zuerst
in Norwegen gefunden.
“
Auszug aus Lund’s keise. 221
Angelica sylvestris L. Mis. Kfd. Alt.
Archangelica officinalis Hoffm. Mis. Kfd. Alt... Ham. Hvd. Mag.
Anthriscus sylvestris Hoffm. Mls. Kfd. Alt.—Ham. . Hvd. Mag.
Ligusticum scoticum L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
Corneae DC.
Cornus suecica L. . Mlis.: Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae.
Caprifoliaceae Juss.
Linnaea borealis L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Mag.
Rubiaceae Juss.
Galium boreale L. Mis. Alt.
— trifidum L. h Alt. Hvd.
— _palustre L, MIs. Alt.
— uliginosum L. Mls. Alt.
— _triflorum Mich. Kfd.
Valerianeae DE.
Valeriana officinalisL. Mis Kfd. Alt. Hvd. Mage.
Compositae Vaill.
Apargia autumnalis Hoffm. Mis. Kfd. Alt.
— — _,,ß Taraxaci. Mls. Kfd. Alt. Mas.
Leontodon. Taraxacum L. Mis, Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag.
Sonchus alpinus L. Mis.. Kfd, Alt. Hvd. Mag.
— ‚sibiricus L, Bei. dem Hofe Gulhod im Molselvdal. An den
| | Ufern des Altenelv.
Hieracium alpinum L. Mis. Kfd. Alt. Ham. +Hvd. +4 Mag.
Zn — £ fuliginosum. Mag.
— piloselloides Vill. Mls.
—_ paludosum L. Mis.
— Lawsonii Sm. Alt.
_ murorum L. Mis. Kfd. Alt.+Ham. Hvd. Mag.
_ — £ sylvaticum. " Ham. Mag.
— vulgatum Fr. Mls. _ Alt. Ham. Hivd. Mage.
— boreale Fr. Alt. Ham. Hvd. Mag.
— prenanthoides L. Kfd. | ; Mas.
— umbellatum L. Alt.
Crepis tectorum L. Mis. Kfd. Alt.
Lapsana communis L, Mis. Alt. |
Saussurea alpina DC. Mis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag.
Cirsium heterophyllum All, Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
“=
122
Artemisia vulgaris L.
Gnaphalium norvegicum Retz. Mis. Kfd.
— supinum L.
— dioicum L.
— alpinum L.
Arnica alpina L.
Tussilago Farfara L.
— frigida L.
Erigeron uniflorus L.
_ alpinus L.
—_ acris y ruber.
Senecio vulgaris L.
Solidago Virga aurea L.
Achillea Millefolium L.
Pyrethrum inodorum Sm.
Campanula uniflora L.
— rotundifolia L, Mls.
Vaceinium Vitis Idaea L.
— uliginosum L.
— Myrtillus L.
Oxycoccus palustris L.
Empetrum nigrum L.
Calluna vulgaris Salb.
Menziesia caerulea Sm.
Andromeda hypnoides L.
== tetragona L.
TR polifolia L.
Arbutus alpina L.
— Uva ursill.
Diapensia lapponica L.
Azalea procumbens L.
Pyrola uniflora L.
— secunda L.
— minor L.
— zotundifolia L.
Auszug aus Lund’s Reise.
Mls. A 4
Alt. Ham. Hivd.. Mas.
Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
Mls, Kfd. Alt. Ham. Hovd. Mag.
Mis Kfd. Alt. Hvd.
Floialpe bei Tromsoe.
Mis. Kfd. Alk.
Kfd, Alt. Mag.
Mis.. Kfd. Alt. Ham. Mag.
MiIs. Kfd. Alt. Ham. Tamsöe im
Porsangerfjord.
Mis. Kfd. Alt.
Mls. Alt. — Ham.
Mlis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag
Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. 4 Mag.
Mls. Kfd. Alt. + Ham. + Hvd. + Mag.
Campanulaceae DC.
Tromsoetind. Mag
Kfdl. Al. Ham. Hvd. Mag
Vaccinieae DC.
Mils,
Mis.
Ms.
Mis.
Mis.
Kfd,
Kfä.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Ericeae Rb.
Mis.
Mis.
Mlls.
Mis.
Mis.
Mils.
Mis.
Mis,
Mils.
Mls.
Mils.
Kfd.
Kfd,
Kfd.
Kfd.
Kfd,
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd,
Kfd,
Kfd.
Kfa.
Alt. —Ham. — Hvd. — Mag.
Br.
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt. Ham. —Hvd. Mag,
Alt. |
Alt. Ham. Hivd. Mag
Alt, — Ham. — Hvd. — Mag
Alt.
Alt, Mas.
Alt.
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt. Ham. +4Hvd. + Mag.
Alt.
Alt. + Ham. + Hvd. + Mag.
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt.
Alt. — Ham. ‚ ie
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt.
=
Auszug aus Lund’s Reise. 133
Rhododendrun: lapponicum Wg. Sakavare am Kaafjord. + Goskavare
Son in. Alten.
Ledum palustre L. | + Alt.
} Gentianeae Juss.
Menyanthes trifoliata L. Mis. Kfd, Alt. Ham. Hvd. Mas.
Gentiana serrata Gunn. Miss. Kfd. Alt. Ham.
_ — ‚var. detonsa. An denselben Orten, aber häufiger.
— involucrata Rottb. Rollöe in Senjen, Kfd, Alt. Hvd, Mag.
— nivalis L. Mis. . Kfd. . Alt. Ham. Mag.
— Amarella L. Kfd.
— ‚eampestris L._ Rollöe in Senjen.
Polemoniaceae Vent.
Polemonium caeruleum L. Alt. — Tamsoe im Porsangerfjord:
Borraginene Juss.
Hippoglossum maritimum Hn. Kfd, Alt. Ham. Hvd. Mag.
Asperugo procumbens L. Mis. Kfd. Alt.
Myosotis sylvatica Hoffm. Mis. Kfd. Alt. Hvd. Mag.
— arvensis Hoffn, Mis. Kfd. Alt.
Echinospermum deflexum Lehm. Mis. Kfd. Alt.
Scrophularineae Rb. Br.
Euphrasia officinalis L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae.
Bartschia alpina L. Mis. Kfd, Al. Ham. Hvd. Mag.
Rhinanthus minor Ehrh. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
Melampyrum pratense L. Mis, Kfd. Alt. Ham. — Hvd. — Mag.
— sylvaticum L. Mls. Kfd, Alt,
Pedicularis Sceptrum Carolinum L. + Alt.
— lapponica L. Mis. Kfd, Al. Ham. Hvd. Mag.
— hirsuta L. Goskavare in Alten.
Veronica longifolia L. Alt. Kistr.
— serpyllifolia L. Mis, Kjelvig auf Mag.
— alpina L. Mlis, Kfd, Al. Ham. Hvd, Mag.
_ saxatilis L. Mls. Kfd. Alt.
— seutellata L. Mls.
_ officinalis L. Mis, Kfd, Alt.
Labiatae Juss.
Prunella vulgaris L. Mis.
Galeopsis Tetrahit L. Mis. Kfd. Alt. Kjelvig auf Mag.
— . versicolor Curt. Mls. Alt.
*
124 Auszug aus Lund’s Reise.
Lentibularieae Rich. www"
Pinguicula vulgaris L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. + Mag.
—_ alpina L. Kfd. Alt. Mag. (9)
nn villosa L. Kfd. Alt.
Primulaceae Vent.
Primula stricta Hornem. + Kfd. + Alt.
— sibirica Jacquin, norvegica Retz. + Kfd. + Alt. ci
Glaux maritima L. Alt. Kistr.
Trientalis europaea L. Mis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag.
Ptantagineae Vent.
Plantago major L. Kfd.
_ maritima L. Mis.. Kfd. Al. Ham. Hvd.
Chenopodeae DC.
Chenopodium album L. Mls. Kfd. Alt.
Atriplex hastata L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Mas
Polygoneae Juss.
Polygonum Persicaria L. Kfd.
n— vivirarum L. Mis.. Kfd. Alt. Ham. + Hvd. + Mag.
— aviculare L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Kist.
Oxyria reniformis Campd. Mls. Kfd. Alte Ham. Hvd. + Mas.
Rumex Acetosa L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. + Mas.
— Acetosella L. Mis. Kfd.e Alt. Ham. Hvd. Mae.
— domesticus Hn. Mis. Kfd. Alt. — Ham. —Hvd.— Mag.
— aquaticus L. +Mils. Ki
Urticeae Juss.
Kfd. Alt. Hvd.— Mag.beiKjelvig.
Urtica dioica L. Mls.
— urensL. Mis. Kfd. Alt. — Hvd.
Amentaceae.
Salix pentandra L. Mis. Kfd. Alt.
— glauca L. Mlis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag
— glauca y Lapponum Wg. Mis. Kfd. Alt. Hvd. Mag
— lanata L. Mls. Kfd. Al. Ham. Hyd. Mag
— hastata L. Mi. Kfdl.e Alt. Ham. Hvd. Mag
— Arbuscula L. Mls. Alt.
— phylicifolia L. MlIs. Kfd. Al. Ham. Hvd.' Mag
— nigricans Sm. Kfd. Ham. ge
— caprea. Mis. Ham. Kist.
Auszug aus Lund's Keise. 125
Salix Lapponum L. .--Mls. »Kfd..' Alt. Ham. Hvd. Mag.
— Myrsinites L. “Mls. Kfd.. Alt. Ham. Hvd. Mae,
— pyrenaica-norvegica Fr. . Kfd. N
--. reticulata L. ..Mls. Kfd. Alt. Ham. -+-lHvd. Mag.
— herbacea L. °.Mls. - Kfd. Alt. Ham. + Hvd. + Mag.
— hastato-herbacea Laest. ex herb. Alt.
— polaris Weg. .Mis. Kfd. Alt. Ham. —-IIvd.
Populus tremula L. Mis. Kfd. Alt.
Alnus incana Willd. Mis. Kfd. Alt.
Betula alba L. var. glutinosa. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. — Mag.
— nana L. Mis. Kfd. Ale. Ham. Hvd.
Coniferae Juss.
Juniperus communis. L. Mlis. Kfd. Alt. Ham. Kist.
Mas.
Hvd.
Pinus sylvestris L. Mis. +Kfd.+Alt + 1 Meile südöstlich vonKistrand.
Juncagineae- Rich.
"Triglochin palustre L. Mis. Kfd. Alt. — Ham.
— maritimum L. Mis.. Kfd. Alt. — Hyd.
Orchideae Rb. Br.
Orchis maculata L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hyd.
Gymnadenia conopsea Br. Kfd.
Chamorchis alpina Rich. Sakavare bei dem Kaafjord.
Goodyera repens Br. Kfd. Alt.
Coeloglossum viride Hn. Kfdl. Alt. Ham. Hovd.
— albidum Hn. Kfd. Alt. Hvd.
Epipactis latifolia Sw. Mls. Kfd. Alt.
Listera cordata Br. Mls. Kfd. Alt.
Corallorrhiza innata Br. kKfd. Alt.
Melanthiaceae Rb. Rr. _
Tofieldia borealis We. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd.
Liliaceae Juss.
Allium Schoenoprasum L. ß majus Horn. Kfd. Alt. Ham. Hvd.
Smilaceae Rb. Br.
Paris quadrifolia L. Mls. Kfd. Alk.
Convallaria vertieillata L. Mls.
Majanthemum Convallaria Wigg. Mls. Alt.
Junceae DC.
Juncus areticus Willd. Mls. „Alt.
Mag.
126
Auszug aus Lund’s Reise.
Juneus filiformis L.
ustulatus Hopp.
trifidus L.
bottnicus We.
bufonius L.
biglumis L.
triglumis L.
Luzula spicata DC.
campestris DC.
Mils.
Mls.
Mls.
Mls.
Mls.
Mls.
Mls.
Mls.
Mls,
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
_ var. sudetica. Mls.
I var. multiflora. Mls.
hyperborea Br.
arcuata Sw.
glabrata Hopp.
parviflora Desv.
pilosa Gaud.
Mls.
Mis.
Mils.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Kfd.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Typhaceae DC.
Ham.
Ham.
Ham,
Ham.
Ham,
Ham.
Ham.
Ham.
Ham.
‚Hvd.+ Mag.
Hvd.. Mag.
Hvd. Mag.
Hvd. Mag.
.Hvd. Mag.
Mag.
Hvd.. Mag.
Hvd. Mag.
Hvd.- Mag.
Ham. + Hvd. Mag.
Ham.
— Ham.
Sparganium natans L. Sakavare am Kaafjord.
Potamogeton praelongus Wulf,
Najadeae Rich.
Alt.
Cyperaceae DC.
Eriophoron angustifolium Roth. Mis. Kfd. Alt. Ham.
latifolium Hopp. Mls. Kfd.
vaginatum L.
capitatum Host. Mls.
alpinum L.
Scirpus caespitosus L.
—
palustris L.
Carex dioica L.
capitata L.
rupestris All.
pauciflora Lightf.
microglochin Weg.
incurva Lighif.
chordorrhiza Ehrh.
lagopina Weg.
norvegica Willd.
glareosa We.
loliacea L.
canescens L.
Mls. Kfd.
Kfd.
Mls Kfd.
Mls.
Mls. Kfd.
Mls. Kifd.
Mils:
Troms.
Mils.
Mls. Kfd.
Kfd.
Mls.
Mls. Kfd.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt..
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Alt.
Ham,
Ham,
Ham.
Ham.
Ham.
Ham.
. Ham.
Hvd. Mag.
Hvd. + Mag.
ci
Hvd. Mag.
Hvd. Mag.
Hvd. + Mag.
Hvd. — Mag.
— Mas.
Kist. Mag.
Hvd. }H Mag.
Hvd.
— Ham. — Hvd. — Mag.
>
Auszug: aus Lund’s Reise. 127
Carex Gebhardi Hn.‘) Mis. Kfd.
Alt. + Ham. +4 Hvd. + Mag.
Alt. — Ham.
Alt. Ham. +Hvd. Mas.
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt.
Alt. Kist.
Alt. Hvd.
Alt. +Ham. + Hvd. Mag.
Alt. — Mag,
Al. Ham. Hvd. Mag.
Alt. + Ham. + Hvd. + Mag.
Alt.
— Buxbaumii Weg. Kfd.
— atrata L. . Mls. ‚Kfä.
— alpina Sw. Mls. Kifd.
— maritima Müll. Mls.
— aquatilis Weg. Mls. .
— _ var. nardifolia Wahlb. Mls.
— caespitosa L. Mls. Kfid.
— acuta L. Mls.
— saxatilis L. Mls XKfd.
— flaval. . Mls. Kfd.
— panicea L. Mls. Kfd.
— rariflora Sm. Mls.. Kid.
— globularis L. Mls.
— limosalL Mls. Kfd.
— irrigua Sm. Mls. Kfd.
Alt. + Ham. Ta. Mag.
— pedata Wg. Floialpe bei Tromsoe. Sakavare am Kaafjord
— capillaris L. Mils. Kfd.
— pallescens L. Kfd.
— rotundata Weg. Mls,
— ampullacea Good. Mils. Kfd.
— vesicaria L. Mls. Kfd.
— filiformis L. Mls. Kid.
und Skaadavare im Eibythal.
Alt. Ham, Hvd. Mage.
Alt. Ham. Mas.
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt.
Gramineae Juss.
Nardus stricta L. Mls. Kfd.
Alopecurus geniculatus L. Mls.
Plıleum pratense L. Mls. Kfd.
— alpinum L. Mls. Kfd.
Milium effuum L.. Mls. Kfd.
Agrostis canina L. Mls. Kifd.
— rupestris Al. Mils. Kfd.
— vulgaris With. Mls.
— stolonifera L. Kfd.
— algida Soland. Kfd.
Alt. Ham. Hvd. +Mag.
Alt.
Alt. Ham. Hvd. Mag.
Alt. Hvd. — Mag.
Alt. — Mag.
All. Ham. Hvd. + Mag.
Alt. Ham.
Alt,
Calamagrostis lanceolata Roth. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag.
— Halleriana DC, Mls.
_ lapponica Hn. Kfd.
*) Gewiss C. vitilis Fr. Mant. III.
Alt.
Alt. — Ham. — Hvd. — Mag.
— C. Gebhardi Hartm., non
‚Schk.; der C, Gebhardi Hopp. aın nächsten,
R
128 Auszug aus Lund’s Reıse.
Calamagrostis strigosa ‘Hn. / ‚Alt. ik zn
—_ stricta Hn. Mils. Kfd. Alt. 'rHvd. Mag.
Hierochloa borealis Roem.Mls. Kfd. Alt. |
— alpina Roem. Goskavare im Eibythale in Alten
Avena subspicata Clairv. Mls. Kfd. Alt. Ham. — Mag.
— caespitosa L. Mls. Kfd. Alt. Ham. .Hvd... Mag.
— flexuosa L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd.+ Mag.
Melica nutans L. Mils. Kfd. Alt.
Molinia aquatica Wibh. Kfd.
— distans Hn. Mls. Kfd. Alt. Hvd... Mag.
Poa annua L. Mls. Kfd. Alt. Ham. -+ Hvd.+4 Mag.
— trivialis L. h Ham..: Hvd. . Mag.
— alpina L. Mls. Kfd. Alt. Ham. ;Hvd. Mag.
_ — var. vivipara. Ham. Hvd. Mag
— pratensis L. Mls.. Kfd. Alt: Ham...‘ Hvd. Mag.
ne — var. humilis. Kfd.
— flexuosa We. Mls. Kfd. Alt.
— caesia. Kfd. Alt.
— nemoralis L. Mls. Kfd. Alt. Ham... Hvd. , Mag.
Festuca ovina L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae.
— rubra L. Mls.. Kfd. All. Ham. Hvd... Mag.
— vivipara. Mls.
Elymus arenarius L. | Kfd. Alt. + Mag.
Triticum repens L. Mls. Kfd. Alt.
_ caninum L. Kfd. Alt. Hvd. Mae.
— violaceun. Alt.
Vorstehende pflanzengeographische Beobachtungen enthalten
die Momente zur Bestimmung der Charactere von der westfin
markischen Flora. Aber da die Charactere einer Flora nicht
an und für sich hervor treten, sondern erst durch den Vergleich
mit den angrenzenden Floren, so wird nachfolgende Parallele
zwischen der phanerogamischen: Flora von ganz: Norwegen und
der finmarkischen nicht ohne Nutzen sein. | “
Der Strich der westfinmarkischen Flora erstreckt sich von
69° 40° nördlicher Breite bis zu 71° 10° nördlicher Breite,
oder. von Tromsoe bis zum Nordkap. Ich schliesse Senjen
und den südlichsten Theil von der Vogtei T’romsoe von West-
finmarken aus, weil die Flora dieser Distriete ganz denselben
Character der des eigentlichen Norwegens hat, und weil die Di-
stricte selbst, in Folge älterer politischer Verhältnisse, von dem
Volke noch zu den Nordlanden gerechnet werden. In nachfol-
sender Tabelle habe ich meine eigenen Beobachtungen über die
Auszug aus Lund’s Reise: 199
Flora von Westfinmarken, welche vornemlich den nördlichen
Theil‘ von Westfinmarken umfassen, mit Professor Bilytts Be-
obachtungen über den nördlichen Theil der Vostei Tromsoe,
welehe mir wohliwollend mitgetheilt worden sind, ergänzt.
Norwegens Flora. Finmarkens Flora.
Von Ränunculacede Juss. 11 Gattungen 36 Arten; 7 Gattungen 16 Arten.
- Berberideae Vent: 1 — 1 —
- Nymphaeaceae DC. Bi un
- Papaveracede Juss. 3 — '5 — | _ 1,
- Fumariaceae DC; 2 — 4 — 1 — re
- Cruciferae Juss, 27 az DEF — 19 —
- Violariae Juss. 1 — 14-4 4 — 1 PER
- Droseraceae DC. 2 — 2a — 9 — RR
- Polygaleae Juss. 1ı — 3 —
- Caryophylleae Juss. 13 — 53 — 10 EL os
- Lineae DC. 2 — 2 —
- Malvaccae Juss. 1 = ee
- Tiliaceae Juss. 1 — 1 —
- Hypericinae Juss. 1 _ 3 —
- Acerineae DC. | — 2 —
- Geraniaceae DC. 2 _ 1 a | —ı 1. -
- Balsamineae Rich. 1 — 1 —
- Oxalideae DC. 1 _ 1 — 1 —_ 1 —
- Celastrinae Rb. Br. 2- — 2 0 —
- BRhamneae Rb, Br. i _ 2 —
- Leguminosae Juss. 15 _ 46 — 8 _ 12 —
- Rosaceae Juss. 16 — 53 — 1 — 18° —
= Onagrariae Juss. 3 _ 9002229 Lu Gr
- Halorageae Rb. Br. 3 — en _ Dep
- Ceratophylleae Gray. 1 _ i —
- Lythrarieae Juss. 2 —_ 2 —
- Tamariscinae Desv. 1 _ | _ 1. —
- Portulacene Juss. 1 — wo as R:
- Paronychieae St.Hil. 2 — 3. —
- Crassulaceae DC. 4 _ ii — .2 — a
- Grossularieae DC. Bea | -_— | — w
- Saxifragaceae DC. 2 — I — .1 _ 9 —
- Umbelliferae Juss. 26 _ 30.— 5 — 6—
- Araliaceae Juss. 2 — 2 —
- Corneae DC. 1 — 2— 1 _ 1 —
- Loranthaceae Don. 1 _ ae
- Caprifoliaceae Juss. 4 _ 1 — ı En 1 —-
130 Auszug aus Lund’s Reise.
Norwegens Flora. Finmarkens Flori.
Von Rubiaceae Juss. 3 Gattungen 12 Arten; 1 Gattungen 6 Arten.
- Valerianeae DC. 2 _ 3 — 1 _ 1 <
- Dipsaceae Vaill. 3 — 3 —
- Compositae Vaill. 36 — 101 — 20 —_ 3 —
- Campanulaceae DC. 3 —_ 10 — 1 —_ Zu
- Lobeliaceae Juss. 1 _- 1 — |
- Vaccinieae DC. 3 — 5 — 3 —-— 5 —
- Ericeae Rb. Br. il 007 211 — 9 o- 5 _—
- Oleinae Link. 2 — 2 —
- Asclepiadeae Rb. Br. 1 _ _
- Gentianeae Juss. 3 — 11— 2 — 6.—
- Polemoniaceae Vent. 1 — | _ 1. —
- Convolvulaceae Juss. 2 4 —
- Borragineae Juss. 9 — 20 — 4 _ 5. —
- Solanaceae Bart. 3 — 4 —
- Serophularinae Rb.Br. 11 —_ 4 — 6 — 15. —
- Labiatae Juss. 21 — 35 — 173, oe
- Orobrancheae Rich. 2 — 2 —
- Lentibularieae Rich. 2 — 6 — 1 —_ 3 —
- Primulaceae Vent. 8 — 53 — 3. — A. —
- Pflumbagineae Vent. 1 2 —
- Plantagmeae Vent. 2 — 5. — 3. —
- Chenopodieae DC. 5 _ 17u.— „2 _ 2 —
- Polygoneae Juss. 4 — 2. — 1.8 — 8 —
- Thymelacaceae Juss. 1 — 1 —
- Eiaeagneae Rb. Bb. l — 1 —
- Aristolochieae Juss. ı —_ 1 —
- Euphorbiaceae Juss. 2 2 4 —
- Urticeae Juss. 3 au A — BR Be
- Amentaceae 8 = 41 — 4 _ 19 ° —
- Coniferae Juss. 3 — 4 1.92 N u mt
- Hydrocharideae Rb. Br. 1 _ Le, _ a
- Alismaceae Rich. 2 —_ 3 —
- Juncagineae Rich. 2 - 3 — a == 2 —
- Örchideae Rb. Br. 17 _ 2 ur — 12..—
- TIrideae Rb. Br. 1 —- TI '—
- Amaryllideae Rb. Br. 1 — 1 —
- Melanthiaceae Rb. Br. 2 —_ A | —_ 1 —
- Liliaceae Juss. 7 — 3 — 2 —_ 2 —
- Smilaceaee Rb. Br. 3 _ 6— 2 _ 3 —
- Junceae DC. BU = 23.7 02 — 17. —
Auszug aus Lund’s Reise. 131
N st Norwegens Flora. Finmarkens Flora.
Von Typhaceae DC. 2 Gattungen 5 Arten; 1 Gattungen 1 Arten.
- Lemnaceae Link. 1 _ 1 —
2
- Aroideae Juss. _ 2 —
- Najadeae Rich, 5 _ 16 — 1 E 3 —
- Cyperaceae DC. 6 — 10 — 4 _ 51 —
- Gramineae Juss, 31 — 92 — 17 — 42 —
Zusammen 404 Gattng. 1105 Art.;177 Gattung. 402 Arten.
Die norwegische Flora hat folglich zusammen 84 Familien,
404 Gattungen und 1105 Arten, die westfinmarkische 50 Fami-
lien, 177 Gattungen und 402 Arten. Die erste hat also 34 Fa-
milien, 227 Gattungen und 703 Arten mehr, als die andere.
Die 34 Familien sind:
Gattungen. Arten. Gattungen. Arten.
Berberideae 1. l. Lobeliaceae 1. 1.
Nymphaecaceae 2. 3. Oleinae 2. 2,
Polygaleae 1. 3. Asclepiadeae 1, 1.
Lineae 2, 2 Convolvulaceae 2 4.
Malvaceae 1. 3. Solanaccae 3: 4,
Tiliaceae 1. lt. Orobancheae 2. 2.
Hypericinae 1. 5. Plumbagineae 1. 2.
Acerinae L, 2, Thymelaeaceae 1, 1.
Balsamineae 1. t. Elaeagneae 1. 1.
Celastrinae 2. 2, Aristolochieae 1. 1
Rhamneae 1. 2. Euphorbiaceae 2. 4.
Ceratophylleae 1. 1. Hydrocharideae 1. 1.
Lythrarieae 2, 2, Alismaceae 2. 3.
Paronychiae 2, 3. Irideae 1. 1
Araliaceae 2. 2, Amaryllideae 1. 1.
Loranthaceae » 1. 1. Lemnaceae 1. 4.
Dipsaceae 3. 3. Aroideae 2, 2.
Hieraus. ersieht man, dass beinahe sämmtliche 34 Familien
nur sparsam in Norwegen repräsentirt sind, welches darauf
hindeutet, dass sie ihrer physiologischen Natur zufolge unter
südlicheren Breiten zu Hause gehören. Unter ihnen haben nem-
lich 20 nur eine Gattung, und 13 von diesen zugleich nur eine
Art.
Die am häufigsten repräsentirten Familien sind;
Dicotyledonen.
Von Ranunculaceae in ganz Norwegen 36 Species, in Finmarken 16.
- Cruciferae u. 1 — nn 19.
g*
132 Auszug aus Lund’s Reise.
Von Caryophylleae in ganz Norwegen 53 Species, in Finmarken 27.
- Leguminesae —_ 6 — ae
- Rosaceae — 535 — . ne 18.
- Umbelliferae —_ 30 — {_s
- Compositae - it — Zr 33.
- Ericeae ._ 21 — — 15.
- Borragineae — 200 — _ 5.
- Scrophularinae _ 40 — — 15.
- Labiatae — 3 — —_ ‘4.
- Polygoneae — 2.2 _ 8.
- Amentaceae En 4 — _ 19.
Monocotyledonen.
- Orchideae — 29 0 — — 12.
- Junceae — 23 0 — — 17.
- Üyperaceae Zu LE 100 — — 51.
- . Gramineae — 2 En 42.
Diese sind überhaupt auch am zahlreiehsten in Westfinmar-
ken repräsentirt, welches auf die Anpassung ihres Organismus, für
das celimatische und geographische Verhältniss der nördlichen
Zonen hindeutet. Ini Uebrigen muss der Umstand, dass die
Pilanzengruppen, welche man natürliche Familien nennt, in ge-
wissen Zonen sich ansammeln, ein wichtiges praetisches Criterium
davon abgeben, dass die Gruppirung auf wesentliche physiole-
gische Uebereinstimmungen gehaut ist.
In der norwegischen Flora ist das Verhältniss zwischen
Familien und Gaftungen wie 1: 4, 81, zwischen Gattungen und
Arten wie 1: 2, 73, zwischen Familien und Arten wie 1: 13,15.
In der westfinmärkischen Flora ist diess Verhältniss verändert ;
hier ist das Verhältniss zwischen Familien und Gattungen wie
1: 3, 43, zwischen Gattungen und Arten wie 1: 2, 28, zwischen
Familien und Arten wie 1: 7, 82. Hier ist also eine weit grö-
ssere Anzahl Familien im Verhältniss zn den Arten, als in der
Gesammtflora von Norwegen. Zwischen den Monocotyledonen
und: Dicotyledonen ist das Verhältniss wie 1:2. Dieses bestärkt
ferner die Richtigkeit von dem durch viele Erfahrungen bestätig-
ten Vegetationsgesetz, dass die Anzahl der Monocotyledonen zu
den Dicotyledonen in demselben Grad steigt, als man sich den
Polen nähert. In Lappland ist, nach Wahlenberg, das Ver-
hältniss wie 1: 2, 2, in ganz Schweden wie 1: 2, 6, auf den
canarischen De wie 1: 6.
Die übrigen physiologischen und pflanzengeographischen Re-
Auszug aus Lund’s Reise. 133
sultate, die aus diesen Thatsachen gezogen werden können, setze
ich absichtlich bis zu einer spätern Veranlassung aus, indem
mir durch die Liberalität der Königlichen Norwegischen Gesell_
schaft der Wissenschaften die Aussicht eröffnet ist jene That-
sachen durch eine neue Untersuchung von Finmarken erweitert
oder modifieirt zu sehen.
V.
Kürzere Mittheilungen.
Uebersetzungen und Auszüge aus der Uebersicht
der Verhandlungen der K. Akademie der Wissen-
schaften in Stockholm *).
Sitzung am 10. Jan.
MH.. Sundevalı zeiste mehre Baumstücke und abgebissene
Späne, als Ueherbleibsel von Arbeiten des Bibers vor, welche
Hr. Professor Huss dem zoologischen Reichsmuseum nebst
einem Schreiben folgendes Inhalts zugesandt hatte: „Ich hatte
seit 20 Jahren verschiedene Male einen kleinen Fluss, der
Granä genannt, in Medelpad, besucht, an welchem eine Biber-
familie ihren Aufenthalt gehabt und sowohl Häuser, als voll-
ständige Dämme, aufgeführt hatte. Bei einem Besuche daselbst
in diesem Sommer fand ich die Häuser sowohl, als die Dämme
zerstört, weil die Biberfamilie sich vor einigen Jahren von der
Stelle wegbegeben hatte, nachdem sie durch das Flössen von
Bauholz, welches man in den letzteren Jahren dort vorgenom-
men, beunruhigt worden war. Man sagte, die Biber hätten sich
nach einem 2 Meilen weiter hinauf gegen die Berge befindlichen
*) Die Akademie der Wissenschaften in Stockholm gibt seit dem
Anfang d. J. in einzelnen Bogen oder Heften rare Ueber-
sichten ihrer Verhandlungen unter dem Titel: Öfversigt af Kongl.
Vetenskaps- Akademiens Handlingar. Arg. 1. 1844. ®. herans,
in welchen sie die in ihren Sitzungen zur “Verkandlung gekomme-
nen kleineren Abhandlungen, Notizen, Anzeigen, brieflichen Mit-
thei lungen u. s. w. ganz, von den grösseren, für ihre Verhandlungen
bestimmten, aber Auszüge und Beurtheilungen mittheilt. Von dieser
Uebersicht liegen uns die Hefte 1 — 7 vor und ihnen ist Nach-
stehendes entnommen.
135
Flusse, dem Lomä, begeben und dort neue Häuser zu baueı:
begonnen. Ich sammelte nun einige an der Stelle noch liegende
Ueberbleibsel der Arbeiten dieser Thiere auf und habe die Ehre,
sie dem Reichsmuseum zu übersenden, da sie für die Naturge-
schichte des Bibers von Interesse sind.“
Die nun vorgezeigten Ueberbleibsel bestanden in abgesägten
Stücken 3—6 Zoll dicker Stämme von Laubhölzern (Erlen und
Espen), welche vom Biber mit den Zähnen abgeschnitten und
abgeschält worden waren. Die Abschnittsenden sind ziemlich
unregelmässig, schief oder konisch zugespitzt, wie ein mittels
der Axt gefällter Baum, und überall erscheinen die quer gegen
die Fasern des Holzes stehenden langen und deutlichen Merk-
zeichen von den Vorderzähnen des Thiers, wie von einem etwas
convexen Meissel oder einem solchen Stemmeisen. Unter diesen
grossen Baumstücken fand sich eine Menge kleinerer Stücke
von ungleicher Grösse, bis zum Umfange einer halben Faust,
welche die von den Bibern beim Abschneiden der Stämme auf
einmal ausgebissenen Späne waren. Nach der mündlichen Aus-
sage des Gebers fanden sich diese Stammstücke und besonders
die Späne noch in grosser Menge auf der Erde in der ganzen
Gegend um die frühere Bibercolonie. Diese Stelle liegt nahe
an der südlichen Gränze von Medelpad, 8 Meilen von Sundsvall,
am Gran, welcher in den Ljusneelf hineinfliesst. Der oben
angegebene Lomä ergiesst sein Wasser in den Njurundaelf oder
den Ljunga. [Cr.]
Hr. Sundevall zeigte einige Theile, bestehend in einem
Kiemendeckel, 4 Flossenstralen und einer Schuppe vom Vor-
' dertheil des Körpers, eines ungewöhnlich grossen Fisches vor,
welchen man im Monat Oktober im Sunde gestrandet gefunden.
Andere Theile desselben Fisches waren dem zoolog. Museum
in Lund ‚überliefert worden, nach welchen Hr. Liljeborg ange-
geben, dass sie einem Thunfisch (Seomber Thynnus L.) zuge-
hörten. Der Richtigkeit dieser Bestimmung wird von den vor-
gezeigten Stücken nicht widersprochen, welche jedoch unzurei-
chend sind ohne bedeutendere Mittel zur Vergleichung, mit vol-
ler Gewissheit zu entscheiden in wie fern der Fisch dieselbe Art
sei wie der im Mittelmeer allgemeine Sc. T’hynnus, oder eine der
zunächst damit verwandten Arten. Inzwischen können sie keiner
andern Art von den bis jetzt an den schwedischen Küsten be
merkten Fischen angehört haben, als dem Thunfisch, welches
136
S
sich am allerdeutlichsten aus dem vom Hrn. -Liljeborg ange-
führten Umstand ergiebt: dass der Vordertheil des. Körpers mit
ganz grossen Schuppen hedeckt gewesen sei, diese aber‘ dessen
hinterem Theil zu fehlen geschienen,
Das Exemplar, wovon diese Theile entnommen, ist von einer
ganz ungewöhnlichen Grösse gewesen. Der Kiemendeckel (wel-
cher bloss das eigentliche Operculum von der linken Seite ist)
hat eine Höhe ven 340 Mill. (133 Z.); eine Flossenstrale. von
der linken Brustflosse hat 350, eine andere, von der Schwanz-
tlosse 450 Mill. Länge. Aber an einem auf dem Reichsmuseum
befindlichen Exemplare von Se, T’hynnus von einem Meter (33
Fuss) Länge, hat das Operculum 107 Mill. Höhe, die längste
Brustflossenstrale 139, und die längste Schwanzflossenstrale
156 .Mill., welches eine 3} mal grössere Länge bei dem gefun-
denen Exemplare anzudeuten scheint; denn nur der Kiemendek-
kel giebt eine sichere Vergleichung indem-die Flossenstralen ,
jede in ihrer Flosse, wahrscheinlicherweise nicht die längsten
gewesen sind. Der Fisch würde also 34 Meter oder ungefähr
53 Elle lang gewesen sein, welches ungewöhnlich viel zu sein
scheint; denn die bestimmten Angaben von der Länge in. der
Nordsee gefangener Exemplare, geben diese gewöhnlich zu
3 — 6 Fuss, nur eine zu 7 F, 10 Z. und eine zu 9% F. an. Die
um Sicilien vorkommenden sollen grüsser sein und gewöhnlich
1000 Livres wiegen. Die mit eingesendete Schuppe war 64
Mill. lang und 50 breit, besteht ganz aus festem, hartem Knochen
und ist in der Mitte 1} Mill. diek. Die grösste Schuppe die
sich auf dem Thorax des erstgenannten 35 Fuss langen Exem-
plars findet, ist 20 Mill. breit, dünn, beinahe hautartig und
biegsam. [Hsch.]
—
Derselbe theilte aus einem Briefe des Probstes Ekström
mit, dass bei dessen Wohnorte Tjörn, an der ‚Westküste
Schwedens, während des heftigen N. W. Sturmes , welcher den
14 — 16 Dee. dort ‚gewüthet, ein grosses: und vollständiges
Exemplar der in der Nordsee höchst seltenen Bruma Raji auf
einen Berg geworfen worden sei. [Hsch,]
Hr.S. Loven trug Folgendes aus einem Briefe des F reiherrn
von Düben, Adjunct der Akademie, dat. Bergen. den 28.,Sep-
tember 1843, vor.
137
Hr. v. Düben, welcher sich im Maimonathe des vergan,
genen Jahres nach Norwegen begeben hatte, um die Meerthiere
an den dortigen Küsten zu studiren, hatte Christianssund und
dessen Umgegend. zur ‚Hauptstation während des verwichenen
Sommers gemacht und dort.eine bedeutende Anzahl für die nor-
dische Fauna neuer oder noch wenig untersuchter Thiere ge-
{unden. Von Fischen verdienen in dieser Hinsicht angeführt zu
werden: Lepadogaster bimaculatus Yarr., welcher. sich auch
auf dem Museum in Bergen von der norwegischen Küste befin-
det, Motella glauca Yarr., welchen Fisch ThAompson als
die neue Gattung Oouchia aufgestellt hat, und dessen Junge,
nach des Hrn. v. Düben Beobachtung, ‚hinsichtlich der Brust-
flossen eine merkwürdige Metamorphose erleiden, ein Gobius,
welcher dem G. albus Yarr. zunächst steht und, wie dieser,
deutlich der junge Fisch einer ganz unbekannten Art ist; ein
Syngnathus, entweder der rechte S. Acus , oder eine neue Art,
endlich ein, wie es scheint, neuer, höchst interessanter Lophius.
Nicht selten kam ein Cyelopterus minutus vor, welcher wahr-
scheinlich kein juuger ©. Lumpus ist. — Auch über die geo-
‚graphische Verbreitung, die Laichzeit u. s. w. der Fische hatte
‚Hr. v. D. mehre Data gesammelt. Von ÜUrustaceen hatte er
eine für unsere Fauna neue Art, Atelecyclus heterodon, sefun-
den und: von seltenern Crangon nanus Kroey., Hippolyte-Ar-
ten, eine grosse Anzahl von Amphipoden und /sopoden, wie
auch. von oanideh, 3—4 für uns neue, unter denen sich
Na ymphon hirtus Fabr., Pallene brevirostris, Phoxichilidiun
coccineum zu befinden scheinen. Eine höchst sonderbare Lernuea
ward auf Aktinien angetroffen und eine andere, verwandte, auf
einer zusammengesetzten Ascidie. Von Annulaten war der son-
derbare Chaetopterus norvegus in reichlicher Menge, und so
auch eine neue, zwischen jenem und Ch, pergamentaceus ste-
hende Art gefunden worden.
Von. .zusammengesetzten Ascidien hatte Hr. v. D. wenig-
stens 13 Arten gefunden, unter: welchen 4 Arten von Do-
iryllus,, und unter diesen vermuthlich 2. bivittatus M. E,, Bo-
trylloides rubrum M. E., B. n. sp., Didemnium _gelati-
nosum M. E., D. n. sp., Amaroueium proliferum M. E,, 4.
albidum M. E,?, 4A.?.n. sp, Eucoelium n..sp:, endlich eine
‚Art, welche eine neue Gattung bilden muss. Es waren Salpen
vorgekommen, die ganz anders zusammengekettet waren, als
die von Eschricht so gut beschriebenen. Von Mollusken,
nackten sowohl, als beschalten, hatte Hr. v. D, eine grosse
Anzahl eingesammelt. Auch die Echinodermen hatten eine rei-
138
che Ausbeute geliefert, 2 Ctenodiscus-Arten, deren eine häufig,
einen besonders grossen und schönen Astropecten, eine von
Sars erwähnte Luidia, eine zu keiner der Müller- und
Troschel’schen Gattungen zu bringende Art, eine mit O. fili-
formis verwandte Ophiolepis, eine Ophiomyza? und einen»
wie es scheint, neuen, Astropecten. Von fast allen Arten hatte
er auch ganz kleine Exemplare gesammelt, mittels deren er die
Altersverschiedenheiten und die Unwesentlichkeit mehrer Cha-
raktere, welche gewöhnlich von den Auctoren angeführt werden,
vollkommen darlegen zu können hoffte. Dr. Koren in Bergen
hatte ihm mitgetheilt und gezeigt, dass das sonderbare, von
Sars unter dem Namen BDipinnaria beschriebene Thier ein
Entwicklungsstadium eines Asterias darstellt. Von Akalephen
hatte Hr. v. D. 2 grosse und schöne Arten einer neuen, Chry-
saora zunächst stehenden Gattung erhalten, welche sich aber
von allen bisher bekannten Diskophoren durch nur 4 Augen-
puncte am Rande auszeichneten. Der merkwürdigste Polyp,
welchen der Sommer darbot, war eine grosse und schöne Acti-
nja, zur Gattung Anthea Johnst. gehörend; ihre Tentakeln,
welche nicht im geringsten eingezogen werden können, brennen
auf der Haut, wie Nesseln, und zwar weit stärker, als die Cyanea
capillata. Auf ihr wurde die oben erwähnte Lernäe entdeckt.
Nachdem Hr. v. D. diese reiche Sommerernte um Christians-
sund gehalten, hatte er sich nach Bergen begeben, wo er sich
den Winter hindurch aufzuhalten beabsichtigte. Danach wollte
er im südlichern Norwegen seine Forschungen fortsetzen.
[Cr.]
Hr. Wahlberg führte an: Da man erst in den letzteren
Jahren Kenntniss vom Vorkommen der Turteltaube in Schwe-
den bekommen hat, so dürfte ein Beitrag zur Verbreitung die-
ses Vogels im Norden nicht ohne Interesse seyn. Während
meines Aufenthalts in Luleä Lappmark im vergangenen Sommer
berichtete mir der Comminister Björkman in Quickjock, dass
dort fast jährlich Turteltauben gesehen, auch 2 derselben getöd-
tet und präparirt worden wären, von denen sich die eine in der.
Sammlung der Herren von Seth befinden dürfte. Einem mir
diesen Winter vom Hrn. Björkman zugekommenen Briefe
zufolge hat sich eine kleinere Schaar dieser Tauben auch im
verwichenen Herbst auf dem Rosback bei Quickjock eingefun-
den; man konnte aber keine derselben erlegen. Wenn starkes
Unwetter mit Schneetreiben zur Herbstzeit im Gebirge eintritt,
so kommen die Tauben von Nordwest an, oder ziehen nach
13)
dem Laufe der Thalstrecke, verweilen aber nur kurze Zeit. Es
hat hiernach den Anschein, als hätten sie ihren eigentlichen
Aufenthalt in den höheren Gebirgsgegenden, und dafür, dass
sie nicht als bloss zufällige Gäste zu betrachten seien, spre-
chen ihre während mehrer Jahre erneuerten Besuche an der an-
geführten Stelle. Eine nähere Untersuchung dürfte es verdie-
nen, in wie fern diese so genannten Turteltauben wirklich
Columba Turtur, oder ob sie von der mit dieser nahe ver-
wandten, wahrscheinlich neuen, Art seien, die das Reichsmu-
seum aus dem nördlichen Schweden erhalten hat.
[Cr.]
Hr. Wahlberg führte — ferner — an: In einer Gegend,
welche seit längerer Zeit von mehren ausgezeichneten Botanikern
unsers Landes so besucht worden ist, wie Lulea Lappmark
und besonders die Umgebung von Quickjock, waren natürlicher-
weise nicht viele neue Gewächse zu bemerken. Die Resultate
in dieser Hinsicht, zu welchen dennoch mein und meiner Reise-
gefährten Besuch daselbst im vergangenen Sommer führte, wer-
den binnen Kurzem von Einem der Letzteren, dem Studiosus
Andersson, näher dargelegt werden. Ich wünsche bei dieser
Gelegenheit bloss die Aufmerksamkeit der K. Akademie auf ei-
nige bemerkenswerthere Pflanzenformen zu lenken.
Schon bei der Reise in die Lappmark hinauf ward ich in
der Nähe des Dorfs Säfvast am Luleäelf, 3—4 Meilen von der
Stadt, ungewöhnlich breite Blätter einer damals noch unent-
wickelten Riethgras- Art gewahr, welche ich auf der Rück-
reise, sowohl auf dem Säfvast Lande, als auf einer vor demsel-
ben in dem Elf liegenden grössern Insel, in nicht geringer Menge
mit beinahe reifen Früchten antraf. Es ergab sich, dass diese
Art, eine der grössten und breitblättrigsten ihrer Gattung, Ca-
rex bullala, var. laevirostris war; sie war bisher unbekannt in
Schweden und ward erst kurz zuvor bei Christiania und zu glei-
cher Zeit im russichen Karelen vom Candidaten Angström ge-
funden. : Die eigentliche Carex bullata, von welcher die laeviro-
stris, als Art, wie es scheint, getrennt werden muss, gehört
Nordamerika an. Auf den angeführten Standorten am Luleäelf
machte sie stellenweise die Vegetation unterhalb des obern,
durchschnittenen, mit Salix-Arten bewachsenen Flussufers ein-
zig und allein aus.
Von der gemeinen Kiefer (Pinus silvestris) kam beim Kirch-
dorfe ‚Jockmock ein kleiner Hain von halbwüchsigen Bäumen
140
vor, welche zum Theile von einer mir unbekannten Abart mit
ganz kurzen, in getrennten Kränzen sitzenden Nadeln waren,
durch welches Verhalten die Bäume ein fremdartiges Ansehen
darboten.
Der Sperberbaum (Sorbus Aucuparia) wurde oft, beson-
ders näher am Gebirge, mit von der ersten Entwickelung völlig
glatten und glänzenden Blättern angetroffen.
Eine den geschlitztblättrigen Abänderuugen der Birke, der
Erlenarten u. s. m. analoge Form des Himbeerstrauchs (Rubus
Idaeus), d. h. mit tief geschlitzten Blättchen, wuchs spärlich bei
Quickjock.
Durch des Probsts Laestadius Untersuchung ist es seit
längerer Zeit bekannt, dass in der Lappmark eine Zwischenart
zwichen Rubus arceticus und R. saxatilis vorkommt, welche
nach dem Namen der Frucht, Bäfverbär (Biberbeere), vom
Entdecker AR. castoreus henannt worden ist. Von diesem Ge-
wächse hat man 2 Formen bemerkt, welche beide in Fries’s
Mantissa angeführt worden sind, une von denen die eine sich
mehr dem R. arcticus, die andere mehr dem sazxatilis nähert.
Sie wuchsen an mehren Stellen um Quickjock, aber nur da, wo
sich R. arcticus und sawatilis nahe bei einander befanden, und
immer jede für sich. Uebergänge zu den nahestehenden Haupt-
arten oder unter sich selbst konnte ich nicht beobachten. We-
gen dieses Verhaltens scheint man vermuthen zu können, dass
beide durch Bastardirung entstanden seien, bei welcher im einen
Falle R. arcticus, im andern R. saxatilis die befruchtende Art
war. Die an R. saxatilis gränzende Form war immer höher und
hatte grössere, schärfer und tiefer eingeschnittene Blätter und
zahlreichere, kleinere Blumen mit schmäleren Kronblättern von
rothweisser Farbe, [Cr.]
Hr. Sundevall führte an, dass Hr. W. v. Wright, wel-
cher neulich von einer Reise nach Finnland zurückgekehrt ist,
in der Gegend von Kuopio den für die Fauna des Nordens ‘neuen
Mus minutus gefunden habe. Das jetzt mitgebrachte Exemplar
wurde am Anfange des Winters todt auf der Erde liegend an-
getroffen. Beim nähern Nachsehen in einer Sammlung klei-
ner, in Weingeist aufbewahrter, Säugthiere aus derselben Ge-
gend, welche Hr. v. Wr. vor mehren Jahren dem Museum ge-
schenkt hat, fand es sich, dass ein Exemplar, welches, da es
bedeutend beschädigt war. nicht mit Sicherheit bestimmt werden
141
konnte, derselben Art (Mus minutus) angehört. Da dies Thier-
chen möglicherweise in gewissen 'T'heilen von Schweden vor-
kommen dürfte, so ist zu erwähnen, dass es sich von unseren
übrigen Arten der Mäusegattung durch geringere Grösse, gelb-
liehere Farbe und kleinere, dicht und fein behaarte Ohren
unterscheidet. Es klettert mit Leichtigkeit, baut sein kugelrun-
des, aus Gras zusammengewebtes Nest fast wie ein Vogel,
hoch über der Erde, zwischen Halmen von Riethgräsern, an
feuchten Stellen, und lebt nur von Sämereien und Pflanzenstof-
fen, wesshalb es den Häusern nicht schädlich werden kann.
Am meistsn gleicht es der Haselmaus (Myoxus avellanarius) ,
welche auch, obgleich äusserst selten, in Schweden gefunden wor-
den ist, unterscheidet sich aber durch geringere Grösse, eine
spitzigere Schnauze, einen weniger behaarten Schwanz und be-
sonders durch die Zähne, welche ganz und gar denen der Gat-
tung Mus gleichen. [Cr].
Sitzung am 14. Februar.
Hr. A. Retzius theilt folgenden AaoS aus einem Briefe
des Probstes Ekström dat. Tjörn d. 5. Febr. 1844 mit. Nie-
mand muss glauben, dass das Verhalten des Härings im Katte-
sat jetzt dasselbe ist, wie während der grossen Häringslischerei.
Er stand zu der Zeit, während des Sommers, in oder dicht
ausserhalb der Scheeren, und war also immer auf den Laich-
plätzen sobald die Winterkälte eintraf. Jetzt dagegen steht er
in den sogenannten Rinnen, d. h. in der grössten Tiefe, mehrere
Meilen von den Scheeren. Nach den übereinstimmenden Beobh-
achtungen von 4 Jahren habe ich sefunden, dass das Verhalten
folgendes ist. Am Schlusse des Octobers oder im Anfang des
Nöykinhörs nähern sich die Haufen der Küste. Der Junge oder
der sogenannte Loddhäring vereinigt sich mit dem Skarphäring,
welche zu dieser Zeit laichen und näher zur Küste eindrängen.
Die rechten Laiehhäringe stehen ‚bei den äussersten Scheeren
um die Laichzeit abzuwarten, welche hier niemals vor dem
Schluss des Märzmonats oft später eintrifft; aber während
dieser Zeit sind einige 30 Netze im kang, welche sie zwingen
—
*) Mus minutus ist auch hier in Neu- Vorpommern mehrmals ge-
funden worden, und scheint hier nicht gar selten zu sein, Er
hält sich in sumpfigen Wiesen auf und das hies. zool. Museum
besitzt Thiere und Nester davon. Anm. d. Redact.
E:
142
stehen zu bleiben und ihren Rogen auf den Grund und die
Bänke ausserhalb der Scheeren zu legen. Die grossen Häringe
von deren Fang verschiedene Zeitungen berichteten und die
als eine glückliche Fischerei versprechende Vorboten erwähnt
wurden, gehören zu der Sorte, welche die Scheeren- Bewohner
Strichhäringe nennen, weil sie in kleineren Haufen im October
und November in die Buchten einstreichen wo sie früher gelaicht
haben. Diese sind alle steril und ;% von ihnen Männchen, vou
welchen ich vermuthe, dass sie zu alt sind um ihr Geschlecht
fortpflanzen zu können. Wahrscheinlich erhalten wir im April
und Mai Häring in Tjörn. Hier findet sich eine einzige ruhige
Stelle und diese wird jährlich von recht reifen Laichhäringen
besucht.*) [Hsch.]
*) In der Sitzung am 15. Mai wurden aus einem Briefe des Probstes
Ekström vom 20. April folgende, die Laichzeit des Härings
betreffende, Nachrichten mitgetheilt: „Nun fängt der Häring bei
Tjörn an zu laichen. Den 13. d. wurden bei Sundby 9 Tonnen
grosser Häring auf einen Wurf mit einem kleinen Netz gefangen.
Am 15. war ich bei einem Nelzzuge gegenwärtig; man erhielt 4
Tonnen. Die Netze liegen nicht voll 100 Ellen vom Lande, wes-
halb die Laicher nicht so gestört werden dürften, dass nicht einer
oder der andere Rogen absetzte, Der Häring welchen ich aufneh-
men sah, war gross, keiner unter 10 Zoll, aber viele 12 — 13
Zoll. Alle waren voll Rogen uud Milch, aber diese war noch
nicht flüssig, weshalb ich vermuthe, dass das eigentliche Laichen
nicht früher, als am Schlusse dieses oder im Anfang des nächsten
Monats statt finden wird.
In der Sitzung am 12. Juni wurden folgende Angaben, des
Hrn. etc. Ekström aus einem Briefe vom 15. Mai miigelheilt.
Die Laichzeit der Häringe ist nun zunächst am Schluss und wir
hahen an den Bohuslänschen Strändern keinen Häring früher wieder
zurück zu erwarten, als im Monat October oder November. Der
lange und ungewöhnlich strenge Winter verursachte, dass das
Meer spät eisfrei wurde, so dass Schuten und Backbote nicht früher
als im Anfang Aprils auslaufen konnten. Die Fischer von Tjörr
gingen den 15. April, zum erstenmal im Jahr zur See und steuer-
ten den gewöhnlichen Curs d. h. hinaus nach Skagen. Während
des Segelns wurden ungefähr 4 Meilen von der Küste, in den soge-
nannten Rinnen deren ’Tiefe bis zu 60 Ellen steigt, grosse Haufen
starken Härings getroffen. Einige von diesen wurden gefangen und
als theils ausgelaichte, theils laichende Individuen erkannt, Es
freut mich einen factischen Beweis darüber erhalten zu haben,
dass der Häring draussen im Kattegat weit vom Lande laicht, be-
sonders weil Prof. Nilsson vor beinahe 20 Jahren schon dasselbe
gesagt, ohne dass es vom Publikum geglaubt worden wäre. Nun
wird wohl Keiner es in Zweifel ziehen, da die Fischer .es gesehen
und kennen gelernt haben. Unter den getroffenen Häringshaufen
fanden sich eine unglaubliche Menge neuerlichst ausgekrochener
Jungen (Häringsangen?, welche von dem grösseren ausgelaichten
Haar begierig verschluckt wurden. Um mich 3 letzten
Angabe der Fischer zu überzeugeu, öffnete ich 40 Stück grosse,
’ 143
‚Sitzung am 20. März.
Herr Sundevall berichtete in seinem und Herrn Bohe-
man’s Namen über die ihnen von der Akademie übergebene
Abhandlung des Herrn Candidat ©. G. Löwenhjelm, über
die Wirbelthiere in Luleä Lappmark. Diese sind: Säugethiere
11—12; Vögel 89, worunter 12 nach den Angaben Anderer an-
in der Nacht, vom 29. April gefanzene Häringe. Von diesen hatten
22 den Magen mit Häringsjungen vollgepfropft, 2 hatten im Grunde
des Magens, ungefähr den 4ten Theil der Magenhöhle, mit Ueber-
hleibseln von verzehrten Ringelwürmern, aber den übrigeu Theil
mit jungen Häringen angefüllt; 7 hatten nur Ringelwürmer ver-
zehrt; bei Dreien fanden sich nur Ueberbleibsel von kleineren
Crustaceen und der Magen übrigens leer; 6 hatten gar nichts im
Magen, so dass die Magenwände ganz rein waren. Hierdurch ist
das früher unbekannte Verhalten in der Naturgeschichte des Härings
entdeckt, dass der ausgelaichte Häring nach der Laichzeit, in der
Gegend der Laichstelle sich aufhält und die eben ausgebrüteten
Jungen verzehrt. Die Fischer geben nun einhellig zu, dass dieser
grosse Häring, von dem es erwiesen ist, dass er im Kattegat ge-
laicht hat, ganz derselbe ist, welcher während der grossen Härings-
fischerei gefangen wird.
Während des ganzen Monats April, sobald die Küste vou Eis
frei wurde, hat man grossen Häring in grösserer oder geringerer
Menge an allen Strändern bei 'Tjörn gefunden.
Da ich beinahe täglich Gelegenheit gehaht habe mir einige
Häringe zur Untersuchung zu verschaffen, so habe ich gefunden,
dass die Laichzeit des Härings länger dauernd ist, als man glaubt
und dass sie wenigstens 2 Monate währt; denn im Anfang vom
April, als der erste Häringsfang hier stattfand, war schon 4 von
dem gefangenen Häring ausgelaicht; in der Mitte desselben Monats
hatte schon die Hälfte und am Schlusse desselben beinahe 3 davon
ausselaicht. Noch am 11. Mai fanden sich einige Individven,
welche nicht gelaicht, und da Junge, wie schon erwähnt ist, sich
unter dem Häringshaufen am 15. April fanden, so mussten dieselben
nothwendig in der Mitte März gesetzt worden sein, um an dem
genannten Tag zur Wasserfläche aufsteigen zu können. In Folge
hievon vermuthe ich, dass der Häring, bei Annäherung der Laich-
zeit sich auf der Tiefe in grössere, getrennte Haufen sammelt, und
dass diese früher oder später laichen, alles je nachdem sie vom
VVinterquarlier zur Laichstelle aufsteigen und dass das Laichen,
für diejenigen, welche zuerst aufsteigen, in der Mitte des März +)
beginnt. Es ist klar, dass sowohl der frühere oder spätere Eintritt
‘des Frühlings, als das Alter des laichenden Härings hierin eine
Veränderung bewirkt. Während dem, dass der grosse Häring sich
an den Strändern aufhält, hat sich der jüngere oder sogenannte
Loddhäring nicht da gezeigt, aber nun da der grössere wieder zur
Tiefe geht, kömmt der Loddhäring an, wovon in diesen "Tagen
Etwas, obgleich unbedeutend, gefangen wurde, Später kömmt der
inere, in diesem Jahre gesetzte und mischt sich unter den
Loddhäring,
}) Im Original steht Mai, was jedoch auf einem Schreib- odergg
Druckfehler beruhen muss. da es mit den vorstehenden An-
gaben nicht übereinstimmt, Anm. d. Ueb.
\
144
geführt werden und von welchen, als besonders bemerkensiwerth,
genannt werden mögen: Alauda alpestris, die man bisher innerhalb
Skandinavien nur im östlichen Finmark als Brutvogel kannte,
und die Saatkrähe (Corvus frugilegus). welche nicht nördlicher,
als in Schonen und an einigen wenigen zerstreuten Stellen im
Gothen - Reiche brütet. Ein und das andere Individuum sieht man
bisweilen während der Zugzeit im März bei Stockholm ; aber sie
bleiben nicht daselbst. Die jetzt in Luleä Lappmark gefundene ist
wieder eines von den vielen Beispielen von sporadischen Vögeln.
Amphibien 4: Lacerta vivipara und Rana temporaria, und
nach Angaben Anderer, Coluber natrix und Vipera berus. Fi-
sche 10, unter welchen 6 Salmonacei aus den Gattungen Salmo,
Coregonus, Thymallus. — Die Abhandlung wird zum Druck
empfohlen. [Hsch.]
Derselbe zeigt in seinem und des Hrn. Lovens Namen
an, dass die ihnen zur Berichterstattung überwiesene Abhandlung
des Hrn. Mag. N. Liljeborg Beselneikunenn von zwei mn
Skandinavien neuen Säugethieren enthalte:
Myodes schisticolor n. sp. Aschgrau, mit einem rothbraunen gro-
ssen Fleck auf dem hinteren Theil des Rückens. Aus dem nörd-
lichen Theil von Guldbrandsthal in Norwegen. Nach Zahn-
und Körperform scheint sie wenig von Mus Lemmus abzu-
weichen ’).
Sorex pygmaeus Pall. gefunden in Schonen während des Winters.
(S. mehr hierüber weiter unten.) [Hsch.]
*) In der Sitzung am 11. Sptbr, zeigte Hr. Sundevall ein Exemplar
dieses neuen Thieres vor, welehes in Dalekarlien gefunden und
von Hrn. von Yhlen dem Reichsmuseum geschenkt worden war.
Die Zähne zeigen wirklieh dieselbe Form, wie bei Mus Lemmus,
aber die Vorderkrallen sind, gleich wie bei den Hypudäus-Arten,
nicht grösser, als die hinteren. Zwei bei Kuopio in Finland ge-
fundene Junge von dieser 'Thierart waren von Hın. ZU.v. Wright
dem Reichsmuseum geschenkt worden. Eines von diesen war "von
S$. für ein junges von Arvicola rutilus angesehen worden, mit
welcher diese Art die allergrösste Aehnlichkeit besitzt, und wurde
von ihm als solches in den Verhandl. der Akad. d. Wiss. 1840
beschrieben. $. hatte nämlich die Backenzähne von diesem zuletzt
genannten Jungen nicht gesehen, aber aus der ausgezeichneten
Aslınlichkeit der äusseren Theile dieser beiden T'hierarten ge-
schlossen, dass es von derselben Art sei und dass die Jungen von
A. rutilus in der Farbe den älteren etwas ungleich seien. Es ist
inzwischen , durch Untersuchung des andern der erwähnten Jungen,
welches später hinzugekommen, aufgeklärt worden, dass beide
unzweifelhaft zu M. schisticolor gehören. Diese Art hat also jung
.. und alt dieselbe Farbe, Es ist glaublich, dass es sich mit A. ru-
tilus ebenso verhält.
145
' Derselbe theilte aus einem Briefe des Professors Nils-
son in Lund, folgende Nachrichten über einige für Skandina-
vien neue Säugethiere mit, deren ausführliche Beschreibung in
die im Druck befindliche Auflage der Fauna Skandinaviens auf-
senommen ‘werden wird. Ein Sorex, welcher von dem Akad.
Adj. Baron v. Düben (demselben welcher in Schweden Smin-
thus betulinus entdeckte) im nordöstlichen Schonen, nahe der
blekingischen Gränze sefunden wurde, ist neu, nicht blos für die
Fauna Skandinaviens, sondern auch für die Wissenschaft. Er
ist deshalb merkwürdig, weil er das kleinste bekannte Säuge-
thier ist, denn er ist 15 Lin. kürzer, als S. etruscus, welcher
bisher für das kleinste angesehen wurde. Das einzige bisher
gefundene Exemplar war von Hrn. N. eingesandt und wurde vor-
gezeigt. Er ist benannt.
Sorex pumilus Nilss. n. sp. „Der dünne Schwanz, von der Länge
des Körpers bis zu den Augen, ist mit längeren Haaren belegt,
zwischen welchen keine kleineren verkommen, und endigt mit
einem spitzen Haarpinsel. Der Kopf ist beinahe so lang, als
der ganze übrige Körper. Die Farbe ist oben rostgraubraun,
unten weiss. Länge 1 Z. 44 L. schw. M.; Der Schwanz 1 Z.
21 L. (mit dem Haar 1 Z. 43 L.). — Er gehört zu derselben
Gruppe wie $. vulgaris L. uud der obere Rand von den unte-
ren Vorderzähnen ist stark dreizähnig.“
Der von Hrn. Liljeborg gefundene und beschriebene S.
pygmaeus Pall. zeichnet sich durch eine andere Farbe und be
deutendere Grösse, nemlich 112 schw. Z. + den Schwanz 17%
Z. (d. i. 48 und 353 Millim.) aus; dessen Schwanz ist dick, ohne
Haarpinsel an der Spitze und reicht nur zu den Ohren, er hat
niedrigere, am oberen Rande höchst undeutlich oder kaum ge-
zähnte Vorderzähne und der Ate Zwischenzahn ist der kleinste
von allen; er ist nemlich zwischen den 3ten und dten gleichsam ein-
geklemmt, aber doch etwas weniges höher, als der zuletzt ge-
nannte. Hr. N. hatte die Vermuthung geäussert, dass der von.
Hrn. S. in den Verhandl. d. Akad. d. W. 1842, p. 184 beschrie-
bene S. rusticus von Jemtland identisch sei mit dem in Schonen
gefundenen S. pygmaeus Pall. Sie sind auch so ähnlich, dass
dieses leicht möglich sein kann, wie Hr. S. an d. a. St. selbst
äussert, aber inzwischen finden sich, ausser dem weitgetrennten
Vaterland, einige Ungleichheiten. zwischen ihnen, welche mög-
licherweise grösseres Gewicht erhalten können, wenn sich Ge-
legenheit darbietet mehrere Exemplare vergleiehen zu können;
denn Istens ist das jemtländische Thier viel grösser, als das scho-
nische, welches dagegen übereinstimmt mit den ausländischen
10
146
Beschreibungen; ein frisches Exemplar von Jemtland maass: 55 3
Millimeter + den Schwanz 373 M. ausser dem Haare; die Hinterfüsse
mit den Nägeln 12M.; der Kopf 22M.; 2tens hat es einen dieht-
behaarten Schwanz , welcher in einen spitzigen Haarpinsel endigt
und nicht gegen die Wurzel dicker scheint ; Stens ist dessen unterer
Vorderzahn am Rande stark und deutlich dreizähnig und 4tens ist
der vierte Zwischenzahn, von der Seite gesehen, doppelt so
gross, als der fünfte und scheint nicht. zwischen den zwei’ zu-
nächstliegenden »eingeklemmt zu sein,. wie bei.dem wahren 8.
pygmaeus. Diese Ungleichheiten der Zähne haben von S. an
einem von Hrn. Nilsson gefälligst mitgetheilten Schädel von
dieser letzteren Art verglichen werden können.
Von der Gattung. Lemmus giebt Hr. Nilsson ee
zwei bisher unbeschriebene Arten an:
L. medius Nilss. n. sp., ähnlich L. agrestis aber etwas
grösser und dunkler, mit etwas längerem Schwanz und ganz
ohne die hintere kleine überzählige Emaillefalte auf dem mit-
telsten oberen Backenzahn. — Von Lappland und den Alpen
um das Guldbrandsthal.
L. insularis Nilss. n. sp. noch mehr L. agrestis ähnlich und
mit gleichen Zähnen, wie diese, aber längerem Schwanz (13
bis 2 Z.), und etwas grösseren Ohren. Von Hrn. N. auf den
ostgothischen Scheeren gefunden.
Schlüsslich hat Hr. Nilsson noch geliefert folgende Aufstellung
von der Gattung.
Lemmus Geoffr.
A. Alle Backenzahnfurchen im Zickzack.
1, Hypudaeus: der mittelste Backenzahn oben mit drei Seitenkan-
ten auswärts. zwei noch grösseren einwärts, ohne Spur einer
dritten. Alle hieher gehörenden Arten leben sowohl von Fleisch
als Pflanzeustoffen, und die meisten, wenn nicht alle, sind im
hohen Grade gefrässig und Allesfresser. Sie theilen sich in:
a. Erdratten: alle drei Seitenkanten an dem genannten Zahn
gleich gross und scharfwinklig,
L. amphibius (L.).
L. medius (Nilss.).
b. Erdmäuse: die vorderste äussere Seitenkante an dem ge-
nannten Zahn viel kleiner , als die anderen. ;
L. Glareola (Schreb.).
L. rutilus (Pall.).
2. Arvicola: der :mittelste Backenzahn oben mit drei OR
auswärts, drei einwärts, von welchen zwei den äusseren gleich
sind, der dritte viel kleiner ist. — Die hieher gehörenden Ar-
147
ten leben, so viel man weiss, ausschliesslich von vegetabili-
scher Nahrung, -
L. insularis (N ilss.).
L. agrestis (L.)
(L. arvalis Pall., welehe bisher noch nicht in Schwe-
BER den gefunden worden.)
B. Die Furchen des hinteren Backenzahns beinahe parallel,
die der übrigen im Zickzack.
3. Myodes: der Schwanz sehr kurz, ungefähr von der halben
Kopfslänge, kürzer noch oder gleich mit dem Hinterfuss.
L. norvegicus (Nilss.). Die Nägel an den Vorderf
ssen viel grösser, als an den Hinterfüssen.
L. schistieolor (Liljeb.) Die Nägel der Vorderfüsse am
grössten"). IHsch.]
Im
Hr.Boheman gab in seinem und Hrn. Sundevall’s Namen
über die ihnen zur Berichterstattung über&ebene Abhandlung
„Versuch zu einer Gruppirung und Revision der schwedischen
Ephydrinae, von Christ. Stenhammar“ folgende Eı-
klärung ab.
Hrn. St. Abhandlung umfasst eine von den bisher am wenig-
sten aufgeklärten Zweiflügler- Gruppen, und zeigt wie viel noch
in dieser Insecten- Ordnung zu entdecken und aufzuklären ist.
*) In der Sitzung am 45. Mai fügte Hr. S. der obigen Abhandlung
des Hrn. N. noch Folgendes, ae Zulage hinzu:
4. Hr. N. habe, nach Empfang eines gedruckten Exemplars
vorstehender Abhandlung, bemerkt, dass er, neben der schwedischen
Arvicola agrestis, die ausländische arvalis nur in einer Parenthese
angeführt habe, um anzuzeigen, dass sie verwechselt würden und
en die ern, seines Wissens, sich nicht in Schweden finde;
aber dass sie der Bildung ihres mittelsten, oberen Backenzahns
zufolge, zu der an dieser "Stelle angeführten Untergattung Hypu-
daeus gehöre.
2. Bei der Gattung Sorex sei die von N. mitgetheilte Angabe
ausgelassen worden, dass diese kleinen 'l’'hiere, die kleinsten von
allen Säugihieren, ohne Zweifel die gefrässigsten Raubithiere der
ganzen Klasse seien. Sie leben auschliesslich vom Raube: Wür-
mern , Insekten oder auch Fleisch von Wirbelthieren; fressen ein-
ander Srausamer, als andere 'Thiere auf und verzehren verhältniss-
mässig eine ungewöhnliche Menge Nahrung, — Hr. $. hält diese
Bemerkung für wichtig und mittheilenswerth, da sie einen von ihm
‚selbst Begangenen Fehler berichtigt, indem er in seiner Monographie
- der Gattung Sorex in den, Verhandl, d. Ak..d. Wissenschaften 1842
‘pP. 167, von ler Autorität Andrer verleitet, gesagt, dass diese l’hiere
auch Vegetabilien frässen, welches doch ganz ungegründet zu
sein schiene. [Hsch. 1
10”
“AR
148
Fallen kannte 28 hiehergehörende Arten, wozu Zetterstedt
drei neue aus der Insecten- Fauna Lapplands hinzugefügt hat,
und diese Anzahl ist durch die gegenwärtige Abhandlung mehr
als verdoppelt worden. Ausser diesem Zuwachs, welchen die
Entdeckungen des Hrn. St. der Familie der Ei drinen bereiten,
hat die Untersuchung der Form, Proportion u. s. w. der Körper-
theile, die mit jeder Art vorgenommen Hörde ist, um ihre
positiven Kennzeichen zu entdecken, zu, sowohl für diese
Familie, als die Dipterologie im Allgemeinen, wichtigen Resul-
taten geleitet. Die Charactere der Gattungen und Arten sind
"also umgearbeitet, und die Arten in natürlichen Gruppen geord-
net worden. Von besonderem Werthe ist die Untersuchung und
- Bestimmung der Kopftheile, der Verhältnisse der Flügeladern
und die Aufklärung der Structur der Geschlechtstheile bei ver-
schiedenen Arten.
Nachdem was bekannt ist den meisten Zweiflügern nahe an
der Basis der innern Flügelseite ein kleiner Lappen (lob) eigen,
dessen Zweck bisher unbekannt war. Dieser mangelt oder ist
wenig ausgebildet, bei dem grössten Theil der hieher gehörenden
Thiere, welehes Hrn. St. mit deren niedrigem und schwachem
Flug im Zusammenhang zu stehen scheint.
Die Familie der Ephydrinen wird in folgende Gattungen uud
Familien eingetheilt „ nämlich:
Gen. 1. Ochtera 1 Art. — Gen. 2. Ephydra Sect. 1 Ephydra
proprie 12 Arten. Sect. 2. Epipela 1 Art. Sect. 3 Parydra 5
Arten. — Gen. 3. Notiphila. Sect 1 Notiphila proprie 11 Ar-
ten. Sect. 2. T’elmatobia 4 Arten. Sect. 3 Hydrellia 17 Arten.
Sect. 4 Philygria 11 Arten. — Gen. 4. Psilopa. Sect. 1 Cla-
siopa 7 Arten. Sect.2.Psilopa proprie 4 Arten. — Gen.5. Disco-
myza 2 Arten.
Man hält dafür die Abhandlung verdiene in die Verhand-
lungen der Akad. aufgenommen zu werden. [Hsch.]
Die Hrn. Wikström und Wahlberg erklären die ihnen
zur Berichterstattung übergebene Abhandlung: Botanische Be-
obachtungen während einer Reise durch einige der mittelsten
und nördlicheren Provinzen des (Schweden) Reichs im Jahr
1843, von P. J.Beurling“ der Aufnahme in die Verhandl. der
Akad. würdig. Wie die Abhandlung beinahe auschliesslich von
dem pflanzengeographischen Gesichtspunet ausgeht, enthält sie
hauptsächlich Angaben über das Vorkommen bemerkenswerther
Arten in den Provinzen welche der Vf. schnell durchreist hat,
=
149
als besonders in Jemtland, wo die Alpen Äreskutan, Anjeskutan
und Snasahögen näher untersucht worden sind. Eine auf die
Beobachtungen Dr. Hartmanns, Prof. Zetterstedts und des
Vfs. gegründete Uebersicht der Vegetation des Areskutans findet
sich in der Abhandlung und führt 423 Gefässpflanzen auf.
Verschiedene für die in Rede stehenden Provinzen neue Arten,
gleich wie bisher unbekannte Standorte für mehrere seltenere
Arten sind auf dieser Reise entdeckt worden. Unter solchen
dürfte Salix ovata Ser. genannt werden, welche auf Äreskutan
gefunden wurde. [Hsch.]
Hr. A. Retzius führte an, dass er im vorigen Herbste
vom Professor der Anatomie, Hrn. Hyrtl, in Prag, den Schä-
del eines Avaren nnd zwei Schädel von ÜUzechen, so wie vom
Hrn. Medicinalrath Herzog in Posen zwei Hirnschalen von
Polen erhalten hätte. Der Avarenschädel, von welchem ein
Gipsabguss vorgezeigt wurde, war bei Grafenegg in Oesterreich
ausgegraben worden und hatte ein Ansehen, welches in hohem
Grade von dem aller bisher bekannten asiatisch - europäischen
Schädelformen hinsichtlich der Höhe der Scheitelhöcker, der zu-
rückgedrückten Stirn und der Kürze des Hinterhaupts abwich.
Mehre dgl. Schädel waren, so viel Hr. R. wusste, in Oesterreich
vom Grafen Razumowski bei Baden und vom Grafen Breu-
ner bei Krems gefunden und von Naturforschern sowohl, als
Archäologen, für Avarenschädel erklärt worden.
Ueber dies Volk theilte Hr. R. mehre Erläuterungen mit,
welche er vorzüglich aus Schafarik’s Werke, Slawische Al-
rerthümer (Leipzig 1843 —44,) betitelt, entlehnt hatte. Nach
diesem waren die Avaren ein türkisch -uralisches Bastardvolk
gewesen, welches in alten Zeiten die Länder zwischen dem Don
und der Wolga, vom Ural an bis zum kaspischen Meere hinab,
bewohnt und ein nomadisches Räuberleben unter dem Schutze
türkischer Khane geführt hatte. Im Jahre 557 machten sie sich
unabhängig, gaben sich Khane aus ihrem eignen Stamme, gin-
gen über die Wolga und drangen in mehren Abtheilungen nach
Europa vor. Sie nahmen Ungarn i. J. 563, dazu auch Österreich
und noch mehre Länder ein , und brachten von dort aus zwei
und ein halbes Jahrhundert hindurch unaufhörliche Verheerun-
gen über Europa. Obgleich die eigentlichen Besitzungen der
Avaren in unserm Welttheile sich auf die genannten Länder be.
schränkten, so hatten sie doch für kürzere Zeit auch Theile
150
von Griechenlaod, Italien, Böhmen , Mähren und Franken einge
nommen. Karl der Grosse war der Erste, welcher Macht genug
besass, sie zu bekämpfen. Sie wurden durch mehre Armeen
und in mehren Feldzügen bekriegt, welche mit ihrer fast voll-
ständigen Ausrottung endigten, und von der geringen Anzahl,
welche in Europa übrig blieb, verschwanden die letzten Glieder,
so viel man weiss, mehr als tausend Jahre vor unserer Zeit.
Schafarik nennt die Avaren die hinterlistigsten und unglück-
bringendsten von allen uralischen Völkern; er führt aus Nestor
an, dass sie hochgewachsen und stolz waren, die Weiber als
‚Zugvieh vor Führe erke spannten u. s. w., dass Gott sie aber
bis auf den letzten Mann vernichtet habe. — Die Russen sollen
"noch sprichwörtlich sagen: ‚Die oder Jene sind vergangen, wie
die Obren (Avaren) ohne Erbe und Erben.“ Diess bezieht'sich,
meint man, auf eine pestartige Epidemie, welche irgend. einen
kleinern Zweig des in Rede stehenden Volks vertilgt habe. In-
dessen giebt es noch mächtige Stämme der Avaren im Cauca-
sus, wo sie bedeutende Laandstrecken inne haben und an dem
Vertheidigungskriege gegen die Russen wirksamen Antheil neh-
men; es ist noch zu erforschen übrig, in wie fern diese Avaren
dieselbe Schädelform besitzen, wie die vormaligen europäischen.
Aus dem vorgezeigten Schädel konnte man schliessen, dass dies
Volk zu den Gentes brachycephalae orthognathae oder
zu derselben Classe, wie die Türken, Slaven, Finnen u. 8.
m. gehörten. Die ethnographischen Charaktere des Schädels
sind: Hinterhaupt kurz (Diam. fronto -oecip. O, 147 .m.), hoch
(D. oceip. vertical. ©, 157 m.); eine senkrechte Linievon dessen
oberstem durch die Tubera parietalia gebildeten Theile herabge-
zogen fällt weit hinter den Theil des Hinterhauptsbeines, auf
welchem sich die bogenförmigen ‘Linien befinden. Die grösste
Breite (O, 157 m.) fällt dicht über die Höhe der Schuppennäthe
der Schlafbeine. Das Stirnbein, ungewöhnlich hoch und nach
hinten steil, hat auf der Mitte (2 '’ über den Augenbraunenbö-
gen) eine querüberlaufende Vertiefung und gleich über dieser
einen ebenfalls querlaufenden, stark erhöhten Höcker; zwischen
diesem und den Scheitelhöckern läuft wieder eine quer über ge-
hende Vertiefung, welche die Vereinigung der Pfeil- und der
Kranznath trifit. Die Jochbögen sind klein, wenig hervorstehend,
die Alveolarfortsätze des Oberkiefers klein, lothrecht; die vor-
deren Oefinungen der Augenhöhlen rhomboidal, der Gaumen gut
sewölbt, die Mammillarfortsätze klein.
Edwards .d. Ae. hat nach Morren (Mem.. sur les Osse-
mens humains des Tourbieres de la Flandre,..Gand 1832), eı-
151
klärt, dass die vom Grafen Breuner bei Krems gefundenen
Schädel mit denen der Karaiben und vormaligen Chilenen über-
einstimmen. Edwards hat dabei übersehen, dass die Schä-
del der Karaiben sowohl, als der vormaligen Chilenen, de-
nen der Avaren entgegengesetzt, ein besonders weit heraus-
stehendes Hinterhaupt , und so auch herausstehende Kinnladen
besitzen, wonach diese Völker in eine ganz andere Ulasse ein-
zureihen sind. Sie gehören nämlich zu den Gentes dolichoce-
phalae prognathae. Edwards hat sich an die zurückgedrückte
Stirn gehalten, welche auch die genannten Amerikaner auszeich-
net. Bei den Karaiben ist dieser Eindruck künstlich, und man
vermuthet,, dass dasselbe der Fall bei den ehemaligen Chilenen _
sei, welches Hr. R. indessen bezweifelt. Man möchte auch rück-
sichtlich der Avaren die Frage aufwerfen, ob nicht die Schädel
durch Hülfe künstlicher Mittel ihre wunderliche Form angenom-
men haben; wäre dies aber der Fall gewesen, so würde es ge-
wiss von den slavischen Annalisten nicht unerwähnt geblieben
seyn. Die beiden Czechen-, wie die beiden Polenschädel,
welche sämmtlich vorgezeigt wurden, liessen dieselben Formen
erblicken, welche Hr. R. (Skand. Naturf. Sällsk. Handl., Stockh.
1843,) als den grossen slavischen Volksstamm charakterisirend,
beschrieben hat Derselbe hatte im vergangenen Jahre die Bil-
dung der Hirnschale eines herumwandernden Slowaken aus Un-
sarn untersucht und auch bei der Gelegenheit die Richtigkeit
seiner Angaben von der slavischen Schädelform in der genann-
ten Abhandlung bestätigt gefunden. | [Cr.]
Hr. Loven zeigte eine, von den Hrn. W. u.F. v. Wright
gemalte, dem Reichsmuseum gehörende Sammlung von Abbil-
dungen von Meerthieren aus den unteren Klassen vor und führte
dabei Folgendes an. Die genaueren Untersuchungen der späteren
Zeiten haben die schwedische Fauna mit mehreren bemerkens-
werthen Formen von niederen Thieren von allen Abtheilungen und
darunter von Mollusca gymnobranchia bereichert, welche bisher
ziemlich vernachlässigt waren. Als neue oder bisher weniger
bekannte Arten aus dieser Ordnung dürften folgende, an der
Küste von Bohuslän entdeckte, angeführt zu werden verdienen.
Aegires n. g.
Corpus robustum, gibbum, e spiculis numerosissimis rigidum; pal-
'lium adnatum, a solea sulco distinctum, tuberculosnm; vibra-
152
cula cylindrica, simplicia, nec perfoliata, intra vaginam retra-
henda; branchiae ano praepositae, pinnatae , paucilobae, lobo
quovis papilla defenso; velum abbreviatum , rotundatum.
Aeg. punctilucens D’Orb. Pallio e tuberculis, jugis connexis,
areolato; vibraculis apice foveola et mammilla antica praeditis,
vagina brevi, intus emarginata, extus verrucis incrassata; bran-
chiis trilobis, papillis maximis tuberculatis; semipollicaris, cine-
racea, areolis purpureis, cyaneo oecellatis. — Hab. in locis,
ponto vicinis szepius gregarius; ova parit funiculo inclusa hya-
hino, taeniaeformi, spiral. — Syn. Polycera punctilucens
D’Orb. Alia ejusd. gen. sp. est Doris maura Forb.
A, Stiliger Ehrenberg.
Corpus limacinum, depressum, dorso convexo; vibracula simpli-
cia; branchiae dorso-laterales, styliformes, numerosae, utrin-
que per series obliquas digestae; anus dorsalis, posticus, me-
dius, tubulosus; oculi pone vibracula bini; orifieium genitalium
pone vibraculum dextrum. i
S. modestus n. sp. Vibraculis brevissimis; solea lateribus dilatata,
replicatili; capite minuto, fronte convexa declivi; stylis bran-
chialibus in series 6—8 secundas dispositis, ternis vel gnater-
nis, versus postica sensim majoribus; semipollicaris, lutescens,
fusco dense variegatus, branchiarum apicibus albis, solea fusco
lincolata. — Hab. in limo, locis parum profundis, lente reptans,
branchiis alterne contractis et dilatatis. Branchiae Eolidiae,
anus Doridis,, vibracula et solea Akerae, tria juncta in uno. —
S. ornatus Ehr., e mari rubro, differt vibraculis longioribus,
solea angustiore.
Cloelia n. 9.
Corpus gracile, solea latiuscula; pallium adnatum; vibracula sim-
plicia, indefensa, contractilia; branchiae laterales, utringue sim-
plici serie, fruticulosae; velum labiale amplum, in lobum oblon-
gum utringue productum.
C. formosa n.sp. Velo margine integro, medio emarginato; bran-
ehiis utringue 6—7, umbellulatis, apieibus gemmaceis; vibra-
eulis, branchiarum pari primo posterioribus, erectis; oculis eo-
rum basi postice immersis, minutis; pollicaris, rosea, lineis
tribus, laterali utrinque et media antice bifida, niveis. — Hab.
inter Algas rarior. — Altera sp. est Doris fimbriata Vahl, Zool.
Dan. IV, veli margine lacinulato, branchiarum numero, circ.
10 utrinque, et forma, ut videtur, diversa.
Hermaea n. g.
Corpus gracile, molle, elongatum; vibracula auriformia, extus ca-
naliculata; branchiac laterales, velum breve, in lobum minutum
153
utrinque productum; solea angusta, antice dilatata; anus subla-
teralis; porus genitalium antieus, lateralis.
H. biida Mont. Gracillima, branchiis simplici serie dispositis,
ampullaceis , hyalinis,, vase gastrobranchiali interno dendritico,
verticillato; vibraculis sursum ditatatis, abrupte truncatis, in-
volutis; semipollicaris, virescens, vasibus rufis. — Hab. in lo-
cis ponto vicinis gregarie, praesertim in Tubulariis; Gymno-
branchia enim plurima paseuntnr Phytozois. Vivax natare amat
obversa. Tacta liquorem exsudat incolorem, graveolentem,
odore Geranii Robertsiani. — Syn. Doris bifida Mont. fide de-
scriptionis congruae, iconis pessimae.
H. venosa n. sp. Gracilis, branchiis styliformibus, in series 7 8
digestis, ternis 1. quaternis, vase gastrobr. crassiusculo, varicoso:
vibraculis validis, exacte auriformibus, apice attenuato, obtsuo;
solea antice rotundato -dilatata; quadrilinearis, albida, niveo
punctata, vasibus fuscis. — Hab. inter Algas rarior.
Diphyllidia Cuv.
Corpus limacinum ; pallium domatum limbo pleuras concavas ob-
tegens; 'vibracula bina sub pallii limbo antico sita, eontigua,
brevissima, clavata, sulcis arata, pedunculis brevissimis basi
communi angustae imposita, pallio postice, fronti inferne ad-
natae; frons verticalis, angusta, triangularis, in velum expansa
latum, transversum, os absondens. soleae inferne contiguum, in
lobos duos plicatum, superiorem limbo tenui sinuoso, inferio-
rem crassiusculo laevi; os proboscidem continens evolubilem,
glandiformem, crassam, maxillis armatam; branchiae utrinque
duplici apparatu constitutae, scil. antice acervo ovato, pulvinato,
e lamellis longitudinalibus, et inde ad caudae apicem pliecis si-
nuosis, obliquis, secundis; solea sulco postico longitudinali
praedita.
lineata Otto. Pallio rufo, punectulis nigris adsperso, lineis
picto elevatis eirc. 36 niveis, alternis angustioribus; vihraculis
et branchiis luteis, pleuris et solea albidis nigro irroratis. —
Hab. in limo prof. 10—40 org. procul a littore. Ad prom.
Kullen 1832 unicam, ad oras Bahusiae 1843 duas invenimus. —
Differt non nisi colore a specim. Ottonis et Cantrainii,
quae nigra nec rufa; ab icone vero in Cuv. R. a. ed. 3, Moll.
tab. 31, data vibraculorum forma, quod a liquore et pictore
profectum videtur.
eo)
Im Uebrigen sind von dieser Ordnung an der Westküste
Schwedens gefunden worden: Doris 4 Art.; Goniodoris nodosa
Mont.; Tr = Euploc. plumosus Thomps.;
Euplocamus cirriger Phillipi; Polycera 6 Art.; Tritonia
drei A.; Doto coronata Gm. = Melibaea Johnst. Forb. vix
154
Rang. = Tergipes D’Orb. nee Cuv. = Scyllaea punctata
Bouch. Chant.; Tergipes Cuv. drei A.; Eolidia sechs A.;
Elysia viridis Mont.,— zusammen 33 Art. und mehrere werden
sicher durch fortgesetztes Suchen bald entdeckt werden.
Die Ordnung der Gymnobranchien hat in späterer Zeit eine be-
sondere Aufmerksamkeit geweckt, besonders seitdem zuerst Sars
bei ihnen die abweichende Organisation der Jungen beobachtete
und andeutete, dass eine bis dahin ungekannte Metamorphose
bei diesen meist stattfände. Die Akademie nahm in ihre Ver-
handlungen für das Jahr 1839 einen weiteren Beitrag auf, in wel-
chem ich mich bemühte diese Beobachtungen noch etwas weiter
zu vervollständigen, und zeigte, dass diese Metamorphose keine
Eigenheit für diese Ordnung, sondern auch bei den: Ctenobran-
- chien, z. B. bei Rissoa beobachtet worden sei. Indem Bericht
über eine Reise nach Bohuslän im Jahr 1840 welchen ich den
14. Ausg. v. J. abgab, zeigte ich an, dass ich so glücklich gewe-
sen sei die Entwickelung bei Arten von Elysia, Bulla, Bullaea,
Eulima , und Cerithium reticulatum Angl. zu beobachten. : Inner-
halb dieser Gattungen von drei verschiedenen Ordnungen verei-
nigen die Jungen folgendes gemeinsame Verhalten (Tab. 1.)
übereinstimmend mit dem was früher bei Eolidia, Doris, Aply-
sia beobachtet worden, und mit dem was man aus älteren Beo-
bachtungen, z. B. denenLunds in Ann. Sc. nat. 1,84 schliessen
kann. In eine äussere, nautilusähnliche Schale eingeschlossen
streift das Thier herum, von den Flimmerhaaren getragen, wel-
che die dicken Ränder von dem grossen, den Kopf umgebenden,
aus zwei zugerundeten Lappen zusammengesetzten Velum be-
kleiden. Vibracula fehlen, aber die Ommatophoren sind
mehr oder minder deutlich, auch wo die Augen noch nicht aus-
gebildet sind. Der Fuss ist immer mit einem Deckelchen auf
seiner hinteren Seite versehen, ob das erwachsene Thier ein
solches hat oder nicht, hat noch keine ausgebildete Scheibe,
ıst auf der Unterfläche konvex und dient niemals als Bewegungs-
organ. Von inneren Theilen sieht man den Magen mit dem
Darm, welcher sich auf der rechten Seite öfinet, die Leber,
einen zugerundeten Körper auf der linken Seite des Magens,
auf der rechten Seite ein nahe der Mündung. liegendes sackför-
miges Organ, und im Fusse, an dessen Basis, an jeder Seite
einen runden, blasenähnlichen Körper mit Kernen, nach aller
Wahrscheinlichkeit Gehörorgan. Ein Herz fehlt noch. Diess
kömmt jedoch bald hinzu, ebenso die Augen bei denjenigen,
welchen solche im Anfang noch fehlen, darauf wachsen die
Vibracula aus, die Gleit- Scheibe des Fusses bildet sich aus;
155
und dann erst verschwindet das Velum. Die Ungleichheiten
zwischen den angeführten Gattungen sind folgende. Elysia ver-
hält sich ganz wie Eolidia. Lacuna vineta (f. 1. 2.) hat em
runderes Velum' und zwei Augen und der vordere Rand der
Schale ist ausgezogen. So ist es auch bei Cerithium reticula-
tum, dem jedoch die Augen mangeln. Eulima distorta (f. 3.)
hat ein mehr ausgezogenes und oben ausgerandetes? (urnupet)
Velum. ‘Bei Bulla truncata (f. 4. 5. 6.) sind dessen Lappen
mehr getrennt, der spitzige Fuss weicht bedeutend von dem
des erwachsenen Thieres ab und ganz nahe der Stelle des rech-
ten Auges sieht man einen schwarzen Punct. Bullaea aperta
(f. 7. 8.) gleicht der vorhergehenden, hat keine Augen, und auf
der rechten Seite ein grösseres, mit einem schwarzen Stofle er_
fülltes, Organ. Dessen 'spitziger Fuss ist sehr ungleich dem
des erwachsenen Thieres, welcher jedoch niemals zur Gleit-
Scheibe ausgebildet wird. — In dem eben erwähnten Reisebericht
führte ich zu der Vermuthung leitende Beobachtungen an, dass
ein sanz gleicher Embryozustand bei den Bivalven statt fände.
Im verflossenen Sommer bot sich mir eine günstige Gelegen-
heit dar diese Vermuthung zu prüfen und zu bekräftigen und
zu den von Carus und Quatrefages gemachten Untersu-
chungen mit Anodonta noch Etwas hinzuzufügen. Die Jungen
von Modiola discors Turt. fangen schon am dritten Tage nach
der Eierlegung an mit dem Aussehen das f. 11 zeigt umher zu
schwimmen. Fig. 9 und 10 stellen wieder Junge von Kellia
rubra vor. Von der durcbscheinenden Schale eingeschlossen,
welche noch kein Schloss zeigt,' streckt das Thier iaus deren
Rändern ein aus zwei zurückgebogenen Lappen znsammenge-
setztes, am Rande mit lebhaft schwingenden Flimmerhaaren be-
setztes Schwimmorgan hervor. Von inneren Theilen sieht man
den Magen (a), mit der Leber (b), und den Darm (ec), die
Schliessmuskeln (d. d.) und das Rudiment zum Fuss mit dessen
aufsteigenden Muskeln. Der Fuss trägt auf seiner Unterfläche
einen kräftigen Cirrus, welcher oft geschwungen und in Buch-
ten geschlagen wird. Es dürfte nicht zu kühn sein diesen Cir-
rus als eine Andeutung von Byssus anzusehen — auch wo die-
ser bei dem erwachsenen T'hier sich nicht findet — dieselbe
hornartige Hautbildung, }welche wir bei den Gasteropoden
unter der Form von einem Operculum sehen, welches aber bei
den‘ Strombus - Arten beinahe diese Bedeutung verloren hat,
und “bei den Arten von Emarginula von einem fleischigen
Cirrus ersetzt wird. — Eine Vergleichung zwischen diesen Jun-
gen der Bivalven und den oben beschriebenen Jungen von Gaste-
a an
156
ropoden weisst auf eine unverkennbare Aehnlichkeit hin. Bei
Beiden mangelt im Anfang das Herz, bei Beiden sind dieselben
Organe unter denselben Formen in Wirksamkeit, dasselbe Ve-
lum macht das Bewegungsmittel aus, ist aber bei den Bivalven
mehr geöffnet und schliesst sich nicht um den Mund. . Aber
man muss auch bedenken, dass die Muscheln eine gespaltene
Schnecke sind, und dass diese Spaltung nicht, bei der äusse-
ren Schale stehen bleibt, sondern durch den Mantel, das Ve-
lum, ja selbst den Kopf geht. Es ist nicht ganz leicht genau
zu bestimmen, ob das Velum hier vom Mantel frei ist oder
nicht — der Gegenstand ist zu klein, O, 15 Mill. in längster
Dimension, und in unaufhörlicher Bewegung— aber wie es damit
auch ist, scheinen sie während einer späteren Periode‘ zusam-
menzuwachsen, denn die bekannten Cirri „am Rande des Man-
tels“ bei den ausgewachsenen sind wahrscheinlich die Reste
von dem Velum, ein Verhalten, analog dem bei den Gymno-
branchien ( T’heiys). Dieses merkwürdige Organ, welches wäh-
rend des frühesten Lebensstadiums von so grosser Bedeutung
ist, verschwindet also bei beinahe allen Gasteropoden und Bi-
valven. Zu untersuchen in wie fern nicht das grosse Kopforgan
der Cephalopoden — Nautili — dasselbe Velum ist, und ob
es möglicherweise sich in den spiralig gewundenen Armen der
Brachiopoden wiederfinde, dürfte einmal der Gegenstand einer
anderen Betrachtung werden.
ERTER
Sitzung am 10. April.
Hr. A. Retzius berichtete über eine ihm und Hrn. Loven
übergebene Abhandlung: Beschreibung der Vogelflügel von
C. J. Sundevall. Diese Abhandlung, von welcher sich
ein kurzer Auszug in den Verhandlungen der Versammlung der
Skand. Naturf. in Stockholm 1842 findet, umfasst eine vollstän-
dige Beschreibung der Lage, Form und dem übrigen Verhalten
von allen den verschiedenen Federformen, welche dem Flügel
angehören; erst im allgemeinen, hernach für jede Ordnung und
für jede bekannte abweichende Gattung besonders: Gleiche Dar
stellungen findet man in derselben Abhandlung über den Knochen-
bau des Flügels, über die Oberfläche des Vogelarmes (worauf
die Flügelfedern sitzen) selbst, und über die Muskeln, welche dem
Unterarm (cubitus) angehören. Zu den merkwürdigeren Umstän-
den in dieser Schilderung gehört der, welcher schon am a.- ©.
I
157
erwähnt iworden, daas die Federn, welche auf den fleischigen
Theilen des cubitus selbst befestigt sind, eine, in Rücksicht
zur Lage der Ränder, umgekehrte Stellung gegen die Schwung-
federn und übrigen zum Flügel gehörenden ‚Federn haben, und
dass die grössten Deckfedern auf der Unterseite des Flügels
immer umgekehrt liegen‘, so dass sie ihre Innenseite nach aussen
wenden.
Als Resultat der ganzen Untersuchung zeigt sich, dass die
eigentlichen sogenannten Singvögel, oder diejenigen, deren la-
rynx inferior mit 5 Paar Muskeln bekleidet ist, in jeder Hinsicht
eine eigene Bildung zeigen, von welcher nur einige wenige Ab-
weichungen vorkommen, und dass alle die übrigen Vögel:
Wasservögel, Wadvögel, Hühner, Raubvögel, Papageyen und
kuckueksartige Vögel, wie unähnlich sie auch im äusseren Habitus
scheinen mögen, doch eine bestimmte, eigene Grundform zeigen,
welche sich der der Singvögel blos durch einige wenige Ueber-
sangsformen nähert, die den kuckucksartigen Vögeln zunächst
stehen. Die wichtigste von diesen Uebergangsformen ist die
Spechtgattung.
Bei den Singvögeln ist selbst der fleischige Theil an der
äusseren Seite des Unterarms von Federn entblösst und wird nur
von den kleinen Federn überdeckt, welche auf der losen Haut
sitzen, voran über dem Armbein; die grossen Deckfederu sind
so kurz, dass sie blos die halbe Länge der Armschwungfedern
erreichen, oder noch kleiner; von den unteren Flügeldeckfedern
fehlt die erste von den zwei umgekehrten Reihen, und die übri-
gen sind an Zahl weit geringer, als bei den anderen Vögeln.
‚Die erste Schwungfeder zeigt eine allgemein vorkommende Ten-
denz zur Verkürzung und ist rudimentär, oder wird bei unge-
fähr der Hälfte der bekamnteu Arten vermisst: cubital-Federn
(Schwungfedern 2ter Ordnung) sind 9, selten mehrere. Eine eigene
Form der Armmuskeln, welche zugerundet, gleichsam aufge-
schwollen sind mit langen Sehnen, und eine eigene S— fürmige
Biegung des grösseren Armknochens (ulna) so wie einige andere
Eigenheiten in den inneren Theilen, geben dem ganzen Arm eine
eigene Gestalt, welche leicht wieder erkannt wird, sogar ohne
dass die Federn abgepflückt worden u. s. w. Die übrigen Vö-
gelordnungen haben 3—5 vollständige Federreihen auf der flei-
schigen Aussenseite des Armes; ihre grösseren Deckfedern
gehen weit über die Mitte der Schwungfedern 2ter Ordnung;
von den unteren Deckfedern findet man immer die erste Reihe
umgekehrt. : Die erste Schwungfeder 1ster Ordnung findet sich
immer und ist nur selten verkürzt, so dass diese Vögel immer we-
A a eo *
AR 5,48
158
nigstens 10 remiges primores haben ; einige wenige Formen! aber
haben 11. Schwungfedern 2ter Ordnung sind. mit wenigen Aus-
nahmen mehr als 9, aber im übrigen an Zahl höchst verschie-
den: die ulna ist bogenförmig , nicht S-fürmig, gebogen, und
die Muskeln im Arm sind gleich dick mit kurzen Sehnen und
zeigen in ‘mehrfacher Hinsicht eine jenen der Singvögel entge-
sengesetzte Form, welches alles leicht an des Armes Form und
Oberfläche erkenntlich ist. [Hsch.]
Die Hrn. Sundevall und Boheman_ theilen über ‚eine
Abhandlung des Hrn, Loven, Beiträge zur. ; Kenntniss ‚der
schwedischen Trilobiten enthaltend, Folgendes mit.
Dalman, welcher in seiner verdienstvollen Arbeit her
die Paläaden in den Verh. d. Akad. für das Jahr 1826 die da-
mals bekannten schwedischen Arten von diesen merkwürdigen
Versteinerungen beschrieb, führte in seinem letzten, für das
Jahr 1828 abgegebenen Jahresbericht (p. 134, Note), verschiedene
später hinzugekommene mit dem Namen an, unter welchem er
sie an die Sammlungen des jetzigen Reichsmuseum niedergelegt.
Es sind diese Den nach welchen Hr. Loven es
jetzt unternimmt diese bis jetzt wenig bekannten Arten, und un-
ter ihnen zuerst zwei besonders merkwürdige Formen, Calymene
clavifrons und. ornata Dalm., zu beschreiben. Diese beiden
Arten stehen einander ganz nahe, haben eine grosse, gelappte
glabella, reticulirte Augen, verlängerte anguli, Furchen auf den
spitzigen Epimenen und 14 Glieder, wovon dem Thorax, 11 und
dem Abdomen 3 angehören, welche nur zum Theil verwachsen sind.
Calymene clavifrons welche Goldfuss weniger richtig mit
den Asaphi, z. B. mucronatus zusammen bringt und deren
Identität mit C. speciosa Sars. etwas zweifeihaft scheint, hat
folgenden Character :
„„C. clavifrons Dim. Caput lunatum , latum, angulis in cornua longa
recta productis; glabella, 4 latitud. capitis fere efficiens, inflata,
obovata, sulcis tribus notata: frontali et oculari obsoletis, cer-
vicali profundo lobum ovatum utrinque ambiente; sulei capitis,
occipitalis et lateralis, profundi; sutura in angulo ipso utrin-
que nata, versus sulcum lateralem sensim adscendens, tum mar-
gini occipitali parallela oculum petens , orbitae lobum superio-
rem terminans, et inde versus frontem vergens; oculi cornea
rotundata tenuiter, sed distincte reticulata. Thorax ex articulis
11, rhachide arcuata, wutringne impressa, epimeris:£hachide
duplo longioribus, a basi versus medium sulco, in medio ge-
159
‚niculo tumido praeditis, et .inde deflexis, faleatis, attenuatis,
apice acntoe. Abdomen ex articulis 3 basi connatis,, ceterum
liberis, primo secundum excedente, hoc tertinm brevem triden-
tatum. Testa undique tenuissime tuberculato - punetata. Long
6 dan. — Loci: Ljung, Skarpasen, Husbyfjöl Ostrog. „Bil-
lingen Vestrog. (Arfvet Dalecarliae, don. Wegelin 1843). _
Calymene ornata Dim. ist identisch mit dem vonMurchi-
son Sil. Syst. tab. 14 f. 9. von oben und unten gezeichneten
Fragment von Thorax, welches dieser Vf. zu dem Abdomen f.
8, Paradoxites bimucronatus Murch. gehört: habend ansieht.
Merkwürdig genug hat auch Dalman zwei vollkommen diesen
sleiche Stücken, als einem und demselben Thier zugehörend
angesehen (S. Jahresber. 1828 p. 138), aber das beinahe voll-
ständige Exemplar zeigt, nachdem es gereinigt worden, eine
ut ganz eigene, dem vermutheten ungleiche Bildung.
(Hsch.)
„eC. ornata Dim. Caput semilunare; glabella 4 ejusdem efficiens ,
aequilata, antice rotundata, postice truncata, sulcis notata tri-
bus, profundis, cervicali productiore, lobum utrinque ambiente;
suuran..... ; oculi cornea reticulata, orbitae lobo inferiore
pulvinato, scrobiculato. Thorax ex articulis 11. validis, rha-
chide lata, utringue profunde impressa, epimeris sulco ab eadem
distinetis, tum, a basi ad 4 sulco profundo obliquo praeditis,
depressione transversa et geniculo tumido, et deinde per 2 lon-
situdinis sensim attenuatis, apice acuto. Abdomen ex articulis
3, basi connatis; primo secunduur longe superante, in appen-
dicem crassam , teretem, longissimam, utrinque producto, se-
cundo tertium excedente(?), hoc verisimiliter brevissimo. —
Abdominis specimena Dalmanno huic adscriptum, quod optime
refert icon Murchisonii (fig. 8), celavifronti potius attribu-
endum; nisi insolita illa appendix longissima sexus differentiam
indicaret — quod vix innuere fas est. — Locus: Husbyfjöl
“ Ostrogothiae.‘“
Hr. Wahlberg zeigte an, dass ungefähr dieHälfte der, von
ihm und Hrn. Boheman im verflossenen Jahre in Norbotten
und Lule# Lappmark gesammelten Zweiflügler untersucht, und
hierunter über 50 Arten für die Wissenschaft neu seien, von
welchen mehrere ebenso ausgezeichnet, als !ungewöhnlich. Er
erbittet sich die Erlaubniss_die K. Akad. mit diesen allmählig
bekannt machen zu dürfen Mod beginnt mit der Mittheilung der
Charaetere von: Helophilus affinis n. sp.; H. lapponicus n.
160
sp.; H. bottnicusn. sp.; Brachyopa cinerea n. sp.; Scaeva
latimana n. sp.; Mesembrina resplendens n. sp.; Selachops
n. gen.; (e familia Agromycidum) 8. flavescens n. sp., welche
alle gründlich auseinandergesetzt und theilweise auch ausführ-
lich beschrieben werden. [Hsch.]
Hr. Sundevall theilte aus einem Briefe vom Professor
J. van der Hoeven in Leyden mit, dass er die Abhandlung
d. Hın. A. Retzius über die Schädel der Nordbewohner mit
Vergnügen gelesen und die in derselben gegebene Beschreibung
vom Kopfe slavischer Völker mit 12 russischen Schädeln und ei-
nem polnischen , welche er Gelegenheit hatte, genau zu verglei-
chen, völlig übereinstimmend befunden habe. Diese. Bestätigung
ist wichtig, weil Hr. R. nur einige wenige Schädel slavischen
Stammes zu beschreiben hatte. [Cr.]
Sitzung am 15. Mai.
Hr. Sundevall zeigt ein Weibchen von kiporre (Bastard
vom Birkhuhn und Schneehuhn) vor, welches aus einer Ladung
Vögel aus Helsingland gekauft und dem Reichsmuseum ge-
schenkt worden war. Früher hatte man nur Männchen von die-
ser seltenen Hybridenform erhalten, deren rechte Natur erst
vom Prof. Nilsson entdeckt wurde. Das Weibchen ist etwas
kleiner, als eine Birkhenne, welcher es in der Form des
Schwanzes gleicht, aber es unterscheidet sich davon durch
rauhere Zehen und weissliche Farbe. Das Reichsmuseum be-
sitzt einige Männchen, durch welche es aufgeklärt wurde, dass
diese im ersten Sommer, wenigstens auf den oberen Theilen
des Körpers, an Farbe den jüngeren Weiden - Schneehühnern
(Lagopus subalpinus Nilss. lllum. Figur. Pl. 6 und 7) oder
Birkhühnern gleichen, und dass die älteren wahrscheinlich eine
“ rothbraune Sommertracht haben, welche der der weiblichen Wei-
den- Schneehühner sehr ähnlich sein muss. Nach diesen Ex-
emplaren hat Hr. S. folgende Beschreibung entworfen:
Tetrao hybridus lagopoides Nilss. cauda furcata, digitis (saltem
'basi) plumosis. (Tetrao tetrice paullo minor.)
Beide Geschlechter ähneln, in der Forw sowohl dem Weiden - als
Birkhuhn, die 3te und 4te Schwungfeder sind die längsten und
unter sich gleich. Der Schwanz etwas gespalten, die Seiten-
161
federn gerade. Die Zehen an den Seiten zur Hälfte befiedert;
aber diese Federn werden im Winter so sträubig und lang, dass
sie die ganze Zehe bedecken , welche jedoch oben nackt und
mit Ringen belegt ist, die bei den Männchen nach vorne an den
Seitenrändern mit Kämmen versehen sind, wie bei dem Birkhahn.
Die Nägel lang, wie die der Schneehühner. Der Daumen so kurz,
wie bei dem Schneehuhn, aber mit längerem Nagel. Die
rothen Augenbrauen ähneln denen des Birkhuhns und scheinen
aım Bande etwas gezähnt gewesen zu sein,
Die Schwanzfedern sind schwarz, an der Spitze weiss. Die Schwung-
federn sind schwarzgrau, fein weiss sewässert, mit weissen Rän-
dern. Die Körperfarbe bunt, weiss und schwarz oder rothbraun.
Die Federn der Füsse weiss, nach vorne mehr oder weniger
grau gemischt.
Das alte FWeibchen im VFinterkleide.. Die Schwanzfedern und
Deckfedern mit breiter weisser Spitze} die ersteren auswärts,
die letzteren ganz braunsprenkelig;; die Seitenfedern nur 8 Mill.
(3 Z.) länger als die mittelsten. Die gekrümmten Schwung-
federn 190 Mill. (72 Z.); die mittelste Schwanzfeder 105 Mill.;
der Tarsus 38 Mill. Die Federn des Körpers, Halses und Kopfes
stark gelbbraun, schwarzgebändert mit breiter weisser Spitze.
Auf dem Rücken sind sie punctirt, mit bleichgrauer, schwarz-
‚punctirter Spitze. Der Bauch erscheint ganz weiss, aber jede
Feder ist am verborgenen Theil schwärzlich; auf der Brust
und an den Seiten kommen gelbbraune Querbänder hinzu. Die
Seitenkämme der Zehen sind sanz kurz.
Das Männchen im FVinterkleide: weiss und schwarzbunt, mit
weissem Strich durch das Auge. Die Schwanzfedern und Deck-
federn schwarz mit %anz schmälöm weissem Rande an der Spitze.
Die Unterseite des Körpers weiss, mit mehr oder weniger
Schwarz auf der Brust und um die Keulen (möglicherweise
nimmt dieses Schwarz mit den Jahren zu?). Der Rücken
schwarz , mis feiner, weisser, wolkiger Wässerung. Die
Schwungfedern (gekrümmt) 230 Mill. (94 Z.); die mittelste
Schwanzfeder 118 Mill; die äusserste 25 Mill. (1 2.) länger; der
Tarsus 45, die Mittelzehe 34, mit dem Nagel 53 Mill.
Das alte Männchen im Uebergang von dem Sommerkleide (ge-
schossen in Helsingland im Herbste), In der Schultergegend
und unten am Halse finden sich noch ein paar rothbraune,
schwarzgebänderte Federn, welche beinahe denen von einem
Jüngern Weibchen des Weiden-Schneehuhns im Sommerkleide
gleichen. Die kleinen Federn hinter den Augen sind auch roth-
braun, nicht umgewechselt. Die Federn der Zehen ganz kurz,
(Uebrigens reines Winte:kleid.)
Das junge Männchen im Uebergang (von Jemtland im Herbste).
Viele Federn auf dem Rücken, und eine zu oberst auf der Brust,
11
162
sind rothbraun mit schwarzen, schrägen, etwas gewässerter
Querbändern. Auf dem ganzen Hals und Kopf finden sich zahl-
reich solche, welche bleichgelbbraun sind und ein paar dunkel-
grauliche Qnerbänder haben und deutlich zu dem ersten Jugend-
kleide gehören. Sie sind bleicher, als die entsprechenden bei
dem Schneehuhn und Birkhuhn. Der Schwanz und alles Uebrige,
wie bei den Alten. Die Unterseite hat ganz wenig Schwarz.
Die Zehenkämme sind deutlich. (Einige kleine Puncte scheinen
auf dem Scheitel während ein paar Jahren, auch in dem Win-
terkleide. zurück zu bleiben. ) [Hsch.]
Hr. Mesch hatte ein Vezeichniss von Säugethieren, Vögeln
und Amphibien eingereicht, welche in der Gegend von Upsala
sefunden worden. Hr. Sundevall, welcher dasselbe, nebst
den dazu gehörenden Bemerkungen vortrug, bemerkte, dass die
angeführte Anzahl der Vögel derjenigen am nächsten komme,
welche vom Dr. Andre als auf Gottland gefunden angegeben
worden, dass aber der untersuchte Umfang auch wenig gerin-
ger sei, als die genannte Insel. Die angegebenen Arten jeder
der drei Klassen kommen der Hälfte der in ganz Skandinavien
sekannten nahe. Vögel scheinen zwar mehr zu sein‘, diess
wird aber berichtigt, wenn man die Zugvögel, welche nur durch
die Gegend fliegen, aber nicht daselbst bleiben, abrechnet. Nach
Abrechnung dieser und der accidentellen Vögel bleibt folgende
Anzahl: Säugethiere 27; Vögel 120; Amphibien 10. Der in
ganz Skandinavien bekannten sind, nach denselben Gründen ein-
geschränkt und nach Abrechnung der Wale, welche nieht dem
Iiande angehören: 54 Säugethiere; 243 Vögel; 18 Amphibien.
|Hsch.]
Hr. Boheman liest den Schluss des Berichtes über seine
im verflossenen Sommer ausgeführte Reise in den Lappmarken
von Luleä, Jockmock und Quickjock. Die gemachten Sammlun-
gen von Insecten, steigen bis zu ungefähr 11,000 Individuen
auf, sind jedoch noch nicht vollständig untersucht, aber mit
Sicherheit kann angenommen werden, dass sich darunter über
100 für die Fauna Skandinaviens neue Arten finden. [Hsch.]
Derselbe zeigte an: dass der Stud. von Yhlen an die
Akad. ein Exemplar von Gryllus migratorius welcher sich bisher
i i 163
nür selten innerhalb Schweden gezeigt, eingesendet, und diesem
folgenden Bericht beigefügt habe: „während einer Exeursion am
„löten des letzt verflossenen Septembers längs dem südlichen
„Strand von Bräviken, in Ostgothland, beobachtete ich auf ei-
„ner Wiese nahe bei Allonö eine grosse Menge Heuschrecken,
„von welchen ich wegen ihrer Grösse und geräuschvollen Flug
„sofort vermuthete, dass es Gryllus migratorius L. sei. Diese
„Vermuthung ‚wurde zur Gewissheit, da endlich diess Exemplar
„gefangen wurde, welches ich dem Beichsmuseum übersende.
„Sie waren sehr scheu und schwer zu fangen; die höchsten
„Eichen und Eschen wurden von ihnen ebenso besucht, als ein
„benachbartes Kleefeld, doch schienen sie gerne mit den zarten
„Blättern und Knospen von Trifolium hybridum und pratense
„vorlieb zu nehmen, aber auf den eigentlichen Gräsern merkte
„man keinen Schaden. Der ganze Schwarm war nach einigen
„Stunden ganz verschwunden und konnte nicht wieder gefunden
„werden, ungeachtet in der nächsten Gegend genug darnach ge-
„sucht wurde.“
Zugleich wurde berichtet, dass bei Mem und Slätkaken auf
dem südlichen Theil von Wikboland „eine so grosse Menge von
„Heuschrecken sich gezeigt, dass Niemand sich erinnern könnte
„jemals eine so grosse Anzahl gesehen zu haben.“ Sie werden
beschrieben, ‚grösser, als Locusta verrucivora, braun von
„Farbe, mit einem geräuschvollen Flug, und so heisshungrig
„dass sie selbst die Getreidehaufen nicht verschonten, noch we-
„niger das grüne Laub und Gras.“ Es leidet keinen Zweifel,
dass diese auch derselben Art zugehörten, als die, welche bei
Bräviken erschienen, obgleich ihre Menge noch grösser gewesen
sein dürfte. Nach wenigen Tagen waren alle verschwunden,
ohne dass man wusste was für einen Wegsie genommen. [Hseh.]
Hr. Wahlberg setzte. seinen, in der vorigen Sitzung an-
sefangenen Vortrag über neue Zweiflügler von Norrbotten und
Lule& Lappmark fort, indem er Beschreibungen und Auseinan-
dersetzungen mittheilte von: Tachydromia atra n. sp.; Para-
mesia tenella n. sp.; IBhamphomyia paradoxa n. sp.; Eh. mo-
desta n. sp.; Eh. poplitea n.sp.; Hydrophorus alpinus
n. sp.; Medeterus paradoaus n. sp.; Simulia ferruginea n. sp.
[Hsch.]
164
Aus einem Briefe des Adjuncten der Akad., Freiherrn von
Düben, dat. Bergen d. 29ten April, theilte Hr. Loven folgende
Nachrichten mit:
Schon seit dem verflossenen Herbst habe ich meine Haupt
station in Bergen, und den Winter theils mit versehiedenen
grösseren und kleineren Excursionen, wenn es das Wetter er-
laubte, theils damit zugebracht, die Erndte des Sommers so weit
als möglich, zu bestimmen und tkeils die reichen Sammlungen
des, vor ungefähr 20 Jahren von dem Stifts-Amtmann Christie
gegründeten, Museums der Stadt durchzugehen, dessen Direction
die Güte gehabt hat mir zu erlauben, im Verein mit dem Dr.
Koren, alle die neuen und merkwürdigen Fische und See-
thiere zu untersuchen und zu beschreiben, welche in einer Reihe
von Jahren hier gesammelt worden sind. Unter den ersteren
haben wir mehrere Arten beschrieben, welche für Skandinavien
und zum Theil auch für die Wissenschaft neu sind. Diese sind:
?
1. Polyprion cernium Valenc., wovon ein grosses und schönes
Exemplar im vorigen Sommier auf dem Fischmarkt in Bergen
gekauft wurde.
2. Urocentrus ruber Nob.n. g. et sp. zunächst Beryx unter den
Percoideen, aber sowohl von’dieser Gattung, als, so viel ich
weiss, von allen bisher bekannten Fischen dadurch ausgezeich-
net, dass die äussersten Strahlen in der Schwanzflosse, 5 oben
und 4 unten scharfe Stachelstrahlen sind, ein Character, wel-
cher allein die Aufstellung als Typus für eine eigene Gattung
rechtfertigen dürfte. Ein sehr schöner Fisch.
3. Sebastes imperialis Cuv. ist Standfisch ausserhalb Bergen, wo
er das ganze Jahr über zu erhalten, uud den Fischern unter
eigenem Namen bekannt ist.
4.5. Gobius Stuvitzii Nob. und G. linearis Nob., zwei nach Ver-
muthung neue Arten, beide von den bei uns früher bekannten
Gobien weit verschieden. Etwas mehr nähern sie sich dem
englischen G. albus Yarr., so, dass diese drei zusammen eine
natürliche Unterabiheilung innerhalb der Gattung zu bilden
scheinen. — Besonders merkwürdig ist vorzüglich die letztere
Art (von Christianssund und Bergen), sowohl durch die unge-
wöhnlich langgestreckte und zusammengedrückte Form des
Körpers, als durch die von den übrigen Arten höchst abweichende
Strahlenzahl: die erste Rfl. hat nur 2 Strahlen, die andere 20,
Bfl. 3, Anfl. 20 — 22, u. s. w.
6. Lophius eurypterus Nob. n. sp., von welchem ein Exemplar seit
“ langer Zeit hier im Museum aufbewahrt wird, und ich ein
anderes noch lebendes, in Christiansund erhielt. Er hat enorme
Flossen. Die Brustflossen allein nehmen einen grösseren Um-
fang ein. als der des ganzen Kopfes und Körpers.
10
11.
12.
13.
166
Chironectes sp. von Finmarken. Der Aufenthaltsort giebt Ver-
anlassung zu der Vermuthung, dass es eine noch unbeschriebene
Art sei.
Sternoptyx wahrscheinlich Olfersii, von Ranen in Helgoland.
Gadus (Merlangus) albus Risso, Standfisch hier an der Küste
und von den Fischern unter eigenem Namen gekannt.
Motella glauca X arr.—Couchia Thomps. Von diesem kleinen
schönen Fisch erhielt ich ausserhalb Bergen eine grosse Menge.
An ganz kleinen Exemplaren sind die Bauchflossen im Verhältniss
mehrfach grösser, als an erwachsenen und ihre äussere Hälfte
ist kohlschwarz; aber dieser schwarze Saum verschwindet bei
zunehmendem Wachsthum ganz, so, dass endlich keine Spur
davon zurück bleibt.
Rhombus megastoma Anglor.? Insofern Yarrells Beschrei-
bung und Figur, die einzigen uns zugänglichen, richtig sind,
müsste dieser eine geschiedene Art bleiben. Ihm mangelt z. B.
jede Spur von der doppelten Seitenlinie über den Brustflossen,
andere Ungleichheiten zu verschweigen. Auch dieser ist Stand-
fisch bei Bergen und unter eigenem Namen bekannt.
Cyclopterus minutus Pall., welchen ich hier anführe, weil er
im Begriff steht nicht nur aus der Fauna Skandinaviens, sondern
aus dem System zu verschwinden, als sei er, wie man ver-
muthet, nichts Anderes, als ein Junges von C. Lumpus. Es
ist bekannt wie Fries auf diese Vermuthung kam uud wie er
sie bewiesen. Wobei sich nur ein Zweifel ergiebt: ,‚Ist es so
ganz ausgemacht,‘ fragt Fries selbst, ‚‚dass der von Pallas
als C. minutus beschriebene Fisch identisch ist mit dem hier
beschriebenen Jungen von C. Lumpus?‘“ Die Antwort scheint
ihm bejahend ausfallen zu müssen, ‚, wenigstens bis dass Origi-
nalexemplar Pallas’s genauer untersucht worden, oder etwas
Anderes gefunden wird, welches die Richtigkeit der Beschrei-
bung bekräftigt.“ Gerade diess Letztere ist jetzt der Fall.
Hier an der Küste kommt nemlich, nicht gar selten ein kleiner
Cyclopterus vor, welcher noch näher mit der Beschreibung
übereinstimmt und niemals die geringste Spur zu Warzen oder
Stachelreihen zeigt, auch wenn er viel grösser, als der kleine
Lump ist, auf welchem diese Stachelreihen schon deutlich unter-
schieden werden können, und es scheint also dieser Fisch ohne
alle Frage der rechte C. minutus zu sein.
Lepadogaster norvegicus Nob., ein kleiner besonders schöner
Fisch, von welchem ich in allem wenigstens 50 Stück geschen
habe, die mit dem Bodenhamen bei Christiansund und Bergen
gefangen worden waren. Im Anfang hielt ich ihn für identisch
mit L. bimaculatus Yarr., aber so weit dessen Beschreibung
und Figur dabei leiten, wird es wohl eine neue Art.
166
Eine Untersuchung über den Bau der Haut bei den Echino-
dermen, besonders den Holothurien, macht den Gegenstand einer
anderen vollendeten Arbeit aus. Aus Mangel an vollständiger Lite-
ratur können wir nicht entscheiden, ob die von uns gefundenen
Eigenheiten nicht schon von Anderen bemerkt und beschrieben
worden, z. B. von Costa; aber diese Structur ist jedenfalls
sicherlich nicht an unseren Arten untersucht und eine solche
Anwendung davon gemacht, wie wir dafür halten, machen zu
können. Regelmässige perforirte, mit denen bei Synapta ana-
loge, und oft mit emem, dem Anker bei dieser entsprechen-
den, besonderen aufwärtsstehenden Theil versehene, Kalkschei-
ben, finden sich in der Haut aller Holethurien, und besonders
schön bei H. elegans und mollis. Auf den Füssen, der Mund-
haut, den Tentakeln, treten dergleichen Kalkstücke unter ande-
ren, aber gleich eigenthümlichen und characteristischen Formen
auf. Der Bau dieser Theile bei allen Eehinodermen kann un
gezwungen auf Modificationen von denselben Grundtypen zurück-
geführt "werden, und gleichwohl ist ihre Form bei verschiedenen
Arten so ungleich und zugleich so constant, dass jede von den
12 norwegischen Holothurien, die wir Gelegenheit gehabt haben
zu untersuchen, bestimmt werden kann, wenn man nur eine
kleine Scheibe von der Haut unter das Mikroskop lest. Die
Schwierigkeit in Spiritus gelegene Exemplare zu bestimmen,
wird dadurch grösstentheils verschwinden. Hier unser Verzeich-
niss der
Echinodermen Norwegens.
1—2. Comatula, zwei schr verschiedene Arten, von weichen die eine,
welche bis nach Christiansund hinauf vorkömmt die von Sars
beschriebene ist, die andere, welche sich hier auf dem Mu-
seum, von Egersund , findet, die bohuslän’sche zu sein scheint.
Keine von ihnen will auf die von Müller gelieferten Be-
schreibungen passen, doch ist die eine wahrscheinlich — C.
mediterranea, obgleich beide mehr cirri dorsales haben, die
eine ungefähr 50, die andere ungefähr 60.
3—6. Asteracantkion glacialis . F. Müll, — A. Müller: Sars. —
A. rubens L. — A. roseus ©. F. Müll,
7—8. Echinaster oculatus Linck. (= sanguinolentus Sars.), E. per-
tusus ©. F. Müll.? O. Fabr. in Danske- Vid. Selsk. Skrift. I,
mit einer kenntlichen Figur. — E. sepositus und sanguinolentus
M. et T. habe ich in Bergen nicht gesehen.
9—10. Solaster papposus L. et S. endeca L.
11. Chaetaster borealis nob. n. sp.
12. Pteraster militaris ©. F. Müll.
13 — 142 Astrogonium phrygianum Parel. et A. granulare O.F.Müll.
15.
167
Asteropsis pulvillus O. F. Müll.
16—19. Astropecten Mülleri nob. (= unserem gewöhnlichen A.
20.
21.
aurantiaca ©. F. Müll., aber weit verschieden von dem
‚rechten mittelländischen. Sie findet sich nicht unter allen
den Arten dieser Gattung welche M. et T. beschreiben. —
A. Parelii et Christii nob., zwei schöne Arten, beide von
Parelius in Trondhjemske Selsk, Skrivt. IV. erkenntlich
abgebildet und beschrieben; O. F. Müll., welcher niemals
einige davon gesehen, hat sie mit seiner A. aurantiaca ver-
bunden, wobei sie später verblieben. — 4. en nob.
n. sp. von Christiansund.
Ctenodiscus polaris Sab.. gemein bei Christiansund.
Luidia Sarsii nob. in Sars Arbeit von 1835 angeführt.
22— 25. Ophiolepis ciliata Retz., O. sguamata M. et T.., nicht selten
bei Christiansund; O. filiformis O. F. Müll. und O. scolo-
pendrica Linck.
26. Ophiocoma nigra ©. F. Müll.
27—28. Ophioscolex glacialis M. et T.? weicht von der Beschreibung
und Figur bei M. et T. durch einen ganz dünnen, kaum
merkbaren Ueberzug auf den Stacheln, durch weit kürzere
Mundpapillen und durch geringere Grösse ab: Durchmesser
der Scheibe 4”, Länge der Arme 12’, Farbe dunkelpurpur-
roth. — ©. n. sp. mit ausserordentlich langen Armen
29 — 31. Asteronyx Lovenüi M. et T. — Asterophyton Linckü; —
32.
A. Lamarckii?
Cidaris borealis nob. n. sp. testa subglobosa, utrinque depressa;
ambulacris spinulisque viridibus; spinis infimis (ori proximis)
compressis, margine alatis; intermediis eylindricis, longissimis,
diametrum testae duplo superantibus, superficie striis elevatis
acute crenatis subquindecim, interjeetis sulcis fere duplo lati-
oribus. Diam. 2} unc., long. max. spinar. 5 unc.
Echinus. a) pororum paribus ternis.
33.
34.
E. sphaera ©. F.M., testa subglobosa, rubente,, tuberculis sub-
aequalibus minoribus dense obtecta; spinis confertis, brevibus,
albis, versus apicem coarctatum plerumque violaceis; primariis
parum longioribus (hince series 20 tuberculorum majorum in
testa decorticata vix manifestae, ut in omnibus sequentibus). —
Frequens.
E. Flemingii Forbes, testa globoso-conica, dilute flavescente,
fasciis 20 rubris verticalibus secus series tubereulorum primari-
168
35.
36.
37,
vrum ornata; seriebus 20 tuberculorum majorum distinctissimis,
licet in areis ambulacralibus passim interruptis; tuberculis se-
cundariis in inferiore latere numerosioribus et majoribus; spinis
raris, flavis l. virentibus, basi purpureis; primariis subtriplo
longioribus. — Species pulcherrima , praecedentem magnitudine
interdum aequans, circa Bergen non infrequens, ad Christiansund
prorsus desiderata.
E. elegans nob. n. sp. testa depressa, coccinea; seriebus 20 tu-
berculorum majorum distinctissimis, numquam interruptis; se-
cundariis inferne nec numero nec magnitudine auctis; spinis ra-
ris coccineis, apice albis; primariis duplo triplove longioribus.
— Species, ut videtur, rarıssima, cujus 2 tantum exemplaria
vidimus prope Bergen ante aliquot annos a Doct. Koren lecta.
E. miliaris Lamck.? Forb. = E. saxatilis Müll.? testa de-
pressa, obscure virescente; seriebus 20 tuberculorum primari-
orum distinetissimis; spinis confertis, violaceo-purpureis, basti
virentibus; primariis subtriplo longioribus. — Frequens.
E. norvegicus nob. testa depressa, pallide flavescente, apice
maculis quadratis 5 rubris 1. virentibus notata; seriebus tuber-
culorum primariorum secus areas 10 interambulacrales distinctis-
simis et numquam interruptis, secus areas ambulacrales parum
distinetis et valde interruptis; spinis raris concoloribus, pallide
flavis, gracillimis, subsetaceis; primariis perpaucis, sed longis-
simis, (intermediis diametrum testae subaequantibus),, secunda-
rias sextuplo superantibus. — Ceteris omnibus minor, ad Chri-
stiansund frequens in fundo argilloso; ad Bergen rarior.
b) pororum paribus quinis.
38.
39.
40.
E. lividus Lamck.? Forb. — E. saxatilis Müll.? testa de-
pressa, livido-violacea, seriebus 20 tuberculorum majorum di-
stinctissimis; spinis confertis, albidis, violaceis 1. virentibus;,
primariis longioribus. — Frequens. Latent fortasse sub hac
specie duae distinctae, E. lividus et neglectus Auct., quod intra
aestatem extricare spero.
Fibularia ovulum Lam.ck. .
Spatangus purpureus O. ®. M.
41—42. Brissus lyrifer Forb., ceteris longe rarior. — (Micraster
Agass.) canaliferus Lamck.?
43 —44. Amphidotus cordatus Forb. — A. flavescens Müll. = A.
roseus Forb., wenigstens ist dieser hier an der Küste, und
wie ich glaube, auch in Bohuslän, unvergleichbar häufi-
ger, als der vorhergehende.
45 —46. Holothuria elegans; H. mollis ©. F. Müll.
47—51, Cucumaria frondosa Gunn., (welche bei Forbes unter
vier verschiedenen Namen vorzukommen scheint: C. frondosa,
pentactes, fucicola? und die junge, als Ocnus brunneus);
C. pellucida O, F. Müll, = hyalina Forb.; C. Drummondi
169
Forb., ohne Zweifel dieselbe, welche auf einer anderen
Stelle bei Forbes unter dem Namen von Thyone Portlockii
abgebildet und hier von allen die seltenste ist; — C.Hynd-
mannii Forb.; — C. lactea (Ocnus) Forb.
52—53. Thyone Fusus O. FP Müll. = T. papillosa Forb.; ihr
Mundring ist H. Penicillus O. F. Müll. — T. Baphanus
nob.n. sp.
54—55. Psolus Phantapus L.; P. sguamatus O. F. Müll.
56. Synapta inhaerens O.F. Müll. = Chirodota digitata Forb.;
S. Duvernoyi Quatref. steht dieser Art ganz nahe, scheint‘
aber doch davon verschieden zu sein.
57 —58. Sipunculus Bernhardus Forb.; S.n. sp.
59. Priapulus caudatus Lamck.
60. Echiurus vulgaris Sav.
61. Bonellia viridis Rol., bei Bergen. [Hsch.]
—.
Unter den Zoophyten muss ich ausser der in meinem
ersten Briefe erwähnten Anthea (S. p., 14) eine zusammen
gesetzte Actinie nennen, welche der Gattung Mammiillifera
anzugehören scheint. Sie ist so fest mit Sand inkrustirt, dass
dieser gleichsam in die Substanz des T'hiers selbst einverleibt
zu sein scheint, und alle Exemplare, die wir gefunden haben,
- waren von einem Pagurus bewohnt, welcher sich darin einquar-
tiert, oder sich aus der Masse des zusammengesetzten Thieres
selbst eine Höhle gebildet hatte. Ausser den früher erwähnten
Lernaeen auf Anthea und einer zusammengesetzten Ascidia,
haben wir eine dritte ganz besondere Form auf dem Rücken von
Squalus Spinax gefunden. [Hsch.]
Im Zusammenhang mit dem Vorstehenden suchte Hr.
Loven die Aufmerksamkeit der Akademie auf ein bisher, wie
es scheint, unbeschriebenes Meerthier zu richten, welches sol
che Eigenheiten zu vereinigen scheint, dass es für jetzt am
besten unter die Echinodermen geordnet werden dürfte. Der
vorgeschlagene Name ist [Hsch.]
Chaetoderma n. 9.
e classe Echinodermatum
(zeirn, seta, Ö£oue, cutis).
Tab. I.
Corpus vermiforme, teres, gracile, setosum, scil. aculeis tectum
confertissimis , simplicibus, rectis, ab antica parte (a), versus
170
postica (b) sensim majoribus; Os (ec) in antica fine inflata, an-
gustum, in disco situm orbieulari, leviter convexo; anus (d’)
in fine postica hiante, breviter tubulosus; branchiae (d'*,e)
binae, basi anum amplectentes, pinnatae, retractiles et cum
ano intra cavitatem infundibulifdrmem recondendae.
C. nitidulum n. sp. argenteo-nitens, disco branchiisque flavicanti-
bus; long. 8-linearis. — Hab. in argilla fundi 15—40 org. ad
oras Sueciae occidentalis. — Animalculum singulare a Priapulis,
Echiuris, ut videtur, haud alienum; eorumque familiae interea
4 adnumerandum.
Hr. J. E. Areschoug theilte in einem Briefe an den Hrn.
Loven folgende Beobachtungen über die merkwürdige Alge,
Achlya prolifera, mit. Ledermüller soll, Unger zufolge,
zuerst (Mikroskopische Ergötzungen, 1760) dieselbe beschrieben
haben, und Spallanzani, Lyngbye, Carus, Meyen
u. M. haben in Bezug auf sie eine und die andere: Beob-
achtung mitgetheilt. Dr. Hannover nnd Stilling (Mül-
ler’s Archiv f. Anat. und Physiol.), ferner Unger (Linnaea,
1843, S. 129,) lieferten in den letzteren Jahren so wichtige
Beiträge zur Entwicklungsgeschichte dieser Pflanze, dass wenig
oder nichts hinzuzufügen übrig ist. Von den Abhandlungen der
Letzteren kenne ich nur die von Unger in der Linnaea, wel-
che ich hier auch als bekannt annehme.
So viel ich weiss, ist diese Alge früher nicht in Schweden
beobachtet worden. Sie ist auch ein unbedeutender Recrut für
die schwedische Flora, aber desto merkwürdiger in physiologi-
scher sowohl, als ichthyologischer Hinsicht. Was die letztere be-
trifft, so habe ich zu dem von Unger Angeführten nichts hin-
zuzusetzen; rücksichtlich der erstern aber werde ich unten
einige Bemerkungen beifügen.
Die Achlya prolifera wächst, den Schriftstellern zufolge,
auf todten sowohl, als auf lebenden Wasserthieren und bewirkt
am Ende der letzteren Untergang. Im September 1842, berich-
tet Unger, starben in der Gegend von Grätz unzählige Indi-
viduen von verschiedenen Cyprinusarten, die alle mehr oder
minder von diesem kleinen Gewächse heimgesucht waren, wel-
ches allemal binnen 48 Stunden den Tod des gesundesten Fi-
sches verursacht. Unger impfte völlig gesunden Fischen das
Pflänzchen ein, und diese starben allezeit innerhalb der genann-
ten Zeit. Um sich davon zu überzeugen, dass die durch die
Impfung entstandene unbedeutende Wunde nicht die Veranlas-
sung zum Tode der Fische gäbe, verwundete er auf dieselbe
171
Weise, ohne Einimpfung der Pflanze, einige andere Individuen,
welche nicht das Geringste davon zu leiden schienen.
Am 3ten Mai dieses Jahrs, wo ich am Rande der Wall-
gräben von Gothenburg einige Conferven aufsuchte, ward ich
einen 16” langen Kühling (Idus) gewahr, welcher auf der Seite
schwamm. Bei meinem Versuche, ihn zu fangen, nahm er mit
sichtbarer Anstrengung seine Kräfte zusammen und fuhr mit
ziemlicher Hurtigkeit nach dem Grunde, war aber nach Verlauf
einiger Secunden wieder oben und lag auf der Seite, wie vorher.
Nun erhaschte ich ihn und leste ihn in ein Gefäss voll Wasser;
er lebte aber nur noch } Stunde lang, oder nicht einmal so
lange. Dass die Achlya prolifera seine Krankheit und seinen
Tod verursacht hätte, war nun leicht einzusehen ; denn auf bei-
den Seiten des Fisches etwas hinter der Rückenflosse und so
auch um die Schwanz - und Afterflosse bildete dieses Vegeta-
bile durch dicht mit einander verwebte Fäden Schichten von
verschiedener Breite, aber von 1—3” Länge und # oder 3” Dicke.
Der Rücken zwischen dem Kopfe und der Rückenflosse hatte
ein sammetähnliches Ansehen, welches von derselben Pflanze
in einem weit frühern Entwicklungsstadium verursacht ward.
Unter den erwähnten Schichten waren die Schuppen theils lose
geworden, theils abgefallen, und das hier und dort, während
der Fiseh noch: lebte, entblösste Fleisch war schon in dem
Grade von Fäulniss angegriffen, dass diese sich durch einen
unleidlichen Gestank in ziemlicher Entfernung zu erkennen gab.
Was noch ferner zu dem Untergange des armen Thiers beige-
tragen haben musste, war die Menge kleiner Würmer, Larven
und vor allen Infusionsthiere, welche sich in den von der
Pflanze verursachten Wundstellen aufhielt. In Wahrheit, ein
bemitleidenswerther Zustand!
. Ich legte mit der Achlya dicht hesetzte Schuppen in süsses
Wasser und versuchte, die Sporidien (deren Bewegungen ich
oft zu sehen Gelegenheit hatte,) zum Keimen zu bringen; aber
dies Letztere war eben so fruchtios, als jedes Bemühen, die
Pflanze selbst beim Leben zu erhalten, nachdem sie einmal von
ihrer Vegetationsstelle getrennt worden war. Hierauf, wie auf
einige von Unger’s Beobachtungen mich stützend möchte ich
glauben, dass die Sporidien sich ausschliesslich auf lebenden
Organismen entwickeln und die Pflanze selbst mit deren Tode
bald ihrer Auflösung entgegen gehe.
Unger besichneifkt die sporidientragenden Enden der Fäden
des G@ewächses als keulenförmig und giebt eine Zeichnung der-
selben; Schleiden (Grundzüge der wissenschaftlichen Bota-
172
nik, Th. I, S. 264,) erwähnt zweier Arten von Sporidien, näm-
lich 1) grösserer, welche in geringerer Anzahl in kugelförmi-
sen Sporangien gebildet werden, und 2.) kleinerer, welche
sich in grösserer Zahl in den unveränderten Endgliedern der Fä-
den finden. Ich für meinen Theil fand die sporidientragenden
Endglieder an den Fäden theils ganz unverändert, theils keu-
lenförmig und schliesslich auch kuglicht, ohne desswegen unter
diesen sämmtlichen Formen irgend einen bestimmten Unterschied
hinsichtlich der Grösse und Zahl der _Sporidien finden zu können.
Eine andere Bemerkung gegen Unger betrifft die Scheide-
wand zwischen dem Innern der sporidientragenden Enden und
der Fäden. Dieser Schriftsteller meint, indem er dasjenige an-
nimmt, was er eine merismatische Cellenbildung nennt, (End-
licher und Unger, Grundzüge der Botanik, S. 34,) dass jede
Scheidewand, welche sich in den Fäden dieses Gewächses fin-
det, eine reine Querwand sei und nicht der Boden einer einzi
sen oder die Böden zweier zusammenstossenden in der Mem-
bran des Fadens eingeschlossenen Cellen. Ich habe mich bei
der Achlya deutlicher, als bei mancher andern verwandten Alge
überzeugt, dass diese Scheidewand entweder der Boden einer
einzigen, in dem Faden eingeschlossenen Celle ist, oder dass sie
von den gegen einander gestellten Böden zweier Cellen herrührt,
und nichts steht der Ansicht entgegen, den Stoff, aus welchem
die Sporidien sich bilden, als Cytoblast zu betrachten, um wel-
chen eine Celle gebildet wird, welche von der Membran des
Fadens umschlossen, und deren unterer Boden die genannte
Scheidewand ist. (Unger, a. a. O., T. 4, Fig. 1, a.)
Die vorzüglichsten Synonyme dieses Gewächses sind
Vaucheria aquatica Lyngh., Hydrophyt. dan., Tab. 22 et p.
29, und Leptomitus clavatus Agardh, Syst. Algar., p. 49.
Uebrigens vgl. Unger, a. a. O., S. 148. [Cr.]
Hr. Professor Nilsson hatte dem Hrn. Sundevall brief-
lich mitgetheilt, dass er die Form der beiden Hasen, welche
in Skandinavien leben, so hinlänglich bestimmt verschieden von
einander befunden hätte, dass sie als 2 getrennte Arten zu be-
trachten wären. Er hatte, nachdem er vom Hrn. Probst Ek-
ström darauf aufmerksam gemacht worden war, sie in den Illu-
minerade Figurer till Skand. Fauna als 2 Varietäten vom Le-
pus borealis beschrieben, wollte sie aber nun unter folgenden
Namen aufführen:
178
Lepus borealis , Nilsson, Skand. Fauna, 1820; — var. collinus
(Backhare , deutsch: Hügelhase), Il. Fig. Pl. 19. — Wird im
Winter ganz weiss; nur die Spitze der Ohren ist schwarz ; das
Fell am Grunde weiss oder bleich.
Lepus canescens N. — Lep. borealis var. silvaticus (Mohare,
deutsch: Heidenhase), 1l. Fig., Pl.22. — Wird im Winter blau-
grau; unten weiss; die Ohren an der Spitze und dem grössern
Theile des hintern Randes schwarz; das Fell am Grunde grau.
Hr. Sundevall äusserte in Beziehung hierauf, dass er ein
paar Jahre hindurch ziemlich viele Exemplare von beiden Varie
täten verglichen und beschrieben und sie so constant befunden
hätte, dass kein Uebergang zwischen ihnen zu bemerken gewe-
sen wäre, wesshalb es das Richtigste seyn möchte, sie als zwei
Arten zu betrachten, obgleich kaum ein bestimmter Unterschied
in ihrer Gestalt hätte aufgefunden werden können. Die meisten
Arten der Gattung wären unter einander kaum verschiedener,
als diese.
Lepus borealis findet sicb durch ganz Skandinavien, aber
auf der schonischen Ebene nur als seltener Fremdling. Gegen
Norden geht er bis an die Küsten des Eismeers. Im Reichs-
museum existirt ein Exemplar, welches bei der Kirche von
Enare geschossen worden ist. Bei älteren Exemplaren ist das
Fell am Grunde, in der Sommer-, wie in der Wintertracht, fast
weiss; bei jungen Exemplaren aber heller aschgrau. Die Sommer-
tracht erscheint gewöhnlich etwas dunkler, als die des folgen-
den, und die Haare sind mit weisslichen Ringen versehen. Das
Schwarze der Ohrenspitze ist ungefähr 10 Millim. breit und
läuft nur etwa 1’’ weit nach der vordern Kante, aber nicht nach
der hintern hinab.
Lepus canescens ist die gemeine Art in Schonen, findet
sich im ganzen Göthalande neben der vorigen; um Stockholm
und im ganzen Svealande trifft man sie an gewissen Stellen
oder in gewissen Gegenden an; auf der Ebene von Upsala ist
sie weniger gemein, als die vorige; wird nordwärts seltner,
aber dennoch bis an den Storsjö in Jemtland angetroffen, von
woher Hr. S. ein Exemplar bekommen hat. Die Grundfarbe des
Fells ist immer aschgrau, sehr dunkel bei den jüngeren. Die
Sommertracht erscheint mehr gelblich graubraun. Das Schwarze
der Ohrenspitzen ist gewöhnlich ungefähr 20 Millim. breit und
läuft bis unter die Mitte des hintern Randes und etwa 1’ am
vordern hinab.
Einige wenige Verschiedenheiten in der. Form und der Pro-
portion scheinen sich wirklich zwischen diesen beiden Formen
#
174
zu finden; sie sind aber so wenig constant, dass sie als Cha-
raktere nicht angewandt werden können. Gewö
Ohr beim L. borealis, ohne die Haare auf der Spitz ze (welche
etwa 10 Mill. messen), beinahe um 3’ (10 bis 12 Mill.) länger,
als der Abstand des Ohrs von der Schnauzenspitze und etwa 50
Mill. kürzer, als der Hinterfuss von der Ferse bis zur Klauen-
spitze. Bei L. canescens pflegt das Ohr um 10 Mill. kürzer zu
seyn. Aber von beiden finden sich Exemplare, bei denen die
Ohren um 10 M. länger, oder um eben so viel kürzer sind, so
dass man leicht Exemplare von ihnen so auswählen kann, dass
sich die längeren Ohren bei L. eanescens finden. Ein gleiches
Verhalten hat bei allen den kleinen Formverschiedenheiten Statt,
welche ich zu finden geglaubt habe, z. B. dass der Kopf bei L.
borealis kürzer und gerundeter zu seyn pflegt; aber es verhält
sich mitunter umgekehrt.
Beide unterscheiden sich deutlich durch den kurzen, ganz
weissen Schwanz vom L. limidus (oder besser L. europaeus )
im übrigen Europa, welcher einen längern, oben schwarzen
Schwanz besitzt, ferner vom L. glacialis in Nordamerika und
Grönland, welcher nur einen Büschel von schwarzen Haaren
auf den Ohrenspitzen, an der Spitze breite, stumpfe, herabge-
drückte Klauen und um etwa 1’ kürzere (140 Mill. vom Fer-
sengelenke bis zur Klauenspitze) Hinterfüsse hat. — Die fol
sende Tabelle giebt die Maasse, welche ich bisher von frischen
Exemplaren genommen habe. Alle Ziffern bedeuten Millimeter,
von denen %5 auf 1’ schwed. gerechnet werden können.
75
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- d 545 75 | 112 105 59 49 110 119 92 | 200 12 —
- e 500 47 | 107 99 52 44 — .,107..82 188.149 —
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Ef - g 530 68 | 107 97 56 44 110 720 89 | 19 15 —
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Z)9 i 540 75|116 — 62 45 —_.";.120...:91..,220 175. —
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- 9 570 66 | 110 100 55 46 108 115 87 | 197 161 —
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@( - e 520° 53 | 103 98 55 al 110 118 86 | 198 12 —
s\- f53 1/18 — — — 98 108 85 ; 200 160 —
a\- s 550 58 | 113 112 60 48 115 125 96 | 213 176 —
-"h 533 50 | 107 94 54 48 {03 112 87 | 201 19 —
L. borealis a) Südl. Schonen, 29. Dechbr. 1831, b) Stockholm, Febr.
1843, c) Jemtland, Febr. 1843, d, e) Sieckholm, März u. Apr.
1843, f, g) Stockholm, Oct. u. Nov. 1843, h, i) Norrla:d, Jan.
1844, k) Stockholm, April 1843, D) (juv.) p) Stockholm, Oct. —
Dec. 1843.
L. canescens a) Südl. Schonen, 29. Dee. 1831, b) Stockholm, 3.
Apr. 1843, c) (juv.) Upsala, 8. Dec. 43, d) Stockh., Aug., 43,
e) (juv.) Stockh., 16. Aug. 43, f) Norrland, Jan. 44, g) Jemt-
land, Jan. 44, h) Dalekarlien, Febr. 44.
Bem. Die Länge des Schwanzes (80) bei L. canescens, d,
ist nicht falsch geschrieben. Das Messen der Ohren
mit den Haaren ist nicht so sicher, als ohne diese.
Auf Veranlassung des Obigen führte Hr. Professor Ceder-
schöld an, von einem sehr glaubwürdigen Manne unter seinen
=
AE*
N
»
Kal “
176
Bekannten erfahren zu haben, dass derselbe ai
Junge aus dem Leibe eines trächtigen Hasenweib genom-
men hätte und dass diese am Leben geblieben und von einer
Katze gesäugt worden wären.
[Cr.]
m——— 1.
| Sitzung am 11. September.
Hr. Freiherr Berzelius theilte aus einem Schreiben des
Hrn. Oberintendanten Nordenskiöld, dat. Uleäborg d. 2. Aug.
1544, Folgendes mit:
„Von einer Reise nach Kuusamo bis nach der Archanr-
gel’schen Gränze hinab zurückgekehrt nehme ich mir die Frei-
heit, einige Worte über diese Reisetour zu schreiben. — Ich
hatte nämlich Gelegenheit, mehre Beobachtungen rücksichtlich
der Richtung der Riefen zu machen, welche zu meiner nicht
geringen Verwunderung die von Böthlingk früher gemachten
völlig bewahrheiteten. Die Abweichung von Norden, welche
halbwegs von Uleäborg bis Kuusamo sehon bis zu 52° W. stieg,
wurde auf dem Erdrücken bei der Kirche zu Kuusamo an einem
Berge, welcher von Erde zum Anlegen eines neuen Landweges
entblösst und wenigstens 1000’ hoch über dem Meere war,
50° W. *) und stieg weiter östlich bis auf 70°, 74°, endlich
ganz nahe an der russischen Gränze an einem wenigstens 1600 '
hohen Berge, auf 84° W. bei sehr deutlichen Spuren, dass die
Fluth von Westen (mit 6° nördlicher Abweichung) gekommen
und nach Osten gegangen war. Dass Riefen an so hohen Ber-
gen beobachtet werden können, kommt daher, dass sie zum
srössern Theile mit Erde überdeckt sind und dass, wenn diese
Bekleidung abgedeckt wird, sich die Oberfläche durchaus nicht
angefressen, sondern so, wie sie ursprünglich gewesen ist, zeigt;
da, wo die Oberfläche bloss war und ist, ist sie ganz rauh, aus-
genommen an den Quarzadern, an welcher Gebirgsart sich sel-
ten Riefen zeigen, weil sie zu hart ist und nur abgeschliffen
wird. — Ich zweifle jetzt nicht mehr daran, dass Böthlingk -
am Eismeere die Stossseite nebst der Direction der Riefen rich-
tig beobachtet habe; wie aber dies mit der Idee von einer allge-
meinen Geröllfluth vereinigt werden könne, ist eine andere
Frage.“ |
„Etwas sonderbar ist es mit der Verwitterung der oben ge
*) Soll dies vielleicht 600 W. heissen ? F
'>D. Uebers %
u
177
nannten Gebirgsart. "Vorzüglich in solchen Sümpfen, in denen
das Wasser sehr braun ist, verwittert der rothe Feldspath und
wird abfärbend, auf der Oberfläche, als wäre er Kreide. Am
Diorite wird die Hornblende auf der Oberfläche hellgrün, und der
Feldspath (Albit?) verwittert erst bis in eine Tiefe von 1—2”;
aber dies geschieht nur an dem Theile des Steins, welcher vom
Wasser umgeben ist, aber von Zeit zu Zeit trocken liegt; der
in der Erde liegende Theil des Steins ist ganz unangefressen.
Ich besitze aus dem Diorite solche kleinere Steine, welche am
obern Theile angefressen sind, aber am untern die Geröllab-
schleifung ganz unangegriffen zeigen. Thon entsteht nicht aus
diesem Zerfressen des Feldspaths, sondern nur ein weisses, gro-
bes Pulver, welches man an seinen Stellen zu dünnen Schichten
angehäuft findet.“
„Von Mineralien fand ich krystallisirten Rutil (sonst nicht
‚in Finnland gefunden) und ein Mineral, welches dem Titaneisen
. gleicht, sich aber leicht schmelzen lässt.“
In Bezug auf Obiges führte Hr. Loven aus einem Schrei-
ben vom Hrn. Murchison, welcher auf einer Reise durch
einen Theil von Norwegen und Schweden Kenntniss von den
Riefenphänomenen, so wie sie sich hier zeigen, genommen
hatte, Folgendes an: „Ich bin im ganzen sehr zufrieden mit
meiner Reise von Stockholm hierher (nach St. Petersburg) ; denn
sie gab mir ein so vollständiges ‚„Expose“ von dem, was man
Stoss- und Lee-Seiten bei den krystallinischen Gebirgsarten nennt,
dass ich von der Wirklichkeit der grossen Operation , über
welche Sefström’s Arbeiten so viel Licht verbreitet haben,
völlig überzeugt bin. [.Cr. ]
En
Hr. Wahlberg äusserte, dass er diesen Sommer auf den
Blättern des gemeinen Rheinfarn (Tanacetum vulgare), in Menge
Aphis tanaceticola Kaltenb. gefunden, welche einen rothen
Farbestoff enthielte, der ihm schiene zu verdienen in techni-
scher Hinsicht näher untersucht zu werden.
[Hsch.]
Hr. Boheman führte an, dass er im verflossenen August
während einer Reise nach Smäland, eine Menge, der Formica
rufa gehörende Ameisenhaufeu untersucht, und obgleich Witte-
12
BIN, P
PER. 550
178
rung und Jahreszeit zu solchen Forschungen weniger günstig
gewesen, seien doch folgende 26 Arten Inseeten gefunden: wor-
den, von welchen die Hälfte für. Skandinavien ' neu ist. (Die
mit ” bezeichneten halten sich nur zufällig unter ‘Ameisen auf).
Cryptophagus glaber Gyllenh.; *C. cellaris Gyllenh.; Peilium
evanescens Marsch.; P.haemorrhoidale Motschoulski; Tri-
chopteryx picicornis Mannerh.; Scydmaenus Godarti Gyl-
lenh.; * Sunius (Paederus) angustatus Gyllenh.; Quedius bre-
vis Erichs.; Leptacinus formicetorum var: ß. Märkel.; Ale-
ochara angulata Erichs.; Oxypoda myrmecophila var. #.
Mannerh.; O. formiceticola Märkel.; Homalota (Aleochara)
flavipes Gyllenh.; H.anceps Erichs.; H.parallela Mannerh,;
Dendrophilus (Hister) pygmaeus Gyllenh.;*Paromalus (Hister)
flavicornis Gyllenh.; ” Hypophloeus depressus Gyllenh.; * Ce-
rylon histeroides Gyllenh.; Monotoma conicicolle Guer. v ß.
undique testacea; Corticaria formicetorum Mannerh.; Myrme-
coxenus subterraneus Märkel. |
Anthocoris formicetorum n. sp.: nigra, antennis pedibusque testaceis,
thorace obsolete punctulato, hemelytris pallide testaceis, mem-
brana albicante. — Long. 1 lin.
Passim in societate eum Formica rufa.
Obs. A. exili proxima, sed dimidio minor, thorace antice non
rugoso, membrana albicante, ab illa facile distineta. Variat
interdum femoribus medio leriter infuscatis. |
* Tingis pusilla Fall.; *T. capitata Fall.; * Bryocoris palustris
Fall. [Hsch.]
Hr. Sundevall zeigte an, dass über Sommer die von dem,
"in dem Kaffernlande reisenden, Hrn. J. Wahlberg erwarteten
Sendungen angekommen -seien. Diese Sammlungen sind die
letzten über welche von Hrn. W. Nachrichten eingegangen,
die grössten welche von ihm heimgesendet und im Allgemeinen
die reichsten welche jemals auf einmal nach Schweden gebracht
worden. Sie können auch bestimmt die schönsten genannt wer-
den in Hinsicht auf die ausgezeichnete und versichtige Conser-
vation der Exemplare, die mit Etiketten versehen, auf: welchen
Tag, Ort und verschiedene andere Data für jedes Exemplar
grösserer Thiere angegeben sind. Sie füllten 12 grosse Kisten,
wovon Drei 33 Ellen lang und ungefähr 2 Ellen breit und hoch
waren. Darin waren enthalten 192 Säugethiere, 860 Vögel,
eine grosse Anzahl Amphibien, Fische, Skelette (z. B. vom
Rhinoceros, Hippopotamus, mehreren südafrikanischen: Antilo-
pen u. s. w.) und eine Menge wirbelloser Thiere in Spiritus
Pe
179
oder getrocknet: Prof. Boheman hat schon die Insecten
auszupacken und provisorisch zu ordnen begonnen und gefunden,
dass die auf Nadeln gestochenen Stücke, folgende Anzahl betra-
gen: Coleoptera 1617 Arten in 5270 Individuen, Orthoptera 36
A. 51 I., Hemiptera 292 A. 657 I., Lepidoptera 269 A. 546 I.,
Neitropters 20 A. 42 I., Hymenoptera 124 A. 169 I., Diptera
203 A. 396 1., Woterk 15 A. 40 1., im Ganzen 2576 Arten,
7171 Individuen.
Ausserdem enthält diese Sendung noch Nester und Eier
von einer ganz bedeutenden Anzahl südafrikanischer Vögel;
Pflanzen, sowohl getrocknete, als Früchte, Stämme, Schwämme,
Flechten u. s. w.
Diese Sammlungen sind bis weiter nur unter Obhut des
Reiehsmuseums deponirt, ohne dass eine ihre Erwerbung für das
Museum betreffende Unterhandlung vorgenommen worden, da
wan noch hofft, dass das Gerücht von Hrn. W. Tod ungegrün-
det sei.*) |
Bis jetzt ist noch keine Zeit dazu gewesen die näheren Un-
tersuchungen anzustellen, welche diese Sammlungen in so ho-
hem Grade verdienen, weshalb kein anderer Bericht üher die
vielen, für die Wissenschaft neuen Arten und Aufklärungen,
welche sie enthalten kann geliefert werden, als dass mit Sicher-
“ heit angegeben werden kann, dass sie sehr viel Neues aus allen
Thierklassen, sogar den beiden höchsten, enthalten. Für diess-
mal beschränkt sich Hr. S. auf folgende Thierart:
Cercopithecus Samango Wahlbg. n. sp. Unter diesem
Namen hat Hr. J. Wahlberg eine Art Affen gesendet, wel-_
che Hr. S. für bis jetzt unbeschrieben hält. Sie gehört unter W
die grössten Arten der Gattung Cercopithecus und kann durch
folgende Beschreibung characterisirt werden:
C. cinereus; pilis 1acente variegatis, ee nigro, pallidopun-
ctato absque fascia frontali pallescente; brachiis
totis nigris. — Mas adultus longitudine ad basin caudae Om,
59; caudae longit. O, 77. Facies nigricans genis totis dense pi-
—
*) Zufolge einer brieflichen Mittheilung des Hrn, Prof. A. Reizius vom
28sten Oct. 1844 ist diese Hoffnung in Erfüllung gegangen. Derselbe
schreibt mir: „wir erwarten Wahlb erg im Herbste zu Hause.
„Er ist in Ländern gewesen dic früher, so viel man weiss, kein
„europäischer Fuss betreten, und welche, so viel man nach sei-
„nem bis jetzt augekommenen kurzen Briefe schliessen kann, kaum
„von Menschen, aber desto mehr von zahlreichen, zum 'T’heil 2
„Lossalen, wilden 'Thieren bewohnt sind.“
Anm. d. Re dat.
12°
180
losis, colore corporis. Labium superius usque ad nasum et in-
ferius cum mento sparse albidopilosa; macula ante genas nigra.
Aures intus et margine albidopilosae. Gastraeum pallescens.
Pili gulae et juguli lanati, densi, breves, albidi. Antipedes
tantum in antica humerorum parte variegati. Pedes posteriores-
extus obscure cinerei, albido - variegati. -Manus omnes_nigri.
Cauda a basi ad medium albida, linea superiore fusca; dein
sensim nigra. — Femina parum minor, similis mari. — Pulluli
usque a longitudine Om, 25, colore parentum.
Dieser Affe ist von Hrn. W. in Haufen zu Amazulu im Kaf-
fernlande innerhalb Port Natal, im Mai und Juni 1841 gefunden
worden. Er hält sich in dem dichtesten Wald in den Kronen
der Bäume auf. Wenn man so glücklich ist ihm unbemerkt
nahe zu kommen, bleibt er still sitzen, sich unter dem Laube
verbergend,, so dass man einen um den anderen niederschiessen
kann; aber gewöhnlich flieht er wenn der Jäger noch weit ent-
fernt ist. Im Mai und Juni hatten sie kleine Jungen. Samango
ist ihr Name unter den Kaffern. [Hsch.]
Endlich führte Hr. S. noch an, dass er während seiner An-
wesenheit in Gothenburg unter den dortigen schönen. zoologi-
schen Sammlungen ein Exemplar von Motacilla alba mit schwar-
sem Rücken gesehen, welches dieselbe Varietät sei, die in
England gemein vorkomme, von den englischen Zoologen für
eine eigene Art gehalten und M. Yarrelli genannt werde. Die-
ses Exemplar war den 2lten März 1843 in der Nähe von Go
thenburg geschossen worden. Diese Varietät scheint früher in
Norwegen bemerkt worden zu sein und dürfte vielleicht regel-
mässig einen Theil (z. B. den westlichen) von diesem Lande
bewohnen. Möglicherweise hatte sich diess Exemplar an die
schwedische Küste verirrt, gleichwie z. B. das. Exemplar von
Mot. flava var. capite nigro, welches S. selbst im März 1838
bei Gothenburg sah. [Hsch.]
Anm. Det Literaturbericht folgt im nächsten Hefte. D. Red.-
vE
72 Bee ehr She u de A le ce
Eine botanische Betrachtung.
"Von
hr Di. Elias Fries.
Ueberseizt von Dr. C; T. Beilschmied *).
Woch in jedem Frühlinge wird das grosse Drama des dritten
Schöpfungstages aufgeführt, wo zuerst ‚„‚die Erde aufgehen liess
Gras’und Kraut,“ und dieses wahrhaft poetische Schauspiel, die
Wiedergeburt des Lebens, ist das fröhlichste Fest der ganzen
Natur. Wegen der Mannigfaltigkeit und Schönheit seiner For-
men ward ‘es von Alters her ‚‚formosissimus annus‘“ genannt;
und welche Zauberkraft liegt daher nieht schon im Worte Früh-
ling! »Es giebt auch nur’ wenige Dinge, welche Skalden öfter
und lieber besängen; nichts, das lebhafter in jedem Wesen
Empfindung und Lebenslust weckte**). Und was bringt nicht
der Frühling der Pflanzenwelt? Erwachen zu neuem Leben!
Und dem Botaniker ? Kaum weniger. Deshalb verdient er wohl
auch vom botanischen Gesichtspunkte aus betrachtet zu werden.
Ist denn im Norden der Frühling so herrlieh und schön?
'Gewöhnlieh wohl in der, hier buchstäblich grünen, Hoffnung,
doch in der grauen Wirklichkeit selten, wenigstens hier um
*) Aus E. Fries Botaniska Utflygter, Bd. 1, S. 211 — 256.
**) Das war wohl einer der ergreifendsten Ausdrücke von Melancholie,
als Jemand wünschte, der einförmige Frühling möchte einmal zur
Abwechselung blutroth ausfallen.
13
182 Der Frühlin g:
Upsala. „Des Lenzes Blumen“ sind auf der offnen kahleti
Flur recht dünn gesäet; „des Frühlings laue Winde,“ „Zephyr’s
Hauch ‚“ sind meist eine Sage, vom Lande der Hespetiden er-
borgt. Doch warum gerade da klagen, wo man von dem höherri
unvergänglichen Frühlinge im Menschenleben, den herrlichen Blü-
then im Jünglings-Gemüthe umgeben ist! Dieser heitre geistige Lenz
wird nicht umdüstert von den sonst so gepriesenen „Maiwolken“
des natürlichen, die im Norden oft gefrorne, erhärtete Thränen
herabgiessen. Wie lang-ersehnt ist nicht dennoch jeder Bote
des Frühlings! Wie lieb uns jeder Gruss aus Süden mit den
zum Neste ihrer Kindheit zurückkehrenden Zugvögeln! Und noch
ist die nordische Frühlingszeit eine gefesselte Andromeda, die
erst Perseus befreit, eiti schneetropfender '@alanthus, welcher
auf seiner weissen „Blumenblätter Spitze nur halb-gesagt des
Frühlings unaussprechliche Worte trägt.“
So klagte vor mehreren. Jahren der Fremdling aus Süden,
als er der späten Ankunft des Frühlings bei uns gedachte *). Da-
mals waren erst wenige Winter vergangen, seit er die Buchen
seiner Heimath in ihrem grünen Frühlingsschmucke gesehen, —
und der Botaniker bedarf, gleich der Pflanze (beide sind an die
grüne Grasmatte gefangen gegeben, obgleich Blume und Geist
beide nach dem Lichte streben), Zeit zum Acelimatisiren. Seit-
dem sind, gleich einem codez rescriptus, neue Bilder auf ‘die
Blätter der alten Erinnerung aufgetragen worden — und: auch
wir erlebten mildere, freundlichere Winter im höhern Norden,
ohne jene unahlässigen Rückfälle des Winters, den hartnäckigen
Frost, dessen Crisis erst die Sommersonne vollendet. Bei der
Aufmerksamkeit, die jenem Aufsatze geschenkt wurde, halten
wir uns für verpflichtet, nicht allein diese Milderung unsers Ur-
theils gleichfalls zu berühren, sondern auch die Grundzüge einer
Geschichte des Frühlings ausführlicher darzulegen: ‚wir: betrachten
dabei theils sein Vorschreiten, theils die verscniedene Physiogno-
mie desselben in verschiedenen Zonen, ferner die vielen Eigen-
thümlichkeiten der Blumen , und wagen endlich: einen scheuen
Blick in des Frühlingslebens wunderbare Werkstatt, wo. Myria-
‘den pflanzlicher Atome (möge ein bildlieher Ausdruck erlaubt
sein) in kurzer. Zeit die Fäden spinnen zu. der: Bekleidung, der
Bäume und dem grünenden Teppich der. Erde.:, Beobachten: wir
einen Bienenstock, einen Ameisenhaufen, eine Üorallenbank:
welch wimmelndes Meer von Leben und Thätigkeit gewahrt un-
| a
*#)' Pr. in Lindhlom’s Bor. ap 1839, 9. 383 . ‚1840, 65
bis 71. '
Der Frühling. 183
ser'Auge! Aber jeder «Baum bildet gerade eine ähnliche Ge-
meinde (und wer kann im Walde deren Zahl nennen!); jede
seiner Knospen ist eine eigene Pflanze *) mit individuellem Le-
ben, die sich wieder in unzählige Individuen mit besondern Fun-
cetionen zergliedert,; obschon alles so innerlich, organisch ver-
schmolzen,. dass es unsern Blicken nur: als ein ganzes Bild
erscheint. Welches Gemälde, vermöchten unsre Augen nur einen
Lenztag in jenes innere Wirken zu schauen! Nicht bloss im
" unendlich Grossen liegt eine ganze Welt über unserm natürli-
chen Gesichtskreise: auch im unendlich Kleinen, nicht minder
wunderbar ”*). Der sich so gern vergötternde Mensch sieht doch
nur ein Bruchstück mitten aus der Kette der Dinge, ohne ihren
Anfang oder ihr Ende zu erahnen. Der von beiden Seiten heran-
dringende forschende Menschengeist ermüdet, und er schwindelt
entweder oder läuft in. den+Hafen an den abstracten Begriffen
Zeit und Raum, Unendlichkeit und Ewigkeit. — Da steht in die-
sen‘ Frühlingstagen ein mit tausend Blumen beschütteter Mispel-
baum vor ünsrem Fenster: in der innern Kraft, welche jene ge-
trieben, den zahllosen Elementar - Organen; die sie ernährt, se-
hen wir eben so gut eine Allmacht und Unendlichkeit wie in der
Summe aller : Weltsysteme; in jeder Knospe liegt die Anlage
zur Entwickelung ins Unendliche; in jedem Samen die in eine
Ewigkeit.
Wird nur der leitenden Idee beigestimmt (andernfalls würde
jede Darstellungsform misglücken ***)), so verlässt man gern
den Wortschwall, den die eilende Feder so leicht hinschreibt
ohne an’s Wiederausstreichen vergeblicher Worte zu kommen,
und darum wünschten wir nur erst.den Leser für unsern Gegen-
stand zu gewinnen; bei der Bestimmung dir Aufsatzes zum
Einleiten des bevorstehenden Lorbeerfestes, des wissenschaftli-
chen Lebens Kranzes seiner Frühlingsblumen mit ein und der
andern eingeflochtenen fünfzigjährigen ewigen, scheint die
Betrachtung seines Abbildes in der äussern Natur unter allen
am nächsten zu liegen. Nichts desto weniger werden wir der
Abhandlung all den wissenschaftlichen Inhalt, der uns möglich
ist, zu geben, bekannte Thatsachen: in neue Combinationen zu
‚*) Was schon Aristoteles einsah.
A) Vgl. Linne’s Abhandlung de mundo invisıbılı.
wo) Hierin liegt der, Grund zu der verschiedentlichen Beurtheilung der=
"selben oder gleichartiger Schriften; jeder selbstständige Autor muss
jedoch gleich dem Fiusse ungetroffen davon seine Bahn gehen
können, wenu er nicht im Sande verschwinden will.
13*
184 Der Frühling.
bringen suchen. Dichter, Denker, Künstler mögen ihren Ge-
genstand zu idealisiren und zu verschönern suchen ; ‘der Natur-
forscher hingegen wird stets gemahnt zu erkennen, dass seine
Zeichnungen nur unvollkommne Nachbildungen seines unendli-
chen Originals, dessen Schönheiten alle er vielleicht in glückli-
chen Stunden dunkel ahnt, aber vergeblich versuchen würde auf
das Papier überzutragen. Eben das Anziehen endlicher Gestalt,
das Ausprägen in Scheidemünze der Wörter, ist der Sündenfäll
der Ideen, das malum metaphysicum der Alten. Darum klagen
so oft mit Kepler die Männer der Zukunft der Wissenschaft,
dass ‚„‚calamus in verborum anguslis titubat,“ und, wer niemals
über das gegenwärtig Bestimmte hinausgeschaut, hat wohl nie
das innre Leben der Natur geahnt. Hüten wir uns jedoch, mit
der ehemaligen Naturphilosophie darin die gegenwärtige, beste-
hende Wissenschaft zu sehen; es sind nur nebelumhüllte,; stür-
mische Frühlingswetter für einen kommenden Sommer, oder
Spiegelung neu dämmernden Tages. Aus jener Verwandtschaft
mit dem Lenze erklären sich auch die Sympathien aller lebhaf-
tern jüngern Gemüther für denselben, und mögen Machthaber
der Wissenschaft, die welche ausschliesslich in den Ideen der
Gegenwart leben (die nur in denen der Vergangenheit lebenden
sind die Hypochondrie der Zeit), nicht mit den Wilden das neu-
geborne Kind aussetzen, dessen künftige Laufbahn Niemand
voraussagen kann, sondern nur des heranwachsenden Eigenmäch-
tigkeit und Üebermuth zurechtweisen, damit es nicht dadurch
sich selbst verliere. Qui vero, sagt Baco, de natura, tanquam
de re explorata, pronuntiare ausi sunt, sive hoc ex animi fidu-
cia fecerint, sive ambitiose et more professorio, mazimis ill
seienlias affecere detrimentis. ne
In der Natur, dem grossen Ganzen, das wir für unser ein-
geschränktes Auflassungsvermögen zersplittern, finden wir nir-
‚gends die scharfen Gränzen, die wir so gern in unsern wissen-
schaftlichen, wenigstens den systematischen, Werken festzustel-
len suchen — und dass dieses auch auf die Bestimmung des
Anfangs und Endes des Frühlings völlig anwendbar ist, fällt in
die Augen, indem dieser so unmerklich den Winter ablöset und
ebenso zum Sommer reift. Im ganzen Vorliegenden ist nichts
schwerer zu beautworten, als: wenn haben wir Frühling? Ihn
nach dem Kalender zu bestimmen geht nicht an. Manche wür-
Der Frühling. 185
den ihn vom Aufgehen des Eises an rechnen: aber im südlichen
Schweden (letzten Winter auch hier zu Upsala) tritt dieses zu-
weilen mitten im ‘Winter mehreremal ein; Andere vom Beginn
der Säezeit: aber ausser dem dass dieses gar zu spät ist, ist
derselbe ohne Regel in den verschiedenen Landschaften; für
den Botaniker wird es unzweifelhaft am natürlichsten, den Früh-
ling. nach den Erscheinungen im Pflanzenleben zu rechnen: vom
Schwellen der Knospen und den bald darauf folgenden ersten
Blüthen, namentlich Corylus, Galanthus, Daphne, Salix da-
phnoides, Eriophorum vaginatum u. a., obgleich öfters nach
dem Blühen der zuerst genannten scharfe Recidive des Winters
nachkommen können. Diese Erstlinge des Frühlings erscheinen
natürlich in verschiedenen Gegenden und Ländern ungleichzeitig;
aber besondere Aufmerksamkeit verdient es immer, welche an
jedem’ Orte zuerst blühen: im westlichen Smäland ist es Cory-
dus und Eriophorum vaginatum. Dabei ist indess zu beachten,
dass man sich nicht an selche Blumen halten darf, die den
Winter über gestanden haben oder an sich typisch Herbstblumen
sind, wenn sie gleich gewöhnlich im Frühjahre blühen. In
Schonen ist in manchen milden Wintern der Rasen das ganze
Jahr grün und sind frische Blumen, näml. Bellis perennis, im
Januar und Februar auf demFelde zu pflücken. Eben so dauern
Stellaria media, Lamium purpureum, Viola tricolor u. a. über
Winter, auch im mittlern Schweden, und vermögen im Winter
zu jeder Zeit, wenn milderes Wetter einfällt, neue Blüthen zu
treiben. Sie zeigen demnach vielmehr einen milden Winter als
ein zeitiges Frühjahr an *). |
Gar nicht in Betracht zu ziehen ist Helleborus niger: die-
ser ist eigentlich eine Winterblume, die beim ersten mildern
Wetter während des Winters Blüthen treibt. Galanthus aber
ist, obschon zeitig, doch eine wirkliche Frühlingsblume: bei
späten Frühjahren fanden wir ihn aus eisbedecktem Boden her-
vorgewachsen, von tiefem Schnee bedeckt, jedoch se ausgebil-
det, dass er ausgegraben innerhalb 24 Stunden in der Sonne
seine Blumen ausbreitete. Auch soll er im mittlern Europa un-
—__ nn
#) Wir wissen überhaupt genau, bei welchem 'Temperaturgrade ex»o-
tische Gewächse bei uns erfrieren (die tropischen z. B. bei + 10
bis 440); „ber kaum won einem unsrer einheimischen, wie viel
Grade Kälte sie aushalten können; wir :erschliessen es nur ans ih-
rem Vorkommen in grösserer Höhe oder weiter gegen den Pol hin;
dies genügt aber gar zu wenig, dass nicht direete Beobachtungen
in dieser Hinsicht sehr wichtig wären. Dagegen leidet der Same
von fast gar keiner Pflanze durch Kälte.
”
186 | Der Frühling.
ter Schneegewölben blühend vorkommen ‚ wo. die Bodenwärme
von unten den Schnee hinweggeschmolzen. Noch andere, die
erst im Frühjahre blühen, z. B. Tussilago Farfara, halten wir
typisch für Herbstblumen, aus Gründen, worüber weiter unten;
auch fand sie sich hier im letztvergangenen Herbste und wäh-
rend des ganzen letzten Winters blühend. Wie Pflanzen durch
innre und äussere Ursachen 'zu einer andern Blühzeit kommen
können als die ihnen typisch zukommende ist, davon hat man
mehrere Beispiele. Auch die eigentliche Herbstblume Colehi-
cum autumnale blüht erst im Frühlinge, wenn sie an Stellen,
die früh im Herbste überschwemmt werden. Von Frühlingsblu-
men aber, die sich vor der Zeit im Herbste entwickeln können,
giebt es viele Beispiele, z. B, an Obstbäumen, wenn diese im
Herbste zum zweitenmal blühen. In Bezug hierauf erwähnen
wir folgender merkwürdigen Thatsache: Der berühmte Thouin
zu Paris hatte zur Winterszeit an Demidoff in Moskau eine
Sammlung edler. Apfelsorten gesendet; diese gelangten erfroren
an ihren Bestimmungsort: hier wurden sie, damit sie nicht durch
Wärme Schaden erlitten, in einen Eiskeller gebracht. ‘Zu An-
fange des Frühjahrs wurden sie wieder herausgebracht ‚'um ver-
pflanzt zu werden; einer der Kästen wurde aber zufällig’ verges-
sen und dies das ganze Jahr hindurch und so blieben die Bäume
darin so lange gefroren: im folgenden Jahre wurden sie endlich
wie die des ersten Jahrs verpflanzt, und nun schlugen sie aus
und wuchsen nach 18-monatlichem Winterschlafe *). Man kennt
eine Menge ähnlicher Facta; ich sah selbst einen Platz, der im
Winter über dem Schnee mit einer tiefen Lage von Holzspänen
u. dgl. bedeckt wurde: als im September der Platz: gereinigt
ward, erschien er noch mit Eis bedeckt, im folgenden Frühjahre
aber fanden sich alle die perennirenden Pflanzen ein, die früher
an der Stelle gewachsen waren. In arctischen Ländern scheint es
nichts Ungewöhnliches zu sein, wenn die Schneegränze nach
Verschiedenheit der Jahre auf- und abrückt, und Ramond
nimmt an, dass manche Alpenpflanzen gewöhnlich unter Schnee
begraben sind und nur in einzelnen milden Sommern zur 'Ent-
wickelung gelangen, so dass manche derselben durch ein Jahr-
hundert nur in zehn Frühlingen auflebt **).
Die angeführten Beispiele bestätigen genügend die Abhän-
gigkeit des Pflanzenlebens und der Blumen von äussern Momen-
an
*) De Candolle Physiol. veget. p. 1031.
**) Ramond in Annal. du Museum d’H. n. 1804, p. 400.
Der Frühling. 187
ten, zeigen aber auch die Kraft derselben, der Zerstörung zu
widerstehen und von letzteren nicht ganz besiegt zu werden. Es
ist nicht undenkbar, dass, wenn einmal die‘ Süd -Polarländer
von ihrer stetigen Schnee- und Eisbedeckung befreit würden,
ihre einstmalige Flora, von welcher man noch deutliche Spuren
gefunden hat, nach unzähligen Jahrhunderten wieder zu einem
neuen Frühlinge 'erwachen könne; wir haben auch bei uns Bei-
spiele, dass Gewächse nach 20—30jährigem Schlummern in
der Erde sich plötzlich wieder gezeigt haben. Aber das Auf-
wachsen dieser Pflanzen zu bestimmten Zeiten wird auch durch
eine Menge innerer Umstände bedingt. Darauf beruhen die vie-
len beständigen frühzeitigen und späten Abänderungen, die man
von manchen Gewächsen hat und die an sich nur individuelle
Formen sind: s6 eine Menge im Herbste und im Frühjahre blü-
hender Spielarten einer und derselben Species. So blühen auch
Tazetten, Jonquillen u. a. bei uns im Hause am besten zu der
Zeit, wo ihre Verwandten die Frühlingszierde der Fluren Süd-
Europa’s ausmachen, während die Bedeckung der unsrigen noch
Schnee und Reif sind. Am merkwürdigsten sind wohl die,
welche durch Zwiebeln und Ableger aus der südlichen Hemi-
sphäre zu uns gekommen sind: so lange diese ebenso durch
Zwiebeln u. dgl. fortgepflanzt werden (die so erwachsenden Pflan-
zen sind ja nur T'heile des ersten aus dem Mutterboden herge-
brachten Individuums, daher diese’ alle ihre individuellen Eigen-
schaften immer behalten, während nur der Same die einfache
Art fortpflanzt — was einer der wichtigsten Grundsätze der
Pflanzencultur ist), behalten sie auch bei uns ihre natürliche
Blühzeit bei, z, B. die capischen /xien, Moraeen u. dgl. zu
Weihnachten: sie feiern das Fest des Frühlings nach demsel-
ben calendarium, wie ihre Geschwister in der Heimath. Wer-
den aber solche Gewächse durch Samen fortgepflanzt, d.i. steht
eine wirklich neue Generation auf, dann richten sie sich gewöhn-
lich nach unsern Jahreszeiten, wie eine aus fremdem Lande
eingezogene Person gern Gebräuche und Sitten der Heimath be-
wahrt, die Kinder aber die des neuen Vaterlandes annehmen.
Merkwürdig ist es hierbei auch, die grosse Uebereinstimmung
zwischen den ähnlichen Wirkungen der äussersten Extreme der
Kälte und der Wärme auf die Pflanzen zu sehen, welche auch
der feine Instinet, der sich in der Sprache äussert, aufgefasst
“ hat, indem man (auch im Schwedischen) von der Kälte wie von
der Wärme sagt, sie brennen (calor, frigus urit). Wie bei
uns die Natur in der kalten Jahreszeit unter ihrem weissen
Leichenmantel im Schlummer liegt, so geschieht dies in tropi-
188 Der Frühling.
schen Ländern in der heissen; während bei uns gegen. den Win-
ter die Bäume ihr Laub fallen lassen und zum..Frühlinge- neu
ergrünen, verlieren es die tropischen gegen ‚die ‚heisse Jahres-
zeit und schlagen zu Anfange der Regenzeit, die, eigentlich dem
Herbste entspricht, wieder aus *). Dadurch wird. der. Begriff der
Frühlingszeit in der heissen Zone umgekehrt ‚gegen ‚die kalte;
in der wärmern gemässigten Zone wiederum bleiben die Bäume
stets grünend. Es liessen sich noch mehrere solche Facta .an-
führen; wir beschränken uns hier auf nur eins, das wohl nech
nicht bekannt ist. Die -Flechten sind bekanntlich die Pflanzen,
deren Leben am zähesten ist, die sich am weitesten gegen ..die
Gränzen des ewigen Schnees, wo sie eine eigne. Zone ‚oberhalb
der übrigen Vegetation bilden und auch auf den vom Schnee
zufällig enthlössten Felsen über ‚der Schneegränze finden; .aber
ebenso sind es auch die Flechten, die, nach mündlicher Mit-
theilung von dem berühmten Ehrenberg, am weitesten in.die
Gegenden vordringen, wo brennende Hitze alle andre Vegetation
zerstört. Auf den Gebirgen Lapplands lebt das Bennthier. fast
ausschliesslich vom sogen, Rennthiermoose,. andrerseits in. der
libyschen Steinwüste die Antilopen von einer. Purmelia.. Bei
trocekner und heller Luft verdorrt jede Fleehte, stirbt gleichsam
ab; ob sie gleich scheintodt, kann das Leben doch eine lange
Folge von Jahren darin schlummern (viele Jahre bei mir im
Hause verwahrte verdorrte Flechten erwachten, in die feuchtere
atmosphärische Luft gebracht, zu neuem Leben); jeder neue
Regenschauer ist für sie ein neuer Frühlingstag. Doch, wir ka-
men vom Gegenstande ab: der Bestimmung der: Gränzlinie des
Frühlings von der Seite des Winters. Sie wird natürlicherweise
künstlich, wie alle die Gränzen, die wir in der Natur ziehen;
die Wissenschaft kann aber nur mit Begriffen operiren, welche
sie selbst festgestellt. Wir dürfen uns hier darauf beziehen,
was wir in einem besondern Aufsatze bald ausführlich beweisen,
*) Etwas dem Entsprechendes sehen wir bei den Pilzen, die eigentlich
im Herbste in Menge erscheinen, deren Vorkommen im Herbste
aber in ihrer Frucht- und hysterophytischen Natur einen tieferen
Grund hat. Ihr plötzliches Auftreten in Menge an Stellen, wo
sie sich früher nicht gezeigt, setzt die Unkundigen gewöhnlich in
Verlegenheit, daher sie allerlei qualitates occeultae zur Erklärung
davon suchen; die wahre Sache ist, dass das vegetative System der
Pilze das ganze Jahr durch im Boden n. s. w. fortlebt, und ihr
rasches Hervorkommen in solcher Menge nach einigen Regentagen
im Herbste ist eben so natürlich, wie das Ausschlagen des Laubes
im Frühjahre nach einigen warmen Tagen. S, unsre Ahhandl. über
essbare Pilze (öfver ätliga svampar. Ups., 1836.). De ie
Der Frühling. 189
däss nämlich Natur und System zwei gerade entgegengesetzte
Begriffe, wenn der letztere materiell, wie in botanischen Syste-
men gewöhnlich geschieht, und nicht ideell aufgefasst wird: ge-
rade so, wie niemand eine Linie so ziehen kann, wie sie defi-
nirt wird: und sie in der Wissenschaft aufgefasst werden muss.
Wir nahmen den Anfang des Frühlings beim Hervorkommen der
wirklichen Frühlingsblumen (denn gewöhnlich liegen sie in ihrem
Winterlager so vorbereitet, dass nur ein und der andere Früh-
lingstag zu ihrer Entwickelung nöthig sind,) und beim Schwellen
der Knospen an; völligen: Frühling haben wir aber nicht eher,
als wenn das Laub- Ausschlagen beginnt, und wenn dieses voll-
endet ist, da ist das Ende des Frühlings und der Sommer hebt
an. Die Gränzlinie zwischen Frühling und Sommer ist bei uns
viel leichter zu bestimmen, als die zwischen Winter und Frühling,
weil hier im Norden unter dem harten Streite zwischen diesen
der noch nieht erstarkte Frühling leicht unterliegt. Und in noch
nördlichern Gegenden kämpft der Winter noch mit dem Sommer
um die Herrschaft über die Natur und wird nicht selten der
Sieger, bis auf den Gipfeln der Hochgebirge und um die Pole
der Winter Alleinherrscher wird. Aber auch in sein geschloss-
nes Reich dringt die Propaganda des Pflanzenlebens ein (Proto-
coecus) und breitet sich aus auf den an der Oberfläche schmel-
zenden Schneemassen — und wenn Spitzbergens Bergspitzen,
die innerhalb der Gränzen des ewigen Schnees und Winters lie-
gen, in Folge ihrer eignen Bildung durch die Stürme von ihrem
Schneelager befreit werden, vermögen auch die schief auffallen-
den Sonnenstrahlen, welche nicht selbst und allein die Schnee-
masse hätten schmelzen können , gegen das Ende des Sommers
einen kurzen Frühling, eine dürftige Flora selbst vollkommnerer
Pflanzen hervorzurufen, welchem Frühlinge der Winter unmittel-
bar folgt. In den Strichen, die jenseit der Gränze der Sträu-
cher liegen, möchten wir nur zwei Jahreszeiten annehmen: einen
langen Winter und einen kurzen Frühling (welcher. dort um Mitte
oder Ende unsres Sommers trifft), auf welchen wieder sogleich
Winter folgt.
I. Ankunft und Ausbildung des Frühlings.
Von jener Erdgegend aus, die im ewigen Sommer ver-
schmachtet, wandert der Frühling, von der steigenden Sonne
angeführt, abwechselnd gegen den Nord- und den Südpol. Des
Menschen Forschungsgeist fragt natürlich zuerst: giebt es Ge-
setze seines Kommens und Ausbildens? Gewiss. Die grössern,
A te
190 Der Frühling.
‚cosmischen, näml. die aus der verschiedenen Stellung der Erde
gegen die Sonne, sind bekannt genug; dass sie aber nicht die
einzigen sind, ergiebt sich eben so offenbar aus ‘den vielen Ab-
weichungen, die wir darin finden, Aber dass auch‘ diese, wie
jede Veränderung in der Natur, ‘in einem höheren Grunde ihre
Verknüpfung haben, ist nieht zu bezweifeln. Indess sind‘ diese
Gesetze, ungeachtet ihrer Einfachheit und Harmonie, so gross-
artig, dass, indem wir für unser beschränktes‘ Fassungsvermö-
gen sie auflösen müssen, wir uns so leicht verwickeln, sowohl
wenn wir nach unsern Berechnungen mittelst gegebener Formeln
ordnen wollen, als auch wenn der Knoten nur: mit dem Alexan-
ders -Schwerte des Genius gelöst werden soll. Der Natur wohnt
jedoch das grösste Genie inne.
Diese Momente hat man bisher gewöhnlich durch Thermo-
meter -Beobachtungen zu ermitteln gesucht; in botanischer Hin-
sicht ist es aber richtiger, die Gewächse selbst zu Rathe zu
ziehen, theils weil jene nie ein allgemeines Prineip geben kön-
nen, (der Wärmegrad, welcher noch hinreicht, die Vegetation
der aretischen Zone hervorzurufen, würde die tropische töd-
ten*),) theils weil die Entwickelung der Pflanzenwelt nicht von
der Temperatur allein, sondern vom Zusammenwirken noch meh-
rerer andrer Momente abhängt. Wem ist nicht bekannt, wie
wunderbar ein Frühlingsregen die Frühlings - Flora belebt und
wie mit einem Sprunge heryorlockt; wie bei trocknem Himmel
e
*) Es ist ein nicht ungewöhnlicher Irrthum, dass man die reichere
Vegetation der ’Iropenländer unr dem höheren Wärmegrade zu-
schreibt. Die Wüste Sahara zeigt, was dieser allein vermag. Und
obschon eine reiche Flora wohl hauptsächlich durch die Vereini-
gung der höchsten Wärme mit dem Niederschlage bedingt wird,
weshalb America mit seinem dreifach grössern Niederschlage, als
in der alten Welt stattfindet, auch die reichste Vegetation hat, so
sind diese Momente doch keinesweges die einzigen, die in Betracht
zu ziehen sind. Dass wenn, man von den tropischen Ländern aus
nach den kälteren wandert, sich vier Pflanzenarten verlieren gegen
eine der man neu begegnet, hal keinesweges seinen Grund in der
Wärme (denn die Natur bringt eben so gut eigenthümliche. Arten
in der kalten Zone hervor, wie in wärmeren), sondern in der
kürzern Vegetationsperiode der kälteren, Der Süden hat schon
mehrere Blumen - Generationen von Frühlingsblumen. abgeschlossen,
ehe noch der Frühling nach dem Norden gelangt; die Repräsentan-
ten derselben werden bei uns Pflanzen des Sommers; des Südens
Sommervegelation erstreckt sich nie nach dem Norden. Deshalb
zeigt der Süden niemals seinen ganzen Blumenschmuck so auf ei-
ner Tafel, wie der Norden; hierdurch kann auch’ eine fruchtbare
nordische Landsehaft (z. B. Medelpad) im Hochsommer eine rei-
chere, üppigere Blumenausstellung bieten, als manche mehrfach ar
tenreichere Länder im Süden auf einmal vermögen. ”
er
Der Frihling. 191
zuweilen alles, selbst während heller warmer Tage still zu ste-
hen scheint. ‘Die Wirkung der Frühlingsregen ist so überra-
schend gross, ‘dass man geglaubt hat, die Erklärung derselben
in der electrischen Spannung .der Atmosphäre, womit sie oft
verbunden sind, suchen zu müssen. Der Zusammenhang der Pflan-
zenwelt mit den Zuständen der Atmosphäre ist unverkennbar,
aber darum sind die Pflanzen selbst empfindlichere Instrumente,
als öfters künstliche meteorologische. Beide im Verein zu ge-
hrauchen ist unläugbar am besten; gegenseitig müssen sie ein-
ander erklären und bestätigen. In Bezug hierauf erlauben wir
uns zu berühren, dass man jetzt in der Pflanzengeographie (aus
der Meteorologie) und auch in der Pflanzenphysiologie (in zoo-
logischen Vergleichungen) zu vielfach Verhältnisse aus verwand-
ten Wissenschaften heranzieht, ohne seine eignen Mittel, wel-
ehe Eigenthum und Verdientes sind, während das aus jenen im-
mer nur Entlehntes bleibt, genug zu benutzen. Dieses sah schon
Linne ein, dessen eigne Abhandlungen über Blühzeit der
Pflanzen, über Ausschlagen des Laubes, stets ihren Werth be-
halten werden, weil sie sich nur daran halten, was in der Na-
tur seschieht, während Schriften Neuerer, die, zum Leuch-
ten eigenen Scharfsinns, gewöhnlich danach streben, zu erklären,
wie und warum es so geschieht, oder sich bemühen z.B.
an zoologische Verhältnisse anzuknüpfen, mehr ephemere Pro-
ducte bleiben. Alles, Jagen nach grossen Resultaten vor der
Zeit, nach höhern Ideen, worin der Zeitgeist schwelgen will,
ist schädlich; wenn Facta rein und klar ermittelt sind, ergeben
sich jene von selbst, wie die gereifte Frucht selbst vom Baume
fallt. — Man beobachte zuerst, in welcher Folge die Frühlings-
blumen sich entwickeln, zu welcher Zeit die Baumarten ergrü-
nen: so gewinnt man durch Vergleichung einer Menge gleich-
zeitiger und gleichartiger Beobachtungen die klarste Einsicht in
die Gesetze des Vorschreitens des Frühlings. Die bereits auf-
gestellten (z. B. nach Linne in Schweden von Bjerkander,
Näzenu. A.) sind für unsern Zweck nicht ausreichend, weil
es an correspondirenden Beobachtungen zur Vergleichung fehlt *).
*) [Seitdem erschienen in Schweden Dr. Hartman’s Abhdl. über
„Entwick. des Frühlings zu Gefle“ in Lindblom’s Bot. Notiser,
Ahr; 1842, und HER Tom’ s Zusammenstellung der Beobachtun-
gen Vieler, vom südl. Schw. bis Stockholm etc., in Bot. Not.
Mai 1844 m. gr, 'Tabb., — th. Uebersetzung, th. Vergleichungen
nach Beiden (durch B—d.) s. in der regensb. „‚Flora od. bot. Z.“
4844 (od. 1845). — Ausser diesen und Schübler’s wichtiger
Abh. v. 1830 (s. ob.) sind, von früher, zu vergleichen: Hogg’s
192 Der Frühling.
Der Erste, der in grösserem Maassstabe gleichzeitige Beobach-
tungen in Betreff der Entwickelung der Blüthen veranlasste und
sammelte, war Schübler, welcher einen lehrreichen Aufsatz
darüber in der „Flora od. bot. Zeitung,“ 1830, Nr..23. mittheilte.
Zwar finden sich darin viele Anomalien, die theils von örtlichen
Umständen herrühren, theils Beobachtungsfehlern zuzuschreiben
sind, aber es ist daraus das Resultat gewonnen, dass. in .der
Zugordnung des Frühlings, wenn er gegen Norden zurückkehrt,
[unter den Breiten Mittel-Europa’s] durchschnittlich be#
rechnet vierTage auf jeden Breitengrad oder etwas über
21 schwed. Meilen [fast 4 deutsche M.] kommen. . So. blühte z.
B. der Kirschbaum zu Parma am 12. Apr., in Zürich d. 15: Apr.,
zu Tübingen 24. Apr., Jena 1. Mai, Berlin 16. Mai, zu Greifs-
wald d. 19. Mai. Hierbei ist zu erinnern, dass (Parma ausge-
nommen) die südlichern dieser Orte bedeutend höher über dem
Meere liegen als die nördlichsten, ferner dass zuweilen ein Still-
stand im Weiterrücken des Frühlings eintritt, während er zu
andern Zeiten rascher weiterschreitet. | i
Jenes Resultat ist eigentlich aus dem Verhalten im mittlern
Europa hergeleitet; aber daraus folgt nicht, dass bei uns völlig
dasselbe stattlinde, Aus den noch unvollständigen Facten, welche
Zusammenstellung von Beobb. aus Neapel nach Tenore, von Pa-
ris und aus England mit denen Linne’s: in Edinb. N. Phil. Journ.
No. 22, 25, 26 (1834) und daraus in „Flora od. bot. Z.“ 1836,
S. 145 fl. m. 'Tabb.; ferner, von Göppert: Entwick. von 72 in-
u. ausländ. Bäumen und Sträuchern im J. 1829 in G’s Buche
„Wärme - Entwick. in d. Pfl.“ S.267 ff., und Entwick. und Blüh-
zeit von Bäumen, Str. und Kräutern im bresl. bot. Garten i., J.
1830 in Act: Acad. N,Cur, XV. (1831) 385—421.; dann: Berg-
haus, über Veget.-Epochen, nach Hogg’s Zusammenstellung und _
nach Beobb. in Sachsen, in Bergh. Almanach f.1840 und daraus
in Edinb. N. Phil. J. Oct. 1840 — Jan. 1841, p. 182 f.; Daum
u. Berghaus: Entwick. von Bäumen etc. und Saatzeiten in der
Mark Brandenburg, in Bergh. Ann. d. Erdk., Apr. 1842; Blüh-
zeiten etc. in Prof. Plieninger’s vielen Jahresberichten über die
Witterungsverh, in Würtemberg, z. B. über 1834 in Bergh, Ann
d. Erdk. 1839, Juli; ferner Schübler’s Dissertt.: Unters. üb. die
mittl, Zeit der Blüthenentw. mehrerer ... Pfl.in d. Geg.v. Tübingen
(vorgelegt v. F, J, Beck. Tüb, 1831), und: Beobb. über jährlich
periodisch wiederkehrende Erschein. im 'T'hier- und Pflanzenreich
(vorgel. v. H. Werner. 'Tüb, 1831. 35 5. 8. m. 1. Stdrk.). —
Aus Nord-America unt. and.: Hildreth’s kurzer Pfl.-Ka-
lender von Marietta in Ohio in Silliman’s Am. Journ. XL. P. 2
(1841); vonDr. Williams: Blüthenkalender aus Massachuselts, in
einem der. allerersten Hefte v. Sillim, Am. Journ, um 1820;
Dease über Getraidebau in hohen Breiten in N.- America, in Ed.
N. Phil. J. No. 59. (Oct. 1840 —Jan. 1841) p» 123 f.]
Anm. d. Uebers.
Der Frühling. 195
wir gesammelt besitzen, glauben wir indess mit Gewissheit ab-
nehmen zu können, dass das Weiterschreiten des Frühlings im
Norden rascher geschieht als in den gemässigtern Klimaten; so
wie es völlig erwiesen ist, dass die Entwickelung des Frühlings
in’ den kälteren weit rascher erfolgt, wo Frühling und Sommer
fast in einander fliessen ; der Grund, wie auch die Gesetze dafür,
dürften nieht schwer zu finden sein, wenn man bedenkt, wie viel
rascher und nach der Frühlings -Tag- und Nachtgleiche bedeu-
tender der Tag gegen die Pole hin sich verlängert. Statt der
gleichmässigen Progression, die man im mittlern Europa ange-
nommen, glauben wir gegen den höhern Norden hin eine’in dop-
pelter Hinsicht beschleunigte annehmen zu können. Denn: durch
mehrjährige Beobachtung der Vegetation zu Lund und zu Up-
sala haben wir gefunden, dass d. 24. Juni—1. Juli, je nach der
verschiednen Zeitigkeit des Frühlings, die Vegetation in Scho-
nen und in Upland gleich weit vorgeschritten war, obgleich
nicht bloss die südlichere Lage, sondern auch andre örtliche
Umstände bewirken, dass zu Lund der Frühling im Ganzen
zwei Wochen früher anfängt, als um Upsala; dass aber, nach-
dem die eigentliche Frühlingswärme begonnen, der Pflanzen-
wuchs immer mehr beschleunigt wird je weiter man nordwärts
kommt *).
*) Der Roggen schosst in Schonen wenigstens 14 Tage früher als in
Upland, wird aber ungefähr zu gleicher Zeit geärutet, ‘Die Ger-
sie reift in Lappland in doppelt kürzerer Zeit als in Upland, Dass
letztere Getraideart auch in Schonen in kürzerer Zeit reift als in
Upland, kommt nicht von grösserer Wärme her, denn die Mittel-
T emperalur des Juli ist zu Lund und Ujsala gleich, sondern da-
‘von, dass in Schonen die Gerste erst Anfang Juni’s (in Upland aber
so zeilig als der Boden bearbeitet werden kann), gesäet wird; also
in der Zeit, wo das Pflanzenwachsihum am raschsten vorwärts ge-
trieben wird,
[Aus den schwedischen 'Tabellen (s. vor. Note) g!aubte der
Uebersetzer , unter Absehung von den vielen Anomalien, ein Wei-
ierschreiten der Blühzeit um 1 Breitengrad in 22 Tagen im südli-
chen bis ins mittlere Schweden (durch. 4 Breitengr., übrigens in
nordöstl. Richtung) abnehmen zu können, im: mittlern Schweden
(bis Gefle) vielleicht 4° in kaum 2 Tagen, NB.nach dem Durch-
schnitte aller beobachteten Pflanzen, während bei einzelnen Pf.
das Weiterrücken ihrer Blühzeit dehh: verschieden ist, bei manchen
fast bis zur Gleichzeitigkeit durch mehrere Grade — wie schon
Schübler (südlicher), wo im Mittel aus vielen Pfl. 3,05 "Tage
Verspätung auf 1° Breite sich ergab, bei einzelnen Pfl. dies
Verspäten, die Zeit des Weiterrückens um 1° Breite, sehr ver-
” "schieden fand: von 1,85 'Tag (bei Ribes Grossularia) bis 6,33
Tage (bei Orchis Morio) auf 4 Grad Breite in Mittel. - Europa.]
Zus. d. Uebers.
194 Der Frühling.
Doch ausser diesen Thatsachen, welche zur Annahme einer
Beschleunigung im Weiterrücken des Frühlings gegen Norden
führen, giebt es innerhalb. der drei grössern phytogeographischen
Landstriche, in; welehe wir. die Küsten- Provinzen Schwedens
nach den ‚drei sie umgebenden grössern Meerbecken!'eintheilen,
viele eigne Verhältnisse, ‚die wohl der. Betrachtung, werth sind,
Jeder derselben, nämlich. der, Strich der Nordsee, der:.det; Ost-
see und der des bottnischen Meerbusens, zeigt seine bestimmten
Verschiedenheiten, nicht bloss hinsichtlich der um jedes dieser _
Meere vorkommenden Pflanzen, sondern fast noch mehr im:«i-
senthümlichen Charakter seiner ganzen Vegetation. ‚Der ‚Strich
an der Nordsee hat eine dürftige Frühlings -; aber reiche: Herbst-
Flora ; besonders ist er, ‚vermöge seiner milden Winter,‘ zärtli-
chern Bäumen noch zusagend, ebenso peremnirenden ‚Pflanzen
(Cucubalus maritimus: bekommt daselbst einen fast strauchartigen
Stamm), und im Ganzen der Stolonenbildung in der: Nähe des
Meers. Die Küsten der Ostsee haben vorzugsweise Frählings-
vegetation und grössern, Reichthum an. einjährigen Pflauzen;
der Strich am bottnischen Meerbusen eine mehr .cencentrirte
Sommer -Flora mit freudiger Blattbildung. Dass ein und dasselbe
Meerbecken viel dahin wirkt, Wärme und Frühling um seine
Küsten ziemlich gleich zu vertheilen, erleidet keinen Zweifel.
Hieraus erklärt sich auch die mehr gleichzeitige Ausbildung des
Frühlings innerhalb desselben Striches. So ist z. B. der Unter-
schied zwischen der Ankunft des Frühlings zu Stockholm und zu
Gefle grösser, als er der Entfernung nach sein dürfte, weil er-
steres noch an der Ostsee-Küste, letzteres am bottnischen
Meerbusen liegt. Dagegen kommt an letzterem Meerbusen in
manchen Jahren zu dessen nördlichen Küsten der Frühling eher
als an seine südiicheren, je nachdem das Meer im Frühjahre
sein Eis hier oder da am Strande absetzt. Dergleichen Umstände
verdienen genaue Beachtung beim Beurtheilen der. spätern oder
frühern Ankunft des Frühlings. Ä
Um nun dem Wahren oder Normalen näher zu kommen, be-
dürfte es überall eines Mittels aus mehrjährigen Beobachtungen
über das Aufbrechen der Frühlingsblüthen, wenigstens zehnjäh-
riger für jede Hauptstation; aber die Zeit dürfte noch fern sein,
wo Solches gewonnen wäre *). In Ermangelung: derselben muss
*) Ueber die ersten Frühlingsblumen machte ieh zu Femsjö durch
41 Jahre, von 1820 bis 1834, Aufzeichnungen, welche das bald
folgende Mittel ergeben. Dabei ist indess zu bemerken, dass für
drei Jahre Lücken darin sind und dass dieses eben späte Jahre ge-
Der Frühling. 195
man sich unterdess‘mehrerer correspondirenden, doch aus dem-
selben Jahre, bedienen. Hierbei ist aber nöthig, sich über ge-
wisse gemeinsame Grundsätze zu einigen, wie, das Blühen eines
Krautes oder das Ausschlagen eines Baumes mehr im: Allgemei-
nen ins Auge zu fassen, als einzelne Ausnahmen in zufälligen
Localitäten. So pflegt eine Art an einer gegen Süden gekehrten
Mauer oder an somigen Felsen stets früher auszuschlagen und
zu blühen:als normal; nach solchen Exemplaren ‘darf man sich
aber wenig richten. : Das Laubausschlagen ist sowohl leichter zu
beobachten, als auch sogar sichrer,, weil es besser in Masse zu
betrachten ist und viel weniger von ’solehen örtlichen: Einflüssen
berührt witd. -Wie die Verschiedenheit der Baumvegetation die
verschiedentliche Physiognomie ganzer Länder am meisten be-
dingt *), so ist auch das Ausschlagen des Laubes das Moment,
welches das Aussehen der ganzen Natur in unsern nördlichen
Ländern: umwandelt. Wie verschieden z. B. die Krone der aus-
gebreiteten Buche (patula Fagus) oder auch unsrer nordischen
Birken an’ einem Frühlingsmorgen und einem Wintertage! Da-
'&egen ist 2. B: in den Nadelholzwäldern am Nissastig, wo der
wesen, dagegen die“ Frühjahre in den 18%»er Jahren im Ganzen
ungewöhnlich zeitig eingetroffen, wonach dieses medium alles ein
paar Tage zu früh angeben dürfte Galanthus ds 16. März,
Corylus 28. März, Eriophorum vaginatum 3. April, Salix acuti-
folia 5. April, Pulsatilla vernalis ı. Apr., Draba verna 10.Apr.,
Chrysosplenium alternif. 12. Apr., Empetrum 44. Apr. Mitte
Aprils wurden diese Beobachtungen alle Jahre abgebrochen. _
*) Schon die zwei Typen, Nadel- und Laubhölzer, die uns au
gehören und bei deren letzterem der der Buche als eigne Unterart
2u unterscheiden ist, geben ja einem jeden Landstriche, den sie
"bekleiden, ein eigenihümliches Ansehen; Noch mehr in die Ausen
fallend ist aber diese verschiedene Physioguomie in den immerwäh-
rend grünenden Laubwäldern von Myrien, Lorbeer in den tempe-
firten ‘Ländern, oder von Proteen, Eucalypten und unzähligen
'kleinblättrigen rutlieuartigen Strauchgewächsen in Neuholland, —
und am meisten die ciner tropischen Landschaft, wo der Palmen
einfache Blätterkronen von Ricsenstänmen gelragen stehen oder
baumstämmige Kräuter und Farne von Lianen zu einem undurch-
dringlichen Dickicht umschlungen werden, und endlich die sensibeln
Mimosa-Wälder mit ihrem feinen ins Unendliche zusammengesetzten
Laubwerk. Diese sind dem Nadelholzwalde mit seinem düstern,
empfindungslosen Ernste ‘unter ‚allen am meisten entgegengesetzt:
die luftigen federartigen Mimosa- Wälder zeigen die höchste Irri-
tabilität; die während ihres periodischen Schlafes und Weachens
sich zusammeulegenden oder ausgebreiteten Blätter geben ihnen
nach den verschiedenen Stunden des Tages und der Nacht eine völ-
lig'so verschiedne Physiognomie, wie die unsrer Laub- und Nadel-
'holzwälder; bei einem Kanonenschusse ändert sich ihr ganzes An-
sehen und vom Hufschlage eines dahineilenden Rosses geräth der
sanze Wald in die heftigste Bewegung.
196 Der Frühling.
Boden nur mit Flechten bedeckt ist, die Natur an 'einem trüben
Sommertage eben so öde und düster, wie an einem milden Win-
tertage. — Uebrigens hängt das Laubausschlagen mehr von der
Temperatur ab, als die Mehrzahl der Kräuter. Das Ausschlagen
der Bäume fordert für jede Art einen zu ihrer Ent-
wicklung bestimmten Wärmegrad. Dieser wird nicht
durch niedrigere, wenn nur noch milde, Temperatur ersetzt, wie
es beim Wachsthum der meisten Kräuter der Fall ist. Hierdurch wird
es so nothwendig, den Unterschied in der Vertheilung der Wärme
zwischen Tag und Nacht zu beobachten. - Warme Tage mit kal-
ten Frostnächten halten, wie bekannt, das Fortschreiten des
Frühlings mehr zurück, als eine gleicher :vertheilte Wärme.
Wir kennen ‘kaum einen Umstand, der für die Vegetation so
zerstörend wäre, als Nachtfrost nach einem warmen Tage; nur
ein unmittelbar darauf fallender Regen kann den Schaden davon
etwas heilen. Frostnächte im Frühjahre beim Blühen: der Obst-
bäume zerstören ihre Befruchtungsorgane, welche Theile vor ‘allen
am empfindlichsten gegen die Kälte sind, und dadurch wird das
Kruchtansetzen verhindert. Allgemein leitet: man dieses Fehl-
schlagen von Regnen in die Blüthen her; dies stimmt aber nicht
mit unsrer sichern Erfahrung überein. Ungeachtet heftiger Re-
genschauer in der Blüthe haben wir Obstbäume reichlich Frucht
ansetzen sehen, wenn nur Nachtfröste während der Zeit aus-
blieben; das Umgekehrte aber geschah beim Eintreten von
Nachtfrösten. Niemals giebt der Haselstrauch, wenn er durch
warme Sonnenscheintage mit Frostnächten zu 'zeitigem Blühen
selockt wird, darauf Früchte; reichliche dagegen, wenn sein
Blühen später trifft, nachdem die schwerern Frostnächte vorüber
sind, wenn auch die Tage regnig ausfallen. Roggen*), Wach-
holder u. s. w. stehen unter Regenschauern am besten in Blü-
the. Dass aber Blühen und Fruchtbarkeit eines: Jahres auch
einem wesentlichen Theile nach vom Wetter. des vorangegangnen
Jahres abhängt, was man gänzlich übersehen hat, werden wir
weiter hin mit bestimmten Thatsachen erhärten.
Die ungleiche Ordnung, in welcher die Pflanzen an verschie-
denen Orten blühen und die Bäume ausschlagen, verdient gleich-
falls besondre Aufmerksamkeit. Aber leider haben wir darüber
*) Der Befruchlungsprocess des Roggens, die Bestäubung, ist eine in
hohem Grade merkwürdige Erscheinung. Obgleieh die Aehren
durch mehrere lage successiv hervorschossen, findet man doch fast
in einem Moment das gauze Feld in Blüthe, die rasch vorüber geht.
Freunde von Analogien können darin eine Aehnlichkeit mit der-
Föcundalion mancher Fischarten finden,
Der Frühling. 197
gar zu wenige völlig beweisende Facta um daraus allgemeinere
Resultate zu ziehen. Manche dürften von eigen abweichenden
Jahrgängen oder die Angabe derselben von Schreibfehlern her-
rühren. Was man in diesem Punkte aufgezeichnet, habe ich
nicht einmal bei uns übereinstimmend gefunden. Eben indem
ich dies schreibe, öffnen hier gleichzeitig die Rosscastanie und
die Obstbäume ihre Blüthen und schiesst der Roggen in Aeh-
ren. Fast alle diese Beispiele sind solche von eultivirten Ge-
wächsen und Abweichungen unter diesen sind leicht aus ver-
schiedner Säezeit zu erklären.
Ehe wir weiter fortfahren , erfordert es nicht allein die Bil-
liskeit, sondern auch der eigne Vortheil unsers Aufsatzes, auf
Linne’s Bearbeitung dieser beiden Gegenstände zu kommen,
die unläugbar das Wichtigste ist, was bei uns bisher zu Beant-
wortung von hierher gehörenden Fragen geschehen. Ueber das
Weiterrücken des Laubausschlagens gegen Norden giebt Lin-
ne’s Vernatio arborum so reiche Materialien, dass kaum grosse
Nachlese zu erwarten zu sein scheint, und nur mehrjährige Ver-
gleichung zu gewinnen. Ein und das andre Datum fordert auch
offenbar Berichtigung, z. B. dass Ribes Grossularia- zu Gothen-
burg d. %, auf der Insel Tjörn in Bohuslän aber, obgleich diese
nur ein paar Meilen davon liegt, erst d. 2 ausgeschlagen sei,
u. s. w. Durch Linne’s angeführte Schrift ist für das Ausschla-
gen des Laubes der gewöhnlichern Bäume die Ordnung bereits
bestimmt, welche, nun da man sie kennt, solchen Anomalien in
den Beobachtungen in der Folge vorbeugen muss. Wir führen
sie deshalb hier an: 1. Sumbucus racemosa. 2. Lonicera [Xy-
losteum]. 3. Fibes Grossularia. 4. Bibes rubrum. 5. Spiraea
salieifolia. 6. Prunus Padus. 7. Evonymus europaeus. 8. Po-
tentilla fruticosa. 9. Sambucus nigra. 10. Ligustrum vulgare.
11. Sorbus aucuparia. 12. Salix (die Art etwas unbestimmt).
13. Alnus glutinosa. 14. Hippophae rhamnoides. 15. Pyrus
Malus. 16. Prunus Cerasus. 17. Viburnum Opulus. 18. Betula
alba. 19. Corylus Avellana. 20. Ulmus campestris. 21. Rosa
canina. 22. Prunus domestica. 23. Prunus spinosa. 24. Rham-
nus cathartica. 25. Rhamnus Frangula. 26. Tilia europaea.
27. Fagus sylvatica. 28. Sorbus scandica. 29. Populus tremula.
30. Acer platanoides. 31. Quercus Robur. 32. Fraxinus excel-
sior *).
*) Wir übergehen hier die Abweichungen, die wir beobachtet haben,
und unterlassen es: Zusätze zu machen. Wir bemerken nur, dass
14
198 Der Frühling.
Schon diese Tabelle, welche auf einer Menge gleichzeitiger
Beobachtungen von Schonen bis Lappland ruht, gewährt meh-
rere wichtige Resultate ausser denen, die Linne selbst daraus
zieht. Sie bestätigt hinreichend unsre. bereits vorgebrachten
Bemerkungen über das successive Weiterschreiten des Früh-
lings gegen Norden, und zugleich, wie in der Entwickelung des-
selben alles immer mehr beschleunigt wird, je näher es der
Gränze des Sommers zu geht. So beträgt z.B. der Unterschied
zwischen der Zeit des Ausschlagens des Johannisbeer-
strauchs in Schonen und der in Lappland 45 Tage, bei der
Espe aber, welche unter die zuletzt ausschlagenden gehört,
nur 16 Tage. Und ganz zu Anfange des Sommers [im Sinne
des Verf., s. ob.] bei vollendetem Ausschlagen der Espe, ist der
Unterschied fast a es steht aufgezeichnet für Kalmar: ;
d. 21. Mai, für Öland d. 22 „April“ (gewiss Schreibfehler statt
Mai), für Upland den 23. Mai, für Finnland den 26. Mai. Was
der nordische Frühling an Zeit verloren, das gewinnt eran Kraft.
Linne’s Calendarium Florae enthält noch mehr grossartige
Grundzüge der Entwickelung der ganzen Vegetation nach den
Jahreszeiten, wie sein Horologium Florae der des Blühens nach
den Stunden des Tages. Die Physiologie unsrer Zeit hält sol-
che Dinge für ihrer Aufmerksamkeit wenig werth, weil sie lang-
wierige Auhaltepite Beobachtung des Lebens in seiner Selbst-
thätigkeit erfordern und diese Erscheinungen sich nicht aus me-
ehanischen Gesetzen deduceiren lassen, sondern aus dem Wesen
des individuellen Lebens abgeleitet werden müssen; aber gerade
diese Fragen halten wir für die wichtigsten für die Biologie.
Da indess die Beobachtungen, wonach jene entworfen sind, nur
von einem einzigen Jahre und von einem Orte herrühren, ohne
eorrespondirende gleichzeitige Beobachtungen, so können sie
im Speciellen nicht von besondrem Gewichte werden *), sondern
nur ein Muster zur Nachfolge. Ersteres sagt auch Linne selbst,
indem er zugleich auf die Wichtigkeit der Sache für Land- und
die Spalte für Salix bei Linne, da sie von verschiedenen Arten
silt, unsicher ist, und dass Sambucus nigra, Acer platanoides
u. a. elwas zu weit hinausgerückt sind.
*) Gewiss sind diese vom Respondenten aufgezeichnet, da Irrthümer
darin vorkommen, die man unmöglich Linne anrechuen kann, z.B.
Blühen des er an vaginatum nach Pedicularis palustris, Plan-
tago media u. dgl. In der ganzen Anordnung aber und vorzüglich
in “der ideellen eemen und in der Eintheilung des Jahres in
Vegetations - Monate erkennt man leicht Linne’s systematischen
Scharfsinn.
Der Frühling. 199
Gartenbau aufmerksam macht*). Das Ganze ist dabei so mit
geistreichen und treffenden Bemerkungen durchwebt, dass es
überall bei offnem Natursinne Anklang finden muss. Wir können
nicht unterlassen, seine Eintheilung des Jahres in botanische
Monate für den Horizont von Upsala nach dessen Vegetation
hier mitzutheilen, obgleich eigentlich nur die Stufen des Früh-
lings (welcher übrigens hier länger ausgedehnt wird) zu unserm
Gegenstande gehören.
I. Winterzeit (Glaciatio), von der Winter-Sonnenwende
bis zur Frühlings-Tag- und Nachtgleiche. (,„Ovum,
hyalina , incipit.“)
1. Eisaufgang (Regelatio), vom Anfang des Schnee-
schmelzens bis zum Eisgange der Flüsse. (,‚Embryo,
alba, reviviscit.“)
Ill. Säezeit (Germinalio),, von der ersten Blume bis zum
ersten Ausschlagen eines Baumes. (,Infantia, pallida,
prodit.‘)
Laubausschlagen (Frondescentia), vom Anfange des
Ausschlagens bis zu dessen Beendigung. (,,Pueritia, vi-
ridis, caulescit.‘‘)
Blühzeit (Florescentia), von der ersten Roggenähre
bis zum Blühen des Roggens. (,Adolescentia, puwrpu-
rea, floreseit.‘‘)
VI. Fruchtansatzzeit [schwed.: Karttiden] (Grossifica-
tio), vom anfangenden bis zum aufhörenden Blühen des
Sedum acre. („Juventus , rubra, defloreseit.“)
VI. Heuärntezeit (Maturatio), vom anfangenden Blühen
des Sedum album bis zu dem der Scabiosa Succisa.
6. Virilis, fulva, fructificat.“)
)
„Dum plura ejusmodi Calendaria variis locis et regionibus uno
eodemque anno conficiuntur, facile erit ex hisce florum generibus
eorumque florescenlia, uli eliam ex vernalione arborum colligere,
quae differentia unius regionis climatis ab altero et quare plantae
ex climate meridionali allatae apud nos non raro vix ad frugem
perveniunt, e boreali vero facillime. Botanici et Pharmacopolae,
quorum est plantas sub ipsa florescentia legere, hoc modo praescire
queunt, quo anni tempore hanc vel illam plantam colligere datur
in suo ornatu. Ex hortorum plantis intelligere possunt, quaenam
in pratis el campis eodem temporis articulo florent. Paucis hisce
et similibus Calendariis niti et inaedificari debet ita dieta Practica
rustica vulgi, quae huc usque fundamento nimis lubrico abiit, se-
cundum haec prineipia in idem fastigium evchitur, ut illa haud
facile bonus Oeconomus destitui queat. Hinc agricola scire tandem
poterit justum et aplissimum temporis articulum, quo sua feliciter
peragere potest.‘“
200 Der Frühling.
VII. Aerntezeit (Messis), vom beginnenden Blühen der
Scabiosa Succeisa bis zu dem des Colehicum. (,Con-
sistens, flava, maturat.‘“) |
IX. Fruchtzeit (Disseminatio), vom ersten Aufblühen des
Colehieum bis zum Fortziehen der Schwalben. („Ef
foeta, livida, dispergit.“‘) |
X. Laubabfallen (Defoliatio) oder vom Anfange*) bis
zur Beendung desselben. (,Senecta, obsoleta, tabescit.“)
Xl. Nasse Zeit [schw.: Slasktiden ] (Congelatio ), vom
Ende des Laubabfallens bis zum letzten Grünen eines
Krautes. (‚Decrepita, fusca, cadit.“)
XH. Eismonat (Bruma), vom letzten Grün bis zum Win-
ter - Solstitium. (,„Mors, atra, perit.‘“‘)
Man bedenke, dass dieses Calendarium für den Horizont
von Upsala gilt; auf das südliche Schweden passt es nicht in
allen Theilen, eben so wenig auf das nördlichste. Aber Jeder-
mann erkennt leicht, wie interessant es wäre, mehrere der Art
zu besitzen, nicht allein unter verschiedner Polhöhe, sondern
mit Rücksicht auf östliche und westliche Lage der Länder, so
wie auf die Höhe über dem Meere: ;hierüber im folgenden Ca-
pitel. Wir erwähnten schon oben, dass man in Schonen oft das
ganze Jahr hindurch Blumen auf dem Felde hat, u. s.w. Die
(schmelzende) Mittagssonne [schw.: dagsmedja], welche für
Upsala erst zum '° aufgezeichnet steht, schmelzt dort bei ruhi-
*) Hierzu ist zu bemerken, dass wenn Linne sagt: „a casu primae
arboris foliorum,‘“ die Ahlkirsche (Prunus Padus) auszunehmen
ist, indem diese noch früher anfängt, ihr Laub fallen zu lassen.
— Ein andrer bemerkenswerther Umstand beim Laubfalle ist die
veränderte Farbe, welche das Laub vor dem Fallen annimmt: ge-
wöhnlich wird es gelb, bei andern Bäumen roth z. B. bei Eber-
esche, Ahus, bei noch anderen braun, so bei Evonymus. [Vgl.:
Bot. Jahresb. üb. 1837, 8. 269 ff., n. Mohl und Berzelius.] Das
Abfallen selbst kommt übrigens nicht, wie man gewöhnlich glaubt,
vom Froste her, sondern hat einen innern Grund im Erlöschen der
Lebenskraft. Dies erkennen wir deutlich theils daraus, dass, wenn
das Laub im Frühjahre spät ausschlägt, es auch im Herbste früher
abfällt, iheils daraus, dass es fast zu derselben Zeit auch bei den
Bäumen abfällt, die in Gewächshäusern stehen und nicht der Kälte
ausgesetzt sind, während dagegen die Bäume, die ihrer Natur nach
beständig grün sind, wohl vom Froste getödtet werden, aber nicht
ihr Laub verlieren. Vor einigen Jahren fiel hier zu Upsala frühe
Kälte mit häufigem Schnee ein, aber Populus pyramidalıs, wel-
che spät ihr Laub abwirft, stand die ganze Zeit über vollbelaubt
da; erst später bei eingetretenem mildem Wetter fiel das Laub zur
gewohnten Zeit. Manche junge Bäume mit starker Lebenskraft,
lassen nicht im Herbste das Laub fallen, z. B. junge Buchen, son-
lern dasselbe bleibt vergehend bis zum Frühjahre sitzen.
Der Frühling. 201
sem Wetter den ganzen Winter hindurch den Schnee, so oft
die Sonne scheint. Da Linne für Upsala angiebt, dass erst d.
3 die Steine vom Eise frei werden, so nimmt man gewöhnlich
an, dass im südlichen Schweden dieses schon im Februar ge-
geschieht (,,Matis kastar heta stenen“ [Matthias wirft mit heis-
sem Stein, st. unsers: Matthais bricht Eis]). Linne’s dritter
Monat, welcher zu Upsala erst weit im April anfängt, beginnt
in Sehonen, nach dem Blühen des Galanthus berechnet, ge-
wöhnlich zu Ende Februars. Bei genauer Vergleichung bieten
sich eine grosse Menge abweichender Verhältnisse dieser Art
dar. Hier erwähnen wir nur, dass Linne’s fünfter Monat in den
Strichen des Landes , wo nur Sommerroggen gesäet wird, nicht
nach der ersten Kornähre bestimmt werden kann. Dass unter
den Ideen Linne’s Manches vorkommt, was nur Hypothese ist *),
lässt sich nicht bestreiten; aber dies sind ahnungsvolle Blicke
in die Zukunft der Wissenschaft, wo sie ihre völlige Erklärung
und Bestimmung finden werden. Wir gehören nicht zu Denen,
die alle Hypothesen, auch wenn diese für ihre Zeit Licht und
Leben über die Wissenschaft verbreiten, verwerfen, (die absolu-
ten Widersacher derselben werden gewöhnlich selbst unwissent-
lich von noch crasseren Vorurtheilen geleitet); vielmehr glauben
wir, dass, so lange die Wissenschaften fortschreiten, auch jenen
Leitsternen auf der Bahn der Forschung gefolgt werden muss,
und dass, wenn jenes Seher - Vermögen nicht für die Perfectibi-
lität des Menschen nöthig gewesen wäre, es diesem nie wäre
verliehen worden; so wie wir überzeugt sind, dass wenn auch
die Beschränktheit gewisse Forschungsarten verwirft und aus
Eigenliebe herabsetzt, diese doch gerade durch ihr Dasein
ihre Nothwendigkeit am besten beweisen. Man vermenge aber
nicht was man auf verschiedenen Wegen gefunden hat, und am
wenigsten stelle man Hypothesen (auch wenn sie mit der Be-
nennung höherer Ideen geadelt werden) als etwas Höheres über
——_.
*) Hierher gehört auch Linne’s Erklärung der öfters, tbeils im Früh-
linge, theils im Sommer, eintretenden Nachtfröste. Linne leitet
diese sämmtlich aus Lappland her: diejenigen, welche oft gegen
das Ende des Laubausschlagens stattfinden („frigus plumbeum“ L.),
erklärt Linne aus dem Aufthauen des Bodens in Lappland; die
aber um Johannis (,, rigus aeneum“ L.) aus dem 'Thauen auf den
Gebirgen Lapplands. Eben so werden die ersten Frostnächte im
Anfange des Herbstes, oder in der Fruchtzeit den dann wieder zu-
sefrornen lappl. Gebirgen zugeschrieben: doch so, dass alle diese
Frostnächte nicht mit den in Lappland treffenden gleichzeitig wä-
ren, sondern allmählig südwärts fortschritten und daher zu Upsala
um acht Tage oder mehr später einträten.
202 Der Frühling.
Forschung oder Thhatsachen ; man suche nicht die Resultate der
letztern durch Erklärungen den ersteren unterzuordnen oder
sanze Untersuchungen nur zu Bestätigung der Hypothesen allein
hinzuleiten. Nur wenige Dinge sind schwerer zu lehren als
richtiges Beobachten ; Manchen wird dieses zu nichts Anderenı,
als einem Meinen, und darum halten die Meinenden ihre Mei-
nungen für eben so gut, als die wahre und reiche Erfahrung
Anderer. Niemand unterschied genauer das Objective und das
noch Subjective, als Linne; daher folgte Linne z. B. dem
künstlichen Systeme, als dem einzigen, welches objeectiv
dargestellt werden könne, wobei er aber klar einsah, dass es
einem natürlichen weichen müsse, wenn dieses sich zur Objeeti-
vität erhöbe und nicht bloss ein subjectives Zusammenpassen
ähnlicher Formen wäre. Dasselbe finden wir auch in den für
unsern jetzigen Zweck so wichtigen Abhandlungen, durch wel-
che Linne für die Forschungen unsrer jungen Botaniker *) ein
*) Nicht ohne Grund können diese klagen, dass, wie im alten Europa
alles Land vergeben, so in der speciellen Botanik, das ganze Ter-
rain, wohin sie sich auch wenden, von einheimischen Autoren schon,
beherrscht sei, so dass es für sie weit schwerer sei, sich einen
Namen zu machen, als in der Zoologie, die bei uns noch (mit
Ausnahme der descriptiven Entomologie) eine fast neue Wissen-
schaft sei, in welcher es, wie in America, noch grosse unange-
baute Striche in Besitz zu nehmen gebe, in welcher sich auch noch
keine Aristocratie ausgebildet, sondern alle für sich Magnaten wer-
den, — und dass die auftretenden jüngern Botaniker, mit den Zoo-
logen verglichen, zu kurz kämen. Dieses ist indess etwas 'Tem-
poräres, welches sich mit der Zeit ändern wird, da die Zoologie
eben so sehr bearbeitet wird, als die Botanik. In letzterer, als
einer in Schweden schon alten, ansässigen Wissenschaft, wo man
nicht durch Einführung oder Anwendung der ausser Landes gemach-
ten Fortschritte der Wissenschaft oder durch einzelne Beobachtun-
gen zur Ergänzung der ausländischen generellen Werke beitragen
“kann, ist es [in Schweden | viel schwerer, Celebrität zu erlangen ;
aber man vergesse dabei nur nicht, dass es nicht minder verdiensi-
lich ist, das schon Bestehende zu conserviren, und dass es nicht
weniger.Änstrengung erfordert, die Botanik im Vaterlande Linne’s
nicht- verfallen zu lassen. Es war ein nicht geringes Glück, dass
Linne eine ganze Schule in Schweden hinterliess; verkennen wir
nicht.ihren Werth deswegen, weil sie nicht 'Traumbildern unsrer
Zeit und blosser Celebrität nachjagte; es war ihr Ehre genug, dass
sie Linne’s Lehren unter uns erhielt. Ganz ungereimt wäre aber
‚das Vorgeben, dass die Botanik deshalb abgeschlossen wäre, dass
ihr nichts mehr zu tihun übrig bliebe. So urtheilte man schon
vor einigen ‚Decennien von der Astronomie, und gerade darauf be-
gannen die grössten Entdeckungen. ‘Solches Verzagen ist ein Sym-
. ptom schon eingetretener WVinterkälte, aber in dem Maasse, als
‘ der Frost des Egoismus abnimmt und die Wärme der Liebe zur
lebenden Natur steigt, wird ein neuer schönerer Frühling der Wis-
Der Frühling. 203
reiches und das passendste Feld eröffnete. Wir kennen, wie im
Gesagten angedeutet worden, wohl die allgemeinen Gesetze der
Ankunft und Ausbildung des Frühlings, aber im Speciellen bleibt
noch unendlich viel zu thun.
2. Verschiedenheit des Frühlings in verschiednen
Localitäten und in verschiednen Jahren,
Auch in Ländern von gleichem Abstande vom Aequator,
selbst mit gleicher Mitteltemperatur, giebt es mehrerlei örtliche
Verhältnisse, welche früheres oder späteres Anfangen des Früh-
lings, so wie raschere oder langsamere Entwickelung desselben
bewirken oder Einfluss darauf haben. Die wichtigsten davon
sind: | |
1. Höhe über dem Meere und davon abhängige Ab-
nahme der Temperatur. Es ist bekannt genug, dass wenn am
Fusse der Gebirge völliger Sommer blüht, auf ihren Gipfeln
noch der Winter herrscht; dass man auf grössern Höhen eines
Berges, die Blumen noch nicht hervorgetrieben findet, die im
Thale darunter schon Frucht angesetzt haben; es fehlt aber
noch an bestimmten Beobachtungen auf unsern schwedischen
Gebirgen , wie lange Zeit zum Aufsteigen des Frühlings, z. B.
um je 1000 Fuss, auf dieselben erfordert wird. Offenbar muss
dieses besonders auf unsern nördlichen Gebirgen rascher ge-
schehen als in Süd-Europa, wo die Nächte länger sind und die
Abwechslung in der Temperatur deshalb grösser ist Aus die-
sem Grunde ist der Abstand zwischen der Schneegränze und
senschaft heraufziehen, und dass alsdann eine herrliche aussichtsrei-
che Zukunft der Botanik harrt, ist unzweifelhaft. Europa’s Bota-
niker werden dann ermüden, der ganzen Welt Special - Registraio-
ren zu sein, die Wichtigkeit der systematischen Botanik in das
Beschreiben getrockneter Fragmente exotischer Gewächse zu setzen,
um sich mehr an das Generelle und das Specielle zu halten, das
ihnen selbst am nächsten liegt. Soll die Pflanzen-Physiologie
wirkliche Selbstständigkeit gewinnen , muss sie vom Pflanzenleben
selbst, und weder von chemischen Erklärungen allein, noch von
zoologischen Analogien ausgehen; die ganze Geschichte, von Em-
' pedocles Zeiten an, zeigt den schädlichen Einfluss, den die letzte-
ren auf jene ausgeüht. Die schwedischen Botaniker, welehe mehr,
als die anderer Länder, in der freien Natur leben, sind, so glau-
ben wir, vorzugsweise berufen, Linne’s Wissenschaft in
dieser lebendigen Richtung fortzusetzen. Geben wir aus Nachah-
mungslust diese für uns natürlichste Bahn auf, so verlieren die
Schweden sicherlich allen ihren Einfluss auf die Wissenschaft.
Der Zweck des gegenwärtigen Aufsatzes ist eben, unsern jJüngern
Botanikern die erste Stufe auf dieser Bahn anzudeuten. |
204 Der Frühling.
der Strauch- und der Baumgränze, so wie der-Abstand zwischen
diesen und dem Getraidebaue in den tropischen Ländern so be-
deutend grösser, als in den arctischen. Aber auch in Bergge-
genden überhaupt ist der Anfang des Frühlings bedeutend spä-
ter, als im nahen Flachlande, wozu obenein der Unterschied
kommt, dass erstere, gewöhnlich, bewaldet sind, — wobei zu-
gleich, wenn letzteres flach und offen ist, die ganze Physiogno-
mie der Vegetation anders ausfällt.
2. Nähe grösserer Meere und Gewässer Wir
erwähnten bereits, wie dasselbe Bassin den Frühling gleichmä-
ssiger um seine Küsten verbreitet, auch ist es bekannt, wie in
Küstenländern der Frühling zeitiger beginnt; dagegen scheint
man nicht beachtet zu haben, wie hemmend ihr Einfluss der
raschern Entwickelung desselben entgegen wirkt. In Schweden
beginnt der Frühling an der Nordsee am frühsten, aber dennoch
haben ihre Küsten eine äusserst dürftige Vegetation: man kann
dort deutlich bemerken, wie in der Nähe des Meeres der Früh-
ling langsam und fast unmerklich fortschreitet, so, dass an wei-
ter im Lande gelegenen Orten, wo die Frühlings-Flora viel
später beginnt, sie an der Gränze des Sommers eben so weit
vorwärts gekommen ist, als an der Küste, wenn nicht jene Orte
bedeutend höher liegen. Aber Meeresströmungen, Absetzen
des Eises an einer Küste, u. s. w., haben den merklichsten
Einfluss auf die Ungleichheit des Frühlings in verschiednen
Ländern. Bekanntlich ist im westlichen America der Frühling
sowohl frühzeitig als auch warm. während er an der gegenüber
liegenden asiatischen Küste sehr spät eintritt und kühl ist, so
dass, wenn im erstern alles in vollem Frühlingsschmucke steht,
Asiens Küste noch Schnee und Eis trägt. Der berühmte Welt-
umsegler Wormskiold, welcher, zu grossem Verluste für die
Wissenschaft, seine scharfsinnigen Beobachtungen nicht publieirt
hat, theilte uns mit, die Ursache davon sei die, dass ein Strom
wärmeren Wassers aus dem Stillen Meere auf seinem Wege
nach der Behringsstrasse und in das Eismeer der americanischen
Küste folge, während ein andrer Strom mit kaltem Wasser
aus dem Eismeere ins Stille Meer eindringe, welcher der asia-
tischen Küste folge. Die Richtung des Treibeises im nördli-
chen Polarmeere bestimmt die Beschaffenheit des Frühlings auf
Island und Grönland ganz und gar, und dasselbe sehen wir auch,
nur in kleinerem Maasstabe, im bottnischen Meerbusen.
3. Eine Verschiedenheit gleicher Art, nur in noch engern
Gränzen, findet statt zwischen dem Frühlinge im offnen Felde
und in Hainen. Obgleich der Schnee auf ersterem bedeutend
Der Frühling. 205
früher wegschmilzt, man also den Frühling dort für weit eher
beginnend nennen kann, entwickelt sich doch in letzteren die
Frühlingsflora bald viel kräftiger und freudiger, weil der Hain
gegen das freie Spiel der Winde und die Nachtfröste schützt,
die der Vegetation vor Allem am hinderlichsten sind”). In sol.
chen Localitäten, welche diesen im Frühjahre lange blossge-
stellt sind, ist die Frühlingsvegetation immer besonders dürftig.
Man findet Corylus Avellana und Daphne Mezereum in Hainen,
wo noch viel Schnee liegen kann, schon blühend, wenn sie im
offnen Felde, welches schon lange schneefrei gewesen, noch
nicht ausgeschlagen sind. Hierin liegt auch die Erklärung, warum
fast alle Frühlingsblumen zugleich Hainpflanzen sind, und zwar.
die Anemonen,: Corydalis- Arten, Tussilago alba, Violae, Or
nithogala, Pulmonariae, Lathraea, Ranunculus Ficaria, u. a.
Dies ist es, was den Frühling in Waldgegenden so schön macht,
während er im ebenen Lande oft so wenig Einladendes hat.
4. Die gegen Norden oder Süden abhängige Lage
einer Landschaft ist, als den Winkel bestimmend, unter wel-
chem die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche trefien, gleichfalls
von grossem Einflusse. Abgesehen vom gar zu frühen Hervor-
treiben der: Vegetation an gegen die Sonne gekehrten steilen
Bergabhängen **), sieht man schon an einem Hügelchen, wie die
Pflanzen an seiner Südseite früher ausschlagen, als am Nord-
*) Sogar unsre ächten nordischen Föhren werden ganz unfruchtbar,
wenn unter dem Blühen Nachtfröste eintreten r).
+) Die Gegend um Greifswald hat mit der von Upsala in klimatischer
Hinsicht das gemein, dass der Frühling die schlechteste Jahreszeit
ist, indem während desselben gewöhnlich ein kalter, ausdorrender
Nordostwind weht, der nicht selten, kurze Unterbrechungen ausge-
nommen, 6—10 VWVochen anhält und gewöhnlich mit hellem, kla-
rem Wetter und Nachtfrösten gepaart ist. Bei solcher Witterung
schreitet oft die Vegetation im. Freien in 3—4 Wochen keinen
einzigen Schritt vorwärts, während sie in Hainen und Wäldern
nicht nur ungestört sich entwickelt, sondern wenn Sonnenschein
damit verbunden, sogar rascher vorschreitet, als in milderen, aber
trüben Jahren. "Die Folge davon ist, dass Haine und Wälder
dann schon im schönsten Schmuck’ ihrer Frühlingsflor prangen,
während die Bäume noch unbelaubt sind und die Flor der dem
Winde ausgesetzten Oertlichkeiten höchst dürftig ist und nur ihre
Erstlinge entwickelt zeigt. Erst Ende Mai oder Anfang Juni gleicht
sich diese Verschiedenheit wieder aus. Anm. d. Red.
##) Am meisten treibend und beschleunigend für die Vegetation wird
solches Localverhältniss in kleinern von Höhen umgebenen 'Thä-
lern, wo die Wärme zu grosser flöhe gesteigert wird, so dass sie
oft wie aus einem Crater von da aufsteigt und ihre Wirkung bis
auf benachbarte Fluren verbreitet,
14 *
206 Der Frühling.
abhange, und grösser wird der Einfluss davon, wo ein ‚ganzer
Landstrich sich süd- oder nordwärts neigt. Dem Botaniker ist
deshalb der Süd-Abhang einer Höhe stets interessanter, da er
die seltensten Pflanzen und vorzüglich eine reiche Frühlingstlora
hervorbringt; für den Oekonomen aber hat, wenigstens im Süden,
der nördliche grössern Werth, denn er gewährt auf den Sommer
zu den freudigsten Graswuchs und die kräftigste Vegetation,
während daselbst der südliche gewöhnlich vor Dürre verbrennt.
Man findet auch stets auf zwei einander nahen Continenten auf
der gegen Süden geneigten Küste des nördlicheren manche Pflan-
zen, die auf der gegen Norden abhängigen des südlichern Con-
tinents fehlen, wo wiederum solche des nöralichern vorkommen,
die im letztern nicht bis an dessen Südküste reichen. So giebt
es in Schonen Arten, die erst tiefer in Deutschland vorkommen;
im nördlichsten Deutschland dagegen Pedieularis. Sceptrum
Carol., Nymphaea pumila, Hippophaö rhamnoides u. a., die
in Schweden erst weit jenseit Schonens anzutreffen sind. Im
südlichsten Schonen erfolgt auch der Frühling vollkommen so
zeitig, wie im nördlichsten Deutschland *).
5. Die chemische Beschaffenheit des Bodens,
welche übrigens, besonders in Kalkboden, so bedeutend zum
sanzen Charakter der Vegetation mitwirkt, scheint auf die Zei-
tigkeit und schnellere Entwickelung des Frühlings weniger Ein-
fluss zu haben, als man glauben möchte. Auf Öland und Gott-
land trifft der Frühling nicht merklich eher, als auf dem gegen-
über liegenden Festlande, wie man wohl nach der so ausge-
zeichnet südlichen Flora, die der Kalkgrund hervortreibt, anzu-
nehmen geneigt wäre. Es bildet einen merkwürdigen Contrast
in der Flora dieser Inseln, dass sie bei ihrer südlichen Vege-
tation, die sie dem Kalke verdanken, zugleich mehrere alpine
Pflanzen beherbergen. Dass sie eine so schöne Frühlingsflora
haben, kommt jedoch mehr von klimatischen Verhältnissen, als
vom Boden her. Da scheint Kieselboden, in der Form feinen
losen Sandes (Flugsand), mehr treibend für die Frühlingsvege-
tation zu sein, oder vielleicht sollte man richtiger sagen: auf
Flugsandfeldern können, ausser einer oder der andern Art mit
ausserordentlich tief gehenden Wurzeln, nur Frühlingspflanzen
gedeihen, da im Sommer die Pflanzenwelt dort im Allgemeinen
*) Dass manche südliche Gewächse, die im nördl. Deutschland
kaum den Winter aushalten, sch onische Winter überstanden ha-
ben, ist cher der insularen Lage Schenens zuzuschreiben,
I
Der Frühling. 207
von der Hitze verbrennt. Schonens Flugsandfelder wenigstens,
vorzüglich die an der nordöstlichen Seite, die auf einer mächti-
sen Thonschicht ruhen , welche die vom schmelzenden Schnee
her eingesogne Feuchtigkeit hinabzusinken verhindert, haben
eine höchst interessante Frühlingsflora; aber schon auf denen
Hallands fehlt diese (es giebt daselbst fast nur perennirende
Gewächse mit tief-gehenden Wurzeln,) und auf den im Innern
Smälands, z. B. bei Ljungby, vorkommenden fehlt beinah alle
Vegetation. Die chemischen Bestandtheile des Bodens äussern
also auf die Frühlingsflora keinen andern Einfluss als sie auf
die Vegetation überhaupt und insbesondere auf Hervorbringung
eigner Arten haben.
6. Desto einflussreicher ist dagegen die Feuch-
tigkeit der Atmosphäre und der damit zusammenhan-
gende Niederschlag. Letzterer ist zu betrachten nach seiner
Quantität, seiner Form und nach der Zeit. Welch bedeu-
tender Unterschied in seiner Quantität in verschiednen Zonen
stattfindet, ist aus der Meteorologie bekannt genug; aber auch
in engerem Bezirke kann er sehr gross sein. So giebt Schouw
den Niederschlag zu Bergen in Norwegen bis auf 70 par. Zoll
jährlich an, während das Mittel für Scandinavien 18 bis 20 Z.
jährlich. ist... In manchen tropischen Ländern steigt er bis 100
Z. und. darüber. In Scandinavien ist er an der West-Küste
grösser, als an der östlichen, so wie in bewaldeten Gebirgsge-
senden grösser als im flachen Lande. Indess ist die Summe
des Niederschlages von weit geringerem Gewichte, als seine
Form und die Zeit, denn die Lage des Bodens und sein Absor-
ptionsvermögen für Feuchtigkeit haben mehr Einfluss, als die
Menge des Regens. — Dagegen hat man nicht überall genug
Wichtigkeit dem beigemessen, ob er in der Form von Schnee
oder von Regen, ob letzterer als heftiger Gewitterregen oder
als gleichmässiger Staubregen erfolgt: was alles viel wirksamern
Einfluss auf das Pflanzenleben hat. Schnee, als Nichtleiter der
Wärme, verhindert in kalten Ländern die Abkühlung des Bo-
dens*), das Eindringen der Kälte zu bedeutenderer Tiefe, als
bei der Sommerwärme zum Aufthauen kommt. Das Entgegen-
gesetzte muss auf die Pflanzenwelt im Allgemeinen, und insbe-
*) Wahrscheinlich hat man der Schneedecke während der kalten Jahrs-
zeit die Erhöhung der Boden-"Temperatur über das Mittel der
Luft-Temperatur in den kältern Klimaten theilweise zu verdanken.
In den gemässigten Klimaten sind beide bekanntlich gleich, in der
heissen Zone die Bodentemperatur niedriger.
208 Der Frühling. ö
sondre auf die Frühlingsvegetation, höchst nachtheilig wirken.
Solchem zu unbestimmter Tiefe hinabdringenden Bodeneise, wo-
von nur die Oberfläche aufthaut, ist jene äusserste Dürftigkeit
der Vegetation in den nördlichen Einöden Sibiriens zuzuschrei-
ben; auch in Sümpfen des nördlichsten Lapplands hat Lästa-
dius ein solches nie aufthauendes Bodeneis beobachtet. “Aber
noch auf eine directere Weise ist der Schnee wohlthätig für die
Pflanzenwelt, indem seine schlecht-leitende Eigenschaft zartere
Pflanzen vor Zerstörung durch die Winterkälte schützt. Es ist
nicht die Sommerwärme, was das Cultiviren von lappländischen
und Gebirgspflanzen im südlichern Schweden hindert, sondern
die Winterkälte, weil ihnen hier die gleichmässige: Schneebe-
deckung fehlt, welche sie in der Heimath schützt *). Im’ Gar-
ten zu Upsala luxuriirten früher mehrere lappländische Pilan-
zen, welche aber durch den gelinden Winter 1833 eingingen.
Mehrmalige Entblössung des Bodens von Schnee mit Frost den
Winter über ist für die Frühlingsvegetation in hohem Grade nach-
theilig. Manche Pflanzen, die in gleichmässigen Wintern am
Leben bleiben und bei Ankunft des Frühlings aufs neue blühen,
werden durch jene ganz zerstört, bis neue Pflanzen aus Samen
haben aufwachsen können. Dies ist die Ursache, warum bei
Lund nur in gewissen Frühjahren Veronica polita, V. opaca;
Lamia u. a. in Menge vorhanden sind, in andern Jahren aber
erst weiterhin gegen den Sommer. Auch nachdem der Frühling
begonnen, ist Schnee mit mildem Wetter der Vegetation gün-
stiger, als trockne warme Luft oder Regen mit Nachtfrösten
wechselnd. Ganz anders verhält es sich in den Klimaten, ‘wo
Schnee und Frost zu den ungewöhnlichen Erscheinungen gehö-
ren: da wirken sie stets schädlich. Die Vegetation jedes Lan-
des bequemt sich den gewöhnlichen Verhältnissen desselben an;
alle davon abweichenden Extreme wirken schädlich auf sie. —
Von nicht viel geringerer Wichtigkeit ist die Zeit des Nieder-
schlages. Sie kann in verschiednen Ländern, so wie in ver-
schiednen Jahren , verschiedentlich in die Jahreszeiten vertheilt
sein. Im Herbste, wo bei uns der Niederschlag am grössten
ist, herrscht in China, nach Meyen, ‘der trockenste, 'klarste
Himmel. Während bei uns die Frühlingsvegetation überwiegend
*) Bei der Cultur nordischer Gewächse, z. B. des Aubus arcticus, ist
es nöthig, nicht bloss eine von der Sonne ahgewandte Localität
für sie zu wählen, sondern auch sie mit Schnee - und Laubbedek-
kung gegen schneelosen Frost zu schützen, zugleich damit sie nicht
früher treiben als die Nachtfröste aufgehört haben.
Der Frühling. ' 200
ist, ist in den Ländern Nord- America's, welche sonst gleiche
Mitteltemperatur haben, die Herbstflora am üppigsten: daher die
grosse Menge von Astern, Solidagines u. S. w., die bei uns
kaum zum Blühen kommen. In den Erdgegenden, wo man eine
bestimmte Regenzeit und eine trockne warme Jahreszeit hat, be-
ginnt der Frühling (der Flora) stets mit der Regenzeit, unab-
hängig vom Stande der Erde gegen die Sonne. Bei uns ist der
Niederschlag unbestimmter zwischen die Jahrszeiten vertheilt;
dass aber ein nasser Frühling für die Vegetation vortheilhafter
ist als ein trockner, ist hinreichend bekannt.
7. Die Richtung der Winde wirkt, ausserdem, dass
die heftigeren die Feuchtigkeit des Bodens gleichsam aussaugen,
hauptsächlich durch ihre Verbindung mit der Temperatur und
dem Niederschlage auf die Beschaffenheit des Frühlings. Es
ist nicht überall der nördliche Wind der kalte, oder der Süd-
wind der laue, sondern dieses wird durch dieLandstriche, durch |
welche sie ziehen, modifieirt. Hochgebirgswinde sind überall
kalt, so dass in Finnmarken der südliche Wind, welcher den
Gebirgsrücken überschritten hat, der kälteste ist. Seewinde
sind in der kalten Jahreszeit, obschon sie wegen ihrer Feuch-
tigkeit-oft wie kalt empfunden werden, die mildesten, in der
warmen Jahreszeit hingegen kühlend. Sie bewirken deshalb ei-
nen frühen, aber langsam fortschreitenden Frühling. Winde aus
Sumpf- und Moorgegenden, welche Nachtfröste mit sich brin-
gen, sind im westlichen Schweden u. a. der Frühlingsflora äu-
sserst nachtheilig. Die Zeit des Niederschlages wird in jeder
Landschaft hauptsächlich durch die Winde bestimmt; es ist in
jedem Lande gewöhnlich ein bestimmter Wind, der ihn mit-
bringt. Im östlichen Schweden ist es der NO.-Wind, der ge-
wöhnlich von Unwetter begleitet wird; im südlichen und westli-
chen aber: bringt meistens der SW.-Wind den Niederschlag.
Darin liest ein Hauptsrund zur Verschiedenheit der Vegetation
in den grössern phytogeographischen Strichen, in welche wir
Schweden oben eintheilten. [ Ausführlicher und in weiterem
Umfange belehrt über diese Gegenstände bekamntlich Kämtz,
Meteorol. I., 1U., theilweise auch Grisebach in Linnäa,
1838, 11.]
In Betrefi‘ ganzer Continente sind auch die Meeresströmun-
gen zu erwägen. Diesen schreibt man das kältere Klima, aller
Ostküsten und das mildere aller Westküsten der Continente auf
der nördlichen Halbkugel zu. Auf der südlichen ist es umge-
kehrt. Aber in engeren Bezirken ist dieses ohne Einfluss.
Diese Ungleichheit des Frühlings an verschiedenen Orten
210 Der Frühling.
innerhalb desselben Landstriches ist jedoch gewöhnlich minder
bedeutend, als die zwischen verschiednen Jahrgängen. "Vorzüg-
lich bemerkenswerth ist der ungleiche Einfluss der letztern auf
manche Gewächse. Der Anfang des Frühlings kann im südli-
chen Schweden um zwei Monate und darüber differiren; wir er-
innern uns mit völliger Bestimmtheit an Jahre, wo am 1. März
die Vegetation eben so weit vorwärts war, wie in sehr späten
am 1. Mai oder in gewöhnlichen Jahren am 1. April. ‘Im .J.
1826 blühten zu Femsjö Anfang Februars Galanthus, Ende des-
selben Monats Corylus, Draba verna u. a., welche in späten
Jahren erst Anfang Mais erschienen. Die Ursache davon darf
man nicht bloss in einer warmen Frühlings - Temperatur suchen,
sondern im milden Wetter des vorhergegangnen Winters. Nach
schneereichen Wintern wird der Frühling spät, aber warm;
nach milden zeitig, aber öfters kalt. Letzteres wirkt wohlthä-
tig; im entgegengesetzten Falle, so namentlich 1826, wird die
Vegetation zur Frühreife getrieben und eine Menge Ungeziefer
kann sich ungehemmt ausbilden. — Je weiter man aber nach
Norden kommt, desto mehr trifft der Anfang des Frühlings alle
Jahre gleichzeitig, so dass in Norrland [im schwed. Nordland,
um und jenseit 62° Br.] der Unterschied zwischen zeitigen
und späten Frühlingen kaum über einen Monat ausmacht. ‘Ein
spätes Frühjahr schreitet auch rascher vorwärts, mit gleichmässig
steigender Wärme, ohne Nachwinter, die ein frühes gewöhnlich
unterbrechen. Für das Pflanzenwachsthum im Allgemeinen, und
für die künftige Aernte insbesondere, ist ein Frühling, welcher
die Mitte hält, der beste. Die kälteren Länder unter denselben
Isothermen (gleicher mittlerer Wärme), deren Sommer warm
und deren Winter kalt sind, haben immer eine sehönere und
ausgezeichnetere Vegetation, als die, wo die Wärme mehr gleich
vertheilt ist. Im nördlichsten Scandinavien giebt es noch Wald,
wo die Mitteltemperatur unter 0° ist, aber auf Gebirgen tro-
pischer Länder trifft dieBaumgränze bei + 12°C. Dasselbe
Gesetz gilt für die Cultur der Getraidearten: ist nur genug Som-
merwärme da, so gelingt sie, ohne dass die Winterkälte in Be-
tracht kommt, während in gewissen Hochländern Süd-America’s,
da, wo die Wärme fast nie unter den Gefrierpunkt sinkt, weder
Weizen noch Roggen, nur Gerste und Hafer gebaut werden
können. Es wäre wohl in öconomischer Hinsicht vom grössten
Nutzen, wenn man in der Beschaffenheit des Frühlings ein
Prognosticon sowohl für die Fruchtbarkeit des Jahres im Gan-
zen, als auch für sein Zusagen für besondre Pflanzen erhalten
könnte. Diese Seite unsers Gegenstandes ist die am wenigsten
Der Frühling. 211
bearbeitete, weil es an hinreichenden, durch eine lange Reihe
von Jahren fortgesetzten Beobachtungen fehlt. Durch Achtgeben
auf das Zusammenhangen der Naturverhältnisse haben indess
manche ältere Landwirthe eine reiche Erfahrung gewonnen so-
wohl in Betrefl der passendsten Zeit zum Säen, als auch der
Wahl der Getraideart je nach Beschaffenheit des Frühlings:
was sich jedoch nicht weiter -lehren oder vererben lässt, weil
es mehr ein Fühlen, als ein objectives auf.klar ermittelte Gründe
gestütztes Wissen ist. Dass der Weg zur Erforschung dieser
durch. eine Menge Irrthümer hindurch gebahnt werden muss,
darf nicht davon abschrecken, ihnen nachzuspüren, denn der
Feldherr,, der nicht den Verlust einiger Mann wagen will, hat
nie einen Sieg errungen. Dass die Beschaffenheit des Frühlings
auf das Gedeihen einer Menge von Gewächsen entschiedenen
Einfluss hat, ist ganz unbestreitbar; aber die, welche dem einen
zusagt, kann einem andern höchst ungünstig sein. Durch er-
worbene Fähigkeit, dergleichen in der Zeit einzusehen und zu
beurtheilen, kann manchem Verluste vorgebeugt oder abgeholfen
werden. Schon können wir aus der Beschaffenheit des Früh-
lings auf die. Fruchtbarkeit von Bäumen u. a. schliessen. (46jäh-
rige Listen über Säezeit und Ertrag jeder Getraideart, aus
Femsjö, geben manche interessante Resultate) Für die Cultur
exotischer Pflanzen lässt sich daraus manches Wichtige abneh-
men, z. B. dass man aus einem oder dem andern ungewöhnlich
sünstigen Jahre noch nicht auf das Anpassen einer Pflanze an
unser Klima schliessen darf. Ich las eimal gedruckt, die Cul-
tur des Mais könne wohl bei uns belohnend sein, bloss weil er
auf die ungewöhnlich zeitigen und warmen Frühjahre 1822 und
1825 .noch gerathen war.
Wir deuteten an, wie das verschiedne Verhalten des Früh-
lings auf verschiedene Pflanzen ungleich wirkt, und dass, was
die eine begünstigt, der andern schaden kann. Hiervon die
Gesetze zu kennen, muss für einen Landwirth äusserst wichtig
sein; aber für die Erforschung derselben ist noch nichts gesche-
hen. So war der Frühling von 1839, obgleich spät gekommen,
einer der angenehmsten, die man im mittlern Schweden seit
mehrern Jahren gehabt hatte, mit gleichmässig steigender
Wärme und dem Graswuchse und. den meisten Kräutern aus-
nehmend günstig. Aber dabei starb der meiste angebaute Klee
aus und die Wachholdersträucher befiel im mittlern Schweden
eine wahre Pest, so dass kaum ein Drittheil derselben am Le-
ben blieb und selten einer zu finden war, der nicht an der Son-
nenseite mehr oder minder verbrannt gewesen wäre. In den
212 Der Frühling.
Frühjahren, wo die Wärme schnell eintritt, während die Kälte
noch im Boden steckt, kommen die Säfte zu früh in Bewegung,
durch welchen Vorgang, oder das sogen. Eisbrennen (isbränna),
manche zärtliche Pflanzen zerstört werden, wie es im genann-
ten Jahre mit dem Klee geschah, — und einen ähnlichen Grund
hatte wohl die Zerstörung des Wachholders, obgleich dieser
zu den sonst für Kälte am wenigsten empfindlichen Sträuchern
gehört. Sein Absterhen erstreckte sich indess nicht bis in die
westlichen Theile des Reichs, auch nicht auf Gottland, weil in
diesen der Frühling zeitiger begann, und die Wärme, durch
die Seeluft gemässigt, nicht so plötzlich sties. Solche klimati-
sche Verschiedenheiten bestimmen das ungleiche Resultat der
Aernte in den östlichen, westlichen und nördlichen Provinzen
Schwedens in verschiedenen Jahren. Während der in schreck-
licher Erinnerung stehenden Misswachsjahre in der ersten Hälfte
der 1780er Jahre*), besonders 1783, womit 1826 und 1834 gar
nicht zu vergleichen sind, war das Frühjahr so trocken wie der
Sommer, so dass das ausgesäete Getraide zum Theil erst im
September aufging. Den ganzen Sommer herrschte beständiger
Ostwind, woraus es sich erklärt, warum in demselben Jahre das
östliche Schweden nicht durch eigentlichen Misswachs litt;
(vgl. oben über Winde). — Aber nicht bloss die klimatischen
Verhältnisse des laufenden Jahres, auch die des vorherge-
sangenen greifen in das vegetative Verhalten des ihnen fol-
genden mächtig ein. Der im Herbste aufsteigende Saft (der
August - Saft) hat die Bestimmung, die Knospen der perenniren-
den &ewächse und der Bäume auszubilden, und je günstiger
das Wetter ihrer Ausbildung ist, desto reichere Anlagen sind
dadurch für ein kommendes Jahr vorbereitet. Natürlich können
unter nachherigen ungünstigen Umständen auch die besten An-
*) Die jetzt lebende Generation kann sich schwerlich eine Vorstel-,
lung von dem Elende machen, welches 1784 an der halländisch-
smäländischen Gränze herrschte. Man kann es zum Theil in der
„‚Stockholms-posten‘ von jenem Jahre lesen.... Nachdem das
Volk unter mehrmaligem Misswachs seine kleinen Höfe verpfändet,
schaffte es sein Hausgeräth und Kleider nach den Seestädten, um
sie für Saatgetraide zu verpfänden ; aber wegen gänzlichen Futter-
mangels war das Zuglieh zu kraftlos, die Leute selbst, kaum et-
was kräftiger, mussten es heimschleppen...... Bewohner von
Kronschatzgütern hatten zum Brodtbacken die Rinde von Buchen
abgeschält, die dort der Krone vorbehalten waren; sie wurden
von einem Kronbeamten verklagt, der Richter war aber zu mensch-
lich, um denen Busse aufzulegen, die zu Stillung ihres Hungers
Rinde von den Bäumen genagt halten. Im Pastorate Femsjö wurde
in einem ganzen Jahre ein Kind geboren.
Der Frühling. 213
lagen fehlschlagen ; was aber nicht in der Anlage da ist, kann
nicht zur Entwickelung kommen. Als ein Beispiel vom Einflusse
des vorigen Jahrs auf das ihm folgende nennen wir die Buche,
die bei uns nur nach warmen Sommern Früchte giebt. Welchen
Einfluss die Beschaffenheit der Aussaat auf die Ergiebigkeit im
folgenden Jahre hat, ist bekannt: aber dies hängt ebenfalls vom
Wetter des vorigen Jahres ab. Da Misswachs am gewöhnlich-
sten von trocknen Sommern herkommt, solche aber für die
Qualität der Körner vortheilhafter sind, als nasse, obgleich letz-
tere grössere Quantität geben, so findet in diesem Falle eine
Wechselwirkung statt. Die Erklärung einer oft Verwunderung
erregenden Thatsache, nämlich, dass manche einjährige Pflan-
zen, die viele Jahre nach einander auf einer Stelle erschienen
sind, plötzlich verschwinden und nachher ein paar Jahre brau-
chen, sich zu vermehren, habe ich öfters darin erkannt, dass
diese Pflanzen empfindlich für Nachtfröste sind, daher in einer,
in dem einen Jahre vor der Reife der Samen eingetretenen Frost-
nacht die ganze Samenmenge des Jahres für das folgende zer-
stört worden. Durch diese Ursache habe ich Datura, Cheno-
podium opulifolium, Xanthium, Setaria verticillata u. a. zer-
stört gesehen, wo sie früher in Menge gewachsen.
Betrachten wir den Frühling in verschiedenen Zonen, so
begesnen wir den entgegengesetztesten Verhältnissen. Wir be-
dauern, dass man so wenige, oder kaum irgend, Schilderungen
der Vegetation in verschiednen Jahreszeiten hat, sondern diese
zu einem Totalbilde zusammengemengt werden: wodurch man
aber sehr betrogen werden kann. Gegenden mit reicher Herbst-
flora, namentlich die Vereinigten Staaten von Nord- America,
können eine dürftige Frühlingsvegetation haben*); andere mit
der üppiesten Frühlingsflora, wie die Ebenen Italiens, eine dürf-
tige Sommerflora. Meyen sagt, dass Valparaiso in Chile, das
wegen seiner schönen Vegetation berühmt ist, zu gewissen
Jahrszeiten aller solchen entbehrt. Dies kann genügen, an die
Nothwendigkeit zu erinnern, bei dem Beschreiben der vegetati-
ven Physiognomie eines Landes, diese den einzelnen Jahreszei-
ten naturgemäss verschiedentlich zuzutheilen.. — In Polarlän-
dern und auf den höchsten Gebirgsgipfeln herrscht ewiger Win-
ter; folglich fehlt dort alle Vegetation. Darauf erscheint zuerst
*) Die Baumarten blühen z. B. um das so viel südlicher liegende
New-York [wegen dortiger südl. Beuguung der Isothermen] erst zu
derselben Zeit wie bei nus.
15
214 Der Frühling.
‚auf einzelnen der Sonne ausgesetzten Punkten oder längs der
vom aufgethauten Schneewasser gebildeten Bäche der erste Ver-
such einer kümmerlichen Frühlingsvegetation. Aber es giebt
Wüsten, wo auch wegen vereinter Trockenheit der Luft und
des Bodens alle Vegetation mangelt. Fallen in diesen dennoch
in einzelnen Jahren, wie es im nördlichen Chile und in Bolivien
geschieht, heftige und anhalterde Regen ein, so schiesst dort
eine reiche Frühlingsflora auf, unabhängig von den Jahreszeiten.
Im Ganzen tritt in allen wärmern Ländern mit einer bestimmten
Regen- und einer heissen Jahreszeit der Frühling mit dem An-
fange der Regenzeit ein. Auf Hochebenen in den tropischen
Ländern und den paradisischen Südsee-Inseln fliessen fast alle
Jahrszeiten in einander, so dass man Frühling, Sommer und
Herbst auf einmal hat; nur der Winter fehlt. Das glücklichste
Loos aber haben die Länder ausserhalb der Wendekreise, die
Heimath der stets grünenden Laubhölzer , der Familien der He-
speriden, Lorbeere und Myrten: sie vereinigen die Ueppigkeit
der tropischen Vegetation mit der Anmuth der Flora temperirter
J,änder. Man kann dort so zu sagen zweifachen Frühling erle-
ben: gegen die heisse Jahrszeit tritt eine tropische Flora, ge-
gen die kühlere die der gemässigten Länder auf. Man ärntet
daselbst, z. B. im Innern von Ostindien, im südlichen China,
zwei- oder mehreremal im Jahre von demselben Boden: im
Sommer die tropischen Getraidearten, während (unsers) Winters
die europäischen. Damit ist erklärt, wie dort auf gleichem
Areal eine so unvergleichbar grössere Volksmenge leben kann,
als bei uns, wo man, z. B. im mittlern Schweden, nur um das
andere Jahr einmal ärntet. — In den kältern Klimaten ist der
Frühling gewöhnlich von gewaltigen Kämpfen und Stürmen be-
gleitet; in den gemässigten ist er ein ruhiges Erwachen aus
kurzem Winterschlummer, dagegen hier der Sommer von hef-
tigen Naturerscheinungen heimgesucht wird. Die Verschieden-
artigkeit hierin ist aber so mannigfaltig, als die Länder der
Erde. Durch bloss meteorologische Beobachtungen ‚erlangt man
nur einen Grundriss davon, wird aber zugleich die Vegetation
gezeichnet, so erhält das Gemälde erst sein natürliches Colorit.
3 Die Frühlingsblumen.
Mit all seinem Sonnenglanze über Land und See, mit allen
seinen. schwellenden Strömen und rauschenden Bächen wäre
ohne Blumen der Frühling öde und leer, wie ein Himmel ohne
Sterne; nur Blumen geben dem bewegten Gemälde Leben und
Der Frühling. 215
Frische. Selbst die. Musik der beflügelten Natursänger wäre
melancholisch, wäre sie des Winters Vorbote. Der erste An-
blick der Erstlinge Flora’s erweckt zaubernd gesteigerte Lebens-
lust bei den Gesunden, bei Leidenden neugeborne Hoffnung und
Vorgefühl der Fülle des Lebens. Wessen Auge sich nicht ver-
klärt bei ihrem ersten Begegnen, trägt Winterkälte in der eig-
nen Brust. Aber wie einfach, wie anspruchlos sind nicht alle
Frühlingsblumen, verglichen mit den Rosen des Sommers und
den Sonnenblumen des Herbstes. Dennoch sind sie uns doppelt
lieb durch ihre anspruchlose, jungfräuliche Anmuth. Im Gegen-
satze gegen des Herbstes Blumen, die am besten an Wegen
und wüsten Stellen (rudera) gedeihen, suchten sie schüchtern
im Haine Schutz, wo ihre Freunde sie aufsuchen müssen. Em-
porgehoben von einfachen schlanken Stengeln, oder aus noch
blattlosen Knospen der Bäume hervorbrechend, bezaubern diese
ländlichen Kinder weder durch berauschenden Wohlgeruch (die
Frühlingsblumen sind geruchlos), noch durch die wechselnden
Formen und das reiche Farbenspiel, womit die Natur späterhin
unser durch Gewöhnung erschlafftes Interesse unterhält. Verge-
bens suchte man unter den Frühlingsblumen jene bunte Ausstat-
tung, welche die Sommerblumen schmückt; sie sind entweder
schneeweiss wie ihre Wiege (Galanthus, Anemone nemorosa,
weisse Narcisse, u. a.) oder azurblau wie der Frühlingshimmel
(Anem. Pulsatilla, die Violae, Hyacinthen [in Schw. H.botry-
oides]| u. a.), oder erborgen ihre Vergoldung von der Sonne
(Anem. ranımnculoides, Primulaveris [schw. gullviva, quldhvifva,
Goldhaube], Gageae), oder Purpur von der Morgenröthe (Anen..
Hepatica, Corydalis- Arten). Desto reicher sind sie an Honig-
saft, auch darin den Herbstklumen entgegengesetzt, daher sie
beständig von Bienen und Schmetterlingen umschwärmt werden,
die Nahrung saugen. Schauen wir nur nach den sonst so ver-
achteten Weiden an warmem Frühlingstage! Welch summender
Jubel um diese einfachen goldgelben Fransen!
Aber die Frühlingsblumen bieten mehrere Eigenthümlich-
‚keiten dar, die besondre Beachtung verdienen. Erstlich sind
nicht alle im Frühlinge blühenden Pflanzen wirkliche Frühlings-
blumen: viele sind Zurückgebliebene des vorigen Jahrs, die ein
sanfter Winter verschont hat, namentlich Lamia, Veronicae,
Stellaria media, Bellis perennis. Alle diese sind an keine be-
stimmte Jahreszeit gebunden, während dagegen die eigentli-
chen Frühlingsblumen schnell abblühen und verschwinden. Alle
eigentlich zu ihrer Schaar gehörenden sind mehrjährig, wenig-
stens zweijährig; Draba verna u. a. sind wohl als einjährig
216 Der Frühling.
angegeben, untersucht man sie aber genauer, so kann man nicht
allein ihre Blattrosetten, sondern auch Blumenknospen im Spät-
herbste ausgebildet finden; wo ich sie auch manchmal blühend
fand. Alle eigentlichen Frühlingsblüthen liegen schon im Herb-
ste vorgebildet in ihren Knospen, welche die Frühlingssonne
nur entwickelt. Dies erklärt, warum sie auch zuweilen so leicht
in milden Spätherbsten, durch Anticipation des kommenden
Frühlings, entwickelt werden. Was aber nicht im vorhergehen-
den Jahre vorbereitet worden, kann nicht im Frühjahre ausge-
bildet werden. Eine jede Pflanze, die nicht in ihrer Knospe
oder Zwiebel vorgebildet liegt und nur noch der Entwicklung
durch die Frühlingssonne harrt, ist keine eigentliche Frühlings-
blume, wenn sie auch im Frühjahre blüht, wie Ranunculi.
Jene erstern heissen Frühlingsblumen deshalb, weil sie
mit dem Frühlinge ihr individuelles Leben beschliessen, =.
weil sie da blühen.
Das Fortwachsen und die Blattbildung, die bei den meisten
derselben erfolgen, zielen nicht auf die diesjährige, sondern
auf die Generation des folgenden Jahres ab. Nur !mittelst Ein-
sicht dessen wird es verständlich, warum die Blätter so vieler
Frühlingspflanzen sich erst nach dem Blühen entwickeln, da die
Blattbildung etwas ist, das der der Blüthe vorangehen muss.
Die Blätter der Tussilago, die im Frühlinge blüht, waren Blät-
ter des vorigen Jahres; die nachher sprossenden sind die Blät-
ter zur Blüthe des nächsten Jahrs. Bei Anemone Hepalica u.
a. verbleiben die Blätter des vorangegangnen Jahrs, his das
diesjährige Blühen vollendet ist; nachher erscheinen die Blätter,
welche die Knospen der Blumen des nächsten Jahres ausbilden
sollen.
Die Frühlingsblumen unsers Klimas können wir in drei be-
stimmte Gruppen und eine collective vierte bringen, nämlich:
Kätzchen-tragende Bäume und Nadelhölzer, Halbgrä-
ser, Lilien, und andere Kräuter*). Unter diesen sind die
Blüthen der Kätzchentragenden die dem Frühlinge eigenthüm-
lichsten und ihm ausschliesslich angehörenden. Sie gehören
auch nur den kältern Klimaten an, wo sie fast ausschliesslich
den Wald bilden, und die, welche nicht im strengsten Sinne
dazu zu rechnen sind, nähern sich ihnen oft in der Art des
Blühens, nämlich Ulme, Esche, auch Daphne. Ihre Bildung
*) Zu den Frühlingspflanzen sollten auch Musci und Lichenes, wel-
ehe einem grossen Theile nach in dieser Jahreszeit fructificiren,
gerechnet werden. |
Der Frühling. 217
ist sichtlich für den Frühling und die kürzeren Sommer der käl-
teren Länder eingerichtet. Diese sind nämlich zu kurz, um
Stamm- und Blätterbildung nebst Blüthe und Frucht in einem
Jahre zuzulassen: darum verschiebt der Trieb des laufenden
Jahres sein Blühen und Fruchtansetzen auf das nächste Jahr;
die Früchte der noch nördlicheren Nadelhölzer gelangen erst im
dritten Jahre von der Bildung ihrer Knospen an zur Reife. Die
eigentliche Laubbildung des Jahres steht selten in einem noth-
wendigen Zusammenhange mit den Kätzchen, wenn fdiese auch
aus zugleich blattbringenden Knospen hervorbrechen; daher blü-
hen sie auf nackten Zweigen und schliessen alle überflüssige
Pracht aus, oder überspringen in ihren Blüthen die Kelch- und
Blumenblattbildung. Ihre Blumenbedeckung bildet keine regel-
mässigen Kreise, sondern die Blätter werden nur zu Schuppen
metamorphosirt, welche die Spiralstellung der Blätter beibehal-
ten; ein Kätzchen ist ein zusammengezogener metamorphosirter
Blatttrieb. Dass das Blühen auf nacktem Zweige stattfindet,
ist nicht ohne Zweck, denn die ausgewachsenen Blätter würden
der Befruchtung der diclinischen Blumen hinderlich sein. Auch
diese Diclinie hängt sowohl mit der Einfachheit in ihrer Blu-
menbildung, als auch mit klimatischen Verhältnissen zusammen.
— Die artenreichste Gattung darunter sind die Weiden, die
vorzugsweise in Lappland ihr Maximum haben. Ihre Blüthe und
Fruchtbildung sind den kurzen Sommern des höchsten Nordens
besonders angepasst. Die vielen Eigenthümlickheiten dieser
Gattung haben wir in einer besondern Abhandlung entwickelt
[in Nov. Fl. suec. Mant. 1.].
Die zweite Gruppe der Frühlingsblumen bilden die Halb-
gräser (Cyperaceae), auch einige Luzulae können dazu gerech-
net werden. Unter ersteren sind es vorzüglich Eriophora und
eine Menge Riedgräser, die wirkliche Frühlingspflanzen sind.
Ihren Blüthenstand bildet auch eine Art von Kätzchen: die Blü-
then sind bei den Riedgräsern getrennten Geschlechts und die
Frucht vom Perianthium bekleidet; alles deutet eine besondere
Analogie mit den Kätzchenbäumen an. Sie gehören noch be-
stimmter dem kalten, sogar dem arctischen Klima an, wo die
Gattung Carex ihr Maximum hat; denn die Cyperaceae der
wärmern Länder, welche Sommergräser sind, gehören einem
ganz andern Typus an. Obgleich gerade die frühesten meist
an trocknen Stellen vorkommen, so machen doch Sumpfgräser
ihre Mehrzahl und Menge aus. Von den Scirpis gehört Se.
caespitosus auch zu diesem natürlichen Verwandtschaftskreise ;
ich fand ihn bei Femsjö einmal Ende Aprils in voller Blüthe.
218 Der Frühling.
Am frühsten aber erscheint Eriophorum vaginatum),, an iman-
chen Orten die erste Frühlingsblüthe ausser den Kätzchentra-
senden. In den nördlichen und arctischen Ländern sind es aus-
schliesslich Cyperaceae, welche die jenen so eigenthümliche
Torfbildung eingehen. Charae und andre schon in Deutschland
als torfbildend angegebene Gewächse treten hier gar nicht in
die Torfbildung ein *).
Die schönste Zierde des Frühlings machen die Lilien aus,
nämlich in den wärmern gemässigten Ländern, wie Süd -Europa,
wo sie die Bekleidung der Wiesen und Felder ausmachen. Im
Norden, wo sie nur wenig Repräsentanten haben, ist es nicht
so. Auch sind nicht alle Liliengewächse Frühlingsblumen.
Diese schöne und leicht erkennbare Familie bietet eigentlich für
alle Jahreszeiten Formen dar: Arten die im ersten Jahre aus
der nachher vergehenden Zwiebel blühen, ‘andre, die zu meh-
rere Jahrhunderte alten Bäumen erwachsen, ehe sie blühen
(Fourcroya, oder erst zum Blühen baumhohe Schäfte treiben:
Agave), um darauf abzusterben. Obgleich man in einigen grö-
ssern Pflanzengruppen denselben Grundtypus deutlicher wieder-
findet, als in mehreren Tribus der Lilienartigen, so ist doch
nirgends das Ziel des Pflanzenlebens, in tausend Formen‘ und
verschwenderischer Pracht zu wechseln, deutlicher ausgedrückt.
Bald erkennt man aber, dass die für eine jede der Jahreszeiten
bestimmten Arten ein danach eingerichtetes vegetatives System
besitzen, so dass man aus dem Stengel eines Liliengewächses
schon seine Blühzeit bestimmen kann: je früher diese, desto
weniger ausgebildet der Stamm; den Erstlingen des Frühlings
fehlt ein solcher, die auf Jahrhunderte berechneten werden
(Fourcroya) gewaltige Baumstämme. Alle eigentlichen Früh-
lingslilien liegen vorgebildet in ihrem Winterlager, der Zwiebel,
aus welcher sie ihre einfachen blattlosen Stengel schnell hinauf
treiben: so Galanthus, Leucoium, Narcissus, Hyacinthus,
Muscari, Scilla, Ornithogalum, und andere, die mit einer uns
*) Unter den eigentlichen Gräsern giebt es keine, die eigentlich dem
Frühlinge angehörten; Poa annua überwintert nur allgemein, Die
gegliederten Halme der Gräser müssen ihr vegetatives System suc-
cessiv ausbilden und können daher nicht, wie die der Cyperaceen,
vorhergebildet in ihren Scheiden eingeschlossen sein. Die hoch-
wachsenden mit beblättertem Halme versehenen Riedgrasarten sind
auch Sommergräser, während bei den frühesten, Carex digitata,
montana, ericetorum, rupestris u. a. die Halme blattlos sind
und die während des Blühens vorhandenen Blätter vom vorigen
Jahre her stehen geblieben sind. Dieser Umstand erklärt es, wa-
rum Carex caespitosa L. [& Fr., C. pacifica Dreier] weit ER
blüht als C. vulgaris [Fr., C. caespitosa Auctt.].,
Der Frühling. 219
unbekannten Pracht Süd-Europa’s Frühling schmücken. Die
allerfrühsten entwickeln sich sogar ohne Stengel, die lang aus-
gezogene Blumenröhre ersetzt dessen Mangel bei Crocus, Bul-
bocodium, Colchicum autumnale; letzteres ist, obschon es im
Herbste blüht, seinem Typus nach eine wirkliche Frühlingslilie,
was sowohl durch seine Gattungsgenossen bestätigt wird, als
auch durch sein eignes Blühen an seinem natürlichsten Stand-
orte, auf zeitig überschwemmten Wiesen. Man hat in ähnlicher
Art in Süd- Europa ein im Spätherbste blühendes Leucoium,
und von einer Menge Frühlingspflanzen, z. B. Cyclamen, hat
man so nahe verwandte im Herbste und im Frühlinge blühende
Formen, dass man über ihren Art- Unterschied in Ungewissheit
ist. Die Zwiebel selbst gehört indess zur Stammbildung der
Lilien, nur die einfachen Fasern, die sich am Grunde der Zwie-
bel finden, sind ihre Wurzeln. In dem Maasse, als jene sich
zum wirklichen Stengel verlängert (die Lauchgattung zeigt alle
Modificationen desselben), blühen die Liliaceen später; bei den
in der Sommerzeit blühenden, z. B. Anthericum, ist die Wur-
zel fas’rig, nicht eine Zwiebel, und so können keine Blumen in
einer solchen ausgebildet werden.
Die übrigen Kräuter, welche die Flora des Frühlings schmük-
ken, sind dem Aussehen, wie der Verwandtschaft nach, weit
davon geschieden, haben aber das Gemeinsame, zu Familien zu
sehören, die ihren Stammsitz (centrum) in kalten und arctischen
Zonen haben, wo allein eine Frühlingsflora auftreten kann, und
zwar Primulaceae, Ericinae, Violariae, Saxifrageae, Cruei-
ferae, Ranunculaceae, u. a. Unter diesen nähern sich die im
Frühlinge blühenden Ericinae (näml. 'Arbutus, Andromeda,
Erica carnea, welchen auch Empetrum zugezählt werden kann,)
-in vegetativer Hinsicht den Coniferae durch ihr beständig grü-
nendes Laub; die sämmtlichen übrigen sind stengeltragend.
Man kann indess bei diesen, wie bei den Lilienartigen, am
blattlosen oder mehr oder minder beblätterten Stengel die früh
blühenden von den gegen den Sommer hin blühenden Arten un
terscheiden, so bei Anemone, Draba, Arabis; ja Adonis ver-
nalis hat eine zeitigere Frühlingsform mit unausgebildeten und
eine Sommerform mit völlig entwickelten Blättern. Bei den
Violae giebt es eine fortlaufende Reihe von Arten nach der
Ausbildung des Stengels, ganz der Blühzeit ‘entsprechend.
(Ebenso verhält es sich mit den ZHieracien, die zwar keine
Frühlingspflanzen sind.) Bei einigen von diesen, näml. Cory-
dalis, Cyclamen, nimmt die Wurzel Zwiebelgestalt an, und
wie bei den Liliaceen liest in dieser die hervorwachsende Pflanze
220 Der Frühling.
in dem Jahre vorher ausgebildet. — Alle verschiedenen Formen
der Frühlingsblumen durchzugehen würde zu weitläuftig; wir
fügen nur hinzu, dass man im vegetativen Systeme jeder Pflanze
den deutlichsten Plan oder, wenn man so sagen darf, die wei-
seste Berechnung zu ihrer Angemessenheit für ihr Klima, Lo-
calität, bestimmte Blühzeit u, s. w. in ihrem Baue erkennt.
Jene unzähligen, schönen und wechselnden Formen, welche die
Pflanzenwelt aufweiset, sind nicht Ergebniss einer Laune oder
ein Phantasiespiel der Natur, welchem ein bestimmter Zweck
fremd wäre. Aber eben darum, weil die Pflanzen alle ihre
Mannigfaltigkeit nach aussen richten, von aussen ihre Nahrung
nehmen, muss der Zweck ihrer verschiednen Bildun-
gen inihremVerhältnisse zuräussernWeltgesucht
werden. Sowohl dieses, als auch dass den Pflanzen keine
willkührlichen Functionen zukommen, ist der Grund der Ein-
fachheit in der innern Organisation der Pflanzen. Ganz das
Entgegengesetzte findet bei den Thieren statt: ihre Ausbildung
ist eine innere. der Zweck derselben sind äussere, freiwillige
Handlungen. Treffend nannten daher die Alten das Thier eine
umgekehrte Pflanze mit individueller Freiheit. Darum muss das
Thier alle seine edlern Organe im Innern verbergen, um sich
von der äussern Welt zu isoliren. Nicht bloss zu jeder seiner
Veränderungen, auch zu jeder äussern Handlung giebt es einen
innern Grund, daher sein Steigen zur Vollkommenheit von einer
stets mehr und mehr ausgebildeten inneren Organisation beglei-
tet ist; — woraus sich denn die überwiegende Wichtigkeit der
Anatomie und Physiologie für das Studium der Zoologie ergiebt.
Diesen entsprechen in der Botanik vornehmlich die Morpholo-
gie und die Phytonomie, von welcher die Pflanzen - Geogra-
phie ein Theil ist: denn bei den Thieren die Organisation, bei
den !Pflanzen aber die nach Klima und Jahrszeit wechselnde
Gestalt sind die Bedingungen zum Siege des Lebens über die
äussere Natur.
VIE.
Botanisch - antiquarischer Ausflug zu den
Nymphaeaceen der Griechen *).
Von
Dr. Elias Fries.
Uebersetzt von Dr. €. T. Beilschmied.
vorwort.
Weiche Wichtigkeit Ueberreste und Denkmäler aus der Vor-
zeit für die Geschichte haben, ist allgemein bekannt. Auch in
Ruinen sind sie bleibende Zeugen längst vergangener Zeiten,
oft hinweisend auf Ereignisse, wovon die Annalen schweigen,
oder, wo diese reden, sie bestätigend, die Oertlichkeit feststel-
lend u. s. w. Aber es giebt noch eine andere Art Monumente,
grossartiger, ‚dauerhafter, nämlich in der Natur: grossartiger,
weil sie nicht von Schmeichelei und von Launen der Zeit er-
richtet werden, sondern im einfachen Bilde die Gestalt der Erde
in Weltperioden zeichnen oder Zeugniss geben von Fortschritten
menschlicher Cultur; dauerhafter, weil die Natur aus ihren eig-
nen Ruinen alljährlich neu geboren wird, und unter den grossen
Katastrophen, wo eine schönere Schöpfung auf den Katakomben
der vorhergegangenen erstanden, auch die letzteren von der Na-
tur selbst mit Sorgfalt der Wissbegierde der Nachwelt aufbe-
wahrt worden sind, auf eine Weise, wogegen Mumien des Al-
*) Nach drei zu Upsala i. J, 1836 herausgegebenen Dissertationen,
im Auszuge, [Auszug aus letzierm s. im Schwed. botan. Jah-
resber. üb. 1836, 5. 324—331. — Die neue Ausgahe oder Bear-
beitung steht in Tries’s Botaniska Utflygter (Ups. 1843), S-
83 —112.]
15 *
222 Nymphaeaceen der Griechen.
terthums Stückwerk bleiben. Dadurch hat man erst in neueren
Zeiten, als die Archive der Menschheit erschöpft schienen, ein
neues unerschöpfliches für die allerältesten Zeiten gefunden,
Quellen gefunden für die Geschichte der Welt vor dem Auftre-
ten des Menschengeschlechts auf derselben im grossen Alter-
thumsmuseum der Natur, der Erde. Wie unzweideutig und in-
haltsreich ist nicht diese hiereglyphische Steinschrift der Natur
gegen die der Tempelgrotten Indiens und der ägyptischen Py-
ramiden! Reden die letzteren von den Anstrengungen der Men-
schenkraft, so zeugt die erstere von der Allmacht des Schöpfers.
Sie liegt aber hinter aller Geschichte zurück ; der Menschengeist
schwindelt bei dem Versuche, nur die Zeit zwischen den ersten
und letzten Riesenbäumen der Lepidodendren zu bestimmen.
In den ältesten Jahrbüchern des Menschengeschlechts sind
die Natur und die Geschichte so in Mythe zusammengewebt,
dass die sparsamen :und leicht abreissenden Fäden, wenn irgend,
nur durch Vergleichung mit der Natur, aus welcher die Mythen
entsprossen, entwickelt werden können. Gehen wir über zum
Sagenalter der Menschheit, so begegnen wir manehem Wider-
spruche, manchem Wunder, das die Naturwissenschaften lösen
müssen und das beim ersten Ansehen gegen historischen Grund
der Sage zu sprechen scheint, aber gelöset ihre Glaubwürdig-
keit, verstärkt”), wie Herodot's Nachricht von der Umseglung
Africa’s gerade durch die natur-nothwendige Thatsache wahr-
scheinlich wird, die er selbst als einen Beweis gegen ihre Zu-
verlässigkeit ansah. Wie die Astronomie die Chronologie bei
Bestimmung der Zeit manches Ereignisses der Vorzeit (z. B.
hinsichtlich der Schlacht bei Sticklarstad) unterstützt, so schei-
nen auch die übrigen Naturwissenschaften zur Ermittelung des
Ortes mancher, Begebenheit, der Heimath weit verbreiteter
EZ mm I A
*) So würde Jedermann das Erkranken. der Soldaten Xenophon’s an
Honig bezweifeln, wenn nicht in derselben Gegend noch heut die
Bienen von der Azalea pontica einen giftigen Honig sammelten.
Ebenso Arrian’s Nachricht, dass beim Hinziehen des Heers Alexan-
ders durch Gedrosien [Beludschistan] die Luft vom Wohlgeruch er-
füllt gewesen, wenn nicht noch heut zu Tage Nardostachys dort
duftete. — Die Erzählungen der Bewohner des Nordens von Wein-
land (Tinland) scheinen anfänglich ihre Glaubwürdigkeit zu
verliereu, da es vor den Europäern eigentlichen Weinstock in
America gar nicht gegeben; es giebt aber daselbst so ähnliche und
nah-verwandte Yitis- und Cissus-Arten, dass, wer sie nicht näher
vergleicht, sie verwechseln muss. Sie gehen nicht weiter hinauf,
als bis in Canada; so weit also wenigstens südwärts muss Wein-
land gelegen haben.
Nymphaeaceen der Griechen. 223
Traditionen *) und besonders religiöser Culte, beitragen zu ’kön-
nen. Die Ausbreitung. der Civilisation und Colonien in entfernten
Ländern werden immer von einer Menge Pflanzen begleitet,
welche beständige Zeugen nicht bloss des ausländischen Ur-
sprungs beider, sondern auch ihrer frühern Heimath, ja wirkli-
che Denkmäler bleiben, wenn auch Civilisation und Colonisten
ausstürben **). Sobald sich ein Europäer in einer entlegenen
Waldgegend America’s niederlässt, findet sich bald Plantayo
major dort. ein, welche dann nicht mehr verschwindet, wenn
auch der Colonist weiter zieht; die Indianer nennen sie deshalb
„Fussstapfen der Weissen,“ weil sie glauben, sie wachse auf,
wo eines Europäers Fuss nur einmal hingetreten. Wie weit
Communicationen und Handelsverbindungen der Vorfahren sich
erstreckt haben, lässt sich am besten aus den Naturerzeugnissen
schliessen, die ihnen bekannt gewesen. Wie man heut zu Tage
oft an Handelsorten Pflanzen aus den Gegenden angesiedelt an-
trifft, wohin Schifffahrt getrieben wird, so findet man noch in
der Ausbreitung gewisser Pflanzen Spuren der Handelswege des
Mittelalters: Corispermum intermedium (die Gattung gehört ei-
gentlich den Ländern am schwarzen Meere an) geht bis zur
Mündung der Weichsel an der Ostsee; die orientalische Coch-
learia glastifolia war, nach Ray, noch vor einem Jahrhunderte
bei Regensburg zu finden***). Zwar giebt dergleichen keine
*) Schon an den Blättern, welche die Verzierungen auf den corinthi-
schen. Säulen ausmachen, kann man sehen, dass sie aus einem
‚Lande herstammen, wo Acanthus mollis eine einheimische Pflanze
ist; in Salomo’s Dempel aber waren es Lilien, und Plinius nennt
Pelscins das Land der Lilien.
##*) Beispiele hiervon giebt es unzählige: in Grönland z. B. zeichnet
Vicia Cracca, die sonst nicht im Lande vorkommt, die Trümmer
von Vohnmenn der allen norwegischen Golonisten aus. Horne-
mann, Desk ökon. Plantel. II. (Zus.) S. 232. — In alle Län-
der, So ‚europäische Colonien ausgegangen sind, ist auch euro-
päische Vegetation: theilweise mitgezogen. WVestindien besitzt An-
..,. „.siedler sowohl aus Europa als aus Africa.
#%%) , Bemerkenswerth ist es auch, dass manche Nationen sich nur so
‚weit haben niederlassen können, als die Gewächse, die zu ihrem
Lebensunterhalte (victus et amictus) gehören, gedeihen, z. B. die
Araber so weit die Dattelpalme und Sesamum angebaut werden.
‚Ferner: mehrere Pflanzen finden sich gerade so weit verbreitet,
als gewisse Volksstämme vorgedrungen sind, gleich als hätten sie
deren Streifzüge begleitet. So hat man in Kusländ im Pflanzen-
reiche noch lenerde Andenken an die Mongolen; des orientalischen
Tatarenkohls (Crambe Tataria) u. a. westlicher Gränzpunkt ist
‘die Türkenschanze bei Wien, und erst nach dem letzten europäi-
schen Völkerkriege siedelte sich die russische Bunias orientalis
um Paris an, nächdem diese grosse und ihren Nachbarn beschwer-
224 Nymphaeaceen der Griechen.
brauchbaren Materialien für die Geschichte ab, bildet aber doch
eine eigne Ülasse vorzeitlicher Andenken, die sich zunächst.an
die fortlebende Tradition anschliesst ,, aber viel zuverlässiger ist
Schon die Namen der Naturproducte, auch der Pflanzen, tragen
oft eine Hinweisung nach der Gegend in sich, von wo sie,ein-
geführt worden; sind es einheimische von mythologischer Be-
deutung, so beweisen sie, wenn sie allgemeine Volksnamen
sind, dass auch der Mythus Volksglaube gewesen. Noch lebt
unter dem gemeinen Volke in Schweden Baldur’s. Andenken“)
im Reiche der Blumen, wie das der Freya in den Sternen
(Orion), seitdem sie bei der Einführung des Christenthums
ihren ganzen irdischen Blumenkranz der. Jungfrau Maria.hat ab-
treten müssen **). — Dass die Urkunden der Geschichte oft.Ge-
genstände enthalten, welche naturhistorische Untersuchung; er-
fordern, ist ohnehin bekannt; — ja wir möchten fast fragen : was
sind die Schöpfungen des Denkers, des Dichters und des Künst-
lers anders, als mehr oder minder freie und geglückte. Ueber-
setzungen derjenigen der Natur, zu deren richtiger Auflassung
und Beurtheilung man oft nöthig hat, das Original zu vergleichen.
Dass zoologische Fünde und Untersuchungen zu ‚manchen
neuen Ansichten in der ältern schwedischen Geschichte, geführt
haben, nicht bloss in Betreff des frühern Ansehens des’ Landes;
sondern auch seiner Einwohner, ihrer Lebensart u. s.. w., ist
durch Prof. Nilsson’s Forschungen bekannt. Dass nach die-
ser Seite aus dem Reiche der Pflanzen etwas von Wichtigkeit
zu erholen sei, glauben wir zwar nicht; aber beim Durchgehen
sowohl älterer als neuerer botanischer Schriftsteller sind wir oft
auf isolirte Angaben gestossen, die sich mit historischen Bege-
liche Pflanze sich vorher in den meisten mitteleuropäischen Län-
dern -eingenistet. Wenn man Europa nach der Verschiedenheit
der Vegetation in mehrere europäische Specialfloren eintheilt, so
fallen deren Gränzen genau mit denen der verschiednen Nationali-
täten zusammen: die dänische und die deutsche Sprache bezeich-
nen die natürliche Gränzscheide zwischen der scandinavischen und
der deutschen Flora, die deutsche und die italiänische Sprache‘ die
der gleichnamigen Floren u. s. w. Und welche verschiedene Phy-
siognomie hat nicht die Natur in den slavischen Ländern gegen
die des übrigen Europa. 2
=) Ballerbro, Baldurs br (Baldurs Augenbrauen) ist im südlichen
Schweden [Balders braa im Dän.] der Name von Anthemis-Ar-
ten, eigentlich der Matricaria Chamomilla.
*#) Die Blumen, welche iu der christlichen Zeit die der Jungfrau
Maria oder ‚„Unsrer Lieben Frauen „....“ heissen, waren. in der
heidnischen Zeit nach der Freya benaunt. Hornmem., Dansk ök.
Plant. 1. 236.
Nymphaeaceen der Griechen. 225
benheiten verbinden zu lassen schienen. Wir wollen diesesmal,
im 'Gedränge der Zeit, nur. bei den Nymphaeaceen der Alten
im Einzelnen verweilen. Da, wir uns zu Ausflügen auf ein uns
ziemlich fremdes Feld verleiten liessen, so bitten wir um des
Lesers Nachsicht 'hei, fast unvermeidlichen, Irrungen. Nach so
zahlreichen Commentatoren ist keine reiche Nachlese zu erwar-
ten. Können wir einen oder den andern Irrthum berichtigen, z.
B. die Annahme der Identität des Lotus des Nils und des Gan-
ges [s. Trattinnick im schwed. bot. Jahresb. üb. 1822: Ue-
bers. der JBB. über 1820— 24, S. 118 f.], oder gelingt es uns,
einen. neuen naturhistorischen Beweis für den indischen Ursprung
des ältesten ägyptischen Cultus darzulegen [worüber zu vergl.:
Link, die Urwelt u. d. Alterthum, durch d. Naturk. erl., 2.
Aufl.], so mag dies in unsern dürftigen Zeiten Stoffes genug sein.
Um so bedeutender, glauben wir, kann die Aernte aus dem
Pflanzenreiche für die Geographie und die Culturgeschichte aus-
fallen. Zu Ermittelung der Naturwesen, die in die Mythen und
symboliseben' Vorstellungen der alten Völker Eingang gefunden
oder theilweise sie veranlasst haben, müssen besonders die Na-
turwissenschaften den historischen Forschungen zu Hülfe kom-
men; nicht allein bei Bestimmung der Species, sondern fast
noch. mehr zu) Aufklärung über ihr Stammland und über ihr bio-
logisches Verhalten, welches zu kennen sowohl zum Ermitteln
ihrer, Heimath,, als auch der Begriffe, die sie ausdrücken, nö-
thig ist*).. Eben so wichtig für die ältere Geschichte ist die
Untersuchung über Ursprung und Stammland der Culturgewächse.
Der Beginn ihres Anbaues bezeichnet einen der wichtigsten
Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit, den Uebergang
vom Nomadenleben zur Civilisation, von der mythischen Zeit
zum Zeitalter der Sagen und weiter zur eigentlichen Geschichte,
die letztern zu Grunde liegt. Sie sind nachher den verschied-
nen Volksstämmen auf ihren Wanderungen treu gefolgt. Ein
merkwürdiger Umstand, den ich nicht anderwärts berührt gefun-
den, ist, dass von den verschiedenen Menschenstämmen ein
et, Be das Christonrhuit Be mehrere in heilige REN ungen
| aufgenommene 'Gewächse , auch. Individuen. derselben, die der Ge
' gensland religiöser, Verehrung ‚gewesen. Dahin gehört z.B. der
mehr ‚als tausendjährige Bio Sean vemcch (A. canına) an
einer Capelle im Domhofe; zu Hildesheim (s. Eschweil. Bot. Lit.-
., Blätt. od. Anu. der Gewächsk. V.. (1830) .S. 467.);5 der ‚Stamm
verliert sich in einer scheinbar absichtlich ‘dafür gelassenen Ocfl-
nung, in der ‚Mauer.: Die Gapelle isı aber noch: älter als; der Dom,
welcher um. d,. J. 818 durch Kaiser Ludwig den Frommen ‚gegrün-
det wurde.
226 Nymphaeaceen der Griechen.
jeder seine eigenen Culturpflanzen und Getraidearten besessen *)
hat, die Tschuden ausgenommen, welchen alle solche gefehlt.
So sind Mais und Kartoffeln die der Americaner,, Durra u. a.
die ursprüngliche Getraideart der Negervölker ,: Eleusine cora-
cana die der Malaien, Reis der Mongolen (in Hochasien’aber
Buchweizen) , Weizen und Roggen die der Caucasier. ' Im nörd-
lichen Europa ist indess Roggen das älteste Getraide; er ist
auch (südost-) europäischen Ursprungs, in Asien (ausser Cauca-
sien) als einheimisch unbekannt und erst ostwärts hin eingeführt.’
Beiläufig berühren wir die ältesten bekannten lebenden
Monumente aus der Pflanzenwelt. Einige derselben sind wahre
Andenken, an geschichtliche Vorfälle geknüpft; die Jahrringe
der Bäume geben hierbei die zuverlässigste Chronologie, nicht
verfälschbar durch Abschreiber. Von den ältesten Zeiten an ist
es nämlich Gebrauch gewesen, zum Andenken froher, so wie
trauriger Ereignisse Bäume zu pflanzen, oder mit dem Schau-
plätze derselben ausgezeichnete Naturproducte zu verknüpfen,
die dadurch der Geschichte mit-angehörten. Gewöhnlich wählte
man Bäume langsamen Wuchses und dadurch grösserer Dauer.
Nur in der französischen Zeit des Umsturzes wählte man wegen
der Namenähnlichkeit mit peuple, Volk, die am schnellsten
wachsende aber am meisten vergängliche‘ Pappel**), peuple,
wie aus Ahnung, zum Symbol der Volksfreiheit; indess, wo der
Baum tiefere Wurzeln geschlagen, treibt er immerfort neue
Wurzelschosse. Die Schweizer dagegen, die noch heute den
Baum zeigen ***), unter welchem ihre Vorfahren 1424 die Frei-
*) Dadurch fällt die (an sich ungereimte) Behauptung eines der Schle-
gel, dass die Gulturpflanzen nie wild, sondern dem ersten Men=‘
schenpaare ursprünglich überlassen gewesen, von selbst zusammen.
Wie dieses Paar jene alle, welche alle erh. Klimate und
Oertlichkeiten der Welt erfordern, hätten pflegen und warten
können, bliebe ein Räthsel.
**) In der alten Zeit, wo das Volk im Allgemeinen keine Stimmng
hatte, war die Pappel dem Hermes geheiligt (Virg. Ecl. 7. 61.);
unstreitig ist sie aber mit ihrem stets beweglichen Laube ein IT
fendes Bild der Volkslaune.
+) Sowohl. die ältesten Urkunden, als auch die Inschrift einer Tafel,
die sich in einer Gapelle unter eben diesem Baume zu Bewahrung
des Schanplatzes dieser Begebenheit befindet, sagen, die ersten
Eidgenossen seien unter einer Linde zusammengetreten; aber der
Baum ist doch keine Linde, sondern Bergahorn (Acer Pseudopla-
tanus), der wohl von weitem einer Linde ähnelt. Die botanische
Bestimmung berichtigt hier eine bestimmte historische Angabe, oder
'setzt auch, wie zu Daniels Zeit, die Glaubwürdigkeit des Zeug-
nisses in Zweifel. Inzwischen hat J. G. Ebel in der Bibl, univ.
Nymphaeaceen der Griechen. 297
heit ihres Landes beschworen, wählten die Linde, und zum
Andenken an die Besiegelung jener, die Schlacht bei Murten
1476, ward in dems.' J. zu Freiburg in der Schweiz eine Linde
gepflanzt (doch fehlt hierüber volle historische Gewissheit), wel-
che noch steht, obschon nicht mehr so kräftig. Noch weit älter
ist aber eine Linde im Dorfe Villars - en - Moing unweit Freiburg,
die schon zur Zeit der murtener Schlacht wegen ihres: Alters
und: ihrer. Stärke berühmt war; nach einer Verstümmlung i. J.
1476 trieb der Stamm 6’ über dem Boden zwei Aeste, die als
grosse Massen , 70’ hoch, noch heute stehen. Die freiburger,
1476 gepflanzte, hatte 1831 13° Fuss Umfang: danach berechnet,
könnte die zu Villars, von 36’ Umfang, 1240 Jahre alt sein, was
indessDe Candolle selbst für zu hoch hält, von welchem diese
und einige der folgenden Angaben entnommen sind*. De.
führt unter andern **) mehrere alte Linden auf, von denen wir nur
noch die zu Neustadt am Kocher in Würtemberg berühren.
Diese Stadt wurde nach sichern Handschriften im Stadt- Archiv,
nachdem die alte Stadt Helmbundt 1226 zerstört worden, 1229
neben dem (damals also schon) grossen Baume erbauet, der
noch heute. grünt und nach welchem sie auch N. an der grossen
Linde heisst. Schon 1664 beschrieb J. Evelyn diese Linde
und seitdem hat sie wenig zugenommen. 1831 hatte sie 6 Fuss
über dem Boden 374 F. Umfang; der Wipfel deckt einen Raum
von 400 F. Umfang. Nach der murtener Linde berechnet könnte
1831 die Glaubwürdigkeit der Angabe, dass es unter dem genann-
ten noch grünenden Ahorn gewesen, wo die schweizer Freiheit
zuerst gekeimt, mit einer Menge von Beweisen bestärkt.
.*) [S- Pflanzen-Physiol. II. 819—47; Biblioth, univ. Mai 4831;
Schwed. hot. Jahresber. üb. 1831, S. 109— 19, vgl. aber in Be-
trefE dieser und folgender Altersberechnungen Bowman, im bot.
Jahresb. üb. 1836, 5. 296. — Anm, d. Uebers;]
*#) In Schweden, wo man auf solche curiosa nicht Acht gegeben,
fehlt es an allen Notizen von Bäumen, die wegen ihres Alters,
oder wegen an sie geknüpfter Traditionen merkwürdig sind; wir
haben nicht einmal Nachrichten über ‚‚die grosse Linde“ zu Ste-
garyd in Smäland, von welcher der Linnäische Name nach Linn&’s
eisner Angabe hergenommen ist. Wir glauben darauf aufmerksam ma-
chen zu müssen; mehrere solche einzelne Facta können zu interessan-
ten Resultaten führen. So wird man z. B. mit der allergrössten
Gewissheit das Minimum des Alters einer Ruine durch Zählen
oder Berechnen der Jahrringe eines Baums, welcher auf derselben
aufgewachsen, erfahren können. Im alten Finwed fe. Walde in
Upland] giebt es viele durch Volksglauben vor der Axt geschützte
so genannte Opferhaine, deren uralte Stämme, von noch sichtba-
ren Gräbern und Steinsetzungen aufgewachsen, in ihren Jahrringen
das geringst-mögliche Alter der Gräber ansagen würden. Baum
und Grab dürften gleichjährig sein.
228 Nymphaeaceen der Griechen.
sie 1229 schon 546 Jahre alt gewesen sein, aber zu durehschnitt-
lich jährlich 2 Lin. Zunahme des Durchmessers gerechnet bis
heute nur 764 J., und ebenso kommt sie nach Urkunden auf
7800 J., bis jetzt gerechnet. Die Aeste sind von gemauerten
Säulen gestützt, deren jetzt 106, im J. 1408 bereits 671 —
Solche Bäume werden mitunter ein lebendiges Album von Au-
tographen. Die Inschriften werden oft überwachsen und bleiben
dann dauernd im Innern *). — Manche Erinnerung, manche Sage,
ist nur durch Bäume auf uns gekommen: so eine aus der Zeit
des letzten maurischen Königs, Abu Abdallah (Boakdil), zu
Granada, wo an den Liebeshandel einer Sultanın mit einem
Abenceragen Üypressen erinnern, „los cipreses de la reina
sultana,“ seit jetzt 33 Jahrhunderten. |
Die ältesten Bäume in Europa, die man kennt, sind Ei-
benbäume (Taxus baccata) in England und Schottland, und
zwar: 1. mehrere bei Fountain Abbey unweit Ripon in York, die
schon 1133 beim Baue der Abtei den Mönchen Obdach gaben:
der diekste, von 1214 Lin. Durchmesser im J. 1770 nach Pen-
nant, konnte 1214 Jahre alt sein; 2. einer zu Fotheringal in
Schottland, i. J. 1770 nach Pennant von 2588”' Durchm. und
so nach De Candolle 2588 Jahre alt; 3. einer zu Braburn in
Kent, der nach Eveiyn’s Messung i. J. 1660 damals schon
9880 Jahre alt zu rechnen gewesen. Schade dass wir nicht
wissen, ob diese Eiben noch existiren. Unter den tropischen
Biumen aber mit ihrem z. Th. ausserordentlich harten Holze
und fast unerkennbaren Jahrringen, wie Mahagoni, Hymenaca
Courbaril u. a. in americanischen Urwäldern, giebt es Stämme,
deren Zeitberechnung man kaum wagt: als wären sie mit der
jetzigen Schöpfung geboren! Am genauesten (nach den Jahr-
ringen) ist eine Adansonia digitata am Senegal berechnet wor-
den, welche, obgleich nicht von hartem Holze, im J. 1757 an
5150 Jahre alt geschätzt wurde; und noch giebt es stärkere
Stämme derselben. Als das älteste oder eins der ältesten Mo-
numente der Erde sieht De Candolle den wunderbaren Drachen-
*) Vgl. Agardh „über Inschriften in lebenden Bäumen [Om In-
skrifter .... Lund, 1829. 18 $. 8. Ausz. im Bot. Jahresb. über
1829, 8. 89—- 94], wo, gezeigt wird, dass Inschriften awf diese Art
am sichersten der Nachwelt aufbewahrt werden: (nur die Nachwelt
findet sie), indem, wenn alle Spuren in der Rinde verschwunden
"sind. sie im Holze. von neuen Jahrringen bedeckt. eben =6 sicher
verwahrt erhalten werden. wie Peirificate in Schichten von Ge-
birgesarten. In den Ardenner. sell. mar, nach den Zeitungen, vor
einigen Jahren ın einer aıten Eiche hineinsewachsene Druideu-
Opfergefässe geiunaen naben, ;
Nymphaeaceen der Griechen. 239
blutbaum (Dracaena Draco) zu Orotava auf Teneriffa an, wel-
cher zur Zeit der Entdeckung der Insel, 1402 ein Gegenstand
der Verehrung der Einwohner war. Al. v. Humboldt giebt
seinen Umfang zu 45° Fuss an, und da seine Zunahme so aus-
serordentlich langsam erfolgt, dass 4 Jahrhunderte ihn kaum
geändert haben, so sagt S. Berthelot in seiner ausführlichen
Nachricht darüber in N. Act. Acad. Nat. Cur. XIII. p. 773 sagq.
(c. tab. 35— 39), dass bei seinen Berechnungen des Alters durch
Vergleichung mit jungen Bäumen die Resultate „mehr als ein-
mal seine Einbildungskraft überflügelt hätten.“
So ungeheuer dieses Denen vorkommen mag, welche die
von der Wissenschaft aufbewahrten unzähligen analogen Bei-
spiele und ihre sichre Begründung nicht kennen, so ist es doch
mathematisch wahr, dass die Pflanzenwelt lebende Denkmä-
ler aufzuweisen hat, die älter sind als die Pyramiden oder si-
cherlich als irgend Menschenwerk. Das Leben widersteht aller
Verwitterung durch die atmosphärische Luft, und für alle Ge-
wächse, die jährlich neue Knospen ansetzen, giebt es keinen
innern Grund ihrer Zerstörung, indem diese nur mechanisch
oder von äussrer Gewalt abhängig ist. Dieses gilt nicht allein
von Bäumen, sondern fast noch mehr von Flechten, mehreren
Kräutern (z. B. Orchis- Arten) und Sträuchern, die der Zerstö-
rung weniger blossgestellt sind. Aber mit ganz andern Empfin-
dungen, als man einen Stein betrachtet, schaut man auf ein
solches lebendes Monument. Noch heute kann man z. B. im
Schatten derselben Cypresse ruhen, wie einst Montezuma zu
Chapultepek in Mexico, oder unter der noch stärkern zu S.-Ma-
ia de Tesla unweit Oaxaca, worunter Cortez nach eignem Be
richte mit seinem kleinen Heere gerastet; beide sind Taxodium
distichum: die von Oaxaca kann 4—6000 Jahre alt sein; die
erstere heisst noch heute Montezuma’s Cypresse. Es giebt eine
Menge Bäume in America, die mit der Geschichte der Invasion
der Europäer in das Land verknüpft sind, weil die Wunder
seiner Natur die Aufmerksamkeit der Fremdlinge zuerst auf sich
lenkten, zumal da nur sie zu jener Zeit die nöthigen geographi-
schen Anhaltspunkte gewährten. Unter diesen verdient beson-
ders der Cheirostemon platanoides von Tolucca in Mexico Er-
wähnung, von welcher Baumart man von Cortez Zeiten an bis
unlängst nur dieses einzige Individuum in der Weltjgekannt hat,
so dass es gewiss eingeführt worden, wahrscheinlich durch die
Azteken, wonach die Heimath dieser durch das Stammland des
Baumes angedeutet werden könnte. Gleichfalls merkwürdig sind
ausserdem manche Wunder in den Urwäldern America's, wie
16
230 Nymphaeaceen der Griechen.
z. B. dass Baumstämme auf einem Piedestal aus ‚einem gegen
den Boden gekehrten Wipfel stehend, empor steigen, woyon
jetzt kein analoges Beispiel in Europa zu finden ist, obschon
Plinius ganz eben so die Urwälder des alten Germaniens be-
schreibt: ,„Hereyniae silvae roborum vastilas, intacla aevis et
congenita mundo prope immortali, forte miracula exeedit.
Constat attolli colles occursantium inter se radicum repereussu;
aut ubi secuta tellus non sit, areus ad ramos usque .et ipsos in
ter se rixantes curvari, porlarum patentium mode, ut turmas
eguitum transmittant.“ Plin. XVIL ce. 2. Dies. konnten wir
nicht begreifen, bis man in America gerade dasselbe zu sehen
bekam.
Während Geschlechter aussterben, Völker verschwinden,
Einrichtungen der Menschen vertilgt werden , ist es eben die
Natur, welche alles überlebt als das versöhnende Element in
dieser Tragödie der Geschichte. Was wäre die älteste Ge-
schichte, wenn wir nicht noch heute ihren Schauplatz in allen
Zügen wiedererkennten, wenn die ganze Bühne vergangner Er-
eignisse verändert wäre? Wohin wir aber in der Geschichte
zurückblicken, finden wir, dass in der Natur „alles ist, wie frü-
her; nur wir sind anders.“ Noch in unsrer Zeit schwitzt die
Tamarix ihre Manna aus in der arabischen Wüste; noch heute
bekleidet die Trauerweide, dieses Symbol des Kummers und der
Trauer, die Ufer der Flüsse Babylons, ob sie gleich als Fremd-
ling eben so weit umher verbreitet worden, wie Israels Geschlecht;
noch jetzt grünt die Geder auf dem Libanon und der Oelbaum
im Garten zu Gethsemane. Chateaubriand (Jtiner. a Jerus. 11.
200.), von welchem die letztere Angabe entnommen ist, sagt:
„der Oelbaum ist gleiehsam unsterblich, denn durch neue Wur-
zeltriebe wird er immerfort verjüngt;“ und er bestätigt mit po-
sitiven Beweisen, dass die dortigen Oelbäume älter sind, als
die Einwanderung der Muselmänner in Palästina. Der alte Theo-
‚ phrast beklagte sich daher über die Kürze des menschlichen
Lebens (s.: Cie. Tuse. Quaest. 3. 28.); wir aber, höherer Hoft-
nung, sehen in der Wirklichkeit das Entgegengesetzte von sei-
nen Klageworten: „uses, unor' agyousda Cyv, zor amodvmaxousr.
(Diog. V. 41.)
$. 1. Naturgeschichte der Nymphaeaceen.
Schriftsteller des Alterthums lieset man mit ganz andern
Augen, wenn man die Geschichte eines Naturwesens, von wel-
Nymphaeaceen der Griechen. 231
chem die Rede ist, vorher kennt, als wenn man nachher
naturhistorische Belehrung darüber. zu suchen hat. Darunı haben
wir geglaubt, erst etwas im Allgemeinen über das Ansehen die-
ser Pflanzen , ihre geographische Verbreitung und ihre Anwen-
dung sagen zu müssen, weil es gewöhnlich entweder ihr Nutzen
oder etwas so zu sagen Symbolisches in ihrem Habitus und
Standorte ist, was den Naturwesen eine historische Bedeutung
erworben hat. .
Die Nymphaeaceen stehen hinsichtlich ihres Keimens und
vegetativen Systems gleichsam an der Gränze zwischen Blüthen-
pflanzen mit einem und denen mit zwei Samenblättern. Blume
und Frucht weisen ihnen indess ihren Platz unter den letzteren
an, und bei näherer Untersuchung findet man auch, dass sie
typisch zwei Samenblätter haben, obgleich diese, wie mehrere
im Wasser wachsende Dicotyledonen von einem Sacke umgeben
sind und dadurch wie einfach erscheinen. Mit den Lilien sind
sie also, im botanischen Sinne, nicht verwandt, obgleich ältere
Quellen und ihre Commentatoren sie Liliengewächse nennen,
wie wir: Wasserlilien. Sie haben keinen Stengel, sondern einen
dieken, gewöhnlich horizontalen Wurzelstock (rhizomu), der sich
mit Wurzelzasern im Boden befestigt. Die Blätter sind breit,
sross, auf dem Wasser schwimmend, entweder schildförmig,
oder, auch wenn sie herzförmig sind, so: tief eingeschnitten,
dass sie schildföürmiges Ansehen haben; auf der Oberseite slän-
zend und glatt. Blatt- und Blumenstiele sind völlig einfach, oft
mehrere Ellen lang: die letztern stets einblüthig Die Blumen
gross (in Scandinaviens Flora ist Nymphaea alba die grösste
Blume), gewöhnlich ausgezeichnet prächtig, oft wohlriechend,
dem Aussehen nach zwischen Päenien, den ausländischen Magno-
lien und dem Mohne stehend, zwischen welchen sie auch nach
der Ansicht der meisten Botaniker ihren Platz im Systeme haben.
Vor und nach dem Biühen sind sie unter das Wasser gesenkt;
öfters tauchen sie auch bei trübem Wetter oder bei Nacht zu-
sammengeschlagen unter, um in der Morgensonne wieder in der
Höhe aufzubrechen. Die Frucht, welche bei den meisten einfach
zu sein scheint und inwendig schleimig ist, besteht aus mehre-
ren Früchtchen, die in einen gemeinschaftlichen Fruchtboden,
welcher wie eine Mohnkapsel aussieht, eingeschlossen oder
theilweise leingesenkt sind. Die Samen sind gross, inwendig
meistens mehlig. en; |
Alle Nymphaeaceen wachsen in süssem Wasser, und gleich
den meisten Wasserpflanzen kommen sie, im äussern Ansehen
wenig abgeändert, in allen Zonen und in den meisten Ländern
232 Nymphaeaceen der Griechen.
der Erde vor. Indess sind sie auf der südlichen Halbkugel, wo
grössere Binnenseen fehlen, seltner: von dort kennt man nur
wenige Arten vom Cap, von Madagascar und aus Peru. In grö-
ssern und wärmeren Gewässern finden sich auch die grössten
und prächtigsten Arten, worunter die in der letzten Zeit im
tropischen America entdeckte Victoria Regina (od. V. regia
Ldl.) unbestreitbar die Königin der Wässer ist, auf deren 'Spie-
gel sie mit ihrer rosenfarbigen Krone auftaucht, umgeben von
den grünenden Schilden. Die grössten Ströme der alten Welt,
der Ganges und der Nil, sind wegen ihrer schönen Wasserlilien
berühmt gewesen; auch an der Mündung der Wolga kommt das
prachtvolle Nelumbium vor. In die Mythen und den Sagenkreis
jedes Volkes sind sie verflochten worden und den Wassergott-
heiten geheiligt gewesen, sowohl in der neuen Welt, als in der
alten von der Küste Malabar bis an das Eismeer. Ausser be-
stimmten Angaben hat man den Beweis davon schon in ihren
Namen Neckros [schwed., Rose des Wassergottes Necken ],
Nymphaea (Plin. XXIV. c. 7.) u s. w. Aber in den ältern
Natureulten hatten sie eine noch höhere Rolle. Wie Nymphaea
pubescens das Symbol des Ganges”), so war N. Lotus das des
Nil’s. Im Isis - Cultus war Nelumbium speciosum ein wesentlich
integrirender Theil. Nach ägyptischem Mythus stieg Osiris
zwischen den Wogen aus der Blume des Nelumbium und Isis
wird mit einer Lotus-Krone abgebildet. Auch Harpocrates wird
auf Lotusblättern ruhend dargestellt, ebenso thront noch heute
der Fumbo der Chinesen auf der Blume des Nelumbium. (Kir-
cher, Chin. p. 191.) Die merkwürdige, bei den Chinesen gleich-
falls heilige Euryale ferox wurde, nach sichern Urkunden vor
3000 Jahren in China eingeführt, wo sie seitdem eultivirt wor-
den ist; erst in neuster Zeit ward sie in den Seen zwischen
Nepal und Lackno (in Audh im nördl. Ostind.) wild gefunden.
Doch nicht allein durch ihre prächtigen, oft wohlriechenden
Blumen und das Symbolische in ihrem Oeffnen und Herauftauchen
bei Tagesanbruche, sondern auch durch ihre Anwendung als Nah-
rungsmittel, haben die Nymphaeaceen ihre historische Wichtig-.
keit erlangt. Das dicke Rhizom enthält eine Menge Stärkmehl,
welches nährend ist; bei unsern einheimischen giebt es daneben
er
*) Jones in Asiat. Research. Ill. p. 288.; Creuzer, Comm. in
Herod. IV. p. 17-; aber mit Unrecht nimnt man an, dass die
Pflanze und ihr Cultus zu den Hindu’s von den Aegyptiern aus
gekommen sei, was, ausser innern Gründen, dadurch wewerfent
re dass die indische Pflanze eine andere Art ist.
Nymphaeaceen der. Griechen. 935
einen bittern und zusammenziehenden Stoff, der sie zur Nahrung
wenig tauglich macht”), von den ausländischen aber dienen
mehrere dazu, wie der Wurzelstock des Nelumbium speciosum
in Ost- Asien (im Geschmacke Artischocken gleichend), der
von Nymphaea Lotus wird von armen Leuten zu demselben
Zwecke gesammelt; beide waren früher noch mehr geschätzt.
Die Samen des ersteren haben als Leckerbissen gegolten; auch
standen sie in der Arzneikunde des Alterthums in hohem Anse-
henals antiaphrodisiacum, jetzt gerade um des Gegentheils willen.
S.2. Ueber die den Griechen bekannten
Nymphaeaceen.
Ausser den zwei durch ganz Europa verbreiteten, sowohl
ın Schweden als auch, nach Dioscorides, in Griechenland ein-
heimischen Nynıphaeaceen, N. alba und /utea, von welchen
Theophrast von Eresos**) undeutlich, bestimmt aber Dioscorides
*) Dass sie indess an Orten im nördlichen Schweden benutzt worden
sind, ist bekannt,; ob sie gleich im natürlichen Zustande wenig
dazu gceignet sind, Gelänge es, einen leichten Weg zu Entfernung
des adstringirenden bittern Stoffes ausfindig zu machen, so würden
sie, bei ihrer Grösse, wichtig werden. Das nach Vegetation und
Eigenschaften mit den Nymph., übereinstimmende Arum Colocasia
hat mehr scharfe Eigenschaften, wird aber durch deren Abschei-
dung völlig anwendbar, wie Nyınphaea Lotus in Aegypten.
[Dürfte wohl bei jenen Einweichen und Auswaschen der zermalm-
ten Masse in vielem Wasser helfen ?]
3%) Die Beschreibungen des Dioscorides (ed. Colon. 1529, p. 439
sg. lib. III. c. 139, 140.) haben nie einem Zweifel unterlegen,
desto mehr aber die des Theophrast. Dass dessen (yAvxsia)
vvupaia (lib. IX. e. 13. ed. Amstel. 1644, p- 1093.), eine Nym-
phaea ist, hat man nach dem Namen, seit der ältesten Zeit her
angenommen, obgleich eine Beschreibung fehlt, die Eigenschaften
aber dagegen streiten, indem die Wurzel nicht süss, die Früchte
nicht essbar sind u. s. w. Nicht ein Wort giebt Berechtigung,
sie einer bestimmten Art zuzuweisen, obgleich Sprengel (Hist.
rei herb. I. 94. [u. auch noch in s. GCommentar zum Diosc. II. p.
556.] annimmt, sie sei die Nyınphaea lutea, wozu es keinen
andern Grund giebt, als dass, wenn er einmal die Zion Theophr,
lih. 1V. c. 411. [c. 10. ed. Wimm. & al.] zur N. alba gezogen,
auf keine andere mehr zu rathen übrig blieb. Nach Dioscorides
war aber eben N. alba die eigentliche Nvugpaia der Griechen, in
Böotien wachsend, wohin T’heophrast die seinige auch versetzt
(nur diese fand Sibthorp in Griechenland); und dass 'Theophrast’s
oiön keine Nymphaea ist, ist völlig klar und von Bodaeus im
Comment. in Dioscor. p. 462. schlagend bewiesen. Sprengel’s Be-
stimmungen der Pflanzen der Alten sind mitunter willkührliche.
234 Nymphaeaceen der Griechen.
spricht, waren zwei Arten aus Aegypten hekamnt, deren von
den meisten historischen Schriftstellern gedacht wird, nämlich:
1. Nelumbium speciosum Willd., welches als besondere
Gattung unterschieden wird, weil seine Früchtchen (halb-) ge-
sondert stehen und nicht, wie bei Nymphaea, gänzlich im Blu-
menboden eingeschlossen sind. Sonst ist das Aussehen gleich,
aber die Blätter sind ganz (nicht beim Stiele eingeschnitten ),
kreisrund, schildförmig, von 1—2 Fuss Durchmesser. Die Blu-
men sind gross, prächtig, gewöhnlich rosenfarben, aber auch
weiss variirend, und verbreiten einen sehr angenehmen anisähn-
lichen Geruch. Das Stammland dieser Art sind die wärmeren
Länder Ost- Asiens, wie Siam, China, Japan, die Philippinen,
Molucken und die übrigen Inseln des indischen Oceans; man
hat aber keine sichre Angabe, ob sie westlicher als in Indien
wild vorkommt (die americanische Pflanze ist eine ändre Art).
Höchst merkwürdig ist es daher, dass sie in ältern Zeiten,
ohne in dazwischen liegenden Ländern gesehen worden zu sein,
in Aegypten existirt hat richt allein nach Herodot und mehrern
gleichzeitigen Zeugen, sondern auch nach nicht zu verkennenden
Abbildungen auf ägyptischen Denkmälern und Münzen aus jener
Zeit. Jetzt aber ist die Pflanze dort ganz und gar verschwunden.
Dieser Umstand besonders hat die Aufmerksamkeit der Botani-
ker erregt; indess glauben wir glücklich eine Erklärung gefunden
zu haben. Sowohl aus geographischen Gründen, als auch nach
bestimmten Zeugnissen alter Autoren (s. $.3.)' ist sie in Aegy-
pten nie wild gewesen, sondern als eine heilige Pflanze
dahin eingeführt worden; als der Isis-Cultus, worin sie
gepflegt und erhalten wurde, aufhörte, verschwand sie auch aus
dem Nil. Eine Stütze mehr gewinnt diese Ansicht darin, dass
mehrere indische Gewächse, die kaum anderwärts vorkommen,
von entfernteren Zeiten her, als dass die Geschichte um ihre
Einwanderung wüsste, in Aegypten angebaut worden sind, z. B.
die indische Tamarinde, Lawsonia, u. a.; den sprechendsten
Beweis liefert aber die andre dem Isisdienste eben so we
sentlich angehörende Cordia Myxa [s. u.]. — Noch wird Ne
lumbium speciosum an einem einzigen, von seinem Stammlande
noch weiter abgelegenen Punkte, Tschulpan in einer der Mün-
dungen der Wolga in’s caspische Meer, angetroffen. Da bekannt
ist, dass auch in jenen Gegenden Buddha - Cultus bestanden hat,
so hat man allen Grund, anzunehmen, dass es auch dorthin an-
fänglich eingeführt gewesen, um so mehr, als es nur an einer
eingeschränkten Stelle vorkommt. |
2. Nymphaea Lotus L. Diese und die folgende Art haben
Nymphaeaceen der Griechen. 235
die Früchtchen in den Blumenboden (nachherige Frucht, in die
Fächer derselben) eingeschlossen, wie unsre einheimischen, da-
her sie mit N.alba in einer Gattung bleiben, auch wenn N. lutea
generisch davon getrennt wird. Die Blätter sind. kreisrund,
schildförmig, aber am Grunde tief eingeschnitten, stumpf gesägt,
unten dünn-behaart. Die Länge des Blumenstiels (bis zu 3 Fuss)
ändert sich nach der Tiefe des Wassers und mit dieser nimmt
auch die Ueppigkeit der Pflanze zu: was alles als ein Zeichen
für eine gute Aernte gilt, mit gutem Grunde, da beides von ho-
her Ueberschwemmung des Nils abhängt. Die Blumen sind
gross, weiss, vom grünen, am Rande rosenfarbenen Kelche um-
geben. — Diese Art gehört nur Africa an; ihr Stammland seheint
der Nil zu sein, dessen Sinnbild sie bei den Alten war. Wie
weit sie sich in das innere Land verbreitet, ist nicht sicher be-
kannt; gesehen hat man sie aber im Reiche Oware, an Africa’s
Westküste (Palisot de Beauv., Fl. d’Ow. et de Ben. 2. p. 50.).
Ausser Africa kennt man nur einen Standort derselben: die (19°
bis 28° warme) Quelle Pecse bei Grosswardein in Ungarn, wo-
hin sie doch unsrer Meinung nach sicher ursprünglich erst ver-
pflanzt worden ist, wie man weiss, dass dies im Kaiserbade bei
Ofen der Fall ist, wohin Kitaibel sie gebracht*). — Dagegen
ist der Lotus des Ganges eine besondere Art: N. pubescens
*) S.: Waldst. & Kitaib., Pl. rar. Hung. I. p. 13. — De Candulle
hält sie für eine eigne Art, N. thermalis, aber unsre von Sadler
erhaltenen Exemplare zeigen keinen wesentlichen Unterschied vom
ägyptischen Lotus. Man hat mehrere Beispiele von südlichen
Pflanzen, die an warmen Quellen weit gegen Norden hinauf, über
ihren natürlichen Verbreitungsbezirk hinaus, vorkommen, So fin-
‚ det sich z. B. der eigentlich africanische Cyperus badius Desf. an
den 'Thermen von Aachen, wo er auch für eine besondere Art, als
C. thermalis Dum., genommen worden ist. Von Wormskiold
besitzen wir eine indische Fimbristylis aus heissen Quellen Kam-
tschatka’s. Da man nun diese beide nicht für eingewandert halten
kann, so könnte man darin eine Stütze für die Hypothese der Abnahme
der Erdwärme?) und dadurch veranlassten Kränkelns und Ausge-
hens mancher Gewächse im Norden finden, von welchem leiztern
wir mehrere Beweise haben (auch in Trapa, Xanthium ,' die noch
im vorigen Jahrhunderte in Schweden vorhanden waren), — wäh-
rend andre Pflanzen noch bei uns geblieben an Stellen, wo die
Wärme durch eine so zu sagen künstliche Bodentemperatur ersetzt
wird, Im Thierreiche findet dasselbe statt. Die Affen haben sich
in Europa so weit südwärls zurückgezogen, als sie gekonnt: bis
auf die Felsen Gibraltar’s; Canis aurea bis in Morea. Aallus
aquaticus, welcher im ganzen kalten und gemässigten Europa ein
Zugvogel ist, bleibt nach Faber an Islands heissen Quellen über
Winter,
7) [Die in Jahrtausenden nur Bruchtheile eines Grads
beträgt. — D. Uebers.]
236 Nymphaeaceen der Griechen.
Willd., deren richtige botanische Bestimmung umso wichtiger
ist, als dadurch Passow’s und Anderer Annahme ihrer Ein-
führung aus Aegypten nach Indien (welche schon aus manchen
innern Gründen sehr verdächtig war,) als erwiesen falsch ganz
in sich zerfällt*). Ihre Blätter sind mehr nierenförmig, gezähnt,
auf der Unterseite gefleckt und seidenhaarig, die Zipfel am
Grunde mehr aus-einander-stehend, die Blumen kleiner, den
ganzen Tag offen, mit einem stechenden Wohlgeruche begabt.
Sie wächst nicht bloss in Indien, sondern scheint auf den Inseln
im indischen Oceane weiter verbreitet zu sein, auch bis auf sol-
che, wohin indische Cultur nie gelangt ist, so dass nicht der
geringste Zweifel darüber aufkommen kann, dass diese Erdge-
gend ihre ursprüngliche Heimath ist, wie Africa die der
ächten N. Lotus. — Diese letztere ist der zuerst von Herodot
und nachher von den meisten griechischen Schriftstellern bespro-
chene weitberühmte Awzos aryunrıos und mass von den vielerlei
Lotis, von welchen bei den Alten die Rede ist **), genau unter-
*) [,„N. pubescens (Willd.): Blätter scharf gezähnt, nierenf.-kreis-
förmig: Unterseite dicht- und sanft weichhaarig, gefleckt; Lappen
divaricali; Blattstiel intramarginal; Blumen weiss; Connectiv der
Anth. nicht in e. Anhang verlängert; Narbe ungefähr 20strahlig.‘ =
N. pub. W., DC. Prodr., Spr. Syst. N. Lotus Burm., Roxb-
Fl. ind. HI. & Ic. ined. — Rheed. Mal. XI. t. 26. — So nach
Wight & W. — Arnott’s Prodr. Fl. penins. Ind. or. ],
(1834) p- 17., nach welchem die vordere ind. Halbinsel südl. vom
48° N. Br. ausser dieser noch 3 andre Nymphaeen: N. stellata
W., rubra Rxb. und edulis DC., und das Nelumbium spec. besitzt:
— zum letztern sind als Abbildd. Rheede’s Ht. mal. XI. t.
30., Rumph. Amboin. VI. t. 73., Pluken. t. 207 f. s.u. Gärtn. de
fruct. I. t. 19. eitirt; in Tandschor sei es häufig.]
Anm, d. ÜUebers.
+*) Obgleich diese von den älteren Commentatoren bereits aus
einander gesetzt und nach denselben von Sprengel (in seinen
Antigu. bot. und s. Geschichte d. Bot.) unter die den einzelnen
zukommende Linneische Nomenclatur gebracht worden sind, so
glauben wir doch, sie hier aufnehmen zu müssen, weil die Anga-
ben darüber z. B. in De Gand, Syst. r. veg. II. 53, 54. nicht we-
nig verwickelt, auch unvollständig sind und erst durch Verglei-
chung mit den Quellen vollends verständlich werden. Sie lassen
sich, nach der eignen Anweisung der Alten, eintheilen in
A. Bäume
41. Rhamnus Lotus L. oder Zizyphus Lotus Lam.: ein dor-
niger Strauch welcher rund -eiförmige, süsse, essbare Beeren trägt,
die eigentlich mehrkernige Steinfrüchte sind. Er wächst haupt-
sächlich in Nord-Africa, doch auch etwas im südlichsten Europa,
wie in Portugal, Sicilien. Die Frucht macht noch heute ein Haupt-
nahrungsmittel mehrerer nordafricanischen Völker aus (vgl. Des-
fontaines in Mem. de l’Acad. de Par. 1788. p. 443.), die also
wohl den Namen Awrogayos verdienen, unter welchem sie bei Ho-
Nymphaeaceen der Griechen. 237
schieden werden. Merkwürdig aber ist, dass sie nur auf den
allerältesten ägyptischen Münzen und Denkmälern vorkommt, so
dass sie späterhin vom Nelumbium speciosum verdrängt worden
zu sein scheint.
3. Nymphaea coerulea Savigny. Sie unterscheidet sich
von den vorigen sehr wesentlich durch ihre an der Spitze ver-
längerten Staubbeutel und wird an den blauen Blumen sogleich
erkannt. Der Wurzelstock ist birnförmig. Die Blätter kreis-
mer '(Odyss. IX. 83.) und Herodot (IV. 177.; vgl. 1I. 96.) vor-
kommen. Polybius, 12. 2., und Athenäus (edit, Casaub, 1597, pP»
651.) geben eine treffiende Beschreibung davon unter dem Namen
des libyschen Lotus.
2. Celtis australis L. In ihrer Heimath, den Gegenden am
mittelländischen Meere, erwächst sie zu einem Baume von 40 Fuss
Höhe (in unsern schwedischen Gärten bleibt sie nur ein niedriger
Strauch) mit hartem Holze und ist ohne Dornen. Die Frucht isı
eine einsamige Steinfrucht, von Erbsengrössc, schwarz , essbar.
Der natürlichen Verwandtschaft nach steht sie von unsern Bäumen
der Ulme am nächsten. Dies ist der Awrös Vheophr. IV. c. 4.
ed. Amstel: 1644: p. 321. [cap. 3. ed. Wimm. & al.] 'Th.s Be-
schreibung ist deutlich, und ebendas. wird auch gesagt, die Frucht
dieses Baumes werde gleichfalls von den Lotophagen gegessen, wo-
nach der Leizteren Name nicht so ganz richtig bloss vom vorigen
Baume hergeleitet wird. Dioscorides, Hib. J. c. 39. (ohne
Beschr.), nennt ihn zur Unterscheidung von den übrigen Auros
Öevdgov. Wahrscheinlich ist es auch der Awros bei Hippocrates.
3. Diospyros Lotus L., nach ihrer Heimath Italien, Süd-
Frankreich u. s. w. gewöhnlich Lotus italica genannt: dieser
Art erwähnen keine griechischen Autoren, sondern nur Virgil und
Columella. Es ist auch ein Strauchgewächs mit süssen essbaren
Früchten, woraus noch heute Wein und ein Syrup bereitet wird;
es sind aber keine ‚Steinfrüchte, sondern mehrsamige Beeren, von
unsern schwedischen denen der Arbutus Uva ursi am nächsten
kommend.
’B- Kräuter.
4. Nymphaea Lotus L.. oder Lotus aegyptia; — und 5.
Nymphaea coerulea Savigny, oder Autos #va'vsiog bei Athenäns,ge-
wöhnlich mit Nelumbium verwechselt oder übersehen: s. oben.
6. Mehrere Diadelphisten aus der Gruppe der Trifolieen, wie
Lotus-, Melilotus-Arten u. a. der heutigen Botanik, waren wohl
die in Griechenland am gewöhnlichsten und eigentlichsten Awros
benannten Gewächse,. Sie zu nur einer bestimmten Art brin-
gen zu wollen, ist um so unrichtiger, als Theophrast (lib. VII.
c. 14.5 [ed. Wimm. &ec. c. 45, 3.]) ausdrücklich sagt, dass unter
diesem Colleclivnamen es deren vielerlei gebe, worunter u weiidn-
os. Alle diese Pflanzen gelten noch für die ersten Kutlterkräuter,
wie der griechische Lotus eben deshalb berühmt war. Dieser ist
s, welchen Homer in der Iliade unter Aumros meint, obgleich des-
sen Lotophagen in der Odyssee nicht von diesem den Na-
men haben. — Nur Dioscorides, lib. IV, c. 106, 107. [ed.
Spreng,.: IV. 109, 110.], versteht bestimmte Arten darunter [nach
Sprengel eine Melilotus und Trigonella elatior Sibth.].
16 *
238 Nymphaeaceen der Griechen.
rund, schildförmig, weil die Seitenzipfel der herzförmigen Basis
zusammengewachsen sind, an der Unterseite meistens purpur-
farben. Diese Art wird nur als in Aegypten wachsend angege-
ben, obgleich es sehr zweifelhaft ist, ob die südafricanische
Nymphaea scutifolia DC. nicht auch zu derselben gehört. Die
N. coerulea ist erst in der letzten Zeit als neue Art beschrie-
ben worden; sie kommt aber nebst den übrigen oft abgebildet
unter den Hieroglyphen Aegyptens und auf dessen ältesten Denk-
mälern vor. Wie alt sind nicht viele neue Sachen! —
Ausser diesen Nymphaeen gehörte Cordia My.:xa dem Isis-
eultus an. Diese ist die Persea der Alten [ses« Diose., auch
rr2oow0v b. Theophr.], die auch sowohl auf ältern Bildern und
Statuen, als selbst auf Umkleidungen der Mumien abgezeichnet
ist. Sie ıst gleichfalls indischen Ursprungs. Von ihr bezeugt
Diodorus Siculus I. 34. ausdrücklich, dass ‚sie mit den ersten
aus Aethiopien eingewanderten Anbawern Aegyptens eingeführt
worden.“ Dieser Baum erhält sich aber noch heute in Aegy-
pten; ist da nicht noch mehr Grund vorhanden, die andere zu
demselben Cultus gehörende, aber mit demselben verschwundene,
Pflanze auch für eingeführt zu halten? Dass ausdrückliche
Zeugnisse darüber fehlen, erklärt sich leicht aus der gewöhnli-
chen Verwechselung dieses Baums und der Nymphaea Lotus.
S.3. Wichtigere Stellen bei griechischen
Autoren.
Herodot gewährt die ältesten schriftlichen historischen
Urkunden (denn die bildlichen auf ägyptisehen Denkmälern sind
wenigstens zum Theil bestimmt älter) zur Geschichte dieser
merkwürdigen Gewächse. Hierher gehört Herod. lib. Il. c. 92.
(ed. Lips. 1828. p. 193.), wo sowohl Nymphaea Lotus, als
auch das nunmehr ausgegangene Nelumbium speciosum unter
den Merkwürdigkeiten Aegyptens ausführlicher abgehandelt wer-
den. (In ob. Dissert. in extenso mitgetheilt.)
Theophrast handelt in Zist. ptl., Iib. IV. ce. 10. [cap. 8
ed. Wimm. p. 159 sqq. ] hauptsächlich von diesen beiden Pflan-
zen. Zuerst vom zUauos (Nelumbium spee.) welchen er so, dass
er gar nicht zu verkennen ist, beschreibt. Merkwürdig ist be-
sonders folgende Stelle: ov unv aAla zaraßaklovow Zv nnlo, ayv-
eWoevres £v ucha mous Tu zarsveyönvaı ye nal usivar xol*) Gagdaeire:
*) [Hier haben Wimmer’s und einige andere Ausgaben ein „un“
nach zo, wodurch ein besserer Sinn in die wohl immer etwas
Nymphaeaceen der Griechen. 239
“u our xaraonevalovaı Tovs zvauuwes’ welche beweiset, dass es
eigentlich eine angebaute Pflanze gewesen ist, wenn sie auch
daneben sich von selbst ausgesäet. — Die Angabe, dass sie
auch in Syrien und Cilicien vorkomme, gilt nicht für unsre Zeit;
dass sie auch dert eine Culturpflanze gewesen, scheint aus
Theophrast’s eignen Worten, dass sie dort nicht gut ge-
deihe, hervorzugehen. — Darauf folgt die Beschreibung des
Joröos (Nymphaea Lotus). Dieser wachse häufig im flachen
Lande, während es überschwemmt sei; vom Aubaue desselben
ist nichts gesagt. Er wurde also als völlig einheimisch betrachtet.
Dioscorides spricht vom „auyurzıos zuauos“ (Nelumbium)
in lib. IH. cap. 97. [c. 128. ed. Spr.] und vom Awros aryumruos lib.
IV. c. 109. [e. 112. ed. Spr.] Die Naturgeschichte*) beider ist
unvollkommner als bei Theophrast (nach der Angabe des Vor-
kommens des ersteren in „Cilieien “ scheint sie von Letzterem
entlehnt zu sein); die Anwendung aber ist weiter ausgeführt
und ganz mit dem gegenwärtigen Gebrauche in Aegypten über-
einstimmend. ER
Bei Strabo, lib. XV. (ed. Basil. 1549: p. 661.), finden wir
wie beiläufig eine Notiz gegeben die nicht unwichtig ist. Er erzählt
nämlich, dass, als Alexander auf seinem Zuge im Acesines [jetzt
Dschönab oder Dschinab,, in Lahor, in NW. v. Indien] »vauss
oiyurrtiss (Nelumbium) gefunden, er geglaubt habe, dem Ursprunge
des Nils nahe zu sein, Es folgt daraus, dass das Nelumbium
ein im ganzen dazwischen liegenden Gebiete unbekanntes Ge-
dunkel gewesene Stelle kommt, welche Wimmer in s. Ausgabe
der Hist. pl. so hat: „ov umv aAla xai naraßahkovoıw Ev mmAd
Eyvovioavrss &0 udla MOOS TO zarsveyInvai re zal ueivaı xal 47
diepdaonvarı zal oven“ xrh. Bei den varr. lectt. bemerkt W.:
„Si genuina est vulgata sic explicanda est: semina nelumbii in-
volvebantur limo tecta paleis, ut ne a nimia humiditate perde«
rentur sed certius germinarent.‘““ Die Spreu konnte dabei zugleich
als Düngmittel nützen. Die ganze Stelle besagte also, mit dem
Vorangehenden, etwa: Es wächst viel Kyamos wild; aber die Ein-
wohner thun auch (die Samen) in Lehm, nachdem sie gut Spreu
daran gethan, damit sie sich hinabsenken und dabei dauern und
nicht verderben; und so bereiten sie die Kyamos- Pflanzungen oder
Teiche zu. Anm. d. Uebers.]
*) Durch Dioscorides erfahren wir, dass das Cibotinm oder Cibo-
rium der Alten eigentlich die Frucht des Nelumbium speciosunt
gewesen (weshalb auch Galen, de alim. 2., Cibotium als Nah-
zungsmittel mit Colocasia zusammenstellt). Es wurden aus der-
selben auch kleine 'Trinkgefässe verfertigt, die man gleichfalls
eibotia nannte. Zu Anfertigung derselben gab es eigne Werkstät-
ten in Alexandrien. Vgl. Strabo, lib. XVII., welcher ebenfalls
bezeugt, dass sie vom Nelumbium herrühren.
240 Nymphaeaceen der Griechen.
wächs sein musste. Ferner wird in lib. XVII.*) auch der Ver-
fertieung der Cibotien aus den Früchten des Nelumbium erwähnt.
Diodorus Siculus (ed. Rhodom., lib. I. p. 9, 30.) schätzt
zvauns und Aoros als Nahrungsmittel betrachtet besonders hoch.
Sie sollen sogar als Beweis für die Behauptung der Aegyptier
dienen, dass Aegypten das Stammland des Menschengeschlechts
sei, weil diese Pflanzen seiner Meinung nach Neugebornen se-
gleich eine passende und fertige Nahrung darböten.
In den Jsirvooogiorei des Athenäus finden wir Eimiges
über diese Gewächse angegeben, was anderwärts nicht vorkommt.
Der Anfang des Il. Buches bringt ein Citat aus Niecander’s
Georgica,
Ireiosias zUauov alyvrrtiov, vg0@ VEgeing
avdsa uEv oTEpavovSs avUnS, aTa FR).
welches schon für unsre Beweisführung,; dass das Nelumbium
eigentlich als Culturpflanze bekannt gewesen, Zeugniss giebt.
Weiterhin wird nach Plutarch erzählt, dass, obgleich sie ausser
Aegypten nirgends angebaut würden oder ansehe wachsen soll-
ten (wieder eine Anddikmk ihres Pflanzens daselbst), man sie
doch einmal in Epirus durch einen Zufall aufgekommen gesehen
habe, und Aehnliches auch zu Aedepsus [auf Euböa] ***) vor-
gekommen sei. Wir glauben aber nicht sehr an Zufall und
Wunderwerk in der Natur, sondern nehmen vielmehr an, dass
die Samen von Aegypten aus dorthin gebracht worden. — In
Athenaeus’ XV. Buche [ed. Casaubon. 1657. fol.] pag. 677.
wird nicht allein des Nelumbii, sondern auch einer klauen Nym-
phaea erwähnt: die einzige Stelle dafür, dass die Griechen die
N. coerulea gekannt haben *,*).
*) [Im lib. XVHO. von Strabo’s Geogr. findet sich in edit. Paris.
1620. die längere einschlagende Stelle p. 790., eine kürzere
pe 92. > Der Uebers.]
**) [Das Weitere auch in Nicandri 'Theriaca etc. ed. Schneid. 1816.
P- 282. — Der Uebers.]
*##) 70 maoonAmorov Ey&vero nal &V Avsya. Um dies noch kräfliger
zu machen, überselzt Gaza in seiner lateinischen Version das ra-
gasimoıov mit Wunder.
*4#) Doeror 0 Ovros &v Aluvans, dgovs GR, al Eiolv Kvrov ygosai
dvo, n7 ulv co 6odw goınvia , &x Tovrov Ö 0 srÄsxöuevos oT£pavos
vgios "Avtiwösios naheiton" 0 0° Ereoos Avrtıvos ovouaberat, AV&-
veav 240v Tnv yoorav. Da wir hier die Stellen übergangen haben,
welche die hinreichend bekannten Nymphaea alba und lutea be-
treffen, so müssen wir doch erwähnen, dass sie auch bei Aristo-
teles vorkommen und zwar unter dem ursprünglich persischen
Namen (s.: Koch, Deutschl. F1.IV.S.32.) ro vsyag To etoınov,
wie der Name Nuphar auch bei den Autoren des Mittelalters der
gewöhnlichste ist,
Nymphaeaceen der Griechen. 941
An mehreren Stellen bei den Alten wird daneben der Fa-
bae aegyyptiae als eines besondernLeckerbissens gedacht. Diese
sind die Früchte des Nelumbium speciosum. Das unerklärbarste
in der Geschichte derselben ist: aus welchem Grunde Pythago-
ras seinen Schülern die Benutzung derselben verboten habe: es
mag dahin gestellt bleiben, ob aus medicinischen Gründen, weil
sie in Sumpfgewässern wachsen (Galenus, Alim. 1., sagt von
der Faba aegyptia, sie sei natura humidiori el excrementitia,
wie er auch in Alim. 2. Colocasia und die Cibotia verwirft),
oder ob, wie man auch angenommen, seine Meinung gewesen
sei, dass sie sich nicht in Politik mengen sollten, weil man die
Fabae aegyptiae bei politischem Stimmensammeln gebraucht
haben soll. Das eigne Leben des Pythagoras entsprach zwar
nicht der letztern Meinung; indess warnt auch Mancher am
stärksten vor dem, was er an sich selbst als Fehler erkennt.
S. 4. Commentatoren der griechischen
Schriftsteller.
Zu diesen ist zuerst Plinius (Zist. nat.) zu rechnen, ob-
gleich er in vielen Stücken wohl mehr als Compilator ist. Ueber
Nelumbium schreibt er von Theophrast ab, schliesst aber Eini-
ges aus, verändert Andres, so dass er T'heophrast’s Meinung
nicht ganz richtig wiedergiebt. Eine merkwürdige neue Angabe
treffen wir indess an: nämlich dass man damals angefangen, die
Pflanze in Italien zu cultiviren *) — ein Zeugniss dafür, dass sie
als Culturgewächs gegolten.
Als man im Anfange der Wiederherstellung der Wissen-
schaften versuchte, durch Aufsuchung und Bestimmung der im
Mittelalter fast gänzlich auch den Namen nach vergessenen Na-
turerzeugnisse der Alten auf richtigsem Wege den Grund der
Naturwissenschaften zu legen, gab es kaum ein Gewächs, das
mehr Unruhe machte, als die Faba aeyyptia der Alten — denn
sie war bereits aus Aegypten verschwunden. Man fand. nichts
‚Entsprechendes in der Natur. Matthiolus, welcher nicht
sern zugeben wollte, dass er nicht alles kenne, was die Alten
gesehen und gewusst hatten, gab eine, nach den Beschreibungen
*) Weitere Angaben zu Bestätigung dieses Umstandes sind nicht vor-
handen. Von späterhin hat mau keine Spur davon in Italien.
Zwar erzählt J. Bauhin, lib. 38. c. A11., als Gerücht, das Ne=-
lumbium sei angeblich zu der Zeit in Venedig cultivirt worden;
dieses ist aber nachher nie bestätigt worden.
242 Nymphaeaceen der Griechen.
der Alten gemachte, erdichtete Zeichnung derselben. Casp. Bau-
hin (Pin. p. 196.) gestand aufrichtig zu, dass man nicht wüsste,
was die Alten gemeint hätten, nahm aber wie ausgemacht an,
es müsse eine Arum-Art, mit Ar. Colocasia nahe verwandt,
sein, wozu er auch durch frühere Verwechselungen Veranlassung
hatte. Man findet daselbst summarisch, wie auch bei andern
Commentatoren der Alten, alle die Scrupel vollständig berührt,
welche es bei der Bestimmung dieser Pflanze gegeben. Inzwi-
schen hatte schon damals Clusius durch helländische Schiffer
eine unbekannte Frucht aus Ostindien erhalten, in welcher er
mit seinem gewöhnlichen bewundernswerthen Scharfsinne die
Faba aegyptia der Alten ahnte. Als nachher Ostindien bota-
nisch untersucht wurde, war aller Zweifel über die Identität mit
der alt-ägyptischen*) gehoben, denn sowohl die ägyptischen
Zeichnungen, als auch die Beschreibungen der Griechen sind
nicht zu verkennen.
Nicht viel glücklicher war man in der Entzifferung der wei-
ssen Lotus-Blume (die blaue blieb bis zu den letzten Decen-
nien unbekannt). C. Bauhin erwähnt derselben nicht einmal in
seinem Pinax; Joh. Bauhin schreibt die Alten ab, doch mit
seinen gewöhnlichen, fast immer ungehörigen, Ausfällen gegen
seine Vorgänger, welche sie als Art von der gewöhnlichen
Nymphaea alba unterschieden hatten. Alpinus, welcher Ae-
syptens Flora für seine Zeit gut beleuchtet, hatte die Pflanze
schon damals beschrieben und sowohl auf ihren Unterschied von
N. alba, als auch ihre Aehnlichkeit mit derselben aufmerksam
gemacht **).
S.5. Einheimische Volkssagen mit denen
der Griechen verglichen.
Bekannt genug ist, dass auch in der schwedischen Volks-
sage, zum Theil noch jetzt im Volksglauben der Wassergott
Necken [welcher den Nixen der Deutschen entspricht] seine
Wohnung zwischen den Seerosen [die in Schweden Neckrosen,
in Dänemark Nökkerosen heissen ]| hat und noch zuweilen in
Mondscheinnacht mit seinem Saitenspiele den Zuhörer bezaubert.
*) Morison gab in seiner Hist. plant. zuerst vollständige Beschrei-
bung derselben.
**) Vollständig soll Delile in seiner Florae aegypt. illustr. p. 159
—169. die Geschichte dieser Arten aus einander gesetzt haben ;
wir bedauern, dieses Werk, welches uns gewiss viel Mühe erspart
hätte, nur aus Kecensionen zu kennen.
Nymphaeaceen der Griechen. 243
Aber die Uebereinstimmung dieser einheimischen Sage mit de-
nen der Vorzeit steht nicht allein: unzählige solche Naturmy-
then haben gelebt, ja, leben noch in abgelegenen Winkeln des
Landes, oder, wie eine Greisin sagte: „sie kennte wohl die Ge-
senstände des geheimen Glaubens der Aelteren, aber sie traute
ihnen [den Kobolden] nicht; sie wüsste wohl, wie Hülfe von
ihnen zu erlangen sei, aber das wäre sündlieh.“ — Da diese
Uebereinstimmung in der symbolischen Auffassung der Naturge-
schöpfe eins der Resultate ist, worauf wir im Vorliegenden aus-
gehen, so wollen wir aus mehrern ähnlichen ein paar das Pflan-
zenreich betreffende Züge noch in Erwähnung bringen. Linne
hat in seinen Reisen mehrere aufgezeichnet; aber, als Kind an
entlegnem Orte auf dem Lande aufgewachsen, glauben wir den
Unterschied zwischen den verschiednen Naturgeistern richtiger
gefasst zu haben, als es in Linne’s Gottländ. Reise S. 312.
[Uebers., Halle 1764: S. 332.] geschehen, wo Linne die Grund-
züge des Systems der einheimischen Naturmythik giebt, wie
sie noch in Mysterien „der Klugen‘‘ fortlebt. Ihre Genesis
' (eine Art Platonismus), welche richtig dargestellt ist, hat wohl
durch das Christenthum eine neuere Färbung, aber die Wurzel
ist deutlich heidnisch. Die Hauptarten dieser Naturwesen sind:
Geister (Ri [im schwed. sprachlich gen. neutrius]): reine
Naturgeister, welche in Bäumen (skogsrä d. i. Waldgeister, nicht
„unter“ den Bäumen, wie Linne sagt), in Steinen (bergsrä, Berg-
männchen), im Wasser (sjörä, Wassernymphen), in der Luft
(Zuftskott) u. s. w. wohnen. Sie haben nie menschliche Gestalt,
kaum sichtbare Form, und schaden nur, wenn man sich gegen
ihre Natur vergangen (wie Linne a. a. O. sagt, nach der klugen
Frau in Mjärhult entstehe Krankheit unt. a. daraus, wenn man
sich gegen den Geist eines Baumes vergangen). Die Waldgei-
ster leben und sterben mit dem Baume; wenn dieser gefällt wird,
hört man sie zuweilen wehklagen: in Pindar’s Aamadryaden
sind sie bis auf den kleinsten Zug getreu gezeichnet.
Elfen [in Schweden weiblich, deutsch männl. ] sind eine
nahverwandte Art Naturgeister: sie spielen und tanzen bei Nacht
im Grase; wovon oft Spuren im Thaue auf dem Grase zu sehen
— Elfengras, Sessleria coerulea. Bei Tage sinken sie, nach
verschiednen Erzählungen, in die Erde hinab oder sehen sie wie
Blumen aus, oder verwandeln sich in Erlen-, Weiden- oder
teiser. Wie noch in den meisten Ländern Europa’s wer-
ihnen in Schweden Pflanzen zugeeignet, die truppweise
oder in Ringen wachsen, wie Waldhähnchen (Anemone nemo-
rosa), [Juncus filiformis] ete. Sie sind dieOreaden der Alten.
244 Nymphaeaceen der Griechen:
„Vettar“ dagegen [,‚vette: Waldnymphe,“ nach dän. Lexi-
cis, hängt wohl damit zusammen?] sind wirkliche Persönlich-
keiten, so wie die Trolle (Zaubergeister), die ein dem des
Menschen analoges Leben führen: die erstern oder die unterir-
dischen (die Wetter) haben auch Menschen -Gestalt, sind aber
kleiner, haben keine unsterbliche Seele, worüber sie betrübt
sind, haben aber grössere Macht über die Naturals -
der Mensch. Sie wohnen in Steinhaufen. unter Menschenwoh-
nungen und Höfen, sind zwar eigensinnig, aber keine böse We-
sen. Der Rainfarn (Tanacelum, von den Alten bei Entbin-
dungen gepriesen — bei solchen standen in den Sagen auch oft
die Wettar bei) ist ihnen geheiligt (?). Am meisten sind sie
den Laren der Älten analog; die Trolle dagegen den Fau-
nen und Satyrn, sind aber böser, im Verbande mit dem bö-
sen Geiste. Die Trolle wohnen in Waldestiefen oder Gebirgs-
klüften. Unter ihrer Macht stehen von den Pflanzen: Viburnum,
Taxus, Viscum, Botrychium Lunaria (?) und die Pappel (Pop.
nigra). Vertrieben werden sie aber durch Lauch, Seidel-
bast und Baldrian. — Eine Menge Pflanzen haben noch my-
stische Eigenschaften und Beziehungen denen der Vorzeit gleich
und mit dieser gemeinsam; einige solcher Beziehungen sind je-
doch einheimischen Ursprungs bei uns, z.B.: Ledum unter dem
Tische bei Gästmählern nimmt den Gästen den Appetit, Gelium
verum auf den Fussboden gestreut verursacht Schlägerei, u.s.w.
Der Necken [dän.: Nökken, Nokken |, welcher theils als
Mann (Flussmann), theils als ein Pferd (Bachhengst) erscheint,
— der Tomt, ein altes Männchen in grauen Kleidern und ro-
ther Mütze, in hohlen Bäumen bei Häusern und in Scheuern
wohnend, und die Waldfrau (Skogsnufva, — Cybele?) führen
ein Anachoretenleben, sind aber wirkliche Persönlichkeiten. Die
letztere ist vorn eine schöne Jungfrau, hinten aber hohl; sie
sucht Liebhaber zur Untreue gegen die Geliebte zu verleiten,
wird aber, wenn umarmt, zum Föhrenreis. Analoge Fabel bei
den Griechen bei Longos, Housvıza, II. p. 37.
Bei einzelnen Gewächsen ist jedoch die Aehnlichkeit be-
merkbarer:
Die Eiche ist der Bin des Allvaters. ( ae fulminan-
tis“) daher er stets die Trolle erschlägt, wenn sie unter ihr Zu-
flucht suchen, wogegen er unter er Buche keine Macht über -
sie hat. (Hier liegt die erst in neuern Zeiten beobachtete That-
sache zu Grunde, dass der Blitz verhältnissmässig 20mal i in die
Eiche schlägt gegen lmal in die Buche.)
Attich (‚Sambueus Ebulus, schwed. Mannablod, ‚Männer-
Nymphaeaceen der, Griechen. 245
blut) ist bei Kalmar aus 'dem Blute ‚der. erschlagenen Helden
aufgewachsen. :So 'entsprang auch ein Kraut aus dem Blute des
telamonischen Ajax. S.: Athenäus.
Wucherblume (Chrysanthemum segetum, schwed. Haäla-
bäcker) entstand dadurch , dass, als die Leute in Hälabäck, ei-
nem Dorfe im Pastorate Harplinge in Halland, ein gestrandetes
Schiff geplündert, das mit Getraide beladen gewesen, letzteres
ausgesäet in jene Landplage Hallands verwandelt wurde. Diese
Sage ist neueren Ursprungs; aber als Kind hörte ich deren
mehrere, die sich den Metamorphosen der Alten anreiheten, wo-
runter die vom Stiefmütterchen (-Veilchen) sich an die des Grie-
chen Nicander vom Ion anschliesst [Athen. I. XV. p.683. (ed.
Casaub.); Nicandri Theriae. etc. ed. Schneid. p. 277, 292.].
Die Sage vom Kreuzdorn (Rhamnus cathartica, schwed.
Getappel ü 1. Ziegenapfel — „dem Strauche, bei welchem der
"Teufel die Ziege [get, dän. ged] schund“ [dies ein norweg.
Name dess.] — Linn. Fl. suec.) ist der vom Marsyas analog.
Dachwurz (Sempervivum tectorum) wurde schon zu Hip-
pocrates Zeiten auf die Dächer gepflanzt und zwar, nach Festus,
um das Haus vor Unglück zu schützen — und noch jetzt pflanzt
man sie aus derselben Absicht bei uns.
Die Griechen hatten ein Kraut Telephilon oder Telephium,
welches, wie noch heut zu Tage allgemein im südlichen Schwe-
den das ihm zunächst verwandte Sedum Telephium, als Orakel
befragt wurde um Gegenliebe und Treue der Geliebten; unzäh-
ligemal sah ich selbst es um Rath fragen. Die Griechen benann-
ten treue Liebe nach der Pflanze, in Schweden nennt man
die Pflanze Liebeskraut (kärleksört). Die in Schweden ge-
bräuchliche Art, sich Antwort zu erholen, weicht jedoch von
der ab, die Theocrit 3. 30. besingt.
Solcher Beispiele liessen sich ‚noch manche hinzufügen.
Eben so treffen wir alle Legenden des Mittelalters von
unsern schwedischen Pflanzen noch unter unserm Volke lebend
an, ja sogar die Sage von der Usnea und dem Muscus eranü
humani finden wir im Volksglauben an die wunderbaren Eigen-
schaften des Mooses auf Kirchthürmen und Galgen wieder.
Diese sind zwar fremden Ursprungs, haben aber ein einheimi-
sches Gepräge angenommen; die Legende von der Wurzel der
Orchis maculata hat bei uns eine calvinische Dolmetschung er-
halten. Andre sind völlig einheimisch, z. B. folgende smäländi-
sche: die Birke, womit der Heiland gegeisselt worden, wurde
deshalb verbannt und musste verkimmert am Boden kriechen
(Betula ‘nana, smäl.: Längfredagsbjörk,, Charfreitagsb.); die
17
a a
246 Nymphaeaceen der Griechen.
Trauerbirke aber, die daneben stand, war so betrübt, dass
sie ihre Zweige herabsinken liess, wie seitdem noch ‚heute.
S. 6. Besultate aus dem Gesagten sind:
1. Dass Nelumbium ‚speciosum ‚oder der »#vauos aiyuntuos,
Faba aegyptia der Alten, in Aegypten niemals eigentlich ein-
heimisch gewesen, sondern als ein rein SM oder in-
disches Gewächs mit der ältern Cultur daselbst eingeführt und
als eine heilige Pflanze cultivirt worden, — nachher aber mit
demselben Cultus auch wieder von da verschwunden ist.
2. Wenn man einem Cultus Naturproducte, die nicht in dem
Lande einheimisch sind, als Symbole angehören sieht, so hat
man allen Grund anzunehmen, dass auch der Cultus selbst frem-
den Ursprungs sei (obgleich ein solcher, je sinnlieher er ist,
sich desto mehr örtlichen Verhältnissen anpassen muss,) und
zwar aus eben dem Lande, von wo die heilige z. B. Pflanze
herstammt. Nun wissen wir, dass das im Isisdienste ein se
wesentliches Ingrediens ausmachende Nelumbium speciosum eine
ostindische Pilanze ist: und so giebt der Anbau: desselben zu-
gleich mit dem der Cordia und sonstiger indischer Pflanzen von
den ältesten Zeiten her in Aegypten eine neue Stütze für Hee-
ren’s Hinweisung auf indische Herkunft des ägyptischen Cultus.
In Indien, wo derselbe Cultus stationär gewesen, ist er noch
heilig. Ä
3. In der Familie der Nymphaeaceen finden wir noch die
Uebereinstimmung zwischen dem indischen und dem ägyptischen
Cultus, dass in der dem Nelumbium ähnlichen Gattung Nym-
phaea die N.Lotus und N. pubescens jede fur sich dem Haupt-
strome eines der beiden Länder geheiligt waren. Dass die sym-
bolische Bedeutung der Arten dieser Gattung eher aus dem in-
dischen Culte in den ägyptischen herübergenommen sein müsse,
als umgekehrt, halten wir gegen die Behauptung Einiger für
sicher. Die Angabe hingegen, dass Nymphaea Lotus aus Ae-
gypten nach Indien verpflanzt worden, erscheint uns als erwie-
sen falseh, zumal da der’ indische ‚‚Lotus“ nicht mit dem. ägy-
ptischen identisch ist. / N
4. Gleichwohl scheinen die Nymphaeaceen, nebst mehre-
ren andern Gewächsen, anzudeuten, dass wegen der Aehnlich-
keit, die man in den mythologischen Vorstellungen verschiede-
ner Völker entdeckt, man nicht unwillkührlich eine Entlehnung
von dem einen zum andern anzunehmen nöthig hat, sondern eine
4
Br )
ee.
Nymphaeaceen der Griechen. 247
Art angeborner gemeinsamer Auffassung ihnen zum Grunde liegt,
oder.mit andern Worten, dass die Naturwesen selbst eine sym-
bolische Zeichensprache sind, die von jedem Natursinne auf
gleicher Bildungsstufe gleich gedeutet wird. Je näher der Natur
letztere noch liegt, sowohl in der Jugend des Menschenge-
schlechts ‚. als des Individuums, desto offner ist der Sinn für
diese Bildersprache der Natur. Eine halbe, zersplitternde Re-
flexion: leitet davon ab, aber, um in Baco’s Worten über das
Verhältniss der Philosophie zur Religion fortzufahren,, ein gan-
zes, ein gründliches Studium führt: zum Kindheitssinne und zur
Nätur zurück. |
WIEN.
‚Verwahrung gegen manche über einzelne schwedi-
sche Pflanzen hier oder da angenommene Ansichten.
Von
Dr. Elias Fries*).
Uehersetzt von Dr. €. T. Beilschmied.
— .... Bei der Subjectivität, welche anjetzt die Wissen-
schaft. De ist es natürlich, dass Vieles verschiedenen
Forschern (der Nachsprecher und Liebhaber hier ‚nicht zu ge-
denken) in verschiednem Lichte erscheinen muss; ‚„aliü plus
vident, quam alü,“ sagt schon. Dillenius, „gquia imaginatione
pollent““ — einer Quelle sowohl hellerer, als auch noch nicht rei-
fer Erkenntniss. Im Allgemeinen scheint es mir in der speciel-
len Botanik ein Fehler zu sein, einerseits wenn Jemand die be-
kanntesten und entschiedensten Dinge, ohne andern Grund als
“) Aus Lindblom’s Bot. Notiser 1844, Nr. 1., 2, S. 1—26-
248 Verwahrung geg. angen: Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
eigne Unbekanntschaft mit “denselben, bezweifelt, "andrerseits
wenn in jedem concreten Falle ein positives Urtheil’ gewagt
wird *), — bei welchem Verfahren man Gefahr‘ läuft, sein posi-
tives Urtheil geradezu zu wechseln oder sich indem einmal ge-
fällten zu versteinern, wodurch man selbst nur antiguirt‘ wird,
weil die Wissenschaft, so lange sie innres Leben hat, nie con-
servativ wird, sondern nur der Einzelne, sobald er aufgehört
hat, jugendlich und progressiv zu sein. Dieses muss einen Je-
den treflen, der ein allgemeines’ Werk verfasst hat, das er als
etwas Festgestelltes angesehen wissen will; als ununterbrochen
progressive Männer nenne ich Linne und Koch, dennoch be-
kennt Letzterer, Manches könnte oder sollte anders dargestellt
werden, aber er „habe so wenig wie möglich abgeändert.“ Wer
nun nicht ganz so offen ist, verhält sich eben so (gewiss oft
unbewusst, weil es stets mehr Anstrengung erfordert, sich in
andere Ansichten, als denen man bisher gehuldigt hat, zu ver-
setzen), doch noch stabiler: und daraus erklärt es sich, warum
auch die Besseren Vieles beibehalten, was sie kaum frei von
Antecedentien nun niederschreiben, wie z. B. Dr. Hartmann:
dass Linne bei Aufstellung des Potamogeton marinus den P.
zosteraceus |Fr.] vor Augen gehabt hätte, Die Prüfung aller
neuen Ansichten komnit deshalb eisem ;jüngern; rührsamern,
scharfsichtigern Geschlechte zu, welches, nicht in jene Fesseln
geschmiedet, sein Urtheil in.der Schule der Natur selbst fest-
stellen muss, denn nur ‚unter dieser Bedingung gehört es der Zu-
kunft an; so lange man eine Autorität zur Leitung bedarf, ist
man unmündig und ohne Stimmrecht in der Wissenschaft.
*) Ich wünschte die Leser auf meiue Art und Weise aufmerksam zu
machen, da, wo eine Sache non liquet oder mit gleichem
Rechte unter zweierlei ‚Form: darstellbar ist, wie‘z. B. die Ver-
wandten der Festuca ovina, Rosa canıina, Tlhni u. a., nur Vhat-
sachen zu mehren und zu ermitteln zu suchen, ohne ein
Urtheil abzugeben. Dies übersieht man immer,;weo-man
die Form der Darstellung dazu benutzen kann, eine. Sache als. irrig
darzustellen. (Ich ei man hielte sich mehr -an die SS,
als nur an eine gleichgültige Form, und sähe die Sache. für ‘das
Wesentliche au- ohne kleinlich an’ der Person zu nagen.) ‘ In obi-
gen Fällen ist meine Darstellung nach'Baco’s Gebote „ta com-
posita ut examini subjiciatur,“ und bestimmt,werden die, die sich
nur zu Gerichte gesetzt haben, etwas sichrer wissen. Man scheint
mich nicht verstanden zu: haben, wenn; ich in, Nonit. : Mant., IH.
die Rosa collina und dumetorum zwar unterschied, doch dies mit
der bestimmten Erklärung, dass dieses nicht so anzusehen sei, als
werde damit meine Darstellung derselben als Varr. der A. canina
in den Novit. Fl. suec. ritbchöben. [S. unt.: 30:] °
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 249
"st Die Menge uniarer neuen Fünde und Aufstellungen für die
schwedische Flora macht, dass man sich auf's längste sträubt,
alles das anzunehmen, was von gefassten Ansichten und auslän-
discher Autorität abweicht. Wir finden dies natürlich, zumal
bei der Geneigtheit unsrer Nation, einheimische Autorität nicht
anzuerkennen, glauben aber, man werde es mit Vergnügen an-
sehen, dass die ausländischen Quellen, denen man folgt, schon
in der kurzen Zeit andern Verlauf genommen haben, d. h., dass
sie'zu unsern Ansichten übergegangen sind und übergehen, z.
B: in Betreff der Matricaria maritima L., des Senecio barba-
raeifolius: Krock, ‘der Silene maritima und inflata petraea,
Arenaria gothica, Thalictra, Fumaria capreolata, Rosa to-
mentosa, Salix finmarkica, Betula glutinosa, Orchis incarnata,
Alopecurus nigricans, Poa sudetica' remota u. s. w., oder auch
dass‘man sie nur missverstanden hat, wie bei Zieracien, Sene-
cio barbaraeifolius, Rosa collina, Poa caesia, Juncus atratus,
J. nigritellus ,u. s. w.; und man halte es uns zu gut, wenn wir
in ‘der frohsten Ueberzeugung leben, ‘dass es in den meisten
Fällen so kommen wird. ‘Wir finden jene Behutsamkeit viel-
mehr lobenswerth,, sofern man nur nicht läugnet, was man nicht
kennt; für uns selbst halten wir dies für einen wahren Vortheil:
denn es ist immer ein Unglück für einen Schriftsteller, ‘wenn
seine’Meinung bald auf guten Glauben angenommen wird, weil
alles Neue um sein Bestehen kämpfen muss: und so ist es für
jeden Autor ein Unglück, wenn diese kritische Prüfung aus-
bleibt bis er selbst an der Erledigung derselben nicht mehr Theil
nehmen kann; denn alsdann wird immer Vieles missverstanden,
wie es'Linne gegangen ist, weil. nur Wenige den Instinet ha-
ben, dessen es: zum Versetzen in den Ideenkreis und: den Ge-
dankengang Anderer bedarf. Mancher sieht nicht selbst ein,
‚dass: der Grund, warum er nicht Verfahren und Leistungen An-
'drer eben so gut fassen kann, in gerade entgegengesetzter Auf-
fassung sowohl der Natur als der Wissenschaft liegt, indem
von verschiednen' Standpunkten aus der Gegenstand 'sich ver-
schieden ausnehmen muss. Nicht allein ın den wichtigsten Fra-
‚gen der Wissenschaft gilt dieses, sondern auch im Speciellen,
worin die rein phytographische und die biologische Auffassung
zu verschiedenen Resultaten führen. Die erste Bedingung dazu,
selbst Achtung und Vertrauen in die Zuverlässigkeit eigner An-
gaben zu gewinnen, ist, dass man selbst nicht leichtsinnig An-
dere unter dem Werthe schätzt. Niemand, der nicht sich.
selbst mehr liebt als die Wissenschaft, kann es übel empfinden,
wenn andre Ansichten sich geltend zu machen suchen: strei-
250 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed.. Pflanzen.
tende Ansichten können recht. gut neben warmer. Freundschaft
und persönlicher Achtung bestehen; dagegen ‚wird es stets zur
Quelle wissenschaftlicher Erbitterung , wenn. man. Ansichten. und
Zuthun Anderer nur in falschem Lichte darzustellen. sucht. Lie-
ber höre man auf, Andre zu citiren, wenn man nur auf alle Fälle
sich still alles aneignet, was nicht :tadelbar ist, als dass man
eines Schriftstellers Ansichten nur auf «eine verwirrende Art
darstellte.
Zu klarer Einsicht in die schwedische Flora ist eine treue
Darstellung der successiven Ermittelung der Arten "unser erster
Bedarf. Das gangbare Verfahren ist mehr verwirrend als’ aufnel-
lend, indem es sich mehr an das ‚Formelle hält und bei der
Sache nur. die abweichende Darstellung Andrer, ohne Rücksicht
darauf, ob der gemeinte Autor sie jetzt wirklich. so auflasse,
angiebt.: So. folgt man z. B. nur meinen. Angaben über die
nicht gekannten Jusione perennis. Lam., Equisetum pratense
Rchb. et Schldl., u. a.; aber ich bin es nicht, der diese als Ar-
ten aufgestellt, sondern ich habe nur darüber referirt und oben-
ein sie als Varietäten [erstere bei J. montana;, letzteres unter
E. palustre in Bot. Not. 1841, 195; s. a. unt.: :60.] unterge-
bracht. Im Herbar. normale Fl. suec. handelt es sich, wie ich
oft gesagt, nicht darum, meine Bestimmungen darzulegen, son-
dern die Synonymie zu fixiren;. Salix tenuifolia, Drosera. obo-
valta sind darin nicht einmal als Arten von mir dargestellt, letz-
tere vielmehr erst von mir zur Dr. longifolia gezogen. Manche
untergeordnete Schriftsteller, welche die Quellen nicht kennen,
gehen darum stets in ihren Angaben fehl. Auch soll man nicht
fremde Angaben durch ein „soll, wird , dürfte“ u. .dgl.'als min-
der zuverlässlich wiedergeben, denn sie dürften besser doeu-
mentirt sein, als man ahnet.
Wie die rein phytographische oder zugleich bielokische Ar-
tenbestimmung zu verschiedenen Htesultaten führen müsse, ward
oben angedeutet: hier zur Erläuterung ein paar Beispiele. Die
erstere verhält sich zur letztern, wie. ein künstliches zn einem
natürlichen Systeme: im erstern ist der Character die Haupt-
sache, im letzteren die Naturwahrheit, die nicht vom.-Chara-
cter, sondern durch die Geschichte und das biologische‘ Verhal-
ten der Pflanze bestimmt wird, wobei die Charactere, obschon
wichtig, nicht wie bei der erstern als Zweck, sondern nur als
Mittel zur Unterscheidung der Arten betrachtet werden. :Man
kann:wohl niemals sagen, eine Pflanze verdiene wegen Man-
gels an Characteren nicht als Art zu gelten, .denn Pilanzen reeh-
nen nicht nach Meriten , sondern um eine positive Art zu
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 251
sein, muss sie nach beiden obigen Rücksichten geprüft werden.
Subjective Arten sind solche, die sich wohl in der Natur
bestimmt unterschieden zeigen (z. B. Potentilla opaca, Rosa
dumetorum, R. collina, u.a.), aber für jetzt absoluter Charactere
entbehren,. wenn gleich diese wahrscheinlich einmal zu finden
sein dürften. Aber in den Characteren allein liegt keine Wich-
tigkeit, denn „nullum datur in rerum natura signum ubique
eonstans;‘ nicht auf die Summe der einzelnen Exemplare, son-
dern auf ideelle Auffassung der Art basirt sich die Diagnosis ;
Abweichungen davon machen nicht Uebergänge aus. Hat man
in der Natur die Geschichte der Gattungsgenossen aufgefasst,
so kann man wohl auch nach getrockneten Exemplaren Arten
bestimmen; schwerlich aber entgegengesetzten Weges. Ueber
veränderlichere Gattungen lässt sich jedoch selten etwas ent-
scheiden, wofern man nicht in grössern botanischen Gärten Ge-
legenheit gehabt, sie während ihrer ganzen Entwickelung zu
studiren, indem nur dort sie richtig comparativ aufzufassen sind:
solche Gelegenheit hatte ich für die meisten streitigen Arten,
z, B. Thalictra, Epilobia, Arenariae, Matricariae u. a. Bei
solchen nahe verwandten Arten ergeben die biologische und die
- rein ‘phytographische Betrachtung gerade Entgegengesetztes.
Nach der erstern wird Scirpus uniglumis eine eisne Art, Se.
glaucus dagegen nur Varietät, indem ersterer z.B. auf Bolmens
Strand zu Tausenden auf ganz gleicher Localität mit Se. palustris
ohne alle Mittelformen , sondern mit verschiedner Entwickelungs-
bahn, wächst, während Se. glaucus nie auf gleichem Standorte mit
Se. lacustris vorkommt und je nach der Localität mehrere Mit-
telformen zeigt. So wird nach der erstern der Juncus atratus
[s- u.: 20] eine sichere Art, aber der sogen. J.nigritellus (nicht
Don’s) eine ganz unbedeutende Form, obgleich die phytogra-
phischen Merkmale dieser Junci ausgezeichneter scheinen. —
Dass die biologische Naturbetrachtung in der Morphologie und
allen Theilen der Wissenschaft sich mehr und mehr geltend
macht, ist uns ein erfreuliches Vorzeichen, denn nur dadurch
wird die Naturgeschichte zur Wissenschaft und kann sie die
Wärter der höheren Bildung, welche in der rein formellen Be-
handlung nur ei empirisches Namenregister und nicht Begriff
und Gedanke gesehen, mit sich versöhnen.
In den: Bemerkungen, die wir im Folgenden für diesmal
vorlegen, beschränken wir uns auf diejenigen unsrer Bestimmun-
gen, die man missverstanden, verworfen oder bezweifelt hat.
1. Wir hatten geglaubt, eine Menge vom Urheber selbst
erhaltener Exemplare des Zriophorum Chamissonis von ver-
252 Verwahrung geg. angen: Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
schiednen Fundorten her würden genügen, die Identität dessel-
ben mit dem E. capitatum. Suecor. zu erhärten; 'da-man aber die
Zuverlässigkeit derselben in Zweifel zieht, so fügen wir hinzu,
dass Hooker in seiner Fl. bor.-americ. gleichfalls nach Origi-
sinalexemplaren es für vollkommen synonym mit E.. capitatum
erklärt, von welchem das E. capitatum: C. A. Mey. eine viel
zartere Abart ist; Z. russeolum. |Fr., Hartm.] hat Hooker unter
E vaginalum y ohne irgend ein Synonym; — auf Verlangen
können wir auch Mever’s eigne Anerkennung der Identität
seines E. Chamissonis mit unserm schwed. E. capitatum vorlegen.
2. Im Herb. norm. IV. erwähnten wir schon der bei uns
gewöhnlichen. Verwechselung des Alopecurus pratensis nigre-
scens mit dem A. nigricans, welcher eine besondere Art ist.
Der erstere wächst rasenförmig, indem das Rhizom am Gipfel
mehrere Halme und Blattbüschel trägt, was A. nigricans nicht
thut, welcher lange kriechende Ausläufer treibt, ‘die in einen
einfachen gesonderten Blattrasen enden, der das folgende Jahr
blüht. Deshalb stehen seine Halme, obgleich unter der Erde
zusammenhangend, immer einzeln, welches biologische Merk-
mal (noch ohne die andern) ihn am leichtesten und sichersten
unterscheidet. Koch erkannte den A. nigricans, sobald erden
wahren gesehen, sogleich als eine vor dem A. prat. nigrescens
ausgezeichnete Art. S.: Taschenb. d. D. Fl.
3._. Dass unsre Poa sudetica 8 remota | P. remota. For-
selles, Hartm., = P. hybrida Gaud.] nicht jvon P. sudetica «
zu trennen ist, zeigten wir schon früher in diesen Blättern
[Lindbl. Bot. Not. 1841, S. 193., wo Fr. auch angiebt, der äl-
teste Name der P. hybrida sei P. quadripedalis Ehrh.]; in
Schweden wollte man nicht daran glauben, aber Koch, welcher
beide lebend vergleichen konnte, wie ebenso die P. Aybrida,
die er aber für von beiden verschieden erklärt, bringt die P.
sudetica remota zur wirklichen P.sudetica und sagt ohne irgend
einen Zweifel: „P. sudetica 8 remota Fr. habe ich mit Unrecht
zu P. hybrida gebracht:“ s. Taschenb. D. Fl. — Aber die
Hauptsache ist, dass gerade unsre Form die primitive 2. sude-
tica ist laut Exemplaren von Hänke’s und Ehrhart’s Fund-
- orten, die vor uns liegen, Willdenow’s und Schrader's Beschrei-
bungen gemäss; erst durch die zahlreicheren von Sieber, Hoppe
u. A. ausgetheilten Exemplare der Alpenform wurde diese für
die normale genommen. BETT
4. Poa depauperata (Brown? nach) Blytt [? Poa abbre-
viata Br. Melv.? Blytt in N. Mag. f. Naturv. I. 344., Bot. Jah-
resb. üb. 1837, S. 420.] hahen wir, nach Anleitung dieses hell-
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 253
sehenden Forschers und nach Einholung des Urtheils der ersten
Gräserkenner, mit P. cenisia |P. flexuosa Wbg., Blytt a. a. O.
419.] vereinigt, wegen der langen kriechenden Ausläufer, welche
sie von aller P, la.ca, der solche durchaus fehlen, weit entfer-
nen. Parnell nimmt sie als eigne Art, welehe Ansicht wir
nicht so zu verwerfen wagen, wie die Vereinigung mit P. la:xa.
3. FPoa caesia Sm. ist, wie wir auch bereits in Bot. Notis.
sesagt, nach der Abbildung in Zingl. Bot., englischen Exem-
plaren und nun nach dem Zeugnisse aller englischen Autoren,
unverkennbar identisch mit P. Gaudini RS.; die Berufung auf
Hooker’s Autorität für das Gegentheil ist ein Irrthum, denn
dieser vereinigt P. caesia und glauca zu einer Var. der P. ne-
moralis und beweiset also nichts,
6. Als wir in Novit. Mant. Il. die unter Festuca ovina
vermengten Formen aus einander setzten, nahmen wir drei be-
stimmte Arten an, näml. F, ovina, duriuscula und rubra, ohne
über" F, glauca Auctt. und F. dumetorum L. ein bestimmtes
Urtheil zu wagen, worüber wir noch jetzt kein cempetentes ab-
geben können, Meinem Vermuthen nach wird indess wohl die
F. dumetorum (zu welcher F. duriuscula Steenstr. ex Islan-
dia, nach von I. Vahl mitgetheilten Exemplarer, gehört,) künf-
tighin als besondere Art genommen werden, F. glauca aber als
Unterart-der F. ovina. Wir glaubten darüber nur, mit Benutzung
der bekannten Namen darlegen zu müssen, was wir wüssten;
hätten wir sie als Abarten dargestellt, so hätten wir nicht ehr-
lich gehandelt, sondern eine Erfahrung anticipirt, die wir nicht
hatten. Will man indess nur die drei erstgenannten annehmen,
so menge man die letzteren nur nicht unter die bloss zufälligen
Formen der andern und erinnere sich vor allem, dass von ihnen
allen formae glaucae, curvifoliae etc, vorkommen. So kann
die im Herb. norm. gegebene F, glauca nie unter F. duriu-
scula gestellt werden, obschon auch diese eine glauke Form hat,
sondern unter F. ovina, wovon es noch eine andre ausgezeich-
nete forma glauca giebt; auch wäre F, dumetorum nicht zwi-
schen F. rubra und ihre zufällige Form sguarrosa zu stellen
(F. arenaria Osbeck ist das entgegengesetzte Extrem und viel
ausgezeichneter), sondern die F. rubra müsste in zwei Reihen
aufgelöset werden, so: |
Festuca rubra 1. vera $. squarrosa, y. arenaria.
- - 11. dumetorum, 8. scopulorum, y- caesia.
Die im Herb. norm. gegebene caesia lässt sich nicht zur
F. duriuscula ziehen.
7. Bromus racemosus Engl. Bot. ist sicher identisch mit
17 *
254 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
dem unsrigen, nicht mit Dr. hordeaceus, den wir für eine be-
sondre nicht mit Br. mollis leiostachys zu verwechselnde Art
halten.
8. Nach Beschreibung, Standort (Expl. von Käseberga sa-
hen wir, und bei Helsingborg wächst kein 7r. acutum) und dem
Citate Herb. norm. können wir kaum zweifeln, dass Triticum
affine Hartm. in Bot. Not. [1840, S. 173.] nur zu Tr. laxum
[Fries, Herb. n. FV., Mant. IIl.] gehört und, was seitdem zu
Tr. affine gerechnet worden, nur die aufrechte Form desselben
ist: beide übrigens ausnehmend gemein. Tr. acutaum hingegen
ist äusserst selten, obgleich an den Stellen, wo sie einmal
wächst, in Menge: wo beide bei einander wachsen, fällt ihr
Unterschied sogleich in die Augen. 7’r. aeutum unterscheidet
sich, wie Meyer in Chlor. Hanov. sagt, durch seine Steifheit
und ‚die Blätter (sind) im frühern Zustande canaliculato -trique-
tra, carina valde acuta, nur völlig entwickelt werden sie plana
und stehen fast unter rechtem Winkel sperrig ab:“ dies ist
nach dem Leben. So kommt das weiche, flachblättrige Tr.
laxzum nie vor. Weit problematischer ist seine Verschiedenheit
von Tr. repens, denn dessen Blätter haben zuweilen dieselbe
Bekleidung [also „puncta densa scabra “ des Zaxı], wie ich letz-
ten Sommer auf westgothl. Bergen fand. Meyer’s Bemerkung,
Tr. repens hitorale sei eher eine Var. des Tr. acutum als des
repens, verdient auch alle Beachtung. Koch erkennt unser Tr.
acutum für das ächte, ist aber unsicher, ob Tr. laxum davon
zu unterscheiden sei oder nicht.
9. Das einzige Exemplar, welches Prof. Wahlberg von
der Alchemilla vulgaris mit tief eingeschnittnem Wurzelblatte
auf dem Dovrefjeld fand (welehe Form als A. vulgaris kybrida
aufgetreten ist), hat er mir freundlichst zur Vergleichung mitge-
theilt, mit der Bemerkung, es sei nur eine zufällige Form *).
Sie ist freilich weit von der A. fssa Schumm., Günth., Wimm.,
die bei Bergen (?) und auf den Färöern vorkommt, verschieden,
und keine von beiden zeigt die geringste Spur von Hybridität.
Nur ein Wurzelblatt ist tief handförmig getheilt, wie einge-
schnittene Blätter sehr gewöhnlich spielen, z. B. bei Acer pla-
tanoides, den Endblättchen des Geum rivale, sämmtlichen Be-
*) Dass ich sie, ohne sie gesehen zu haben, A. fissa nannte [Mant.
II. 16.], war freilich übereilt, jedoch Folge davon, dass man
mich versichert, A. fissa sei von Prof. W. gefunden worden. was
zu bezweifeln ich kein Recht hatte. Meine Exemplare von Schu-
bert sind ächt, doch der Fundort scheint unsicher zu sein.
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflunzen. 255
lulis und Alnis, welche Formen man auch früher für Bastarde
nahm.
10. Von Galium Aparine giebt es zwar eine zufällige Form
mit glatten etwas gekörnten Früchten; diese ist aber nicht Ga-
lium spurium L.: bei letzterem sind die Früchte „absolute lae-
vissimi,“ glänzend, reif sueculenti, wodurch sie unter dem Pres-
sen am Papiere fest ankleben: dies ist die Ursache, warum man
sie in Sammlungen niemals mit reifen Früchten sieht. — @. te-
nerum Schl. ist als Var. des @. Aparine erwähnenswerth.
ll. Das bei Upsala wachsende Symphytum patens oder
S. officinale Fl. upsal. habe ich als das wahre S. orientale L.
bestimmt, und dieses ist eine ganz andre Pflanze als die, welche
Willdenow und neuere Autoren so nennen. Seine Standörter
sind ganz dieselben wie die des $. officinale: am häufigsten in
alten Gärten und auf Grasplätzen längs Bächen, aber oft auch
im Freien und nicht bloss in und ausser Upsala, sondern in der
ganzen Gegend: bei L. Gottsunda, Lurbo, lastenweise bei
Quarnbo, Mariälund u. a.; ferner um Enköping. Zuweilen ist es
wohl gepflanzt, wird aber jetzt nicht cultivirt; es ist ganz unaus-
rottbar; an manchen Stellen scheint es völlig wild zu sein.
| 12. Gentiana obtusifolia Willd.! halte ich für Varietät
der @. germanica Willd. Vergl. Bot. Not. 1841.
13. Von Verbascis haben wir in Schweden 3 Bastarde, die
um so merkwürdiger sind, als sie die einzigen zuverlässig hy-
briden Pflanzen sind, die Schweden besitzt. (Dass Cirsium de-
coloratum ein Bastard sei, hält Koch für problematisch, und
da es jetzt in Gegenden gefunden worden, wo seine vermeintli-
chen Aeltern beide fehlen, und es in Schonen sehr häufig ist,
so stimmen wir darin bei. Geum intermedium ist nach Koch
zweifellos kein Bastard. Die übrigen früher für muthmasslich
hybrid erklärten, z. B. Lamium intermedium (in Schottland die
gemeinste Art) sind nur als warnende Beispiele in Erinnerung.)
Wir wollen diese hybriden Verbasca nicht zwischen die wirkli-
chen Arten einreihen. Verbascum seminigrum umfasst V. ni-
gro-Thapsus und nigro-thapsiforme: diese sind nicht durch
- deutliche Charactere, aber doch durch das ganze Ansehen vom
V. Thapso-nigrum, welches V. collinum Schrad. ist, verschie-
den; Schrader erklärte die Exemplare des V. seminigrum für
Bastarde von T'hapsus, hielt aber V. collinum für eigne Art.
14. Viola canina y. stricta Hartm. [Skand. Fl. ed. 4.? V.
can. 8. strieta Hn. in Bot. Notis. 1841, p.82. (V. strieta Hn. Sk.
Fl. ed. 3.? excl. synon.)] ist nicht unsre V. strieta [Hornem.],
‘sondern eine wahre V. canina lucorum Rehb.! Dagegen gehört
256 Verwahrung yeg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
die unter V. pratensis aus Westgothland eitirte [in Sk. Fl. ed.
4.2] zur wahren V. stricta und zwar V. str. humilis.
15. Ausser Ulmus effusa findet man von den ältesten Zei-
ten her eine U. campestris und eine U. montana unterschieden.
Nachdem Linne alle europäischen Ulmi auf eine redueirt hatte,
wurden jene drei Arten wiederhergestellt und angenommen, als
man aber diese z. B. in England bis zu sieben, in Oesterreich
bis auf neun vermehrte, zogen diese die übrigen mit sich in’s
Verderben. Ich habe ihre Vereinigung nicht bestritten , aber
auch nicht geglaubt, darin folgen zu müssen, sondern unter Vor-
bringung sehr wichtiger Gründe auf genauere Prüfung derselben
Sedrungen, weil es immer leichter ist, das, was man nicht
kennt, auf den Haufen zu werfen, als wirklich zu untersuchen.
Es giebt nämlich, ausser zwei normalen Formen, zwei suberöse
Formen und zwei kahlblättrige Formen, welche man sehr unbe-
dachtsam zusammenschlägt; zu einer jeden der normalen gehört
eine suberöse und eine kahlblättrige. Unsre U. montana [| U.
campestris der Deutschen | hat stets solche reife Früchte wie
die Figur in Svensk Bot. t. 13. zeigt; nur unausgewachsen er-
scheinen sie etwas eingeschnitten, membranacei wie die Blätter,
ausgewachsen aber werden sie immer steißk Dr. Hartman’s
Darstellung [der der Deutschen im Ganzen gleich, mit nur we-
niger Synon.] verstehe ich eben so wenig, als er die meinige,
mit welcher die Abbildungen sämmtlicher englischen Arten tref-
lich übereinstimmen. Letztere machten mich zuerst auf die Un-
terschiede aufmerksam, die ich dann ın der Natur bestätigt
fand. [ Vgl. dies. Arch. H. 1. S. 82, m. Not.; Fr. nennt die
U. effusa W. in Mant. Ill. 18.: U. campestris; in der Synony-
mie sind aber Formen darunter gekommen (TU. tetrandra Schk.
und suberosa Ehrh.), welche Koch u. A. unter der Ü. cam-
pestris der Deutschen haben.] _
16. Der Unterschied zwischen Heracleum ‚Sphond: ylıum
und HH. sibirieum UL. ist in einem Aufsatze von Drejer in
Kröyer's Tidsskrift am besten erörtert. Ausser dem ächten 4.
sibiricum haben wir nach Koch in Schweden noch eine damit
verwandte dritte Art [ M. swecicum Fr., H. sibir. Herb. norm.
IV.]. Ich habe unter den Autoren, welche beide, 4. Sphondy-
lium und sibiricum, kennen, nicht einen gefunden, der an ihrer
Verschiedenheit zweifelte: und das unsrige weicht in der Frucht
bedeutend davon ab. S.: Koch’s Synops. ed. 2.
17. Als wir zuerst die beiden bei uns unter Statice Lime-
nium verwechselten Arten aus einander setzten, Be wir
uns nicht zu entscheiden‘, welche von beiden Linne’s Art
Verwahrung geg. angen: Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 257
gewesen, da die Standörter gleich sehr auf beide hindeuten.
Nunmehr ist es ausgemacht, dass die in Linne’s Herb. vorkom-
menie die schonische ist, welche auch alle ausländischen Auto-
ren als St. Limonium angenommen haben: wonach ein Umtau-
schen der Namen schwerlich recht wäre [ St. Limonium Sm.,
K., Fr. = St. scanica Fr. = St. Behen Drej.]. Unsre andre
Art, St. bahusiensis [s.: Fr. Mant. 1.], ist nicht bloss durch
vierfache Grösse, sondern auch durch breite Blätter mit dem
mucro unterhalb der Spitze u. s. w. sehr von Drejer’s St. rari-
flora, welche schmale apiculirte (in den Mucro ausgehende)
Blätter hat, verschieden; dennoch vereinige ich beide unter St.
rariflora: die Hauptform wird die bohuslän’sche, und Drejer’s
St. rariflora: var. danica; [auch St. reticulata Hk. Fl. scot.
gehört n. Fr. zu dieser Art.].
18. Dass all unser schwedisches wildes Allium Schoeno-
prasum zum 4A. sibiricum gehört, suchte ich im Herb. norm.
darzuthun, wie ich auch andeutete, dass es in das wahre, bei
uns nur eultivirte, im westlichen Europa aber wilde A. Schoe-
noprasum nicht übergeht; aber über ihren Art- Unterschied
habe ich nichts geäussert, weil ich keinen andern kannte, als
den biologischen, welchen schon Linne in derÖländischen
Reise p. 53. von den Blättern angiebt. Nach einem neueren
Autor sind bei A.sibirieum die sterilen Zwiebeln einblättrig, bei
A. Schnenoprasum zweiblättig. Wildes A. Schoenoprasum
ist in Schweden wohl nicht zu suchen.
19. Koch’s Gagea pratensis ist nicht identisch mit der
im Herb. norm. ausgegebenen, denn sie hat Scheidenblätter wie
Orn. stenopetalum, daher Koch sie wieder damit vereinigt;
während dagegen die schonische die untern folia floralia so, wie
bei @. lutea, gegenüberstehend hat und darin, wie durch das
Aussehen der G. Zutea, mehr mit Persoon’s Art überein-
stimmt.
20. Unsre verschmähten Beobachtungen über den Ueber-
gang des Juncus nigritellus |Koch Syn. et Al.] in J. supinus
sind nun von Koch bestätigt worden, wie auch, dass es nicht
der wahre J. nigritellus Don ist; dagegen erkennt auch Koch
den J. atratus Kr., welcher der wahre nigritellus ist, für eine
besondre Art. Unsre halländischen Exemplare des letztern hat
Wimmer als ächte anerkannt.
21. Alle deutschen Botaniker, welche die schwedische
Lazula spadicea gesehen, erklären sie für verschieden von der
deutschen, aber für einerlei mit Z. glabrata. Zahlreiche deut-
‚sche Exemplare und Blytt’s Untersuchung dieser Arten in der
258 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
Natur bestätigen diese Bestimmung. Schon Prof. Wahlenberg
erklärte in seiner Fl. suecica die schwedische für verschieden
von der ächten südeuropäischen L. spadicea, aber für identisch
mit dem Juncus intermedius Host, welcher als BE Ssy-
nonym zur L. glabrata gehört.
22. Die Gattung Epilobium bleibt, phytographisch behan-
delt, immer duükekit die Narbe variirt bei den meisten Arten
ganz und gespalten, die Kanten des Stengels werden oft durch
die Pubescenz obliterirt, wodurch unzählige scheinbare Ueber-
gänge und Mittelformen entstehen. Viel klärer werden diese
Arten, wenn man auf die biologischen Verhältnisse sieht, z.-B.
ob die flores virginei aufrecht stehen oder hangen, auf die ver-
schiedne Vermehrungsart u. s. w. Das wahre E. purpureum
(s.: Nov. Mantiss. III. [caule opposite lineato - sulcato, fol. sub-
sessilib. dilatato -lanceol. dentato -serratis acutis, flor. arrectis,
stigm. indiviso. Fr. Fl. halland. p. 65.]) unterscheidet sich von
dem ihm ähnlichen E. roseum sogleich durch jederzeit (auch
jung) steif aufrechte Blumen und durch die zufälligen Kanten
des Stengels, die nicht von den herablaufenden Blattstielen, son-
dern von den Rückennerven der Blätter herrühren. Merkwürdig
ist ferner der Umstand, ob bestimmten Arten Ausläufer durch-
aus fehlen, wie dem E. montanum, E. roseum und E. hyperi-
cifolium, oder ob sie gegen den Herbst nach dem Abblühen
unter der Erde Ausläufer (Wurzeltriebe) treiben, die sich in
'Blattrosetten enden, wie E. tetragonum, E. lineare, E. alpi-
num, oder ob fadenförmige Ranken über der Erde mit sparsam
zerstreuten Blättern: E. viryatum, E. origanifolium, E. pa-
lustre.
23. Epilobium alpinum Suecorum umfasst die beiden Ar-
ten, die zuerst Lamarck unter den Namen E.alpinum und E.
origanifolium unterschied, welche Benennungen nun so fest und
allgemein angenommen sind, dass alle Versuche sie zu ändern
gewiss misslängen, daher auch ich sie annahm (nicht den des
E. alsinifolium, wie Hartman). Dass diese 2 bestimmt ver-
schiedne Arten sind, hat seit 50 Jahren kein ausländischer Al-
pen-Botaniker bezweifelt, und Scandinaviens gebirgsbewandertster
Botaniker, Blytt, ist auch ganz überzeugt davon. Zwar sind,
mit Misslingen, Versuche gemacht worden, sie zu reduciren, z.
B. E. alpinum zu E. lineare, zu E. palustre (Wimmer hat
dies brieflich für irrig erklärt), zu E. tetragonum bei %&. W.
Meyer; aber E. alpinum und E. origanifolium zu vereinigen ist
Niemanden eingefallen, und konnte auch nicht.‘ Die Ursache
ihrer Verwechselung bei uns liegt darin, dass man’ eine Ste var.
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen 2359
Beihisana annimmt, welche, als aus Zwergformen der beiden
Arten zusammengesetzt, aufgelöset werden und verschwinden
muss: gewöhnlich gehört diese zum wirklichen E. alpinum,
aber im upsaler Garten geht auch E. origanifolium in eine sol-
che pygmäische Form über, ohne sich jedoch im Geringsten dem
E. alpinum verum zu nähern. Dies letztere scheint bei uns
wirklich das gemeinste zu sein, nicht E.. origanifolium, wenn
gleich letzteres mehr in die Augen fallt. Dass jenes auch den
Namen E. alpinum behalten muss, bestätigt nicht allein das
einstimmige Zeugniss aller Autoren, sondern auch vollkommen
Linne s Herbarium und Schriften. Zum E. alpinum gehört näm-
lich Linn. Lapp. n. 150., während zum E. origanifolium nach
Adj. Lindblom’s trefiender Bemerkung Linn. Lapp. n. 147.
gehört, das Linne später mit E. montanum vereinigte, welches
jedoch nach Wahlenb. F!. Zapp. nicht in Gebirgen wächst.
(Linn. Lapp. n. 148. ist E. palustre, und n. 149. E. lineare
Mühl., Fr., welches in Fl. swec. mit der im flachen Lande
wachsenden ähnlichen Form des E. palustre verwechselt und
damit vereinigt wurde.) Was endlich E. nutans Schm. betrifit,
so ist es nicht synonym mit E. alpinum, denn dies letztere hat
Schmidt unter diesem seinem Linneischen Namen; sondern
es ist nach Tausch und Reichenbach eine besondre Art,
nach Koch aber eine eigne merkwürdige Unterart, die bei uns
äusserst selten vorkommt. Abgesehen davon, dass Schmidt’s
Name nicht hierher gehört und er viel jünger ist als der allgemein
angenommene Lamarck’sche, so ist der Name E. nutans, als
allen den verwandten Arten zukommend, eben so unpassend,
als, weil er einer Menge verschiedner Formen beigelegt worden,
verwirrend, Epilobium nutans Hornem.!, E. Hornemanni
Rchb.!, ist eine Form des E. origanifolium und darf nicht mit
E. lineare verwechselt werden..... [Vgl. Fr. Mant. 111.183 sqg.]
24. Polygonum Persicaria minus Herb. norm. IV. gehört
bestimmt zum P. Persicaria, nicht zum P. mite. Eine var.
incana vom P. lapathifolium zu unterscheiden ist misslich , da
von diesen 3 Arten jede ihre Forma incana hat und selbst an
einem Exemplare kahle und unten graufilzige Blätter, oft ein
Blatt halb kahl, halb graufilzig, vorkommen.
25. Polygonum tataricum wird ia Schweden weder Aebant,
noch kommt es unter andrem Buchweizen vor, sondern wächst
nur verwildert auf Kartoffeläckern, unter Saaten u. s. w. Be-
kanntlich ist es in Hannover, Westphalen u. a. jetzt das schlimm-
ste Unkraut.
26. Silene maritima ist nach unsrer biologischen Darstel-
260 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
lung jetzt von allen deutschen, englischen! französischen u. a.
Botanikern anerkannt (der erste Kenner der Familie, A.Braun,
welcher sie viele Jahre eultivirt hat, nennt sie eine wahre Zier-
pflanze!); ihre Vereinigung mit $. inflata v. petraea aber würde
gewiss Niemand recht finden. S.: Koch Syn. ed. 2. Ist eine
solehe vorgeschlagen worden, so muss eine Form der $. mari-
tima vorgelegen haben. |S.: Fr. Mant. Ill. 188.]
27. Lepidogonum medium Fr. ist eins mit L. medium
Koch, und L. marginatum K. ist höchst wahrscheinlich unser
L. salinum. Es ist ziemlich subjectiv, wie man die vier sicher
eonstanten Formen, die diese Gattung darbietet, betrachten
will; das einzige Consequente ist, alle zu unterscheiden oder
alle zu vereinigen. Vgl. Novit. Mant. III. 32 sqgg.
28. Arenaria ciliata L. und A. gothica |Fr. A. ciliata os
Hn. Sk. Fl.] hatte ich Gelegenheit, cultivirt mit einander zu
vergleichen: erstere war von Alters her in botanischen Gärten
vorhanden, die andre wurde von mir in mehrere verbreitet.
Ueberall zeigen sich diese als bestimmt verschiedene Arten,
ungefähr wie Cerastium trigynum und C. semidecandrum , wel-
chen einzeln jede derselben dem Wuchse nach analog ist. A.
ciliata bildet fussbreite Rasen mit Tausenden von sterilen Sten-
geln, die niemals im ersten Jahre blühen; A. gothica schiesst
im Frühjahre rasch aus dem Samen vom vorigen Jahre auf,
blüht und verschwindet. Sterile perennirende Stengel sieht man
von dieser eben so wenig, als zugespitzte Kelchblätter an Sa-
gina strieta. Sollten aber auch Exemplare derselben perenniren
oder durch Bildung von Knospen in den Blattwinkeln fortdauern,
so zeigt doch der Bau der fas’rigen Wurzel hinreichend, dass
sie sich nie durch Theilung in eine Menge von Stämmchen
nach oben verzweigen und den rasenartigen Wuchs anneh-
men kann, welcher , ausser den übrigen Merkmalen, die A. ci-
liata so deutlich unterscheidet. Auch ist ihre absolute Verschie-
denheit von allen anerkannt, welche die wahre A. eiliata kennen.
Vgl. Koch’s Synops. ed. 2.!
29. Auch Arenaria norvegica Gunn., dieich früher als Un-
terart betrachtete, ist, nach Untersuchung grosser Massen von
Exemplaren, die ich sowohl von dieser, als auch von 4. ciliata
erhalten, eine sicher verschiedene, nicht mit Aren. eiliata mul-
ticaulis vergleichbare Art. S. alle englische Floristen und spe-
ciell Engl. Bot. Suppl.*).
*) Seitdem die Monographen der Cerastien und der _Alsinaceen über-
haupt, Grenier und Fenzl, Curtis?’s erste klare Feststellung
Verwahrung yey. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. %1
30. Dass Rosa inodora, wie schon der erste Anblick des
lebenden Strauches lehrt, nicht mit #2. rubiginosa, sondern nur mit
R. canina zu vergleichen ist, kann nun wohl für völlig ausgemacht
selten. Inwieweit dieselbe und R. dumetorum und R. collina
als Unterarten der R. canina oder als eigne Arten zu betrach-
ten seien, hängt ganz und gar von der verschiednen Auflassung
des Species -Begrifles ab. Dass sie keine scharfen Charactere
darbieten, ist eben so gewiss, wie, dass sie in der Natur be-
stimmt getrennt sind und, wenn auch zu Hunderten gemengt bei
‚einander, nie zusammenfliessen. Darum führte ich sie in den
Novwit. Fl. suec. als Varietäten auf und verwahrte ich mich, als
ich in Nov. Mant. Ill. sie getrennt hinstellte, ausdrücklich
gegen ein Missverstehen, als widerriefe ich die frühere Be-
stimmung. Einzusehen, wie die Arten in der Natur sich wirk-
lich verhalten, ist etwas viel Wichtigeres, als alle Form der
Darstellung. Dass Rosa collina mit einfach-, doppelt- und
dreifach - gesägten Blättern variirt, sahen wir oft, und Koch
führt solche Formen ausdrücklich auf. Dass Jaequin sie mit
einfach gesägten abbildet, ist blosser Zufall.
31. Nachdem Koch nunmehr unsre Angabe bestätigt, dass
Rosu tomentosa Suecor. oder R. villosa L. [? R. eiliatipetala
Bess., Koch, s. mollissima Fr. (non W.)?] nicht seine tomen-
tosa ist, dürfte die Sache wohl erledigt sein. Rosa tomentosa
Koch et Fr. Nov. Mant. Ill. 197. ist nicht damit zu vergleichen,
aber die in Herb. norm. VI. gegebene R. collina könnte, wie
ich dort auch sage, vielleicht zu dieser (A. tom.) gehören.
32. Potentilla sordida a. Fr. ist P. collina | Wib.] Koch!
Syn. ed. 1., P. sordida b. Nov. Mant. ist P. Güntheri Koch
Syn. ed. 1. Die erstere ist [in Schweden] die Hauptform die-
ser Species, denn wenigstens 100 Exemplare derselben kommen
[in Schweden | gegen 1 P. Güntheri vor, die auf angebautem
Boden wächst. Jene Hauptform ist einfach, hat keine centrale
Blätterrosette; die Stengel sind aufsteigend oder aufrecht, der
Rand der Blätter umgerollt u. s. w.*). S.: Herb. norm. VII.
des Cerastium vulgatum angenommen haben, ist kaum zu zwei-
feln, dass auch Alle, die nicht schon andere augenommen, sie bei-
behalten. Dass C. strigosum nicht Persoon’s C. brachypetalum
(= C. viscosum eglandul.) ist, giebt auch Koch zu, obgleich er
ob usum den letzteren Namen beibehält.
‘ #*) [ÜUebrigens wären für Pot. Güntheri Pohl, Spr., wenn sie nicht
zu P. collina Wib., worunter sie Koch in Syn. ed. 2. zieht, ge-
hörte und damit eins wäre, die Namen P. Hiemanniana Günth,
(nach Dr. Wiemann in Breslau, nicht Wimann) in Centur. pl.
18
262 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
und Nov. Mant. Il. Auch P. argentea bekommt an feuchten
angebauten Stellen äusserst verzweigte niederliegende Stengel
um einen centralen Blattrasen, auch flache Blätter u. s. w.
Pot. collina Lehm.! ist Koch nicht näher bekannt. |
33. Zu den ausgezeichnetsten und sichersten in den letzten
Jahren in Schweden und gleichzeitig von Koch unterschiedenen
Arten rechne ich Thalietrum minus L., Th. Kochit [Fr. Mant.
III. Th. Jacgwinianum K. in Fl. od. bot. Z. 1841, Syn. ed. 2.,
collin. K. Syn. ed. 1.] und T’h. flexuosum [Rehh. (non Berph.),
Fr. Mant. IIl., wo Fr. das T'h. majus Koch Bot. Z. 1841 (Syn.
ed. 2.) damit meint, und es nebst Var. darunter hat, während
Koch bei diesem majus das flexuosum Rehb. eher ausschliesst]:
ein einziges Carpidium ist hinreichend , sie zu unterscheiden,
und Wuchs (aphyllopodischer und phyllopodischer Stengel),
Blühzeit u. a. bestätigt die Verschiedenheit. Aber mit unvoll-
ständigen Exemplaren in Herbarien hat man Noth sich zu hel-
fen, wenn man sie nicht vorher kennt. Alle 3 finden sich seit
langer Zeit zu Upsala cultivirt. Weiss man nur einmal, wo die
Stipellen zu suchen sind, so findet mar sie nachher sehr leicht:
34. Alle in Schweden wirklich wilde Mentha silwestris ge-
hört zur M. nemorosa W.; M. silvestris W. kommt an einigen
Stellen verwildert vor. — Dass alle Menthen zottig und völlig
kahl variiren, ist nun bekannt; M. silvestris und viridis können
nicht danach unterschieden werden. Obgleich etwas grauzottig,
muss doch n. 9. b. des Herb. norm. VII. zu 7. viridis kommen,
sofern diese als Art von M. silvestris getrennt gehalten werden
soll. Ausser dem, bei älteren Exemplaren verschwindenden,
Ueberzuge hat sie alle übrigen Merkmale mit M. viridis gemein.
35. Die Mentha Herb. n. IV.nr.17., welche Dr. Hartman
zur M. sativa zieht, ıst ebendieselbe Pflanze von Slaka, die
auch unter M. gentilis angeführt steht. Eher glaube ich, ist
sie als eine grossblüthige Varietät der letztern anzusehen. —
—
Sil. V. und P. Güntheri Pohl (1810) et Spreng. (Pug. !. 1813)
die ältesten; und da der Name der ganzen Art gilt, so umfasst
er alle Formen derselben, auch die schwedischen, die übrigens
kaum mannichfacher sein können, als in Schlesien die der ur-
sprünglichen Art. Pot. sordida Fr. kommt zuerst in Fries Nov.
Fl. sv. Part. VI. (1823) und in Aspegren’s Blek. Fl. (1823) vor,
dann als Var. unter P. argentea in Fr. Nov.Fl. sv.cd.2. (1828),
zuletzt als Art in Fr. Mant. IM. (1842). In Schlesien hat sie,
mit P. argentea vergiichen, lebend und von oben gesehen, kein
sordides Ansehen, sondern ein lebendigeres, zwar zarteres, aber
dadurch schöneres, als jene. Anm. d. Uebers.]
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 263
Von Mentha arvensis nehme ich vier Varietäten an: 1. M: agre-
stis Sole, Hartm.; 2. silvatica gracilis, foliis lanceolatis glabriu-
sculis; 3. riparia Herb. norm.; 4. M. lapponica. Die 3 letztern
haben die Blumenstiele ganz kahl. Es kommt mir wenig pas-
send vor, Namen von Varietäten so oft umzutauschen und nicht
die vom ersten Bestimmer beizubehalten.
386. Die Exemplare, die ich von Ajuga pyramidalis gla-
brata erhielt, sind nur eine zufällige Form dieser Art, welche
oft kurze Seitentriebe hat; und sie haben nichts Gemeinsames
mit A. alpina Nov. Mant. 11I., die dem Standorte nach bei
Hartman darunter gefasst scheint. Diese letztere kann nur
mit A. replans verglichen werden, von welcher sie sich fast
nur durch noch mehr rankigen (sarmentösen) Wuchs und klei-
nere Blumen unterscheidet.
37. Das rechte Lamium incisum, welches eine unbezweifelte
Art ist, unterscheidet sich vom L. purpureum incisum durch
gerade, inwendig kahle Blumenröhre und nur einen Zahn am
Schlunde; Z. purpureum hat gekrümmte Röhre, mit Haarkranz,
zwei Zähne u. s. w.
38. Die um Upsala und wohl überhaupt in Schweden ge-
wöhnlichste Galeopsis ist G. bifida, welche Bentham (gewiss
mit Recht) für die eigentliche @. Tetrahit L. hält. — Die @.
Tetrahit neuerer [schwed.?] Schriftsteller scheint mir der @.
versieolor viel näher und nur durch die Farbe der Blumen (näml.
var. pallens von G.bifida) verschieden zu sein, denn die Grösse
ist äusserst veränderlich. Die wenig steifhaarige, mit rosenro-
then Blumen, die in Felsklüften, z. B. am Bösseberge bei Femsjö
wächst, ist G. pubescens. Entweder müssen hier drei Arten,
oder eine, angenommen werden.
39.. Von allen neuern Botanikern ist angenommen, dass
man nie von einblättrigem Kelche oder solcher Blumenkrone
spricht, wenn diese hetero-sepalisch oder -petalisch sind. Aus
diesem Grunde beschreiben auch alle Orobanchographen die
Arten von Osproleon mit zwei sepalis, obgleich diese an einer
Seite mehr oder weniger verwachsen. Hierdurch fällt Hartman's
Bemerkung gegen meine Beschreibung der Orobanche major
ganz weg. Koch beschreibt diese Art (O. stigmatodes Wimm.)
ganz so wie ich. S. Koch Taschenb. d. D. Fl.
40. Cochlearia anglica 8. Hartm. ist ‘C. fenestralis RBr.
et DC., die auch ich zur ©. anglica bringe. Hb. .n. X. Von
dieser ist C. arctica Schldl., DC., Fr. sicherlich verschieden :.
sie ist zunächst mit C. officinalis verwandt.
41. Ueber die Camelinae vergl. Nov. Mant. II. [p. 66 —
264 Verwahrung geg. angen. Ansichten. üb. schwed., Pflanzen.
73]: daselbst ist Herb. n. V1I. 21. vielmehr zu C. sativa. zu
bringen. — C. sativa y. Hartm. scheint zur C.. foetida [Fr.,
Myagr. foet. Bauh., M. sat. y. L. Sp.] zu gehören;..d, australis
Hn. Sk. Fl. ed. 4. kann nicht mit C. sativa Hu. vereinigt wer-
den. Dieser letztere Name, als ein collectiver , ‚sollte ,. wie.es
am zweckmässigsten wäre, verschwinden und nach Koch’s
Ansicht die C. sativa Mant. IH. 72. den Namen C. dentata
[Hornem., My. dent. W.] behalten.
42. Unter Barbaraea vulgaris y. acidula Htn. muss es
heissen: Sie ist das ursprüngliche Erysimum s. Barbaraea
praecox Sm., dieser Name aber ist später auf eine in Süd-Eu-
ropa vorkommende Art mit Blumen der D. stricta, aber abste-
henden Schoten und eingeschnittnen Blättern wie bei 2. areuata
übergetragen worden. Dass diese B. praecox oder B. arcuata
Recent. jetzt allgemein für eine besondre Art angesehen wird,
ist bekannt. Vgl. Nov, Mant. Il
45. Ueber die unter Arabis hirsuta vereinigten Formen s.
Bot. Not. 1843, Nr. 8. [Daselbst stehen p. 115. unter A. hir-
suta: a. A. sagittata DC., Koch!, wovon eine Form glaberrima
in Herb. norm. X., von Öland; b. A. hirsuta L., Koch! davon
f. glaberrima von Öland in Hb. n. IV.; c. A. glastifolia Rchb.,.
Hb. n. X. — Arabis ciliata RBr., K.! verhält sich zu obiger
Art (der A. hirs. Fr.) wie die (Unterart) A. hirsuta zur sagittata
durch kleinern Wuchs, doppelt kleinere Schoten, und aurieulis
ad basin nullis; zur behaarten Var. gehört nach Fr. die A.cur-
lisiliqua DC.! Syst., welcher Name, sagt Fr., für die ganze Art
besser passt, als „ciliata.“ — A. Gerardi Bess,, K., fehlt der
schwed. Flora noch.]
44. In frühern Auflagen seines Handbuchs der Skand. Fl.
hat Dr. Hartman gesagt, das Sisymbrium arenosum L. Fl.
suec. wäre nicht Arabis arenosa, sondern eine Var. der Arabis
Thaliana. Bei unsrer Darstellung entgegengesetzter Ansicht in
Nov. Mant. III. ist angenommen, dass A. T’haliana $. (8- urbi-
cola schwed. Herbarien) mit Arabis arenosa identisch: sei [wo-
bei aber ausserdem unter A, T’haliana var, lyrata (nicht A. y-
rata L.) noch die A. Thal. 8. urbicola der ersten Aufl. v. Hartm.
Sk. Fl. nebst #. hispidior Wbg. Suec. als grösserntheils dazu
gehörig genannt wird]. Indess bleiben mir doch beide sehr deut-
lich verschieden, ich habe aber nichts dagegen, wenn die strei-
tige A. Thaliana 8. als eigne Art aufgeführt wird.
45. Obgleich De Candolle nach der Steifhaarigkeit oder
Kahlheit der Schoten die Formen der Sinapis arvensis in
zwei Arten theilt, halte ich doch Poiret’s und Reichen-
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 265
bach’s Eintheilung derselben in 2 Varietäten oder Unterarten
nach der Blattform und der Länge der Schoten für natürlicher.
Bei beiden Unterarten kommen sowohl kahle als steifhaarige
Schoten vor: die Form mit letzteren ist die typische Form der
Species, aber die Uebergänge ergeben sich so zufällig, dass
sie nicht gesondert werden können,
46. Unsre rothblüthige Fumaria capreolata stimmt mit
englischen Exemplaren unter diesem Namen, welche De Gan-
dolle für seine F, media erklärt hat, und zugleich mit Son-
der’schen der F. Petteri Koch überein, |
47. Ungeachtet wiederholter fremder Versicherungen, dass
Pflanzen ohne Gränze zusammenfliessen, sieht man doch oft
solehe: bald nachher als Arten anerkannt: und dieses passt ohne
Zweifel auch auf Corydalis laxa |Fr. Mant. Ill. 86., als Unter-
oder Nebenart bei ©. solida s. digitata, Herb. norm. VI.
25.] und C. pumila Host. Hier muss man zuerst bestimmen,
was man unter ©, pumila oder Lobelii (Tausch) verstehe, denn
die Synonymie ist noch schwankend; wenn die Gränzen (wie
z. B. des Ranunculus reptans) nicht richtig aufgefasst sind, so
führt auch die richtige Beobachtung zu unrichtigem Resultate.
Wiewohl ich auf einmal mehrere Hunderte lebender Exem-
plare der ‚©, laxa und C. pumila vor Augen hatte, waren diese
doch so bestimmt unterschieden, dass es mir nicht einkam, an
ihrer Verschiedenheit zu zweifeln, wohl ‘aber an der der ©. Zara
von C. fabacea; auch C. pumila scheint bei Nontuna ohne Ab-
gränzung in C. fabacea überzugehen, aber €. lara und C. pu-
mila unter sich berühren einander nicht. C. pumila hält sich
immer niedrig, aber üppiger wird sie stärker und fester, mit
aufrechter Blüthentraube, kurzen herabgebognen Stielchen. C.
lawca dagegen wird, je grösser und üppiger, desto schlanker und
schlafier, hat stets hangende Traube, so dass die Fruchtstiele
nicht eigentlich zurückgebogen werden, ob sie gleich schlaf
und hangend sind; die Traube oft nur 2—3-blüthig mit ganzen
Deckblättern, und dann schwer von ©. fabacea zu unterschei-
den. ©. pumila zeichnet sich vor allen verwandten durch eigne
Blässe der Seiten-Kronblättehen aus, durch welche sie getrock-
net mehr oder minder gelbscheckig wird: vor der C. laxa au-
sserdem durch ganz andere Physiognomie: denn während die
Seitenkronblätter bei ©. pumila an der Spitze ganz
sind mit vor dem Ende verschwindendem Kiel, sind
dieselben bei C. /axa, wie bei C. fabacea, an der Spitze aus-
gerandet, mit auslaufendem Kiele; andrer Unterschiede
zu geschweigen. Es scheint wohl möglich, dass man die C.
’
266 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
pumila in der ©. laxa gesucht hat (denn nach’ Koch’s Be-
schreibung komme ich erst auf diesen Gedanken), und dann er-
klärt es sich leicht, wie man sie zusammenfliessen zu sehen
geglaubt hat. Der Name ©. pumila, welcher der li ist,
passt ungemein gut auf die unsrige ...
48. = upsaler Garten gesammelte Exemplare ‘beweisen,
dass alles, was Linne in demselben als Ononis arvensis und ©.
spinosa vor Augen gehabt hat (und noch jetzt sind beide darin),
dornige und dornlose Formen der O. repens Recent. gewesen
sind. Unstreitig hat er diese bei Aufstellung seiner O. arvensis
S. N. XII. vor sich gehabt, und danach hat Smith diese Art
trefflich dargestellt. Ich glaube hier am richtigsten zu gehen,
wenn ich Linne und Smith folge, denn die Namen spinosa
und repens sind zu sehr. verwirrend. Sie wächst oft ganz ge-
rade, aufsteigend, bei uns seltner kriechend. : O. arvensis Retz.
bekommt dann ihren allgemein angenommenen Namen O. hircina
wieder. Dass die O. spinosa der Neueren Linne bekannt ge-
wesen sei, ist mir nicht glaublich; ich habe sie in Schonen (auf
Flugsand) äusserst sparsam eingesammelt: für diese wünschte
ich Koch’s Benennung O. campestris angenommen zu sehen.
49. Tragopogon pratensis v. minor Fr. Nov. Fl. suec. ed.
1. nahm ich in Nov. ed. 2. nur deshalb unter besonderer Num-
mer, weil Wahlenberg dargethan, dass Miller sie unter
dem Namen Tr. minor unterschieden; und als Dr. Hartman
für die 2. Auflage seiner Flora Notiz darüber wünschte, erklärte
ich ihm bestimmt, dass ich sie doch noch für Varietät ansähe
und sie so aufgeführt wünschte. Dr. H. selbst hatte die Pflanze
nicht gesehen. |
50. Ueber die Zieracien sind die Ansichten im Ganzen
noch wenig festgestellt; indess ist bei der herrlichen Eintheilung -
derselben in mehrere bestimmte Untergattungen in 'Koch’s
„Taschenbuch“ über die Hier. Pulmonaria ein neues Licht auf-
gegangen, durch welches wir erkennen, dass viele bisher ver-
einigte Formen nicht einmal mit einander zu vergleichen sind,
indem sie nur analoge Ausbildungsformen in verschiednen Rei-
hen vorstellen. So gehören Hieracium glanduliferum (welches
im Verhältnisse zu HZ. alpinum eher A. eglandulosum heissen
sollte) und andre unter H. alpinum vereinigte zu ganz andern
Untergattungen; wie 4. Pilosella, mit welchem man 4. alpi-
num lange verglichen hat, so verhält sich 4. alpinum zu H.
prenanthoides; durch H. nigrescens, cydonüfolium, dentieula-
tum und prenanthoides ist diese Reihe völlig eben so zusam-
menhangend, wie die der Püosellae, dabei von allen andern
v
Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 267
‚durch die an der Spitze mit Gliederhaaren besetzten Zigulae voll-
kommen geschieden; während 7. ylanduliferum sich auf die-
selbe Weise an die glauken Pulmonaria und ein anderes an
die Gruppe des A. vulgatum anschliesst. Nach diesen Gründen
werden die Arten zugleich reformirt und vermehrt werden. So
gehört 4. boreale v. latifolium Hb. norm. 1. als eine vielblät-
trige Form (denn ein-, zwei- und vielblättrig variiren alle Pul-
monaria) vielmehr zu H. diaphanum. Von jedem H. vulgatum
ist es sicher durch seine ausgesperrte Rispe, schwarzgrüne
(nicht grauzottige) Hüäll- oder Kelchschuppen u. a. verschieden.
Die übrigen in Nov. Mant. II. unter 4. diaphanum. vereinigten
Varietäten machen nach Koch fast eben so viele Arten aus:
darüber nächstens.
Mehr bekannt sind die Pilosellae.. Will man H. auricu-
liforme oder Auriculo-Pilosella Nov. Fl. suee., so wie HM.
echioides (H. cymosum Hn. Skand. Fl. ed. 4.) und H. Nestleri
(H. cymosum Fröl., Fr.) unterscheiden, so haben wir wenig da-
gegen, müssen aber gestehen, dass wir für das erstere keine
bestimmten Charactere, für das letztere aber keine Gränzen in
der Natur haben finden können.
5l. Wie Prof. Wimmer mich versichert hat, stimmt
der im östlichen Schonen sehr seltene Senecio barbaraeifolius
mit dem schlesischen vollkommen überein. Die Aussage, dass
Koch ihn nicht vom S$. aguaticus Huds. unterscheide, beruht
auf einigem Missverstande: schon jin der 1. Aufl. seiner Syno-
psis hat er ihn unter dem Namen $.erraticus Bertol., den auch
ich citirt habe, als, vom aguaticus geschieden; das Anführen des
$. barbaraeifolius unter S. aquaticus ‘wurde leicht als Schrift-
fehler erkannt, der nun auch in der 2. Aufl. berichtigt ist.
52. Die von uns [Mant. IH. 115 sq. ] wiederhergestellte
Matricaria maritima L., ist von allen ausländischen Autoren
als eine ausgezeichnete Art anerkannt worden (‚von Chrys. ino-
dorum ß..salinum ist Matr. maritima L., Fries Herb. norm. 7.
verschieden:“ Koch), aber noch bemerkenswerther ist, dass
sie, unabhängig von unsern Beobachtungen, gleichzeitig in Eng-
land von Babington, in Frankreich von Gay, restituirt wor-
den ist. Da Letzterer der anerkannt erste Kenner dieser Pflanze
ist, so dürfte ein Auszug aus seinem Briefe dat. Paris % von
Interesse sein: ‚„Votre Chrysanth. maritimum est parfaitement
identigue avec le vrai Pyrethrum maritimum. Les Anglois Font
bien distingue dans lorigine, mais ils ont eu tort ensuite d’en
. faire une variete de cette derniere espece. Tous deux se trou-
vent en France, le maritimum partout sur la cöte de Focdan
268 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
jusquw'a la frontiere d’Espagne; le völre est la premiere forme
Raji.“ In Frankreich sind die ligulae gewöhnlich eingeschnit-
ten, ohne dass dieses im geringsten auf den Artunterschied
einwirkt! |
53. Matricaria suaveolens L. verdient zwar als eine be-
stimmte Abart aufgeführt zu werden, denn ausser ihrem eignen
Aussehen weicht sie durch gänzlichen Mangel der abfallenden
Samenkrone, die sich bei M. Chamomilla an den Randblümchen
und bei M. coronata auf allen Früchten findet, ab ; selbst Gay
hält sie aber nur für Var. der M. Chamomilla und die uns mit-
getheilten Exemplare sind, ausser jenem Merkmale, nicht davon
zu trennen.
54. Unsre Orchis latifolia L. (Koch), z. B. von Segeholm
in Schonen, stimmt aufs genauste mit französischen und mit
Exemplaren von Koch überein. Die in Herb. norm. VI. mitge-
theilte var. elatior weicht zwar bedeutend davon ab, kann aber
schwerlich zu einer andern kommen. Der scharfsichtige P. C.
Afzelius, welcher diese Arten lebend genau verglich, erklärte
sie für von aller O. incarnata (worunter O. latif. Rchb., angu-
stif. Wimm. non Lois. et Rchb.) bestimmt verschieden, war aber
über ihren Unterschied von ©. maculata unsicher; mit dieser
gehört sie indess, da ihr (der Zatif.) Stengel röhrig, nicht zu-
sammen. Mit gedehnterem Wuchse stehen die schmälern Blät-
ter in Zusammenhang, wie O. incarnata sowohl, breit - als
schmalblättrig vorkommt.
55. In unsrer Orchis cordigera |Fr. Mant. 111. 130.]. ver-
muthen wir nicht bloss Rochel’s ©. cruenta, sondern wir be-
schrieben sie eben nach Rochel’schen Exemplaren, welche
Heuffel und Koch uns mitgetheilt. Sie ist die Hauptform,
welcher zwei gottländische Exemplare sich nähern, wie in Mant.
Ill. ausdrücklich gesagt ist.
56. Unter dem Namen der unsichern Epipactis atrorubens
Hoffin., worunter Hoffmann selbst die seimnige nur als Farbenab-
änderung der E. latifolia auflührt, werden mehrere in Farbe
verschiedene Formen vereinigt. Die vom Stygfoss in Darlekar-
lien ist gewiss E. lat. 8. rubiginosa Koch; E. purpurata Sm.
u. a. gehören auch zu dieser Gruppe. Da die Farbe der Blumen
sowohl bei E. latifolia als auch bei E. media [Fr. Mant. II.,
Bot. Not. 1840, p. 15., E. atrorub. H. et Auctt. et viridiflora
etc.] in hohem Grade veränderlich ist, so halten wir es für das
geeignetste, die Formen der letzteren unter dem letztern gemein-
samen Namen (media) zu vereinigen, da keiner der älteren der
Verwahrung ge geg: angen. Ansichten üb. schwedh Pflanzen. 269
Art in ihrem: ganzen Umfange zukommt oder darauf a son-
dern diese nur einzelnen Abänderungen gelten.
57. In einem der herrlichen Thäler Norwegens entdeckte
des unermüdlichen Prof. Blytt scharfes Auge drei Mittelformen
zwischen Carex loliacea, tenuiflora und canescens, welche
ich, da sie auf gleicher Localität wachsen und jede einzeln
einer der genannten entspricht, der Analogie wegen nach Blytt’s
Andeutung provisorisch unter einem Collectivnamen, und zwar
als Carices Blyttii zusammengefasst habe, dabei völlig über-
zeugt, dass dieselben nach weitern Untersuchun-
gen als Arten oder Unterarten jede für sich ihrem
Seitengliede unter den genannten neben- oder unter-
seordnet zu stehen kommen werden. Deshalb wurde
keine speciell Carex Bilyttii genannt, sondern eine jede als
Unterart hingestellt! Die mit C. loliacea zunächst verwandte
wird in Herb. norm. X. ausgegeben, die an €. tenuiflora sich
anschliessende wurde als Unterart macilenta gegeben (dass
diese nicht identisch mit C. tenuiflora ist, zeigen ausser andern
Merkmalen. ihre. an der Spitze tief zweispaltigen Früchte, die
bei Ü. tenuiflora ganz sind), und die mit C. canescens am
nächsten verwandte unter dem Namen C. vitilis [Fr. Mant. Hl.
137. = C. Gebhardi. Hartm. Sk. Fl., non Hopp., nee Schk.;
ebds. soll, statt C. sulina Bong., nach Fr.s späterer Berieltt
sung C. glareosa Bong. als synon. stehen]: denn dass diese €.
vitilis keine ©. Gebhardi ist, wofür man sie früher bei uns ge-
nommen, war klar. [Vgl. Fr. in Bot. Not. 1845, 149 fi., regensb.
bot. Zeit. 1843, 739.] Nachher hat O. F. Lang gezeigt, dass
unter C. canescens brunnescens eine besondere Art C. Persoonü
Sieb. vorkommt. Dass diese mit C. vitilis identisch sein könne,
will ich zwar nicht geradezu bestreiten, doch scheint es mir
zweifelhaft: 1. weil alle Exemplare, die ich- von auswärts her
als C. canesc. brunnescens erhielt, ausser der Farbe und tiefer
gespaltnem Schnabel, der C. canescens gleich und von unsrer
©. vitilis bestimmt verschieden sind; 2. weil der-Haupteharacter
der C. Persoonü, ein seiner ganzen Länge nach gespaltner
Schnabel, nicht auf ©. vitilis passt; 3. weil Died Lang, noch
Koch, welcher das Hb. norm. kennt und. es anderwärts_ citirt,
unsre C. vitilis zur C. Persooniti citiren. — Ueber Carices wäre
noch viel zu sagen, wenn hier Raum wäre; hier nur das eine,
dass Lästadius unter ©. acuta ripensis verschiedene Formen
mitgetheilt haben muss, denn was wir von ihm erhieiten, ist
nicht ©. hyperborea Drej., sondern hat schärfere Halme als ir-
send eine der verwandten (Hartman hat sie unter ©. aquatilis);
18 *
270 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen.
Beschreibung und Fundort in Nov. Act. Ups. deuten an, dass
die uns mitgetheilte die richtige ist. — Dass unsre C. bullate
nicht ganz mit Schkuhr’s übereinstimmt, ist sehr richtig:
darum haben wir sie auch als besondre Unterart C. laevirostris
aufgeführt; durch Prof. Wahlberg und Kunze sind wir aber
nun vergewissert, dass sie völlig verschieden ist und eine aus-
gezeichnete neue Art bildet | ©. laevirostris Fr., Kz.: Wahk
berg entdeckte sie in Lulei-Lappmark ; Nylander und Angström
fanden sie im russ. Lappland, z. DB. zw. Peljervi u. Tiudje, und
Nylander nennt sie C. robusta und rechnet C. ampullace«
v. robustior Weinm. Fl. petrop. dazu, nach Dot. Not. 1844, S.
50, 53; 1842, 153.]. 2
58. Wie bei uns Detula alba die seltnere ist und in Ge-
birgen und den nördlichsten Theilen Scandinaviens ganz fehlt
nach dem Zeugnisse von wohl 100 durch Blytt, Lindhlom,
Lästadius mir mitgetheilten Formen, die alle zur D. ylulinos«
[nordischen Form der DB. pubescens]| gehören, so ist dies nach
Babington auch in England, nach Nylander in Finnland,
und so gewiss in allen nördlichen Ländern der Fall. Es ist
auch nur diese ylutinosa, die Linne als B. alba beschrieben
hat: wobei es übrigens jetzt nieht mehr recht wäre, die nun
einmal angenommenen Benennungen zu ändern, wenn wir gleich
«len unglücklichen Namen B.pubescens nicht annehmen können.
Dass es, nach Meyer in Chlor. hanov., eine dieser analoge
Form der #. alba gäbe, sehien mir zweifelhaft, bis ich letzten
Sommer diese selbst zu sehen bekam. — Inwieweit B. pubescens
Ehrh., Wallroth nach den Zeugnissen dieser Autoren Abart der
B. glutinosa ist, bleibt noch sehr ungewiss. Sie variirt zwar
auch kahl, wächst aber immer in Strauchform und hat die
Kätzchenschuppen eher wie B. alba. Diese pubese. ist es, die
hier auf dem Örlösa- Walde bei Upsala wächst (in Süd-Schwe-
den sah ich keine solche); sie soll genauer untersucht werden.
59. Ueber Salices verweisen wir auf unsre Abhandlung in
Bot. Not. 1840, Nr. 9, 11 f. und bemerken hier nur Folgendes
summatim: Salix cuspidata Schultz, Koch, ist eigne Art,
am nächsten mit $. fragilis verwandt, ganz verschieden von 8.
pentandra cuspidata Suecor. — S. Russeliana Sm., die auch in
Schweden vorkommt, ist eine üppige Form der $. fragilis var.
decipiens, deren Drüsen auf den Blattstielen zu Stipellen aus-
wachsen (s.: Engl. Bot.!), und mit unten grünen Blättern. —
S. viridis ist nach Babington’s Bestimmung $. deeipiens
Sm., nee. Hoffim. — Alle unsre in Herb. norm. I. beschriebene
und in Hb. norm. IX. App. ausgegebene $. hippophaifolia hat
Verwahrung geg. ungen.- Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 271
Koch für die ächte erkannt. — Die ächte $S. punctata! muss
zu den C'hamelices versetzt werden, neben 8. Myrsinites, mit
welcher allein sie verwandt ist trotz einiger äussrer Merkmale
der 8. nigricans, denn die Kätzchen sitzen an der Spitze be-
hlätterter, knospentragender, wirklicher Zweige! — Ich sehe
len Grund nicht ein, warum man die Namen $. glauca pullala
|B. Not. 1840, 204.] und S. caprea sphacelata, die so treflend
sind, mit andern vertauscht hat. — SS. finmarkica, wovon ich
bei Herausgabe der Mant. I. nicht wusste, dass sie in Finmar-
ken gefunden worden, ist wirklich dort zuerst entdeckt worden
durch Vahl (s.: Bot. Not. 1844, 200.) und dies ist die ächte ur-
sprüngliche; die S. finm. des berliner Gartens ist falsch, ist
nur eine Form der $. repens, nicht der $. ambigua, wie auch
der edle Koch jetzt anerkennt. — S. canescens Willd. Herb.
gehört, auch nach Kocch, nicht allein zur S. Seringeana, son-
dern zu mehreren; aber die des berliner Gartens gehört zu un-
srer canescens oder zu einer ihr analogen Form der 8. limosa;
da, wie ich schon in Nov. Mant. I. bemerkte, $S. canescens
Willd. ein unbestimmter Name war, so glaubte ich mich völlig
berechtigt, ihn auf eine bestimmte Art zu übertragen, und dies
mit mehr Recht, als es mit Rubus horridus [Hn. Sk. Fl. ed.-2.,
infestus Hn. ed. 3. nec Al.] u. a. geschehen. — Glücklicherweise
hat sich mir nun eine sichre Quelle eröffnet, dass ich S. pli-
cata a. Bot. Not. 1. c. in vollständigem Exemplare im Herb.norm.
liefern kann (seit langer Zeit konnte ich nicht im Frühjahre die Orte_
besuchen, wo sie in Menge, nicht sporadisch wie S. ambigua,
wächst), wodurch sowohl ihre Identität mit 8. incubacea Linn.
Fl. suec. (nicht der Sp. pl., welche S. angustifolia ist), als auch
ihre Verschiedenheit von S. ambigua einem Jeden klar werden
muss; aber gewiss wird man dann eine luxuriirende $. repens
daraus machen. — Alles was ich von S. silesiaca von Koch mit-
getheilt gesehen habe, sind cultivirte Exemplare; aber wirklich
wilde schlesische habe ich von Wimmer.
60. Equisetum prostratum Hoppe, welches an sehr trock-
nen Stellen wächst, hat nichts mit E. riparium gemein; es ist
bekanntlich synonym mit E. palustre v. arenarium Fr. (E. pra-
tense Rchb., Schldi. Fl. berol.). Dieses hat die jüngern frucht-
tragenden Stengel nackt wie E. pratense, daher es in Deutsch-
land allgemein für Ehrhart’s E. pratense genommen wurde, bis
aus Ehrhart’s Herbar dargethan ward, dass dieses mit E. um-
brosum W. eins ist. Dieses hat, wie so vieles andre, den Ge-
genstand schiefer historischer Darstellung abgegeben; ich habe
es nicht als E. pratense bestimmt, nur referirt, dass E. prat.
22V erwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed.. Pflanzen.
der Deutschen bei uns vorkommt, es aber ‚früher und später
als Var. des E. palustre bestimmt. — Zuletzt muss ich erklä-
ren, dass ich bei E. riparium unter caulis vascularis einen
Stengel verstehe, der Spiraigefässe hat, unter ec. evascularis ei-
nen, dem solche fehlen. Vgl. Reichenb. Fl. exeurs. p. 154.
Upsala, 1. December 1843. rel
EX.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna,
gesammelt in dem nördlichsten Skandinavien vom 24. Jan. 1841
bis zum 26. Juli 1842 |
von
A. W. Malm*).
(Aus dem Schwedischen übersetzt von Hornschuch.)
Einleitung.
Ehe ich direet zu dem Gegenstand übergehe erscheint es
mir nothwendig im Allgemeinen die Naturbeschaffenheit, sowohl
von Enares, als Utsjokis**) Lappmark, so kurz und fasslich,
als möglich, zu schildern.
EEE EEEEEEESEEEEEESSEEEEESESESEEEE SEES EEE EEE EEGEEEEEBESEEE
*) Der Titel dieser Abhandlung im Original ist: „‚Ornithologiska
bidrag till Skandinavisk fauna, samlade i det Nordligaste Skan-
dinavien frän den 24. Jan. 1841 till den 26. Jul, 1842 afA.W. .
Malm,“ und sie findet sich in ,„Naturhistorisk Tidsskrift.
Tdgivet af Henrik Kröyer. Ny Raeckke. 1ste Bindet. 2. u. 3.
Häfte. Kjöbenhavn. 1844“ auf pag. 180 u. f. abgedruckt, |
Anm. d. Uehb,..
*#) Enare (auf Schwedisch) wird von den Lappländern Anare, von den
Norwegern Indiager und von den Finnen Inara genannt. Das letz-
tere kommt wahrscheinlich von dem finnischen Wort Ina, welches
mit dem dänischen Not (eine Art Fischereigeräth) gleich ist.
Utsjoki bezeichnet einen kleinen Fluss,
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 273
In Enare Lappmark finden sich eigentlich keine hohen Al-
pengebirge und in Folge davon ist beinahe jeder Gipfel mit star-
kem, ja auf manchen Stellen sehr schönem Kieferwald, unbedeu-
tendem Birkenwald, und nur bei Iwalajoki, welches im Süden
in-den Enare Sumpf abfällt, mit Fichtenwald bewachsen.
Mancher hat sich wohl Enares Sumpf und dessen Umge-
bungen, als ein grünendes Thal, einen Aufenthalt für Millionen
See- und Strandvögel vorgestellt; aber niemals sah wohl eines
Reisenden Auge einen waldbewachsenen Strand, eine Insel in
einem See so steril und arm an Blumen und Naturkörpern ed-
leren Lebens, als dieser. Nicht ohne Schauder wandert man in
den düsteren Nadelwäldern, zwischen ungeheuer grossen, scharf-
kantigen Granitblöcken, welche gleichsam herumgestreut, von
einer heftigen Revolution zeugen. Wohin man kömmt breitet
das krause Rennthiermoos [Flechten aus der Gattung Cenomyce]
seine weisse Decke und Polster aus, wie wenn es sagen wollte
„hier herrsche ich“ und an den Strändern des Enare Sumpfs
wächst selbst das Riedgras (Carex) sparsam. Heumangel ist
also die Ursache der geringen Anzahl des, von den Ansiedlern
gehaltenen Schaafviehs, und:der Lappe kann nur einige zwerg-
artige Schafe ernähren.
Der Boden der Seen ist steinig wie das trockne Land und
beinahe frei von Wassergewächsen; nur in den kleineren z. B.
Muddus, Pada und Pjälpajärwi und mehreren dergleichen habe
ich Ranunculus aquatilis gefunden, und im Enare Sumpf sieht
man nicht einmal diesen an der Mündung des Iwalo-jokis
Hieraus kann man schon auf einen bedeutenden Mangel an En-
ten (Anas) schliessen, und die geringe Anzahl von Conchylien
und Würmern, welche die Sümpfe und Moore besitzen ist die
zureichende Ursache des Ausbleibens der Wadvögel davon.
Haubenenten | Anas: Fuligula L.] und Tauchenten (Arten der
Gattung Fuligula C. Bonap.) kommen dagegen gerne dahin und
werden auf verschiedenen Stellen sehr häufig getroffen; denn zu
kleinen Fischen und Weichthieren, ihrer eigentlichen Nahrung,
haben sie guten Zugang.
Aececipitres und Gregarii sind während der Brütezeit sehr
weit umher zerstreut; denn die Wälder und die von Menschen
bewohnten Stellen sind besonders arm an Etwas nach ihrem Ge-
schmack. Und die kleinen Vögel sind im Allgemeinen mehr
selten, als häufig.
Ferner ist der Boden auf höchst wenigen Stellen eben, son-
dern blos eine Fortsetzung von grösseren und kleineren Ber-
sesgipfeln.
274 Ornüthologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Utsjoki Lappmark. dagegen, welche durchgängig ein zusam-
menhängendes mittelhohes Gebirgsland, und nur an den Ufern
der Flüsse zum grössten Theil mit Weiden- und Birkenwald
bewachsen ist, ist während der Sommerzeit mehr von Raubvö-
geln besucht, als Enare Lappmark, denn dort ist mehr zu jagen
und des Falkens spähendes Auge darf auf dem kahlen Gebirgs-
lande nicht so lange einen Raub suchen. Was die übrigen Vö-
gel betrifit, werden wir künftig aus dem Folgenden lernen.
Als etwas geologisch Bemerkenswerthes will ich anführen,
dass dergleichen Granitblöcke, wie man sie in Enare Lappmark
findet, daselbst nicht angetroffen werden. Noch weniger einige
spitzige Gebirgsgipfel und so jäh abschüssige Abhänge, sondern
das Land ist eine ziemlich regelmässig wellenföürmige Gebirgs-
masse.
Verzeichniss
über die Standvögel Skandinaviens, welche während meiner Hinauf-
reise nach dem 24. Jan. 1841 noch gesehen wurden. Geschrieben in
Karesuando den 10. März.
Die Gränze im Norden.
Für 1. Corvus Cornüce L. 2 Exemplare wurden zum letzten-
mal in der Stadt Umeä bemerkt.
Emberiza eitrinella L. 2 (22) in Luled.
Parus major L. 1 (8) in Kengis.
- palustris L. Mehrere Exemplare in Kengis.
Corvus Pica L. 2 Exemplare in Muonioniska. Ä
Fringilla domestica L. 3 Exemplare in Muonioniska.
Tetrao Bonasia L. Einige bei Haaparanda.
- Tetrix L. Einige bei Peldewuoma.
- TUrogallus L. 2 (&&) Exempl. bei Karesuando.
Falco palumbarius L. 1 Expl. ($) bei Karesuando.
!
ei
SER NS $BuN
Die Gränze im Süden.
Für 1. Strix liturata Thunb. 1 Exemplar wurde zum ersten-
mal in- Sundsvall bemerkt.
- 2. Lagopus subalpina Nilss, Auf dem Küstenlande habe
ich sie nicht südlicher gesehen, als bei Umeä.
- 3. Lagopus alpina Nilss. 1 Expl. ($) bei Karesuando.
Anm. Bisweilen geschieht es, dass ganze Schaaren bis nach Haa-
paranda herab kommen. Diess ist jedoch nicht alle Jahre und
nur während sehr strenger und anhaltender Kälte der Fall.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 375
Für 4. Parus sibirieus Gmel. ist sogar bei Upsala geschossen
worden; aber ich traf ihn nicht früher als bei Kare-
suando.
Die Ankunft einiger wenigen Arten zu Karesuando Lapp-
mark, niche ich, w rad meines kurzen Aufenthaltes daselbst,
anzuzeichnen Gelegenheit hatte.
(Karesuando zwischen dem 10. März und dem 9. April).
Emberiza nivalis L. 1 Exempl. ($) traf zu Karesuando den 24.
März ein.
- eitrinella L. 1 Expl. (8) den 3. April.
Fringilla Linaria L. 1 Expl. (2) den 3. April.
Corvus Pica L. 2 Expl. den 6. April.
- Cornix L. 2 Expl. den 10. April.
Die Ankunft der Zugvögel zu Enare Lappmark angezeichnet,
zugleich mit der Temperatur nach dem Celsius’schen Thermo-
meter und dem Winde, von und mit dem 16. April bis zum
Ausgang des Monats Mai oder dem Schlusse der Strichzeit.
Apr.| Kl 7. Kl. 12. Kl. 7. .
17. | +5. SW. | +7. +6. Cygnusmusicus, Bechst. meh-
rere Individuen.
+6. Emberizanivalis, L. verschie-
dene.
Een
|
el; 1850 \-b6 +5.
18... +52 = |
00 REN VaRro MER ER Br u Pond BEA EC:
oo. | +a.sw.| +2. w. +6. SW.
21. 0.1W.| +6. +5.
| +2N. +6. W. —2. N. |Corvus Pica, L. 1 Expl. Sie
ist nach Angabe der Lap-
pen niemals früher dort
gesehen worden.
3, | —4+NO. | +7. S. +1. Fe Enucleator, Cuv. 4
Expl.
BETEN. +9. W. +1ıN Falco Lagopus, Brünn. 2Expl.
>5.| +t1.W. +9. 0. +2.N. |Corvus Cornix, L. 1 Expl.
26.| —2N +13.0. +6. W. |Saxicola Oenanthe, Mey. 1
Expl.
276
Apr.
2
28.
DEN DINGE
Ne)
13.
|
|
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Kl. 7.
+5. SW
+4. W.
+5. W.
Kl. 12.
+9. W.
+9. SW.
+9. W.
+3. W.:
+3. W.
+9. 0.
+5.N.
+8. SW.
+5. W.
+5. NW.
+5. NW.
+18. S.
+14. 8.
+14.SW.
+14. S.
+20. 8.
+14. S.
/
Kl. 7. j
+4. W. | Fringilla Linarie, L. viele.
+5. W. - Coelebs, L. 1.(2).
Einberiza citrinella, L. 1
(2). Motacilla alba, L.
1. (8).
+3. W
+2. W. |Der Tag war stürmisch und
die Zugvögel hatten sich
zurückgezogen.
— 2, W. | Während allen diesen stür-
0.NO. mischen Tagen sind die
:#$1. N; Zugvögel fort gewesen,
+3.N. mit Ausnahme von Mo-
+2. W. tacilla albaL. (kein Weib-
+2. NW. chen) Corythus Enuclea-
2. NW. tor Cuv. und Falco La-
+3. S. /) gopus.
+10. S. | Anser leucopsis, Bechst., 2
Exempl., Falco Lithofalco,
Gmel. 3., Charadrius apri«
carius, L.1, Motacillaalba
1 Expl. (?)- Der Tag war
frühlingsmässig und die
vorher genannten Arten zeig-
ten sich ohne Ausnahme.
+9. SW.| ErsterRegentag. Turdus ilia-
cus, L. 1 Expl.
+7.8. | Totanus fuscus, Bechst. 1
Expl.
+15. 8. | Emberiza lapponica, Nilss.Orn.
Sv. 2Expl. Emberiza Schoe-
niclus, L. 1 (8) Turdus
pilaris, L. 2 Expl. Cha-
radrius Morinellus. 1 Expl.
Anthus pratensis, Bechst.
viele.
+10. S. | Hirundo urbica, L. 1 Expl.
Anas fusca, L. 2 Expl.
Anas Crecca, L. 2 Expl.
Motacilla flava, L. 4
Expl. (&). Anser albifrons,
Bechst. 2 Expl.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 277
Mai | Kl. 7. Kl. 12. Kl. 7.
ber. w | #&N:| +3N.
15. | +1. N. +4 N. +1. N. |Anas acute, L.
2.Expl. (89).
17. | +1. W. +5. W. +2. W,
18. | +2. 8. +6. NO. | +5. 0. | Anser segetum,
2 Expl.
+7. W. +11. ©. +7. NO. | Alle die Vögel, welche früher
bei den Höfen und in Wäl-
dern waren hatten sich nun
hatten nun wieder _
der Kälte des Nordens
Die kleinen Vögel
weichen müssen.
19,
wieder eingefunden und der
16. HirIN..) “E3.°NW.! | 0. W.
anhaltende lauwarme Regen
liche Wärme lockten noch
einige Species mehr, z. B.
Numenius phaeopus, Lath. 3
Expl.
Totanus Glottis, Bechst. ei-
\
des Tages und die behag-
nige.
Sylvia Phoenicurus, Lath. 3
(8).
20.1+7.W. | +15. S0.| +9. 0.
21.1+9.0. | +14.S. +10.W. |Carbo Cormoranus, Mey. 1
Expl. (einer oder mehrere
| von dieser Art sollen, nach
| der Sage der Lappen, jeden
' Frühling sich in Enare
Lappmark zeigen). Sylvia
suecica, Lath. 1 (&). Frin-
gilla Montifringilla, L. in
Menge. Sylvia Trochilus,
Lath. 1Expl. Mergus Mer-
ganser, L. 4 Expl. Mer-
sr gus Serrator, L. einige.
N . TDotanus Glareola, Temm .2
Pa, Expl. Charadrius Hiaticula,
L. 2 Expl. Hirundo ru-
N “ser, DT pl (E).
Anas Clangula, L. 3 (J).
1. Q)-
22. | +9. SW. | +14.SW. | +10.SW. | Fringilla montana, L. 1
Expl. Sterna arctica, Temmı.
19
278 Ormithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Kl. 7. 2Expl. Anas Penelope , L.
2 Expl. Anas nigra, L.
4 Expl. Anas glacialis , L.
Mai Kl. 7. Kl. 12.
einige. Totanus hypoleucos,
Nilss. Orn. Sv. 1 Expl. ‘Falco
Lithofalco, Gwmel. 1: Expl.
+10. W. +18.SW | + 16.SW. Cueulus canorus, L. 1 Expl.
Cypselus Apus, Nlig.3 Expl.
+ 9. SW.| +14.SW.
+12.SW.
25. | +12.SW.
+ 12.SW.
+5. NW.
+20. SW.
+10. W.|- +9. NW.
27.1 +6. NW-) +11.NW.| +10.NW.
28.| +11.W. | +6. NW.| + 10.NW.
29.1 +9. W. | +11.W. | +8. W.
30.| +8. W. } +14.NW.| +6.NW.
31.! +10.8. | $14&S. | +9, NW.
Der Sommer ist nun da und die Vögel kommen zu ihrer
Brütplätzen. Es ist deshalb nicht Zeit länger sich mit ihnen
aufzuhalten, sondern diejenigen, welche zufälligerweise meiner
Aufmerksamkeit entgangen sind werden künftig angemerkt werden.
—— ——[_-0[.0..:
Des nordöstlichen Skandinaviens Fauna
oder
kurze Aufstellung der Vögel von Enare und Utsjoki
Lappmarken *)
Anm. Um nicht allzu weitläufig zu sein, will ich im Zusammenhange
mit diesen die Beobachtungen des Jahres 1842 während meiner
Reise in einem Theil des übrigen Nordens, so wie die Ankunft
der Zugvögel zu Juckasjärwi in diesem Jahre verbinden.
Falco Gyrfalco L.
nistet nicht in Enare Lappmark, sondern wird daselbst nur als
Strichvogel während der kalten Jahreszeit getroffen, und in Uts-
*) Um etwas mehr Ganzes zu erhalten, habe ich auch diejenigen auf-
genommen, welche ich während meiner Reise an der Küste des
Eismeeres, zwischen dem Nordkap und dem Passwigelv, ange troflen.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 279
joki Lappmark ist er sehr selten; an der Küste des Eismeeres
dagegen und in allen abschüssigen Gebirgsgegenden ist er gemein,
sowohl zur Sommers- als Winterszeit. Er ist sehr vorsichtig
und lässt den Jäger nicht gerne in Schussweite kommen.
Falco peregrinus Lath.
habe ich blos ein einzigesmal zu bemerken Gelegenheit gehabt,
(in Juekasjärwi den 17. Mai 1842) und weil dies während der
Striehzeit war, und er weder früher noch später gesehen wurde,
nehme ich ihn hier nur als einen Vogel auf, dessen Gränze ge-
gen Norden ein Nachfolgender näher bestimmen zu können suchen
muss. Das Exemplar war ein Weibchen, Länge 163 Zoll*),
Flügelbreite 38} Zoll, vom Ellbogen bis zur Schwanzspitze 13
Zell, von der Ferse bis zur Schwanzspitze (in sitzender Stel-
lung) 65; Zoll. Iris dunkelbraun **).
Falco Lithofalco Gmel.
(Auf Finnisch: Pissi Haukka , übersetzt: kleiner Habicht)
wird überall getroffen, sowohl in Enare und Utsjoki Lappmark,
als am Eismeere, soweit die Birke (Betula alba L.) wächst.
Zur Brütestelle wählt er jedoch solche steile Abhänge, welche
gegen Süden und Westen abfallen.
Altes Männchen. L. 113 Z., B. 24 Z.; Ellb. — Schz.-Spitze
9 Z., Ferse — Schz.-Sp. 53 Z. lris dunkelbraun.
Falco palumbarius L.
habe ich nur während der kalten Jahreszeit getroffen. Ein jun-
ges Männchen den 25. März 1841 bei Maunu in Karesuando
Lappmark und ein altes Weibchen den 14. April letztes Jahr
bei Skjetsomjärwi auf der Gränze zwischen Muonioniska und
Enare Lappmark., Ich bin deshalb vollkommen überzeugt, dass
er keineswegs in den nördlichsten Lappmarken brütet.
| Falco fulvus L.
ist in dem Innern des Landes sehr selten. Häufiger kommt er
an der Seeküste vor wo er brütet. Falco Chrysaätos Nilss. ill.
Fig. wird dagegen öfter getroffen.
Falco ossifragus Nilss. Orn. Sv.
habe ich auf einer isolirten Klippe in Torneä Sumpf nistend ge-
troffen. Ungefähr 500 Fuss über der Meeresfläche sass auf
*) Schwedisch Maass.
*%*) Diese Messungen sind zur Erleichterung für diejenigen genommen,
welche ausstopfen oder ausgestopftie Exemplare abzeichnen.
280 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen: Fauna.
einem frei hervorstehenden Haufen Klippenstücken sein: ansehn-
liches Nest von Aesten und kleinen Zweigen, inwendi ig mit Moos
und Riedgras belegt. Rings umher lagen verstümmelte Theile
und Skelette von Hasen, jungen Rennthieren, Auerhühnern und
Seevögeln. Im Nest fanden sich weder Eier noch Junge. Und
obgleich ich mich mehrere Stunden dort aufhielt, in der Hoff-
nung einen von den Einwohnern dieser Insel zum Schusse zu
bekommen, waren doch alle Versuche fruchtlos, und die Adler
schwebten triumphirend unter ihrem scharfen er
errii—i in der höheren Atmosphäre.
Falco albicılla L.
nistet an der Seeküste und wird nur im Frühling in dem Inneren
des Landes getroffen. Er lebt im Sommer besonders: von Fi-
schen, welche er theils selbst tödtet, theils beil’den Fische-
reien stiehlt.
Falco Haliaetos L.
kennen die Fischerlappen in Enare sehr gut, und mehrere haben
mir versichert, dass sich jeden Sommer bestimmt ein Paar’in
der Nähe des Enare Sumpfes finden soll. Ich selbst habe nie-
mals ein einziges Individuum weder dort, noch weniger in Uts-
joki Lappm. angetroffen. In Karesuando und Juckasjärwi Lappm.
brüten sie, jedoch nur sehr sparsam.
Falco Lagopus Brünn.
(Auf Finnisch: Riekko haukka, übers.: Schneehuhnhabicht)
hat seine eigentliche Heimath in den klippigen Gebirgsthälern
des Nordens worin er in einer schwer zugänglichen Bergeskluft
baut und brütet. Er lebi von Ratten und Mäusen, und wo der
Zugang zu diesen mangelt, findet er bald Nahrung in Insecten,
Fröschen und den Küchlein von Schneehühnern. Während sol-
chen Sommern, wo die Gebirgs-Lemminge im Norden wandern,
machen diese kleinen, immer fetten T'hiere, beinahe ohne Aus-
nahme seine hauptsächlichste Nahrung aus.
Strix nyctea L.
kömmt nur während des Winters in Enare Lappm. vor, in Uts-
joki dagegen und auf allen eigentlichen Hochgebirgeu bis hin-
auf zum Nordkap, trifft man während jeder Tagesreise ein oder
mehrere Paar. Sie ist scheu und vorsichtig und lässt den Jäger
nicht gerne innerhalb Schussweite kommen. Ihre Nahrung be-
steht vorzüglieh aus Alpen-Schneehühnern und jungen Hasen.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 281
In Lemmings - Jahren sind diese kleinen Thiere ihre leckerste
Nahrung.
-Anm. Eines Abends kurz nach Sonnenuntergang sah ich eine solche
Eule 2. Sammtenten (Fuligula ‚fusca) heftig verfolgen.
Strix funerea Lath.
Die Habichtseule trifft man überall so weit Kiefern (Pinus
sylvestris L.) Wald bilden. Ihr Flug und Aussehen um einen
nackten Gipfel haben die grösste Aehnlichkeit mit denen des
Finkenhabichts (Falco Nisus L.). Sie ist scheu und aufmerk-
sam, und: wählt immer einen trocknen Kieferngipfel zur Ruhe-
stätte so bald sie sich niedersetzt. In diesem Augenblick be-
* kömmt man fast immer ihre gellende Stimme pyi—pyi—pyi
zu hören.
Fortpflanzung. Tief innerhalb in dichten und düstern
Nadelwäldern, in welchen Unglückshäher [Garrulus infaustus]
und Auerhühner wohnen, bereitet sie ihr von Zweigen und
Flechten zusammengesetztes Nest in einer alten Kiefer oder
Fichte, und legt darein, im Anfang vom Mai, 4 weisse Eier.
Die Jungen werden mit Lemmingen und kleinen Vögeln (beson-
ders Bergfinken) aufgefüttert.
Strix brachyotus L.
habe ich nirgends gefunden , weder während der Brütezeit noch
Zugzeit, und die Lappen haben mir versichert, dass sie niemals
vorkomme, ausser in Gesellschaft mit dem Lemming. Ge-
trocknete Exemplare habe ich. an mehreren Stellen an. die Häu-
ser der Lappen angenagelt gesehen, welche während des Lem-
mingszuges der Jahre 1839 und 1840 geschossen worden waren.
Strix Lapponica Sparm.
In den Jahren 1839 und 40 war die lappländische Eule in
allen Wäldern Lapplands häufig, aber als der grosse Lemmings- -.
zug aufhörte, so verschwand auch diese interessante Eule.
Nichts desto weniger habe ich mehreremale Gelegenheit gehabt,
theils direct und theils durch Vogelkenner in Lappland, mit ih-
rer Lebensart Bekanntschaft zu machen. Sie jagt sowohl am
Tage, als bei Nacht, ist durchaus nicht scheu und lebt aus-
schliesslich von Lemmingen und Mäusen. Sie kommt oft; gleich
wie Sirie Aluco L. in dem südlicheren Schweden, des Nachts
zu den Wohnungen der Menschen hervor. Unser Landsmann,
A. Durchmann hat bei einer solchen Gelegenheit von dem
Dache seiner Meierei 2 Stücke an einem Abende erukgdsähapsen
282 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Ein Weibchen geschossen bei Maunu den 25. März; 1841.
Länge 28 Zoll, vom Handgelenk bis zur Schw.- Sp. 213 Z.,
von der Flügel-Sp. bis zur Schw.-Sp. 4 Z., von der Fer bis
zur Schw. -Sp. 123 Zoll, Breite 9 Z., Dieke 73 Z. Der abge-
balgte Körper, Länge 8 Z., Breite 43 Z., Dicke 43 Z. Iris gelb.
Strix liturata Thunb.
Was den Aufenthaltort und die Lebensart dieser Eule be-
trifit, so hat sie die grösste Aehnlichkeit mit der vorigen, aber
sie ist mehr scheu und sieht besser am Tage oder gleich so
gut, als die Habichtseule. Ich habe sie nirgends: nistend ge-
troffen. Es ist deshalb zweifelhaft ob und wieweit diese zuletzt
genannten zwei Eulenarten im nördlichsten Skandinavien brüten.
Ein Weibchen geschossen den 20ten März 1841 bei: Kare-
suando.
Länge 233 Z., vom Handgelenk bis zur Schw.-Sp. 18 Z.,
von der Flügel-Sp. bis zur Schw.-Sp. 34 Z., von der Ferse bis
zur Schw.-Sp. 12 Z., Br. $SZ., Dicke 62. Der ee Kör-
per: Länge 7 Z., Breite 4 Z., Dicke 4 Z. '
Cuculus eanorus Ei
Den Kuckuck habe ich überall getroffen so weit die Birke
wächst, ja bis hinauf nach Nordkyn bekommt man während der
warmen Jahreszeit seinen Ruf zu hören.
Picus minor L.
kömmt zuweilen als Strichvogel nach Enare Lappmark, ist aber
nirgends nistend weder dort noch in Juckasjärwi.
Ein Weibchen wurde am 11. Nov. 1841 bei der Kirche in
Enare geschossen. 5
Picus trıdactylus L.
et Standvogel und wird in allen dichten Nadelwäldern bis hinab
an die Mündung des Passwigelvs getroffen.
Corvus Corax L.
(Auf Finnisch: Korpi).
Der Rabe findet sich überall und unter allen Jahreszeiten;
z. B. auf: Peldewuoma tunturi*) in Muonioniska Lappmark sah
ich Raben während des stärksten Unwetters.
Deu ee >> SESESESSEEEEEESEEEEBEREE
*) Bedeutet: Hochgebirg.'
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 283
Corvus Cornix L.
Die Krähe brütet im Norden überall wo Fichtenwald wächst,
so z. B. bei Iwalojoki, Padajärwi; an den Buchten des Eismee-
res hält sie sich in Gesellschaft der Raben und Möven (Lari)
bei allen Fischereien auf.
Corvus Pica L.
(Auf Finnisch: Harakka)
nistet nicht in Enare Lappmark und der 68. Breitegrad scheint
ihre Gränze gegen Norden.
Garrulus infaustus Boie’s Reise d. Norw.
(Auf Finnisch: Kuukainen)
kömmt hie und da so weit als die Kiefern Wald bilden Vor,
B. am Passwigelv .in Enare Lappmark , an den Quellen des Uts-
jokielvs und bei Maunu in Karesuando Lappmark. Wenn man
in den düsteren Kiefernwald hinein kömmt, worin alles so stille
ist, als das Grab, ist er beinahe immer der erste Vogel, wel-
cher, durch seinen heiseren Schrei und sein Herumhüpfen auf
den Bäumen, die tiefe Stille unterbricht. Man wende das Auge
nach der Gegend woher der Laut kömmt und man wird sofort
die rothbraune Gestalt gewahr, welche, gleich einem Eichhörn-
chen sich neben einen Baumstamm schmiegt. Endlich auf die
mit Flechten bewachsene Spitze des Nadelbaums hinaufgekom-
men schreit er aus vollem Halse, und bald wird man mehrere
aus ihren Verstecken in Flechten und abgehauenen Nadelholz-
zweigen hervorgekrochene Kameraden zu sehen bekommen. Sie.
richten nun alle ihre Aufmerksamkeit auf den Jäger und werden
endlich so nahe laufen, dass man im Stande sein würde sie mit
einem. Stocke oder dergleichen zu erschlagen. Sie haben ihre
ausgewählten Stellen im Walde wo man sie beinahe während;
allen Jahreszeiten finden kann. Dort bauen sie schon während
der Wintermonate ihr kunstloses Nest von Flechten und Gras-
halmen und kommen, am, Schlusse des Mai mit fliggen Jungen
hervor. Diess Nest, welches ich auf mehreren Stellen ange- -
troffen, bin ich unglücklich genug gewesen immer leer zu finden.
Sie sind gleichzeitig raubgierige und starke Fresser und neh
ren beinahe alles was ihnen vorkömmt. |
Altes Männchen: Länge 12 Z., Flügelbreite 174 Z., vom
Handgelenk bis zur Schw.-Sp. 83 Z., von der Ferse bis zur
Schw.-Sp. 53 Z. Iris dunkelbraun.
Altes Weibchen: L. 113 Z., Fl.-Br. 16! Z., von dem Hand-
284 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Forma.
} N
gelenk_bis zur Schw.-Sp. 84 Z., von’ der Ferse bis zur Schw.-
Sp. 54 2. "
Junger Vogel, Männchen geschossen den 3. Juni: Länge
10:5 Z., Flügelbreite 16 Z., vom Handgelenk bis zur Schw.-Sp.
7; Z., von der Ferse bis zur Schw.-Sp. 43 Z.
Die Jungen haben vor der Mauserung keinen Glanz, und in
Folge hiervon weniger reine Farben, als die Alten. Der Schna-
bel verhält sich ansserdem zu dem der letzteren wie 2:3.
Cypselus Apus 1.
(Auf Finnisch: Musta päskynen)
brütet, obgleich selten, in Enare Lappm., den 11. Juni wurde
z. B. ein Paar bei Pada -järwi und ferner den 23. Juni ein Paar
in dem Dorfe Kyre bei Iwalojoki beobachtet. In Juckasjärwi
Lappm. kömmt die Thurmschwalbe dagegen etwas häufiger, aber
in Utsjoki Lappm. und in Finmarken gar nicht vor.
Hirundo rustica L.
(Auf Finnisch: Haarz päskynen) R
brütet innerhalb des Bezirks Enare nirgends nördlicher, als in
Kyre und Iwalojoki und dort sparsam genug. Als: Zugvogel
zeist sie sich dagegen in weit nördlicheren Gegenden, zieht sich
aber bei Annäherung der Brütezeit sogleich zurück.
Hirundo urbiea L.
(Auf Finnisch: Päskynen)
ist bei Kyre sehr häufig und baut zu Hunderten auf die Kirchen
„in Karesuando und Juckasjärwi.
Anm. In Juckasjärwi fiel ich eines Tages auf die Idee ‚einen Theil
der vorjährigen Schwalbennester auf derKirche zu untersuchen.
Einige waren leer und in einer gleichen Menge fand ich halb-
erwachsene Junge in derselben Ordnung liegend, wie sie wäh-
rend ihres lebendigen Zustandes gelegen hatten, Man ersieht
hieraus, dass die Eltern nicht immer ihre Jungen mit sich be-
kommen, sondern genöthigt werden, wegen der schnellen An-
kunft des Winters ihr Liebstes dem Hunger und dem Rue
Klima des Nordens zum Opfer 'z zu überlassen.
Hirundo riparia. L. |
brütet in grosser Menge bei Kyre. Kömmt auch am re
und Tana-Fluss vor.
Muscicapa Grisola L.
Die einzigen, welche ich während der ganzen Reise wahr-
nahm, waren ein brütendes Paar in Kyre den 22. Juni 1811.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 285
Lanıus Exeubitor L.
Ist sehr selten in Enare Lappm. — Bei dem Gute Varan-
‘ser (Nyborg) habe ich auch einen nistend gefunden.
Turdus pilarıs L.
ist sehr allgemein in allen Wäldern, sowohl am Eismeer, als in
Enare, Utsjoki und. Kola Lappm.
Turdus ilıacus L.
wie der Vorhergehende. Er ist des Polarlandes zweiter Sänger
und während der Paarungszeit singt das Männchen Tag und
Nacht hindurch. Bisweilen sitzt er da in einem Baumsgipfel,
aber eben so oft in Nadeln und Flechten versteckt.
Cinclus aquaticus Bechst.
(Auf Finnisch: Koski harakka (übers. Wasserfall-Elster) oder mör-
köinen)
ist in dem eigentlichen Norden selten. Er wird jedoch gleich
oft im Winter als während der Brütezeit : an starken Wasserfäl-
len getroffen.
Ein Exemplar beobachtete ich den 14. Apnil 1811 an den
Quellen des Tana-Elvs. Ein Paar traf ich den 18. Juli des
letztgenannten Jahres bei der Mündung der kleinen Alpenbäche,
welche gleich hinter der Kirche von Utsjoki in’ den Mendusjärwi
ausfallen. Er hatte fünf flügge Junge.
Drei Individuen hatten sich den 2. Dec. des letztgenannten
Jahres in dem Fischnetze gefangen, welches der Pfarrer Sten-
' bäck in dem nördlichen Ende des Mendusjärwi, 4 Meile von der
Kirche von Utsjoki, hatte auslegen lassen. Alle diese sind etwas
kleiner gewesen, als diejenigen, die ich i im mittleren Schweden
geschossen.
Motacılla alba L.
(Auf Finnisch: Wästä rekki)
Die Bachstelze trifft man beinahe überall bei den Wohnun-
gen der Menschen bis hinab zum_Eismeer, z. B. an der Mün-
dung des Passwig-Elvs, in Vadsöe, und an mehreren andern
Stellen.
Motacilla rn L.
(Auf Finnisch : Kelda firka, übers. Gelber Heller)
wie. die Vorhergehende. Die graue Bachstelze findet sich nicht
in der Wildniss, dagegen habe ich diese bis weit hinauf in die
Alpen auf Mooren und Morästen getroffen.
19 *
286 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Anthus rupestris Nilss.
kömmt sehr häufig an den Küsten des Eismeeres vor, . hin-
auf zum Nordkap.
Anthus pratensis Bechst.
nistet überall, bis hinauf auf die höchsten Alpenmoore, sowohl
in Finmarken auf Vardöe, Nordkyn u. s. w., als in Lappland.
Er ist unter den kleinen Vögeln derjenige, welcher den Norden
am spätesten verlässt. In Utsjoki verschwanden die letzten den
17. October 1841.
- — Anthus arboreus Bechst:
ist nicht selten in Enare Lappm.; in Utsjoki dagegen habe ich
ihn nicht gefunden.
Anthus montanus [K.]
ein Neuling für die Fauna Skandinaviens, ist nur einmal beob-
achtet, am 16. Juli bei Seus-järwi in Enare Lappm., 4 Meilen
nördlich von der Kirche. Dort bauete ein einzelnes, Paar dicht -
bei eines Lappen Hütte. Sie wurden beide geschossen und ein-
gepackt, weil ich im Begriff stand nach Utsjoki zu, reisen und
die Mücken, so wie der unaufhörliche Regen mich verdriesslich
und beinahe halb krank machten. Seine Stimme war ein klares
aber ängstliches plyi — plyi.
Saxicola Oenanthe Mey.
(Auf Finnisch: Kivi rastas)
trifft man überall sogar auf den höchsten Gebirgen, so z. B. auf,
Rastigajsa in Finmarken. |
Anm. In Enare Lappm. habe ich einmal ihr Nest in einer hohlen
Kiefer gefunden.
Sylvia suecica Lath.
Der erste Sänger innerhalb des Polarcirkels, gemein an al-
len waldbewachsenen Fluss- und Bachufern bis hinab zum Eis-
meer. Am Schluss des Augustmonats, wo die Zugzeit naht,
kommen sie hervor zu den Wohnungen der Menschen um Flie-
gen und andere Insecten zu suchen.
ihr Nest habe ich am Ende Juni’s in dichtem ee
flecht gefunden. Der Gesang ist abwechselnd und an mehreren
Stellen melodisch wohlklingend, z. B. der schöne Glockenlaut,
den sie bisweilen bei schönem Wetter während der Paarungszeit:
hören lässt, kling — kling — kling— kling..... aber
darauf folgt gewöhnlich ein minder behagliches tjää — tjää—
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 287
tjää —tjää —,... während welchem sie den Schwanz aus-
breitet und niederschlägt und sich bald auf die eine bald auf die
andere Seite wendet. Das Weibchen ist stille und lässt sich
nicht gerne sehen.
Sylvia Phoenicurus Lath.
Der Rothschwanz ist sehr gemein in Enare Lappmark und
kömmt in Utsjoki Lappm. bis unter den 70° vor.
Sylvia Trochilus Lath.
wird überall häufig getroffen so weit die Birke wächst, sogar
am Eismeer, an der Mündung des Tanaelvs und auf mehreren
andern Stellen.
Accentor modularıs Koch.
Ein. Männchen wurde bei der Kirche in Utsjoki Lappm.
den 10. Oct. 1841 geschossen; aber nirgends habe ich ihn nistend
getroffen, weder dort noch in den übrigen von mir besuchten
Gegenden.
Parus major L.
Ein Männchen wurde bei Paxoma (69° in Enare Lappm.)
am 6. Novbr. 1841 geschossen. Im Uebrigen gleich mit dem
Vorhergehenden.
Parus sibirieus Gmel.
(Auf Fimisch: Warpiainen übers.: Zweigsitzer) *)
Die sibirische Meise ist während des Sommers gemein so
weit Kiefernwald wächst (sogar an der Mündung des Passwig-
elvs habe ich sie nistend gefunden). In der höheren Birkenre-
gion kömmt sie dagegen nur während der kalten Jahreszeit vor
und am meisten in Gesellschaft mit der Sumpfmeise (P. palustris
L.), mit welcher sie in der Lebensart, Gemüthsart und dem
Lockton die nächste Aehnlichkeit hat. Sie ist sehr neugierig
und gar nicht scheu, und mehreremale habe ich sie höchst ge-
neigt gefunden zu scherzen. Einmal hatte ich über eine halbe
Stunde unter einer grossen Fichte gelauert, in deren Nadeln
- eine solche herum kletterte, und ich war nicht im Stande sie
zu sehen zu bekommen. Endlich kam sie auf den Gipfel des
*) In OQwickjock Lappm. wird er 'Talvi tiainen (übers. Winter-
finke ), Pierko tsitsas ( Tannenfinke) oder Puöite tsitsas, welches
Fettfinke bedeutet, genannt.
288 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Baumes hinauf, und ich, welcher ganz stille ‚mit der Flinte unter
dem Arme stand, erstaunte nicht wenig; als sie, wie ein Pfeil'nie-
derstürzte und auf dem Gewehr, ganz nahe der'Mündung ‚ Platz
nahm. Hier blieb sie eine lange Zeit ganz unbeweglich'sitzen und
erst nachdem ich sie mit der Hand fortgejagt, bekam ich Ge-
legenheit sie zu schiessen. Ein ander Mal war ich auf der .
Schneehühnerjagd aus und hatte also‘ groben Hagel in beiden
Läufen. Plötzlich fand sich eine sibirische Meise ein und wäh-
rend ich mit dem Umtausch des Hagels beschäftigt war, kam
sie mir so nahe, dass ich ohne Schwierigkeit sie mit dem Lad-
stock niederschlug und meinen Schuss sparte. |
Ihr Nest habe ich ausschliesslich in einer hohlen Kiefer ge-
- funden. Das Unterlager besteht aus Moos, welches ohne Ord-
nung in den Baum hineingestopft wird. Oben auf diesem findet
sich eine gute Portion Gebirgslemmingshaare, ja bisweilen ganze
Stücken Fell von demselben Thier. Die Eier, an Zahl 7—9,
sind in der Form gleich mit denen des Baumläufers, weiss mit
lichtrothen Punkten und Flecken.
Altes Männchen. Länge 5} Z., Flügelbreite 82 Zi vom
Handgelenk bis zur Schw.-Sp. 4; Z., von der Ferse zur Schw.-
Sp. 27 Z. Iris dunkelbraun.
Altes Weibchen. L. 53 Z., Fl.-Br. 8 Z., vom Hialesllaf
bis zur Schw. - Sp. 4 Z, von Her Ferse bis zur Schw.-Sp. 24 Z.
Im Uebrigen dem Meuschen ganz gleich.
Parus palustris L.
‚ (Auf Fimnisch: Mocka tiainen)
habe ich nur als Strichvogel während der Winterzeit getroffen,
aber dann bis hinab zum Eismeer so weit Birkenwald wächst.
Er ist dann zahlreich, aber sobald der Schnee anfängt wegzu-
schmelzen, ziehen sie sich nach südlicheren Gegenden zurück.
Alauda arvensis L.
Die Feldlerche brütet nirgends weder in Enare ah Utsjoki
Lappın. In Karesuando und Juckasjärwi ist sie dagegen sehr
semein auf den Aeckern der Ansiedler. Als etwas Bemerkens-
werthes muss ich ein Exemplar (ein Märnchen) anführen, wel-
ches den 15. Oct. 1841 bei der Kirche in Utsjoki geschossen
wurde. Sie war wahrscheinlich von dem damaligen milden Wet-
ter mit Südwind getäuscht worden. Als Zugvogel habe ich sie
am Lyngenfjord in Norwegen schon den 2. April 1842 bemerkt,
aber zu Juckasjärwi kömmt sie erst um den 1. Mai an.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 28)
Anm. Dises ist im Allgemeinen mit allen Singvögeln der Fall, dass
sie ganze drei: Wochen früher zu Tromsöe, als in Juckasjärwi
Lappm.ankomnıen, ‚obgleich die letztgenannte Gegend bedeutend
„südlicher liegt, als die erstere. Es ist dennoeh in der Ordnung,
weil das Klima im Binnenlande bedeutend härter ist, als an
der Secküste.
Alauda alpestris L.
(In Ostfinmarken nennt man sie Sandlerche)
Die Sandlerche brütet nur an der Meeresküste und man
trifft sie nır während der Zugzeit in den inneren Landschaften.
Als Zugvogel langt sie in Juckasjärwi Lappm. im Anfang vom
Mai an, und setzt, nach einem Verzug von nur wenigen Tagen,
ihren Zug nach dem höheren. Norden fort,
Anm. Ich habe sie niemals weder in Enare noch in Utsjoki Lappm.
getroffen.
Ueber Sommer hält sie sich Ar und brütet auf sumpfigen.
Alpenbrüchen in Ostfinmarken und baut ihr Nest, gleichwie die
Feldlerche, an die Seite eines kleinen Erdhügels oder derglei-
chen. Dieser ihrer Verwandten gleicht sie bedeutend in ihrer
Lebensart, und wenn sie singt erhebt sie sich, gleich dieser,
unter abwechselnden Trillern. Während des Frühlings und
Herbstes ist sie still und verbirgt Sich gerne an der Seite eines
Steines oder in einer Höhle in der Erde und lässt bloss, wenn
sie von einem Verfolger aufgeschreckt wird, während ihres Flu-
ges von einer Stelle zur andern, ein kurzes Trrril oder Tillirl
im Herbst, und tjui terrr im Frühling hören. Sie liegt fest und
ich bin ihr mehreremale auf nur einige Ellen Entfernung nahe
gekommen. Sie lebt von Insecten und Sämereien. Auf den
Hochgebirgsbrüchen zwischen Märtenäs und Vadsöe ist sie nicht
selten. Auf Vardöe sah ich während einer Excursion 1 Exempl.
und in Juckasjärwi bin ich glücklich g genug gewesen zwei ge-
schossen zu erhalten. Das eine ein Weibchen den 7. Mai das
andere ein dergleichen den 13. Dechr. 1842.
Altes Weibchen geschossen den 7. Mai 1842. Beschreibung.
Länge 6; Z., vom Handgelenk zur Schw.-Sp. 5 Z., der Schwanz
ausserhalb der Flügelspitzen 1? Z. Iris braun. Die Grundfarbe
des Schnabels bleischwarz; die Spitze dunkler; der Oberschna-
bel etwas lichter; der Unterschnabel bis 2 von der Wurzel blau-
weiss. Vom Fersenglied bis zur Schwanzspitze 23 Z. Die erste
und dritte Schwungfeder gleich lang, die zweite die längste.
Schwanzfedern 12, von welchen die zwei mittelsten rostbraun
sind mit weissen Kanten und schwarzen längs den Spulen, wel-
ches gegen die Spitze immer mehr zunimmt. Die übrigen haben
20 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen. Fauna:
alle eine lichte Kante an der äusseren Fahne, welche immer
deutlicher und deutlicher wird und endlich ist die erste Schwung-
feder ganz weissgrau an der Spitze. Am ''Schlusse des’ Augusts
ziehen sie nach südlichern Gegenden und ich möchte beinahe
annehmen, dass sie dann der Küste des Eismeeres folgen bis
hinab nach Archangel und so weiter gegen Süden, weil ich
während dieser Zeit nicht ein einziges Individuum in dem Inne-
ren des Landes getroffen.
Emberiza citrinella L.
(Auf Finnisch: Kelda tiainen.)
In Enare Lappm. ist der Goldammer selten und man triflt
ihn nur- nistend bei Iwalojoki. Aber in Juckasjärwi ist er schon
etwas häufiger. Er brütet also nicht innerhalb der Kieferregion
Emberiza Sehoeniclus L.
ist häufig bis hinab zum Eismeer so weit die Stränder der Al-
penbäche mit Birken- und Weidengebüsch gesäumt sind.
Emberiza nivalıs L.
(Auf Finnisch: Pulmukainen)
findet sich während der Brütezeit oben oberhalb alles Waldes
unter den ewigen Gletschern, Schneetriften und Steingerölle, bis
hinauf zum Nordkap. Vom Schlusse des Märzes bis Mitte April
sieht man sie in grossen Schaaren um die Wohnungen der An-
siedler, aber sie verweilen nicht lange dort; denn sobald der
Schnee anfängt wegzuschmelzen, und eine oder die andere Stelle
blos wird, verschwinden sie und ziehen sich weiter hinauf auf
die Gebirge.
Empberiza lapponica Nilss. Orn. Sv.
Der lappländische Ammer brütet überall auf den höheren
Alpenmooren, sowohl in Utsjoki Lappm., als in Finmarken. In
Juckasjärwi und Karesuando Lappm. ist er dagegen weniger ge-
mein. Gegen Schluss Septembers oder im Anfang vom Octbr.
begiebt er sich gegen südlichere Gegenden.
Anm. Am Varangerfjord habe ich ihn nur wenige Ellen vom Strande
brütend gefunden. |
Altes Männchen: Länge 6} Z., v. d. Fl.-Sp. zur Schw.-Sp.
1::Z. Das Weibchen: L. 6% Z. Iris: braun.
Fringilla domestica L. |
habe ich nirgends innerhalb der Kiefernregion getrofien. In den
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 291
Dörfern von Kittila und Juckasjärwi hält sie sich dagegen Som-
mer und Winter auf.
Fringilla montana L;
gleich mit Emberiza citrinella L.
Fringilla coelebs L.
wie die Vorhergehende.
Fringilla Montifringilla L.
kömmt in allen Wäldern bis hınab zum Eismeer vor.
Fringilla Linaria L.
gleich mit der Vorhergehenden.
Anm. Da ich während zweier Sommer Gelegenheit gehabt habe die
genauesten Beobachtungen über diese Species anzustellen, und
nachderı ich Männchen mit gezähnteın Schnabel brütend mit
Weibchen mit zahnlosem Schnabel und umgekehrt , und gross-
schnäblige Männchen mit kleinschnäbligen Weibchen und umge-
kehrt, angetroffen und gefunden, dass des Vogels Schnabel nieht
vor dem 3. oder 4. Jahr vollkommen ausgebildet ist, so will
ich bemerken, dass wir von Linaria nicht mehr als eine Spe-
‘“ cies in Skandinavien besitzen.
Der gelbe Scheitel ist eben so häufig im Norden, als der rothe.
Corytlus Enueleator Cuv.
findet sich hie und da in den Nadelwäldern von Juckasjärwi und
Enare, obgleich sehr selten. |
Tetrao Urogallus L.
ist sehr häufig in Enare Lappm. bis hinauf zu dem nördlichen
Ende: des Enare Sumpfs, ın Juckasjärwi ebenso; aber in Kare-
suando ist er selten und in Utsjoki Lappm. kömmt: er gar nicht
vor. Mit einem Wort: ich habe ihn gefunden, Winter und Som-
mer, so hoch hinauf als die Kiefern Wald bilden.
Tetrao Tetrix L.
brütet nicht innerhalb der Kieferregion und nicht einmal 'wo Kie-
fern und: Fichten sieh mit einander mischen. ' Am nördlichsten
habe.ich ihn angetroffen bei Kittila.
Lagopus subalpina Nilss.
kömmt überall vor so weit die Weide wächst.
292 Ornithologischer. Beitrag zur: skandinavischen Fauna.
Lagopus alpina ‚Nilss.
nur in den eigentlichen Alpengegenden.
Charadrıus Hiaticula L.
brütet sowohl am Eismeer als an den sandigen Seesträtkierm von
Enare und Utsjoki Lappm.
Charadrius Morinellus L.
ist überall selten, obgleich ich ihn auf allen Alpen, die ich be-
sucht, bis hinauf nach Nordkyn, gesehen habe. Während sei-
nes Zuges, sowohl im Frühling, als Herbst, folgt er ganz sicher
den eigentlichen Alpenrücken; denn ich habe ihn nur einmal
während der erstgenannten Jahreszeit in den tieferen Gegenden
gesehen. |
Charad ii ap rıcarius L.
ist dagegen sehr häufig so wohl in den. höheren, als tieferen
R gionen bis hinab zum Eismeer.
Charadrius helveticus C. Bonap.
kömmt nur am Strande des Eismeeres und da äusserst selten
vor. Den 30. August 1841 wurden zwei Exemplare bei Vejnäs
(zwischen Nordkyn und Vardöehuus) gesehen.
Strepsilas collarıs Temm.
kömmt selten *) in die nördlichsten Gegenden unsrer Halbinsel und _
brütet, meines Wissens, niemals in Ostfinmarken. : ı:
Altes Männchen. L. 10 Z., Fl.-Br. 20 Z.,.v. Handgelenk z.
Schw.-Sp. 67; Z., von der Ferse zur Schw.-Sp. 3 Z. Iris dun-
kelbraun. |
Numenius plıoeopus Lath.
kömmt häufig auf allen Alpenmooren ‘vor so weit die un
wächst, bis innerhalb des 70. Br. Grades. 0
Tringa marıtıma Brünn.
Während der Brütezeit soll man den Meerbusen - Strandläu-
fer auf den höheren Gebirgsebenen in Ostfinmarken suchen, und
er ist dort häufig; aber gegen den Herbst und während des gan-
zen Winters hält er sich in grossen Schaaren unten an der
Meeresküste auf. Aber zuweilen bekömmt man auch dann’ ein
*) Ich habe sie nur einmal und da während der Zugzeit gesehen.
Juckasjärwi d« 4. Juli 1842.
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 293
und das andere Exemplar innen im Lande zu sehen, so z. B.
schoss ich ein Männchen im Dorfe Utsjoki den 9. Octbr. 1841.
Tringa alpına L.
brütet auf den höheren Alpenmooren, jedoch überall sparsam.
Eben so habe ich sie an der Meeresküste getroffen, z. B. bei
Vadsöe in Ostfinmarken im August 1841.
Tringa Temminckii Leisl.
findet sich auf den meisten Alpenmooren und Brüchen, obgleich
sehr sparsam.
Altes Männchen: L. 63 Z., Fl.-Br. 123 Z., vom Handgelenk
bis zur Schw.-Sp. 4: Z., von der Ferse bis zur Schw.-Sp. 2 Z.
Iris dunkelbraun.
Tringa Islandica L.
habe ich niemals in den nordöstlichen Theilen unserer Halbinsel
gesehen. Auf den nördlichsten Mooren des Kölens habe ich sie
dagegen nistend gefunden.
Machetes pugnax Cuv.
ist sehr häufig auf niedrigen Alpenmooren so weit Kieferwald
wächst. |
Totanus hypoleucos Nilss.
ist sehr gemein bis hinab zum Eismeer.
Totanus fuscus Bechst.
findet sich häufig auf Mooren in Kieferwäldern, so weit diese
Baumart zu einiger Bedeutendheit erwächst. Am häufigsten habe
ich ihn in Enare Lappm. gefunden.
Totanus Glareola Bechst.
ist sehr häufig so weit Kieferwald wächst bis hinauf zum 70° an
der Mündung des Passvigelvs
Totanus Glottis Bechst.
(Auf Finnisch : Kliwi)
gleich wie der Vorige. Sein Nest baut er an die Seite eines
kleinen Erdhügels oder unter eine Birke oder einen Weidenbusch,
und legt darein 4 schmutzig wachsgelbe, birnförmige, mit schwar-
zen und dunkelbraunen Flecken überstreute Eier.
20
294 ÖOrnithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Limosa rufa Briss.
Die rostrothe Limose kömmt sehr allgemein in Enare Lappm.
vor und brütet dort zusammen mit Tot. Glottis; aber ich bin
nicht so glücklich gewesen ihr Nest zu finden. In den übrigen
Theilen von Skandinavien habe ich sie nieht nistend gefunden.
Scolopax Gallinago L.
Einzelne Bekkasinen habe ich hie und da getroffen bis zum
68°, jedoch überall selten. Ä
_ Phalaropus hyperboreus Lath.
(Auf Finnisch: Wesitiainen übers. Wasserfink.)
Den Wasserfink trifft man in allen nördlichsten Gegenden
Skandinaviens, sowohl in den inneren Landschaften und auf Al-
pen, als an der Meeresküste, wiewohl überall sehr selten.
Altes Männchen geschossen in Enare den 9. Juni 1841.
L. 72 Z., Schwanz ausserhalb der Flügel 4 Z. Die zusammen-
gelegten Füsse und der Tarsus auf der äusseren Seite schwarz-
grau, auf der inneren gelbgrau. Iris dunkelbraun. Er ist nicht
scheu und schwimmt leicht beinahe ganz und gar oben auf dem
Wasser.
Sterna Hirundo Gmel.
habe ich besonders in den westlichen Lappmarken (Karesuando
und Juckasjärwi) getroffen.
Sterna arcetiea Temm.
ist dagegen in den nördlichsten Gegenden unserer Halbinsel hei-
misch. (Enare und Utsjoki Lappm. bis hinauf zum 70°.)
Larus eburneus Gmel.
brütet nirgends in Ostfinmarken, sondern wird daselbst nur
während der kältesten Jahreszeit, als Strichvogel von Spitzber-
gen, getroffen. ;
Larus tridactylus L
ist sehr häufig an den Küsten des Eismeeres, Sommer und
Winter.
Larus canus L.
ist dagegen sehr selten.
Larus argentatus Brünn.
kömmt an der Seeküste sehr häufig mit seinen Gattungsverwand-
Ornithologischer Beitrag = zur ira Fauna. 29
ten vor und bisweilen wird man ihn auch, als seh im
Binnenlande sehen.
Larus glaucus Brünn.
wie der Vorige, jedoch habe ich ihn niemals im Binnenlande
gesehen. Er brütet auf Rehnöe in Ostfinmarken in Gesellschaft
mit Tausenden anderer Seevögel. Nachdem die Jungen flügge
sind bekömmt man sehr oft unzählige Schaaren von dieser Mö-
venart zu sehen.
Lestris pomarina Temm.
kömmt häufig an den Küsten des Eismeeres vor.
Lestris parasitica Nilss.
gleich wie die Vorige. Nachdem die Jungen erwachsen sind
bekömmt man zuweilen sowohl diese, als die Vorige in dem
Inneren des Landes z. B bei Utsjoki zu sehen.
Procellaria glacialis L
könmt während des Winters häufigst ausserhalb der Küsten des
Eismeeres vor. Niemals im Sommer.
Cygnus musicus Bechst.
(Auf Finnisch: Juokkainen)
findet sich in allen den von mir besuchten Lappmarken hie und
da auf wilden abgelegenen Mooren.
Anser segetum Mey.
(Auf Finnisch : Hanhi)
ist nicht selten, weder in Enare noch Utsjoki Lappm., wo er
auf abgelegenen Alpenmooren brütet.
Anser albifrons Bechst.
ist häufiger, als der Vorige. Er brütet ebenso auf abgelegenen
Mooren und Alpengewässern. Die Blässengans kommt auch i in
Karesuando und Juckasjärwi Lappm. vor.
Anser leucopsis Bechst.
Die Gebirgs- [Alpen-] Gans brütet in Enare Lappm., aber
sehr selten. Auf Kamasjoki sah ich ein Paar den 16. Jun. 1841.
Sonst habe ich sie während der Brütezeit nicht gesehen.
Anas Boschas L.
kömmt hie und da in Karesuando und Juckasjärwi Lappm. vor,
296 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
indessen sehr selten. In Enare Lappm. habe ich nur ein einzi-
ges Paar den 15. Juni 1841 bemerkt.
Anas acuta L.
ist gemein auf allen Flüssen und Seen, bis hinauf zur Mündung
des Passwigelvs.
Anas Penelope L.
wie die Vorhergehende, jedoch viel zahlreicher.
Anas Orecca L.
ist ganz gemein in den Lappmarken bis zu dem 69°.
Fuligula eristata Bonap-
wie die Vorhergehende, jedoch am zahlreichsten in Enare Lappm.
F uligula Marıla Bonap.
wie Anas Crecca.
Fuligula fusca Bonap.
(Auf Finnisch: Merilainen)
wie Anas Penelope. Ferner ist sie diejenige unter den Enten,
welche am längsten im Norden bleibt, und es ist das Eis und
nicht die Kälte, welche sie südwärts drängt.
Fuligula perspicillata Bonap.
brütet in Enare Lappm., aber sehr selten.
Fuligula nigra Bonap.
(Auf Finnisch: Walkia fiipi, Weissflügel)
kömmt sehr häufig vor, bis hinab zum Eismeer.
Fuligula Clangula Bonap.
ist in Enare Lappm. gemein, auch trifft man sie hie und da bis
zum 70° in Finmarken.
Fuliguia Stelleri Nilss.
habe ich niemals im Binnenlande getroffen. An der Küste ist
sie dagegen ganz gemein, sowohl zur Sommer- als Winterzeit.
Fuligula glacialis Bonap.
(Auf Finnisch: Alli)
Ist die gemeinste Ente auf den eigentlichen Gebirgssüm-
pfen, und man findet sie auch bisweilen nistend in Enäre
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 297
Lappmark. Auf den Buchten in Ostfinmarken habe ich sie im
Herbste getrofien.
Fuligula mollissima Bonap.
‚ist sehr gemein auf den Buchten in Finmarken, wo man sie un-
ter allen Jahreszeiten trifft
Fuligula speetabilis Bonap.
wie die Vorhergehende, doch weniger häufig.
Mergus Merganser L.
(Auf Finnisch: Lehmäkoskelo)
ist ganz gemein so weit Kieferwald wächst (70° am Passwigselv).
Mergus Serrator L.
(Auf Finnisch: Koskelo)
wie der Vorhergehende.
Mergus albellus L.
soll bisweilen in Karesuando Lappm. brüten, aber ich habe ihn
nirgends selbst, während irgend einer Jahreszeit, gefunden.
Sula Bassana Biriss,
kömmt an den Küsten des Eismeeres vor, jedoch nur während
der kalten Jahreszeit.
Phalacrocorax Carbo Briss.
kömmt zahlreich an der Küste vor, wo er auf den Vogelbergen
und an steilen Gebirgsstränden in Menge brütet.
Podiceps arcticus Boie.
trifft man hie und da bis zum Eismeer, jedoch überall sehr
selten.
Colymbus glacialis L.
ist gemein an der Küste, aber innerhalb des Landes habe ich
ihn nie gesehen.
Colymbus aretieus L.
trifft man überall im Binnenlande. An der Küste dagegen hahe
ich ihn nie gesehen.
Colymbus septentrionalis L.
brütet sowohl im Binnenlande, als an der Küste.
298 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna.
Uria Troile Temm.
kömmt sehr häufig auf den Buchten in Finmarken vor.
Uria Brünnichit Sabin.
wie die Vorhergehende.
Uria Grylle Lath.
ebenso, jedoch weniger gemein.
Mergulus Alle Ray.
kömmt nur während des Winters an der Küste des Eismeers,
aber dann in unzähliger Menge, vor.
Mormon arecticus llig.
brütet auf den Vogelbergen in Ostfinmarken, jedoch nirgends
häufig.
Alca Torda L.
wie der Vorhergehende, aber häufiger.
X.
Kürzere Mittheilungen.
Boheman’s Bericht
über seine Reise in Lappland im Jahre 1843*).
(Aus dem Schwedischen übersetzt von dem Universitäts - Gärtner
Dotzauer.)
Die Reise wurde am 24. Mai von Stockholm aus mit dem
Dampfboot nach Umeä angetreten und von da zu Land nach Luleä.
Während derselben wurden in der Nähe von Söderhamn einige
Schnecken, als Helix fruticum und Vitrina pellucida, so wie
ein und der andere Schmetterling von den Boten des Frühlings,
als Vanessa Antiopa, Urticae und Zephyrus Rubi, die noch
sparsam aufgeschlossenen Blumen umschwärmend, bemerkt. In
der Umgegend von Säfvar wanderten auf den Brüchen Totanus
Glareola und ochropus, so wie die Heer- Schnepfe (Scolopax
Gallinago) die ihres blöckenden Geschrei’s halber hier vom Volk
Myrbägger (Sumpfschaaf) genannt wird. Die Zwergbirke, so
wie Salix Lapponum blühten und Caltha war fast aufgeschlos-
sen. Auf den Palmweidenbüschen ( Salix caprea) zeigten sich
einige Zweiflügler- Arten, nämlich /teaphila Macquardi, Empis
borealis, Scaeva lasiophthalma und mehrere Hummeln, als
Bombus terresiris, hortorum und hypnorum. Bei Skellefteä
wurde der Mornellregenpfeifer (Charadrius Morinellus) geschos-
sen, der auf seinem Zuge nach Norden begriffen war. Der Un-
glücks-Häher (Garrulus infaustus) und der dreizehige Specht
*) Aus Öfversigt af Kongl. Vetenskaps- Akademiens Förhandlingar.
& 8 p
Nr. 5. (8. dies. Archiv Th. I. H. 1. S. 182. D, Red.)
300
(Picus tridactylus) waren in den Wäldern allgemein. Die Ve-
getation zeigte sich in dem Skelleftei Thal weiter vorgeschritten,
als auf dem Wege dahin. Auf sandigen Stellen wurde Antho-
myza unilineala gefangen. An den Ufern eines kleinen Seees
Cordylura Kunzei; Anthomyza myopina nebst Hydrophorus
litoreus var. $ Zett., der wahrscheinlich eine eigene Art aus-
macht. In derselben Gegend zeigten sich unter nordischen Co-
leopteren: Colymbetes arcticus; Elater rivularis; Tachinus elon-
gatus und Omalium luridum. Bei Abyn wurde zuerst Pterosti-
chus borealis und Aphodius piceus bemerkt. Bei Kinbäck flog
auf trocknen Hügeln der schöne Polyommatus Helle in mehrern
Veränderungen, so wie Lita Virgella. Auf Palmweidenblüthen
war Bombus Schrimshiranus allgemein. Bei Lulei, wo die An-
kunft am 3. Juni erfolgte, wurden folgende seltneren Insekten an
den Flussufern gesammelt: Pterostichus borealis; Bembidium
Grapü; Aleochara humeralis; Tachinus elongatus, so wie auf
Weidenblüthen Ceroctenes Masculella; Bombus arcticus; Vespa
norvegica;s Brachyopa dorsata; Anthomyza denticauda u. m.
Von hier wurde während der Reise nach Quickjock der Luleä-
Elf verfolgt, auf dem sich Schaaren von Mergus- Arten, Anas
Crecca, Fuligula und Penelope mit mehrern Seevögeln zeisten.
Die schroffen sandigen Ufer wurden von Hirundo riparia, die
sich bereits zahlreich eingefunden hatte, bewohnt. Bei Räbäcken
schien die Vegetation weiter vorgeschritten, als in der Nähe
des Meeres, und entwickelte sich während meines siebentägigen
Aufenthaltes mit in Erstaunen setzender Hast. Die Birke trieb
ihre Blätter, der Boden grünte und Caltha, Trientalis, Rubus
arcticus, Ribes rubrum, hier allgemein, O.alis u. m. blühten.
Salix Lapponum war bereits verblüht und die Traubenkirsche
(Prunus Padus L.) stand in Knospen. Die Wärme war biswei-
len sehr stark. Regen kam plötzlich auf und fiel mit starken
Tropfen. Das emporschossende Getraide wuchs so, dass man
mit jedem Tag die Zunahme bemerken konnte. Das Merkwür-
digste, was in entomologischer Hinsicht hier gefunden und bis-
her bestimmt werden konnte, war Folgendes: Cicindela silva-
tica; Amara torrida, Quenselü; Lebia Crux minor; Elater
affinis, costalis, melancholicus; Aphodius depressus; Platyce-
rus caraboides ; Catheretes bipustulatus ; Boletophagus erena-
tus; Hylesinus glabratus; Lina lapponica; Orsodachna Betu-
lae; Coccinella bottnica, trifasciata; Cydnus biguttatus ; Seio-
coris umbrinus; Chermes picta; Argynnis Freija; Polyommatus
Helle; Endromis versicolora; Anarta cordigera; Fidonia am-
nicularia; Caradrina palustris; Hercyna holosericalis; Enny-
301
chia Smaculalis; Perla bicaudata; Cimbex aenea; Bombus
arclicus; Rhamphomyza dentipes; Brachyopa viltata, dorsata,
einerea Wahlb. nov. spec.; Helophilus bottnicus Wahlh.;
Scaeva nitidicollis?, podagrata, decora, macularis, arctica,
larsala, Gmaculata, lapponica, nitidula, Lineola, ambigua;
Pipiza anthracina und rufimana, die wahrscheinlich die ver-
schiedenen Geschlechter einer Art sind; Psilota nigra 49; Ay-
lota femorata, nigripes; Hydrophorus nebulosus; Opomyza
gultipennis (gemein); Anthomyza scatophagina; Cordylura pro-
boscidea, ustulata, caudata, rufimana; Psiloconopa Meigenii
nebst einer Art eines früher unbekannten Geschlechtes, Sela-
chops flavocineta W ahlb. der Familie Agromyzides angehörend.
Von Vögeln wurden bemerkt: Sylvia abielina; Sterna caspia.
Corvus Pica wird hier seltener und scheint gegen den Polarkreis
hin aufzuhören.
Bei Bredäiker, woselbst ich am 1. Juni anlangte, begann
die Traubenkirsche zu blühen und Alnus incana sich zu belau-
ben. Unter den Gewächsen wurden bemerkt: Salix hastata:
Botrychium rutaceum ; Peltidea urctica, und von seltenern, vor-
her nieht getroffenen Insekten: Leiochiton arcticus; Elater
Quercus; Aphodius lapponum; Elophorus tuberculatus; Eri-
rhinus salicinus; Thamnophilus phlegmaticus; Bostrychus ge-
minatus , Gonioctena affinis; Haltica femorata ; Coccinella hy-
perborea; Cimbex femorata; Scaeva topiaria und eine neue
Art mit ausgebreiteten Hintermetatarsen, zwei neue Arten Me-
deterus, Musca sordida, groenlandica; Cordylura Friesü u. nm.
Alauda arvensis und Muscicapa atricapilla schienen hier aufzu-
hören. Bei Harads, wo die Ruderer wechselten, wurden am
Ufer .Notiphila guttipennis nov. spec., Ihamphomyza nitida
nebst Lita caesiella gefangen. Bei Storsand wurden gesammelt:
Buprestis acuminata; ÜClerus femoralis; Hylecoetus dermestoi-
des; Elater serraticornis; Erirhinus bituberculatus; Dendro-
phagus crenatus; Upis ceramboides; Satyrus Embla (in Nadel-
hölzern) Psyche nitidella (in der Paarung), wovon das Weibchen
fast der Larve gleicht, auch während der Paarung in dem Cocon
bleibt; von Pachyneura fasciata, von welcher das Männchen bis
dahin unbekannt und das Weibchen vorher nur einmal gefunden
worden war, flogen beide Geschlechter um trockne Nadelholz-
stämme; Aylota nigripes; Scaeva rostrata?; und auf den Blü-
then der Salix glauca: Helophilus bottnieus Wahlb. n. sp.;
Brachyopa ferruginea, dorsata, testacea, die vorher bei R4-
bäcken gefundene 3. cinerea; Scaeva arclica; Tachypeza Win-
themi; Ikhamphomyza. Aethiops, fuliginella u.m. Während eines
20 *
302
kurzen Aufenthaltes bei Porsi wurde Zarpalus torridus; Lita
caesiella und von der seltenen Tluchina ocypterina ein Exem-
plar getroffen. Bei Nelkerim wurde unter Steinen das Gehäuse
einer Osmia, das aus mehrern zusammengeleimten Cocons be-
stand, gefunden; Cymindis basalis; Elater costalis; Necropho-
rus morluorum: Cidaria hastata; Ayela pusilla; Hilara pili-
pes. In der Gegend von Jockmock kamen Salix myrtilloides ;
Saxifraga Hirculus; Schoenus fuscus; Norna borealis; Lyco-
podium alpinum vor. In der Nähe des Pfarrhofes wuchs eine
besondere Varietät der Pinus silvestris, mit kurzen in Kränzen
sitzenden Nadeln. Die Ausbeute an Insekten war nicht von Be-
deutung, doch verdienen angeführt zu werden: Elater linearis;
Olistophus megacephalus, substriatus; Haltica Erichsoni; Do-
lichopus Stenhammari, maculipennis; Pachygaster minutissimus
vel nov. spec. In der Nähe des Polarkreises schienen Sazicol«
Rubetra und Sylvia Rubecula aufzuhören. Parus sibiricus war
hier in Nadelwäldern gemein. Beim Bootplatz von Purkijaur
wurde zuerst Anarta melaleuca gefangen und bei Randijaur
Nebria Gyllenhalii; Pelophila borealis; Tetratoma Ancora;
Chrysomela Armoraciae; Nemalus Deutschü; Hilara niti-
dula; Cordylura Kunzei und flaveola. Am südöstlichen Ende
des Skalka-See’s kamen von Pflanzen Salix lanata und Tussi-
lago friyida und von Insekten Elater fasciatus; Euteia trunca-
tella, für Schweden neu; Adela ammanella und Ctenophora
nigricornis vor. Um Tjomotis zeigte sich eine reichere Alpen-
vegetation. Von Insekten kam hier Leptura borealis vor, selten.
auf Weidenblüthen; Helophorus fennicus, gemein in kleinen
Wasserpfützen; Anthophagus alpinus, globulicollis: Pieris
Bryoniae flog zahlreich auf Cardamine pratensis; Plusia diver-
gens; Anthomyza aculeipes und triangulifera sparsam. Die
letzten Sperlinge (Fringilla domestica) zeigten sich hier. Die
Ankunft zu Quickjock geschah am 27. Juni. In den niedrigern
Gegenden waren nun die Weidenarten grösstentheils verblüht.
Die Traubenkirsche und der Johannisbeerbusch standen im Be-
griff Blüthen zu entwickeln. Astragalus alpinus und andere
frühzeitigere Alpenpflanzen, 7’rollius u. m. hatten zu treiben be-
sonnen. Die Flora der Gegend von Quickjock ist herrlich und
mannigfaltig, besonders auf dem sich weit erstreckenden Alpen-
Gebirge. Folgende so hoch im Norden vorher noch nicht beob-
achteten Pflanzen wurden bemerkt: Veronica officinalis (auf der
Südseite des Njammats); Triticum caninum (auf Inseln in Sag-
gat und unterhalb Njunnas); Plantago major (bei den Gebäu-
den); Zpilobium montanım (am südlichen Abhang des Njam-
303
mats); Paris quadrifolia (im Valliskog); Lychnis silvestris
carnea (Valliskog und unterhalb Njunnas); Melampyrum sil-
vaticum (gemein in Wäldern); Anthyllis vulneraria (Njunnas);
Hieracium murorum (gemein); HA. boreale (Njammats, Njunnas) ;
Aspidium Filix mas (Njumnas) ; Botrychium rutaceum (Snjerak).
Die Blüthen, z. B. von Leontodon, schlossen sich gegen Abend
ungeachtet der fortwährenden Tageshelle.
Wie bedeutend die Artenanzahl der Insekten in den höhern
Gebirgsgegenden abnimmt, erweist sich daraus, dass bei einem
sechswöchentlichen Aufenthalt zu Quickjock nur gegen 200 Ar-
ten Coleopteren gesammelt wurden. Mehrere der auf dem
niedrigen Lande allgemein vorkommenden, als z. B. den Mist-
käfer ( Scarubaeus stercorarius) vermisste man ganz und gar.
Von der Gattung Carabus fand sich nur €. glabratus, dieser je-
doch hoch auf dem Gebirge. Orthopteren waren nicht zahlreich.
Gryllus pedestris, die einzige hier vorkommende Art dieses Ge-
schlechtes, geht bis auf die Höhe des Gebirges. Die Ordnung
der Hemipteren hat zwar einige ausgezeichnetere Formen auf-
zuweisen, ist aber an Arten wenig zahlreich; von Lepidopteren
kommen Tag- und Nachtfalter in wenigen Species vor; aber an
Microlepidopteren sind die Gebirgsgegenden reicher; Aymeno-
pteren sind mit Ausnahme der Hummeln und Parasiten im ÄAll-
gemeinen selten; die Dipteren machen die grösste Menge aus.
Sind der Arten wenige, so ist dagegen die Anzahl der Indivi-
duen um so viel grösser, wovon die lästigen und in so unerhör-
ter Menge vorkommenden Mücken und Beissmücken ( Culex
canlans, pipiens, silvaticus; Simulia reptans, nana; ÜCeratopo-
gon Pulicarius), nebst mehrern andern Arten der Dipteren ein
Beispiel geben. Von zwei kleinen Cicaden, C. abdominalis und
pallens, erhielt man zuweilen im Kescher eine solche Menge,
dass mehrere Tausende den Boden desselben bedeckten und
die Untersuchung des sonst noch Aufgefangenen verhinderten.
Flüsse und Seeen zeigten grosse Armuth an Insekten, wo-
von die Ursache ohne Zweifel in dem reinen und eiskalten Was-
ser, das mit grosser Schnelligkeit von den Gebirgen stürzt, zu
suchen ist. Die bemerkungswürdigsten der darin vorkommenden
sind: Dyticus lapponicus und septentrionalis, welcher letztere
sicherlich eine schlichte weibliche Form des erstern ist: unter
mehrern Hunderten gesammelter Exemplare fanden sich nur 8
bis 10 weibliche mit gereiften Flügeldecken; Agyabus fuscipen-
nis, arcticus, maculatus; Hydroporus griseostriatus, quinque-
striatus, alpinus, bidentatus und Haliplus impressus in den
tiefer liegenden Wässern, wogegen die Gebirgsseeen Colymbetes
304
dolabratus; Agabus aretieus, affinis, bipunetatus ; Hydroporus
alpinus, 'Striola ü. m. enthielten. Von Helophorus fennicus.
der bei Tjomotis gemein war, wurde hier nur em Exemplar auf-
gefunden.
Die hauptsächlichst von Poa pratensis und Aira caespitosa
gebildeten und mit üppigem Wachsthum bekleideten Wiesen
sind durch natürliche Hecken von Weiden, Traubenkirschen und
weissen Erlen, zwischen denen Aconitum septentrionule; Son-
chus alpinus,; Epiüobium angustifolium; Geranium silvatieum
u. m. in grosser Menge und Ueppigkeit wachsen, eingeschlos-
sen. Unter den Insekten wurden daselbst gefunden: Amara tor-
rida, @Quenseli; Simplocaria pieipes; Antherophagus pallens;
Catops nigrita, fuliginosa und 2 neue Arten; Colon languidum,
fuseulum, dentipes; Philonthus parumpunctatus; Malthinus sul-
cifrons; FAulecoetus dermestoides, Anisotoma picea, longipes,
multistriata, und eine neue Art; Aydnobius punetatus, sutura-
lis; Anaspis arclica; Letridius angusticollis; Saperda scalaris,
populnea; Pachyta interrogalionis, sexmaculata; Crepidodera
femorata; Cocecinella trifasciata; Opkthalmocoris Sahlbergü;
Pieris Bryoniae, Larven von Notodonta Ziezac, camelina; Py-
gaera curtula und Orgyia Coryli; Hepialus Velleda; Xylina
Solidaginis; Aplecta occulta, die Larve von Apamea luecipara
und Hadena frigida; Plusia divergens; Ennomos illunariazy die
Larve von Nyssia lapponaria (ausgebrütet in Stockholm); Chau-
liodus Pontificellus; Tortrix Penziana; Phyeis auriciliella;
Megachile lagopoda; Tabanus albo-maculatus, boreulis, auri-
pilus, confinis; Sargus nov. speec.; Thereva Vetula 89, lunulata
und eine neue Art; Psilocephala imberbis; Tachydromia atra
Wahlb. Macula, confinis, sliigmatella; Hilara infans; Ieham-
phomyza paradozxa und poplitea W ahlb.; Chrysotoxum faseio-
latum; Helophilus lapponicus Wahlb. nov. spec., Eristalis lu-
corum, longula, ruficornis; Parayus punctulatus, Aylota ni-
gripes, Pipunculus flavipes und 1 neue Art; Oestrus Trompe,
Tarandi (selten); Tachina futilis, ruficauda, nebst einer neuen
Art; Dezia triangulifera; Aricia ignobilis Zett. nov. spec.,
didyma Zett. n. sp.; Scatophaga Morio; Photomyza elegans;
Trineura, mehrere neue Arten; Hirtea Umbellatarum; Nephro-
toma dorsualis.
Die mit kleinen Weidenbüschen bewachsenen Sümpfe und
Flussufer lieferten reiche Ernte und es kamen daselbst vor:
Elaphrus lapponicus; Pelophila borealis; Agonum ‚consimile;
Anthobium flavipenne; Omalium fossulatum und zwei neue Ar-
ten; Olophrum boreale, consimile; Arpedium quadratum ‚ bra-
305
chypteruiu; Anthophagus rotundicollis; Othius melanocepha-
lus; Tachinus elongatus; Podabrus alpinus, lapponicus; Cry-
ptocephalus decempunctatus; Hippodaniia strigata; Hylobius ar-
elicus; einige Arten von Salda, die bis jetzt noch ‚nicht be-
stimmt sind; Phytocoris marginata; Cicada pallens; Colias
Palaeno; ne Pales ; Hesperia Fritillum ; Acidalia implu-
viata; Larentia paludala; Sericoris Schulziana ; Tortrix. argil-
laceana.; Chilo Ocellellus nebst: mehrern ausgezeichneten Micro-
lepidopteren; Aeschna borealis, arctica; Phryganen reticulata
m. m. Arten; Tabanus plebejus; Chrysops nigripes in Menge,
die vorher nur in der Nähe des Nord-Cap’s gefunden worden war.
Hilara, abdominalis; Brachystoma Westermanni, Bohemani,
tenellaW ahlb.; Rhamphomyza anomalinaundmodestaWahlb.;
Hydrophorus spinimanus; Medeterus paradoxus Bhn. nov.
sp.; Rhaphium elegantulum, crassipes, tarsatum; Dolichopus
Mannerheimi, urbanus, Stenhammari, Fraterculus, maculipen-
nis und zwei neue Arten; Scaeva podagrata, dubia; Scopolia
nova spec.; Aricia maculipennis, Zett. nov,sp., brunneisguama
hett. nov. sp;, hirsutula, nigritella, ‚duplicata, nigriventris
Bhn. n. sp., scoparia Wahlb. n. sp.; Cordylura caudala,
Hircus, Friesü, atrata Wahlb. n. sp.; Coenosia nov. sp.;
Lispa tentaculata; Lonchea Deutschiü; Sciomyza bicolor; Si-
mulia ferrugineaWahlb. n. sp.; Sciara bicolor Meig:: Aedes
cinereus; Chironomus rufipes; zonellus , frigidus u. m.; Erio-
ptera faseipennis;: Dicranota Guerini.
Die auf den: Gebirgsabhängen aus ziemlich schlanken Fich-
ten (Pinus Abies Lin.) bestehenden. Wälder und die kleinern
Thäler um die von den Alpen-Gebirgen herabrinnenden Bäche
enthielten viele bemerkenswerthe Arten, als: Synlomium aeneum ;
Aphodius Lapponum, Pigeus; Cetonia aenea; Trichius fascia-
tus; Elater: bifasciatus, Ampedus nigrinus; Dietyopterus Au-
rora; Anthocomus Cardiacae; Ludius affinis; Dasytes tarsalis;
Anobium zwei, neue Arten; Aylastes glabratus und. eine neue
Art; Apate substriatus, elongatus; Biophloeus dermestoides;
Asemum striatum; Pachyta borealis, marginata, smaragdula
(in. Menge); Lina lapponica; Geocoris lapponica; T’hamnotet-
tx tincta; Argynnis Thore; Anarta melaleuca, funesta; Botys
numeralis (sehr gemein); Scopula albidalis, pinetalis; Geome-
Ira ziezacata; Cidaria hastata; Larentia decrepitata, inciliata ;
Cidaria Propugnaria; Coccyx arbulana; Chilo n. sp.; Adela
circulella, Naezenella; Haemylis Viduella; Nematus septentrio-
nalis; Lyda zwei Arten; Xyela pusilla; Alomya Debellator ;
Ryssa persuasoria; Spalangia nigra; Crabro lapponieus; Bom-
306
bus consobrinus, Lapponum, Schrimshiranus, hortorum, prato-
rum, hypnorum, und höher nach den Alpen hinauf 2. nivalis;
Antalia Gyllenhali; Tachypeza Winthemi; Hilara spinimana;
Rhamphomyza hybotina, plumifera, Morio, dentipes; Wiede-
mannia borealis, appendiculata;, Microcera rostrata; Dolicho-
pus Mannerheimi, festinans; Scaeva latimana Wahlb. n. sp.,
Pelococera scaevoides; Helophilus affinis Wahlb. n. sp., lap-
ponicus Wahlb. n. sp.; Eristalis lucorum, rostrata; Sphegina
clunipes; Callomyza boreella, speciosa und dives; Platypeza
picta; Tachina futilis und eine neue Art; Trixa limbata;
Sarcophaga mortuorum; Mesembrina mystacea, resplendens
Wahlb. n. sp.; Aricia Morio, umbratica, longipes, aculeipes,
nigritella, separ Zett. n. sp.; Dryomyza decrepita; Scato-
phaga Audouini; Lefebvrü; Piophila lonchaeoldes; Macro-
chira flava 2, wovon das Männchen früher nicht bekannt war.
In Wäldern auf abgebrannten Plätzen wurden gesammelt:
Thymalus limbatus; Cychramus ferrugineus; Nitidula boreella,
breviuscula n. sp.; Olistophus substriatus; Bolitobius speciosus
n. sp., lunulatus, cingulatus, rufus; Leiodes glaber; Agathi-
dium nigripenne; Tetratoma Ancora; Mordella atomaria; Hal-
lomenus micans; Bromius obscurus; Triplax bicolor, aenea;
Acridium dorsuale, obscurum, hilare; Cicadula Dahlbomi, stri-
gipes; Chermes picta; Botys numeralis; Xiphydria Camelus;
Thereva Vetula; Asilus variabilis u. m.
Das Alpengebirge hat zwar nicht so viele Arten aufzuwei-
sen, aber der grösste Theil davon gehört demselben ausschliess-
lich zu, so dass als von besonderm Werth aufzuzählen wären:
Nebria nivalis ; Cychrus rostratus; Leiochitum arcticum , Amara
alpina; Patrobus septentrionis; Colymbetes dolabratus; Hydro-
porus Lapponum, Striola; Anthophagus rotundicollis; Oma-
lium n. sp., Silpha lapponica; Podabrus alpinus; Lina lappo-
nica, alpina; Gonioctena affinis in mehrern schönen Varietä-
ten; Cicada n. sp., Argynnis Freija, Pales; Erebia Manto,
Norna (var. Hilda); Lycaena n. sp., nächst Pheretes; Zygaena
exulans; Anarta melaleuca, menalopa; Psodos trepidaria, fu-
scaria, von welcher letztern das bis jetzt unbekannte Weibchen,
welches mit kurzen Flügeln versehen und unvermögend ist zu
fliegen, hier zuerst gefunden wurde ; Fidonia sordidaria; Tor-
trix boreana; Chilo furcatellus und eine neue Art; Adela eir-
culella; Sericoris Schulziana nebst mehrern Microlepidopteren,
die bis jetzt noch nicht konnten bestimmt werden; Bombus ni-
valis, Lapponum, eine ausgezeichnet schöne Tenthredinee mit
sesägten Fühlfäden, wahrscheinlich eine neue Gattung, mehrere
307
Nemati und Ichneumonen; Tabanus borealis, alpinus; T'hereva
fuscinervis; Rhamphomyza alpina, Morio, pusilla; Hydropho-
rus spinimanus, alpinus Bhn. n. sp.; Dolichopus Stenhammari,
maculipennis; Eristalis melanopa; Oestrus Tarandi (in der Be-
gattung) und T’rrompe (ebenfalls sich paarend); Echinomyia al-
pina Bhn. n.sp.;. Tachina cornula; Sarcophaga alpina; Aricia
Alpicola, contractifrons nebst mehrern neuen Arten; Cordylura
clavata Bhn. n. sp. und eine andre neue Art; Hirtea Umbella-
tarum; Tipula nubeculosa. Auf der höchsten Spitze gegen die
Schneegränze hin zeigten sich von diesen: Nebrina nivalis; Cy-
chrus rostratus; Leiochitum arcticum; Amara alpina;. Patrobus
septentrionis; Lina alpina; Argynnis Pales; Psodos trepidaria ;
Geometra polaria vel nov. spec.; Chilo furcatellus; Oestrus
Trompe; Echinomyia alpina; Anthomyza nov. sp. und Tipula
nubeculosa.
Ungeachtet genauer Nachforschungen konnte über das Vor-
kommen einiger Muscheln in der Lappmark keine Aufklärung
erlangt werden, mit Ausnahme der Perlmuschel (Unio |mar-
garitifer) welche in ziemlicher Menge im Silbojock oder Perl-
elf sich findet. An Schnecken ist ebenfalls in den höhern Ge-
birgsgegenden Mangel. Nur bei Quickjock bemerkte ich Helix
arbustorum L., H. ruderata Stud., H. fulva Müll:; Bulimus
lubricus Müll.; Vertigo edentula Drap.; Succinea amphibia
Drap.; Limnaea ovata Pfeiff. var.
Die Rückreise von Quickjock wurde am 14. Aug. auf dem
Wege der Hinreise angetreten. Bei dem Sumpf von Saggat
wurden getroffen: Hyphydrus alpinus, bidentatus und Ichneumon
Monticola; bei Tjomotis: Buprestis appendiculata; Helophorus
fennicus; in der Nähe von Randijaur: Simplocaria picipes;
Bomby:x lobulina (die Puppe); Dolichopus Sahlbergü; Cor-
dylura livens; in der Gegend von Storsand: Upis ceramboides;
Pytho depressus; Tetradoma Ancoru; Mwycetophagus mulli-
punctatus; Bombus .arclicus; Phasia flavipennis Wahlb. n.sp.;
Cryptophagus clavatus; . Oxytelus caelatus; Ennomos apicia-
ria; Aylina Solidaginis; Coccyx decorana; Eristalis longula;
Scaeva Grossulariae, alneti, annulipes , lapponica 42 und eine
Varietät mit schwarzem. ungeflecktem Bauch, gutiata; Aylota
bifasciata ; Anthomyza haemorrhoum; Simulia nana;. Perla vi-
ridis; bei Bredäker: Bembidium nanum;, Dasytes obscurus;
Haltica Praticola (gemein); Crı yptocephalus quadripustulatus,
Pini; Cicadula Germari; Aeridium scriptum; Ophion ( Pani-
scus) glaucopterus; Scopolia picta Wahlb. n. sp.; in der
Nähe von Heden: .Cicada lineigera; Bombus Derhamellus;
308
Phasia muscaria, flavipennis und bei Räbäcken: 'Starabaeus
stercorarius; Aphodius fimetarius; Colymbetes arctieus; Orso-
dachna Betulae; Stenolrachelus aeneus; Miselia culta; Aylina
Solidaginis; Corizus miriformis, Cercopis campestris,; Coceyz
decorana (gemein auf Blumen von Solidago); Psocus vittatus;
Sciodes n. sp. (ganz klein, weiss mit einem dunkeln Fleck auf
jedem Oberflügel); Hydrophorus nebulosus; Echinomyia Mar-
klini; Dexia triangulifera 2: Tachina discolor; Phasia flavi-
pennis, convexa Wahlb. n. sp., nebst einer wahrscheinlich
neuen Art der Gattung Helix, ausgezeichnet unter Anderm
durch scharf erhöhte Ränder, die den Spiralwindungen folgen.
Hämozoön des Hechtes.
Hr. Dr. Berg in Stockholm hat dem Hrn. S. Loven Fol-
gendes über gewisse, im Blute aus dem Herzen des Hechtes
von ihm beobachtete — angebliche — Thierchen mitgetheilt:
„Die Form des Thierchens ist wegen der Lebhaftigkeit sei-
ner Bewegungen schwer zu bestimmen; wenn diese aber schwä-
cher werden, so zeigt sie sich als ein etwas abgeplatteter,
schmaler Cylinder, von welchem seiner ganzen Länge nach eine
Art von dünnem Kamm oder einer Mähne ausgeht. Dieser
Kamm, dessen Breite auf der Mitte des Thierchens am grössten
ist und dort sich wohl bis zur doppelten Breite des Körpers oder
Cylinders zu erheben scheint, verschmälert sich nach den bei-
den Enden des Thiers. Am einen Ende des Cylinders meine
ich eine kleine ringförmige Anschwellung gefunden zu haben,
welche sich durch eine stärkere Lichtbrechung zu erkennen giebt.
Auf der Mitte des Körpers sah ich auch bei einigen Individuen
einige Puncte, welche innere Organe anzudeuten scheinen. Das
kammförmige Gebilde scheint das vorzüglichste Bewegungsorgan
des Thiers zu seyn. Es ist in einer gleichmässigen, wellenför-
migen Bewegung, welche von dem einen Ende des Körpers bis
zu dem andern fortgeht und die grösste Aehnlichkeit mit der
Wimperbewegung besitzt. Wenn das Thier sich lebhaft schlän-
gelt, wendet und rollt, so zeigt es sich, von oben angesehen,
in den verschiedensten Gestaltungen und mit jeder Art von Aus-
biegungen und Ecken, welche man am besten mit allen den For-
men vergleichen kann, die ein im Wasser nach allen Richtungen
herum geschleudertes Stück Leinwand annimmt. Die Grösse
der mir zu Gesichte gekommenen Exemplare wechselte; die
309
Länge betrug etwa zwischen 1! bis 3mal die Breife eines der
ovalen Blutkörperchen. Noch am sechsten Tage sah ich die
Thierchen in einem zwischen zwei Glasscheiben hermetisch ein-
geschlossenen kleinen Blutstropfen bei der gewöhnlichen Tem-
peratur meines Zimmers von 12° leben. Was ihre Menge im
Blute betrifft, so habe ich in®&inem kleinen Blutstropfen wenig-
stens 8 bis 10 gesehen. Da ich unter fünf untersuchten Hech-
ten sie bei vieren fand, so ist zu vermuthen, dass sie sehr oft
vorkommen. Ansehen und Geschmack der Fische haben mir
eben keine Veranlassung gegeben, auf etwas Krankhaftes bei
ihnen zu schliessen.“ (Aus der Ärsberättelse om Zoologiens
framsteg under ären 1840-—42 etc., 3dje Delen, | Crustacea,
Vermes Linn.] af S. Loven, Stockh. 1844, p. 107—8, mitge-
theilt vom Dr. Creplin.)
Bemerkung des deutschen Mittheilers. Loven rech-
net die hier beschriebenen kleinen Wesen zu der Infusoriengattung
Amoeba Ehrenb., nach Valentin’s Vorgange, welcher andere,
ähnliche, 'von ihm im Blute der gemeinen Forelle entdeckte zu
derselben bringen zu müssen glaubte. Ich suchte im Herbste vor.
J., nachdem ich die Berg’sche Beobachtung gelesen hatte,
jene im Herzblute eines noch lebenden Hechtes (von etwa 1’ L.)
auf und fand sie auch sogleich, obzwar ihrer nur wenige Exem-
plare; bei einem zweiten, nur wenig grüssern, eben gestorbenen
Hechte suchte ich sie vergebens; aber im Biute eines dritten,
lebendigen, welcher noch kleiner war, als der zuerst untersuchte,
traf ich sie wiederum. und zwar in grösserer Anzahl, als bei
diesem, an. Die Gestaltung derselben scheint mir im allgemei-
nen von Ber’ naturgemäss aufgefasst zu seyn und hat viele
Aehnlichkeit mit den Zeichnungen, welche Gruby (Ann. d. sc.
nat., 3eme serie, 1, auf Pl. 1, B, unter Fig. 1—3) von den ana-
logen Gebilden aus Froschblute gegeben hat. Gruby nennt
diese —, wie die aus dem Hechtsblute, höchst beweglichen, —
Gebilde Trypanosoma sanguinis, sie als eine neue Gattung und
Art von Infusionsthierchen betrachtend. Ohne Zweifel dieselben
waren es, welche Mayer in seinem Spicilegium obss. anatom.
de Organo electrico in Rajis anelectricis et de Haematozois,
Bonnae, 1843, p. 11, unter dem Namen Amoeba rotatoria (e
sanguine Ranae esculentae) beschrieben und Tab. III, Fig. 11,
abgebildet hat, und die auch Gluge schon vor ihm — im Herz-
blute eines Frosches — (s. Müller’s Archiv f. Anat. etc., J.
1842, S. 148,) gefunden hatte.
Ich kann mich nicht davon überzeugen, dass diese, mit
dem alleinigen Namen Hämozo&n (wenn man das Zoo» in dieser
21
310
Zusammensetzung nur in der allgemeinen Bedeutung eines mit
Leben begabten Wesens. nimmt) gewiss. ganz gut bezeichne-
ten. Gebilde wahre Thiere seien. Es fehlt denen aus dem
Hechte, so viel ich gesehen habe, an allen thierischen Organen.
Puncte, deren Berg erwähnt, habe auch ich bei. mehren gese-
hen; sie zeigten sich aber nur, wenn sich diese Hämozoen aufs
lebhafteste bewegten, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich
sie einer Täuschung zuschreibe, welche durch die ‘sich: schnell
erhebenden und wieder senkenden ‚Spitzen. des Kammes entste-
hen; bei den schwächeren Bewegungen. und. in den. ruhenden
Hämozo@n kamen sie nicht zum Vorscheine, und Alles war dann
homogen. Von einem ringförmigen Wulste bin ich gar nichts
sewahr geworden. In einem einzigen Exemplare sah ich etwa
in der Mitte des Körpers eine grosse, kreisrunde, helle Stelle,
welche sich auch während der heftigen Bewegungen kugelförmig
erhob und ohne Zweifel den Vacuolen zu vergleichen war, ‚die
man in so vielen niederen Infusorien entstehen und wieder ver-
schwinden sieht, und die nur eine ‚Eigenschaft der Materie, aus
welcher sie, wie unsere Hämozoen, gebildet sind, zum Grunde
haben, keinesweges aber Organe seyn können. Die Bewegung
schien mir auch gar auf keiner thierischen. Willkühr zu beruhen;
es war ein beständiges, äusserst schnelles, immerfort abwech-
selndes Zusammenfalten und Ausbreiten, Ausdehnen und Einzie-
hen der einzelnen Theile, Verbreitern und Verschmälern, Biegen
und Strecken des ganzen Körpers, und bei allem diesem Treiben
kam keine andere Ortsbewegung zu Stande, als die wenig be-
deutende, welche eben nur durch die Heftigkeit jenes. schnellen,
gleichsam convulsivischen Formwechsels erzeugt ward. —. Die
Vergleichung dieser Hämozoen mit der Amoeba diffluens scheint
mir gar nicht recht passend zu seyn, obzwar diese auch gewiss
kein, ja noch weniger ein, Thier ist. Unsere Hämozoön stehen in
der Reihenordnung lebenbegabter Bildungen etwas höher, als
Amoeba diffluens, durch ihre, ebzwar sehr veränderliche ‚doch
bestimmte Gestaltung: ferner unterscheiden sie sich von ihr dureh
die Schnelligkeit der Bewegungen. Amoeba diffliens ist nichts
Anderes, als — wie Voigt (Lehrb. d. Zoologie.) richtig‘ sagt
— „ein helles Schleimklümpchen “ ohne alle’ bestimmte Gestalt,
welches aber, vermöge seiner äusserst langsamen und dabei zu-
gleich mannichfaltigsten Ausdehnungen und Zusammenziehungen
eine Menge von Gestalten, die immer nur kurzen Bestand haben,
annimmt. Sinnreich ist der Name Chaos Proteus, mit welchem
Linne diese kleine ‚„rudis indigestague moles “ bezeichnete.
3ll
ısRemak hat die vom Dr. Berg beschriebenen Hämozoen
im 'Blute der meisten von ihm untersuchten Flussfische, und
zwar constant in dem des Hechts, schon früher gefunden; ich
wurde aber, obgleich sein Fund schon von Sieb old in dessen hel-
minthologischem Jahresberichte für 1842 (in Erichson’s Archi,
1843, Bd. II, S. 333 —4,) angeführt worden ist, auf denselben
erst, nachdem ich das Obige niedergeschrieben hatte, aufmerk-
samer 'und 'verschaflte mir Remak’s eigene Notiz über den
Gegenstand, in Canstatt’s medicinischem Jahresberichte,
Jahrg. 1, H. 3. (1842), Leistungen der Physiol. i. J. 1841, S. 10,
Anm. "Er nennt diese Wesen ebenfalls nur Gebilde, nicht Thiere,
da es ihm nie geschienen, dass ihre Bewegungen für willkühr-
licher zu halten seien, als die der Spermozoen; auflallendere
Ortsbewegung habe ihm dort immer nur durch äussern Impuls
bedingt geschienen; u. 8. w,
Ueber ‚den Zug der Kraniche und die Namen Grus,
Numenius und Graculus *),
In der Sitzung der Akademie am 10. Octbr. v. J. theilte
Hr. Sundevall eine Zusammenstellung der, in Folge einer
Aufforderung der Akademie, aus verschiedenen Gegenden des
Landes eingegangenen Beobachtungen ‚über den Zug der Krani-
che mit, welche jedoch nicht so vollständig ausgefallen, als man
wünschte und hoffen kann sie im folgenden Jahre zu liefern, in-
dem die Aufforderung der Akademie zu diesen Beobachtungen
aus mancherlei Ursachen verspätet wurde und an viele Orte erst
dann gelangte, nachdem der Zug schon begonnen hatte. Inzwi-
schen geben sie doch ganz gute Aufschlüsse und besitzen zu
viel Werth, um sie nicht zu beachten, Sie haben gezeigt, dass
die Kraniche während ihres Zugs nicht jede Stelle in Schweden
zu so bestimmten Zeiten des I: passiren, wie einige Mit-
theilungen aus Deutschland w Kuren des nächstvorhergegangenen
Jahres zu beweisen schienen, dass sie es daselbst zu machen
pflegen. Ferner kann es von Interesse sein bemerkt zu haben,
dass eine sehr geringe Anzahl von diesen Vögeln in diesem
Jahre über eine Gegend des südlichen Schonens eingezogen
sind, woselbst, wie Hr. S. aus eigner Erfahrung weiss, sie frü-
her (wenigstens vor 20 Jahren) in grosser Menge zu kommen
) Öfversige af Kongl, et Förhandlingar, Äre.
ANt. 8: 168. u. f.
312
pflegten. Eine Vergleichung der Beobachtungen einiger ‘Jahre
in Schweden und Deutschland wird ohne Zweifel zu einer nähe-
ren Kenntniss über den Vögelzug leiten.
In Verbindung mit der Mittheilung der Beobachtungen über
den Zug der Kinniche hielt es Hr. S. für passend deren guten
Namen zu vertheidigen. Hr. G R. Gray hat nämlich in seinem
Werke: List of the Genera of Birds, dafür gehalten, Grus
pavonia aus Afrika müsse ein eigenes Genus ausmachen, für
welches er den Gattungsnamen Gras beibehält. Er hält dafür
dieser Name bezeichne ursprünglich bei Linne diese angeführte
Art, indem Linne, in der Ed. I. (1735) vom Systema Naturae,
in die Diagnose der Gattung Grus, das Wort „ceristata“ aufge-
nommen habe. Gray schlägt daher einen neuen Gattungsnamen:
Megalornis, für die eigentlichen Kraniche vor. Aber was das
Wort „eristata“ hier bedeutet ergiebt sich aus dem Syst. Nat.
Ed. Il, woselbst die Diagnose für Grus ist: „caput cristatum cu-
te nuda,‘“ welches, obgleich etwas ungewöhnlich ausgedrückt,
wohl auf Grus cinerea passt, aber nicht auf Grus pavonia.
Ausserdem führt Linne als Typus für die Gattung, in Ed. 1ma,
den Namen „Grus“ und „Trana“ (Kranich) an. Der Gattungs-
name Grus muss also in seiner gewöhnlichen Bedeutung beste-
hen bleiben und der von Gray gebildete wegfallen.
Aus gleich falschem Grunde hat Gray den Namen Nume-
nius auf die Gattung übertragen, deren Typus Scolopax galli-
nago (Telmatias Boje) ist. Er sagt nemlich, dass unter der
Gattung Numenius, im Syst. Nat. Ed. 1. der Name Gallinago
zuerst unter den Arten angeführt werde. Aber was der Name
Gallinago dort bedeutet, ergiebt sich aus der Ed. 11., woselbst
Linne, als dessen Synonym, den schwedischen Namen Vind-
spole hinzusetzt, welcher nur unserem Numenius arguata zukömmt.
Ausserdem findet sich gerade der Name ‚arguata‘“ unter den
Arten von Numenius in der Ed. 1. und im Fall Gray die Ab-
leitung dieses letzteren Namens (von vorwnvıa, Neumond) bedacht
hätte, so hätte er gefunden, dass er hauptsächlich den darunter
angeführten krummschnäbligen Arten zugehörte. Der Name Nu-
menius muss also seine gewöhnliche Bedeutung beibehalten, und
der von Gray vorgeschlagene Cracticornis muss verworfen werden.
Endlich kann noch bemerkt werden, dass die Gattung Carbo
oder Phalacrocorax der Neueren, im Syst. Nat. Ed. 1. Gracu-
lus heisst, welcher Name, als der älteste, beibehalten werden
muss. Gray und Strickland haben unrichtig hier den Namen
Graucalus; angewandt, welcher später durch einen Druck - oder
Schreibfehler bei Moehring entstanden ist. [Hsch.]
Derselbe zeigte eine Sylvia suecica vor, welche der Con-
servator beim Reichsmuseum,, Hr. Meves, in dem Garten des
Garten - Vereins in Stockholm am 27. Septbr. gefangen. Hr. M.
hatte das Jahr vorher um dieselbe Zeit ein Paar Exemplare,
welche sich nun im Museum ausgestopft finden, gesehen und er-
halten; aber ihre Scheuheit und Fähigkeit sich zu verbergen
und ihr Aufenthalt auf dem Boden, unter Gebüsch, auf feuchten
Stellen, macht, dass man sie nicht leicht findet. Die Farbe des
Schwanzes ist es woran man sie indessen immer erkennt. Letzt-
verflossenes Jahr hielten sich mehrere Stücke auf derselben Stelle
14 Tage , während des Schlusses vom September und Anfangs
October, auf. Durch diesen Fund hat also Hr. M. den vorher
unbekannten Zug dieses Vogels, worüber oft ungewisse Vermu-
thungen aufgestellt worden sind, aufgeklärt. Ohne Zweifel wird
man. sie bald an mehreren Stellen niederwärts in Schweden, im
Herbste, während der Zugzeit von Lappland nach Afrika, finden.
[Hsch.]
Briefliche Mittheilung des Hrn. Assessor C. Fr. Plagemann in
Umeä, an den Gärtner des Garten- Vereins in Stockholm, Hrn. Mül-
ler; mitgetheilt von diesem.
| Umeä, den 15. September 1844,
Hienebst nehme ich mir die Freiheit Ihnen beifolgende Saa-
men zu senden, die ich in meiner kleinen Garten - Anlage ge-
sammelt habe (Trollius europaeus, Prunella alba grandiflora,
Linum perenne fl. albo, Scabiosa caucasica), und wünsche, Sie
mögten dieselben in dem grossen herrlichen Garten, welcher
Ihrer so würdigen Aufsicht anvertraut ist, anwenden. Der Saame
von Trollius europaeus ist jedoch in Jemtland gesammelt, wo
dieses Gewächs überall wild wächst, aber auch in Gärten gezo-
gen, viel schöner wird. Der Winter ist hier in Umeä gewöhn-
lich scharf und ausdauernd, jedoch halten ihn folgende von mir
hier gezogene Gewächse gut aus: z. B. Primula elatior, Auri-
cula; Stenactis speciosa; Scabiosa caucasica; Oenothera fruti-
cosa; Aquilegia canadensis, speciosa, stellata; Aconit. Napel-
lus; Polemonium gracile; Hesperis matron. und tristis; Lychnis
dioica; Agrostemma coronar.; Paeonia; Hemerocallis; Hyacin-
thus botryoides; Dianth. barbatus,, plumar.; Spiraea salicifol.;
Hyperic.elegans (3Fuss hoch); Papav. nudicaule ; Iris german. ;
Potentilla pilosa, P. atrosanguinea; Salvia Tenorü; Lupinus
polyphyll., L. Milleri; Saussurea pulchella (4 Fuss hoch);
Achillea magna (3 Fuss hoch).
314.
'’Ich habe meinen Garten jetzt etwas‘ erweitert ,”und' werde
mir im künftigen Frühjahre eine Einrichtung machen, um’früher
als sonst Pflanzen zu bekommen von eirca 200 Sorten Blumen-
Saamen, welche in gläsernen Röhren verwahrt’sind, welche an
der Glasblaser-Lampe zugeschmolzen sind, und da’ die Luft und
Feuchtigkeit dadurch abgehalten wird, hoffe ich die Saamen da-
durch weit länger, als gewöhnlich , frisch erhalten zu wer rs
wenigstens einige Jahre länger.
Bei dem Gebrauche schneide ich ‘das Ende der Röhre mit
einer Feile ab, nehme so viel ee als ich brauche und ge
die Röhre wieder zu. ;
{m nächsten Jahre werde ich mir zur Auktheilhs meiner-
seits Topfgewächse , anstatt Saamen, ausbilten, wur: wünsche
mir Salvia patens, Lobelia fulgens, Lyehnis fulgens und Rosen.
Könnte ein Steckling von Jasminum officinale mit weissen stark
riechenden Blumen erhalten werden, so wärs mir sehr lieb. Ich
werde im nächsten Frühjahr der Vereinigung ein 4jähriges gro-
sses Exemplar von Justicia Adhatoda senden, welches noch
nicht geblühet hat, vermuthlich an Mangel erforderlicher Wärme
(da ich ‚kein Treibhaus besitze). Ich habe selbst 50 Topfge-
wächse, worunter folgende: Malva Capensis, M. Alcea rosea;
Salvia coccinea; Fuchsia coccinea; Nerium splendens (bekömmt
jährlich Knospen aber kömmt nicht zur Blüthe); Celsia grandi-
flora; Rosa semper florens; Nelken; Lavatera arborea , 10 Fuss
hoch, gab dies Jahr viel Saamen. Eine Rosa Provincialis
blühte vor zwei Jahren, als ich sie in Stockholm kaufte, treibt
seitdem jährlich neue Zweige aber will nieht blühen. Lupinus
Cruckshanksii mit weiss, blau und gelben wohlriechenden Blu-
men, wird im Freien beinahe 3 Fuss hoch, blüht herrlieh, aber
muss im Herbst eingeschlagen werden, da der Saame sonst
nicht reif wird. Zupinus hirsutus, Lobelia Erinus und ED
lina coelestis habe ich auch in Töpfen gezogen.
Im Freien habe ich diesen Sommer einige 70 Arten gehabt.
Nachdem wir einige Wochen Südwind gehabt haben; wobei
die Blumen sich gut befunden, hat heute der Boreas' sich einge-
funden, und da wird die Blumenfreude folglich bald zu Ende seyn.
Die Saamen, die ich’ im Frühjahr für den Küchengarten bei
‚Ihnen kaufen liess, waren alle gut, allein der Blumenkohl und
Zucekerhutskohl ist bis dato blos in Blättern, vermuthlich weil
der Saame aufs freie Land ausgesäet wurde. Die Küben, Majo-
ran, Mohrrüben und alles Uebrige ist gut gelungen. Weisser
Kohl oder sogenannter Kopfkohl, gelingt in dieser Gegend nie-
mals, sondern muss von Stockholm verschrieben werden.
315
| Verzeichnis ‚der Pflanzen,
woloi die Hrn. Assessor C. F. Plagemann und J. Linder
173 -in-Umeä' im Jahre 1843 kultivirten.
Sträucher.
Acer platanoides
Berberis vulgaris
Corylus Avellana
Lonicera Periclyme-
num
Populus balsamifera
Ribes aureum
- nigrum
- rubrum
- TUva crispa
Robinia Caragana
Rosa canina
- centifolia
- alba
- pimpinellifolia
Pyrus Malus (Kern-
'wildlinge)
- baccata (Kerm-
""wildlinge)
Sambucus nigra
(Kernwildlinge)
Spiraca salicifolia
- fl. albo
Syringavulgaris -
b. Staudengew,
Aconitum Napellus
Achillea magna
- Ptarmica
Agrostemma Corona-
ria
-- Flos Jovis
M. Alcea rosea
Aquilegia canadensis
- vulgaris
- speciosa
Im Freien.
a, Bäume und |Ob und wann
‚sie geblüht:
noch nicht ge-}
blüht.
im Juni.
noch nicht ge-f
blüht.
im Juni.
noch nicht ge-|
blüht.
Juni.
nicht gebl.
Mai.
Juni.
Juli.
Juni.
Juli.
Juni.
Juli.
August.
Juni.
ilris germanica
#Malva sylvestris
'Ob und wann
Staudenge-
wächse. sie geblüht:
Artemisia Abrotanum| August;
IPhalar. arund. pieta Inos
jAstrantia major Juli.
IBellis perennis Juni,
|Campanula Medium
(&) Juli.
ICentaurea dealbata | noch nieht
geblüht.
1 - macrocephala =
iColchicum autumnale DET
IDianthus barbatus Juli.
- chinensis te
- Caryophyllus Juli. -
- . plumarius den Sommer
hindurch.
|Digitalispurpurea (&)| noch nicht -
geblüht.
| - aurea —
iDelphinium elatum Juli.
jHemerocallis fulva - August.
iHesperis matronalis Mai.
I - teistis Juni.
Hyacinthus botryoi-
\ des -
mit En:
Mai und Juni.
Var.
| - graminifolia ?
i - Pseudacorus nicht in die-
sem Jahre
Lilium bulbiferum Juni.
| - Martagon Juli.
- candidum August.
- croceum -
Linum perenne
Lupinus polyphyllus Juli.
ALychnis chalcedonica|) August.
Myosotis scorpioides |d.ganz.Somm,
316
Staudenge- Ob und wannf Einjährige. [Wann sie gbl.
wächse. sie geblüht. |Cerinthe minor den Sommer
Oenothera fruticosa Juli. hindurch.
Oxalis esculenta August. |Cheiranthus annuus August.
Papaver bracteatum Juli. Clarkia elegans Juli.
- nudicaule Juni. - pulchella -
Potentilla atrosangui- Collomia coccinea August.
nea - Collinsia bicolor Juli.
- pilosa Juli. Convolvulusmajor (?2)| August.
Paeonia officinalis Juni. - tricolor -
Polemonium caeru- Coreopsis tinctoria Juli.
leum - - Drummondi -
- caeruleum fl. albo - Datura Tatula September.
- gracile - Dracocephalum mol- En
Primula acaulis - davicum August.
- elatior Mai. Echium violaceum -.
- veris = Erodium moschatum Juni.
- Auricula - Erysimum Perofskia-
Ranunculus repens Juni. num August,
Rubus arcticus - Eschscholtzia pallida Juli.
- ‚odoratus September. fEutoca Wrangeliana -
Salvia Tenorii Juli. Gilia achilleifolia -
Saussurea pulchella | September. - tricolor -
Scabiosa caucasica noch nicht [Godetia lepida August.
geblüht. - BRomanzovii -
Stenactis speciosa September. | - rubicunda E
Viola violacea (?) Juli. Gypsophila elegans -
- tricolor Juni. Helianthus annuus September.
Helichrysum fulgi-
e. Einjährige. | Wann sie gbl. dum August.
Anagallis latifolia den ganzen |Iberis amara Juli.
Sommer. - umbellata Juni.
Anoda Dilleniana August. jIpomoea purpurea September.
Amaranthus caudatus September. Lathyrus odoratus August.
- monstrosus August. Lavatera trimestris -
Astragalus baeticus - Limnanthes Douglasii Juli.
Aster chinensis, mit Juli. Linaria bipartita -
Var, Lobelia Erinus August.
- ‚tenellus - Lupinus mutabilis
Briza maxima August. Crucksh. -
Cacalia sonchifolia Juli. - hirsutus -
Calendula officinalis August. - Juteus -
- pluvialis - Malope grandiflora ie
Centaurea Cyanus Juli. - trifida Juli.
- moschata - Malva mauritiana -
- suaveolens - Nemophila atomaria August.
BEN Tr
ART
Nemophila insignis
Nigella damascena
Nicandra physaloides
Nicotiana' alata
Nolana atriplicifolia
Omphalodes linifolia
Oxyura chrysanthe-
. moides
Papaver Rhocas
- somniferum
Phacelia tanacetifolia
Prismatocarpus Spe-
culum
Rudbeckia amplexi-
| caulis
Scabiosa atropurpu-
rea
Senecio elegans
Schizanthus pinnatus
Silene Armeria
- noctiflora
- ornata
. - pendula
. Tagetes erecta
- patula
Trifolium incarnatum
Tropaeolum atrosan-
guineum
Tolpis barbata
Zinnia elegans
4 Topfpflanzen:
Aloe variegata
\
Antirrhinum imajus
Cactus alatus (Cereus)
= Speciosus =
= flägelliformis =
Campanula pyramida-
lis
Canna indica
Celosia cristata
Celsia grandiflora
Döntäurea macroce-
phala:;
Einjährige. »
Ob und wann}
sie geblüht.
Juli.
August.
September:
August.
?
‘
Juli.
August.
Juli.
September.
Angust.
Juli.
Juni.
Au gust.
Juli.
zu ungleichenf
Zeiten.
2
Juli.
noch nicht gb.!
August.
Juli:
Juli.
317
are S Ob und wann
| Topfpflanzen. | sie geblüht.
| Cheiranthus Cheiri | den Sommer
hindurch.
- ineanus August.
5 Commelina coelestis Juli.
| Cytisus alpinus i ?
i - nigricans Faitur
| Dahlia variabilis Juli.
Fuchsia gracilis d.ganz.Somm.
I - Zulgens August:
| Gnaphalium panicu- | 1.
latum ?
i - foetidum 2
ı Heliotropium peruvi-
anum Juli.
i Hemimeris speciosa August.
I - urticifolia d.ganz.Somm.
| Leucojum aecstivum August.
I Tinaria latifolia noch nicht eb.
| Lupinus Marschallia-
nus August.
| Malva Alcea -
| - capensis noch nicht gb:
| Melissa officinalis ?
| Mimulus Iuteus. August.
{| - moschatus d.ganz.Somm.
| Nareissus poeticns Juni.
1 Oenothera bifrons [noch nicht gb.
- grandiflora =
- tetraptera PR
i Passiflora cocrulea August.
i Pelargonium zonale April.
- grandiflorum Mai.
- Niobe Juli.
i Phlox paniculata September:
| Primula Auricula Juni.
| Prunella alba gran-
N difl. Juli.
i Pyrola maculata Ro
| Reseda lutea Juli.
1 - odorata Juni.
| Rhodopsis speciosa noch nicht gb.
E Rubus caesius nicht in die-
sem Jahr.
| Salvia coceinea d.ganz.Somm;
u
318
Ob und wann
Topfpflanzen. | siegeblüht.
Salvia patens September.
Sedum aizoides August.
Streptocarpus Rhexii| Juli.
Trifolium Melilotus |noch nicht gb.
Viola tricolormaxima Juni.
Dianthus Caryophyl-
lus -
Cupressus sempervi-
rens noch nicht gb.
Cineraria maritima Mai.
Ob und wann _
Topfpflanzen. | siegeblühet.
Ficus Carica trägt Frucht
jährlich.
Gnaphalium orientale Mai.
Justicia Adhatoda n.n.
Lavatera arborea -.
Myrtus communis Juli.
Nerium Oleander -
Rosa semperflorens | ganze Jahr:
- tenuifolia mit Var. Mai.
Viburnum Tinus -
Anm. Die bei den Pflanzen verzeichnete Blüthezeit bezeichnet den
Zeitpunkt, wo die erste Blume sich zeigte. Viele fahren fort
zu blühen, tief hinein in unsern Herbst, besonders die Einjäh-
rigen, und ist der Herbst bei -uns oft der blumenreichste
Monat.
J. Linder
Umeä, den 10. September 1843,
BN-E23)
xE. .
ie Vaterland der Gewächse.
\
Von
Dr. Elias Fries.
Aus dem Schwedischen übersetzt von Mornschuch'*).
Befreie bloss die Dinge und Du wirst frei,
Befreie Dich selbst und Du machst sie frei.
Stagnelius.
„BBie Pflanzengeographie,“ sagt Schleiden, ‚ist ein ziem-
„lich wunderbares Ragout von meteorologischen, geologischen,
„Pflanzenphysiologischen , statistischen, historischen und noch
„mehreren Brocken. Ich will nicht bezweifeln, dass ein solches
„Gemenge unter A. von Humboldt’s Zubereitung einen
„recht köstlichen und pikanten Geschmack bekommen kann, aber
„das Recht desselben, als eine eigene Disciplin oder als ein
„integrirender Theil der Botanik aufzutreten, muss ich. ganz
„und gar bestreiten.“ Auch diese Aeusserung scheint mir zu
streng und auch einseitig, obgleich wir nicht läugnen können,
dass diese Wissenschaft noch auf unfreiem, fremdem (besonders
meteorologischem) Grunde ruht; dass die Lehre von den Statio-
nen der Pflanzen von Meyen so unwissenschaftlich, als mög-
lieh behandelt wurde; dass die sogenannte Pflanzenstatistik,
wo sie Alles auf Zahlen setzt, wo bloss die Beobachtung eines
Jahres gefordert wird um Alles zusammen zu verrücken, wohl
eine nützliche Uebung in der Berechnung des Decimalbruchs
sein kann, aber im übrigen eine höchst veränderliche Arbeit
ist und unendlich richtiger: zur physischen Geographie gehört.
*) Aus E. Fries Botaniska Utflygter B. 1. 8. 299— 328.
22
320 Das Vaterland der Gewächse.
Aber da die Geographen bisher diese interessanteste Seite ihrer
Forschungsart übersehen haben; da die Botaniker, in Folge
von ihren speciellen Studien, am geschicktesten sind dieses
für Kultur und Produetionsvermögen des Landes so wichtige
Feld zu bearbeiten, so scheint es uns ihnen mehr zum Verdienst
angerechnet werden zu müssen, als zum Tadel. Auch können
wir unmöglich uns vorstellen des Vfs. Absicht sei gewesen,
mit dem angeführten etwas freien Urtheil einen Schatten von
Spott über die Sache oder die verdienten Männer zu werfen,
welche die von den ältesten Zeiten in der speciellen Botanik
niedergelegten Materialien für diesen Zweck geordnet. Aus ei-
nem für alle empirischen Wissenschaften richtigen Instinkte hat
man zuerst eine Menge specielle Facta gesammelt, sie mit an-
deren, gewiss ausserhalb der Botanik liegenden, jedoeh nahe
verwandten verbunden — und man wird nicht bestreiten können,
dass gerade dieses während der letzten Decennien der speciel-
len Botanik Leben und Schwung gegeben und ein grösseres
Publikum für sie interessirt hat.
Die Geographie, in ihrem ausgedehntesten Umfang z. B.
auch die Geologie umfassend, ist der Boden, worauf alle histo-
rischen Diseiplinen ruhen und sich bewegen, und deshalb wur-
den am natürlichsten diese botanischen Beobachtungen damit
verbunden. Aber wir sind für unser Theil überzeugt, dass die
Pflanzengeographie in einer Zukunft auch auf rein botanischem
Grunde wird aufgeführt werden, wo sie der specielle, ange-
wandte Theil der Phytonomie wird. Der Gegenstand der Phy-
tonomie ist das Verhältniss des Pflanzenreichs zur Aussen-
welt; sie nimmt, ausser mehreren neuen, die Fragen auf, wel-
che früher zur @ewächsphysiologie (welches Wort Schleiden,
nicht ohne Grund, als unpassend, aus der Botanik ausgestrichen
hat) gerechnet wurden; aber nicht der Morphologie gebühren.
Der Phytonomie specieller, angewendeter Theil wird die Pflan-
zengeographie; und wäre es erlaubt den Werth einer Wis-
senschaft nach ihrem Einfluss auf die menschliche Kultur zu
beurtheilen, dürfte sie wohl einen der ersten Plätze verdienen;
da sie gerade die Hauptbedingung zur Erfüllung von der Be-
stimmung des Geschlechts, den Zweck von der Mission des
Menschen auf der Erde, abhandelt.
$. 2.
Die Natur wurde dem Menschen in der Schöpfung zum
Königthum überlassen; aber jede Herrschaft, welche nicht zu-
gleich Schutz ist, wird Gewalt und wirkt zerstörend. Der
Das Vaterland der Gewächse. 32
verwilderte, rohe Naturmensch steht zu Allem ausser sich im
feindlichen Verhältniss; er will die Natur tyrannisiren, nicht
schützen; gleich dem Raubthier findet er ein Vergnügen an der
blossen Zerstörung. Dornen, Disteln und die so treflend be-
nannten Ruderalpflanzen, hässliche oder giftige, folgen der Spur
“der Zerstörung; mit Recht kann man dann sagen: die Erde sei
des Menschen wegen verflucht. Diesen Fluch zu lösen, die
verlorne Schönheit wieder herzustellen und ihre Producte zu
veredeln ist der Zweck der Kultur; eine unumgängliche Bedin-
gung für das Gedeihen der ganzen organischen Natur und noch
mehr für die höhere, geistige Entwicklung des Menschen. Wo
der Mensch die Natur von seiner eigenen Zerstörungslust be-
freit, tritt er auf die Bahn der Civilisation. Aber um die Na-
tur in ihrer ursprünglichen Schönheit wieder herzustellen, ihr
Productionsvermögen auf die höchste Höhe zu treiben, wird
nicht bloss Arbeit und Kampf erfordert, sondern auch die hö-
here Einsicht, welche die oben genannte Wissenschaft verleiht.
Dass die Natur, deren äusserer Ausdruck die Vegetation
ist, aus der Hand des Schöpfers ausgegangen oder primitiv, in
allen Ländern, in ihrer Art reich und schön gewesen, haben
. wir viele Anleitungen anzunehmen. Auch wo das Klima nun
mehr allen menschlichen Anstrengungen entgegenwirkt, z. B.
in den öden Gegenden Sibiriens und auf den in Schnee gehüll-
ten Küsten des Südmeeres, finden sich unverkennbare Beweise
von einem glücklicheren, verronnenen Zeitalter. Die Oasen in
Zara sind zurückgebliebene Denkmäler von der ursprünglichen,
verschwundenen Herrlichkeit. der Wüste; das blühende Palmyra
und viele andere reiche Orte sind durch das sich ausbreitende
Scheusal der Verwüstung gefallen. Aber wir besitzen auch
viele Beweise für das Vermögen der Menschenkraft (wenn sie
ihren Beruf kennt) dieser entgegen zu wirken, ja! sie zu über-
winden*). Beinahe überall, wo wir der Verödung von ihrem
Beginn an folgen können, wie auf unseren Flugsand- und Hun-
ger- Feldern **), finden wir, dass sie die Strafe für das Verbre-
*) So wurde die Stadt Engelholm im vorigen Jahrhundert mit Zer-
störung von dem Krebs des Flugsandes bedroht, aber durch ihre
Pflanzungen wird sie jetzt von herrliehen Hainen umgeben. Die
Besitzungen zweier grossen Dörfer in Christianstadts Lehn wurden
davon aufgefressen bis der Besitzer von Vidschöfle einen Damm
dagegen setzte. Während der späteren Lnstra hat die Akademie
des Laandbaues überall mit besonderer Fürsorge und Erfolg die
"Dämpfung des Flugsandes umfasst.
Die meisten von diesen sind innerhalb der historischen Zeit durch
die Zerstörung des Menschen entstanden. Ursprünglich sind sie
*F)
22 *
9322 “ Das Vaterland der Gewächse.
chen des Menschen gegen die Natur sind. Bei der Entdeckung |
‚Islands war das Land noch.unbetreten von des Menschen Fuss,
waldbewachsen mit kräftiger Vegetation; die ‘ersten Eroberer
zerstörten mit Feuer den Wald, welcher nunmehr verschwun-
den ist und die Vegetation nimmt mit jedem Tag ab*). Allein
späteren Zeiten entdeckten Länder haben, in Hinsicht auf das
Klima, in dem Verhäftriss in welchem der Mensch darin nicht
zerstörend eingegriffen hatte, eine reiche und üppige Vegetation
gehabt; die Gewalt des Menschen bewirkt ihre Verwilderung
um so mehr, je mehr das Klima hart und ungünstig ist; aber
ihre Veredlung führt auch in demselben Verhältniss reicheren
intellectuellen Gewinn mit sich. Alle die ältesten, blühendsten
Kulturstaaten, z. B. Assyrien, Palästina und sämmtliche unter
türkischer Gewalt befindlichen Länder, sind verwildert worden,
als sie in raublustige Hände fielen, welche nur die Natur aus-
zuplündern suchten. Spanien, diess von der Natur mit einem
'so glücklichen Loose beschenkte, ist schuldhelastet dadurch,
dass es nach Vertreibung der Araber, deren schönere Siege
über die Natur des Landes zu verfolgen, im Streben nach dem
Golde Amerikas ausser Acht gelassen. Die Geschichte weist
nicht ein einziges Volk, als im Genuss von dem Glück der
waldhewachsen gewesen, durch die Zerstörung des Waldes und
die Verheerungen des Feuers sind sie geworden, was sie sind.
Noch heute will der Wald wiederwachsen auf den kahlen Heiden
z. B. in Sunnerbo u. a. O., aber ein beständiges Abschwenden F)
von der Oberfläche hat auf mehreren Stellen den Boden aller ed-
leren Vegetation beraubt. Bei Ljungby ist diess Uebel in eine of-
fene, fressende Wunde, den Flugsand, ausgebrochen. Am Sce-
strande werden dergleichen dadurch gebildet, dass der für neuen
Landgewinn gleich dem Sande aufgeworfene Verband, der 'Vang,
abgekratzt wird. — Wir werden künftig noch mehrere Beispiete
liefern. Auch das Klima wird durch Vernachlässigung der Natur
» verpestet, Z. B. an mehreren Orten in Italien. a
+) Abschwrenden, schwenden (svedja) nennt man dag’in Schweden
häufig stattfindende Verfahren die Bäume abzuhauen, trecken
werden zu lassen, sie dann anzustecken, Zweige, Nadeln und
das auf dem Boden wachsende Heidekraut abzubrennen "und
dann in die Asche davon zu säen.
Anm..d. Red.
*). Unsere [Schwedens] westliche Küsten, vorzugsweise Bohuslehn,
" bezeugen, dass jetzt kein Wald hervorkommen kann wo er früher
üppig gewesen ist. Die genannte Landschaft ‘giebt. gleichwohl
während der letzteren 30 Jahre einen erfreuenden Beweis davon was
0 ©. die Kultur vermag; nachdem man auch den Reichthum des Meeres aus-
“ “geplündert, wendet man sieh zur Würdigung der Vegetation seines
‘"Landes', wodurch dieses Land nun schöner und mehr gesegnet st,
als während. der reichsten Fischzeit.:- Vergl. Bar. M, v. Dübens
‚Reise - Bemerkungen in Bohus.
Das Vaterland der Gewächse. 323
Kultur gewesen, nach, welchem diese nicht als Erbtheil durch
Erfüllung seines ersten irdischen Berufes seines Landes Natur
zu veredeln und dessen vegetative Kraft zu erhöhen, zugefal-
len. Gottes Friede über die Natur, worauf die politischen und
wissenschaftlichen Weltstürmer, mit den absoluten Ansprüchen
mit Verachtung niederblicken, wie der wirkliche Eckstein der
Kultur — und eben so gewiss, wie für die moralische und gei-
stige Welt das Gebot am höchsten gilt: suchet zuerst das
Reich Gottes, so gilt für die physische und leibliche der
schon vor des Menschen Abfall von daher gegebene Befehl:
herrschet über die Natur, ohne dessen Erfüllung der Se-
gen der Kultur, mit seinem Füllhorn, niemals Volk und Land
zufallen kann*).
Man möge es uns nicht zur Last legen, dass wir über die
Idee der Wissenschaft hoch zu denken wagen, denn dadurch
werden wir selbst gedemüthigt, indem wir einsehen, wie viel
uns mangelt unsern wahren Zweck erreicht zu haben. Die Zeit,
das Geschlecht, welches sich am höchsten schätzt, seiner Weis-
heit und Stärke schmeichelt, hat durch diess Vertrauen auf
diese schon seine Herrlichkeit und den höheren Beistand’ ver- _
loren, welche die unbezwingliche Kraft der Unschuld und Re-
signation ist. Und Keiner erfährt diess im reicheren Maasse,
als die Arbeiter in den Weingärten des Geistes und der Natur,
deren ideeller Beruf ist, dass Jeder auf seinem Wege das Pa-
radies auf Erden wiederherstelle. Die Naturforschung, welche
nicht religiös, friedenstiftend zwischen dem Menschen und der
Natur ist, muss. gleich wie jede Religion , welche nicht frieden-
stiftend zwischen Gott und dem Menschen ist, dem Egoismus
und dem Princip der Zerstörung huldigen. In der doppelten
Bedeutung des Wortes: Kultur und Paradies, wird angedeutet,
dass das irdische und. geistige Fortschreiten unscheidbar sind,
ja nach den Gesetzen der Natur muss des ersteren Zuwachs
der Blüthe des letzteren vorhergehen. "3
6. 8
Auch wo der Mensch nicht mit Vorsatz feindlich gegen die
Natur verfährt, giebt es kaum einen Moment, welcher tiefer in
*) Der Schutz über die Natur, welcher eine Bedingung für die
Entwicklung der Menschheit, für die Herrschaft der Kultur und
den Frieden auf Erden ist, ist in diesen Tagen unter uns öffentlich
erheben und mit geistiger Wohlredenheit nachgewiesen
worden,
324 Das Vaterland der Gewächse.
eines Landes Physiognomie eingreift, als des Menschen Besitz-
nahme desselben. Schutzlosigkeit und Unkenntniss stiften eben
so viel Böses in der Welt, al Bosheit; höhere Eimsicht ist
die Bedingung für alles Fortschreiten. Der Wilde, stolz wegen
seiner rohen Kraft, führt mit der ganzen organischen Natur
Krieg; der Nomade schützt nur ihren einen Theil, aber feind-
lich gegen die Vegetation untergräbt er das Mittel für seinen
eigenen Bestand. Nur der Ackerbauer, welcher die ganze 0T-
ganische Natur umfasst, kann zu dem Genuss der höheren Vor-
theile der Kultur kommen. Auf derselben Erdfläche, wo ein
Wilder, anbetend seine am meisten gefürchteten Naturfeinde,
z. B. Schlangen, Gewitter u. s. w,, sein elendes Leben fristet,
leben 10 Nomaden gewiss ein glücklicheres, dennoch unruhigeres
Leben, freundlichere Mächte, die Sterne und die mit ihnen
verbundenen Thiere, verehrend. Aber wo 10 Nomaden sich er-
nähren können, da können 100 Ackerbauer wirklich leben, das
Ganze umfassend zuerst sich zur Quelle alles Daseins erheben
— und so die Wiedergeburt ihres Eigenthums wie die der Na-
tur versuchen. Wie die Nomaden von den Ackerbauern ganz
vertrieben wurden, nachdem Kain den Abel erschlagen, so ver-
drängten die edleren Erndten der Kultur die wilde Vegetation;
die Civilisation vertilgt, so viel als möglich, sowohl die Eigen-
thümlichkeiten in der Flora des Landes, als in dem Geist des
Volkes.
Während dem der Mensch sich das ganze Land unterwarf
und zu seinem Schutze das fruchtbarste anbauete, musste ein
srosser Theil der gerade auf diesem vorkommenden, ausgezeich-
netesten, edelsten Pflanzenproducte verschwinden. Vorzüglich
gilt diess von denjenigen Naturproducten, welche der Mensch
für seinen Bedarf am fleissigsten aufsucht; so lange die Natur
selbst sie in Menge hervorhringt, denkt Keiner auf ihren Schutz,
z. B. noch heute in Schweden an den des Waldes; sondern
erst nachdem die von der Natur erzogenen beinahe ausgerottet
worden, nimmt man auf deren Wiedererzeugung Bedacht, wie
des Waldes in Dänemark und Norddeutschland. Man wählt
dann die für sie am meisten passenden Stellen und nachdem
sie auf diese Art Kulturpflanzen geworden, verschwinden sie
als eigentlich wildwachsende, und der nunmehr selbstgesäete
Bestand davon wird für verwilderte*) angesehen. So, unter
*) Viele von unseren angebauten schwedischen Gewächsen z.B. Aepfel,
Birnen, Berberitzen, Akeley, Moorrüben, Rüben, Pastinacken,
Spargel, Sellerie, Waid und mehrere, sind unbestreitbar vollkom-
Das Vaterland der Gunitchr 325
unzähligen Beispielen, ist das Verhältniss mit den Nadelbäumen
in Dänemark. Dieses ist die wirkliche Ursache, weshalb so
viele Kulturgewächse nun als wildwachsende ausgegangen sind;
ihr eigentliches Vaterland kann nicht durch empirische Beweise,
aber durch rationelle*) von allgemeinen pflanzengeographischen
Gesetzen erörtert werden. So ist der Lein (die Gattung Lein
hat ihr Maximum in Europa; wo eine Gattung ihr Maximum
hat, da ist das Vaterland für ihre ältesten Arten) eine europäische
Pflanze, ältere Botaniker sahen sie für wild an, sogar Rajus,
welcher in diesem Fall sehr genau war; nun. hält man sie über-
all für verwildert, obgleich man kein anderes Vaterland als
„in Europae agris“ für sie angeben kann. In Amerika hat man
angefangen zu bezweifeln, ob die Kartoflel (Solanum tuberosum)
wild sei. Während des letzteren Jahrhunderts haben wir meh-
rere Beispiele von Pflanzen gehabt, welche in gewissen Ge-
genden durch begehrliches Nachsuchen beinahe ausgerottet
worden und Gegenstand der Kultur werden mussten, z. B
Oxalis Acetosella in der Nachharschaft der Oxalsäure-Fabriken;
ja, sogar Alpengewächse, z. B. Gentiana Iutea und purpurea.
Inula Helenium war noch vor 50 Jahren in den westlichen
Provinzen [Schwedens] nicht besonders selten, ist aber jetzt
grösstentheils ausgegraben. Asarum, welches zu Leche’s
Zeit häufig bei Heckeberga und damals zugleich eine begehrte
Arzneipflanze war, wurde schnell beinahe ausgerottet. Es sind
gerade die ausgezeichnetesten, für den Menschen wichtigsten
men einheimisch bei uns, obgleich man sie gewöhnlich für einge-
führt hält, nachdem sie allgemein angebaut werden; mehrere haben
sich vortrefllich in den einsamsten nördlichen Wäldern wild erhal-
ten, z. B. Hopfen, Johannisbeerarien u. s. w.; die Vogelkirsche
findet sich irn den wildesien Wäldern in Nord-Smäland und auf
dem Holberge in Ost-Gothland. Man hat auch vermuthet dass die
Mehlbeere (Crataegus Aria) bei uns eingeführt sei, bloss deshalb,
weil sie zugleich angebaut wird; aber sie findet sich nicht ausser
Schweden wild. Fragaria elatior ist auch. sicher einheimisch ; se
fand ich sie letziverflossenes Jahr auf einem Bergrücken bei Fun-
bosjö in Upland.
*) Als ein Beispiel wollen wir Brassica campestris und Drassica
Napus anführen, deren Vaterland man ausserlands als unbekannt
annimmt. Da sie vor der Entdeckung Amerikas gekannt waren
und dort fehlen, so können sie nicht davon herstammen. Von der
südlichen Hemisphäre können sie es aus derselben Ursache nicht;
alle Cruciferen von daher gehören zu einer eigenen weit davon
verschiedenen Gruppe, und zwischen den Wendekreisen gedeihen
keine Cruciferen, Also müssen sie von den kalten, temperirten
Zonen herstammen, wo die Familie ihr Maximum hat. Aber in
Nordasien sind sie erst von den Europäern in den spätesten Zeiten
eingeführt worden, folglich sind sie europäischh
326 Das Vaterland der Gewächse.
Pflanzen, welche die empfindlichsten , die am leichtesten ver-
schwindenden sind; hierin liegt ein directes Gebot für den Men-
schen sie in seinen Schutz zu nehmen, ehe Unkräuter und Un-
geziefer ihre Stelle einnehmen, welche endlich die Plünderer
selbst vertreiben. Die alten Kulturländer z. B. Griechenland,
der Orient, Egypten haben relativ eine dürftige Flora, dagegen
die noch im Naturzustande befindlichen eine reiche, wilde Ve-
getation, z. B. Neuholland, Amerika, auch in den kälteren Ge-
senden, gegen die Isothermen in der alten Welt. Das erstere
kann man von dem ganzen mehr angebauten Europa sagen, wo
der ursprüngliche Reichthum nur zum Theil noch in Berggegen-
den übrig geblieben ist, in welchen man gewöhnlich die auf
dem ebenen Lande angebauten Bäume u. s. w. wild findet.:
Diess erklärt zugleich, weshalb man in Schweden nicht bezwei-
felt, dass eine grosse Menge Pflanzen hier wirklich wild sind,
welche man in Dänemark, Norddeutschland, Eugland für ver-
wildert ansieht; aber man braucht deshalb diese nicht für ein-
geführt alrznsehkir; sie sind nur die geschützten Ueberbleibsel
von der einheimischen Vegetation, nachdem der Mensch sich i in
Besitz von ihren besten Bihostitaten gesetzt hat.
Ganz dasselbe Verhältniss ist es und noch mehr in die
Augen springend mit der Fauna eines Landes, obgleich diese
ausser unserem Gegenstande liest. Wie der Reichthum von
edleren Thieren durch Berührung mit dem Menschen immer
ärmer und ärmer wird, ist hinreichend bekannt. Das Ungezie-
fer nur vermehrt sich später von selbst. Die nützlichen Thiere
z. B. das Elendthier, der Edelhirsch, der Auerhahn, Birkhahn,
die Fischerei musste er entweder in Ruhe lassen oder unter
seinen Schutz nehmen, z. B. das Rindvieh, Schwein, die Biene,
welche wir mit Gewissheit als ehemals bei uns wild kennen.
Die früher so häufigen Blutegel hat man in den letzten Jahren
an manchen Stellen ausgerottet, und fängt nun an sie in eine
Art Wasser - Hausthiere zu verwandeln. Es ist eine grosse Ver-
wirrung bei Vielen anzunehmen, dass Alles, was angebaut wird
und beschützt werden muss, deshalb ausländischen Ursprungs sei.
Es ist unläugbar eine Einseitigkeit der Naturforscher, über
diesen Einfluss des Menschen auf die wilde Natur zu klagen,
wenn er mit der ausgebreiteten Herrschaft der Kultur im Zu-
sammenhang steht; er ist gerade eine Bedingung für die Wie-
dergeburt und Veredlung der Natur. Es ist ganz, als wenn
die Philosophie über die Ausbreitung der Civilisation klagte,
durch welche die Individualität so vieler kleiner Volksstämme
vertilgt wird; die Theologie über die Bestimmung der :christli-
Dus Vaterland der Gewächse. 327
chen ‚Religion zur Weltreligion, weil ‘dadurch so’ viele andere
Kulten untergehen. Es ist nicht schwer einzusehen, dass die
höhere Entwickelung des Lebens durch den Landbebauer mehr
befördert wird, als von den Nomaden und Wilden. Der Bota-
niker kleines Interesse muss sich hierbei dem grossen Zweck
der Kultur unterordnen, sie müssen den auf Vorurtheil, nicht
in der Natur begründeten, scharfen Unterschied zwischen wil-
den und angebaueten Pflanzen *) aufgeben. Erst dann, wenn
die Kultur ihren Schutz über die Natur in ihrer Totalität ver-
breitet, kann der Mensch sich im edleren Sinne den Beherrscher
der Natur nennen. Er umfasst dann auch das Einzelne, jeden
Gedanken der Schöpfung, aber er ordnet diess Einzelne seinem
höheren Zwecke unter.
Es muss nämlich richt übersehen werden, dass dieser
Schutz zugleich eine Bedingung für die Pflanzenwelt ist, ihre
typische Vollkommenheit und Mannigfaltigkeit zu gewinnen, ob-
gleich die Botaniker die Sache gewöhnlich von einem anderen
Gesichtspunkte betrachten; wie viel edler sind nicht die durch
die Kultur hervorgebrachten Formen, oft so abweichend, dass
die Botaniker selbst ihre Identität mit den wilden **), oder viel-
leicht vielmehr durch den gegenseitigen Streit ‘der Natur ver-
wilderten, nicht wiedererkennen. So kommen mir alle unsere
Fruchtbäume in ihrer wilden, zur Wehre gegen die Gewalt der
Thiere stachlichen Buschform mit sauren, wiıdrigen Früchten,
als ihre ursprüngliche,. typische Schönheit. verloren habend,
vor, welche unter der Hand, des Beschützers wieder hergestellt
wird, indem sie, ihre für den Kampf nothwendige Stachelbe-
wafinung ablegend,, zu schlanken Stämmen erwachsen, des Er-
*) Sie verwickeln sich dadurch in eine Menge unauflösliche Wider-
| sprüche. So will man in mehreren Floren den Lein und den Ho-
pfen nicht anerkennen, nimmt aber ohne alles Bedenken Cuscuta
epilinum und Orobanche ramosa auf, welche niemals anderwärts
vorkommen. Viele Ackerpflanzen sind gleich untrennbar von an-
gebauten Getreidearten. Wird eine Pflanze angebaut, so erkennt
man sie nicht für einheimisch an, z. B. YFicia sativa, aber wohl
wenn sie sparsamer vorkömmt, aber nicht angebaut wird.
*#) So ist die stachliche Lactuca Scariola die "Stammpflanze zu der
! angebauten 'Lactuca sativa, crispa, capitata und laciniata; Bras-
sica campestris zu B. Rapa u. m.; wir zweifeln kaum daran,
Avena sativa unter einer der wilden Avena-Arten aufsuchen zu
"können; den Roggen in Secale fragile, denn der Roggen ist eine
ursprünglich europäische Getreideart und das auf den trocknen
Sandfeldern Ungarns, der Wolga wildwachsende $. fragtle unter-
scheidet sich nur durch seine zerbrecbliche Achre, ganz wie unser
wildes Triticum junceum auf unseren Flugsandfeldern hat, verliert
aber diese Eigenschaft durch einen längerem Anbau auf fruchtbarem
Boden,
328 Das Vaterland der Gewächse.
ziehers Mühe mit den herrlichsten Früchten lohnend. So. ist
das Verhalten mit unseren angebauten Wurzelsewächsen (z.B.
Moorrüben, Pastinack, Rüben) und Stengelpflanzen (Spargel,
Kohl u. s. w.); im wilden Zustand sind sie baumartig, herbe;
im angebaueten [durch reichliche Nahrung ] fleischig, saftig,
wohlschmeckend. Diese Erhebung des Wilden, verbunden mit
Hass gegen den Einfluss des Anbaues, unter den Botanikern,
leitet die Wissenschaft so leicht vou dem grossen Zweck der
Menschheit ab, ganz wie Rousseau, durch Vergötterung des
Naturzustandes des Menschen, die ganze menschliche Kultur
als verderblich beurtheilte.
$. 4.
Ein unter unsern Botanikern ziemlich allgemein verbreitetes
Vorurtheil ist, dass die älteste Vegetation Schwedens dürftig,
einförmig und arm gewesen; dass alle üppigeren Gewächse in
späteren Zeiten oder zufälligerweise eingeführt worden. Es
sründet sich auf eine nach unserm Dafürhalten unrichtige An-
sicht über den Ursprung der Pflanzen, als durch den Boden
und das Klima des Landes hervorgebracht; und da keines von
beiden dieser besonders begünstigend erscheint, hat man sich
den grösseren Theil der Pflanzen als eingewandert gedacht
Die Frage von dem Ursprung der Pflanzen muss ganz und gar
von der Lehre über das Vaterland der Pflanzen geschieden
werden, und die Untersuchung über das Ursprüngliche liegt
auch ausser der Gränze unserer Forschungen. Die Lehre von
der Wanderung der Pflanzen, wenn man sich dabei nur eine
zufällige Vermehrung des Vorhandengewesenen denkt, und sie
nicht als eine grössere, periodische, auf bestimmten Gesetzen
in der ungleichen Natur der Gewächse beruhende Umwechslung
auffasst, muss nicht minder nachtheilig auf diese Frage einwir-
ken. Wir kennen keinen Theil der speciellen Botanik, welchen
man weniger im Zusammenhang, ohne Rücksicht auf Geschichte
oder das grössere pflanzengeographische Verhältniss behandelt.
Ist eine Pflanze ausgezeichnet, einmal angebaut oder kömmt sie
am gewöhnlichsten auf angebauten Stellen oder in der Nachbar-
schaft der Menschenwohnungen vor, so ist man gleich mit der
Vermuthung bei der Hand, dass sie nicht als einheimisch zu
betrachten, dass sie eingewandert sei. Es würde zu einer
ausserordentlichen Weitläufiskeit führen alle Missgriffe auf die-
sem Wege von Linnes Flora suecica und Coloniae plantarum*)
*) Linne scheint mir in den meisten Fällen mehr eingesehen zu ha-
ben, dass die Pflanze in dem angegebenen Stammlande ihr Maxi-
- Das Vaterland der Gewächse. 399
bis zu Sv. Botanik aufzurechnen*). Gewöhnlich hat man dazu
keinen andern Grund, als dass die Pflanze früher nicht gesehen
worden oder einer Provinz angehört, welche an ein anderes
Land gränzt, wo sie allgemeiner vorkömmt, ohne zu erwägen,
ob die erste innerhalb ihrer natürlichen Ausbreitungszone liegt.
Von dieser Art sind alle, welche in Linn. Fl. p. IIL, IV. auf-
gezählt werden. Innerhalb der aretischen Flora kann man nicht
über einige Wanderungen deshalb sprechen, dass eine Art frü-
her in dem einen Lande, als in dem andern gesehen worden.
Besonders vorsichtig muss man in Folge eines Theils der hier-
auf bezüglichen Traditionen sein; in Vestbo hat man eine Tra-
dition über die Einwanderung der Heide, die jetzt eine Land-
plage ist. Nach einer dergleichen Sage hat Retzius in der
El. Oec. angegeben, dass die Buche von den Mönchen einge-
führt worden, obgleich sowohl alte Urkunden, wie der älteste
Kalktuff bei Benestad bezeugen, dass sie in der Vorzeit allge-
meiner war und nach einer blossen Vermuthung lange nach
Linnes Zeit, ist es eine Sage, welche nicht den geringsten
Grund hat, geworden, dass der ältere Rudbeck Fritillaria
Meleagris auf die Königswiese bei Upsala eingeführt. Sie fin-
det sich nicht bloss überall auf niedrigen feuchten Wiesen
um Upsala, sondern auf unzähligen der !entferntesten Orte,
sogar in tiefen Tannenwäldern wo der Boden umfriedigt ist,
über ganz Upland zwischen Gefle und Stockholm.
Gewöhnlich stellt man sich die älteste Vegetation Schwe-
dens, als einen Urwald von Nadelbäumen, nebst den in diesen
vorkommenden Waldpflanzen, vor. Wir sind im Gegentheil
überzeugt, dass die wilde Vegetation reicher und dem Laubwald
mehr allgemeiner war, als jetzt. So ist auch das Verhalten
auf dem Harz und an mehreren Orten, mit Plinius’s und Ta-
citus’s Beschreibungen verglichen. Die älteste Ausbreitung
mum habe, als dass eine Uebersiedlung im buchstäblichen Sinne
stattgefunden. In der letzteren Arbeit werden zwar einige zufälli-
gerweise verwilderte angenommen, aber da Linne in Folge seiner
Theorie über den Ursprung der Pflanzen (nach welcher gleichwohl
alle eingewandert sein mussten) allzuviel Gewicht auf die WVan-
derungen legte, müssen sie vorsichtig benulzt werden. So werden
Humulus und Berberis für aus Gärten ausgewanderte gehalten.
In mehreren Fällen fand sich später, dass in dem Lande, von
welchem man eine Art herleitete, nur eine ganz andere Art wächst,
z. B. Astragalus arenarius von England, Cynomorium coccineum
von Jamaica hergeleitet.
##) In Svensk Botanik, besonders in den acht älteren Bänden sind aus
Mangel an Untersuchungen in der Natur unzählige Pflanzen als
nicht einheimische angegeben, welche diess ohne Zweifel sind,
330 Das Vaterland der Gewächse.
‘unseres Laubwaldes wurde in späteren Zeiten !eingeschränkt,
nicht erweitert. In einem uralten Tannenwald, in dessen Nach:
barschaft jetzt keine Eichen mehr gefunden werden, habe ‘ich
unter einem der dieksten Mooslager so gewaltige Eichenstämme
gefunden, dass ich zweifle, dass ihre Zeitgenossen jetzt in
Schweden leben; bei Femsjö finden sich jetzt nicht ein Zehntel
Eichen gegen vor 50 Jahren noch, und wie abzehrend, mit
vertrockneten Kronen, stehen nicht die Eichen an den Ufern
des Dalelfs, ohne dass man eine einzige jugendliche und freu-
dig gedeihende sieht. Das gleiche Verhältniss ist es an meh-
reren Orten mit der Buche; die Tradition erwähnt ihrer, wo
sie sich nun nicht mehr findet. In Mooren, welche eine eigene
Art von Wüstenbildung darstellen, finden‘ sich ja in allen Ge-
genden des Landes Ueberreste von nun verschwundenen Laub-
wäldern*). Die Menge von Namen der Dörfer von Eiche, Ahorn,
Linde, Esche, Eller u. s. w., wo diese Bäume nun mangeln,
bezeugen, dass bei ihrer Anlage von diesen Bäumen da Wald-
haine waren. Auf unseren grösseren angebauten Landebenen
sind sie gewöhnlich verschwunden; in den wildesten Berzgegen-
den z. B. Nord-Smäland ist die grösste Abwechslung und
Reichthum an Laubwald. Durch die Kultur ist der Nadelwald
in Dänemark verschwunden. Hornemann giebt auch die
Esche u. m. als dort eingeführt an; in England giebt man so
die Linde u. m. an; bei Berlin den Apfel u. s. w., alles sicher-
lich unrichtig; obgleich sie sich jetzt gegen die fortschreitende
Kultur allein durch Schutz erhalten. Mit einem reicheren Laub-
wald muss eine reichere Flora vereinigt gewesen sein. Viele
Dickichte, Bergschluchten, Inseln und Klippen [skär, Scheeren]
waren den grasfressenden Thieren auch lange unzugänglich, bis
das Bedürfniss und die Verschlagenheit des Menschen Auswege
fanden von Allem Gewinn zu ziehen. Noch erhält sich jedoch
eine und die andere Pfianze friedlich an diesen Stellen. Meh-
rere unserer ausgezeichnetesten Pflanzen, welche sich noch in
wenigen Exemplaren an zersireuten Orten oder auf einer ein-
zelnen Stelle erhalten z. B. Vicia pisiformis, V. dumetorum,
Stipa, Betonica, Elymus europaeus u. m. sind Ueberreste von
der älteren, reicheren, wilden Vegetation und diese gehen wahr-
*) Wo Laubwälder über dem Boden gefällt werden und zur Verrot-
tung liegen bleiben und der Ablauf des Wassers gehindert ist, be-
ginnt gewöhnlich die Moorbildung; wo Laubwald abgeschwendet
und der Boden nachher zur Weide benützt wird, wächst später
Nadelwald, wird er eingehegt, wieder Laubwald.
Dis Tieldrkikil iin Geikichsä. 331
scheinlich ihrem Untergang entgegen , gleich ‚wie innerhalb der
letzten 50 Jahre Trapa, Xanthium, Ilex u. m. Das Merkwür-
digste ist, dass dieses nicht eine bei uns isolirte Thatsache
ist, sondern dieselben Pflanzen auch in nahe liegenden Ländern
abnehmen. Die Stipa ist in England ausgegangen ‚ das Xan-
thium früher in Dänemark nicht selten ist dort jetzt beinahe
verschwunden, die Trapa nimmt in Norddeutschland (vergl.
'Schwaegrich. Topogr. Lips.) von Jahr zu Jahr mehr ab, so
dass sie gegenwärtig als Kulturpflanze aufgenommen ist.
‘Eine 'noch wichtigere Stütze erhält diese Ansicht von den
Pflanzen, welche unzweifelhaft einheimisch, nunmehr selten
‘oder niemals bei’ uns blühen. 8. $. 7.
$. 5
Die ursprüngliche Vegetation eines Landes bleibt uns gleich-
wohl immer ünbekannt; was wir ursprünglich nennen ist nur
relativ älter, als etwas später Hinzugekommenes. So nennen
wir die Atzteken relativ zu den Spaniern die Ureingebornen
Mexicos, aber wir wissen gleichwohl, dass diese relativ zu einem
älteren Volksstamm eingewandert waren. Ganz dasselbe Ver-
halten ist es in der Natur; in dieser findet sich nichts stillste-
hend, am wenigstens in der Vegetation eines kultivirten Landes.
Man darf blos die Vegetation 50—100 Jahre in einem solchen
beobachten, um bedeutende Ungleichheiten zu finden, z. B. in
Schonen nach Leche’s und Linne’s Zeit. Ein Theil Pflan-
zen ist ausgegangen; viele haben ihre Standorte verändert:
aber sie sind auf diesen eben so einheimisch, denn man muss
nicht glauben, dass jede Pflanze nun auf demselben Fleck steht,
wie vor Tausend Jahren früher. In wie weit einige klimatische
‘Veränderungen hieran einen Theil haben, können wir aus Man-
gel sicherer Thatsachen nicht entscheiden. Man 'sagt zwar,
dass auf den Alpen Norwegens jetzt grosse Baumstämme hoch
über der gegenwärtigen Baumgränze gefunden werden, aber
man schreibt diess jetzt der successiven Erhöhung des Landes
' Wenn während dieser die Alpenpflanzen weiter abwärts
Hear! sind sie da eben so einheimisch, wie auf ihren ‚,ur-
‚sprünglichen “ Standorten. Durch andere Naturbegebenheiten
kann auch die wilde Vegetation verändert ’werden, bald sich
weiter ausbreiten, bald eingeschränkt, ja auf ganz andere Lo-
kale übertragen werden. Nach einer Ueberschwemmung habe
ich auf grösseren Stellen Nadelwald aussterben und Ellern auf-
wachsen sehen; und diese Ellern waren eben so wild, als wenn
332 Das Vaterland der Gewächse.
sie von ewigen Zeiten da gewachsen wären. Denn wild ist
diejenige Vegetation, welche von der Natur inner-
halb der natürlichen Ausbreitungsregion jeder Art
selbst gesäet ist. Und damit ist alles weitere Forschen
nach ihren Wanderungen unnöthig.
Worüber man sich bei Beurtheilung des fremden Teenies
einer Pflanze erst vorher Rechenschaft. geben muss, das sind
die ungleichen Gesetze für Wachsthumsart und Ausbreitung un-
gleicher Pflanzen. Die Bestimmung eines Theils derselben ist,
die unveränderte Jahr für Jahr verbundene Erdoberfläche zu be-
kleiden. Diese wachsen, wie alles Dauernde, langsam, Sie
werden dadurch beständig und so lange die Erdoberfläche
nicht einige gewaltsame Veränderungen, entweder durch Men-
schenhand oder Naturereignisse, durchlaufen, finden sie sich
immer, während Jahrtausenden auf derselben Stelle, denn durch
Knospenbildung können sie sich, so zu sagen, in Ewigkeit ver-
jüngen und in: ihrer inneren Natur liest keine natürliche Ursa-
che zu ihrem Tode. Solche Pflanzen sind die Bäume und alle
Kräuter, welche Knospen ansetzen. Die Bestimmung Anderer
ist die lockeren Erdlagen der der Veränderung unterworfenen
Erdoberfläche einzunehmen (z. B. der Berge und Flüsse, Sand-
felder, Stellen, welche durch Waldfeuer, Ueberschwemmungen
u. Ss. w. ihre beständige Vegetation verloren), oder auf welchen
sich ein so unzureichender Humus findet, dass eine beständige
Vegetation nicht das ganze Jahr über Nahrung findet. ‚Diese
bekleiden schleunig die, durch die angeführten Ursachen, ihrer
beständigen Vegetation beraubte Erdoberfläche; sie müssen des-
halb einjährig oder zweijährig sein; in dem Verhältniss wie die
Oberfläche fester wird, werden sie von der beständigen Vege-
tation verdrängt um neue, für sie passende Plätze einzunehmen.
Zu diesem Zweck pflanzen sie sich fort und vermehren sie sich
ausserordentlich leicht durch Samen, welche auch lange Zeit
in der Erde liegen können ohne zu keimen, bis sie den Platz
gefunden für den sie bereitet worden sind. Diess sind die
Nomaden des Pflanzenreichs, welche sich gewöhnlich nur
eine kurze Zeit auf einer Stelle aufhalten, aber wenn; diese
nicht länger für sie passt, ziehen sie zu anderen, oft weit ab-
gelegenen. Sie wandern auch, wie die Zigeuner, von Land zu
Land; verschwinden sogar in den Ländern, in weichen sie in
der Geschichte zuerst auftreten, z. B. Geranium bohemicum,
welches nunmehr vergeblich in Böhmen gesucht wird, aber ge-
genwärtig nirgends häufiger vorkömmt, als in Schweden, wo.es
zu Linne’s Zeit unbekannt war. Ihre Veränderungen: der
Das Vaterland der Gewächse. 333
- Wohnplätze werden sowohl durch die Natur.des Samens, als
durch die Bekleidung der Frucht mit einer Haarkrone, Hüllen
(Cynoglossum, Echinospermum, Aparine), und ihr Vorkommen,
am liebsten in der Nachbarschaft der Menschen und Thiere,
erleichtert. Nirgends will man, in Folge des einseitigen Be-
sriffs den man sich von der beständigen Vegetation über ein-
heimische Pflanzen gebildet, sie für solche anerkennen; denn
nirgends sind sie mehr einheimisch als wo sie nun gegenwärtig
(auch bei uns) auftreten. Es sind beinahe nur diese Pflanzen,
welche zu der Vegetation eines Landes hinzukommen; äusserst
selten finden sich einige neue mit festen Standorten ein und
verbreiten sich. Aus einem alten Vorurtheil will man alle diese
Pflanzen von Asien herleiten, ohne zu bedenken, dass die spo-
radischen Arten Europas gewöhnlich dort fehlen; erst in den
spätesten Zeiten mit den Europäern eingewandert sind. Der
grössere Theil, wie die Mohnarten u. m., werden schon von
Theophrast erwähnt, und dass Datura eine uralte europäi-
sche Pflanze ist hat Bertoloni bewiesen. Man hat den Ur-
sprung (mit welchem wir nichts zu thun haben) dieser sowohl
nach Ost-, als Westindien verlegen wollen, aber in keinem die-
ser Länder will man sie als wahrhaft einheimisch anerkennen,
indem sie nirgends anders vorkömmt, als bei uns. Das wahr-
scheinlichste ist, dass sie jetzt nicht mehr auf den Puncten
angetroflen wird, wo sie zuerst auf der Erde aufgetreten. Hier-
her gehören unsere meisten Ruderalpflanzen, welche man ge-
wöhnlich zweifelt für einheimische ansehen zu können, indem
sie meistens in der Nachbarschaft des Menschen vorkommen.
Sind die meisten von diesen nicht einheimisch bei uns, so sind
sie es auch nicht anderwärts, denn überall kommen sie unter
gleichartigen Verhältnissen vor. In den Ländern, wo die für
sie passenden Lokalitäten gewöhnlich sind, trifft man sie jähr-
lich in Menge, wie die Pflanzen des abgeschwendeten Landes
bei uns, obgleich sie ihre Wohnorte wechseln; aber wo die
ersteren mehr zufällig, zeigen sie sich auch mehr zufälliger-
weise und an der äussersten Gränze der Ausbreitungszone einer
Art wird jede Pflanze sporadisch (beständige kommen da
selten zur Entwicklung oder werden meteorische), diese müssen
aber nicht minder für einheimische angesehen werden.
$. 6
Am gewöhnlichsten bezweifelt man das Recht der Ruderal-
und Ackerpflanzen, als einheimische oder Eingeborne des Lan-
des angesehen zu werden, indem man die Möglichkeit nicht
er
3
ae
334 Das Vaterland der 'Gewächse.
einsieht passende Lokale für sie vor der Besitznahme‘.des Men-
schen von dem Lande zu finden. ÜUnverkennbar hat diese ihnen
eine grössere Ausbreitung, als sie vorher gehabt, ‘möglich ge-
macht; man muss sich aber hierbei nicht in eine vorhistorische
Zeit verlieren. Wir kennen ausser Island kein bewohnbares
Land; welches nieht vor aller Geschichte bevölkert war. "Was
man sich mehr einprägen muss, ist, dass in allen wilden Län-
dern die Natur einen ganz anderen Charakter hat, über welchen
wir uns schwerlich einen Begriff machen können. Waldhbrände,
Ueberschwemmungen, Flussausschnitte, Bergstürze u. s. w.
sind da gewöhnlicher, wie wir in den wilderen Gegenden Ame-
rika’s sehen können; in den grossen Urwäldern häufen sich
Baumstämme über Baumstämme, deren vermoderte ' Stämme
einen passenden Standort für sie bilden; auf solchen Stellen
und auf Bergstürzen finden sich in unseren Bergwäldern immer
eine Menge Ruderalpflanzen z. B. Cardui, Lithasperma, Urti-
cae, Cynoglossum, Galeopsis, Lamia u. s. w. Die‘ Ruderal-
pflanzen kommen da unter den eignen Ruinen der Natur vor; auf
dergleichen kommen im nördlichsten Amerika mehrere von unseren
Ruderalpflanzen vor, ohne dass wir annehmen können, dass 'sie
von da zu uns übergeführt worden. Der grösste Theil von unseren
Ackergräsern findet sich wirklich wild auf dem Ackerfeld’ der
Natur, den Seesträndern. (8. Fl. Halland. Coroll.). Ja! auf
den genannten Stellen kann man noch heute die meisten 'auffin-
den, aber da man sie häufiger in seiner Nachbarschaft hat, so
übersieht man sie auf ihren natürlichsten Standorten; als zufällige.
Aber in einem wilden Lande treten mehrere Verhältnisse
ein, über welche wir uns nun kaum einen Begriff machen können
Die Thiere, ungestört von den Menschen, leben dort in einer
Art von Gesellschaft, nicht bloss der Biber u.m., sondern auch
die grasfressenden sammeln sich an gewissen bestimmten 'Stel-
len, wo durch das Festtreten des Bodens und den gehäuften
Mist eigene, besonders fruchtbare Lokalitäten entstehen. Auf
dergleichen kommen um die Sennhütten in den Schweizer-Alpen
mehrere eigenthümliche Pflanzen, z. B Aconita, vor, auf einer
einzigen solchen in Kärnthen hat man die stolze, prächtige
Wulfenia carinthiaca beobachtet*). In den Bergwäldern Smälands,
*) Diese Angabe ist nicht ganz genau und richtig, denn die F7’ulfenia
carinthiaca findet sich auf der Kühweger-Alpe im Gailthale in
Kärnthen, wie ich aus eigner Erfahrung weiss, indem ich sie selbst
dort gesammelt, nicht unmittelbar. um die Sennhütte auf der. aus
den angehäuften Excrementen entstandenen Düngererde, dem Staud-
orte der AJconita, des Aumex alpinus u, s. w., sondern in einem
Das Vaterland der Gewächse. 338
wo grosse Hirschbestände weiden, finden sich, wo sie über
Nacht oder zu gewissen Tageszeiten sich sammeln um wieder-
zukäuen, solche fruchtbare Stellen und auf diesen findet man
zugleich mehrere Ruderalgewächse. Auf einer solchen Stelle
bei Odensjö habe ich Hyosceyamus niger gefunden, welcher
übrigens in dem mageren, westlichen Smäland nicht vorkömmt.
Ihn und Solanum nigrum findet man oft auf öden Scheeren
[Erdzungen, Inseln, Felsen und Klippen am oder im Meere ],
wo oft eine Ruderal- Vegetation gefunden wird.
Ein anderes merkwürdiges Verhältniss in einem wilden Lande
ist, dass die Arten mehr in Massen, aber auf weit eingeschränk-
teren Orten, wachsen. Jede Art nimmt beinahe ausschliesslich
ihre eingeschränkte Region ein, ohne sich mit anderen zu ver-
mischen. Selbst die Pflanzen leben dadurch in einer Art Staat.
So ist, nach Preiss in der Flora 1842, das Verhältpiss in den
ganz unangebauten Theilen von Neuholland, welches sich übri-
gens durch scheinbaren Artreichthum auszeichnet. Die Aus-
breitung jeder Art ist gleichwohl äusserst beschränkt, oft auf
einen kleinen Fleck, aber sie herrscht da unumschränkt; ausser-
halb dieser fängt eine andere Art an, welche da gleich aus-
schliesslich vorkömmt. So hat sicherlich ein grosser Theil von
unseren Pflanzen eine weit ausgedehntere Ausbreitung erhalten,
als er ursprünglich besessen. Diess ist besonders wichtig zu
erwägen, damit man nicht eine Pflanze bloss deshalb für frem-
den Ursprungs halten möge, weil man sie in ihrer nächsten
Umgebung verwildert finde. Man erinnere sich an die Ribes-
Arten, Humulus, Polemonium, Berberis, Agquilegia u. m.,
welche in den wildesten Berggegenden unzweifelhaft vollkom-
. men einheimisch sind. Dass viele Pflanzen, welche in dem
mittleren Schweden mehr zufällige sind, im südlichen Schweden
auf dem Feide, dem Strande und unbearbeiteten Stellen unzwei-
felhaft wild sind, z. B. die Mohnarten, Echium, Viola odo-
rata, Delphinium Consolida u. m. ist bekannt, aber die Bota-
niker Südschwedens wissen nicht , dass dasselbe Verhältniss
im mittleren Schweden stattfindet mit mehreren, welche sich
im südlichen Schweden nur mehr zufällig zeigen, z. B. Anthe-
mis tincloria, Campanula rapunculoides (gemein auf den Ebe-
nen Uplands, auch in offenen Wäldern), Onopordon Acanthium,
daran gränzenden, lichten, aus hohen Bäumen bestehenden Laub-
holzhaine, in lockerer. Lauberde an schattigen Stellen, welches
ich in Bezug auf ihre Kultur hier bemerken zu müssen glaubte.
Anm. d. Red,
23
336 Das Vaterland der Gewächse.
welches hier auf Steinhügeln wächst, wie Carduus lanceolatus
u. m. Weil man dergleichen gewöhnlich zuerst zunächst dem
Hause oder um dasselbe findet, glaubt man gerne, dass sie von
da sich in die wilde Umgegend verbreitet, obgleich am häufig-
sten ein entgegengesetztes Verhalten in der Wirklichkeit: statt-
findet.
7
Es giebt ausserdem verschiedene Verhältnisse, welche während
kürzeren oder längeren Perioden das Aeussere der Vegetation,
aber nicht ihre innere Natur verändern. Viele Pflanzen, mit
übrigens festen Standorten und unzweifelhaft einheimische, er-
scheinen nur in gewissen Jahren, oft nach langer Zwischenzeit,
was auf ungleichen meteorologischen Verhältnissen beruht. Sol-
che Gewächse haben wir meteorische genannt und hierher
gehören vorzugsweise ein Theil Pilze und die pilzartigen Pha-
nerogamen: "Sie finden sich wirklich in potestate obgleich sie
nicht zur Entwicklung gelangen. Dieses Verhältniss ist weit
allgemeiner, als man sich gewöhnlich vorstellt und hat oft An-
leitung zum Reden über generatio aequivoca und fremden Ur-
sprung gegehen. Auf den ersten Platz müssen wir eine Menge
Wasserpflanzen setzen, welche nur in gewissen Jahren in dem
ausgetrockneten Schlamm erscheinen, aber in den Jahren, wo
der Wasserstand hoch ist gar nicht. Solche können ganze
Jahrhunderte fortleben und sich durch Knospen fortpflanzen, im
Fall sie mehrjährig sind, z. B. Juneus supinus*). Sind sie im
*) Merkwürdig istin dieser Hinsicht der See Frillen, auf der hal-
ländisch -smäländischen Gränze. Dieser ziemlich bedeutende See
liegt auf einer Laudhöhe und hat eigentlich keinen Zufluss, das
Wasser ist krystallklar, welches wahrscheinlich die Ursache dazu
ist, dass der ganze Bnden desselben mit Gras bekleidet
ist, obgleich diese Pflanzen niemals zur Blüthe kommen. Lobe-
lia [| Dortmanniana]| versucht es am weitesten, mit ellenlangen
spiralgewundenen Stengeln, aber da der Wasserdruck stärker
wird, muss sie auch damit’aufhören. Die übrige Vegetation wird
von Isoötes, Sceirpus acicularis, Ranunculus Flammula. (beide ohne
Blumen) und einigen Blättern, deren Bestimmung ich mir .nıcht
zutraue, gebildet. In Verbinduug hiermit dürfte ich auch den
Bastesjö bei Femsjö erwähnen müssen, einen kleinen WValdsee,
aber wegen des äusserst häufigen Scirpus multicaulis und Aira
uliginosa und morasligen Bodens und schlammigen Wassers merk-
würdig. Der Grund des See’s ist zum grossen Theil mit fest ge-
wachsenen und deutlich mit der Axt abgehauenen Fichtenwurzeln
bedeckt und mir ist es vorgekommen, als wäre Aira uliginosa ein
Ueberbleibsel von Aira flexuosa, von der Zeit her wo der See-
grund fester Boden war. Auf grösserer Tiefe gelangt auch sie nie-
mals zur Blüthe,
Das Vaterland der Gewächse. 337
Gegentheil einjährig, so können die Samen mehrere Decennien
im Schlamm liegen ohne zu keimen*). Von dieser Art sind
Coleanthus subtilis, Scirpus Michelianus, Cyperus fuscus, Ca-
rex cyperoides, Lindernia pyzidaria u. m. Coleanthus wurde
zuerst 1812 in Böhmen entdeckt, mit dem äussersten Fleiss alle
Jahr vergebens wiedergesucht bis 1517, wo er in grosser Menge
wiedergefunden wurde. In Norwegen fand man ihn 1836, und
nachher zeigte er sich erst 1842. Seirpus Michelianus erschien
auf dergleichen Stellen in Schlesien 1822, 1830 und 1834. Car-
damine kirsuta gehört auch zu dieser Kategorie. Aber in den
Ländern, wo das Wasser alljährlich austrocknet, erscheinen
sie alle Jahre, gleichwie die sporadischen Pflanzen, wo deren
Stationen mehr gewöhnlich sind. Bisweilen wird ein Theil
Pflanzen dadurch sporadisch, dass sie in gewissen Jahren im
Frühling, andere im Herbste vor der Reife des Samens erfrie-
ren, wodurch sie entweder ganz ausgehen oder doch mehrere
Jahre erfordert werden, ehe sie wieder in ihrer früheren Menge
sich darstellen. |
Nicht minder hemerkenswerth erscheint es, dass mehrere
unzweifelhaft einheimische Pflanzen gefunden werden, welche
entweder niemals oder äusserst selten zur Blüthe gelangen. So
verhält es sich auf der Insel Gottland nach Hrn.. Nyman, mit
Iris sibirica und Ajuga reptans. Die erstere ist äusserst selten,
die letztere niemals mit Blumen dort gefunden worden. Trifo-
lium alpestre ist in Schonen nur wenige Male blühend gefunden
worden und Stipa ermangelt in gewissen Jahren in Westgoth-
land aller Blüthen. Dieses Verhalten ist weniger selten, als
man vermuthet; man giebt nicht besonders Acht darauf, wenn
eine Pflanze nicht sehr selten ist. Möglicherweise liegen so in
poteslate in Schwedens Erde Pflanzen, die uns bisher entgan-
sen sind, indem man auf Blätter und dergleichen nicht Acht
siebt. Wenn aber die Ländereien aufgebrochen werden, wel-
che seit Jahrhunderten abgeweidet worden, und geschlossen
bleiben, zeigen sich da desto manmnichfaltigere Pflanzen, welche
vorher nicht gesehen wurden, obschon sie in der Erde lagen
und sich durch die Wurzel fortpflanzten, obgleich der aufstei-
#*) Diess ist wohl die Ursache, dass man auf ausgegrabenem Schlamm
eine grosse Menge vorher nie gesehener Pflanzen findet, Nach der
Ausräumung des Flusses bei Upsala in dem vorigen Jahre wuchsen
in dem Schlamm schnell eine unzählige Masse Polygona, Cheno-
podia auf, welche sich dort nicht so von naheliegenden Orten ver-
breiten konnten. Darunter waren einige hier vorher, wenigstens
in den späteren Jahren, nicht gesehene Pflanzen, z. B. MMelilo-
tus officinalis, Atriplex hastata, Coronopus depressa.
23*7
338 Das Vaterland der Gewächse.
gende Stock nicht zur Entwicklung kam. Nachdem der ange-
pflanzte Nadelwald in Dänemark aufgewechnällt hat man zu sei-
ner Verwunderung in ihm die dort vorher nicht gesehenen und
den Nadelwäldern eigenthümlichen Pyrolae gefunden. Sie sich
durch eine generatio aequivoca entstanden zu denken wäre un-
gereimt [2], wenig minder, dass sie von aus Schweden 'herbei-
Befthrien Samen entstanden. Die natürlichste [?] Erklärung
ist wohl, dass sie seit der Zeit wo Dänemark wilden Nadelwald
besass in der Anlage in der Erde fortgelebt. Deutlicher sieht
man diess auf allen in späteren Zeiten eingehegten Meeressträn-
dern in Süd-Schweden, wo das nächste Jahr Pflanzen mit aus-
gezeichnet langen, kriechenden Wurzeln erscheinen, so, dass
diese sich seit Jahrhunderten im Boden ausgebreitet haben
mussten, ohne dass sie vorher zur Entwicklung gekommen.
Lathyrus maritimus war weder auf dem Kullen noch in der
ganzen Gegend gesehen worden, aber wo der’ Seestrand einge-
hest wurde stand er im folgenden Jahre wie der gediehenste
Erbsenacker. Schon hieraus kann man sehen, wie vorsichtig
man mit der Behauptung, dass eine Pflanze ausgegangen sei,
sein muss. In der Natur der sporadischen Pflanzen liegt ein
Zwang die Wohnörter zu wechseln; in der der meteorischen
sich mehrere Jahre zu verbergen; die beständigen sind ausser-
ordentlich leicht zu übersehen. Wenn die Natur in ihrer ur-
sprünglichen Freiheit wieder hergestellt wird, zweifeln wir kaum,
dass die vergangene Vegetation von neuem auferstehen würde,
gleich wie die Pyrolae in Dänemark, die Trapa in den Seeen,
worin sie durch das Fischen mit dem Netze zerstört worden.
Gleichwie in diesen Seeen die Trapa-Nüsse noch in grösserer
Menge liegen, liegen wahrscheinlich viele Samen im schwedi-
schen Boden, welche ihre künftige Entwicklung abwarten.
$. 8.
Das Vaterland der Pflanzen wird also für uns jeder Punect
innerhalb der natürlichen Ausbreitungszone der Art, wo sie von
der Natur selbst ausgesäet auftritt. Die Frage über ihre Ur-
sprünglichkeit auf einem gewissen Puncte ist etwas, welches
wir niemals entscheiden können; ob sie wirklich einheimisch
sind oder nicht, kann entweder nur durch das Zeugniss der Ge-
schichte oder durch allgemeine pflanzengeographische Gesetze
entschieden werden. Darauf gleichwohl in der Pflanzengeogra-
phie ein ausschliessendes Gewicht zu legen ist eine Verwechs-
lung der Geschichte und Geographie. Dunias orientalis und
Das Vaterland der Gewächse. 339
Dipsacus pilosus*) nunmehr nicht als einheimisch anerkennen
zu wollen, wäre dasselbe, als in die englische Geographie die
grossen, jüngeren Fabrikstädte nicht aufzunehmen, sondern bloss
“die alten, verrotteten Marktflecken. Von der Art des Wachs-
thums oder dem Standort einer Art kann nicht mit Zuversicht
über ihre spätere Einwanderung geschlossen werden. Wer
würde nunmehr aus dem Standort schliessen, dass Bunias
orientalis und Acorus eingewandert seien, wenn wir darüber
nicht das Zeugniss der Urkunden besässen? wer nicht Oxalis
stricta auf Seeland für neuerlich eingewandert halten, wenn
sie nicht 2 Jahrhunderte alte Ahnen besässe? hätte man bloss
50 Jahre später angefangen die schwedische Flora zu untersu-
chen, so hätte wohl Dunias als von der Erschaflung der Welt
an, in Schweden gewachsen gehalten werden können.
Wo eine Pflanze, ausser ihrem natürlichen Ausbreitungskreis,
sich verbreitet und wirklich festsetzt, z.B. Coronopus didyma,
Dracocephalum thymiflorum, Elsholtzia in Schweden, oder
Wiborgfh acmella bei Berlin, kann sie nicht für wirklich wild
gehalten werden, so lange ihre Ausbreitung mit ihrem eigentli-
chen Vaterlande nicht ein Continuum bildet. Wir bestehen des-
halb nicht darauf, dass sie aus einer Flora des Landes ausge-
schlossen werden soll; denn »darin ist es nicht möglich eine
scharfe Gränze zwischen wilden und verwilderten zu ziehen.
Dass im Gegentheil eine Pflanze bisweilen bloss zufälligerweise
aus der Fremde erscheint, verdient gar keine Aufmerksamkeit.
Mit weit mehr Recht hat man in den meisten neuern Floren
allgemeinere, im Grossen angebaute Kulturpflanzen aufgenom-
men, nicht bloss deshalb, weil die Flora des Anfängers erstes
Handbuch und ihre Kenntniss ihm ausserordentlich wichtig ist,
sondern hauptsä@hlich deshalb, weil es für Manchen ein unun-
terscheidbarer Umstand ist, welche für wild vorkommend gehal-
ten wird. Hörte Linum in Schweden zu wachsen auf, so hörten
auch. Cuscuta Epilinum, Camelina foetida u.m. auf. Ich will
nicht dabei verweilen, dass die Kenntniss von der möglichen
*) In wie fern Dipsacus nach Lund u. s. w. gekommen, ob von au-
sserhalb oder von einem (vielleicht schon abgehauenen) Waldhain,
denn Schonen liegt innerhalb der natürlichen Ausbreilungszone der
Pflanze, kann nicht mit Gewissheit entschieden werden. Was ich
mit vollkommener Gewissheit weiss, ist, dass die Pflanze sich früher
ausserhalb der Stadt, als in dem botanischen Garten einfand. Merk-
würdig ist, dass sie gerade die beiden Plätze bei Lund und
Ystad einnimmt, wo schon vor einem Jahrhundert Xanthium
wuche. Es frappirte schon Linnd während seiner schonischen
Reise, dass Xanthium seit 20 Jahren abgenommen. ve
340 Das voldrland der Gewächse.
Ausbreitung der Kulturgewächse für die Kultur wichtiger ist,
sondern mehr dabei, dass sie für die Pflanzengeographie selbst
lehrreicher ist, als in den meisten Fällen die der wilden Vege-
tation; denn diese beruht auf einer Menge Zufälligkeiten, welche
nicht so unter allgemeine Gesetze geordnet werden können ‚als
die der Kulturpflanzen.
$ 9.
Die Lehre von den Stationen der Pflanzen findet man am deut-
lichsten dargestellt in Schouws Pflanzengeographie,;, Meyens
Abweichungen davon in minder wesentlichen Theilen haben die
logische Conseguenz in der Darstellung des ersteren zerstört.
Mir scheint jedoch, dass man mehrere Arten davon unterschei-
det, als mit strenger Genauigkeit bestimmt werden können, z.B.
plantae parietariae, tectorum, stagnariae u. m., welche kaum
einige ihnen ausschliessend eigne Pflanzen haben; alle Beispiele,
welche Meyen von plantae limitum, sepicolae u. s. w. anführt,
wachsen an andern Orten auf ganz andern Pflanzenplätzen.
Zwischen Wiesen- und Weidelands - Pflanzen, plantae pratenses
und pascuae, die Meyen unterschieden, ist wohl kein anderer
Unterschied, als dass auf der letzteren Stelle eine Menge ahge-
weidet werden, welche auf der ersteren zur Ausbildung kommen;
ein eingehegtes Weideland hat dieselben Pflanzen das erste
Jahr nachdem es eingehegt worden, wie eine nahe liegende
Wiese, Schouw hat viel richtiger die von Menschenhand her-
vorgebrachten Stationen von den natürlichen unterschieden; aber
da jede Art ursprünglich einer von den letzteren angehörend an-
genommen werden muss, so scheinen uns die ersteren richtiger
als eine Modification von diesen untergeordnet zu werden. Für
eine strenge wissenschaftliche Behandlung wird nothwendig das
einzelne physische Verhältniss von seinen verschiedenen Ge-
sichtspuncten aufgefasst und nachgehends darnach jede solche
Station die in der Natur vereinigt vorkömmt aufgelöst. Wir
unterscheiden also nicht Süsswasser-, Salzwasser-, Sumpfwas-
ser-Pflanzen (plantae stagnariae), indem diess zusammengesetzte
Verhältnisse sind; Sumpfpflanzen sind plantae humoso - aqua-
ticae, Salzwasserpflanzen pl. salino-aqualicae u. Ss. w. Wir
sind hier nicht zufällig ins Einzelne über diesen Gegenstand
eingegangen; sondern da es so nothwendig mit der Beurthei-
lung von dem Vaterlande einer Pflanze zusammenhängt, dass
auf ihrem natürlichen Standort verkömmt, haben wir uns
ichtet geglaubt, denselben nicht gınz zu übergehen.
Das Vaterland der Gewächse. 341
Zuerst müssen die Pflanzen nach dem ungleichen Medium
betrachtet werden, aus welchem sie hauptsächlich ihre Nahrung
aufnehmen, welches unläugbar das in ihre Vegetation am mei-
sten Eingreifende ist. Darnach unterscheidet man die Pflanzen
in: 1) Wasserpflanzen, welche beständig im Wasser leben,
entweder ganz und gar in diesem untersinken (pl. submersae)
oder theilweise auf dessen Oberfläche schwimmen (pl. emersae).
Ob diese nun auf dem Boden befestigt sind, oder frei auf der
Oberfläche schwimmen, z. B. Lemnae, Pistia, Salvinia, ver-
ändert keineswegs die Station, sondern gehört zur eigenen Ge-
sehichte der Pflanze. Diese können, ohne theilweise in das
Wasser eingesenkt zu sein, längere Zeit nicht zu leben fortfah-
ren. 2) Amphibische Pflanzen dagegen sind solche, wel-
che sich sowohl in der Luft, wenn bloss der Boden feucht ist,
und im Wasser entwickeln können, bald überschwemmt, bald
ausser dem Wasser, während eigentliche Landpflanzen eine län-
gere Zeit überschwemmt aussterben. Hierher gehören mehrere
der von Meyen aufgenommenen Trennungen von Sumpf- und
Strand-Pflanzen u. s. w., zwischen welchen sich weder ein
physiologischer Unterschied noch eine Grenze in der Natur fin-
det. 3) Landpflanzen, welche ihre Nahrung nur aus der
Erde (und der Luft) nehmen, aber nicht auf längere Zeit auf
überschwemmten Stellen wachsen können. Man kann sie in die
über der Erde (pl. epigeae) und unter der Erde (pl. hypogeae),
wie einige Schwämme, ausgebildeten scheiden. Zu den letzte-
ren müssen auch Monotropa, Lathraea u. m. gerechnet werden,
indem diese, wo sie aus der Erde hervorbrechen, vollkommen
ausgebildet sind, so dass sie sich in der Luft nur verlängern
und entwickeln. 4) Luftpflanzen, welche nur aus der Luft
ihre Nahrung aufnehmen, z. B. Flechten, ein grosser Theil
der Moose, und wahrscheinlich die sogenannten uneigentlichen
Parasiten. Eine und dieselbe Flechte z. B. kann auf Bäumen,
Stein und Erde wachsen. Diese sind nur ihre Anheftungsge-
genstände und die in den feuchten tropischen Wäldern auf
Baumstämmen wachsenden Phanerogamen können mit ihren
Luftwurzeln gleichfalls sich auf anderen Gegenständen, z. B.
Stein u. s. w. befestigen. 5) Eigentliche Parasiten, wel-
che aus anderen lebenden Pflanzen ihre Nahrung aufnehmen,
wobei man unterscheiden kann diejenigen, welche im Boden
wachsen, z. B. Cuscuta, und sich nachher an andere Pflanzen
festsaugen, theils diejenigen, welche schon keimend in andere
Pflanzen eindringen, z. B. Viscum.
Darauf folgt die chemische Beschaffenheit des Mediums,
342 Das Vaterland der Geikichdä
welche mit jeder der vorhergehenden, mit Ausnahme der para-
sitischen, verbunden sein kann, wodurch so viele Stationen ent-
stehen, als zwischen ihnen Combinationen möglich sind. "Die
chemischen Stoffe in der Natur, welche der Vegetation den 'un-
gleichen Character geben, sind Alkalien und die allgemeineren
Erdarten z. B. Kalk, Thon, Kiesel oder Sand und endlich Hu-
mus, wovon dessen unvollkommene Formen als Torf, halbver-
moderte Bäume und Dünger Modificationen sind. So entstehen
plantae salino-aquaticae — Meeresgewächse, pl. salino- am-
phibiae = Meerstrandspflanzen, Salzquellenpflanzen, pl. salino-
terrestres — Steppenpflanzen, pl. salino-aöreae — Meerstrands-
flechten u. s. w., und hierher würden wir auch geneigt sein die
wunderbaren Mangrove- Wälder der tropischen Länder zu rech-
nen, welche sich durch Luftwurzeln ernähren und fortpflanzen
(pl. amphihio-aöreae). Das Wasser kann aber auch mit den
übrigen Erdarten vereinigt werden.
Zuletzt in der Ordnung folgt der Conglomerat-Zustand der
Erde, welcher durch neue Verbindungen mit allen den vorher-
gehenden, ins Unendliche varürt. Die wichtigste Unterscheidung
ist diejenige zwischen der festen Erdoberfläche und den losen
Erdlagern, welche nicht mit einer beständigen Vegetation be-
kleidet sind, worüber wir oben gesprochen. Durch den Anbau .
der Erde durch den Menschen haben die lockeren Erdlager sich
bedeutend erweitert und die Pflanzen derselben eine grössere
Ausbreitung erhalten. Mauerpflanzen sind jedoch dieselben wie
Felsenpflanzen; über die Ruderalpflanzen ist schon gesprochen,
die Ackergewächse (plantae arvenses, agrestes, hortenses u. s. w.
halten wir keineswegs für trennbar) kommen natürlich theils
am Meeresstrande, theils in loser fruchtbarer Erde der Wälder,
z. B. Stellaria media, Galium Aparine, Polygonum u. Ss. w. vor.
Zu der Wissenschaft gehört durchaus nicht das Zufällige:
alle möglichen Stationen aufzuzählen oder welche Pflanzen zu-
fällig sich auf der einen oder anderen finden; sie muss nur die-
jenigen Umstände angeben und erklären, welche in Vereinigung
zu dem Gedeihen einer Pflanze nothwendig sind. So aufge-
fasst wird sie für die Kultur von dem höchsten Gewinn, wäh-
rend die gewöhnliche Behandlung in jeder Hinsicht unzufrieden-
stellend ist. — Dem Vaterland der Kulturpflanzen wird eine
eisne Abhandlung gewidmet werden.
$. 10.
Das Interesse der Kultur fordert, dass die Ausbreitung
jedes Naturkörpers so weit, als möglich ist, ausgedehnt, aber
Das Vaterland der Gewächse. 343
jeder von der höheren Intelligenz innerhalb zweckmässiger Grän-
zen geordnet werden muss: Nur dadurch entsteht der grösste
Reichthum und die grösste Mannichfaltigkeit von Leben auf der
Erde. Wie die Gesundheit des Körpers und der Seele untrenn-
bar verbunden sind, so sind es auch die ideellen und materiel-
len Fortschritte der Kultur. Nur die Beschränktheit kann einem
oder dem anderen, als für die Menschheit wichtig, ausschlies-
send huldigen; es würde einseitig sein wenn der Botaniker, in
der Blumenwelt schwärmend, sich zu einem unwirksamen con-
templativen Leben absondern wollte, sein Vereinigungshand mit
der Menschheit verachtend. Preisen wir nur die Wildheit der
Natur, so sind wir nicht ungleich dem Wilden, welcher die Frei-
heit darein setzt, zu thun, was ihm gelüstet.
Nur der Mensch selbst kann die Beschwerden jedes Klimas
bis zur Gränze alles Lebenden besiegen. Verschiedenen Zonen
gab die Natur verschiedene Producte; nirgends fehlen dem
Menschen, wenn er sie richtig ergreift, Mittel zu seiner Ausbil-
dung. Durch seinen Schutz kann er viel weiter als die wilde
Natur das Gedeihen der Naturproducte ausdehnen. In ihrer
höchsten Potenz nimmt die Menschheit die ganze Natur in ihren
Schutz; wird dieser Zweck erreicht ist die Wildheit, d. h. das
Zufällige, von der Erde verschwunden. Auch die Wüsten er-
freuen uns, denken wir sie uns in einer weit, weit entlernten
Vorzeit wimmelnd von des Lebens Fülle. Eine Siegessäule ist
ehrenvoller als die des grössten Weltstürmers. Eines Volkes
schönste Eroberung ist die von seinem Lande und sich selbst.
Dem Menschengeist, hat er das Ziel für seine Perfectibilität
erreicht, sind alle Erzeugnisse der Erdoberiläche unterthänig;
da ist Friede auf Erden und dem Menschen ein Wohlgefallen.
Aber um die Natur recht frei zu machen, d. h. die Wildheit zu
besiegen, muss er lange in die Schule der Natur gehen und
während der Zeit sich selbst von den Banden des Egoismus
befreien.
XERn.
Die schwedischen Weiden-Arten, nach ihrer na-
türlichen Verwandtschaft geordnet, mit kritischen
Bemerkungen.
Von
Dr. Elias Fries‘).
Uebersetzt von ©. T. Beilschmieds
,— 0000
Bie Riedgras- und die Weiden - Gattung sind unter den Pha-
nerogamen die Pflanzentypen, welche die Natur in. den nordi-
schen Ländern am meisten vervielfältigt hat. Durch Zähigkeit
im vegetativen Systeme, frühzeitige diclinische Blüthe und ra-
sches Reifen der in eigenthümlicher Weise verwahrten Samen
sind beide auf ein hartes Klima und die kurze Blühzeit des
Nordens besonders berechnet. Alle solche bestinmten Gegen-
den eigenen grössern Pflanzengruppen müssen vorzugsweise in
ihrer eigentlichen Heimath, wo sie am formen- und artenreich-
sten auftreten, studirt werden. Darum ist es der nordischen
Botaniker Pflicht, auf beide genannte Gattungen vorzügliche
Aufmerksamkeit zu richten; Schwierigkeiten dürfen nicht ab-
schrecken, sondern nur zu eifrigerem Studium anregen, welches
unter Besiegung jener nur belehrender ausfällt.
Die Riedgräser sind auch mit Vorliebe bearbeitet worden,
so dass die Zahl der bekannten einheimischen Arten mehr als
das Doppelte der hier bekannten Weiden ausmacht, wovon der
Grund nicht bloss in der geringen Mannigfaltigkeit der letzteren
liegt, sondern auch in der Verschiedenheit der bei der Arten-
#) [Aus Lindblom’s Botaniska Notiser, 1840, Nr. 9. 11., 12. 8.
445 —152., 177 — 188., 193—206. Mit Zusätzen nach neueru Ah-
handlungen von Fries. Vgl. a. dieses Archiv, 5. 270. £.]
Die schwedischen Weiden- Arten ele. 345
bestimmung befolgten Prineipien. Da die Riedgräser weniger
veränderlich sind, so ist jede äusgezeichnetere Form bald als
Art genommen worden; bei den Weiden aber hat man für die
Mannigfaltigkeit der Formen nur Haupttypen unterschieden und
nicht selten Zwischenformen für Uebergänge genommen. Wollte
man die Arten der Riedgrasgattung in gleicher Weise behandeln
wie die der Weidengattung, so würde es einen grossen Theil
der ersteren*) treflen, dass sie nur als Unterarten angesehen
würden, von gewiss nicht höherer Bedeutung, als manche der
als Unterarten betrachteten Weiden. Gerade weil das Ansehen
jener so einförmig ist, übersieht man so leicht die Mittelformen
dazwischen, die unter den grossen baumartigen Weiden so leicht
in die Augen fallen.
Nieht bloss die grosse Veränderlichkeit im vegetativen Sy-
steme der Weiden, auch nicht die Schwierigkeiten, die aus der
Verschiedenheit ihrer Blüh- und Blattbildungszeit entspringen
(weshalb sie auf Reisen nicht auf derselben Stelle in beiden
Zuständen beobachtet werden können), haben ihre Artenbestim-
mung verwickelt gemacht, sondern hauptsächlich die falsche
Richtung, die das Studium derselben wegen eines unrechten
und künstlichen Eintheilungsgrunds genommen hat. Hätte Linne,
welcher zuerst Arten sicher aufstellte, der Eintheilung und Ar-
tenumschreibung die Fruchtorgane zu Grunde geiegt, so würde
‚das Studium der Gattung gewiss einen andern Gang genommen
haben: die Linneischen Arten wären dann nicht so verwech-
selt und verkannt worden, sogar von Linne selbst””). Nach
den Blättern die Arten einzutheilen und aufzustellen, ist be-
stimmt schädlich, wie alles was unter dem Scheine ein Studium
#*) Z. B. Carex ornithopa (ornithopus), speirostachya [bei Englän-
dern selbst jetzt als $ unter fulva], Oederi, laxa, livida, rotun-
data, pulla, saxatilıs [| auctt. — rigida Good., Fr.], strieta & aff.,
Gebhardi [hier Gebh. Hartm. gemeint, die spätere C. vitilis Fr.
als eigne Art], virens, glareosa, teretiuscula u. s. w. [lIndess
führt der Hr. Verf. selbst mehrere hiervon auch später noch unter
den Arten auf: Mant. III. und Bot. Notis. 1843, Nr. 7., noch
vermehrt durch neue, z. Th. in Folge von Dreier’s Mevis. crit.
’ Caricum bor. iR
#*) So erkannte z.B. Linne niemals in den im ganzen Lande äusserst
gemeinen Formen der Salix aurita und $. nigricans die Formen
wieder, welche er in der Fl. lappon. beschrieben hatte. Dagegen
glaubte er die nur nordischen $. arenaria, fusca und myrtil-
loides in Formen der gewöhnlichen S. repens gefunden zu haben.
Hätte man auf die Befruchtung geachtet, so hätte Scopoli nie-
mals die Vermuthung geäussert, dass alle Weiden des flachen Lan-
des von Samen der S. serpyllifolia herstammten, der von den höch-
sten Gebirgen herab geflogen wäre.
346 Die schwedischen Weiden- Arten etc.
zu erleichtern, es nicht zu einer naturwahren Auffassung kom-
men lässt. | |
Der Verfasser dieser Zeilen suchte zuerst, nachdem Prof.
Wahlenberg vorher auf die Wichtigkeit der Fructification
für Eintheilung und Artenfeststellung hingewiesen hatte, eine
natürliche Eintheilung dieser Gattung darzulegen *), die nachher
von Koch und [vom Vf. selbst ] in Novitiar. Mantissa I. wei-
ter ausgeführt wurde. Nachdem aber der Grund zu einer sol-
chen gelegt worden, bleibt immer noch Mehreres im Einzelnen
festzustellen, weil nicht alle wesentlichen Merkmale auf einmal
klar da liegen. So hofie ich nun, dass es mir geglückt ist, in
Griffel und Narbe einen bestimmten Unterschied zwischen den
Salices viminales und den S. capreae, woran es bisher gefehlt,
zu finden, wodurch die für jedes natürliche System wichtige
Regel bestätigt wird, dass es ein grösserer Fehler ist, die Ver-
wandtschaft-, als das Abweichen der Charactere zu übersehen.
So nothwendig unsrem eingeschränkten Fassungsvermögen
für die unermessliche Einheit der Natur ein System ist, so
wichtig ist es auch einzusehen, dass jedes System dennoch ein
Flickwerk ist, ein Zerhauen des für uns unauflöslichen Knoten,
und dass alle sogenannten natürlichen Systeme doch keine Sy-
steme oder nur künstliche sind. Von den höchsten Standpunk-
ten der Wissenschaft aus verschwinden alle Systeme, ob sie
gleich Anfängern (und solche sind im Ganzen wir alle) unent-
behrlich sind: Ersteres ist die esoterische Lehre der Wissen-
schaft, letztere sind die exoterische. Meinestheils betrachtete
ich jederzeit alle Systeme, es sei in Philosophie, Botanik oder
anderwärts, fremde und eigne, nicht als etwas absolutes, sondern
nur als provisorische subjective Auflassungen der Offenbarung
des Ewigen, welche kein Menschengeist fassen kann. Darum
können nicht allein mehrere Systeme neben einander bestehen
und gleichen Werth haben, sondern sie sind sogar noth-
wendig, um von der Einseitigkeit abzulenken, die von
jedem Enthusiasmus für ein bestimmtes System
oder blindem Glauben an dasselbe unzertrennlich
ist. Es giebt mehrere Wege, sich einem verbesserten Systeme
anzunähern. So urtheilte auch schon Linne (s. dessen Classes
Plantarum) in Bezug auf damalige Enthusiasten für irgend ein
*) [Physiograph. Sällskapets Ärsberätt. 1824 und Sylloge zur regensk.
bot. Zeit. II. p. 34 sqq.; s. a. botan. Jahresb. üb. 1825, üb. 1826,
4832; dann in Fries Fl. scan. Mehreres zur Characteristik der
Amentaceae. ]
0
Die schwedischen Weiden- Arten etc. 3417
bestimmtes sogenannt absolutes System; und die zahllosen spä-
teren haben seinen Ausspruch mehr bestätigt als widerlegt. —
Meine botanisch-systematischen Ansichten sind so zu sagen
monarchisch unter dem Zwange eines bestimmten Prineips in
allen allgemeinen Verhältnissen, doch mit grösster Freiheit
(unabhängig von Characteren) in den besonderen; die in der
Zeit am meisten beliebten dagegen sind republicanisch: völlig
subjectiv in dem Allgemeinen, mit vieler Unfreiheit im Beson-
deren. Beide sollten nicht ferner behaupten, sie seien, jedes
für sich, absolut natürlich und Jie einzige rechte Form: diese
liegt weit über beiden. Alle Formen sind menschliche Beschrän-
kungen, aber darum nicht verwerflich. Aber alle Formen ohne
Auffassung des darin lebenden Geistes versteinern: To yoduur
anoxreive, TO be nveüua Swomolel.
Eine vollständige Beschreibung der schwedischen Salices
liegt bei uns in Reinschrift fertig, ursprünglich für dieses Blatt
[ Bot. Notiser] bestimmt; da sie aber zu voluminös geworden,
so folgt nur hier die Anordnung mit Ausschliessung aller Be-
schreibungen, Fundörter und überflüssigen Synonyme *), so wie
der Gründe für meine Annahmen: diese wären nun auch unnö-
thig, da Koch sie angenommen und anerkannt hat; nur solche,
‚denen man in Schweden mit Zweifeln begegnet ist, werde ich
genügend zu beweisen suchen, da in Novit. Mant. I. Mangel
an Raum dieses nicht zugelassen. Dort findet man die Beschrei-
bung etc. der Arten und Abarten; hier aber nehmen wir man-
che Abarten von mehreren polymorphen Arten !auf, deren For-
men wir uns damals [1832] nicht zu bestimmen getrauten.
Bei Anordnung der Species der Weiden dürfen nach unsrer
Meinung die Hauptabtheilungen derselben nie übersehen werden,
wenn gleich unvollständige Exemplare ohne Frucht hinsichtlich
ihrer Stellung schwer zu bestimmen sind, was übrigens ja von
den Gattungen der Umbellaten, Cruciferen u. a. gleichfalls
gilt: nach unsrer Ueherzeugung sind die Abtheilungen der Salices
*) Im Anführen der Synonyme herrscht viel Willkühr; es wäre mehr
Einheit zu wünschen. Freilich muss bei verschiedenen Werken
auch ein verschiednes Princip herrschen: ein andres in der Flora
eines Landes, als in einem allgemeinen Systeme. Gewöhnlich ci-
tirt man Autoren, die in Umgränzung und Benamung abweichen;
richtiger wäre es: nur die, welche des Verfs. Ansicht bestätigen.
In einer Special-Flora sollte wohi nächst dem Aufsteller der Art
stets auch die erste Quelle für die Einheimischkeit derselben eitirt
werden, dann einheimische Abbildungen und getrocknete Sammlun-
gen. Alles Andere ist, sofern es nicht kritische Pflanzen betrifft,
nur Ballast,
=
£
348 Die schwedischen Weiden- Arten etc.
eben so wesentlich und bestimmt, wie die der genannten und
vielleicht auch natürlicher begränzt. — Wir fangen hei den
höchsten an, deren eigentliche Heimath Tropenländer sind, und
steigen zu den niedrigen Gebirgs- Weiden herab, die an der
äussersten Gränze der lebenden Natur die letzte und niedrigste
Baumvegetation bilden. Nicht leicht dürfte eine Bäumegattung
so ausgedehnte geographische Verbreitung haben. Die Geschichte
der Weidengattung bietet ausserdem eine Menge interessanter
Thatsachen dar, wie die Gesetze ihrer Veränderungen, ihre
Abhängigkeit von verschiedener Behandlung, ihre ungleiche
Ausbildung nach Verschiedenheit des Klima’s, das Wechseln
der Geschlechter u. s. w., zu deren Betrachtung hier nicht
Raum ist.
Um die Unterschiede der Abtheilungen klarer hervortreten
zu lassen, ist es wohl nöthig, die Kennzeichen aller einzelnen
hier zusammenzustellen, wobei wir uns indess nicht bloss an
die einheimischen, sondern an sämmtliche bekannten Arten hal-
ten müssen.
1. Amerina (eigentliche Pilar*) |der Schweden; pil, pl.
pilar: grosse kohlblättrige W.]. Die Kätzchen wachsen an der
Spitze der beblätterten Spitzenzweige des Jahres hervor. Kätz-
chenschuppen gelbgrün, nicht an der Spitze verbrannt, mei-
stens kahl oder nur gewimpert. Honigschuppen zwei, einander
gegenüber. Staubfäden gewöhnlich mehrere, aber im Norden
oft nur 2, immer frei, mit gelben Staubbeuteln. Griffel und
Narben kurz.
Zu dieser sehr natürlichen Abtheilung, welche Bäume oder
höhere Sträucher in sich schliesst, die, im erstern Falle, in
den Zweigachseln sehr zerbrechlich sind, gehören fast alle Wei-
den der wärmeren Klimate. Sie sind indess den Gebirgsweiden
(Abth. V.) sehr analog. Dass Extreme in Kälte und Wärme
ähnliche Verhältnisse hervorbringen, davon haben wir zahlrei-
che Beispiele.
A. Fragiles. B. Amygdalinae.
En un
*) Es ist bemerkenswerth, dass in der schwedischen Sprache die Wei-
dengattung mehr eigene Namen hat, als in den südlich@xen Ländern,
wo die Bedeutung der Weiden in der Mannigfalligkeit der reiche-
ren Flora verschwindet. So hat Pil meines Wissens nichts Ent-
sprechendes in andern europ. Sprachen. JSalix der Lateiner finden
wir im schwed. Salle oder Sälg (engl. sallow, deutsch Söl |?],
franz. saule) wieder; Vetrix in unsrem Vide [pl.: Viden] (deutsch
Weide, engl. willow). Unser Hilster oder Jelster [Sal. pentandra]
dürfte mit £Aı£ der Griechen stammverwandt sein,
»
Die schwedischen Weiden- Arten etc. 349
I. Helix (schwed. Rödvie |pl.: Rödviar]|). Die Kätz-
chen wachsen aus den Seiten der vorjährigen Zweige, aber auf
erst wenig ausgewachsenen beblätterten (mehr oder minder )
ausgezogenen Stielen hervor. Kätzchenschuppen sitzenbleibend,
schwarzgebrannt,, wenig behaart. Honigdrüse einfach. Staub-
fäden 1 oder 2 verwachsene; Staubbeutel nach dem Verblühen
schwarzwerdend. Samenkapseln stiellos oder kurzgestielt, mit
sitzenbleibenden Griffel und Narben.
Sieht man nur auf die in Schweden wachsenden Salices
purpureae, die zwischen den S. amygdalinae und den vimina-
les in der Mitte stehen, so scheinen diese zu wenig eine eigne
Abtheilung zu bilden; betrachtet man dagegen die bekannten
Arten der ganzen Welt, so wird dieselbe höchst ausgezeichnet,
indem sie den grössten Theil der eigenthümlichen Weiden
Nord-America’s umfasst. Die der Abtheilung Salices griseae
haben Wuchs und Ansehen ganz von den $. fragiles, obgleich
die Uebereinstimmung mit den 8. purpureae nicht zu verken-
nen ist.
Ü©. Griseae Borr. D. Purpureae.
IH. Vetrix (Vide-Pil). Kätzchen aus den Seiten der vor-
Jährigen Zweige, ungestielt und gewöhnlich blattlos. Schuppen
schwarzgebrannt, sitzenbleibend, sehr dicht vollhaarig. Honigdrüse
einfach. Staubfäden 2, frei, mit gelblichen Staubbeuteln. Kap-
seln stiellos oder kurzgestielt (der Stiel kaum länger als die
Honigdrüse). Griffel ausgezogen, haardünn, mit den
sehr langen schmalen linienförmigen Narben von der
reifen Kapsel abfallend.
Bäume oder höhere Sträucher, mit sehr frühzeitigen wolli-
gen Kätzchen, die vor dem Blühen in dieser Abtheilung eigen-
thümliche, ungewöhnlich grosse Knospen eingeschlos-
sen sind. Griffel und Narbe unterscheiden diese Abtheilung
von der folgenden, mit welcher sie sonst zusammenzufliessen
scheinen. Nur wenige Arten gehören eigentlich dem Norden
an; die rechte Heimath der Abtheilung scheinen die Flussge-
biete im mittlern Europa zu sein, von wo sämmtliche viminali-
sche Arten sowohl dieser als der vorigen Abtheilung herstam-
men — oder: der langgestreckte freudige ruthenartige Wuchs,
welcher diese Arten auszeichnet, ist nur in den wärmern Fluss-
thälern Europa’s ausgebildet worden, während die kalten Wald-
moore des Nordens die ihnen eigenthümlichen Arten zu einem
knotigen reisigartigen Ansehen zusammenschrumpfen lassen.
Als Beispiel dient die hierher gehörende $. Lapponum, die
mit Unrecht zu den S. frigidae gebracht worden ist; auch in
350 Die schwedischen Weiden- Arten ei
geographischer Hinsicht ist diese keine eigentliche Gebirgsweide:
sie. ist deutlich eine verkümmerte viminalische Weide, die wei-
ter südlich angebaut zum Wuchs einer solchen gelangt. Die
verwandte 8. incana wird auch in kälteren Gegenden torulosa,
nicht viminalis. 8S.: Wahlenb. De Cl. et Veget. Helv.!
E. Chrysanthae. F. Viminales.
IV. Caprea (Viden |Sing.: vide]). Kätzehen aus den‘
Seiten vorjähriger Zweige, ältere gewöhnlich gestielt (im höhe-
ren Norden, mit dem Eintritte in die Zone oder Region der
Gebirgsweiden bekommen sie gewöhnlich gleich diesen beblätterte
Stiele). Kätzchenschuppen verbrannt, sitzenbleibend. Honig-
drüse einfach. Staubfäden 2, frei, mit gelben Beuteln. Kap-
seln lang- und frühzeitig-gestielt, mit schmalem Stiele,
welcher doppelt oder mehreremal so lang als die Honigdrüse
ist; Narben kurz, dick, eiförmig, zugleich mit dem steifen
oft unmerklichen Griffel sitzenbleibend.
Diese Abhtheilung ist in den inferalpinen Regionen der käl-
teren Länder am reichsten, leicht zu unterscheiden an den schon
früh während des Blühens gestielten Fruchtknoten und den
kurzen Narben. Ausser der gewöhnlichen Eintheilung nach der
verschiedenen Wachsthumsart (die incubaceue, z. B., besonders
in dem mehr treibenden Süden, die S. rosmarinifolia und 8.
angustifolia, freudige Formen der $. repens, u.a., entsprechen
deutlich den viminalischen der vorhergehenden Sectionen),
könnte eine vielleicht bestimmtere nach dem Griffel aufgestellt
werden, worin man die analogen Arten einander parallel gegen-
über stellte’).
G. Capreae. H. Incubaceae.
V. Chameliz (Gebirgsweiden [schwed.: Fjäll-Pilar], oder
Sirka, um für lappländische Arten eine lappländische Benen-
nung aufzunehmen). Kätzchen an der Spitze der beblätterten
Jahreszweige. Schuppen verbrannt, stumpf, sitzenbleibend.
*) T) Cinerascentes, mit graulichem, beim Trocknen gar nicht dunkel
oder schwarz werdendem Ansehen, Blattnerven auf der Oberseite
eingesenkt, Griffel unmerklich ($. caprea, grandifolia, ci-
nerea, aurita, livida, incubacea, finmarkica, myrtilloides).
JI) Nigricantes, grün (oder durch Behaarung weiss), beim 'Trock-
nen dunkler oder schwarz-werdend, Blatinerven auf der Oberseite
erhaben mit deutlichem Griffel ($. silesiaca, nigricans, lau-
rina, phylicifolia, hastata, fusca, repens, angustifolia und ros-
marinifolia). Das Schwarzwerden der Blätter kommt von kleinen
harzigen Punkten her: je deutlicher diese sind, desto mehr wird
die Species schwarz, z. B. $. Helix; werden jene zu Haaren aus-
gebildet, so wird sie weniger dunkel.
Die schwedischen Weiden- Arten ete. 35l
Honigdrüsen gewöhnlich 2, bei einander sitzend, Staubfäden 2,
zuweilen mehrere, mit nach dem Verblühen dunkel werdenden
{während des Blühens oft blauen!) Staubbeuteln. Kapseln fast
stiellos (Stiel kürzer als die Honigdrüsen), jünger gewöhnlich
kurz und stumpf, älter ausgezogen oft hornförmig (das Entge-
gengesetzte der vorigen, deren Fruchtknoten schon im jüng-
sten Alter lang aber schmal sind und nachher aufschwellen).
Griffel und Narben schmal, gewöhnlich gespalten.“
Blätter im jüngern Zustande gewöhnlich langhaarig, älter
kahl, netzadrig; der Stamm gewöhnlich niedrig, nur $. glauca
erreicht etwas bedeutendere Höhe. — Diese Abtheilung umfasst
alle eigentlichen Gebirgs- Salices, welche nicht, wie die der
vorigen Abth., in’s flache Land herabsteigen, wenn sie auch in
niedrigern Gebirgsregionen vorkommen. Auch in dieser Hinsicht
weichen S. Lapponum und 8. hasltata von denen dieser Abthei-
lung ab; sie steigen wohl in unteren Gebirgsgegenden hinauf,
aber ihre eigentliche Heimath ist unterhalb der Hochgebirge.
I. Frigidae. L. Glaciales.
Mehrere Arten, die bisher in Schweden nur als angepflanzt
“bekannt gewesen, z. B. S. fragilis, alba, daphnoides var.,
kennen wir jetzt als auch in Scandinavien wirklich einheimisch.
Oksgleich diese, wie Berberis, Aquilegia, Rosa pomifera u. a.,
in Provinzen der Ebene nicht anders als cultivirt oder verwil-
dert vorkommen, so ist doch kein Zweifel, dass sie in unsern
Berg- und Hochgebirgsgegenden wirklich einheimisch sind. Zu
entscheiden, welche Pflanzen ursprünglich einheimisch seien, so
weit sich diese Frage irgend beantworten lässt, gehört gewiss
zu den schwierigsten Aufgaben in der Geschichte der Pflanzen
(zur Pflanzen - Geographie gehört sie nicht), und wird nicht durch
empirisches Dünken, sondern nur durch klare Einsicht in die
Geschichte der fraglichen Art und allgemeine phytogeographi-
sche Verhältnisse entschieden. Unsre Flora ist arm, der Sü-
den ist viel reicher, aber eben dadurch wird man so leicht ver-
leitet, für alle Pflanzen einen südlichern Ursprung zu suchen,
und ein Gewächs für verwildert zu halten bloss deshalb, weil
es zugleich eultivirt wird. So sind Apium graveolens, Aspa-
ragus, Pastinaca, Bellis und unzählige andre, die da eultivirt
werden, dennoch “unbestreitbar eingeborne, während dagegen
eine Menge nicht eultivirter, noch dazu sehr gemeiner Pflanzen,
wie Bunias orientalis, Salvia pratensis u. a. in neuerer Zeit
24
352 Die schwedischen Weiden - Arten ete.
eingeführt sind. Jede Pflanze, die ein Gegenstand all-
gemeiner Cultur wird, muss dadurch als eigentlich
wild wachsende zu verschwinden scheinen. Dieser
merkwürdige Umstand verdiente wohl in einer eignen Schrift
behandelt zu werden: es erklärt sich dadurch, warum die mei-
sten Culturgewächse jetzt keine bestimmte Patria haben ;+warum
man z. B. in Deutschland Zweifel hegt, inwieweit Drassica,
Camelinae u. a. dort wild seien; warum man in Schonen nicht,
wie im ganzen übrigen Schweden, die Vicia sativa für wild hält,
und das, weil sie im ersteren allgemein angebaut wird. — Da
indess, was die Salices betrifit, noch einige Arten bleiben,
die man bei uns nicht völlig wild gefunden hat, so nehmen wir
in folgender Darstellung alle auf, die auf ungebautem Boden
vorkommen, auch wenn sie ursprünglich angepflanzt sind. Von
einem Theile ist nur ein Geschlecht da: in diesem Falle deutet
die weibliche Pflanze auf südlichern, die männliche auf nördli-
chern Ursprung hin. Schon daraus hätte man einsehen sollen,
dass die im südlichen Schweden gewöhnlich oder nur allein
vorkommenden männlichen Bäume der S. alba, $. fragilis, 8.
amygdalina, S. daphnoides u. s. w. auf einen subalpinen ÜUr-
sprung hinweisen. Möglich indess, dass einige Arten, wovon
nur die weibliche Pflanze bei uns vorhanden, wild sein könnten
(in Deutschland finden sich gewöhnlich nur weibliche Exem-
plare von $S. mollissima, Aippophaifolia u. s. w.), wie von
mehreren Gewächsen nur die weibliche Pflanze im Norden aus-
gebildet wird; aber in allen Fällen deutet dieses an, dass sie
ausserhalb ihrer natürlichen Zone oder Region sich befindet.
M. vgl. was wir anderwärts über Geschlechtsveränderung in der
Weidengattung, als durch klimatische Ursachen bedingt, ent-
wickelt haben [Fr. Nov. Mant. 1. 35 sgq.]
Von einigen der vieigestaltigsten Arten ist es mir, wie ich
hoffe, geglückt, gewisse bestimmte klimatische Abarten zu un-
terscheiden, die sich mehr ausgezeichnet darstellen, wenn man
die Natur im Grossen betrachtet, als in einzelnen Exemplaren
der Herbarien, aber eben dadurch merkwürdiger sind, als die
nach Bekleidung der Blätter, der Fruchtknoten u. dgl. gewöhn-
lich angenommenen Abänderungen. — Indem ich diese im Fol-
genden darstelle, bekomme ich zugleich Gelegenheit, solche
von mir in früheren Schriften gethane Annahmen, deren Gründe
von Andern noch nicht recht erkannt zu sein scheinen, aus-
führlicher zu rechtiertigen. Mir war es besonders schmeichel-
haft, dass der edle berühmte Koch, welcher früher die euro-
päischen Salices bearbeitet hat, in seiner Synops. Fl. Germ.
Die sofa Weiden - Arten etc. 353
nicht allein unsre Bestimmungen angenommen hat, sondern auch
zu meiner Ansicht über S. Russeliana, viridis, angustifolia,
Waldsteiniana, die sonst gewiss von den meisten verworfen
worden, übergegangen ist. Indess bleiben zwischen uns noch
einige kleinere Abweichungen, die ich weiter unten zu erläutern
suchen werde. — Ich gehe nun zur Aufstellung der scandina-
vischen Arten über.
l. Amerına.
*Fragiles, mit endlich abfallenden Kätzchenschuppen.
1. S. pentandra L. Fl. lapp. t. 8. fig. z.
*tetrandra Linn. It. öland. p 13. Fl. fen b. 8. fie. b.
Anm. Die Unterart (für selbstständige Art halte ich sie
nicht, obgleich es nach dem Citate in Hadın Skand. Fl. so
schiene) ist an dem Linneischen Fundorte gesammelt, dieser
Name also völlig sicher. Sehr ungewiss ist es, ob S. cuspi-
data Schultz hierher gehöre (vgl. G. W. Meyer Chlor. hano-
ver.) |nach Fries’s späterer Meinung u. nach Koch besondere
Art, verschieden von S. pentandra var. euspidata Suecor.].
2. 8. fragilis L. — It. scanic. p. 200. Fl. Herb. norm.
I. n. 60.
— decipiens. S. decipiens Hoflm. S$. vitellina Linn., sed
synon. ad analogum statum S. albae. Smith’s S. decipiens
gehört nach Babington zur folgenden Art (8. viridis).
*pendula Ser. — Linn. Fl. suec. ed. 1. n. 812.
Anm. Deutsche Autoren halten die Abart deeipiens, mit
unterhalb grünen Blättern, für die typische Form, bei uns sieht
man diese nur an ein paar Stellen in Schonen, während die
von uns aus theoretischen Gründen als Hauptform angenommene
(vgl. S. amygdalina) zugleich im ganzen Lande gemein ist;
ausser den nördlichen Orten: im westl. Upland in Westmanland,
Dalekarlien u. s. w., scheint sie wirklich wild zu sein. Dage-
gen ist die Unterart pendula die, welche in den magern west-
lichen Provinzen und in Norwegen am meisten vorkommt. Sie
ist die S. Ehrhartiana Sm. nach Meyer, welcher die wahre
S. Russeliana Sm. für einen Bastard dieser und der 8. alba
hält. Die Kochschen Exemplare, die ich von $S. Russeliana
gesehen, kommen der S$. alba näher, als irgend eine in Schwe-
den gefundene Form der Russeliana. Diese und andere Um-
stände bewegen mich, die bestimmte und äusserst treflende Be-
nennung von Seringe vorzuziehen; Russeliana gilt von meh-
reren Formen; [s. a. vor. Heft S. 270 d. Archivs nach Fries:
„8. Russel... eine üppige Form der $. fragilis var. deci-
piens‘“].
24*
354 Die schwedischen Weiden - Arten etc.
3. S. viridis Fr. — Nov. p. 28. Herb. norm. I. n. 61.
— corallina, mit dichter Krone, zähen korallenrothen Aesten.
Anm. Die in jedem Alterszustande aufrechten Kätzchen
unterscheiden diese Art deutlich von sämmtlichen verwandten.
Sie gehört den Waldgegenden des Göta-Reiches [ gothischen
R., südl. Schweden | an, tritt zwar bei Kalmar auch an das
Meer hervor; wild bildet sie einen hohen Strauch; auf Scho-
nens Ebenen zugleich mit S. alba gepflanzt wird sie zu einem
Baume, der durch wiederholtes Abstutzen der Krone die var.
corallina bildet.
4. S. alba. ;
— sativa L. It scanie. p. 200. Fr. Herb. norm. I. n. 62.
Anm. Die Stammform oder der wilde Typus dieser Art,
welcher am Lerelv in Norwegen vorkommt, hat kürzere und
breitere Blätter, als die angepflanzte Form, die eine merkwür-
dige Abart bildet. Diese steht zu der wilden in demselben
Verhältnisse, wie $. fragilis * pendula zu der in Schweden ge-
wöhnlichen 8. fragilis. Es ist gerade diese wilde strauchartige
Form, die Smith unter $S. alba versteht, wenn er sie von 8.
coerulescens oder der cultivirten hochstämmigen unterscheidet.
Meines Wissens hat kein Autor das Verhältniss dieser Smith’-
schen Arten zu einander verstanden, sondern man hat beide in
der gepflanzten gesucht. ‘
** Amygdalinae. Kätzchenschuppen sitzenbleibend.
5.8. amygdalina L. Fl. suec. n. 8831. Fr. Hb. n. M.51.
— angustata. — b. Novit. Mant. (P. undulata Hartm.).
Anm. Normal sind die Blätter bei uns immer unten weiss-
oder eisgrau, zufällig habe ich sie jedoch auch unten ganz und
gar oder zur Hälfte grün gesehen. Meyer nimmt in der Chlo-
ris hanov. bei dieser, der $. fragilis u. a. die unterhalb grüne
Form für die typische, die eisgraue für eine Ahart. Wir sind
überzeugt, dass sowohl von dieser, als auch von $. pAylieifo-
lia, S. repens und den übrigen Arten die unterhalb eisgraue
Form stets die typische ist.- Merkwürdiger scheinen mir die
Abweichungen in der Blattform. Eine kleinblättrige Abänderung
mit elliptischen wen’g zugespitzten Blättern (8. amygdalina
Smith Engl. Fl.) findet sich in den höhern Gebirgsgegenden;
eine grossblättrige mit ablang-lanzettlichen lang zugespitzten
Blättern ($S. Hoffmanniana Sm.) wächst am untern Laufe der
Flüsse- und wird in den südlichen Provinzen cultivirt. Die Ab-
art angustata ist schmalbhlättriger als $S. triandra Sm.; sie ist
mit der folgenden Art verwechselt, aber die Blätter sind nicht
wellenförmig. Obgleich die Art eigentlich den (schwedisch-)
Die schwedischen Weiden- Arten etc. 355
nordländischen Flüssen angehört, findet sie sich doch in Lapp-
land nicht eher als innerhalb der russischen Gränze bei Kemi.
6. S. undulata Ehrh. — Fr. Nov. Mant. p..62. Hb.
norm. Il. 55.
* S. hippophaifolia Thuill. — Fr. Herh. norm. IX. App.
Anm. Im südlichen Schweden ist sie nur sparsam gepflanzt;
aber auf Öland ist sie im südlichen Theile auf Weidendämmen
häufig; um den Mälarsee hingegen findet sie sich an mehreren
Stellen am Ufer und an Flussrändern (S. fragilis 2 Myrin Co-
roll. Fl. upsal.). — Nach meiner Ueberzeugung gehört S. hip-
pophaifolia hierher als Unterart; sie verhält sich ganz ebenso
zur S. undulata, wie S. purpurea zur S. Helix: die Kätzchen
sind nämlich doppelt kleiner und die Blätter undeutlich gesägt
Wo sie gemischt wachsen, unterscheiden sie sich nicht durch
ungleiches Aussehen, daher sie auch Ehrhart nicht unterschied.
Dass die von mir in Nov. Mant. beschriebene S. hippophai-
folia dieselbe ist, wie Koch’s, zeigt jedes Wort der Be-
schreibung. no
. Hei.
(Von den * Griseae Borr. ist keine in Schw. einheimisch.)
** Purpureae.
+8. rubra Huds. — S. viminalis A. Liljeblad Sv. Fl.
Kommt nur angepflanzt in Schonen , Westgothland und an-
derwärts vor, aber nirgends verwildert oder in solcher Menge,
. dass man sie für einheimisch halten könnte. Sie giebt indess
bessere Ruthen, wenigstens zu feineren Korbmacherarbeiten,
als irgend eine andere Art. Sie verdient in Menge gezogen zu
werden.
7. 8. purpurea L. It. scan. p. 252. — Herb. norm. II. 56.
— Helix L. — Herb. norm. II. n. 57.
Anm. Eigentlich ist $S. Zelix die Stammform, $S. Lam-
berliana eine breitblättrige Abänderung derselben, und $.
purpurea eine durch Kappen hervorgebrachte Abart, wie von
der 8. viridis die corallina, u. a.
Il. Verrix.
* Chrysanthae. Verästete, hochnordische (lee alpine)
Arten.
8. S. daphnoides Vill. — Fr. Mant. I. p. 46. Hb. norm.
v1. 54.
* acutifolia Willd.
Anm. Die auf südlichen Hochgebirgen vorkommende zot-
tige Abart findet sich nicht im Norden; die kahle dagegen am
Glommen und mehreren Flüssen im mittleren Norwegen, und
356 Die schwedischen Weiden- Arten etc.
auf Uferwiesen am See Siljan und Dalelf im Kirchsp. Mora in
Dalekarlien kommt eine Form mit lanzettlichen Nebenblättern
vor, die deutlich zur $S. acutifolia gehört oder offenbar einen
Uebergang in diese zeigt, welche, obschon erst unlängst einge-
führt, an mehreren Stellen im südwestlichen Schweden gepflanzt
ist. Sie verhält sich zur eigentlichen $. daphnoides ganz so,
wie S. pendula zur gewöhnlichen 8. fragilis. In Weinm. Fl.
petropol. wird S. daphnoides auch als an Flussufern wachsend
und 8. acutifolia als eine schmalblättrige bei den Dörfern an-
gepflanzte Varietät derselben aufgeführt. — Als schwedisch er-
spähten wir diese Art zuerst in einer vom Hrn. Notar Ola@sson
uns mitgetheilten Sammlung blühender Weidenzweige, und nun
hat für das Herb. norm. VI. Fräul. Arosenius sie gütig in
Menge gesammelt.
9. S. lanata L. — Fl. lappon. n. 368. t. 7. fig. 7.
— glandulosa Wahlenb.
* depolita Wahlenb.
Anm. Obgleich diese Art von der vorigen verschieden und
unzweifelhaft davon gesondert zu halten ist, so ist es doch
schwer, eine bestimmte characteristische Differenz zwischen bei-
den anzugeben. Form und Bekleidung der Blätter, Weiss- und
Gelbhaarigkeit der Kätzchen u. s. w. variiren bei beiden in
gleicher Weise. Die Unterart depolita hat eiförmige und herz-
förmige Blätter, welche ausgewachsen völlig kahl sind, unter-
halb eisgrau, die jüngern so wie die Kätzchen weichhaarig
(pubesc., nicht Jangwollig).
10. S. Lapponum L. — Fl. lappon. n. 366; t. 8. fig. t. —
Harim. S. limosa Wahlenb.
— [y.] ovalifolia Wimm. (Blätter meistens kahl).
* lTeucophylla Willd. — L. Fl. lapp. n. 362. t. 8. fig. o., q.
Anm. Auch Prof. Trautvetter hat (ohne dass er von
Dr. Hartman’s Bestimmung Kenntniss haben konnte) bemerkt,
dass Linne’s S. Lapponum zu dieser Art gehören müsse. —
Die Unterart, welche Linne für eine eigne Art nahm, ist bei
den Neueren ganz verschwunden, ist aber ausgezeichneter als
manche geringere, die oft für Arten erkannt werden. Die
Hauptform (und nur diese habe ich aus Lappland erhalten,) ist
ästiger; die Blätter (oft linealig-lanzettlich) nach beiden Enden
gleich - sehr verschmälert, ausgewachsen besonders steif, auf
der Oberseite der Länge nach gefurcht, dunkelgrün, beim
Trocknen schwarz - dee unterhalb mit dichtverfilzter Be-
kleidung, am Rande wellenförmig und herahgebogen; die Kätz-
chen blühend eiförmig, fruchttragend kurz, oft gekrümmt, mit
Die schwedischen Weiden - Arten ete. er /
dichtstehenden ausgesperrten spitzigen Kapseln; Nebenblätter,
wenn deren vorhanden, halb-herzförmig. Die Unterart hat
dünne ruthenförmige Aeste, die Blätter bedeutend breiter be-
sonders nach dem Grunde zu (eiähnlich), nur nach oben zuge-
spitzt, im jüngern Zustande fein netzadrig runzlig, im älteren
glatt, flach, hellgrün, beim Trocknen nicht schwarz werdend,
immer ausgezeichnet weich und biegsam, unten schneeweiss
seidenhaarig; blühende Kätzchen ablang, fruchttragende kurzge-
stielt ausgezogen gerade; Kapseln nach dem Abfallen des Grif-
fels stumpf, nicht ausgesperrt; Nebenblätter, wo deren vorhan-
den, klein, eiförmig. Sie scheint am meisten Norrland [schwed.
Nordland], Dalekarlien, Westmanland (n. Sjöstrand) anzugehö-
ren; die upsaler aber ist, wie schon Ehrhart bemerkt hat,
S. Lapponum. f
1l. S. canescens s. S. Linnaeana Fr. Novit. Mant. p. 58.
(1832) [., fol. oblongo -lanc. rugulosis recto-acuminatis crenul.
subtus tomentosis,, imis obtusiuse., amentis subpeduneculatis den-
sis. eylindr. bracteatis , caps. hrevi - pedicellatis conicis albo -to-
ment., stylo elong.“]. Salix. Linn. Fl. lapp. n. 367. et Herb.
Liun. „Species distineta““ Smith. 8. caprea ß. Linn. Fl.
suec. n. 900. S. cinerea A. Liljebl.! Sv. Fl. 2. p. 303. 8. di-
mosa cinerascens Whlnb. Fl. suec. ed. 2. SS. cinerea ß. Lästad.!
in Nov. Act. Ups. XI. — Fr. Herb. norm. V. n. 64.
— obtusifolia, Blätter verkehrt- eiförmig, stumpf, fast kahl.
L. Fl. lapp. t. 8. fig. u. $. obiusifolia W. 8. capreo- limosa
Lästad. in litt.
* Lästadiana, Blätter gross häutig lanzettlich - ablang ganz
randig spitzig fein-weichhaarig, älter oben kahl und so wie die
dünnen ruthenförmigen Zweige sehr weich, Kapseln weniger zu-
sespitzt. S. cinereo-limosa Läst. in litt. Sie ähnelt gar sehr
der S. Seringeana u. ist schwer davon zu unterscheiden; ent-
spricht aber vollkommen der leucophylla unter der vorigen Art.
Anm. 1. Die Hauptart kommt in den nördlichen Lappmar-
ken an mehrern Orten, aber sparsam, und, nach Sommerfelt,
in Saltdalen [Norw., 67° Br.] vor. Sie ähnelt sehr der 8. cine-
rea, steht aber in natürlicher Verwandtschaft der S. Lapponum
am nächsten, was auch durch den völlig übereinstimmenden
Varietäten-Cyclus bestätigt wird. Die Abart obtusifolia gleicht
sehr der S. caprea alpestris; sie wurde in Tornei -Lappmark
gefunden, von Liijeblad! und bei „Pawrajaur [665°] in Luleä-
Lappm.“ vom Pastor Lästadius; die Unterart nur von Letzterem
hei Arfvidsjaur [653°], am Längträsk, aber sparsam. Die Be-
kleidung ist bei allen sehr veränderlich; die Hauptart besitze
358 Die schwedischen Weiden- Arten etc.
ich mit langen schmalen Blättern ohne ein einziges Haar
selbst unter der Lupe; auch die Abart kommt kahl vor; (die
Hauptart von S. Zapponum findet sich an überschwemmten
Stellen ohne nur ein Haar auf den Blättern).
Anm. 2. Diese von Linne zuerst entdeckte Art nannte
ich anfänglich $. Linnaeana (Novit. Mant. I. p. 59.); aber
nachdem die einige 60 auf — ana gegebenen Weidenbenennun-
gen zum Glück verschwunden sind, wollte ich nicht ihre Zahl
“vermehren, sondern nannte sie S. canescens, was am meisten
characteristisch. Nachdem Willdenow’s S. canescens verschwun-
den ist, wie ich schon in Nov. Mant. bemerkte, oder sie nach
seinem Herbarium in mehrere Arten aufgelöset worden [die des
Hb. Willd. gehört n. Fr. zu $. Seringeana K. u. and., s. dies.
Arch. S. 271.] (wobei die typische im Berliner Garten! eultivirte
bestimmt zu dieser Gruppe [,‚zu dieser $. canescens Fr. oder
zu einer ihr analogen Form der $. limosa,““ ebds.]|, nicht zur
S. Seringeana gehört: vgl. Link Hort. berol. und Koch Salie.
europ.), so muss dieser Name am richtigsten hier erhalten
werden, wenigstens ist kein Grund da, einen neuen einzuführen;
viel eher wäre es nöthig, den Namen $S. acuminata Sm. und
unzählige andere zu verwerfen, die vorher andern Arten beige-
legt gewesen. Wünschte man dennoch einen neuen Namen, so
müsste wohl der nach dem ersten Entdecker vom ersten
Bestimmer der sichern Art vorgeschlagene, S Linnaeana,
beibehalten werden.
** Viminales. Mit geraden ruthenförmigen Zweigen.
Südliche, meistens cultivirte Arten.
12. 8. mollissima Ehrh. — Fr. Nov. p. 283. Herb.
norm. 1. 65.
13. S. viminalis L. Fl. suec. n. 901. — Fr. Herb.
norm. 1. 64.
Anm. S. viminalis v. latifolia Retz. Suppl. Fl. Scand.
gehört, nach den Exemplaren, die Retzius unter diesem Namen
in Paradislyckan selbst cultivirt hat, zu S. stipularis Sm.; dass
er aber in der Fl. oecon. die folgende Art damit vereinigte oder
verwechselte, ist offenbar. S. stipularis gleicht bei schnellem
Ansehen der folgenden am meisten, steht aber bestimmt der
S. viminalis näher. Man soll sie in Halland auf Flugsand ge-
pflanzt haben.
14. S. lZanceolata Dee. Fl. fr. (e loco: Parisüs! sed
exclus. synon. et deser. Seringei, ad $S. Seringeanam referendis).
Fr. Fl. hall.
Die schwedischen Weiden - Arten ete. 359
— Smithiana (S. Smithiana W. S. mollissima Sm.) Hb. n.
1. 63.; II. 59.
— Kochiana. SS. mollissima Koch in Regensb. Bot. Zeit.
Anm. Wir besitzen 3 Formen von dieser Art: eine nie-
drige ästige mit kleinern auf beiden Seiten grau-behaarten Blät-
tern, welche die Stammform ist und in Mooren wächst (s. Nov.
Mant. 1. 61.); S. Smithiana ist die gewöhnliche Culturform,
grösser und mit grössern Blättern die oben kahl sind; endlich
eine mit braungelben glätteren Zweigen und grünen auf beiden
Seiten fast kahlen Blättern. Koch, welcher sie anfänglich un-
ter dem Namen S. mollissima beschrieb, hat sie selbst mit S.
Smithiana vereinigt. — Gewöhnlich wird De Candolle’s S. lan-
ceolata nach dem Synonyme dabei zu S. Seringeana gezogen,
aber diese alpine Art wächst gewiss nicht auf Dämmen um
Paris, welchen Standort allein De Candolle für seine S. /an-
ceolata angiebt.
IV. Caprea.
*I Capreae sensu striet.| Bäume oder Sträucher mit deut-
lichen Stämmen, aufrechten Aesten und (typisch) mit gesägten
Blättern.
15. S. caprea L. — FI. lappon. n. 365.
— sphacelata. S. sphacelata Willd.
— alpestris Novit. Mant. 1. 54. 8. caprea ß. Whlnb.
Fl. Carp.
Anm. Die Abart alpestris darf weder mit der folgenden
Art noch mit S. caprea coaetanea, welche eine zufällige Form
ist, die man auch in Schonen gefunden, verwechselt werden.
In Gebirgsgegenden hat Lästadius eine niedrige oder ver-
krüppelte (wie es scheint immer sterile,) Form gefunden: S$.
caprea v. subdepressa Läst., deren Aeste russfarbig sind.
16. S. grandifolia Ser. Saul. n. 20. — Linn. Fl. lap-
pon. n. 348. t. 8. fig. a. optima!
Blätter ablang oder verkehrt eiförmig, an beiden Enden sehr
ausgezogen, zugespitzt, mit kurzem Stiele, papierdünn, gekerbt-
gesägt, ausgewachsen auf beiden Seiten kahl, oberhalb glän-
zend, auf der Unterseite nur im jungen Zustande so wie die
Zweige und Knospen weichhaarig; Nebenblätter gross, nieren-
förmig -herzförmig; blühende Kätzchen eiförmig; Kapseln sehr
lang gestielt, fast pfriemenförmig, seidenhaarig, mit unmerkli-
chem Griffel.
Anm. Eine etwas zweifelhafte Art, die sich sowohl der
vorhergehenden als auch der folgenden nähert und nur spora-
disch vorkommt. Ich nehme sie nach Koch als eigene Art
360 Die schwedischen
Weiden - Arten etc.
auf, weil sie 1) in südlicherem Klima eultivirt sich unverändert
erhält und 2) nur in der [subalpinen | Hochgebirgsregion vor-
kommt, wo S. caprea nur als verkümmerter Strauch oder
als var. subdepressa auftritt, siehe regensburger Botanische
Zeitung 1830, Seite 130; während $. grandifolia dagegen
das ganze Ansehen einer freudigern S. caprea |[.,‚cujus for-
tasse varietas est,“ Koch] hat, doch die Blätter mehr
ablang , zugespitzt, auf beiden Seiten grün. Was ich von Hrn.
Lästadius unter dem Namen ,$S. caprea v. cinereaeformis“
erhielt, dürfte auch eine jüngere Form der S. grandifolia sein.
— Die Beschreibung der $. fagifolia (‚mit unmerklichem Grif-
fel“) in Wahlenb. Fl. Carp. passt ganz genau auf unsre 9.
grandifolia. | |
17. 8S. cinerea L. — Fl. suec. n. 902. (a., b.: s. unt.)
— virgata Fr. Fl. halland. (a. b.)
Anm. Die Abart virgata gehört der Westküste an; sie ist
sehr ausgezeichnet durch ihren ästigen Wuchs, im jungen Zu-
stande dünne, im älteren kahle unten eisgraue Blätter und klei-
nere Nebenblätter. Sowohl von dieser als von der gewöhnlichen
Form kommen einander entsprechende Abänderungen vor: eine
mit schmälern langspitzigen, eine mit breiteren verkehrt - eiför-
migen stumpfen Blättern. Zu diesen Abänderungen der gewöhn-
lichen Form gehören $S. acuminata Hofim. und S. aqualica
Willd. & vulgo; zu denen der virgata 8. oleifolia Sm. und die
S. aquatica Sm., welche nicht mit Willdenow’s gleichnamiger,
wohl aber mit S. rufirervis DC. identisch ist. Von der virgata
besitze ich auch eine, beim Eisenwerke Näs in Norwegen ge-
sammelte, kahlfrüchtige Abänderung.
185. 8. aurita L. — Fl. lappon. n. 369.
— nemorosa Nov. Mant. I.
— uliginosa. 8. uliginosa Willd.
* ambigua Ehrh.! — 8. ambigua „ad S. auritam accedens“
Koch Comm.
— sublivida Lästad.
Anm. 1. Ebenso wie S. cinerea nimmt diese Art an Uep-
pigkeit gegen Norden hin merklich ab und findet sich nicht in
den nördlichen Lappmarken oder den Hochgebirgsgegenden
(ganz entgegengesetzt verhält sich darin die ihr mehr analoge
als verwandte S. depressa). Die davon aufgestellte $. uligi-
nosa W. ist ein freudiger Strauch, mit sehr grossen aufrechten
grubig-runzligen wellenförmig-grobgesägten oder am Rande
krausen Blättern, die im ältern Zustande oben kahl oft glän-
zend, unten grün sind, wie er im südl. Schweden allgemein
Die schwedischen Weiden- Arten elc. 361
vorkonmt: es ist eine klimatische Abänderung. Dass Linne,
welcher die S. aurita nur für [schwedisch-] nordländisch ansah,
die südliche zur S. cinerea gerechnet hat, ist um so sichrer,
da sie gegen Süden die gemeinste Art ist und die ökonomische
Anwendung, die in der Fl. suec. von S. cinerea angegeben
steht, eigentlich von 8. aurita gilt.
Anm. 2. Ein anderes Extrem dieser Species ist $. ambi-
gua Ehrh., die gewöhnlich mit $S. incubacea vereinigt wird und
nach Blattform und Nebenblättern schwer davon zu unterschei-
den ist, daher auch Koch 2 Formen derselben annimmt: eine
die der S. aurita, und eine die der S. repens näher steht.
Ich für meinen Theil bin mit Seringe, Trautvetter u. A. der
Ueberzeugung, dass die erstere oder S. ambigua Ehrh. nicht
von S. aurita unterschieden werden kann, wohl aber die andere
(Seringe ist zwar in Irrthum, wenn er sie mit $. spathulata
Wbs. vereinigt). Auch S. spathulata Willd. ziehen wir zur
Unterart der S. aurila: denn sie ist „ein 5 Fuss hoher aufrech-
ter Strauch mit unterhalb zottigen Blättern“ u. s. w. und in
Willd. Berl. Baumz. ist sie mit an der Spitze dreispaltigen
Nebenblättern abgebildet, was etwas Gewöhnliches ist, auch bei
S. cinerea viryalta, wenn die Nebenblätter schmal werden. —
Unsre S. plicata [s. unt.: n. 27.], welche nicht Koch’s $. am-
bigua, sondern bei Koch eine Var. oder seine 2te Hauptform
derselben ist, hat unterirdischen kriechenden Stamm, so dass
sie wie S. repens einen dichten Wald in der Erdoberfläche bil-
det, die Blätter unterhalb angedrückt- seidenhaarig und doppelt
so kurze und dicke Kapseln. Wollte man sie nicht als Art an-
nehmen, so müsste sie eher zur $S. repens kommen [vgl. Arch.
ob. S. 271.]. Ich vermuthe, dass die schwedischen Autoren,
die unsrer Unterscheidung der $. ambigua und S. plicata keine
Aufmerksamkeit geschenkt haben, die erstere nicht Gelegenheit
hatten wachsen zu sehen. In Schonen wurde S. ambigua erst
letzten Sommer an der Mündung des Köpinge-Flusses gefunden.
19. S. silesiaea W. — Fr. Nov. Mant. I. Linn. Fl. lapp.
n. 358.
Anm. Obgleich die papierdünnen, ausgewachsen auf bei-
den Seiten kahlen und grünen Blätter nebst dem deutlichen
Griffel diese Art der folgenden zu nähern scheinen, steht sie
doch der 8. caprea und der $. grandifolia weit näher. Vgl.
Wahlenb. FI. Carpat. — Sie kommt sehr vereinzelt vor: in
Lindblom’s an norwegischen Gebirgs - Salices reicher Samm-
lung sah ich nur ein, bei Mandal im südlichen Norwegen ge-
sammeltes, Exemplar, und Sommerfelt sandte sie mit der
362 Die schwedischen Weiden- Arten etc.
Aufschrift: ‚„ Salix. Non est caprea. Unica arbor.“ Ausser
der normalen Form hat man von verschiedenen Orten her einige
ähnliche, die, weil Früchte fehlen, nicht ganz sicher bestimmt
werden können, z. B. $S. Rudbeckiana Läst. in litt.: [von die-
ser $. Arudb. sagt Hartman in Bot. Not. 1841, 159.; sie habe,
mit Koch'schen (eultiv.) Exemplaren der $. silesiaca verglichen,
„nichts mit dieser letztern gemein, sondern sei, nach Lästa-
dius’s Angabe, eine serotine Form der S.nigricans, zwar höchst
ausgezeichnet; die Fructification, welche Prof. Fries nicht ge-
sehen, ist ganz die der letzteren, nicht die kleinen äusserst
lang gestielten Kapseln der S. silesiaca; sie unterscheidet sich
aber von der vorigen hauptsächlich durch ausgezogene grossbe-
blätterte Kätzchenstiele und fast verkehrt-eiförmige Blätter, die
denen einer kleinblättrigen S. caprea nicht unähnlich sind.“].
20. 8. nigricans Sm. — Fr. Nov. Mant. 1. p. 52. —
Linn. Fl. lapp. n. 350. Fr. Herb. norm. V. n. 62. (var. cam-
pestris). 8. phylicifolia et S. nigricans altera Whlnb. Fl. lapp.
n. 482., 485.
Anm. Von dieser vielgestaltigen Art müssen, nach Wah-
lenb. FT. suec., die (der zuerst zu nennenden folgenden) 2 aus-
gezeichneten klimatischen Abarten unterschieden werden:
— borealis: üppigern Wuchses, die Blätter mehr lang ge-
streckt, die jüngern nebst den ältern Aesten behaart, Kätzchen
gross, gleichzeitig mit den Blättern, die ausgewachsenen Früchte
sehr gross. Diess ist die best- ausgebildete lappländische Form;
S. rupestris Smith (S. nigricans cinereiformis Lästad.) ist eine
alpine Form derselben mit auf beiden Seiten grauen rauchhaa-
rigen Blättern.
— campestris Whlnb.: schmächtiger, die Blätter meist ge-
rundet, zuweilen herzförmig; die ein Jahr alten Aeste kahl, nur
die diesjährigen Zweige weichhaarig; Kätzchen gleichzeitig mit
Hüllblättern; Früchte doppelt kleiner als bei der vorigen. Diese
ist es, die in allen Wald- und Berggegenden des Landes vor-
kommt. S. Andersoniana, Forsteriana, hirta und cotinifolia
Sm. sind Formen derselben.
— majalis Whlnb.! Fl. suec. (excl. synon. Fl. lappon. |s.
d. bei der folg. Art]): die Zweige nebst den Knospen kahl und
glänzend, am öftersten gelbbraun; Blätter kahl, wenig (oder
spät) schwarz werdend ; die Kätzchen sehr frühzeitig auf nack-
ten Zweigen ohne Stiel und ohne Hüllblätter blühend. Diese
Abart ist es, die sich in Küstengegenden oder an grössern Ge-
wässern findet, wo der Frühling zeitig beginnt aber langsam
vorschreitet. Zu Hässlunda in Schonen blüht sie 14 Tage eher
Die schwedischen Weiden- Arten etc. 363
als die Blätter anfangen sich zu zeigen. — Hierzu kommt eine
örtliche Abart in dichten und feuchten Hainen, durch welche
sie bedingt ist, nämlich:
— prunifolia Liljebl.: Blätter dünn, auch ausgewachsen
häutig und auf beiden Seiten grün; sie blüht mit erwachsenen
Blättern und kleinblättrigen Kätzchen. Diese letztere ist die
S. damascena Forbes & Hook. Wir haben volle Gewissheit,
dass amenla praecocia und coaelanea bei dieser und allen ver-
wandten Arten vom Verhalten des Frühlings in der Provinz oder
der Oertlichkeit, wo sie wachsen, abhangen. — Die ausge-
zeichnet langen Kapsel-Stiele, der ausgezeichnet lange
Griffel, die weisslichen seidenartig-angedrückten
Haare auf den jüngern Blättern, die, bei dem Trocknen
schwarz werden, unterscheiden diese Art leicht von allen
verwandten. Die Behaartheit nimmt von Norden gegen Süden
ab (wie bei S. depressa), aber unter dem Blühen sind die Blät-
ter immer gewimpert, die Blattstiele verlieren nie völlig die
Behaarung; auf den jüngern getrockneten geschwärzten Blättern
bildet sie gewöhnlich einen weissen Fleck oder Rand längs der
Mittelrippe. Der Kätzchenboden (receptac. amentac.) ist, so
wie die Kätzchenschuppen, auch bei var. majalis! wollhaarig.
Die Früchte dieser letztern sind immer kahl; die der andern
Abarten variiren auch in der behaarung.
Anm. 2. Auch die „Ss. majalis vera“ e Vestrobothnia,
welche Hr. Lästadius gesandt, scheint mir wegen der aus-
gezeichnet langen Fruchtstiele zur Abart majalis zu gehören,
obgleich die gelbliche Färbung der jüngeren Blätter sie der
S. tenuifolia |s. bei folg. Sp.] nähert. Gehören die ‚„vollstän-
digern‘“ Exemplare, deren Koch in seiner Synopsis p. 654.
erwähnt, etwan hierher? Dem widerspricht jedoch, dass Lä-
stadius nach seinem Zeugnisse sie niemals in voliständigen
Exemplaren eingesammelt hat. Durch gütig zugestandene Ver-
gleichung der Originale in Prof. Wahlenberg’s Sammlung
bin ich völlig überzeugt worden, dass er Exemplare der 8. ni-
gricans vor Augen gehabt hat, als er die $. majalis zu dieser
Art gezogen, dass er aber in der Flora lappon. sie richtig als
eine von derselben verschiedene Art betrachtet hat.
21. S. phylieifolia L. — Smith! Fr. Nov. Mant. p. 50.
— Linn. Fl. lapp. n. 351. [Koch Taschenb.]. — S. Zaurina
Sm.! 8. nigricans Wbg. Fl. lapp. n. 485. (excl. nigricante
dasycarpu). | 8. bicolor Ehrh. Koch Syn. ed. 1. 653. (incl. $.
Weigeliana &ec., wie auch bei Fr. |. c.).]
— leptophylla: Blätter dünn, häutig. $. punctata? Som-
364 Die schwedischen Wieltbeiten etc.
merf. in litt. $. tenwifolia Sm. nur zum Theil, näml. die be-
haarte Form.
Von $. nigrieans unterscheidet sich diese Art durch die
ablangen meist aufrecht-stehenden Blätter, die im jüngern Zu-
stande weichhaarig, aber nie angedrückt-seidenhaarig sind
oder nach dem Trocknen schwarz werden, ausgewachsen unter-
halb grau sind, besonders aber durch ihre merklich kürzern
Kapselstiele und Griffel; — im Ganzen steht sie der folgenden
S. tenuifolia näher, aber schon der kürzere Griffel unterschei-
det sie, und ausserdem die in der Jugend zottigen Zweige und
Blätter, wovon die erstern dunkelbraun und runzlig, die letz-
teren dunkelgrün sind und beim Ausschlagen den gro-
ssen rostbraunen Fleck haben, welcher die S. caprea,
cinerea u. a. vor den vorhergegangenen auszeichnet; bei der
folgenden fehlt dieser ganz; da aber ältere und getrocknete
Exemplare oft sehr schwer zu unterscheiden sind und mir das
Verhältniss dieser Formen zu einander noch nicht genug aufge-
klärt zu sein scheint, so glaube ieh die S. tenuifolia hier, wie
in Nov. Mant., als Unterart der 5. pAylicifolia aufführen zu
müssen. Die Samenkapseln habe ich nur seidenhaarig gesehen.
* S. tenuifolia Linn. Herb. — Linn. Fl. lapp. n. 352. —
Fr. Nov. Mant. I. 51. Herb. norm. IH. n. 54. $. Arbuscula
Whlnh. lapp. n. 476.
— majalis Whlnb. lapp.! n. 483. (non S. phylicifolia ma-
jal. Fl. suee.).
Anm. Verschieden von $. phylicifolia durch ihre im zar-
testen Alter kahlen glänzenden Zweige, Blattstiele und Blätter:
die letztern im jüngern Zustande ungemein dünn, gelblich,
durchscheinend, ohne rothbraunen Fleck, älter dunkelgrün,
aber unter dem Trocknen nicht schwarz werdend; ferner kurze
Kapselstiele, lange Griffel. Sie variirt wie jene: an Ufern mit
freudigerem Wuchse, dabei mit frühzeitigen ungestielten blatt-
losen Kätzchen; Gebirg- aufwärts aber wird sie niedriger, Blät-
ter und Blüthe werden mehr gleichzeitig und die Kätzchenstiele
endlich kleinbeblättert. Die Salices n. 48—61. Hook. Brit. Fl.
gehören zu dieser und der $. phylicifolia.
S. Wulfeniana W. oder richtiger $. glabra Scop. ist eine
Mittelart zwischen S. phylicifolia und der folgenden ($. hastata).
Auch diese hat, in der Ebene gezogen, nach Willd. Berl. Baumz. |
frühzeitige und blattlose Kätzchen; in Gebirgen werden sie aber
auch gleichzeitig und beblättert-gestielt. Nach Past. Fell-
man soll sie im Kola-Distriete im russischen Finnmarken vor-
kommen; doch ist vielleicht die var. majalis der S. tenuifolia
Die schwedischen Weiden- Arten etc. 365
gemeint, auf welche Willdenow’s Beschreibung auf's genau-
ste passt.
22. S. hastata Linn. Fl. lapp. n. 364. — Fr. Hb. norm.
IH. 53. (var. gothica). Sie hat wie die meisten ‘Arten dieser
Abtheilung mehrere bestimmte klimatische Abarten. In Norr-
laod und den lappländischen Waldgegenden kommt die Haupt-
art vor, aber in den tiefen Mooren des [südschwed.] Göta-Rei-
ches (auch Jütlands u. s. w.) wird sie zu einer ausgezeichne-
ten Abart ausgebildet, näml. zur:
— gothica: niedrigen Wuchses; Kätzchen frühzeitig (vor
den Blättern), fast stiellos mit kleinen Hüll- oder Deckblättern;
die Blätter meistens herzförmig (auch die der blühenden
Zweige): ausgewachsen dick, glänzend, erhaben-netzadrig,
dicht- und tiefer gekerbt-gesägt. Sie steht im botan. Garten
eultivirt unter dem Namen S. hastata; ebds. die Hauptart u. d.
N. S. serrulata. — Ihr entgegengesetzt ist die
— alpina: niedrig, mit kleinen lanzettlichen fast ganzran-
digen Blättern und frühzeitigen beblättert- gestielten Kätzchen.
— Noch merkwürdiger ist:
* hyperborea: die Zweige nebst den Schuppen der ausge-
zogenen schmalen und dünnblüthigen Kätzchen kahl; die Kap-
seln kurz, eiföürmig, mit sehr kurzen Stielen und Griffeln. Sie
- kommt mit den analogen S. punctata |n. 33.] und S. myrtoides
[bei n. 27.] in Finnmarken südwestwärts bis Lyngen [691 ° Br.]
vor (Lästadius); hat schmale Blätter, sehr kleine Nebenblät-
ter und die Befruchtungstheile der 5. amygdalina oder der
fragilis.
** Incubaceae. Niedrige Sträucher, mit schmalen danie-
derliegenden oder ruthenförmigen Zweigen und, normal, ganz-
randigen Blättern..
Anm. Obgleich das Merkmal vom Blattrande bei mehreren
Formen nicht Stand hält, so ist es doch deutlich, dass ganz-
randige Blätter in dieser Abthe:lung die typischen
sind; nur die üppigen Wurzelschossblätter sind dünn gezähnt.
Vom Griffel liesse sich eine bestimmtere, aber künstli-
chere, Eintheilung hernehmen. S. d. Eingang: Abth. IV.
23. 8. depressa Linn. Fl. suec. n. 899. Fr. Nov. Mant.
I. p. 56. — Linn. Fl. lapp. n. 361. S. livida cinerascens
Wahlenb.
Anm. Im Gegensatze gegen S. aurita wird diese Art im
höhern Norden vollkommner ausgebildet. In Gebirgen wächst
sie als daniederliegender Strauch, mit grossen dieken stumpfen
auf beiden Seiten (zugleich mit den Zweigen) dicht- und scharf-
366 Die schwedischen Weiden- Akten etc.
graubehaarten Blättern. Sie hat dann auch die grössten, und
am längsten gestielten Kapseln und in Folge dessen die dünn-
blüthigsten Kätzchen. Es ist unverkennbar diese Form, die
Linne in der Fl. suec. als S. depressa beschrieben
hat! Sie ist Formen der S. caprea und lanata ähnlich, mit
denen sie verwechselt worden ist. An die Flussränder und in
die Haine des Flachlandes herabsteigend wird sie ein schmäch-
tiger Baum mit schlanken herabgebogenen Zweigen und glatten
dünnen schlaffen an beiden Enden zugespitzten Blättern, die im
jüngern Zustande nebst den Zweigen nur weichhaarig, älter
kahl sind. Beide Formen finden die ihnen entsprechenden hei
S. aurita. Die letzte der beiden ist unverkennhar die in
Linn. Fl. lapp. n. 461. beschriebene, was auch durch
Linne’s Herkarium ausser Zweifel gesetzt wird; und da Linne
sie selbst mit seiner S8. depressa vereinigt hat, so sehe ich
gar keinen Grund, wie dieses Synonym in Frage gestellt wer-
den kann. -
* 8. livida a. Whlnb. — Linn. Fl. lapp. n. 356: Fr. Hb..
norm. V. n. 63. Diese Unterart ist von den südlichen Lapp-
marken an bis Schonen zerstreut, nimmt jedoch dabei an Freu-
digkeit gegen Süden hin ab, wo sie endlich kleineren Formen
der S. repens gleicht und dann noch südlicher nicht vorkommt.
Sie tritt auch in 2 Formen auf: der eigentlichen v. livida, üp-
piger, mit gelben ausgesperrten Zweigen, gelblichen glatten
Blättern; und v. glaucescens, mehr danieder liegend, mit brau-
nen Zweigen und unterhalb eisgrauen Blättern. Die erstere
kommt in Norrland am meisten vor. — 6. bicolor soll nach G.
W. Meyer's Behauptung mit der letztern identisch sein; es ist
aber wahrscheinlicher, dass sie zur S. phylicifolia gehört.
24. S. incubacea Linn. Fl. suec. 898. [non Sp. pl.,
quae — $. angustifolia Wulf. s. ineubacea Willd., ef. n. 29.
infrä]. — Fries Nov. Mant. I. p. 66. S. plicata Fr. Fl. halland.
— plicata. — Fr. Herb. norm.. 1. n. 58.
Anm. 1. Die Stammform dieser Art, ein 1—?2 Fuss hoher
Strauch mit daniederliegenden sehr ausgesperrten dünnen Zwei-
gen und zolllangen lanzettlichen Blättern, scheint kaum von
neueren Autoren wieder beschrieben zu sein ($. glauca Engl.
Bot. t. 810., die gewöhnlich zu S. Lupponum gezogen wird,
stellt wenigstens nach der Abbildung, mit kurzen eiförmigen
stiellosen Narben, keine andere als diese vor); im westlichen
Smäland und südl. Halland ist sie jedoch in den Waldgegenden
nicht selten, aber bei Mariaeberg bei Halmstad auch auf Sand:
und dass Linne sie am letztern Orte gesammelt, ist um so
Die schwedischen Weiden- Arten ete. 367
wahrscheinlicher, da sie schon in seinen ältesten Schriften auf-
geführt steht, in seinen späteren aber er nirgends speciell der-
selben erwähnt. Diese und keine andre passt auf's genauste zu
Linne’s Beschreibung der $. ineubacea. Die Aehnlichkeit mit
S. Lapponum, die graugrünen Zweige, die eiförmigen Neben-
blätter — alles Linne’s eigne Worte — unterscheiden sie be-
stimmt von allen kleinblättrigen Abänderungen der S. repens.
Anm. 2. Die Abart plicata ist im ganzen Süden und im
mittlern Theile Schwedens gemeiner. Sie ist nicht identisch
mit S. ambigua Koch, sondern mit der S. ambigua .alteru ad
S. repentem accedens Koch Comm. de Sal. eur., d. h. sie ver-
hält sich zur S. ambigua Ehrh. (welche wir unter $S. aurita
aufgenommen) wie S. viridis zur $. Russeliana, welche letztere
wir zuerst zu S. fragilis gezogen, obschon auch sie lange mit
S. viridis verwechselt wurde. Eine Abänderung der $. plicata
mit kahlen Kapseln findet sich in Menge bei Estra in Halland
(ist jedoch nicht 5. fnmarkica Koch & Hit. berol., die wir nach
Orig.-Expl. zu 5. repens ziehen). — Beide, Haupt- und Abart,
waren unter S. plicata unsrer Fl. hallund. begriffen, wo diese
Art zuerst klar als schwedisch unterschieden wurde;
man wagte zwar in Schweden dem guten Rathe sapere. aude
nicht eher zu folgen, als man ausländische Autorität dafür er-
hielt, wie. bei der Frage über S. viridis und in unzähligen an-
dern Fällen (man glaubt dagegen gewöhnlich etwas Neues ent-
deckt zu haben, das man sich rasch aneignen muss, wenn man
bei Ausländern eine etwas abweichende Ansicht findet, wie z.
B. über Cirsium decolorans, Potentilla procumbens u. a., wo-
von das erstere zuletzt eine Abart oder höchstens ein Bastard
von ©. acaule wird!). — Da indess Linne’s S. incubacea, eine
neueren Autoren unbekannte Art, sehr gut auf diese unsere
passt, ja „‚mit aller der Wahrscheinlichkeit, die jetzt zu erlan-
gen steht,‘ eben diese ist, so ist es wohl am richtigsten, Lin-
ne’s Benennung wieder aufzunehmen. Durch Befolgung die-
ser Methode ist es uns schon gelungen, mehrere vage Linnei-
sche Arten auf festere Bestimmung zu bringen, während das
diesem entgegengesetzte Bemühen, Linneische Arten in un-
bedeutenden Formen umfassenderer Arten zu suchen und die
wirkliche Art nachher unter neuem Namen zu beschreiben,
(wovon flagrante Beispiele in allen braunfrüchtigen Becherilech-
ten vorliegen, die zu Cladonia pyzidata von Flörke gezogen
wurden, welcher nachher der Cl. pyzidata, cornuta L. &e.
neue Namen gab,) wenig Beifall erlangt hat. — Mir scheint es
25
368 Die schwedischen Weiden - Arten ete.
verdienstlicher, unbestimmte Arten zu fixiren, als ihnen nur
neue Namen zu geben. |
25. S. finmarkica Willd. e fonte. — Fr. Nov. Mant. 1.
68. S. paludosa Hartm. Skand. Fl., nee Schl., nec Lk. & Ht.
berol., nec Nuttall.
Anm. Willdenow stellte eine Weidenart, nach Vahl,
welcher sie zuerst in Finnmarken fand, als $. finnmarkica auf,
und da es in Finnmarken und dem ganzen nördlichen Scandina-
vien keine andere Art giebt, worauf sie bezogen werden könnte,
so kann gewiss keine andere Art diesen Namen behalten, als
diese in Finnmarken wachsende (ex analogia Hieracü sabaudi
&e.); — und da ferner unter den unbestimmten Formen, die
sonst für S. finnmarkica genommen worden sind, keine eine
selbstständige Art ist, so giebt es auch nicht die geringste Ver-
anlassung, diesen Namen zu verwerfen. [Lästadius nimmt sie
für ,„S. auritae frigidissima forma.“ S.: Fr. Mant. II. 160.] —
Was ich von Koch als S$. finnm. an Dr. Hartman gesandt
gesehen habe, ist eine Form der S. repens! [und die des her-
liner bot. Gartens und Link’s ist nach Fr.’s neuerer Bemer-
kung, dies. Arch. I. 2. 271., dieselbe, nicht aus Finnmarkenr
eingeführt ].
26. S. myrtilloides L. Fl. lapp. n. u (Von Linne
mit Formen der S. repens verwechselt, s.: Fl. suec. n. 889.,
Fl. äkeröensis [1769. 20. pp. 4.] u. s. w.; zum Glück hat man
indess nicht davon Anlass genommen den Namen zu vertauschen:)
27. 8. fusca L. (optima). Fl. lapp. n. 364. t. 8. fig. r.
(Die Hauptform mit ovalen stumpfen Blättern ohne Spitze, wie
die kahlen Kapseln beim Trocknen dunkel werdend: S. myrtil-
loides Liljebl.! Sv. Fl. II. p. 306. „Blätter in der Jugend be-
haart‘“ &e.)
— major, Blätter doppelt so gross, lanzettlich, mit ausge-
zogener gerader Spitze, etwas schwarzwerdend, Kapseln sei-
denhaarig. Fr. Hb. norm. IH. n. 56.
— versifolia: Blätter ablang oder elliptisch, schiefspitzig,
beim Trocknen dunkler, Kapseln dünn-behaart. $. versifolia
Whlnb. Ä
* myrtoides Er. Nov. Mant. I. [p. 70.: = S. Arbuscula .
Vahl in Fl. dan. t. 1055.] (von Hartman als selbstständige Art
unterschieden).
Anm. 1. Sie kommt erst jenseit der nördlichen Gränze der
S. repens vor, nicht selten in Waldgegenden Dalekarliens,
Jemtlands und Lapplands: ist in den Mooren um Karesuando
[682° Br.] eine der am häufigsten vorkommenden Arten. Sie
Die schwedischen Weiden- Arten etc. 269
ist unzweifelhaft eine selbstständige Art (Meyer hat sie, wahr-
scheinlich nach Seringe, mit $. plicata vereinigt,) und eben so
vielgestaltig wie S. repens. — Dr. Lundmark hat 1780 eine
Form unter dem Namen S. arenaria, die der v. argentea der
folgenden Art analog ist, nach Hause gebracht; wir besitzen
auch eine kriechende kleinblättrige Form, die nur am Grifiel
von S. repens zu unterscheiden ist. Dass diese Art, welche
fast Alle, die den Norden besucht, mitgebracht haben, von
Wahlenberg erst auf seiner letzten Reise, die hauptsächlich
der Untersuchung der Waldgegend galt, gefunden wurde, kam
daher, dass die frühern Reisen mehr der Strand- und den
Hochgebirgs -Regionen gewidmet waren.
Anm. 2. Dass diese Art die Salix Linn. Fl. lapp. n.
364. (fons S. fuscae!) „in humidis silvarum Lapponiae“
ist, kann wohl unmöglich bezweifelt werden, sofern irgend Ue-
bereinstimmung der Beschreibung und des Standortes Zeugniss
seben soll, zumal da sie zu keiner andern in den Waldmooren
Lapplands vorkommenden gezogen werden kann. Aber eben so
unbestreitbar ist es, dass Linne Formen der S. repens mit den
lappländischen S. Lapponum, S. myrtilloides u. a. verwechselt
hat, und eben so klar auch, dass eine Zeit lang Formen der
S. repens zu S. fusca gerechnet worden. Dass jedoch Linne
nach Herausgabe der Fl. suec. ed. 2. [1755] gefunden hat, dass
S. repens die im ganzen südlichern u. unteren Lande gemeinste
und 8. fusca fast nur lappländisch ist, erkennt man sowohl aus
mehreren spätern Bestimmungen, als auch aus seinem Frutetum
Sueciae [Ups., 1758. 26. pp. 4., Amoen. acad. V. 204—231.],
wo dieses richtig so angegeben ist; wie S. repens auch in der
Fl. anglica steht, $. fusca aber in keiner von Linne’s spätern
Special-Floren. Smith’s Beschreibung, nach Linne’s Exem-
plare, gehört deutlicher hierher, aber Borrer, welcher von _
Smith’s Bestimmungen Linneischer Salices mehrere berichtigt
hat, sagt ausdrücklich, die englische $. fusca sei S. repen-
tis var. und von der Linneischen verschieden.
28. 8. repens Linn. — Fl. suee. n. 8%.; ef. Frutet.
suec. (a. eriocarpa, b. leiocarpa).
— parvifolia: niederliegend, kriechend, Blätter klein ohne
Nebenblätter und deutliche Spitze, unterhalb seidenhaarig. Die
Form der Blätter variirt zugleich mit der Bekleidung der Früchte
in’s Unendliche, auch die Zweige zuweilen aufrecht. Möglich
ist es, doch nicht erweislich, dass Linne manchmal Formen der-
selben mit $. incubacea (die jedoch von Linne später nirgends
speciell angegeben wird: er hatte sie längst vorher unterschie-
25*
370 Die schwedischen Weiden- Arten ete:
den, wahrscheinlich schon im südl. Smäland; ob. n. 24.) ver-
wechselt hat, obgleich die Beschreibung nicht missdeutbar auf
eine andre weiset. Dagegen lässt sich darthun, dass schmal-
blättrige Formen für $. rosmarinifolia genommen worden sind.
— glabrata: aufsteigend, die Blätter kreisrund oder ellip-
tisch, platt, kahl, ohne Spitze; Fruchtknoten kahl (bei allen
übrigen Abarten bald mit Ueberzug bald kahl). Mit $S. myrül-
loides verwechselt: z. B. die in Linn. Fl. akeröens., Osbeck
Fi. halland. [in Physiogr. Sällsk. Handl. 1. 1. (1776) 57—64.]
könnte man eben so gut für Linne’s S. myrtilloides nehmen,
wie die folgende für seine S. fusca. |
— fuscala: Aeste aufrecht, braun; Blätter grösser, ellip-
tisch, mit schiefer Spitze, unten seidenhaarig. S. fusca. Linn.
Skanska resa [1751.] p. 79. und Herbat. upsal. [1753.20. pp-4.];
aber nicht die ursprüngliche aus Lapplands Waldmooren, wie:
Linne auch später eingesehen, s.: Fruiet. suec.
— argentea: der vorigen ähnlich, aber Zweige und Blätter
überall mit Ueberzug und seidenweiss. S. arenaria L. nach
der Benennung selbst und Gott. resan |1745] p. 206., Sk. resa
p- 237., Frutet. suee., Fl. angl., Fl. dan., Fl. belg., mit Aus-
schlusse des Char. u. Synon. aus Fl. app. |
Anm. Sie erscheint von grösserem Wuchse auf trocknen,
von niedrigerem an feuchten Stellen: v. fuscata meist in der
Ebene; v. argentea auf Flugsand am Meere. Der unterirdische
Stamm ist allezeit kriechend, daher diese Art ein dichtes Busch-
werk am Boden bildet. Die Schiefheit der Blattspitze finde ich
nicht constant; die Blätter sind zuweilen rund ohne Spitze.
Eine Abart mit kahien Kapseln besonders aufzuführen halte ich
für unrecht: diese Abänderung kommt bei allen Abarten vor:
auch die weisseste argentea findet sich bei Halmstadt mit den
kahlsten Fruchtknoten. Die Blüthenkätzchen erscheinen sowohl
auf nackten Zweig n als auch gleichzeitig mit den Blättern, auf
überschwemmten Stellen erst mit ausgewachsenen Blättern ge-
sen den Sommer. Hiermit sind die an der halländischen Küste
nicht seltenen Fälle nicht zu vermengen, wo der Strauch gegen
den Herbst noch einmal blüht mit alten Blättern, wie man das-
selbe auch (früher wenigstens) an einem Strauche der $S. amyg-
dalina zu Verpinge unweit Lund alljährlich sah.
29. 8. angustifolia Wulf. — Fr. Nov. p. 285. Herb.
norm. HI. 60. | Koch. — S. incubacea L. Sppl., W., Wbe. Fl.
carp. (non L. Fl. suec.).]
— elatior: grösser, mit aufrechten ruthenförmigen gelben
Aesten; Blätter breiter, lanzettlich. Herb. norm. V. 65.
Die schwedischen Weiden- Arten -ete. 371
"Die Blätter der gewöhnlichen Form gleichen denen der Ab-
art S. stipularis von S. viminalis. Sie wird gewöhnlich für S.
incubacea L. genommen, mit welcher sie anch in der Blattform
nahe übereinstimmt — und der Standort in Frutet. suec. (,,in
Flugsand mit der S. arenaria‘“) passt vollkommen darauf, aber
die Beschreibung ebds. weicht deutlich ab, so dass diese we-
nigstens nicht die ursprüngliche $. incubacea sein kann. Als
Linne die Fl. suec. ed. 1. [1745, Stockh.] herausgab, hatte er
noch keinen der Punkte [im südlichsten Schweden auf Flugsand
am Meere, z. B. Mündung der Köpinge-ä, und in Halland] be-
sucht, wo S. anguslifolia vorkommt. — Smith’s Angabe,
diese liege in Linne’s Herb. für S. Arbuscula, hat Borrer un-
richtig befunden, indem es. vielmehr die rechte S. Arbuscula
sei. [Als $. ineubacea läge darin nach Fr. in Bot. Notis
1842, S. 24. diese S. angustifolia aus Holland.]
30. S. rosmarinifolia Linn. — Fr. Novit. I. p. 285.
Anm. Das von uns angegebene Merkmal der während des
Blühens kleinen kugelrunden Kätzchen ist das sicher-
ste Kennzeichen der Art. Linne kannte diese nicht als schwe-
disch, nur als finnländisch. Die Abänderung concolor hat auf
beiden Seiten kahle Blätter: in Mooren bei Roslätt in Schonen.
Eine grössere und breitere Abänderung fand Hr. Nyman 1840
auf Gottland.
Anm. 2. S. rosmarinifolia Engl. Bot. t. 1365. (welche mit
der S. Arbuscula ibid. t. 1366., wenn man davon die, zur 8.
hastata gehörenden, untern Blätter ausschliesst, völlig identisch
ist,) kann nicht zu unsrer Art citirt werden, denn sie hat bo-
gsenförmig gekrümmte Kätzchen, stammt auch eigentlich, wie
8. petiolaris, aus America. In Betrefi der englischen Weiden
herrscht viel Verwirrung, weil den Abbildungen und Beschrei-
bungen oft Linneische Exemplare zu Grunde gelegt worden sind,
obgleich die engl. Arten selbst davon abweichen, auch weil
fast alle Exemplare, die man aus England erhält, cultivirte,
darum aber noch nicht englischen Ursprungs sind.
V. CHamELı.
* Frigidae. Die Blüthenzweige entspringen auch aus
Seitenknospen.
31. S. glauca L. — Fl. lapp. n. 363. Fr. Herb. norm
IM. n. 52. (a. stipulata s. appendiculata. b. exstipulata.)
— nivalis, Nov. Mant. 1. S. glauca y Lapponum Whlnb.
* pullata: Blätter ablang oder lanzettlich, dicht, klein - ge-
sägt, spitzig, dünnbehaart, unten eisgrau nach dem Trocknen
n
372 Die schwedischen Weiden- Arten ete.
schwarz werdend (besonders die jüngern); Kapseln’ deutlicher-
aber kurz -gestielt (a. seidenhaarig; b. kahl!), im jüngern Zu-
stande schmal, pfriemenförmig, zugespitzt; Kätzchenstiele kurz,
beblättert (S. nigricanti-glauca). Lästad. (Auch vom Funnes-
dalsberge in Herjeädalen: Thhedenius.)
** pallida: Blätter lanzettlich, ganzrandig, Ben glän-
zend, im zartesten Alter so wie die Zweige völlig kahl, nach
dem Trocknen hochgrün; Kätzehenstiele kurz mit Hüllblättern ;
Kätzchen dichtblüthig; Staubbeutel und Griffel gelb. Nov. Mant.
1. 45. (S. phi EEFaREO glauca.)
Anm. Die Unterarten pullata und pallida dürften Bastarde
sein; man darf sie nicht übersehen oder verschwei-
gen, wie dies mit der pallida geschehen ist, weil sie in Mant.
J. nur als Abart aufgeführt worden; diese ist so ausgezeichnet,
dass, wenn sie von Andern als Art aufgestellt worden wäre,
wir in der That kaum Bedenken getragen hätten, sie als solche
anzuerkennen. Die beiden verhalten sich zu einander ganz wie
S. phylicifolia zu S. nigricans. — Die Hauptform der S. glauca
hat zottige Zweige, wollige Kapseln; die jüngern Blätter sind
seidenhaarig mit langen angedrückten Haaren; ob sie gleich
älter kahl werden, a sie doch nie mit denen der S. pallida
zu vergleichen. Dass beide Unterarten der .$S. glauca am näch-
sten stehen, beweisen die kurzgestielten Kapseln, die Zweizahl
der Nectarien, zweispaltigen Griffel und kleinen Narben.
32. 8. Arbuscula Linn. Herb. — Spec. pl. p. 1445. y.
Fl. lapp. n. 360. t. 8. fig. m. — Fr. Herb. norm. V. n. 61.
S. prunifolia Sm., sec. Fries Nov., wo die Synonymie dieser
Art zuerst festgestellt wird.
— vaccinüfolia Smith!: niedrig, kriechend, mit kleinen
entfernt- aber tief-gekerbten Blättern; die Kapseln eiförmig-
kegelförmig, zuletzt kahl. [,,‚In Ost-Finnmarken.]
Anm. Sie gehört am meisten den norwegischen Gebirgen
an; aber auch auf der schwedischen Seite wächst sie auf dem
höchsten Gebirgsrücken in Herjeädalen (Sjöstrand! Thedenius!)
und in Pitei- und Torneä-Lappmark (Lästadius!). Ausgebildet
wird sie ein 3 Fuss hoher Strauch, alsdann dem Ansehen nach
der S. phylicifolia am nächsten, so dass es sich leicht erklärt,
warum sie vereinigt worden. Auf subalpinischen Bergen des
südlichern Europa wird sie noch üppiger, bekommt grössere
dünne dicht kleingesägte Blätter, die denen der S. depressa so
sehr ähneln, dass sie kaum zu unterscheiden sind; s.: Nov.
Mant. I. p. 49. Diese Art ist in Schweden die gemeinste und
bekannteste von den Arten, die man zu $S. Arbuscula gerechnet
Die schiwedischen Weiden- Arten etc. 373
‚hat; ‚von schwedischen Botänikern ist sie wenig erkannt worden,
(S. Arbuscula B. Liljehl. Sv. Fl. 1. ed. gehört hierher, aber
die S. Arbuscula selbst und die var. A. bei Liljeblad! ge-
hören zu S. depressa,) bis der Prediger Lästadius zeigte,
dass diese unsre S. Arbuscula die n. 360. von Linn. Fl. lapp.,
quae ‚„eresecit. in formam arbusculae,“ ist, welche sowohl von
Linne selbst in seinem Herb., in Fl. lapp. ed. 2., als auch von
den Meisten für die ächte $. Arbuscula angenommen worden
ist. — S. Arbuscula Whlnb. Fl. Helv. und die der Fl. Carpat.
gehören auch hierher, aber nicht die in Whlb. Fl. sueec.; und
in Fi. lapp. gewiss nur die der finnmärkischen Localitäten..
33. 8. punctata Wahlenb.! Fl. lapp. n. 481. Fl. dan.
t. 1052. |
Anm. Die völlige Kahlheit (auch der Kätzchenboden und
die Schuppen sind nackt), die auf beiden Seiten grünen und
glänzenden Blätter, die auf der Oberseite erhaben-netzadrig
sind, die [in den Blattwinkeln] knospentragenden Kätzchenstiele,
dabei das ganze Ansehen der S. Myrsinites, unterscheiden diese
Art von | der gleichfalls punktirt-blättrigen ] S. nigricans. Sie
ist nach Prof. Wahlenberg’s eigner Bemerkung eine zweifel-
hafte Art; da aber dieser ausgezeichnete Forscher, welcher sie
in der Natur studirt hat, sie als eigne Art behält, so habe ich
wohl am meisten Grund, dem ersten Entdecker zu folgen. Hr.
Lästadius hält sie für einen Bastard von S. nigricans und
S. Myrsinites. Mit der erstern hat sie nur einiges Aeussere
gemein [s. d. Archiv, H. 2. 271. Gefunden in Ost- Finnmarken
a. m. O., 703° Br., in der Birkenregion].
‚34. S. Myrsinites L. Fl. lapp. n. 353. Fr. Hb.n. V. 66.
— arbutifolia (Nov. Mant. 1. p- 793.): Blätter kleiner, ver-
kehrt eiförmig, stumpf, in der Jugend sehr langbehaart, fast
sanzrandig. Sie gleichen in Grösse und Form denen der Uva ursi.
* procumbens Forbes (—-Nov. Mant. I. e. d.): Blätter dünn,
oval, glatt, flachgedrückt; Kätzchen kurzgestielt; Kapseln ke-
gelförmig, pfriemenförmig, seidenhaarig, mit kurzem Griffel und
stumpfen Narben.
Anm. Die Unterart hat ein sehr eigenthümliches Ansehen,
bleibt nach Hooker (cui $. Zaevis) cultivirt unverändert und
könnte eine eigne Art sein. Sie wächst in Norwegen und in
Tornei-Lappmark. Es war diese, die Pastor Lästadius an-
fänglich für $. arclica nahm.
35.8. pyrenaica * norvegica Fr. Nov. Mant. 1. p. 77.
Anm. Blätterexemplare, die mit S. arctica Br. und wahr-
scheinlich auch des Pallas, welcher sie in Sibirien weit ver-
374 . Die schwedischen Weiden- Arten etc.
breitet fand, übereinstimmen, wurden, von Lom in Norwegen
[SW. v. Dovrefj.], durch Sommerfelt mitgetheilt; Blytt
glaubt sie auch, doch nur einmal fruchttragend, auf dem Dovre-
fjeld aufgenommen zu haben. |
.** Glaciales. Blüthenzweige aus der Spitze der Aeste
(aus der äussersten Knospe des vorigen Jahres hervorwachsend,
die sich zwischen dem äussersten Blatte und dem eigenen Blü
thenstiele bildet).
86. S. reticulata Linn. — Fl. lapp. n. 359.
37. 8. retusa * sarmentacea Fr. Nov. Mant. I. p. 74.
38. S. herbacea Linn. Fl.lapp.n. 355. Fr. Hb. norm. V. 67.
Anm. Hr. Ac.-Adj. Lindblom hat auf dem Dovrefjeld
eine ausgezeichnete Abänderung mit behaarten Kapseln gefun-
den. Letztere kommen jedoch mit fast kahlen Früchten an
demselben Stämmchen vor.
39. 8. polaris Wahlenb. Fl. lapp. n. 473. — Fr. Herb.
norm. V. n. 68. S. herbacea A. Liljebl.
Anm. Die Weiden verdienen fernere genaue Untersuchung:
die zahlreichen neuen Nachträge oder Bestimmungen, welche uns
beizubringen geglückt ist, nachdem man geglaubf es sei für
diese Gattung nichts mehr zu thun, bestärkten es uns zur Ue-
berzeugung, dass noch manche Arten ins Klare zu setzen übrig
bleiben, auch dass es unter den angeführten Unter- und ver-
meintlichen Bastard - Arten noch wirkliche Arten geben dürfte *).
*) [In Mant. III. 159 sy. vergleicht der Herr Verfasser das Ver-
hältniss einander sehr nahe stehender Arten mit dem der Planeten
um eine Sonne, die sich einzeln um dies Centrum drehen, ohne
zusammen zu fallen. So umgeben die Salix repens folgende: $.
myrtilloides versifolia 5. fusca prim. L., plicata [incubacea L.,
Fr.], angustifolia u. rosmarinifolia. Beiläufig: Ehdas. wie auch
in Lindbi. Bot. Notis. 1842, S. 24. wird die $. angustifolia Wulf.
noch einmal für $. incubacea Linn. und obige n. 24. ($. incub. L.
Fl. suec.) plicata genannt, in Bot. Not. 1844 aber (s. d. Arch.
H. 2. 271.) zu der hier im Obigen gebrauchten Nomenclatur zu-
rückgekehrt. — Die Hybridität mancher Formen bestreitet Fr.
in Mant. III. in den meisten Fällen : zuweilen komme eins der
angeblichen Aeltern erst in Provinzen weit davon entfernt vor. Lieber
würde Fr. annehmen, dass $. Sragilis, pentandra, amygdalina
u. a. jede in doppelten Formen auftreten Könnten : einer tiefer ge-
sägten latifolia und einer schwachgesägten angustifolia. wovon
eine hier, die andre dort herrsche: auch $. purpurea, daphnoi-
des, lanata u. a., sagt Fr., bieten analoge Formen wie die für
Bastarde der erstern erklärten S. cuspidata, Russeliana undulata.
So sei auch S. herbacea v. fruticosa Herb. norm. VIII. 64., die
man für Bastard von $. herbacea und hastata gehalten, nur eine
„forma elata $, herbaceae in climate marino et rorido.“ Sichrer
scheinende Bastarde hat Wimmer beobachtet. Anm. d. Uebers.]
Xınl.
Einige Worte über Zumex acutus und R. aquaticusL.
Von
Dr. Elias Fries‘).
Uebersetzt von €. T. Beilschmied.
Seit man angefangen, Linneische Pflanzen in mehrere Arten
zu zertrennnen, wurden Linne’s Benennungen gewöhnlich ein Ge-
gsenstand des Streites, weil man nicht einsah, dass Linne’s Art
keiner einzelnen der nachher daraus unterschiedenen gleich
kam, sondern der Name in den meisten Fällen allen den so-
genannten neuen nah-verwandten Arten zusammen angehörte.
Nirgends kann dieses sonnenklarer sein, als hei den Rumices.
Unter R. acutus begriff Linne ursprünglich alle gemeineren Ar-
ten der Abtheilung Ozxylapathum, wie R. cristatus, BR. oblusi-
folius, und unter R. aquaticus alle unsre sehr grossen, im mitt-
leren. Schweden gemeinen (so dass sie Linne möglicherweise
entgehen konnten) Arten der Abth. Hydrolapathum, wie R.
domesticus Hrtm., conspersus Hıtm., Hippolapathum Fr. **),
mazimus und Hydrolapathum, was schon daraus klar ist, dass
in der ersten Auflage der Flora suecica Rumex maritimus als
eine schmalblättrige krause Varietät des ersten, so wie R. cri-
spus als solche des letzten derselben aufgeführt ist. Wie Linne
zu dieser Ansicht gekommen, wird klar, wenn man weiss, dass
es um Stenbrohult und an allen den Orten, wo Linne in seiner
Jugend botanisirte, nur zwei Arten giebt, diese aber in grosser
m ln ll ll DL mm
*) [Aus Lindblom’s Botaniska Notiser, 1841, S. 129 — 136.]
**) [Allein Fr. Mant. JII,, mit Berichtigung von Nov. Fl. svec., —
u. in Hartm. Skand. Fl,: Zus. dazu in Bot. Notis. 1841. 5. 85.
‚#5; bei H. heisst A. Hippolapathum Fr. (— R. Friesii Aresch.):
„A. aquaticus L.“ Vgl. d. Schlass dieses. ]
376 Einige Worte über Rumex acutus und #t. aquaticus L.
Häufigkeit, nämlich R. obtusifolius und R. domesticus, welche
so die ursprünglichen Quellen der genannten Arten sind. Da
der letztere 2 ausgezeichnete Formen hat: eine breitblättrige an
nassen Stellen, die man im südlichen Schweden (s.: Retz.
Suppl. u. Fl. oecon.) immer als den wirklichen R. ee
angesehen hat und die mir auf den Excursionen, welche sowohl
in Schonen bei Roslätt im Moore der Sazifraga Hirculus, als
auch in Halland ‘(am Bache zwischen Halmstad und Söndrum)
mit Professor Wahlenberg machen zu können mir vergönnt war,
von diesem scharfsichtigen Forscher als R. aguaticeus oder als -
ein deutlicher Uebergang zwischen R. domesticus und aquaticus
gezeigt wurde; und eine schmalblättrige krause an trockneren
Stellen: so erkennt man leicht, wie Linne dazu gerieth, mit
R. aquaticus den R. crispus zu vereinigen, welcher auch von
Linne und bis in die neuste Zeit bei uns mit R. domesticus
verwechselt worden ist. Erst in der 2ten Auflage der Fl. sue-
cica wird R. maritimus vom R. acutus und R. crispus vom R.
aguaticus unterschieden, und endlich nach dem Erscheinen eben
ders. der R. acutus in 2 zertrennt: R. acutus (= cristatus s.
pratensis) und obtusifolius. Obgleich der letztere ganz erweis-
lich Linne’s ursprünglicher R. acutus war (und nach Kunth’s
Versicherung giebt es nichts anderes als ein oberes Stück von
diesem unter dem Namen R. acutus in Linne’s Herb.), so legte
Linne doch, bei seiner bekannten Achtung gegen seine Vor-
gänger bei Annahme von Speciesnamen, Lupathum folio acuto
der Alten (R. ceristatus) den Namen R. acutus bei, und dem
Lap. folio obtuso der Alten den Namen R. obtusifolius Dass
Linne bei dem letzten Bestimmen seines R. acutus den R. cri-
status vor Augen gehabt hat, ist daraus mehr als wahrschein-
lich, dass Linne’s Beschreibung ganz genau auf diesen, aber
keinen andern passt, und dass er aus älterer Zeit her im upsa-
ler Garten cultivirt vorhanden war und auch, obschon sparsam,
wild im mittlern Schweden vorkommt. Dass Linne niemals
einen der R« Hydrolapatha, z. B. R. Hydrolapathum, zu
seinem R. acutus gerechnet hat, wird ganz einleuchtend, wenn
man betrachtet, welche Wichtigkeit Linne in seiner Definition
auf valvulae dentatae lest (und an so unbedeutenden Zähnchen,
wie R. Hydrolapathum oder R. mazximus zuweilen bekommen,
hätte sich Linne gewiss niemals gehalten); ferner dass Linne
ihn ein beschwerliches Unkraut auf Aeckern in Schonen nennt,
wo noch heut zu Tage wohl R. obtusifolius wächst, aber R.
Hydrolap. nie vorkommen kann; dass Linne den R. maritimus
anfänglich als eine Var. davon ansah, die eben so gut mit R.
Einige Worte über Rumex, acutus und R. aquaticus L. 377
obtusifolius ‘vereinigt werden , könne, wie R. cerispus mit R.
aquaticus. Linne verband oft von Natur. verschiedene Arten,
‚doch waren es immer noch verwandte; es ist aber eine
' arge Beleidigung seines Andenkens, ihm die Ungereimtheit ZU-
zutrauen, R.. maritimus mit R. Hydrolapathum zu vereinigen.
Da jedes Wort, jedes Citat, jeder speciell angegebene Fundort
bei Linne, da. Linne’s Herbarium auf R. cristatus und odtusifo-
lius hinweiset, so kann R. aculus nie anderwärts gesucht
werden.
Nachdem der R. crispus ee worden, blieb R. ayua-
ticus immer noch bei Linne eine collective Benennung für die
5 andern obigen R. Hydrolapatha oder wenigstens alle die,
welche Linne vorgekommen sind, und dies müssen die meisten
sein, da sie in der upsaler Gegend und den Provinzen, die er
bereiset, gewöhnlich sind. Sie sind auch se nahe verwandt
und bilden eine so zusammenfliessende Reihe, dass sie in Lin-
neischem Sinne unter eine Art zusammengefasst werden müssen.
Wahlenberg, welcher sie alle gut kennt, unterscheidet nur
2, eben so G. F. W. Meyer in seiner Chloris hanov.; dieser
hält aber für möglich, dass sie nur eine Art ausmachen. Die
Frage ist nun, ob es nicht schon wahrscheinlicher ist, dass
Linne (wovon es: übrigens in Linne’s Schriften und in den unter
seinen Augen gesammelten Herbarien directe Beweise hinrei-
chend giebt,) aus dieser Gruppe eng verwandter seinen R.
aqualicus gebildet habe, als dass er ein und das andre Glied
mitten aus dem Kreise gerückt hätte, um es mit R. obtusifo-
lius und maritimus . zu verkinlens Der ursprüngliche R. aqua-
tieus ist, wie schon gesagt, der #m Nassen wachsende R. do-
meslicus, wie Retzius, Rafn und alle südwestlichen Botani-
ker angenommen haben und was auch von Wahlenberg, wel-
cher ihn mit R. Hippolapathum vereinigt, eher bestätigt als
bestritten wird. Wenn. Linne seinem R. aquaticus folia radi-
calia acuta beilegt, so passt dieses auf A. domesticus, nicht
auf R. Hippolapathum, welcher sie obtusa hat. Jener war es,
der Linne zuerst vorkam:; er wuchs nicht 100 Schritte von sei-
ner Wiege; er liegt, in seinem Herbarium; er ist es deshalb,
der in neuern englischen Floren,, wie von Hooker, als der
wahre R. ayuaticus angenommen ist. Wie einseitig es aber
wäre, in ihm allein den R. aguaticus zu sehen, findet ein
Jeder, der in der Gegend von Upsala botanisirt, wo die ganze
Reihe bis. zum R. H ydrolapathum wahrhaft luxuriirt, so dass
sie keinem vielmal weniger Sehenden als Linne entgehen kön-
nen. ‚Und wie man verneinen kann, dass R. Hydrolapathum
378 Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L.
mit den übrigen nahverwandten von Linne unter R.’aquaticus °
mit inbegriffen worden, mag ein Scharfsichtigerer als ich erklären,
da es doch diese Art ist, welche die ausgezeichnetste und ge-
meinste ist, da sie es ist, die so recht eigentlich im Wasser
wächst, da Linne’s eitirte Synonyme und Abbildungen zu die-
ser gehören, da EursAarr und Linne’s Schüler sie als Lin-
ne’s R. aquaticus gesammelt, und vor allem da dieser in
Menge, aber keine andere von den verwandten Arten an
allen den vielen Fundörtern, die Linne selbst ex autopsia
in seiner schonischen Reise dafür angiebt, zu finden ist, u. s.w.—
Linne sagt zwar von seinem R. agualticus, er habe granula auf
den Valveln, und diese fehlen bei R. Hydrolapathum selten,
aber auf den jüngern sind sie wenig ausgezeichnet; überdies
nahm Linne, wie schon gezeigt, den Artcharacter nach dem .
R. domesticus in seinem Herbar., und später wurde die Sache
nicht so genau nachgesehen. — So stellten wir das Verhältniss
in Nov. Fl. suec. dar; es wurde widersprochen, doch keine Wi-
derlegung versucht, die auch nicht möglich.
Welche Arten sollen nun die Linneischen Namen behalten?
— Dass R. cristatus den Namen R. acutus wiederbekommen
muss, scheint kaum zu bezweifeln. In Linne’s spätesten Schrif-
ten ist er so rein dargestellt, dass man nicht einmal sagen
kann, die Benennung sei eine collective. Auch finden wir ihn
bei fast allen südeuropäischen Botanikern PR. acutus genannt,
eben so bei fast sämmtlichen nach selbstständiger Prüfung und
mit kritischem Blicke schreibenden Floristen, wie Marschall
v. Bieberstein, Sprengel, Koch und Ziz, in der Fl. d. Wette-
rau u. a., desgl. bei dem ersten kritischen Bearbeiter der Ru-
mices in Scandinavien, Rafn, welcher unter dem Namen R.
acutus sehr deutlich den R. cristatus beschreibt...
Schwieriger ist die Frage um R. aquaticus. Auf etwas
allgemein Angenommenes kann man sich zwar nicht berufen:
im südlichern Europa, in Frankreich, wie bei De Candolle, so
wie bei allen Aelteren, wird dieser Name dem R. Hydrolapa-
thum beigelegt, in England und im südl. Schweden dem R.
domesticus, von Vielen dem R. Hwydrolapathum; gewöhnlich
ist er indess collectiv: bei Wahlenberg für R. domesticus
und R. Hippolapathum, bei Meyer in Chlor. hanov. für R.
Hydrolapathum und R. maximus. Ginge es nach dem Gebrau-
che, so wäre wohl die Mehrzahl für R. Hydrolapathum. Aber
Linne hat uns selbst hinreichend angedeutet, wie er den Na-
men hat angewandt wissen wollen. Welchem Rumex Linne,
wenn er R. aquaticus in mehrere Arten zerlegt hätte, letztern
Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L. 379
Namen beigelegt hätte, darüber verbleibt kein Zweifel. Wie
bei R. acutus behielt L. stets. den Namen nach den älteren Sy-
nonymen, und es ist nicht im geringsten zweifelhaft, dass Linne
gewollt hat, dass das Lapathum aqualicum aller seiner Vor-
sänger durch zwei Jahrhunderte diesen Art-Namen behalten
solle, und da bei diesen die Arten klar gesondert sind, die
Linne vereinigt hat, so müssen sie wohl einige Autorität hahen;
— Linne wollte, dass die oflicinelle Art einen bekannten Na-
men behielte: und R. Hydrolapatkum ist überall der officinelle
gewesen; — Linne hielt sich gern an die eigne Naturauflas-
sung des Volkes bei seinen Benennungen: und es ist diese Art,
die in allen Sprachen ihren Trivialnamen nach dem Wasser er-
halten; — Linne liebte vor allen die Benamungen, welche die
meiste Naturwahrheit in sich tragen: und %&. Hydrolapathum
ist es, der am meisten im Wässer wächst, wie ausserhalb des-
selben. Aus diesen sprechenden Gründen behielt ich den Namen
für R: Hydrolapathum, mit den meisten Vorgängern und nicht
ohne Nachfolger unter kritischen Botanikern. Will man den
Namen nicht dieser Art erhalten, so muss er an R. domestieus
kommen, welcher eben so gut am Wasser wächst, weil dieser
Linne’s und auch Wahlenberg’s ursprüngliche Form desselben
ist: dieser ist es, welchem Linne’s Definition entnommen ist;
er ist es, der in Linne’s Herbar unter diesem Namen liegt und
im südl. Schweden immer so benannt gewesen (vgl. Retzius,
Osbeck, Aspegren, auch Wahlenberg, u. A.), so wie
jetzt in England; Lästadius sendet ihn auch als R. ayuati-
cus. Für meinen Theil möchte ich dem doch nicht beipflichten;
aber. noch einseitiger ist es, den R. Hippolapathum als R.
aquaticus bestimmt haben zu wollen. Dass Linne sonderlich
mehr Gewicht auf R. Hippolapathum bei Upsala als auf alle
andern dortigen Formen, die er sämmtlich unter seinem R.
agquaticus befasste, gelegt hätte, dafür giebt es keinen Beleg,
wohl aber dafür, dass er dort unter diesem Namen den R. Ay-
drolapathum ausgetheilt hat, z. B. Ehrhart's Zeugniss (siehe
Meyer Chlor. hanov.! [schwed. bot. Jahresb. üb. 1837, S.114.]).
Die Folge von allem diesem wird wohl, dass man zuletzt ge-
nöthigt wird, Linne’s Namen R. aguaticus ganz aufzugeben, da
er, als ein: collectiver, in streng Linneischem Sinne auf keine
einzelne Art ganz passt, und ihn nur zu brauchen, wenn man
die Collectiv-Art meint: diess hält Meyer für das Richtig-
ste. Ich verlange nicht, dass gerade meine Meinung durch-
sehe, sondern dass man von vorgefasster Meinung sich los
mache, um meine Gründe zu prüfen. Ä
380 Einige Worte über Rumex acutus und R. aquatieus L.
Eine kritische historische Darstellung des Fortschreitens in
der Kenntniss einer Flora und besonders ihrer kritischen Gat-
tungen ist von grosser Wichtigkeit für die Kunde derselben.
Nur dadurch kommt sie zur Klarheit: Vieles, was nach gewöhn-
lichem Citiren als Irrthum erscheint, stellt sich dadurch als er-
spriesslich dar. So wichtig es ist, die erste Quelle der Auf-
stellung einer Art zu kennen, ist es auch, die erste ihres Auf-
zeichnens als einheimisch zu wissen. Es zeigt, ‚‚quantae molis
erat Suecanam condere Floram,“ und ist eine gerechte Steuer
für die Kosten und Mühe, welche die Entdeckung jeder Art
erfordert. Gaudin’s Fl. helvetica ist hierin ein würdiges Mu-
ster. Es bedarf dazu grösserer Unpartheilichkeit und Genauig-
keit, als man gewöhnlich in einem willkührlichen Verfahren
findet: so begegnet man zuweilen einer Scheu, einen unwill-
kommnen Autor zu citiren, selbst wo diesem gefolgt worden,
sofern nieht für dabei mögliche Fehler ihn haften zu lassen
nöthig geschienen. So schreibt man gewöhnlich dem Professor
Retzius eine Menge Aufstellungen zu, die nicht ihm, sondern
Linne (z. B. Orchis pallens, Rosa arvensis) und Afzelius
angehören, übergeht ihn aber bei desto mehr eignen Entde-
ckungen. |
In Betreff des Geschichtlichen über die Abtheilung Lape-
iha der Gattung Rrumex wurde hinsichtlich des R. aguatieus
bereits gezeigt, wie Linne diesen genommen: dabei blieb es
nachher lange in der für die schwedische Flora unkritisehen Zeit
nach Linne. — Erst als man gewahr wurde, dass man im mitt-
lern Schweden keinen R. acutus als verschieden vom R. obtu-
sifolius besass, fing man an, ihn in einem Theile der frühern
Formen des R. agquaticus zu suchen, und es wurde als solcher
der R. maximus dargestellt: dieser ging bei uns als acutus, bis
der Vf. dieses ihn in Nov. Fl. suec. unter dem jetzigen Namen
(R. mazximus) zugleich mit dem Beweise dafür vortrug, dass
der R. acutus in diesen Gegenden nicht zu suchen sei. Retzius
unterschied ferner den R. Hydrolapathum und Dr. Hartman
stellte 2 neue Arten auf: R. domesticus und R. conspersus.
So war die Anzahl auf 5 gestiegen (und im letzten oder 39sten
Faseic. der Fl. danica fügt Drejer einen 6ten, PR. Heleola-
pathum, eine Mittelform zwischen R. domesticus und R. Hip-
polapathum, hinzu). Diese wurden in Wahlenb. Fl. suec.
auf 2 reducirt, und da der Verf. dieses damals nicht mehr als
3 wirkliche Arten gesehen, so wurden auch in der Monographie
dieser Gattung in Nov. Fl. suec. nicht mehr als 3 angenommen.
— Als wir aus obengenannten Gründen den R. acutus -Whlnb.
Einige Worte über Rumex acutus und RB. ayuaticus L. 381
[R. Hydrolap.] für den wahren Pr. aquaticus annehmen zu müs-
sen glaubten, nahmen wir für den R. aguaticus Whlnb. seine
Benennung bei den Alten, Hippolapathum, wieder auf. Hier
im mittlern Schweden haben wir gefunden, dass dieser R. Hip-
polapathum in zwei Arten getheilt werden kann, näml. Hippo-
lapathum der ältern Botaniker, zu welchem die Hauptart 1. c.
[ed. 2. p. 105 sq.] nach Synon. und Defin. gehört, und R. do-
mesticus Hartm.; die beiden das. p. 106. besonders darunter
angemerkten Formen [«. et ß.] aber gehören zum letzteren: ß ist
nämlich der in Schweden am Wasser gewöhnliche R. domesti-
cus, welchen Linne und Wahlenberg zum R. aguaticus e.
gerechnet. So war es dort ganz richtig sie zusammenzustel-
len*). Auch mit R. crispus wurde R. domesticus lange ver-
wechselt, und Areschoug hat ferner davon einen R. pro-
pinquus abgetrennt, welcher den Uebergang zu den Oxylapa-
iha bildet. Diese Arten gehören den südlichen und westlichen
Provinzen an, wo R. obtusifolius ohne Vergleich das häufigste
aller Lapatha ist. Von diesen hat Linne wahrscheinlich nur
diesen und R. maritimus gesehen, denn. R. acutus wurde wohl
im upsaler Garten unterschieden. Die übrigen Arten sind so-
wohl selten als auch wenig in die Augen fallend. Retzius
fügte erst J&. Nemolapathum. als schwedisch hinzu; endlich der
Verf. dieses R. palustris verus, Ft. conglomeratus und R. cri-
status (aculus).
[Späteres von Prof. Fries über Rumices, aus Bot. Not.
1842, S. 23.:] — Rumerx divaricatus L. soll nach jetziger all-
gemeiner Annahme eine Form des PR. pulcher gewesen sein,
*) Der A. Hippolapathum der Novit. Fl. suec. ist völlig synouym
mit A. aguaticus Wahlenberg’s, welcher, nach Ausweis sowohl
lappländischer Exemplare, als auch zahlreicher lebender mir
bestimmter, den A. domesticus aquaticus für den ächten A. agua-
ticus hält und davon nicht unterscheidet, was ich später in der
Fl. scan. und im Herb. norm. im engeren Sinne A. Hippolapa-
thum genannt habe. Wenn R. Hippolapathum Nov. Fl. suec.
eilirt wird, muss die Hauptart mit allen ihren Synonymen unter
dem Namen A. Hippolapathum oder A. Friesii Aresch. angeführt
werden, den ich auch in zahlreichen Exemplaren vor Augen hatte,
aber nicht gegen Prof. Wahlenberg’s bestimmte Aeusserung zu
sondern wagte; — dagegen sind die beiden speciell nach leben-
den Exemplaren angemerkten Abarten domesticus und aquaticus
[ worunter zugleich der A. aguat. der Deutschen! citirt ist] unter
A, domesticus zu citiren.
382 Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L.
obgleich die Beschreibung nicht recht darauf passt und Linne
ihn nicht damit, sondern mit R. acutus (cristatus Wallr.) und
obtusifolius vergleicht. Der Grund zu jener Annahme ist Lin-
ne’s Synonym: dieses fällt aber ganz weg, wenn man bedenkt,
dass Linne selbst es in Mant. ll. ausgeschlossen und zu R. pulcher
gezogen hat, was schon beweiset, dass dieser nicht gemeint
sein konnte. Da Linne seinen R. obtusifolius von Äkerö be-
schrieb und dort nur R. silvestris Wallr. vorkommt, welcher
unzweifelhaft Linne’s ER. obtusifolius ist, so wird Linne’s R.
divaricatus Wallroth’s R. obtusifolius! Man vergleiche die Be-
schreibungen Beider, um sich zu überzeugen, wie gut Linne’s
Worte auf Wallroth’s Art passen, zumal da Linne jenen zu-
nächst neben seinen R. obtusifolius stellt. Dieser R. divarica-
tus ist bis jetzt im alten Linneischen Garten vorhanden geblie-
ben, und ist gewiss so gut unterschieden, wie die meisten der
Lapatha.
SV.
Bestimmung der Divergenz von Blättern und Knospen.
Von
Gustaf Silfverstrahle [Hof-Ger.-R.]*).
Uebersetzt von ©. T. Beilschmied.
Buange bemüht, die geometrischen Verhältnisse von Pflanzen-
theilen zu bestimmen, glaubte der Verf. zur Berechnung der
Lage der Blätter und Knospen auf der Oberfläche der Pflanzen
darin eine Grundlage gefunden zu haben, dass dieselben auf
manchen walzenförmigen Theilen, z. B. Zapfen, Kätzchen und
*) Kongl. Vetenskaps- Acad. Handlingar för är 1838. 3. 202— 212. —
Auch in besondern Abdrücken: Stockholm, 1839. 11 S.8 —
[Vgl. damit nun A. Braun’s neueste Aeusserung in Betreff rechter
Betrachiungsweise der. Blattstellung in v. Leonh. u. Braun’s N,
Jahrb. £. Mineral. etc. 1842, IV. 418—425., in Bezug auf e, Abh.
C. Fr. Naumann’s; s. a.: Bot, Jahresb. üb. 1838, S. 523.]
Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 383
Nadelholztrieben in ordentlichen um den Cylinder gewundenen
Linien, deren drei parallel nach der einen und fünf nach der
andern Richtung ‚liefen, gestellt erschienen. , Unter der An-
nahme, dass der Ahstand zwischen diesen spiralförmigen Linien
nach der einen oder der andern Richtung gleich wäre, wurde
als Grundlage der Berechnung aufgestellt: dass, wenn die drei
Spirallinien die fünf (was, ohne Veränderung der horizontalen
Lage der Blattpunkte, nur vom Ausziehen des Gewächseylin-
ders abhängt) auf der Oberfläche dieses Cylinders winkelrecht
schneiden, dort ein rechtwinkliges Dreieck entsteht, worin die
Peripherie des Pflanzeneylinders die Hypotenuse ist, und von
den den rechten Winkel umfassenden Seiten die eine 3 und die
andre 5 Spiralenabstände ausmacht, die Peripherie also gleich
ist der Quadratwurzel aus 34 solchen Abständen, woraus wei-
ter folgte, dass der 3öste Blattpunkt senkrecht über dem ersten
sitzen würde. Nachdem der Verf. auf dieser Grundlage die
Verhältnisse zwischen nicht nur der 3fachen und 5fachen Spi-
rale, als auch weiter sowohl der 2fachen und beiden einfachen
Spiralen, als auch der Sfachen, 13fachen und 2lfachen berech-
net hatte, versuchte er, einige Pfilanzentheile diesen Berechnun-
gen gemäss zu construiren, und fand die Berechnungen so ge-
naue Erklärungen: von, sonst‘ ganz unregelmässig scheinenden,
Pflanzentheilen gewährend, dass z. B. ein Tannzapfen, nach
jenen Berechnungen construirt, nicht allein die beim ersten Be-
trachten leichtfasslichern Formen der Seitenschuppen aufwies,
sondern auch die mehr verdeckten Verhältnisse zwischen den
in der Spitze des Zapfens zusammengedrückten Schuppen.
Als der Verf. darauf im letzten Frühjahre von Dr. Alex.
Braun’s „Vergleichender Untersuchung über die Ordnung der
Schuppen an den Tannenzapfen, als Einleitung zur Untersuchung
der Blattstellung“ [N. Acta Ac. C. L.-C. Nat. Cur. XV. 1.
195 —402., t. XIX —L.] Kenntniss nehmen konnte, sah er
wohl, dass Dr. Braun’s Angaben von seinen (des Vfs.) Berech-
nungen insofern abweichen, als Dr. Braun die 2lste Schuppe
als lothrecht über der ersten stehend angenommen hatte, wäh-
rend er selbst durch obige Berechnung dazu gelangt war, dass
es die 3öste Schuppe wäre, die senkrecht über der ersten sässe;
da jedoch nicht allein, nach demselben obigen Berechnen, der
2lste Blattpunkt der senkrechten Linie so nahe trifit, dass
leicht eine Irrung beim Beobachten hatte stattfinden können,
ausserdem auch Braun selbst erwähnt, wie er auch Zapfen
gefunden, wo theils die l4te, theils die 3öste Schuppe lothrecht
über der ersten gesessen, so konnte der Vf. nicht anders als
26
384 Bestimmung der Divergen: von Blättern u. Knospen.
seine Berechnungen für durch die Beobachtungen Dr. Braun’s
bestätigt halten, so wie, dass diese Berechnungen demnach
nicht allein bei den wenigen Pflanzen, die er untersucht, An-
wendung fänden, sondern auch bei der grossen Anzahl von so-
wohl Dicotyledonen und Monoeotyledonen als auch Acotyledo-
nen, auf welche Dr. Braun seine Forschungen ausgedehnt.
Als der Verf., mit dadurch vermehrtem Eifer, seine Berechnun-
gen nun weiter erstreckte, entstanden bei ihm, zuerst hei dem:
Construiren der Blume einer Paeonia, dann der eines Chrysan-
ihemum, Zweifel an der Richtigkeit der Grundlage, worauf diese
Berechnungen fussten. Die Staubfäden der ersteren und die
Blümchen des letztern müssten nämlich, sobald das 3öste loth-
recht über dem ersten stände, in 34 Reihen stehen; aber auch
diese 34 Linien krümmten sich: die Abweichung des 3östen Blatt-
punktes von der senkrechten Linie wurde merklicher, je mehr
sie vervielfacht wurde, beim 69sten, 103ten u. s. w., und die
Linien von 55 andern noch weniger gebogenen geschnitten wur-
den. So wurde der Verf. veranlasst, die Richtigkeit der Grund-
lage selbst von seinen Berechnungen zu bezweifeln (nämlich
dass der Abstand zwischen :den drei parallel laufenden Spiralen
dem Abstand zwischen den anderseitigen fünf gleich wäre), ob-
schon der Fehler zu gering ausfiele, um durch Anschauung eher
wahrgenommen zu werden als in den Fällen, wo man mehrere
Hundert Blattpunkte auf einmal überblicken kann wie in obigen
zwei Fällen.
Unter erneuetem bemühen, eine zuverlässige Grundlage
für die Berechnungen zu finden, bemerkte der Verf. erstlich:
dass der 22ste Blattpunkt, welcher nach A. Braun’s Beobach-
tungen auf die gegen den I1sten Blattpunkt lothrecht gefällte
Linie treffen, nach des Verfs. Rechnung aber etwas davon ab-
weichen sollte, wirklich letzteres that, wobei indess eine Ab-
weichung, zwar kleiner und nach der entgegengesetzten Rich-
tung, auch bei dem 3östen Blattpunkte stattfand; und ferner:
dass der 56ste und der 90ste Blattpunkt sich, ersterer, zwischen
dem 22sten und der senkrechten Linie und, der letztere, zwi-
schen dem 3östen und derselben Linie befanden, so dass die
senkrechte Linie von diesen beiden Blattpunkten noch näher
begränzt wurde; und so kam er endlich zu dem en
welches diese kleine Abhandlung darlegt.
Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 385
Die Punkte an der Oberfläche der Pflanzen, aus welchem
Blätter und Knospen hervorkommen, stehen (der Regel gemäss)
in Ordnung, wenn gleich die Mannigfaltigkeit der Form der
Gewächse es mit sich bringt, dass diese Orduung nicht immer
leicht überschaut und aufgefasst werden kann.
Die allgemeinste Form der Gewächse lässt sich auf den
Kegel beziehen, von dessen einem Extreme, der unendlich aus-
gezogenen Axe (dem Cylinder) an, bis zum andern, der Ein-
drückung der Axe auf Null (wo die Spitze des Kegels mit dem
Mittelpunkte in seiner Basis zusammenfällt und der Kegel also
in eine runde Ebene übergegangen ist). Die Spitze des Kegels
ist hier der obere Theil der Pflanze, seine Basis ihr unterer
(der. Wurzel zugekehrter) Theil. |
Die Ordnung. der Blattpunkte ist am leichtesten bei den
Pflanzen aufzufassen, die sich der Cylinderform nähern, und
diese Ordnung wird anschaulicher, wenn die Blattpunkte durch
Linien verbunden werden.
Behält eine Linie, die zwei Blattpunkte verbindet, densel-
ben Abstand von der Wurzel (Höhe), so sind die Blätter, wel-
che aus diesen Punkten im Quirle entspringen (folia verticil-
latim posita), zwei, drei, vier u. m. Blätter auf gleicher Höhe
(folia in verticillo bina, terna, quaterna, &c.).
Blattpunkte, die sich senkrecht über einander befinden,
stehen in Zeilen, und die Linie, die mehrere senkrecht über
einander stehende Blattpunkte verbindet, heisst Zeile.
Blattpunkte, die weder in Quirle noch in Zeilen (weder auf
gleiche Höhe, noch gleiche Breite) treffen, stehen in schräger
Windung (fol. alterna). Ihr Abstand (die gerade Linie, die
sie verbindet,) ist die Hypotenuse ihres horizontalen und ver-
ticalen Unterschiedes.
Der horizontale Unterschied (die Divdkna) der Blattpunkte
wird gemessen durch den Winkel an der Axe des Kegels, und
dieser Winkel ist unveränderlich sowohl bei Ausziehung und
Eindrückung (verticalen Veränderungen) der Pflanze, als auch
bei Zunahme ihrer Dicke (horizontaler Veränderung).
Der verticale Unterschied (die Distanz) hingegen ist allen
Modificationen unterworfen, die durch Ausziehen oder Nieder-
drücken entstehen können, und wird nur durch sein Verhältniss
zum horizontalen Unterschiede gemessen.
Linien, die solche Blattpunkte verbinden, die weder auf
gleicher Höhe noch auf gleicher Breite sitzen, laufen gewunden
(in Spirale) auf der Oberfläche des Kegels von unten nach
oben, entweder rechts oder links.
26 *
386 Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen.
Rechts [im ältern Linn. Sinne] läuft eime Spirale, die
sich von Ost durch Nord nach Westen, der Sonne entgegen,
erhebt; links: die von Osten durch Süd nach West, mit über
Sonne, geht.
Die rechts- und die links - laufenden Spiralen ee
einander in Blattpunkten und bilden zwischen sich‘ Parallelo-
gramme, die, wenn die Spiralen einander rechtwinklig schnei-
. den, Rechtecke sind, welche Reehtecke aber, wenn der Cylin-
der, worauf jene Spiralen sich winkelrecht schneiden, ausgezo-
gen oder zusammengedrückt wird, zu Rhomboiden werden: mit
spitzen Winkeln oben und unten und stumpfen zur Seite bei
Ausziehung des Cylinders, und umgekehrt mit stumpfen: W.
oben und unten &e., wenn er eingedrückt wird.
Wird das Ausziehen oder Eindrücken des Cylinders Berka,
setzt, so werden die Blattpunkte, die einander nah gewesen,
in verticaler Richtung (obschon denselben horizontalen Unter-
schied stets behaltend) so von einander entfernt, dass sie.sich
nicht weiter leicht dureh Linien verbinden lassen, dagegen zu
andern Blattpunkten in solche Stellung kommen, dass, wenn sie
mit diesen durch Linien verknüpft werden, daraus neue Spira-
len entstehen, die bei einem gewissen Grade von Ausziehung
oder Niederdrückung des Üylinders einander winkelrecht schneiden.
' Bei der grössten Ausziehung des Cylinders, wo die Blatt-
punkte die grösste verticale Distanz haben (z. B. bei Jahres-
trieben von Bäumen), werden die Blattpunkte am leichtesten
so verbunden, dass daraus eine einzelne Spirale nach rechts
entsteht, welche eine andere einzelne Spirale nach der Linken
schneidet: von diesen Spiralen läuft aber doch die eine dichter
als die andere, so dass bei dem Grade der Ausziehung, wo sie
einander rechtwinklig schneiden, die dadurch entstehenden Pa-
rallelogramme nicht Quadrate, sondern nur Rechtecke sind.
Wenn ein Pflanzencylinder mehr zusammengedrückt vor-
kommt, so gerathen die Blattpunkte in die Stellung gegen ein-
ander, dass sie mit grösserer Leichtigkeit sich so verbinden
lassen, dass aus den Nerbindimprliiien zwei parallele Spiralen
nach der Richtung entstehen, wo bei dem stärkern Ausziehen
die dichter laufende Spirale ging, welche zwei Spiralen von der
in entgegengesetzter Richtung verlaufenden ‚einzelnen Spirale
geschnitten werden. Wenn diese Spiralen einander winkelrecht‘
schneiden, so entstehen wohl auch Rechtecke, aber der Ünter-
schied zwischen Länge und Breite dieser Rechtecke ist kleiner,
als bei den Rechtecken, die zwischen den einzeln laufenden
Spiralen entstehen.
=
Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 387
Wird der Cylinder noch weiter zusammengedrückt, so ent-
stehen dabei, auf einerlei Weise, zuerst drei Spiralen anstatt
der beim zuletzt - besprochenen Ausziehungsgrade einzeln laufen-
den Spirale, und diese drei schneiden die zwei Spiralen; dann
fünf Spiralen statt der zwei, und diese fünf schneiden dann die
‚drei; alsdann acht Spiralen statt jener drei, und diese acht
schneiden die fünf, u. s. f. Je mehr der Cylinder eingedrückt
wird, desto mehr erhalten die Rechtecke, die beim winkelrech-
' ten Schneiden der dann entstehenden Spiralen gebildet werden,
Gleichheit in Länge und Breite (gehen zum Quadrat über), und
wird also der Abstand zwischen den successiv entstehenden
Spiralen immer mehr gleich.
Wenn man, um zu ermitteln: ob von diesen so geordneten
Blattpunkten sich einer senkrecht über dem andern
befinde, Pilanzen betrachtet, so findet man, dass z. B. der
Ote mehr lothrecht über den I1sten zu stehen kommt, als einer
der frühern; dass der l4te noch senkrechter über dem ersten
befindlich und dass der 22ste beinahe ganz senkrecht darüber
steht: Geht man in der Untersuchung weiter, so ergiebt sich
gleichwohl, dass der 3öste, der 56ste, der 90ste Punkt u.s.w.
der senkrechten Linie noch näher treffen.
Bleibt man dabei stehen, dass man annimmt, der 3öste
Blattpunkt stehe senkrecht über dem ersten*), so wird die
Folge davon, dass die Divergenz zwischen dem ersten und dem
zweiten Blattpunkte 35 nach der einen Richtung und 34 nach
der andern wäre. Diese Zahlen geben auch so nahe das wirk-
liche Verhältniss, dass man durch Messung nicht eher einen
Fehler dabei entdecken kann, als bis man ein Gewächs mit
mehr als hundert Blattpunkten zu überschauen bekommt: dann
aber wird man wohl des Irrthums gewahr: denn stände wirklich
der 35ste Blattpunkt lothrecht über dem ersten, so würden (die
Anzahl ihrer Zwischenräume, Interstitien, ist 34) aus 340
*) Die 35ste Knospe trifft dahin, wo eine von der ersten Knospe aus-
gehende, durch alle übrigen Knospen laufende, Spirale nach einer
Seite eine solche nach der andern Richtung laufende Spirale schnei-
det: von diesen Spiralen hat dann die eine 13, die andere 21 Um-
‚ läufe um den Pflanzencylinder gemacht. — So trifft die 90ste
Knospe, wo solche Spiralen nach 34 Windungen nach einer —
und 55 nach der andern Seite einander schneiden, u. s. w.
Wenn die Peripherie = p
die Anzahl der Windungen —= w
die Anzahl der Zwischenräume der Knospen —= k
wp
k
so ist ein solcher Zwischenraum —
388 Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen.
Blattpunkten 34 Zeilen mit 10 Punkten in jeder Zeile entstehen
und also am andern Ende des Kegels (der runden Fläche) diese
340 Blattpunkte in 34 Radien mit 10 Blattpunkten in jedem
stehen; nun findet man aber auch diese 34 Radien (m.‘s. die
Staubfäden eines Polyandristen, die Blümchen eines Syngene-
sisten) sich spiralig windend. Selbst der 90ste Blattpunkt steht
nicht vollkommen lothrecht über dem Isten, denn auch die 89
Radien in einer Sonnenrose winden sich, und Gleiches ergiebt
sich der Beobachtung, soweit Gelegenheit und Vermögen solche
zulässt. Es stellt sich also mehr als wahrscheinlich dar, dass
ein Blattpunkt nicht vollkommen lothrecht über einem andern
stehe und demnach die Divergenz zwischen zwei Blattpunkten
nicht durch eine rationelle Zahl ausdrückbar ist.
Bei obiger Annahme, als stände der 3öste Blattpunkt senk-
recht über dem ersten, enstand zwischen dem ersten und zwei-
ten Blattpunkte nach der einen Seite eine Divergenz von 35,
nach der andern eine von 2!.
Würde dagegen angenommen, der 90ste Blattpunkt stände
senkrecht über dem ersten, so fiele die Divergenz als 3% und $2
aus; bei Annahme des 234sten als lothrecht würde die Diver-
genz 25, und 123,
Die Divergenz wird durch diese Zahlen beinahe die nämliche
(denn 32 =0,382352941 = 137°38’49” ,; 32 —0,38202247=137°31’41”
und 35 — 0,38197424=137°30'38”); scheint aber doch durch
Fortsetzung dieses Rechnens immer mehr Bestimmtheit zu ge-
winnen. i
Ol man gleich bald zu solcher Genauigkeit gelangt, dass
sie nicht weiter durch Beobachtung weder bestätigt noch wider-
legt werden kann, so ergiebt sich doch, dass diese Rechnung
in’s Unendliche fortzusetzen nöthig wäre, wenn die Divergenz
auf diesem Wege vollkommen richtig bestimmt werden sollte,
und dass sie auch mit folgenden Zahlen nicht völlig recht aus-
gedrückt ist:
83621143489848422977
218922995834555169026
135301852344706746049
218922995834555169026
Da nun diese Divergenz, in sofern ein Blattpunkt nie loth-
recht über einen andern zu stehen kommen kann, durch eine
irrationelle Zahl ausgedrückt werden muss, so ist, bei Betrach-
tung der Folge von Zahlen, womit diese Divergenz auf obigem
Wege bestimmt, ausgedrückt wird, leicht einzusehen, dass diese
Zahlen in steter Progression, je weiter die Rechnung fortgesetzt
und
Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 389
wird, sich den Zahlen @ und a? (Peripherie=a° und a+a?—a®°)
nähern, so wie, dass, wenn man diese Zahlen nur für den völ-
lig correcten Ausdruck der Divergenz nimmt, die Divergenz der
der senkrechten Linie sich am meisten nähernden Blattpunkte
oder des 3ten, Aten, 6ten, I9ten, 1lAten, 22ten, 3östen u. f. fol-
gende wird: a’, a*, a’, a’, a’, a°,-a’, u. 8. w.
Auf diesen Grund wird angenommen, dass die Divergenz
zwischen zwei unmittelbar auf einander folgenden Blattpunk-
‚ten: sei |
er (- " >) —_.0,618033988749894848204586834365638117720
_ a*—0,381966011250105151795413165634361882279
oder a—=229°29'32” ;
| a? = 137°30'28".
Zur nähern Erläuterung hiervon werden folgende zwei Ta-
bellen beigefügt.
Interstitien. Divergenz.
0
1 = 137° 30' 28"
27279 56
= 52 31 24
4 = 190° 152
5 = 327 32 20
6 = 105 248
7 = 2M2 33 16
204
9= 157 3412
10 = 2% 440
11:7 72935 7
12 = 210 535
13 = 347 36 3
390 Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen.
„Ordnungszahl
der Interstitien. Divergenz.
0, a = 360°
1, a: = 222 29! 32%
1, a? im 137 30 28
2, ah =. —: 84 5% 4
3, ae 52 31 24
5, —0’ = — 32 2740
8, ad. 20 344
13, —ua'" =— 1223 57
91, a 7 39 47
34, — a’ = — 4410
55, Be 2 55 37
89, —al = 14 3
144, a. — 1.7.8
233, — a’ = — 41 28
377, at 25 37
610, — u!’ = — 15 50
087, FE 9.47
1597, —u!T = — 6 3
2584, — 344
4181, — u!’ = — 2 19
6765, ad. 1 26
10946, — a1 — 53
17731; NR ac 33
28657, — a’ = — 20
46368, I Om 13
75025, al 7 8
121393, | a8; — 5
196418, —u:!!7 = — 3
317811, al — 2
514229, —(19:— bi;;
xV,
Ueber pompejanische Pflanzen.
Von dem
Professor Schouw.
Aus dem Dänischen übersetzt von Hornschuch?*).
Wor ungefähr 18 Jahrhunderten kannte man den Vesuv noch
nicht als einen wirksamen Vulkan; sein Fuss und seine Abhänge
boten eine grosse Fruchtbarkeit dar, sein Gipfel war ziemlich
flach, jedoch zeigte sich die Wirkung des Feuers in der Berg-
masse und man ‚vermuthete, es sei ein Vulkan dessen Thätig-
keit aufgehört habe, gleich wie man nun solche Schlüsse über
die. ausgebrannten Vulkane in Auvergne, am Rhein, oder im
Albanergebirge und mehreren Orten in Italien macht.
Im Jahre 63 nach Christi Geburt, unter Nero’s Regierung,
erschütterte ein sehr starkes Erdbeben die Umgebungen. des
Vesuvs; ein Theil von Pompeji wurde zerstört, Herculanum litt
viel, Neapel. und die entfernter liegenden Städte weniger. Aber
diess war nur ein Vorläufer einer weit gewaltsameren Natur-
Umwälzung.
Als im Jahre 79 nach Christi Geburt unter Titus’s Regie-
rung, der Naturforscher Plinius, als Anführer der römischen
Flotte, bei: dem Misenischen Vorgebirg, westlich vor Neapel,
lag, machte seine Schwester, des jüngeren Plinius’s Mutter,
eines Abends ihn auf eine Wolke von ungewöhnlicher Grösse
d. Aussehen aufmerksam, die ‚sich wie eine Säule lothrecht
in die Luft erhob und sich nach oben zu in eine Krone ausbrei-
*) 8 ‚Förhandlingar vil de skandinaviske ee tredje
Möte, i Stockholm d. 13.—19. Jul. 1842. $toekholm. Bil. G.
Om de pompejanske Planter. Af Professor Schouw p.104—112.
392 Ueber pompejanische Pflanzen.
tete, wodurch sie Aehnlichkeit mit einem Pinienbaum erhielt.
Plinius liess sogleich ein schnellsegelndes Schiff zubereiten
und steuerte damit gegen den Vesuv, von wo, wie sich bald
zeigte, diese Wolke oder richtiger Rauch ihren Ursprung hatte.
Der dichte Aschenregen, Bimstein und die ausgeworfenen Stein-
blöcke zeigten sich bereits und setzten die ganze Umgegend in
Schrecken. Unerschrocken ging der Naturforscher der Gefahr
entgegen. ‚Das Glück steht den Muthigen bei,“ war die Auf-
munterung an seine Mannschaft. Bei Stabiae übernachtete er
in einer Villa und schlief so sorglos, dass man ausserhalb der-
selben seinen Athemzug hörte; er schlief bis man ihn am Mor-
gen weckte um nicht in das Haus eingeschlossen zu werden,
denn die gefallne Asche hatte bereits beinahe die Thüre ge-
sperrt. Er begab sich mit Anbruch des Tages, wo es jedoch
in Folge des Aschenregens so dunkel war, als in der Nacht,
heraus ins Freie um die Phänomene zu beobachten und aufzu-
zeichnen. Die Flammen und der Schwefeldampf, welche die
Anderen verjagten, erweckten ihn; aber als er sich von seinem
Lager erhob und sich auf seine zwei Sclaven Se fiel er
todt um, wahrscheinlich erstickt.
Es war bei diesem gewaltsamen Ausbruche des Vesuv’s
— dem ersten, den die Geschichte kennt — dass die Städte
Pompeji, Herculanum und Stabiae untergingen, Pompeji und
Stabiae durch Aschenregen, Herculanum durch einen Lavastrom.
Die Städte lagen 16— 1700 Jahre also begraben, man wusste
nicht einmal genau ihre Lage, bis der Zufall am Schlusse des
I7ten und im Beginn des 1Sten Jahrhunderts zu deren Wieder-
auffindung führte. Nun liegen sie, und besonders Pompeji,
zum grossen Theil offen, indem die Asche fortgeschafft ist; man
wandert in Pompeji s Gassen, Plätzen, Theater ‚ Tempeln und
Privatgebäuden, wie in einer Stadt der Gegenwart, man lernt
die Haupteinrichtung der Alten, ihre Meubeln, Küchengeräthe,
Damenputz, Handwerksgeräthe und ihre zum Theil ausgezeich-
neten Kunstgegenstände kennen, und man erhält hier, besser,
als irgend anderswo, ein anschauliches Bild von dem öffentli-
chen nd Privatleben des Alterthums. |
Auch die Kenntniss der den Pompejanern Baht Pflan-
zen dürfte vielleicht einiges Interesse haben; und hiezu bieten)
sich. besonders zwei Hauptquellen dar, theils nemlich die in
Pompeji und den zwei andern untergegangenen Städten gefun-
denen Malereien und andern Darstellungen von Pflanzen, theils
Ueberreste von Pflanzen selbst. In Hinsicht auf das erste
Hülfsmittel muss einige Vorsicht angewendet werden. .Natürli-
Ueber pompejanische Pflanzen. 393
cherweise sind manche Pflanzendarstellungen so wenig kennt-
lich, dass sie nicht können bestimmt werden, wie solches ja
auch heutigen Tages der Fall sein würde. Wenn demnächst
die Pflanze kenntlich ist, so ist es noch nicht ausgemacht, dass
sie im Alterthum bei Pompeji gefunden worden, denn oft wird
die Vegetation fremder Länder dargestellt. So findet man häu-
fig die Nilnatur dargestellt: morastige Gegenden mit Lotus und
der ägyptischen Bohne ( Nelumbium), dem Flusspferde, Kroko-
dille, Ichneumon, Enten und am Ufer des Wassers die Dattel-
palme, z. B. in dem Fussstück zu der berühmten grossen Mo-
saik, von welcher man glaubt, dass sie Alexander und Darius
darstelle. Zuweilen sind auch die Darstellungen Phantasie-
Zeichnungen, z. B. ein Lorbeerbaum, der aus einer Dattelpalme
hervorwächst, ja als Wurzelschuss von ihr hervorkömmt —
eine physiologische Unmöglichkeit; vielleicht deutet diess, wie
Tenore meint, auf den wunderlichen Gebrauch, den die Alten
hatten, hin, die verschiedenen Gewächse so dicht an einander
zu pflanzen, dass sie das Aussehen erhielten, als gehörten sie
zusammen.
Zu den Bäumen, welche jetzt besonders dazu beitragen der
Landschaft in Italien Character zu geben, gehören Pinien und
Cypressen. Beide fanden sich bei den Alten, davon zeugen die
Schriftsteller und davon liefern auch die Abbildungen in Pom-
peji den Beweis, denn Pinienzapfen finden sich mehrere Male
dargestellt; eben so hat man verkohlte Pinienkerne in Hercu-
lanum gefunden. Cypressen findet man sehr häufig in den Land-
schaften dargestellt, sie zieren die Wände in den Zimmern der
Pompejaner, zuweilen im Verein mit Pinien. Ein dritter für
die Länder des Mittelmeers bezeichnender Baum, die aleppische
Föhre, findet sich auch in Pompeji abgebildet.
Der Oleander (Nerium On welcher jetzt die F luss-
ufer ziert, der Epheu (Hedera Helix), welcher die Mauern und
Baumstämme bedeckt, sind beide in Pompeji dargestellt.
Dagegen sind es zwei Gewächse, welche jetzt eine bedeu-
tende Rolle in den Landschaften spielen, aber in dem Alter-
thum nicht in Italien wuchsen. Die sogenannte Aloe (richtiger
Agave), die durch ihre grossen, fleischigen Blätter und ihren
‘hohen candelaberartigen Blumenstengel sich so beliebt in den
Landschaften gemacht hat und rings um das Mittelmeer vor-
kömmt, sowohl angehaut, als verwildert ‚‚stammt aus Amerika
und konnte also nicht den Pompejanern bekannt sein. Die indische
Feige (Opuntia vulgaris) aus der Gruppe der Cacteen, Auffal-
lend durch ihr besonderes Aussehen, nemlich ihre flachgedrück-
394 Ueber pompejanische Pflanzen.
ten, blattartigen Zweige, eine Pflanze, die nun in’ den Mittel-
meers-Küsten ebenso allgemein ist, wie die Aloe und gleicher-
weise verwildert, ist auch von Amerika gekommen. Es findet
sich in Pompeji eben so wenig eine Spur von einer Darstellung
dieser so eigenthümlichen Pflanzenform, als von der Aloe.
Ob von der Dattelpalme im Alterthum, wie jetzt, einzelne
Bäume ohne reife Früchte sich fanden, ist zweifelhaft. Sie
findet sich zwar häufig in Pompeji dargestellt, aber im Allge-
meinen in Verbindung mit ägyptischen Gegenständen, oder in
symbolischer Bedeutung. Die Zwergpalme dagegen hat ohne
Zweifel dieselbe Rolle wie jetzt gespielt, denn Theophrast
berichtet, dass sie sehr allgemein in Sicilien war; dasselbe ist
nun der Fall, während sie nur sparsam in der Bucht von Nea-
pel hervortritt. |
Wenden wir den Blick auf die angebauten Gewachee, dann
machen die meisten Reisenden die erste Bekanntschaft mit der
Baumwollenkultur wenn sie Pompeji besuchen. Dicht bei
dessen Ruinen finden wir Baumwollenäcker, und hier ist die
Nordgrenze der Baumwolle in Italien. Von dieser wichtigen
Bekleidungspflanze finden wir keine Spur in den Denkmalen des
Alterthums. Aus anderen Quellen wissen wir, dass sie dem
Alterthum nur als eine indische und nach den späteren Schrift-
stellern zugleich als eine ägyptische Pflanze bekannt war, und
dass es erst die Araber waren, welche sie in den Ländern des
Mittelmeeres verbreiteten.
Ein anderes Gewächs, das mittelbar, nemlich als Futter
für die Seidenraupen, nun eine wichtige Kleidungspflanze in Ita-
lien ist, ist der weisse Maulbeerbaum.. Auch dieser war
den Pompejanern unbekannt. In der Zeit sah man die Seide
als einen ausländischen Luxusartikel. Erst in dem sechsten
Jahrhundert kam die Seide - und Maulbeer -Kultur nach Europa.
Unter den Getreidearten war bei den alten Römern der
Weizen die durchaus herrschende, auch die Gerste war allge-
mein; dagegen fehlten die mehr nordischen Getreidearten: Ha-
fer und Roggen. Verkohlte Weizen- und Gerstenkörner sind
in Pompeji gefunden. Eine schöne Abbildung von einer Wach-
tel die ein Gerstenkorn abpflückt und von einer Aehre finden
sich auf einer Wand. Ein Seitenstück dazu stellt eine Wachtel
dar die in einer Hirseähre (Panicum italicum) klaubt, welche
also damals hier auch bekannt war. |
Dagegen vermissen wir Abbildungen von der durch zB
Form so kenntlichen Getreideart Mais, aber wir wissen auch,
Ueber pompejanische Pflanzen. 395
dass sie aus Amerika stammt. Jetzt ist deren Anbau in der
Umgegend von Pompeji ausgebreitet.
- Auch der Reis fehlte im Alterthum; er war damals auf
Ostindien beschränkt. Er wird auch nicht bei Pompeji, aber
wohl anderwärts in Italien angebaut. Ob Durra (Sorghum )
den Alten bekannt war oder erst von den Arabern nach Europa
gebracht wurde ist zweifelhaft; die pompejanischen Abbildun-
gen geben keinen Aufschluss darüber.
Von Hülsenfrüchten finden wir Pferdebohnen im
verkohlten Zustand, die vollkommen den gegenwärtigen gleichen.
Von Küchen - Gegenstände darstellenden Malereien findet
sich ein Büschel Spargel abgebildet, welches jedoch wahr-
scheinlich der: wilde ist, der jetzt, wie damals, gegessen wird,
wogegen es scheint, dass die Alten den angebauten Spargel
nicht gekannt haben. Auf anderen Abbildungen von Küchen-
Gegenständen kommen Zwiebeln, Rettige, Rüben undeine
Art kleiner Kürbisse ‚vor. Unter den Küchengewächsen
haben die Alten Pomi d’Oro (Lycopersicum esculentum) nicht
gekannt, die von Amerika eingeführt sind.
Der Oelbaum hat zur Zeit der Pompejaner, wie es scheint,
dieselbe wichtige Rolle gespielt wie jetzt; davon zeugen die
Schriftsteller. Oelbaumzweige werden häufig dargestellt, und
in einem ausgegrabenen Glas hat man eingemachte Oliven, den
gegenwärtigen vollkommen gleich, gefunden, welche noch, als
sie ausgegraben wurden, ihren Geschmack hatten.
Die Fruchtarten, welche in gegenwärtiger Zeit am meisten
genossen werden sind Weintrauben und Feigen, das sind
auch diejenigen, welche am häufigsten auf den vielen Frucht-
stücken dargestellt sind, die sich auf den pompejanischen
Wänden finden. Weinranken spielen ausserdem eine wichtige
Rolle, da sie dem Bacchus geheiliget waren und in Verbindung
mif dem Dienst dieser Gottheit, finden wir sie in vielen Dar-
stellungen.
Häufig findet man auch auf Frucht- und Thier- Gemälden:
Birnen, Aepfel, Kirschen, Pflaumen, Pfirschen,
Granatäpfel und Mispeln.
Einige haben gemeint Ananas in Pompeji abgebildet zu
finden, aber da diese für eine amerikanische Frucht angenom-
men wird, würde diess auflallend sein. Aber der Gegenstand,
welchen man für eine Ananas angenommen hat und welcher
in eine Schale gestellt ist, ist, nach Tenore’s unzweifelhaft
richtiger Vermuthung, die Spitze von einer jungen Zwergpalme,
die auch jetzt in Sicilien gespeist wird.
396 Ueber pomnejanische Pflanzen.
Weit wichtiger ist der Mangel der zur Familie der Agrumen
gehörenden Pflanzen: Apfelsinen, Pomeranzen, Citronen
und Cedraten. Es ist ohne Zweifel zureichend aufgeklärt,
dass man zu Plinius Zeit nicht eine von ihnen kultivirte; er
äussert, dass man vergebens versucht habe die medischen
Aepfel (Cedraten) nach Europa zu verpflanzen. Es war nicht
früher , als ungefähr in dem dritten Jahrhundert, dass ihr An-
bau in Italien begann, später kamen die Citronen und Pomeran-
zen nach Europa, wahrscheinlich durch die Araber, zuletzt die
Apfelsinen, die von China stammen und von den Portugiesen
nach Europa gebracht wurden. .
Wir schen also, dass die Pflanzenwelt und besonders die
angebauten Pflanzen seit der Zeit wo Pompeji blühte theilweise
Veränderungen erlitten haben und dass, während die alten Pom-
pejaner in Hinsicht auf viele Lebensgenüsse und namentlich
aber mit Hinsicht auf Kunstgenüsse so viel vor den gegen-
wärtigen voraus hatten, ihnen ein Theil wichtiger Gewächse
mangelte, welche die erweiterte geographische Kenntniss und
der erweiterte Handelsverkehr ihren Nachkommen verschafft hat.
Die wichtigsten unter den neu hinzugekommenen sind der Reis,
Mais, die Baumwolle, die Seide und die Orangen. Italien war
also damals noch nicht |
— das Land wo die Citronen blühn
im dunkeln Laub die Gold- Orangen glühn.
xVvL
Ueber Auer-, Birk- und Pfau-Hennen und weibliche
Enten mit männlichem Gefieder, so wie über Bastarde
von Auer-, Birk- und Schnee - Hühnern *).
Von
Professor Nilsson.
Aus dem Schwedischen übersetzt von Hornschuch.
Gelthenne vom Auerhahn ( Tetrao Urogallus, femina
sterilis”*).
Wer Vogel, von welchem hier ein treues Bild geliefert wird,
dürfte für den Physiologen, wie Jäger und Zoologen gleich
merkwürdig sein. Schon auf den ersten Blick findet man, dass
*)
)
Hr. Isidore Geoffroy Saint- Hilaire hat in mehreren Arti-
keln in verschiedenen Werken über diesen Gegeustand gehandelt,
aus welchen in Froriep’s Notizen a. d. G. d. Nat. u. Heil-
kunde (B. XIV Nr. 9, S. 129—134, — die jedoch irrthümlich mit
113—118 bezeichnet—) und Froriep’s Neuen Not.a.d. G.d. Nat.
u. Heilkunde (B.XX Nr. 3. 5.33—39 u. Nr. 4. S. 49—53.) Auszüge
und Uebersetzungen mitgetheilt worden sind. Aus diesen erhellt, dass
die in Skandinavien in dieser Beziehung beobachteten Fälle dem
V£. unbekannt waren. In Folge hiervon sehe ich mich bei der
Wichtigkeit des Gegenstandes um so mehr veranlasst diese, soweit
sie mir bekannt geworden, hier zusammen zu stellen, als, meines
Wissens, dieselben noch nicht anderweitig in einem ausserskandi-
navischen Werke mitgetheilt worden sind und selbst Gloger (5.
dess. Yollst. Handb. der Naturgesch. d. Vög. Europas m. bes.
Rücks. a. Deutschl. 'Th. 1. S. 516), der doch sonst die skandina-
vischen Quellen sehr gut benützt hat, der Auerhenren mit männ-
lichem Gefieder nur mit folgenden, noch dazu einen Irrthum aus-
drückenden Worten erwähnt: „— Weibchen im sehr hohen
Alter unfruchtbar (Gelthühner) und mit Hahnengefieder.“ —
Anm. d. Ueb.
Illuminerade Figurer till Skandinaviens Fauna med Text utgifne
af S. Nilsson. B. 1. innehallande 25 Plancher med figurer af
Däggdjur och 75 af Foglar. Lund. 1832. kl. fol. T. 21.
398 Gellkienin vom Auerhahn.
er mit der Grösse der Auerhenne eine Farbe vereinigt, welche
der des Auerhahns am meisten gleicht, und dass es beinahe
nur die unteren Körpertheile sind, welche eine bedeutende Un-
gleichheit zeigen. Man dürfte deshalb, ohne nähere Untersu-
chung mehr geneigt sein diesen Vogel für einen jungen Auer-
hahn oder eine eigene, kleinere Auerhahnart oder Bastard an-
zusehen als zu vermuthen was er eigentlich ist — eine sterile
Auerhenne.
Weil Alles was ich über diesen Vogel anführen werde auf
der Gewissheit beruht, die ich besitze, dass er dem Huhnge-
schlecht angehört, dürfte ich mit Anführung der Thatsachen
beginnen müssen, auf welche diese Gewissheit sich gründet.
lch habe eine ganze Suite von diesen Vögeln gesehen und
gesammelt; jedoch sind sie alle im ersten Lebensjahr getödtet
worden. Die jüngsten gleichen etwas mehr den Auerhennen,
die ältesten dagegen gleichen beinahe ganz dem Auerhahn. Den
ersten, welcher zugleich der jüngste und in Wermland während
des Herbstes geschossen ist, erhielt ich 1826 von dem Herrn
Hofjägermeister Falk. Diess ist der einzige, welchen ich nicht
selbst untersucht; aber dass er ein Huhn war, schliesse ich
theils aus dessen Aehnlichkeit mit dem folgenden, und theils
daraus, dass er für eine Henne des Rackelhahns (Tetrao hybri-
dus L. Faun. Sv. p. 72.) angesehen worden war. Das andere
Exemplar wurde im Monat December 1829 von einem Bauer
aus Helsingland gekauft, darin wurde bei der Untersuchung kein
Eierstock, sondern bloss Eierleiter gefunden. Das dritte Exem-
plar, welches hier abgebildet worden, erhielt ich während des
darauf folgenden Januars aus Dalekarlien; auch in diesem
fanden sich Eierleiter, aber der Eierstock war oblitterirt. Das
vierte, welches ich im Monat März erhielt, und welches also
das älteste (indem alle Küchlein vom vorigen Jahre sind), ist
auch dasjenige, welches von allen dem Auerhahn am. meisten
gleicht. In diesem fanden sich Eierleiter und Eierstock; aber
sie waren in krankhaftem Zustande und die Eier hatten ihre
sphärische Form verloren; sie waren eckig und gleichwie zu-
sammengedrückt. Dieser Eierstock mit seinen Eierleitern
gleicht einem andern von einer gewöhnlichen Auerhenne; beide
von Hrn. Prof. Retzius herausgenommen und präparirt, wer-
den im Museum in Stockholm aufbewahrt, wo auch die drei
zuletzt genannten Exemplare aufgestellt gefunden werden.
Es unterliegt also nicht dem geringsten Zweifel, dass die
in Frage Seinen! Vögel Hennen sind.
Auch ist diess nicht etwas Neues, ader ein ungewöhnliches
Gelthenne vom Auerhahn. 399
Phänomen, dass Hennen die Farbe und das Aussehen der
Hähne annehmen. Man hat schon längst beobachtet, dass ge-
wisse Fasanhennen, in einem höheren Alter, nachdem das
Fortpflanzungsvermögen aufgehört, ein Federkleid erhalten, wel-
ches dem der Fasanhähne gleicht. Dasselbe Phänomen hat
man bei einigen Singvögeln beobachtet, aber man glaubte lange,
dass dieser Farbenumtausch niemals früher eintreffe, als wenn
der Vogel so alt geworden, dass er aus Alter das Fortpflan-
zungsvermögen verloren. Hr. Yarrell hat jedoch gezeigt, dass
ein weit vorgeschrittenes Alter nicht eine nothwendige Bedin-
sung für diese Veränderung bei den Fasanhennen ist. Von den
sieben, welche Hr. Yarrell untersuchte, waren zwei noch nicht
jährig; aber bei allen befand sich der Eierstock in einem krank-
haften Zustand und die Theile des Eierleiters, welche dem
Eierstock am nächsten lagen, waren oblitterirt. Die hier in
Frage seienden Auerhennen sind, wie ich schon erwähnt, auch
junge, welches man an ihren Skeletten sehen kann, welche auch
in dem genannten Museum aufbewahrt werden.
Obgleich es also unter den zahmen Hühnervögeln beobach-
tet worden ist, dass Hennen, unter gewissen Umständen, -die
Tracht der Hähne annehmen, so ist diess dennoch, meines
Wissens, niemals bei einer wilden Hühnerart und wenig-
stens niemals bei unserem Auer- oder Birkhuhn bemerkt wor-
den. Diess ist es, weshalb ich es für wichtig halte die Auf-
merksamkeit der Jäger und Zoologen hierauf zu lenken. Auf
meinen Reisen in Norwegen hat man an verschiedenen Orten
davon gesprochen, dass dann und wann eine ungewöhnlich kleine
Auerhahnsorte sich zeige; auch hat man einer ungewöhnlich
kleinen Birkhahnsorte erwähnt, welche man deshalb Halbbirk-
hahn nennt; diese Vögel sind ohne Zweifel nichts Anderes ge-
wesen, als solche Auerhennen und Birkhennen, welche die
Tracht ihrer Hähne angenommen. — In einigen Gegenden von
unserem Norden habe ich die Sage im Gange gefunden, dass
zweierlei Arten von Rackelhähnen gefunden würden, von wel-
chen die eine am meisten dem Birkhahn gliche, und ihn
zum Vater und die Auerhenne zur Mutter hätte; die andere
gliche am meisten dem Auerhahn und man sagte sie sei von
ihm und der Birkhenne erzeust. Dass die erstere mein T'etrao
(hybridus) Urogalloides ist, findet man leicht, und wenn ich
mich nicht irre, entdecken wir die letztern in der in Frage
seienden sterilen Auerhenne.
Die Krankheit im Eierstock, welche der Grund zu dem hier
beschriebenen Phänomen ist, scheint bei unserem Waldvogel
27
400 Gelthenne vom Auerkahn. _
in gewissen Jahren allgemeiner zu sein und dagegen in anderen
Jahren sich gar nicht zu zeigen. Während des Sommers von
1829 ist sie in gewissen Gegenden nicht selten gewesen; aber
alle die norrländischen Vogelhändler, welche die erwähnten
_ Exemplare verkauften, versicherten jeder für sich, dass sie
früher niemals solche Vögel gesehen*).
Nachdem das Phänomen nun erkannt worden, bleiben noch
dessen Ursache und Folgen zu erforschen. Liegt die Ursache
zu dieser Krankheit, wie es scheint, in der eignen Beschaffen-
heit des Jahres? und ist diess der Fall: ist es die Eigen-
thümlichkeit des vorhergehenden Winters und dessen Einfluss
auf die Aeltern, oder ist es die Constitution des Som-
mers und dessen Einfluss auf die Küchlein, welcher diese
Kränklichkeit im Eierstock verursacht? Nach welcher Beschaf-
fenheit der Winter oder nach welcher Beschaffenheit der Som-
mer zeigen sich besonders diese Phänomene? Sind sie jemals
in dem Grade zahlreich, dass der Waldvogel während des fol-
genden Jahres merkbar vermindert erscheint? zeigen sich
nicht auch Gelthähne und wie sehen diese aus? gleichen sie
nicht mehr den Hennen, als den Hähnen? — — Siehe da eine
Menge Fragen, welche noch nicht beantwortet werden können,
welche abermicht ohne Interesse sind und auf welche wir des-
halb wünschen gebildete Jäger aufmerksam zu machen.
Beschreibung: An Grösse gleicht dieser Vogel einer
gewöhnlichen Auerhenne: seine Länge beträgt 2 Fuss 25 Zoll;
die Flügelbreite 3 Fuss; die Flügel vom Gelenk bis zur Spitze
1 Fuss 2 Lin. Der abgerundete Schwanz beinahe 8 Zoll. Es
ist hloss individuell bei dem hier abgebildeten Exemplar, dass
der Schwanz wenig abgerundet ist. Bei den anderen, beson-
ders bei den älteren, ist er viel mehr abgerundet. Der Tarsus
2 Zoll 2 Linien, die Mittelzehe mit der Kralle 2 Zoll 3 Linien.
Der Schnabel gleicht in der Form ganz dem des Auerhahns
und ist, wie er, weiss von Farbe. |
Hals, Hinterrücken, Oberkörper und die kürzeren Schwanz-
deckfedern, so wie die Seiten der Brust aschgrau und schwarz
gewässert; der Kopf vorwärts dunkler, so dass die Stirne, die
Wangen und besonders das Unterkinn und die Kehle rein
”
*) Seitdem hat das Reichsmuseum in Stockholm mehrere Exemplare dieser
Gelthühner erhalten, auch einige an andere Museen abgegeben und
auch das hies. zool. "Museum verdankt demselben ein solches.
Anm. d. Ueb.
Gelthenne vom Auerhahn. 401
schwarz sind. Das untere Augenlied weisslich und vorne über
dem Auge einige weisse Flecken. Auf dem Kropfe ein grosser
schwarzgrüner Fleck mit schönem Metallglanz, welcher nach
ungleichem Lichte in Blau und Violett schillert. Dieser Brust-
schild erstreckt sich an den Seiten bis nahe zur Armhöhle, auf
welcher sich ein reiner weisser Fleck findet. Flügel und Schul-
tern rothbraun und schwarz gewässert und ihre meisten länge-
ren Federn an der Spitze weiss gerandet. Die Schwungfedern
dunkelbraun auf der äusseren Fahne rothbraun gesprenkelt und
‚die der zweiten Ordnung weissgerandet. Der Schwanz schwarz,
am Ende weissgerandet und auf der inneren Hälfte entfernt grau
gesprenkelt; dessen lange Deckfedern schwarz mit grau oder
‘ braun gesprenkelt am Ende weiss gerandet. Die Brust unter
dem Brustschild schwarz mit breiten weissen Federrändern und
weissen Strichen längs den Spulen; Unterleib und Weichen
mehr weiss mit schwarzen Flecken; untere Schwanzdeckfedern
schwarz mit breiten weissen Rändern. Die Keulen weiss. Die
Beine bis zu den Zehen mit dunkel graubraunen Dunenfedern
mit schmutzig weisslichen Rändern.
Aus dieser Beschreibung ersieht man, dass diese Varietät
dem Auerhahn gleicht, ausser darin, dass das Vordertheil des
Kopfes weniger schwarz ist, die unteren Körpertheile mehr
Weiss haben, die Beine lichter sind und der Schwanz kürzer
ist. In allen diesen Puncten gleicht das zuletzt (im März) er-
haltene Exemplar, welches also am meisten entwickelt ist, noch
mehr dem Auerhahn. Alle weisse Flecken um die Augen sind
beinahe verschwunden; die unteren Körpertheile sind weniger
weiss und die schwarzen Flecken haben zugenommen: die Be-
kleidung der Beine ist graubraun, gleich der des Auerhahns,
und der Schwanz ist viel länger, als bei den früheren, stärker
gerundet und nur seine mittelsten Federn sind weiss gerandet.
Dagegen sind die jüngeren Exemplare von Gelthühnern dem
Auerhahn noch ungleicher: der Schnabel ist nach Form und.
Farbe wie bei der gewöhnlichen Auerhenne, nämlich konvex
ohne Rückenkante, mässig gekrümmt und von schwarzer Horn-
farbe: der Kopf ist mehr gesprenkelt, als bei dem vorherge-
henden: die Kehle ist nicht rein schwarz, sondern mehr oder
minder rostgelb gesprenkelt; der Brustschild weniger gross und
"weniger schön, seine Federn innerhalb des schwarzgrünen Ran-
des brauuroth oder mit dieser Farbe gesprenkeit; auf den Schul-
tern eine und die andere schwarze, gelbgesprenkelte Feder und
die langen Schulterfedern mit grösseren weissen Flecken. Der
Schwanz mit Rothbraun gesprenkelt, und die grösseren oberen
27*
402 Gelthenne vom Auerhahn.
Deckfedern rothbraun mit weisser Spitze und undeutlichen gel-
ben und schwärzlichen Querstrichen. Die unteren Körpertheile
haben mehr Weiss und die Seiten sind rostbraun gesprenkelt.
Ein Umstand auf welchen ich besonders die Aufmerksam-
keit des Physiologen zu lenken wünsche, ist die ungleiche Form
welche sich in gewissen Theilen bei der gewöhnlichen Auer-
henne und den älteren Gelthühnern findet. Bei dem ausgewach-
senen Auerhahn ist der Schnabel sehr stark, von dem Nasen-
loche bis zur Spitze 1 Zoll 3 Linien lang, 1 Zoll 3 Linie hoch und I
Zoll breit; oben und an den Seiten sehr convex mit deutlichem
Schnabelrücken, perpendikulär niedergebogener Spitze und wei-
sser Farbe. Bei der gewöhnlichen Auerhenne ist der Schnabel
viel kleiner und schwächer, vom Nasenloch bis zur Spitze 63
Linien lang, über letzterem 5 Linien hoch und 4} Linien breit,
oben rund, ohne Schnabelrücken, an den Seiten weit weniger
angeschwollen, an der Spitze weit weniger gekrümmt und von
hornbrauner Farbe. Bei den älteren Gelthennen ist der Schna-
bel nicht bloss weiss, wie bei dem Hahn, sondern er hat ganz
dieselbe Form mit angeschwollenen Seiten, deutlichem Schnabel-
rücken (Leiste) und perpendikulärer Spitze, und obgleich er
nicht so gross ist, als beim Auerhahn, ist er doch in allen Di-
mensionen grösser, als bei der gewöhnlichen Auerhenne, näm-
lich 7} Linien lang (vom Nasenloche), 6 Linien hoch und 5; Linien
breit. Der Schwanz ist viel länger und gewöhnlich mehr zu-
serundet bei der Gelthenne, als bei der gewöhnlichen Auerhenne.
Bei dem Auerhahn ist der Schwanz 13 Zoll, bei der gewöhnli-
chen Auerhenne 7} Zoll und bei der ältesten Gelthenne nahe
an 10 Zoll lang. Auch die Krallen und Tarsen sind bei der
letzteren etwas länger, als bei der ersteren.
Aus allem diesem glaube ich mich berechtigt den Schluss-
satz ziehen zu können, dass wenn die Generationsorgane bei
einem Individuum zerstört worden, sei es durch Krankheit, ‘Ope-
ration oder Alter, so wird nicht bloss die Farbe bei diesem
Individuun verändert, sondern auch die Form, besonders in
den Theilen, welche zur Hautbekleidung oder zu dem Hormbil-
dungssystem gehören.
Hr. Yarrell hat, als Resultat seiner Beobachtungen an
Fasanenhennen, den allgemeinen Satz aufgestellt: bei allen
Thieren, welche äussere sexuelle Charaktere dar-
bieten, verschwinden diese Charaktere und beide
Geschlechter werden gleich, wenn die Wirksamkeit
der Generations- Organe aufhört, habe diess ent-
Gelthenne vom Pfau- und Birkhuhn. 403
weder seine Ursache im Alter, in Krankheit oder
künstlichen Operationen.
Dieser Satz scheint jedoch eine Modification zu erleiden
und auf die Art ausgedrückt werden zu müssen, dass wenn
die Wirksamkeit in den Fortpflanzungsorganen bei
einem der beiden Geschlechter verschwindet, so
nimmt dieses ein Aussehen an, welches am meisten
dem anderen Geschlecht gleicht.
Mannichfaltige Beweise können ‚hiezu angeführt werden:
Eunuchen, welche das Unglück gehabt haben, als Kinder der
grausamsten Gewalt geopfert zu werden, erhalten während der
Entwicklung ein weibliches Ansehen, bartloses Kinn, und zarte,
weibliche Stimme. Weiber dagegen, welche entweder einen
angebornen oder erworbenen Fehler in den Ovarien haben, oder
auch solche, welche Jungfrauen verbleiben bis ins Alter, erhal-
ten mehrentheils Bart, Schnurrbart und eine tiefe Stimme.
‘Junge Hirsche, welche kastrirt werden ehe sie Geweihe auf-
setzen, bekommen sie niemals; aber Gelthindinnen erhalten da-
gegen das Geweih des Hirsches u. s. w.
Deshalb sollte ıch glauben, dass wenn man einen jungen
Auerhahn kastrirte ( welches wahrscheinlich eben so leicht sein
würde, als einen gewöhnlichen Hahn zu kapaunen) er nicht die-
selbe Tracht annehmen würde, wie die hier beschriebenen
Gelthennen, sondern eine andere, welche sich mehr der der
gewöhnlichen Auerhenne näherte.
Anm. Als Zulage zu dem vorstehenden Artikel dürfte ich
erwähnen müssen, dass auch Pfauenhennen bisweilen derselben
Art Veränderung unterliegen, und eine Tracht annehmen, wel-
che zunächst der des Pfauhahns gleicht. Ich habe eine solche
Gelthenne gesehen, welche die Farbe des Hahnes angenommen
hatte. Sie wurde 1822 auf einem von des Herrn Baron von
Gyllenstjerna Gütern in Schonen geboren. Während der
ersten Jahre war sie einer anderen Pfauenhenne vollkommen
gleich, welche in derselben Brut geboren war; aber allmählig
fing die Veränderung an: 1825 zeichnete sie sich von ihrer
Schwester durch eine blauere Farbe auf dem Halse aus, und
1826 zeigten sich Augen auf den Schwanzdeckfedern. Gegen
den Frühling 1827 entwickelten sich jedoch diese Farben noch
mehr und hernach behielt sie immerfort ihre neue zierliche
Tracht, worin sie beinahe einem Pfauhahn vollkommen glich,
ausser darin, dass sie kleiner war.
Das ausgestopfte Exemplar, welches nun im Museum in
Stockholm aufbewahrt wird, zeigt folgende Farben: der Kopf
404 0 8terile Ente.
und der Hals sind grün, metallglänzend und in Indigoblau gpie-
lend; die Krone ist bläulich mit rothbraunem Querstrich und
breitem metallgrün glänzendem Rande. Der Rücken meist braun
gewässert, hat jedoch einige metallgrüne, glänzende Federn mit
dunklem Rande. Brust und Seiten schwärzlich mit grünem Glanze
und grauen Federrändern. Die Schwanzfedern wie bei (dem
Hahne, aber etwas gesprenkelt: die untersten und längsten
Schwanzdeckfedern gesprenkelt; die oberen prächtig geschildert
mit denselben Farben wie bei dem Pfauhahn, obgleich die Au-
genflecke kleiner sind, der Schnabel hat dieselbe Farbe wie
beim Hahn, und die Beine tragen Spornen.
Dieser Vogel war also während der drei ersten Lebensjahre
Henne und wurde darauf im Aussehen: Hahn. Während keiner
dieser Perioden sah man sie jemals zur Paarung sich anbieten.
Der Hahn hieb sie so oft sie in seine Nachbarschaft kam, wes-
halb sie ihn auch scheuete und sich einsam zu den anderen
Hennen hielt. Endlich wurde sie 1829 von dem Hahne todt-
gehackt. — |
Für diese in wissenschaftlicher Hinsicht interessanten An-
gaben bin ich Hrn. Baron Gyllenstjerna dankbar verpflichtet.
[Bei der Versammlung der skand. Naturforscher in Gothen-
burg bewies Prof. Nilsson durch Vorlegung von Abbildungen
zweier Exemplare, dass auch die sterile Birkhenne die Tracht
des Birkhahnes annimmt. Von den Originalen zu diesen Ab-
bildungen war das eine in Smäland, das andere in Finnland er-
legt worden. Auch zeigte eben daselbst derselbe eine illumi-
nirte Abbildung einer zahmen Ente vor; welche die
Farbe und das Ansehen des wilden Enterichs ange-
nommen hatte, wovon man bis jetzt nur ein Beispiel kannte.
Die erwähnte Ente pflanzte sich während der sechs ersten Le-
bensjahre fort; im 7ten wurde sie unfruchtbar und fing an die
Tracht des Männchens anzulegen, welche 1839, im 10ten Jahre,
ganz ausgebildet war. Dabei zeigte sie noch eine Erscheinung,
welche man früher bei keinem sterilen Vogel bemerkt hat, dass
sienemlich jeden Sommer die Sommertracht, und jeden
Winter die Wintertracht des wilden Enterichs anlegte.
S. Förhandlingar vid det af skandinaviska Naturforskare och
Läkare hällna möte in Götheborg ir 1839. Götheb. 1840. 8.
p- 133.]
Bastard- Waldhühner. 405
Dastauil - Waldhühneır.
1. Bastard des Auer- und Birkhuhns, der Rackelhahn, Te-
trao (hybridus) Urogalloides Nilss.*).
Tetrao hybridus L. Sparrm. — Nilss. Orn. Suec. — T. iuter-
medius Langsdorff. — T. medius Meyer. — T.hybridus ex uro-
gallo et tetrice Glog.
In Skandinavien hielt man sich seit Linne davon überzeugt,
dass dieser Vogel ein Bastard des Auer- und Birkhuhns sei
und wenn es auch begreiflich ist, dass Langsdorff und
Meyer ihn für eine eigne Art ansahen, so ist es um so auflal-
lender, dass einige Ornithologen, wie Temminck und Brehm
dieser Ansicht noch beipflichteten, nachdem bereits Nilsson
die für die Ansicht der skandinavischen Naturforscher spre-
chenden Gründe in seiner Ornith. Suec. und noch ausführlicher
in der ersten Auflage seiner Skand. Fauna angegeben hatte.
Neuerlichst scheint man sich jedoch von der Richtigkeit der
letzteren Ansicht auch in Deutschland immer mehr zu überzeu-
gen und auch Gloger ist ihr beigetreten. In Skandinavien,
wo dieser Vogel alljährlich erlegt wird, hält man sie ausser
allem Zweifel und zwar, wie Nilsson anführt, weil: 1) dieser
Vogel nur in Gegenden gefunden wird, wo Auer- und Birk-
hühner vorkommen und selten anderwärts, als wo die Auer-
hähne während der Balzzeit zu einem gewissen Grade oder
gänzlich ausgeschossen worden; 2) er keinen eigenen Balzplatz
hat, man ihn nie in Familie oder mit eigenen Hühnern umge-
ben, sondern allein, entweder einsam oder auf fremden Balz-
v
*) Die Beschreibung dieses Vogels nach seinem verschiedenen Alter
und Geschlecht findet sich bei Gloger a. a. O. ausreichend; ich
glaubte deshalb sie hier übergehen zu können und nur dasjenige auf-
nehmen zu müssen, was auf Lebensart, Geschlechtsbildung und
Fortpflanzung Bezug hat. Bemerken muss ich jedoch, dass Glo-
ger irrthümlich den Glanz vom Kopf, Hals und Brust violett
oder purpur angiebt, er ist vielmehr purpur ınit bronz, wie
Nilsson ihn richtig beschreibt und ich mich bei einem lebenden,
von Herrn Nilsson in Gefangenschaft schaltenen und einem
Exemplare auf dem hies, zool. Museum überzeugt habe. Die nach-
folgenden Mittheilungen gründen sich auf die Angaben in Nils-
sons Skund. Faun. Vögel. B. 2. p. 72—83; Dess. Il. Fig. till
Skand. Faun. Planch. 4. Text und von verschiedenen Berichter-
stattern in der Tidskrift för Jägare och Naturforskare utgifven
af Jägare-Förbundet i Stockholm. Är 1832 Nr. 2., 1833 Nr. 2.
Us 3., 6., 9u 10., 11. U. 42;; 1834 Nr. 1.
Anm. d. Red.
406 Bastard - Waldhühner.
plätzen sieht; 3) man sichere Beweise hat, dass Auerhennen
sich auf Balzplätzen der Birkhühner einfinden und sich von
dem Birkhahn treten lassen und sogar ein solehes ungleiches
Paar während der Begattung auf einen Schuss erlegt worden
ist; endlich 4) auch ein Bastard vom Birk- und Schneehuhn
gefunden wird.
Der Rackelhahn findet sich nur in wilden, bergigen mit Hoch-
wald bewachsenen Gegenden. Am häufigsten hat man ihn in
späteren Jahren in dem nördlichen Theil von Wermland, in
einem bergigen und wilden Theil von Linköpings- und Kalmar-
Lehn, so wie in Röslagen und Södermanland gefunden. In
Norwegen kömmt er auch in einigen Gegenden vor, und um
Kungsberg, wo er Kniv-tiur genannt wird, soll er nicht selten
sein. Höchst selten trifft man einzelne in den nördlichen, wal-
digen Theilen von Schonen; und man ist sicher, dass, wo einer
da geschossen wird, immer eine Auerhenne sich in derselben
Gegend zeigt. An manchen Orten in Schweden und Norwegen,
wo man noch vor 20 Jahren niemals einen Rackelhahn gesehen
oder davon sprechen gehört hatte, ist er in späteren Jahren er-
schienen und er wird offenbar weniger und weniger selten in
den Wäldern des Nordens, in demselben Verhältniss, wie die
Raubschützen während der Balzzeit daselbst zunehmen. Zahl-
reich ist er jedoch nirgends; selten trifft man mehrere beisam-
men und niemals sieht man ihn von eigenen Hühnern umgeben.
Auf einer und derselben Stelle trifft man ihn nicht alle Jahr,
sondern er zeigt sich zerstreut bald hier bald dort. Am häufig-
sten bemerkt man ihn im Frühjahr, wo er durch ein eigenes,
besonderes Spiel entdeckt wird, welches in einem röchelnden
oder einer Art grunzendem Laute besteht: farrfarrfarr-
ferrfarrfarr und etwas mehr Aehnlichkeit mit dem Spiele des
Birkhahns, als mit dem des Auerhahns hat. Er schleift nicht
und thut auch keinen Hauptschlag, wie der Auerhahn, aber er
bläst am Schluss des Spiels, beinahe wie der Birkhahn; jedoch
viel stärker. Aber ungeachtet er während des Frühlings eine
schallende Stimme hat, wie andere Waldhähne, hat er doch
niemals einen eigenen Balzplatz, sondern findet sich nur auf
den Balzplätzen der Birk- und Auerhühner. Bisweilen finden
sich Mehrere auf einem und demselben Balzplatz. Am öftesten
wirft sich der Rackelhahn auf die Balzplätze der Birkhühner,
schlägt sich mit den Hähnen, zerstreut und verjagt sie; aber
man hat niemals bemerkt, dass er sich mit den Hühnern paart.
Auch auf die Balzplätze der Auerhühner wirft er sich und ver-
treibt den Auerhahn; denn er verbindet mit der Keckheit des
Bastard- Waldhühner. 407
Birkhahns beinahe die Stärke des Auerhahus. Es ist nichts
auf dem Balzplatz zu machen, sagen die Schützen, wenn ein
Rackelhahn sich dort eingefunden. Sie suchen deshalb ihn
zuerst zu Schiessen; aber er ist schwer anzukommen ‚ indem 'er
wild und unruhig ist, und nie stille sitzt, sondern von Baum
zu Baum fliegt um die spielenden Hähne zu verjagen.
Ein vom Prof. Nilsson in Gefangenschaft mehrere Jahre
beobachteter Rackelhahn war mehr träg als lebhaft. Mehren-
theils sass er den ganzen Tag in ruhender Stellung auf seiner
Stange, mit herabhängendem Schwanz, etwas aufgesträubten
Federn und geschlossenen Augen. Obgleich er 5 Jahre im
Bauer gewesen, war er gleichwohl wild und scheu. Gegen Per-
sonen, welche sich dem Bauer näherten, zeigte er sich mehr
scheu, als zornig und böse; aber gegen kleinere Thiere und
Vögel, welche sich dem Bauer näherten oder sein Futter fres-
sen wollten, zeigte er besonders eine böse und mürrische Laune.
Im Frühling liess er bisweilen seine rülpsende oder grunzende,
sein Spiel vorstellende Stimme hören. Seine Mauser begann
im Anfang des Monats Juli und währte lange. Seine Nahrung
bestand in Preusselbeeren und anderen Waldbeeren, wenn sie
zu bekommen waren; auch frass er gern zerschnittene Aepfel,
Weisskohl und anderes Gemüse, so wie Kiefernadeln und Ge-
treide*).
Wenn es nun wohl hiernach als völlig ausgemacht ange-
nommen werden darf, dass der Rackelhahn ein Bastard des
Auer- und Birkhuhns ist, so bleiben doch noch zwei Fragen
zu beantworten, nemlich: 1) ist er das Erzeugniss einer Paa-
rung des Birkhahns mit der Auerhenne, oder des Auerhahnes
mit der Birkhenne, oder endlich findet die Paarung zwischen
diesen beiden Arten Waldhühnern auf diese doppelte Weise
Statt? für alle drei Meinungen fehlt es nicht an Vertheidigern;
2) sind die Rackelhühner unter sich oder mit den beiden Arten
ihrer elterlichen Verwandten einer Paarung überhaupt oder we-
nigstens einer fruchtbaren fähig? auch diese Frage ist noch
lange nicht genügend genug beantwortet.
‘Nilsson erklärt den Rackelhahn gerade zu und bestimmt
*) Im. Jahre 1839 sah ich bei Hrn. Nilsson ein zweites von ihm
in Gefangenschaft gehaltenes Exemplar (das erste, von welchem
oben die Rede ist, hatte er bei seiner Rückkehr von Stockholm
nach Lund dem Reichsmuseum in Stockholm zurückgelassen ) die-
ses interessanten und prächtigen Vogels, von dem mir aber späler
nichts weiter bekannt geworden und von dem ich auch nicht weiss,
ob es noch lebt, Anm..d. Red.
408 Bastard - Waldhühner.
für einen Bastard des Birkhahns und der. Auerhenne und für
diese seine Ansicht spricht allerdings, dass man sichere Be-
weise von: der Begattung beider hat, indem man nicht nur öf-
ters Auerhennen auf den: Balzplätzen der Birkhühner gesehen,
sondern auch mehrmals beobachtet hat, dass sie von.den Birk-
hähnen getreten wurden und zwei Fälle bekannt sind, wo Birk-
hahn und Auerhenne in dem Moment der Begattung auf einen
Schuss erlegt wurden. Dieser Ansicht schliessen sich die mei-
sten nordischen Naturforscher und Jäger an, und alle diejenigen,
welche diese Ansicht theilen, nehmen an, dass die Ursache
der unnatürlichen Paarung, von welcher der Rackelhahn das
Erzeugniss sei, in dem, durch das Wegschiessen der Auer-
hähne durch Raubschützen während der Paarungszeit entstan-
denen Mangel an Auerhähnen bestehe, indem in Folge hiervon
die Hennen, von unbefriedigtem Geschlechtstrieb angetrieben,
die Paarungsplätze der Birkhühner aufsuchten und von diesen,
wie die erwähnten Fälle beweisen, getreten würden. Sie be-
haupten ferner, dass der Rackelhahn in neuerer Zeit viel häu-
figer vorkomme, als früher und glauben die Ursache davon in
der Ueberhandnahme der Raubschützen und der vermehrten
Nachstellung des Auerhahns von Seiten derselben zu finden,
indem dieser viel leichter zu schiessen sei, als der Birkhahn.
Es fehlt jedoch im Gegentheil auch nicht an Solchen, wel-
che allen diesen Behauptungeu widersprechen und im Gegen-
theil behaupten, der Rackelhahn habe den Auerhahn zum
Vater und die Birkhenne zur Mutter und diese nehmen als Ur-
sache dieser Paarung gerade das entgegengesetzte Verhalten,
nemlich den unbefriedigten Geschlechtstrieb der Auerhähne an,
indem sie als eine ausgemachte Thatsache anführen, dass, so
lange ein alter Auerhahn sich in einer Gegend finde, die jün-
geren Hähne sich nur in einer bedeutenden Entfernung, wo sie
dem alten keinen Abbruch thun, den Hühnern nähern dürfen.
Der gereizte, aber unbefriedigte Geschlechtstrieb dieser jünge-
ren Hähne erzeuge die meisten Rackelhühner, denn sie suchten
hernach die leicht zugänglichen Birkhennen in ihrer Nähe auf
um sich durch diese zu entschädigen. Zwar hat noch Niemand
die Paarung des Auerhahns mit der Birkhenne wirklich beob-
achtet, wie es mit der Paarung des Birkhahns mit der Auer-
henne der Fall gewesen ist, allein diejenigen, welche den Auer-
hahn für den Vater des Rackelhahns halten, gründen diese
ihre Behauptung darauf, dass man zu wiederholten Malen Rak-
kelhühner unter einer Brut Birkhühner gefunden und erlegt habe,
welches allerdings nicht bestritten werden kann, so wie ferner
Bastard- Waldhühner. 409
auf die grosse Aehnlichkeit des Rackelhahns mit dem Auer-
hahn; auch finde sich der Rackelhahn in Gegenden, wo es
durchaus nieht an Auerhähnen fehle, sondern vielmehr ein Ue-
berfluss davon vorhanden sei. Sie bestreiten ebenso, die von
der anderen Seite behauptete, Zunahme des Rackelhahns in
neuerer Zeit und suchen die Erklärung zu seinem unbestreitba-
ren häufigeren Bemerktwerden in dieser in der vermehrten orni-
thologischen Bildung der Jäger und der in Folge davon grösse-
ren Aufmerksamkeit. Sie geben endlich auch die Paarung des
Birkhahns mit der Auerhenne und die Abstammung mancher
Rackelhühner von dieser Paarung zu, halten diese aber für den
seltneren Fall und behaupten dem zufolge’das Vorkommen zweier
Sorten von Rackelhähnen. Die eine, welche den Auerhahn
zum Vater, die Birkhenne zur Mutter habe, sei beinahe so gross
wie ein junger Auerhahn, 61% bis 7 Pfund schwer, und gleiche
dem Auerhahn bis auf den Mangel der grünen Brust, des zu-
gerundeten Schwanzes und gelblichweissen Schnabels; diese
halte sich in grösseren Wäldern auf, knappe gleich dem Auer-
hahn und balze, jedoch nicht mit so hartem und schallendem
Schlage, aber statt des Schleifens röchle sie dem Grunzen eines
Schweines nicht unähnlich, und ihr könne man sich während
des Spiels nähern, wie dem Auerhahn , ja sogar noch leich-
ter, denn sie röchle länger. Diess ist, wie man leicht ein-
sehen wird, der gewöhnliche Rackelhahn. Die andere Sorte
sei viel seltener, halte in Hinsicht der Grösse die Mitte zwi-
schen dem Auerhuhn und Birkhahn, sei dem Auerhahn mehr
unähnlich, am Halse dem Birkhahn mehr ähnlich und habe des-
sen Schwanz, halte sich im Frühjahr auf Mooren auf, wo sie
sehr oft die Balzen der Birkhühner, durch ihr neidisches, un-
nützes Jagen nach den nützlichen Birkhähnen störe.
So viel Wahrscheinlichkeit nun auch die zuletzt angegebene,
doppelte Paarungsart zwischen den Auer- und Birkhühnern und
die dafür angegebenen Gründe für sich haben, indem kein ver-
nünftiger Grund vorhanden ist, welcher derselben widerspräche,
vielmehr der bekannte, feurige und heftige Geschlechtstrieb des
Auerhahns nicht ohne Grund voraussetzen lässt, dass derselbe,
im. Falle der Unmöglichkeit innerhalb der Grenzen der eignen
Art befriedigt zu werden, Befriedigung bei den Nächstverwand-
ten suche, so bleibt es doch immer auffallend, dass bisher noch
von keinem wirklichen Naturforscher eine Verschiedenheit zwi-
schen den Rackelhühnern beobachtet worden ist, im Gegentheil
findet Nilsson in seinen letzten Werken es bemerkenswerth,
dass alle Individuen vom Rackelhahn einander vollkommen gleich
410 Bastard- Waldhühner.
seien und nur nach dem Alter Verschiedenheiten zeigten, und
fügt hinzu: ‚‚unter den Jägern im Norden geht die Sage, dass
„sich ‘dort zwei Sorten Rackelhähne fänden, von welchen
„die eine Sorte mehr dem Birkhahn, die andere dem Auerhahn
„gleiche. Die erstere sagt man, werde erzeugt durch die Paa-
„tung des Birkhahns mit der Auerhenne, die letztere glaubt man
„entstehe durch die Paarung des Auerhahns mit der Birkhenne.
„Die erstere Sorte betreffend, so ist es der hier abgebildete
„und beschriebene Vogel; die letztere Art ist nach aller Wahr-
„scheinlichkeit die sterile Auerhenne.‘““ Auch noch in der, im
Jahre 1835 erschienenen 2ten Ausgabe seiner Skand. Faun. er-
klärt Nilsson den Rackelhahn bestimmt für einen Bastard des
Birkhahns und der Auerhenne und da mir seitdem nichts Nähe-
res über diesen Gegenstand bekannt geworden, wage ich nicht
darüber zu entscheiden. Gloger hat a. a. ©. das che
zweier Sorten Rackelhähne angenommen.
Die zweite Frage betreffend, nemlich: ob der Rackel-
hahn sich mit Rackelhennen, oder Auer- oder Birkhennen fort-
pflanzen kann, und ob die Rackelhenne steril sei, oder mit
Rackel-, Auer- oder Birkhähnen gepaart fruchtbare Nachkom-
men zu erzeugen vermöge? so sind der zur Lösung derselben
nöthigen Beobachtungen, aus leicht begreiflichen Gründen, noch
sehr wenige vorhanden. Zwar hält man im Norden allgemein
den Rackelhahn für unfruchtbar , weil man ihn, wenn er auf die
Balzplätze kömmt, sich nie hat paaren, sondern nur die Hähne
vertreiben gesehen, er selbst aber keine eigenen Balzplätze hat;
an directen Beweisen seiner absoluten Sterilität fehlt es jedoch
gänzlich. Bei den Hühnern würde es mit Hülfe der Anatomie
leicht sein, sich hierüber im Voraus Gewissheit zu verschaffen,
wenn es Kundigen gelänge eine während der gewöhnlichen Balz-
zeit im Frühling geschossene Henne zu erhalten. Diess ist
jedoch, so viel mir bekannt bis jetzt noch nicht geglückt, ob-
gleich der verstorbene Prof. Fries, als damaliger Vorsteher
des Reichsmuseums in Stockholm, bereits im Jahre 1832 eine
Aufforderung zur Einsendung in dieser Jahreszeit geschossener
Rackelhennen ergehen liess. Die einzige mir bekannt gewor-
dene directe Untersuchung in Bezug hierauf ist die von den
Professoren Fries und Retzius vorgenommene Untersuchung
der Geschlechtstheile zweier im Winter geschossener Rackel-
hennen, worüber ersterer in dem erwähnten Jahre folgendes
berichtet: ,;Die Untersuchung der Geschlechtstheile der zwei
„erwähnten Rackelhennen, welche Prof. Retzius und ich an-
„gestellt, hat folgendes Resultat geliefert: der Eierstock, wel-
Bastard- Waldhühner. all
„cher kaum wahrgenommen werden konnte, zeigte sich als ein
„gelblicher Fleck von dem Durchmesser einiger wenigen Linien
„nachdem er in frischem Wasser ausgespühlt worden, konnte
„man erst kleine, zusammengedrückte, warzenähnliche Figuren
„entdecken, welche höchst unvollkommene Andeutungen von
„Eiern waren. Verglichen mit dem Eierstock einer Gelthenne
„des Auerhahns, einem solchen, der sich an dem vom Prof.
„Nilsson an das Museum abgegebenen Präparate findet, zeigte
„sich der der Rackelhennen weit weniger entwickelt. Der Eier-
„leiter war nicht grösser, als der linke Uringang und sehr dünn-
„häutig; seine Franse und trichterförmiges Ende waren auch
„unvollkommen gebildet.“
'„Physiologisch merkwürdig scheint der Umstand, dass die
„sterile Auerhenne die Farbe des Hahns annimmt, die sterile (2)
„hackelhenne aber die ursprüngliche bunte Farbe beibehält,
welche zuverlässige Hennen der Gattung Tetrao characterisirt.“
Es ist gewiss höchst wünschenswerth, dass die skandina-
vischen Ornithologen und Jagdfreunde es ferner nicht mögen
an Bemühungen fehlen lassen, die in Bezug auf diesen interes-
santen Vogel noch obwaltenden Zweifel zu beseitigen, welches,
wie schon Nilsson ausgesprochen, am sichersten dadurch ge-
schehen könnte, wenn man an hiezu geeigneten, eingezäunten
Orten die Paarung des Auerhahns mit der Birkhenne, des Birk-
hahns mit der Auerhenne, des Rackelhahns mit der Auer-,
Birk- und Rackelhenne und der letzteren mit dem Auer- und
Birkhahne versuchte.
2. Bastard des Birkhahns mit der Weiden- Schneehenne,
Tetrao (hybridus) lagopoides Nilss.*).
Diesen sonderbaren Vogel könnte man, ohne nähere Unter-
suchung, wenn man ihn ausgestopft sieht, für eine Zusammen-
setzung vom Birkhahn und Schneehuhn halten, aber auch bei
näherer Untersuchung ist er ein wunderbares Mittelding zwi-
schen beiden, so, dass man ihn mit gleichem Rechte zu welcher
von diesen beiden Gattungen man will würde rechnen können;
denn er vereinigt auf eine merkwürdige Art die Charaktere Bei-
der. Gleich wie bei dem Birkhahne, ist der nackte Fleck über
dem Auge mit Warzen belegt; aber, gleichwie bei den Schnee-
*) Die ausführliche Beschreibung dieses Vogels nach verschiedenem
Alter, Geschlecht und verschiedener Jahreszeit. S. d. Arch. H. 1.
P» 160 — 162.
412 Bastard- Waldhühner.
hühnern ist er nach oben mit einem gezähnten Kamme versehen.
Wie bei den letzteren sind seine Zehen mit Federn bekleidet,
aber ihre äussere Hälfte ist wie bei den Birkhühnern, oben mit
hornartigen Ringen, und auf den Seiten mit grossen Schuppen
belegt, unter welchen eine Reihe von hornartigen Zähnen liegt.
Gleichwie der Birkhahn hat er 18 Schwanzfedern, einen ge-
spaltenen Schwanz und die äusseren Seitenfedern dieses sind
ein wenig nach aussen gebogen; aber der Schwanz ist weniger
gespalten, als bei dem Birkhahne und die mittelsten Federn
sind an der Spitze weiss gerandet, wie bei dem Schneehuhne.
Auch in der Grösse steht er zwischen dem Birkhuhne und dem
Weiden - Schneehuhne in der Mitte.
Dieser Bastard findet sich nur selten und nur in solchen
Gegenden wo Birkhühner und Weiden -Schneehühner sich auf-
halten. Die obere Grenze des Birkhuhns liegt nemlich weit
über der unteren Grenze des Weiden-Schneehuhns, diese gehen
oft aus der Weiden- und Birken-Region in die der Kiefer und
Tannen herab. Nur in dieser Gegend, welche für beide Arten
gemeinsam ist, kömmt dieser Bastard vor. Nach dem Zeugnisse
vieler gebildeten Jäger, sowohl in Norwegen, als Finnland, fin-
den sich die Schneehennen nicht selten auf den Balzplätzen
der Birkhühner ein, und es ist höchst wahrscheinlich, dass,
wie man vermuthet, dieser Bastard ein Erzeugniss eines solchen
Besuchs ist.
3. Bastard des Birkhahns mit der Haushenne.
Glaubwürdige Personen versichern, dass bereits vor 50
Jahren, bei einem Pastor Vigelius in Wermland, ein zahmer
Birkhahn sich mit einer Haushenne gepaart habe; die Jungen
glichen mehr denen des Birkhuhns,, als des Haushuhns, wurden
vollwüchsig und waren von beiden Geschlechtern, pflanzten sich
aber nicht weiter fort. [Die Richtigkeit dieser Angabe wird
dadurch zur höchsten Wahrscheinlichkeit erhoben, dass in der
mir so eben zukommenden Nr. 4. des zweiten Jahrganges der
Öfversigt af K. Vetensk. Akad. Handl. unter den S. 113 aufge
führten, für das Reichsmuseum eingegangenen Geschenken ein,
von dem Hrn. Brukspatron Hartman eingesendeter Bastard von
dem Birkhahn und der Haushenne angeführt wird, wodurch zu-
gleich die Möglichkeit einer solchen Paarung und Bastarderzeu-
gung auf das Bestimmteste nachgewiesen erscheint.]
xvE.
Nachrichten von reisenden Naturforschern.
Herr Freiherr Berzelius theilte in der Sitzung der Akade-
mie am 12. März d. J.*) den folgenden Auszug aus einem Schrei-
ben des Hrn. Generalconsuls Tottie in London mit:
‚Mein lieber Freund, der Herr Pastor Schreuder, er-
wähnt in einem Briefe, dat. Umlasi bei Port Natal d. 16. Nov.:
Wahlberg wird jetzt bald von seiner weiten Reiseunterneh-
mung tief in’s Land hinein hier in der Stadt Port Natal zurück
erwartet. Er wird sich sehr glücklich gefühlt haben, naturge-
schichtliche Merkwürdigkeiten einsammeln zu können, und bringt
gewiss drei grosse Wagen voll mit.‘
Zwei "Tage danach ging auch der folgende Brief, dat. Kap-
stadt den 5. Januar 1845, vom Herrn Wahlberg selbst, ein.
„Durch mancherlei nicht in Berechnung gezogene widrige
Ereignisse aufgehalten kam ich erst nach einer Abwesenheit von
17 Monathen von meiner Reise in das innere Land nach Port
Natal zurück. Von dort langte ich gestern in hiesiger Stadt an
und machte damit den Anfang zu dem so lange verschobenen
Heimzuge, so dass ich, wenn Alles gut geht, mit den Zugvö-
geln im Lande der Sage einzutreflen hoffe, wenn die Frühlings-
sonne dort die Anemonen hervorzulecken beginnt. — Im Anfange
des Junius 1843 begab ich mich von Port Natal nach Pietermo-
ritzburg. Hier traf mich auser einer Menge anderer Widerwär-
tiskeiten auch die, dass Willem, welcher mich begleiten sollte,
erkrankt war und ich dadurch und durch Klauenseuche bei mei-
nen Ochsen bis zum 5. Julius aufgehalten wurde, an welchem
Tage ich mit zwei Wagen aufbrach, deren jeder von zwölf
”) Öfversigt af K. V. A. Förhandl. Ärg. 2. Nr. 3. S. 56.
414 Nachrichten von reisenden Naturforschern.
Ochsen gezogen wurde, und dieselbe Richtung, wie bei meinem
frühern Zuge in das Innere des Landes, verfolgte. Bei den
Drakensbergen angekommen stiess ich auf das Commando der
Booren, welches kam, um, wie sie sagten, die Engländer aus
ihrem Lande zu verjagen, und würde hier gewiss zum Umkeh-
ren mit ihnen genöthigt worden seyn, wenn ich nicht einen Pass
vom Commandanten Gert Rudolph gehabt hätte. Am 23.
wurde meine eine Doppelbüchse, welche ich auf einen Augenblick
unter eine Felswand gesetzt hatte, durch einen grossen Stein
zerschmettert, welchen Koos Joubert, mein zweiter Kutscher,
ein 1Sjähriger Jüngling, in seiner Unschuld von oben herabge-
wälzt hatte. Das Gras war trocken und schlecht und die Kälte
sehr empfindlich; dies konnten meine Ochsen, welche durch die
Klauenseuche abgezehrt waren, nicht ertragen. Als ich an den
Moiie-Fluss (Moiie -Rivier) im Anfange des Augusts kam, wa-
ren sie so mitgenommen, dass ich genöthigt war, still zu lie-
gen, um ihnen Zeit zu verschaffen, sich zu erholen. Am 17.
August fiel hier fusshoher Schnee, und am Tage darauf starben
sechs meiner Ochsen; die übrigen waren zum grössern Theile
ziemlich ausser Stande, sich von der Stelle zu rühren, und: es
entstand die Besorgniss bei mir, ‚dass mir hier‘ bereits die
Gränze für meine Reise gesetzt worden sei. Doch glücklicher-
weise änderte sich das Wetter, und ich fing am 1. September,
nach einer Verhinderung von beinahe einem Monathe, die Reise
wieder langsam fortzusetzen an. Bei der Ankunft am Makkalis-
berge beim Commandanten Potgieter drohte mir dieser Sou-
verain, dass er mir mein Pulver nehmen wollte, welches er,
wie er sagte, nöthig hätte, und wollte mir auch keine Erlaub-
niss ertheilen, weiter in das Land vorzudr.ngen, verkaufte mir
aber doch endlich sechs Ochsen und liess mich ziehen, nach-
dem er in meiner Gegenwart den bei ihm anwesenden Leuten
des Basuto-Königs Sichela angekündigt hatte, dass dieser
alle Reisende, welche sein Land durchziehen wollten, gefangen
nehmen und zu ihm bringen sollte. Ich begab mich nun in
westlicher Richtung zum Könige Motlophn nahe beim Mori-
qua-Fluss im Motitle-Gebirge. Au einer Stelle auf diesem
Wege sank der eine Wagen so tief in den Schlamm, dass wir
uns genöthigt sahen, seinen ganzen Inhalt auszupacken und ihn
darauf mit Hülfe aller Ochsen, 24 an der Zahl, rückwärts
herauszuziehen. In den Motitlebergen hausete die Antilope ni-
gra ziemlich zahlreich, und dies sehöne Thier war hier der
vorzüglichste Gegenstand meiner Jagd. Verschiedene Male
liessen sich Truppe von 15 bis 20 blicken, und wir erlegten
dl: N y ur
ö H “ "
Alae Re
Br DI Me
a, n
R.
3 4 „ Nachrichten von reisenden Naturforschern. 415
verschiedene Individuen. Verwundet vertheidigte sie sich un-
ig gegen die angreifenden "Hunde und schlug mit ihren lan-
gen Hömern mit ungeheurer Stärke hinter Eh oft tief in die
Erde hinein und sich selbst bisweilen im Hintertheile verwun-
dend, wobei sie unaufhörlich ein grobes und starkes Urr! Urr!
hören liess. — Hier traf ich den französischen Naturforscher
“Delegorgue an; da wir aber getheilter Ansichten waren,
trennten wir uns nach wenigen Tagen, und ich nahm meinen
Weg nördlich zum Könige Pillaan am Leroma-Berge. Ich
traf ihn im Kraale mit seinen Rathsherren an; er würdigte mich
erst keines Blicks, sondern ging stolz vorüber und setzte sich
auf einen ausser dem Kraale befindlichen Felsen, umfasste seine
Kniee mit den Händen und bewegte die Füsse auf und nieder.
Ich folgte ihm dahin zurück, und nun erwiederte er meinen
Gruss freundlich, brachte auch Itjoalla (Kaffeegetränk) welches
er zuerst selbst kostete und sodann mir reichte. Er trug einen
Kross von Genetiehaut über die Schultern geworfen. Ich er-
hielt zwei von seinen Leuten zu Wegweisern und setzte darauf
meinen Wes nach dem Mohopaani fort, wo Pillaan einige
Jahre hindurch residirt hatte; ven Masilikari aber geplündert
hatte er sich nach seinem gegenwärtigen Aufenthaltsorte zurück-
gezogen. In den Mohopaani - Bergen waren Antilope nisra und
A.eqguina auch ziemlich zahlreich; heide aber kamen sehr schwer
in Schussweite. Eines Tags war ich hier nahe daran, alle
meine Ochsen, und zwar a eine ganz eigne Weise, zu verlie-
ren. Sie weideten nämlich auf einer weiten Ebene, und da die
Wächter eingeschlafen waren, hatte sich ein Trupp blauer
Wildbeester [| Blauböcke ; Antilope leucophaea Pall.] und Elen-
thiere [Antilepe Oreas Pall.] zu ihnen gesellt. Der Schläfer
erwachte und näherte sich dem Truppe; als aber die wilden
Thiere ihn erblickten, begaben sie sich auf die Flucht, und die
Ochsen folgten ihnen in vollem Galeppe, völlig die Natur der
wilden Geschöpfe annehmend. Glücklicherweise nahmen sie
ihren Weg nach einem nahen Walde, wo es uns endlich, nach
Verlauf einiger Stunden, gelang, sie von den wilden zu tren- ;
nen. Ihre Furcht verschwand darauf auch sogleich, und sie
liessen sich, wie gewöhnlich, zurücktreiben. Ich brach von
neuem auf, ging über die An Berge und lagerte mich
nach einigen Tagen, am 2. December, am Ufer des Limpopo;
dies ist. Ehe, Fluss, welchen ich auf meinem ersten Zuge
in das Land schon kennen gelernt hatte, damals aber in der
Gegend. seiner Quellen, unter dem Namen des Krokodilflusses
oder Ooli. Bier war er ein gewaltiger Strom, welcher während '
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416 Nachrichten von reisenden Naturf ‚sche
der Regenzeit über seine Ufer bis auf mehre hundert Schritte
weit austritt, und wurde von ungeheuren Acacien, den grössten,
welche ich in Südafrika gesehen habe , wie überhaupt von einer
üppigen Vegetation eingefasst. Mit Lust und Vergnügen brachte
ich hier die ersten 14 Tage zu, nach deren Verlauf eine Reihe
von Widerwärtigkeiten folgte. Ich begann, mich auf die Abreise
nach der Vereinigung des Limpopo mit dem Moriqua durch dies
sränzenlose blaue Waldebene vorzubereiten, welche ich von
den Höhen des Mohopaani so manchen Tag mit Entzücken
überschaut hatte; aber am 15. in der Nacht entwischten meine
beiden Basutos, und am 20. des Morgens waren meine beiden
Kaffern, welche mich von Port Natal begleitet und mir als
Ochsenführer gedient hatten, verschwunden. Ihr Dienst war
mir so unentbehrlich, dass ich ohne ihn nichts ausrichten
konnte. Ich schickte mich desshalb nebst Koos Joubert an,
sie zu Fusse zu verfolgen, und liess Willem mit einem jungen
Kafferburschen allein bei den Wagen. Wir blieben bis zu einem
im Gebirge nahe liegenden Basutokraale beisammen, um da-
selbst Wegweiser zu erhalten, und schlugen von dort verschie-
dene Richtungen ein, da wir nicht gewiss wussten, nach wel-
cher Gegend sich die Flüchtigen begeben hatten. Koos war
schon fort, als mein Wegweiser, vom Häuptlinge des Kraales
begleitet, Einwendungen zu machen anfıng. Er sagte, er hätte
Sandalen nöthig, und kehrte um, sie zu holen; er verzögerte
sich lange, und als ich nach ihm fragte, antwortete der Kaflfer-
häuptling, dass er nicht wiederkommen würde. Nun war keine
Zeit zu verlieren. Ich sagte dem Häuptling auf nachdrückliche
Weise, dass, wenn er nicht sogleich Einen von seinen Leuten
zum Begleiter für mich herbeiriefe, er selbst genöthigt werden
sollte, mit mir zu gehen; aber er kehrte sich hieran nicht. Ich
gab darauf Befehl zum Aufbruche, und da man mir nicht so-
gleich gehorchte, ging ich dem Häuptlinge mit meinem Stock
zu Jieibe, griff auch nach meinem Gewehre, welches er trug.
Nach einem kurzen Handgemenge glückte es mir, ihn zu ent-
waffnen, während dessen die im Kraale sich befindenden Wei-
ber ein Klagegeschrei erhoben, da sie das Leben ihres Häupt-
lings in Gefahr glaubten. Mit gespanntem Hahn und angeleg-
tem Gewehr (welches jedoch nicht geladen war) erzwang ich
mir endlich Gehorsam, und er wanderte vor mir her. Als seine
Leute dies aber sahen, kam sogleich Einer von ihnen und löste
ihn ab. Als er sich zurückwendete, schenkte ich ihm Glas-
ad um meine etwas hastige Ne or ei
Nachrichten von reisenden Naturforschern. 417
ind wir schieden als anscheinend gute Freunde. Mein Proviant-
sack enthielt nur einige Stücke Rhinocerosfleisch, welches in
hohem Grade Durst erregte, und da meine Füsse bereits voll
von Blasen waren, trug ich meinem Wegweiser mehre Male
auf, nach Wasser zu suchen, während ich selbst ausruhte;
er suchte, kehrte aber immer mit dem Ausspruche zurück, dass
‚er keines gefunden hätte. Ich ging dann endlich selbst und
fand Wasser im Ueberflusse. Wir kamen nun zu einem klei-
nern Flusse, und mein Wegweiser watete zuerst hindurch, indem
er meine Büchse trug. Ich bat ihn, nun zurückzukommen und
meine Kleider zu holen; aber vergebens; er setzte vielmehr
seinen Weg unbekümmert um mich fort, und obgleich er sich
für einen Augenblick zurückwendete und während der Flucht
meine Hülfe gegen ein schwarzes Rhinoceros (dessen Gleichen
hier in Menge vorkamen) anrief, erlangte er einen so grossen
Vorsprung, dass ich, während ich hindurchwatete und mich an-
kleidete, ihn nicht einholen konnte. Als die Abenddämmerung
eintrat, verlor ich ihn bald aus den Augen. Auf mein Rufen
erhielt ich einige Male eine Antwort aus der Entfernung, aber
allmählich hörte auch dies auf, und ich war ganz allein, von
wilden Thieren und Finsterniss umgeben, ohne andere Waffen,
als mit einem Stock, in meinen Händen. Endlich verlor ich
den Fusssteig und fand mich genöthigt, eines der kleinen knie-
hohen Acaciengebüsche herauszusuchen, welche so gern von dem
schwarzen Rhinoceros gefressen werden, schnitt mir in demsel-
ben mit meinem Messer einen Fleck bloss, welehen ich mit et-
was Gras, wie mit einem Bettkissen, bedeckte, und legte mich
von Hunger und Durst geplagt, um den Anbruch des Tages zu
erwarten, dort nieder. Verschiedene Male versuchte ich, Feuer
durch das Zerschlagen von Zündhütchen zwischen zwei Steinen auf
einem mit Pulver bestreuten leinenen Lappen zu erhalten. Hyänen
und Jakale beunruhigten mich unaufhörlich, und ganz in meiner
Nähe fing ein Löwe einen Blaubock, dessen Todesgeschrei,
vereint mit dem Brüllen des Löwen, eine Weile hindurch ein
grässliches Concert machte, obgleich es meine Rettung veran-
lasste. Die Hyänen näherten sich besonders ungescheut, und
ich ward verschiedene Male genöthigt, aufzuspringen, um sie
etwas zu entfernen. Das Wetter war kühl, aber still, der Him-
mel bewölkt, und entfernte Blitze erleuchteten dann und wann
mein elendes Lager. Endlich nahete der Tag heran und ich
machte mich, so erstarrt ich auch war, und so schwer mir das
Gehen wurde, da meine Füsse stark geschwollen waren, sogleich
auf, um nach Wasser'in einem entfernten kleinen Thale zu
wi 28°
418 Nachrichten von reisenden Nuturforschern.
suchen, aus welchem ich das laute Geschrei der Frösche dumpf
erschallen hörte, welches mir jetzt aus den melodischsten Tö-
nen zu bestehen schien. Nachdem ich meinen Durst gestillt
hatte, kehrte ich um und stiess auf einen Trupp Basutos, wel-
che, durch die Geier geleitet, dem Löwen den Rest seines
Raubes weggenommen hatten. Sie gaben mir nun die Richtung
an, welche ich zu verfolgen hätte, um zu ihrem Kraale zu ge-
langen. Ich kam endlich in diesem ganz und gar ermattet an
und fand daselbst mein Gewehr und die übrigen Sachen, welche
mein entlaufener Wegweiser getragen hatte; ihn selbst aber sah
ich nie wieder. Nachdem ich etwas geruht und mich erquickt
hatte, bekam ich einen neuen Wegweiser und erreichte beim
Sonnenuntergange einen kleinen Kraal, in welchem ich mich,
ermüdet, vor eine der Hütten niederlegte. Ich liess den Häupt-
ling des Dorfes rufen und durch ihn den Flüchtlingen nachspü-
ren , doch ohne Erfolg. Ich war in Wahrheit beinahe hoffnungs-
los; aber wie erstaunte ich, als ich kurz darauf meine beiden
Kaffern in den Kraal treten und sich meinen Händen überliefern
sah. Sie hatten meine Fussspuren auf den Fusssteigen gese-
hen und, beim Kraal angekommen, einige Weiber nach mir ge-
fragt. Nachdem diese geantwortet hatten, dass ich nicht lange
zuvor hindurch gegangen wäre, waren sie in aller Zuversicht
hereingegangen, um Nachtquartier zu nehmen, und waren so
überrascht, mich anzutreffen, dass augenblicklich alle ihre Pläne
zur Fortsetzung der Flucht verschwanden. Ich’ war nun schon
auf halbem Wege zum Commandanten Potgieter nnd beschloss
daher, ihn zu besuchen, um einige Männer vom Basutostamme
zu erhalten, auf welche ich mich verlassen könnte, und die mir
beim tiefern Eindringen in das Land nothwendig waren. Ich
kam auf's neue in Pillaan’s Residenz und nahm in derselben
Nachtquartier; er war aber nicht Willens, mir Wegweiser zu
seben, und ich setzte daher allein mit meinen beiden Kaffern
auf gut Glück meinen Weg fort. Der Elen-Fluss (Elands-Ri-
vier), welcher viel Wasser hatte, hielt uns auf; nach einigem
Suchen aber fand ich eine Stelle, welche in der Nacht von einem
Truppe von Büffeln benutzt worden war, und 'an welcher wir
durchwateten, nachdem ich erst einen Schuss abgefeuert hatte,
um die Krokodile von einem Anfall auf uns abzuschrecken.
Nun folgte eine sich weit erstreckende Ebene, auf welcher wir
vom Durste geplagt wurden, bis ein starker Gewitterschauer
uns etwas Wasser in Felsenhöhlen ergoss, welches wir begie-
rig austranken. Endlich kamen wir zum Kraale des Königs
Makatao am Makkalis-Berge, und nachdem ich die Nacht
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Nachrichten von reisenden Naturforschern. 419
hindurch dort geruht hatte, begab ich mich zum Hofe des Com-
mandanten Potgieter an der andern Seite des Berges, empfing
aber daselbst die Nachricht, dass er mit einem grossen Theile
der Booren zu einer Expedition nach der Dalagoa-Bai aufge-
brochen wäre. Diess war vermuthlich vortheilhafter für mich,
als wenn er zu Hause gewesen wäre, denn ich erhielt durch
die Veranstaltung Eines seiner Anverwandten drei von Maka-
tao’s Leuten. Ich bezahlte den König dafür zum Voraus mit
einer Kuh, wogegen er sich verpflichtete, dafür einzustehen,
dass die Leute vor der bestimmten Zeit, welche vier Monathe
betrug, nicht entwischten; falls dies geschähe, sollte er die
Kuh verlieren und diese dann an mich zurückfallen. Nun kehrte
ich so eilig, als möglich, zu meinen Wagen zurück und kam
am Neujahrsabende bei ihnen an. Schon in der Entfernung
liessen sich Schaaren von Aasvögeln über meinem Lager sehen.
Ich verstand sogleich die traurige Verkündigung. Koos war,
nachdem er ein paar Tage lang gesucht hatte, zu den Wagen
zurückgekehrt, und er sowohl, als Willem, waren unpässlich.
Alle Ochsen waren mehr oder weniger krank und einer schon
todt, welches Schicksal auch von den Eingebornen allen übri-
gen prophezeiht ward, wonach ich, obzwar zu spät, beschloss,
so eilig, wie möglich, von dieser den Ochsen so verderblichen
Stelle wegzuziehen. Nur acht waren noch so gesund, dass sie
vorgespannt werden konnten, und durch sie ward erst der eine
Wagen ein paar Stunden Weges weit fortgezogen, dann wurden
sie zurückgeleitet, um den andern Wagen zu holen. Auf diese
Weise glückte es, in acht Tagen mit vieler Mühe meine Wa-
gen nach der Stelle zurückzubringen, an welcher ich zuerst am
Mohopaani angekommen war. Die Wegesstrecke für diesen
meinen unglücklichen Rückzug war durch zehn Ochsenleichname
bezeichnet. Doch starben auch alle Ochsen, deren Erhaltung
mir bis dahin geglückt war, obzwar einige sich noch über einen
Monath lang hinschleppten. Die Ursache dieser Sterblichkeit
war, wie einige Eingeborne mich versicherten, eine fatale Art
Fliegen, von ihnen Zeze genannt, von welcher ich einige Exem-
plare mitgenommen habe; sie ist von der Grösse der gemeinen
Stubenfliege und findet sich an jener ungesunden Stelle in Menge.
Ich habe sie nirgends anderswo bemerkt. Auch Hunde werden
von ihr getödtet, aber erst nach einer abzehrenden Krankheit.
Für den Menschen ist ihr Stich zwar lästig, aber übrigens nicht
gefährlich. Auch die Auswanderer sehen diese Fliege für die
Krankheitsursache an; doch scheinen mir eine ungesunde Ve-
getation und ein ungesundes Klima eher als solche zu betrach-
u
dur;
420 Nachrichten von reisenden Naturforschern.
ten zu seyn. Ich war nun von Zugvieh, und, was: noch schlim-
mer war, von Geld, um mich mit demselben auf’s neue zu ver-
sehen, entblösst. Hier gab es keinen andern Ausweg, als ent-
weder den einen Wagen im Tausche wegzugeben, oder auch
Elephanten zu erlegen und mir für Elfenbein Zugyieh einzutau-
schen. Ich beschloss das Letztere, brach zu Fusse mit: Wil-
lem, meinen beiden Kaffern und beiden Basutos, am 31. Ja-
nuar auf und liess Koos zurück, um nach den Wagen zu sehen.
Wir zogen von neuem über die Mohopaaniberge und von da in
nordwestlicher Richtung durch die blaue Waldebene. Meine
Basutos trugen mir zwar allerhand Geschichten vor, um mich
von meinem Vorhaben abzuschrecken; aber vergebens. Sie
sagten unter Anderm, man verfiele, während das Gras so hoch
stände, allgemein in eine gefährliche Krankheit, und in diesen
Monathen wagte Niemand aus ihrem Stamme, sich in diese Ge-
genden zu begeben. An jedem Abende liess ich sie eine Laub-
hütte errichten, in welcher ich und Willem schliefen. Unser
ganzer Mundvorrath bestand in einem kleinen Beutel voll Reiss
und einer Ochsenblase mit gebranntem und gemahlenem Kaffee;
aber es fand sich Wild im Ueberflusse, so dass wir immer
Fleisch vollauf hatten. Am vierten Tage nach unserm Aufbru-
che, da wir bei einem starken Gewitterregen Quartier in einem
alten verlassenen Kraale genommen und eine der Hütten, nach-
dem wir zuvor deren Bewohnerin, eine Schlange, todt geschla-
gen, eingerichtet hatten, tranken wir zum ersten Male Kaffee,
welcher in einem alten, schlecht beschaffenen Kaffer-Thonkruge
zubereitet worden war, zu dessen Deckel ein Stück vom Schä-
del eines Rothbocks benutzt ward. Am fünften Tage kamen
wir an den Vereinigungspunct des Moriqua und des Limpopo,
nahmen dort für einige Tage Quartier, entdeckten frische Ele-
phantenspuren und erhielten einen dieser Riesen, Wir zogen
nun drei Tagereisen weit aufwärts längs des Moriqua durch
einen ununterbrochenen Wald, in welchem es uns glückte, ver-
schiedener Elephanten habhaft zu werden. Bei den Äsern ge-
sellte sich zu den Geierschaaren die ansehnliche Ciconia Argala.
Rhinoceros - und Büffelfleisch war unsere vorzüglichste Speise,
oder sonst auch Rothbocksfleisch, welches geröstet in geschmol-
zenem Elephantenfett umgekehrt wurde. In unseren Hütten
plagte uns manche Nacht hindurch eine Art grosser schwarzer
Ameisen, welche einen sehr starken Knoblauchsgeruch verbrei-
tete, und deren Biss schmerzhaft war. Einmal stach mich auch
ein Skorpion; doch war die Geschwulst nicht von Bedeutung.
Da wir merkten, dass unsere Basutos, welche jetzt eine an-
' Nachrichten von reisenden Naturforschern. 421
sehnliche Menge Fett zusammengebracht, auszureissen Lust
hatten, so liess ich alle Abende ihre Hassagaien und Aexte in
meine Hütte bringen und verhinderte sie solcherweise daran,
uns im Stiche zu lassen, indem sie einen zu grossen Werth auf
jene ihre Waffen legen. Ich wandte mich nun zur Vereinigungs-
stelle der Flüsse zurück, und meine Leute waren in Wahrheit
mit Fett und Elephanteuzähnen schwer beladen. Am 2. März
dort angelangt schickte ich fünf Basutos nach meinen Wagen,
jeden mit einem Elephantenzahne beladen, um Koos, welcher
dort geblieben war, Nachricht von uns zu geben. Das übrige
Elfenbein wurde nebst einigen Sammlungen in einem Kraale
gelassen, welcher unter der Herrschaft des Königs Sichela
stand, und wir wandten uns von neuem, längs des Limpopo
ziehend, gegen N.W. Bald setzte uns der Moriqua ein Hinder-
niss in den Weg; es fand sich, dass dieser Fluss tief und was-
serreich war. Ich dachte zuerst an die Verfertigung einer Flösse,
um hinüber zu kommen; da aber das Baumaterial spärlich war
und ich eine Stelle fand, an welcher Weidenbäume bis beinahe
zur Mitte des Flusses standen, wurde der Plan geändert. Ein
hoher Baum ward gefällt, welcher mit grossen Aesten versehen
war. Diesen brachten wir an das Ufer, richteten ihn dort mit
vieler Mühe auf und liessen ihn über das Wasser fallen, so
dass er eine Brücke bildete, welche freilich in das Was-
ser hinabsank, auf welcher wir aber doch knietief hinüber-
kletterten. Ich und Willem brachten zuerst die Gewehre und
die Ammunition nebst den übrigen Sachen hinüber; dann folg-
ten meine Leute. Schon waren alle glücklich auf der andern
Seite, mich, der ich zurückgekehrt war, und meine beiden Zoo-
lukaffern, ausgenommen. Ich ging nun hinüber und war eben
am andern Ufer angelangt, als ich ein schreckliches Plätschern
hinter mir hörte und den Einen meiner Kaffern, welcher mir gefolgt
war, in einem der Weidenbäume aufspringen sah und zugleich
ein ungeheures Krokodil erblickte, welches wieder in’s Wasser
hinabtauchte, nachdem es versucht hatte, den Kafler zu pa-
cken, woran aber die Aeste meiner Brücke es verhindert hatten.
Es erhob den Kopf noch mehre Male aus dem Wasser, nach
einem andern Opfer umschauend, erhielt aber statt dessen einen
Schuss, nach welchem es sich nicht wieder blicken liess. Mit
der grössten Schwierigkeit vermochte ich nun nur, den an der
obern Seite sich befindenden Kaffer dahin zu bringen, über den
Fluss zu gehen, obgleich ich sowohl, als Willem, mit scharf-
geladenen Gewehren zu seinem Schutze bereit standen; er
weinte und klagte laut und beschuldigte mich, ich wollte ihu
422 Nachrichten 'von reisenden Naturfors ‚her S
vorsätzlich umbringen lassen. Endlich war ich genöthigt, zu
drohen, dass ich ihn im Stiche lassen würde, da er dann zu-
letzt Muth fasste und auch unbeschädigt herüber kam. Die
beiden Mohozutzen. welche bei uns waren, äusserten die höch-
ste Verwunderung über die Kraft des Schiessgewehrs, mit wel-
cher sie ganz unbekannt zu seyn schienen. Der Limpopo nahm
nun mehr und mehr eine grossartige Natur an; sein Bett war
von ansehnlicher Breite, reich an kleinen Inseln, und seine Ufer
waren mit» den schönsten Bäumen von der Welt bewachsen.
Wildprett war hier im Ueberflusse. Am fünften Tage nach dem
Uebersetzen über den Moriqua und beständig dem Ufer des.
Limpopo folgend gelangte ich an einen andern Fluss, den Not-
toaan, welcher von Westen kommt und sich in den Limpopo
ergiesst. Hier fanden sich Elephanten, Flusspferde, Nashörmer
und Büffel in Menge, und zwei der Erstgenannten wurden er-
legt. Hier erhielt ich auch den schönen Tantalus rhodinopterus.
Ich durchwatete den Nottoaan und folgte dem Limpopo noch
eine starke Tiagereise weit. Der Lauf des letztern war die
ganze Zeit hindurch nach N.N. W. gegangen; nun aber wendete
er sich für eine kurze Strecke schnell nach beinahe S.O., wo-
nach er eine nordöstliche Richtung nahm. Am folgenden Tage,
an welchem meine Basutos nieht dazu vermocht werden konn-
ten, weiter mitzugehen, aus Furcht vor Masilikari, dessen
Gebiete wir jetzt nahe waren, wanderte ich mit Willem eine
Höhe hinan, kletterte auf einen hohen Baum und überschaute
das Land von dieser Stelle, an welcher mir durch unglückliche
Umstände die Gränze für mein weiteres Vordringen in dieser
Richtung gesetzt ward. Unermessliche Wälder zeigten sich
auf allen Seiten; gerade im Norden blickten drei hohe, tafel-
förmige Berge hervor, und nach ©.N.O. befanden sich eben-
falls ansehnliche Berge in der Entfernung einer Tagereise, in
ihrer Nähe aber strömte, nach der Aussage ‘der Eingebornen,
der starke Motozifluss nach Osten, um sich mit dem Limpopo
zu vereinigen, welcher noch drei andere ansehuliche Zuflüsse
aus Norden, nämlich durch den Tsjatsje, den Tuulue und den
Mozingoane, empfängt. Von Süden her ergiessen sich der Ma-
halakoäne, vun den Booren der kleine Nilfluss genannt, der
Mokeezi, Djätälä, Levubu und Lepenula in ihn, und nach ihrer
Aufnahme soll der Ooli oder Limpopo eine Breite von 16—1700
Schritten bekommen. Er ergiesst sich schliesslich in das Meer,
oberhalb der Dalagoabai. — Ich trat nun meinen Rückzug an,
worüber die schwarzen Begleiter so erfreut wurden, dass sie
all Abende beim Feuerscheine tanzten und sangen. Hier bekam
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Nachrichten von reisenden Naturforschern. 423
ich Ciconia Argala und Haleyon rufiventer., Als ich nahe an
einem von Sichela’s Kraalen vorüber kam, erhielt ich sieben
Kaffern, um meinen Leuten die Elephantenzähne und übrigen
Sachen tragen zu helfen; aber schon in der ersten Nacht ent-
wischten vier von ihnen. An einem der folgenden Tage, an
welchem ich zur Kost für die Leute nicht eher, als gegen Abend,
Wild erlegen wollte, weil ich aus Erfahrung wusste, dass ich
sie dann von demselben vor dem Ablaufe vieler Stunden nicht
_ abbringen würde, und wir gegen Sonnenuntergang in eine Ge-
gend kamen, in welcher das Wild sparsam war, hatte ich das
Unglück, keines zu erhalten. Als wir nun Nachtquartier mach-
ten, suchten meine hungrigen Basutos ein Stück in der Sonne
getrockneter Büffelhaut, von einem beim Einzuge erlegten Büf-
fel, hervor, brieten es, schlugen es zwischen zwei Steinen
mürbe und verzehrten diese in Wahrheit trockne und unappe-
titliche Speise; aber am folgenden Tage liess ich sie an ver-
schiedenem Wilde sich enischädigen. Nachdem wir wieder über
den Moriquafluss gegangen waren, und zwar etwas höher hin-
auf, als das erste Mal, durch eine Furt, indem der Fluss jetzt
nicht so wasserreich war, empfing ich durch Einige von Si-
cehela’s Leuten die verdriessliche Nachricht, dass Koos Jou-
bert, welchen ich bei den Wagen gelassen hatte, krank wäre.
Ich beeilte desswegen meinen Rüchmarsch so sehr, als möglich,
und kam am Mittage des 22. März bei meinen Wagen an, wo
ich zu meiner grossen Freude Koos schon wiederhergestellt
fand. Ich schickte nun Willem mit einer hinreichenden Menge
Elfenbeins zu den Booren, um mir für dasselbe ven ihnen Och-
sen einzutauschen. Am 30. begab ich mich nebst Koos wie-
derum von den Wagen weg, nachdem ich zwei Kaffern bei ih- .
nen zur Aufsicht gelassen hatte. Wir lagerten uns in mehr als
einer Tagereise Entfernung vom Lager an einem kleinern Flusse.
Hier wurden mehre Giraffen erlegt. Ich präparirte eine Haut
und ein Skelett von diesem schönen Thiere und legte ein paar
Fetus in Weingeist. Vergebens suchte ich hier den von Smith
beschriebenen Rhinoceros Keithloa, obgleich wir eine ansehn-
liche Anzahl schwarzer und weisser Nashörner tödteten. Am
21. April begab ich mich etwas näher an die Wagen, wobei die
auf dieser Excursion von mir gesammelten Sachen von den Ba-
sutos getragen wurden. Das Lager wurde auf's neue am Inko-
lubefluss aufgeschlagen, und ich präparirte daselbst verschiedene
Exemplare der Antilope ellipsiprymnos, hatte auch endlich am
24. die Freude, Willem mit 18 Ochsen zurückkommen zu
sehen. Um, wenn es möglich wäre, Aufklärungen über das
424 Nachrichten von reisenden Naturforschern.
Keithloa-Nashorn zu erhalten, beschloss ich, noch einen ver-
zweifelten Versuch zu machen, eine Excursion nämlich zu Fusse
nach dem Montili-Flusse, an welchem nach der Benachrichti-
sung einiger Eingebornen dies Rhinoceros sich aufhalten sollte.
Ich brach demzufolge am 14. Mai mit Willem und Koos auf
und richtete meinen Weg nach S.O. Nachdem wir aber die
Gegend vis zum Tjoane und Moritili hin vergebens durchsucht
hatten, wendeten wir uns zu den Wagen zurück und kamen bei
ihnen am 28. an, nachdem wir nur zwei Elephanten nebst ge-
meinem Wildprett erlegt hatten. Am 11. Junius begannen wir
mit unseren Wagen langsam den Rückzug. Wir erlegten fast
alle Tage schwarze Nashörner, weil ich die Haut von einem
solchen zu erhalten wünschte und es beinahe unmöglich war,
eine vollständige zu bekommen. An der einen fehlte der halbe
Schwanz, eine andere hatte verstümmelte Ohren, eine dritte
war voll von grossen Wunden, die Hörner waren beschädigt, u.
s. m. Am Ende erhielt ich eine in ziemulich gutem Zustande.
Am 14. Julius kam ich durch den Aufenthaltsort des Comman-
danten Potgieter; er selbst war wegen der Expedition nach
der Dalagoa abwesend. Am 21. wäre um ein Haarbreit am Moiie-
flusse alle meine Mühe zu Wasser geworden. Meine Wagen
standen abgespannt in dem dürren und hohen Grase, und dieses
fing durch die Unvorsichtigkeit Eines meiner Kaffern beim Essen-
kochen Feuer, welches, da ein starker Wind wehte, augenblicklich
um sich griff und Alles in ein Feuermeer verwandelte. Ich und
Koos, die wir in der Nähe mit der Zubereitung einer Blau-
bockshaut beschäftigt waren, eilten sogleich hinzu und waren
so glücklich, vom Winde begünstigt, das Feuer von den Wa-
gen abzuwehren, obzwar unsere Kieider ganz verbrannten. Es
ist mehrmals geschehen, dass Wagen auf diese Weise zu Scha-
den gekommen sind. Am 25. kam ich zu Walmarans am
Moiieflusse, demselben Manne, von welchem Willem die
Ochsen erhalten hatte. Es kam mir jetzt in den Kopf, dass
ich nach so lange versäumter Zeit nicht zurückreisen dürfte,
ohne die angenommenen und beschriebenen Rhinocerosarten
ausgeforscht zu haben; ich beschloss daher, hier ein Haus für
meine Sammlungen zu miethen, diese dort zu lassen und mich
auf eine neue Expedition in nordöstlicher Richtung zu begeben.
Dies wurde auch bewerkstelligt, und ich brach nach einigen
Vorbereitungen mit meinen beiden Wagen am 1. August auf.
Bei den Makkalisbergen angelangt wurde ich vom Commandan-
ten Gerdt Krüger angehalten, welcher sagte, er hätte Be-
fehl bekommen , mich nicht passiren zu lassen, mir aber doch
Nachrichten von reisenden Naturforschern. 425
nach einiger Unterredung Erlaubniss ertheilte, bis zum Affenflusse
zu reisen, auch hinzufügte, dass, wenn die nach der Dalagoa-
bai abgegangene Sendung der Booren unter Potgieter zurück-
gekommen seyn würde, ich so weit, als ich es wünschte und
vermöchte,, in’s Land eindringen könnte. Sehr froh über diese
ungewöhnliche Willfährigkeit gegen mich setzte ich meinen Weg
über den Tjoane und Moritili fort, und, nachdem ich erfahren
hatte, dass das erwähnte nach der Dalagoabai bestimmt gewe-
sene Commando im Anzuge wäre, ging ich demselhen entgegen,
um Neuigkeiten aus jener Gegend zu hören. Aber wie wurde
ich hier empfangen!? Potgieter berichtete zuerst im allgemei-
nen, dass die Eingeborenen Feindseligkeiten wider ihn angefan-
gen hätten, und äusserte, dass er gleich nach der Heimkehr ein
Commando gegen sie beordern würde, ferner, dass es unter
solchen Umständen seine Pflicht gegen mich wäre, mich nicht
weiter ziehen, noch dort verweilen zu lassen, wo mich ein ge-
wisser Tod erwartete. Da ich aber dem Verhalten der Dinge
etwas genauer nachforschte und deutlich befand, dass Alles Un-
wahrheit und nur zusammengeschmiedet war, um mir in meinem
Vornehmen hinderlich zu seyn, und ihm dies zu verstehen gab,
'ertheilte er mir sogleich Befehl, umzukehren,, wollte mir auch
anfangs nicht einmal erlauben, einige Tage an der Stelle, an
welcher ich jetzt war, zu verweilen. Ich sagte ihm von der
Erlaubniss, welche Krüger mir gegeben hatte; aber das half
zu nichts. Er erklärte, dass, wenn ich nicht gehorchte, er
einen Feldcornett mit Mannschaft ausschicken müsste, um mich
gefangen zu nehmen, und die Kosten dafür würde ich gezwun-
gen werden zu bezahlen, Dies fürchtete ich, die Wahrheit zu
sagen, weit weniger; was mich hier aber beinahe zum Nachge-
ben zwang, war die Gewissheit, dass er, falls ich nicht nach-
gäbe, den Eingebornen heimlich Befehl ertheilen würde, mir zu
schaden, welchem diese gewiss eifrig würden nachgekommen
seyn. Am ersten Abende blieb er unbeweglich, und ich hatte
eine schlaflose Nacht über den Gedanken an die Vereitlung
meiner Hofinungen; aber am folgenden Morgen, wo ich ihn noch
einmal vor seiner Abreise besuchte, erlaubte er, dass ich einige
Tage da, wo ich war, bleiben könnte, doch nicht weiter ziehen
dürfte. Aber schon am zweiten Tage nach seiner Abreise setzte
ich meinen Weg nach dem Mahallakoäna fort, bei welchem ich
zwei Tage darauf ankam.
Hier war das Gras so schlecht, dass ich für meine Och-
sen zu fürchten anfing, deren Abmagerung mich zwang, bald
nach der Stelle hin wieder umzukehren, von welcher ich
426 Nachrichten von reisenden Naturforschern.
gekommen war. Dort beschloss ich, weil das Gras daselbst ziem«
lich gut war, die Ochsen und die Wagen zurückzulassen und wie-
der eine Excursion zu Fusse zu machen. Ich liess Willem
bei den Wagen und begab mich mit Koos zum Könige Ran-
dequan, welcher neben den Quellen des Moritili wohnte, und
kam nach einem Marsche von sechs Tagen dahin; aber auch
dort konnte ich über die Nashörner keine nähere Auskunft er-
halten. Der König und seine Leute redeten die Zulu- Sprache,
wohnten in einer an Bäumen sowohl, als Gesträuchen, ganz
leeren Gegend und benutzten zur Feuerung trocknes Schilfrohr,
Schilfgras und Kafferkornstengel. Ich miethete von dem Könige
zehn Mann zu meiner Begleitung, und wir schlugen nun. die
Richtung nach dem Musi-Fluss ein, gingen durch denselben
und begaben uns nach dem Umslabezi. “Unterwegs entfernte
ich mich zu weit beim Verfolgen des Wildpretts und kam von
meinen Leuten ab, denen ich nach ungefährer Richtung folgte.
Nach dem Umslabezi gekommen ‚schoss und schrie ich, erhielt
aber keine Antwort und sah mich gezwungen, wieder ganz allein
Nachtquartier zu machen. Ich bereitete mein Lager recht auf
dem Flussufer am Rande eines Gebüsches und hatte Truppe
von Perlhühnern und Affen, welche in den Bäumen über mei-
nem Feuer schliefen, zur Gesellschaft. In der Nacht hörte ich
Krokodile sich auf dem Sande hinschleppen und auch im Was-
ser plätschern. Zeitig am Morgen erstieg ich eine kleine Höhe,
feuerte dort einen Schuss ab und hatte die Freude, kurz darauf
Koos mir antworten zu hören. Wir fanden uns, und ich em-
pfing die Nachricht, dass neun von Randequan’s Leuten in
der Nacht ausgerissen wären. Nun hatte ich nicht mehr, als
vier Schwarze bei mir, welche allein schwere Lasten tragen
mussten. Wir setzten unsern Weg dessenungeachtet noch ein
paar Tage hindurch längs des Umslabezi fort und kamen an den
Lepenula. Dies ist ein schöner und wasserreicher Fluss; man
konnte es sehen, dass er vorzüglich während der Regenzeit
weit aus seinen Ufern tritt und eine ungeheure Wassermasse
enthält. Sein Bett lief auf lange Strecken durch Berge, und hier
war der Fluss schmal, aber tief, zwischen lothrechten Felswän-
den dahinströmend. Koos war so glücklich, hier am 14. Sep-
tember einen ansehnlichen Elephanten, ungefähr eine Stunde
Weges vom Fluss entfernt, zu erlegen, und ich beschloss, ob-
wohl ich nur wenige Arbeiter hatte, dennoch, diesen zu skelet-
tiren. Zu dem Ende lagerten wir uns zwischen den dornigen
Acacien dicht neben den Leichnam und liessen dort eine Laub-
hütte aufführen, deren Dach ich mit der Elephantenhaut bedeckte,
Nachrichten von reisenden Naturforschern. 427
wonach die Arbeit ganz schnell vor sich ging. Am andern Tage
gegen Abend war der Elephant zergliedert und das dickste
Fleisch abgeschnitten, worauf Koos mit Einem der Kaffern zu-
rückkehrte, um den einen Wagen zu holen. Während der acht
Tage, welche bis zu seiner Wiederankunft verflossen, vollführte ich
mit drei Schwarzen den übrigen Theil des mühsamen Skeletti-
rens und hieb einen Weg durch den Wald aus, damit der Wa-
gen hindurch kommen konnte. Viele Plage hatte ich von den
Hyänen, welche durch den abscheulichen Gestank, den ich aus-
zustehen genöthigt war, dahin gelockt worden waren. Ich ver-
wundete und tödtete mehre von ihnen. In der letzten Nacht
kamen auch Löwen, um mich zu stören. Ich hatte zu der Zeit
das Skelett fertig und die sämmtlichen Knochen in einem Kraale,
dicht neben meiner Hütte, verwahrt. In der Nacht wurde ich
vom Gebrülle eines Löwen geweckt und hörte ihn etwas Hartes
zerbeissen, auch die Zweige des Kraals rauschen; als ich aber
nachforschte und nachdem ich das erloschene Feuer wieder an-
gezündet hatte, fand ich zu meiner Freude die Knochen unbe-
schädigt. Ich hörte deutlich die Löwen, ‘deren jetzt mehre da
waren, in den nahen Gebüschen von dem Fleische des Elephan-
ten fressen , konnte aber vor der Dichtiskeit des Gebüsches sie
nicht sehen, und als es tagte, zogen sie brüllend ab. Koos
kam nun mit dem Wagen wieder an, wir luden das Skelett
hinauf und begaben uns auf den Rückweg. Am 25. fand ich
am Wege einen jungen Elephanten, wahrscheinlich vom Hun-
ger getödtet, und da er unbeschädigt war, so nahm ich die
Haut von ihm. Am folgenden Tage war ein erschreckliches
Gewitter , bei welchem Hagel von der Grösse eines Gänseeies
fiel, der grösste, welchen ich in meinem Leben gesehen habe.
Die Schlossen waren rosenförmig und an den Enden abgeplat-
tet. Zweige und Rinde wurden von ihnen abgeschlagen, Bäume
und Felder fürchterlich verheert. Am 28. erreichte ich meine
Wagen und empfing dort die entsetzliche Nachricht, dass vier
meiner Basutos von einer andern Partie ihrer Landsleute
ermordet und auf dem Gipfel eines Bergs begraben wor-
den wären, aber auch die erfreuliche, dass Willem das
Glück zu Theil geworden, ein Keithloa-Nashorn zu erle-
gen, dessen Haut er präparirt hatte. Ich bekam noch ein Indi-
viduum, dessen Kopf ich aufbewahre. ‘Nachdem ich dieses als
neue Species beschriebene Thier gesehen habe, dessen habhaft
zu werden mir so unglaublich viel Zeit und Mühe gekostet hat,
kann ich nicht umhin, den Ausspruch zu thun, dass ich meines
Theils an der Selbstständigkeit desselben als Species zweifle,
428 Nachrichten von reisenden Naturforschern.
ja dass ich fast das Gegentheil mit Sicherheit zu behaupten
wage. Ich habe eine sehr grosse Anzahl schwarzer und weisser
Nashörner selbst getödtet und tödten lassen und an ihnen die
Beobachtung gemacht, dass die Hörner bei den beiden Arten,
in der Gestalt sowohl, als der Grösse und der Farbe stark va-
riiren. Im allgemeinen haben die Weibchen die längsten Hör-
ner, aber die Männchen viel dickere. Die hinteren Hörner der
alten Weibchen des schwarzen Rhinoceros sind fast immer über
halb so lang, als das vordere, da hingegen jene bei den Männ-
chen die Hälfte des letztern nicht erreichen. Die beiden Keith-
loa, welche mir zu Theile wurden, waren beide Weibchen, und
ich erstaunte in der That, als ich, in der Kapstadt angekom-
men, aus des Doctors Smith Beschreibung ersah, dass das
Individuum, welches er erhalten hatte, ein Männchen gewesen
war; denn dieses widerstritt ganz und gar der Ansicht, welche
ich von der Sache gefasst hatte. Höchst neugierig bin ich in-
dessen darauf, dies Exemplar zn sehen, welches sich im Bri-
tish Museum befindet. Ich beeilte nun so sehr, als müg-
lich, den Rückzug und kam am 13. October an den Moiiefluss,
miethete zwei Wagen für meine dort gelassenen Sammlungen
und begab mich am 24. nach Pietermoritzburg, wo ich ohne
weitere Abenteuer am 14. November anlangte. Ich verweilte
daselbst, packte meine Sammlungen ein, vernahm, dass Todes-
gerüchte sich über mich verbreitet hätten, bekam endlich meine
Briefe aus Schweden und begab mich am 18. December nach
der Bai von Port Natal, ging an Bord des Schoners the Rose-
bud, verliess mit höchst getheilten Gefühlen das schöne Nata-
lien, in welchem ich mich 5%, Jahre lang aufgehalten hatte,
und kam am 28. December in der Kapstadt an, in welcher ich
vom Herrn Consul Letterstedt, wie gewöhnlich, mit der
grössten Güte empfangen wurde. Ich wohne jetzt in einem sei-
ner Häuser hier in der Stadt, und am Neujahrstage war ich
auf seinem vortrefllichen Landsitze in Rondebosch. Er rieth
mir, jetzt nicht gleich abzureisen, weil ich dann in einer un-
passenden und gefährlichen Jahreszeit nach Europa kommen
würde, sondern lieber hier einige Monathe hindurch meine
Thätigkeit fortzusetzen. Da mir nun noch ein grosser Theil
der Seevögel fehlt, so habe ich auf eine Excursion nach der
Saldanhabai gedacht, durch welche ich denn auch Gelegenheit
bekommen werde, deren Reichthum, den so hoch gepriesenen
Guano, kennen zu lernen. In den ersten Tagen meiner An-
kunft hier erstaunte ich und schämte ich mich, als ich bemerkte,
dass ich grossentheils vergessen hatte, meine Muttersprache
429
zu reden. — Baron von Ludwig hat mir mit gewohnter Güte
wiederum die Benutzung seiner reichen Bibliothek angeboten. —
Dem Hrn. Zeyher ist es endlich geglückt, sich Samen von der
Gattung Retzia zu verschaffen, von welchem auch mir ein Theil
versprochen worden ist.“ — — —
' | | [Cr.]
xViHiI.
Kürzere Mittheilungen.
Ueber die Bildung der Hemisphären und des Mark-
bogens des Gehirns*).
Pr Ä
En Mer Sitzung d. Ak. am 13. Novbr. 1844 führte Hr. A. Retzius
an, dass, obgleich Mehre der ausgezeichnetsten Anatomen unserer
Zeit, und unter ihnen vorzugsweise Tiedemann, mit einer
bewundernswürdigen Genauigkeit die allmähliche Entwickelung
des menschlichen Gehirns verfolgt, auch das Naturgesetz dar-
gelegt oder erkannt hätten, dass dieselbe die verschiedenen,
den niedreren Thierclassen angehörenden Formen durchlaufe,
man doch bei der Anwendung dieser Vergleichungen aus ihnen
den Vortheil nicht gezogen hätte, den sie für die Wissenschaft
darböten, welches besonders von der Entwicklung der Hemi-
sphären selbst gölte; Tiedemann hätte zwar gezeigt, dass
diese sich von vorn nach hinten, die vorderen zuerst, die hin-
teren zuletzt, bildeten; aber ungeachtet drei Jahrzehende bei-
nahe seit der Erscheinung seines classischen Werkes, Anatomie
und Bildungsgeschichte des Gehirns im Fötus des Menschen,
vergangen wären, sei doch die Ernte für die Lehre von den
Verrichtungen der verschiedenen Theile allzu gering gewesen.
Hr. Retzius hatte von Zeit zu Zeit unter einem stark
concentrirten Weingeiste Gehirne menschlicher Embryone, wenn
”) Öfversigt af K. V. A. Förhandl. Ärg. 1. Nr. 9. S. 194.
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I RE: a; |
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430 EN
solche frisch zu erhalten waren, präparirt. Die noch halb füs-
sigen Organe ersteifen durch die Einwirkung des Spiritus und
können, solcherweise von ihren Membranen befreit, auch, in
derselben Flüssigkeit aufgehängt, mit Beibehaltung ihrer na-
türlichen Formen aufbewahrt werden. Nach solehen Präparaten,
welche sich jetzt im Museum des Carolinischen Instituts aufge-
stellt befinden, hatte Hr. R. eine Anzahl von Zeichnungen an-
fertigen lassen, welche jetzt vorgelegt wurden. Es ging aus
ihnen hervor, dass sich die Hemisphären des Gehirns während
dreier Hauptperioden, je nach den drei verschiedenen Lappen
der Hemisphären, bilden. In der ersten Periode, welche in
den zweiten und dritten Monath fällt, bilden sich nur die vor-
deren Lappen, in der zweiten, welche am Ende des dritten
Monaths, im vierten und einem kleinen Theile vom fünften Mo-
nathe Statt hat, kommen die beiden mittleren und nach dieser
Zeit die hinteren Lappen hinzu. Während der ersten Periode
fehlen die herabsteigenden Hörner der Seitenventrikeln und auch
die Pedes Hippocampi. In der zweiten Periode kommen diese
hinzu. Während eines grossen Theils der ersten Periode he-
decken die Hemisphären die Thalami nervorum opticorum nicht;
in der zweiten Periode wölben sie sich’ vollständig über diese
Theile, nähern sich den grossen Vierhügeln, bedecken deren
Vordertheil und steigen daneben an den Seiten des Gehirnstam-
mes hinab, gleichsam um denselben zu umfassen. Hat man
ein Gehirn aus dieser Bildungsperiode vor sich, so möchte man
sich nach dessen Aeusserm leicht vorstellen können, dass der
hintere Rand der Hemisphären ihren bleibenden Hinterenden
und Rändern entspräche; aber so verhält es sich nicht. Oeffnet
man sie, so gelangt man unmittelbar in die herabsteigenden
Hörner der Seitenventrikeln, in welchen man die Rudimente zu
den grossen Pedes Hippocampi antrifit. Weiterhin im vierten
Monathe entsteht eine kleine flache Kerbe am hintern Rande
der Hemisphären; derjenige Theil dieses Randes, welcher ober-
wärts an die Kerbe gränzt, ist das erste Rudiment zu den hin-
teren Lappen der Hemisphären. Diese, welche folglich eine
längere Zeit hindurch nur rudimentär sind, fangen über den mitt-
leren Lappen an, nehmen nach und nach ihren hintern Rand
ein, folgen diesem während der fortlaufenden Entwicklung bis
zu den Seiten des Gehirnstammes hinab, und endigen sich an
dem Theile der mittleren Lappen, welcher in den P. Hippo-
campi tritt. Noch an dem Gehirne des reifen Fetus sowohl,
€
als auch in dem ausgebildeten Gehirne älterer Personen sind
sie besonders an der gegen die Sichel liegenden lothrechten
431
Seite jeder Hemisphäre von den mittleren Lappen durch eine
sehr tiefe, ästige Furche sehr gut getrennt.
Nachdem : Joh. Müller es so vollständig bewiesen hat,
dass die von älteren Zeiten her als die Hemisphären angesehe-
nen Lappen des Fischgehirns den Corpora quadrigemina nebst
dem Lobus ventrieuli tertii entsprechen, scheint auch Arsaky’s
und Carus’s Annahme der Analogie der vorderen Lappen mit
den Hemisphären ausser allen Zweifel gesetzt zu seyn. Beim
grössten Theile der Fische enthalten jedoch diese Lappen keine
Höhlen und können demnach nur als den Gebilden des Hirn-
stammes ‚analog betrachtet werden, aus denen die Hemisphären
sich entwickeln (Corpora striata, nach Tiedemann, a. a. O.),
oder, mit anderen Worten, dem grössten Theile der Fische
fehlen die Hemisphären, an deren Stelle sie nur die genannten
Rudimente besitzen. Bei den Plagiostomen unter den Knorpel-
fischen, bei denen diese Partien eine weit grössere Entwick-
lung erreicht haben, enthalten sie Ventrikeln. Sie sind bei
ihnen, wie schon Arsaky gezeigt hat, wirkliche Hemisphären
und müssen als solche für analog mit den vorderen Lappen der
Hemisphären bei den höheren Thieren gehalten werden. Bei den
Amphibien und Vögeln giebt es deutliche Hemisphären mit Ven-
trikeln; aber. bei beiden fehlen die herabsteigenden Hörner und
die Pedes Hippocampi, oder ,„ mit anderen Worten, die mittle-
ren Lappen; ihre Hemisphären sind folglich auch den’ vorderen
Lappen ‚unsers Gehirns analog. Bei allen Säugthieren kommen,
so viel man weiss, die herabsteigenden Hörner der Seitenven-
trikeln nebst den P. Hippocampi vor; aber die hinteren Hörner
dieser Ventrikeln fehlen nebst den hinteren Lappen bei ihnen,
mit Ausnahme der Quadrumanen. Man nimmt zwar an, dass
- die hinteren Hörner der Seitenventrikeln bei den Cetaceen und
Phocaceen vorkämen; aber sie sind bei ihnen so rudimentär,
dass man.es' mit Recht nicht annehmen kann, dass sie in die-
ser Hinsicht eine Ausnahme von den übrigen Säugthieren mach-
ten. So sind auch die hinteren Lappen beim Orang Utang so-
wohl, als bei den übrigen Quadrumanen, deren Gehirne Hr, R.
Gelegenheit gehabt hat zu sehen, durch keine eigne, bestimmte
Furchen: getrennt, wie beim Menschen, aus welchem Grunde
sie auch als unvollkommen entwickelt betrachtet ' werden kön-
nen. — Es scheint demnach als ein Naturgesetz anzunehmen
zu seyn, dass die Hemisphären bei den Säugethieren nur aus
den vorderen und mittleren Lappen bestehen, und dass der
Mensch allein mit einem Gehirne ausgerüstet ist, dessen He-
HET | | A 29
432
misphären vollständige, jede für sich beein ori
begränzte, Lobi anteriores, medii und postici besitzen.
Nach der gewöhnlichen Weise, den Rang der Organe ich
deren fräherer oder späterer Entstehung beim Embryo, wie
auch ihrem Vorkommen bei niedreren oder höheren Thieren,
abzuschätzen, würden die vorderen Hemisphären die niedrigste,
die mittleren die folgende und die hinteren die höchste, Stufe
einnehmen. Aber dies scheint im Widerspruche 'mit der schon
vor alten Zeiten gemachten Erfahrung zu stehen, dass der Vor-
dertheil des Kopfes die vornehmsten Seelenkräfte darbietet.
Ein solcher Widerspruch zwischen einem auf klare anatomische
Thatsachen gegründeten Satze und einer ällgemein als richtig
anerkannten Erfahrung kann schwerlich anders, als scheinbar,
seyn. Hr. R. war nämlich der Meinung , dass der Unterschied
in der Entwicklung jedes Hemisphärenlappens von dessen An-
fang an bis zu seiner Vollendung, gleichwie von seiner nie-
drigsten Thierform an bis zum Menschen hinauf, unberechenbar
gross sei, auch die Ausmittlung seiner funetionellen Grundbestim-
mung in demselben Maasse schwierig, je vollkommner der Theil
entwickelt sei. Der Rang der Seelenkräfte dürftedemzufolge
am richtigsten nach ihrer Lage oder ihren vellkommneren Ent-
wicklungsgraden zu bestimmen seyn. Da ohne allen Zweifel die
Hemisphären des grossen Gehirns der Sitz der höheren Seelen-
kräfte seien und jede der letzteren nach aller Wahrscheinliech-
keit ihren Theil von dem Organ einnehme, so hielt Hr. R. es
für annehmlich, dass die Anzahl dieser höheren Seelenkräfte,
wie die der Hauptabtheilungen der Hemisphären, drei, einer
für jeden Hemisphärenlappen, sei. Hiermit im Zusammenhange
scheine man annehmen zu können, dass die Plagiostomen unter
den Knorpelfischen nebst den Amphibien und Vögeln im Be-
sitze nur einer, die Säugethiere zweier, und der Mensch aller
drei seien. Diese psychischen Elemente nach der Abstraction der
Verrichtungen der übrigen Gehirntheile näher zu bestimmen,
würde eins der grössten Probleme unserer Zeit seyn, wozu je-
doch scharfsinnige Naturforscher und Phrenologen unzählige
Materialien bereits gesammelt hätten. — Carus hat neulich
auf eine geistreiche Weise die ausgedehntere Bedeutung der
drei Gehirnabtheilungen, welche die sogenannten Wirbelknochen
des Schädels bestimmen, entwickelt, die Hemisphären nämlich,
die Corpora quadrigemina und das Cerebellum. In die vorderste
derselben hat er die Intelligenz (‚‚das Vermögen des Erken-
nens“), in die mittlere das Gefühl (,„d. V. d. Fühlens“), n
die hintere den Willen (‚‚d. V. d. Wollens“) verlegt und auf,
433
diese Basis ein neues System der Cranioscopie gegründet. Die
Richtigkeit der Prineipien, welche diesem Systeme zum Grunde
liegen , anerkennend muss man doch annehmen, dass die Form
des Schädels beim Menschen zunächst durch die Entwicklung
der drei Lappen der Hemisphären bestimmt wird. Hierin sieht
jedoch R. keinen Widerspruch gegen Carus’s System, da man
annehmen muss; dass die Elemente für dieselben Kräfte in un-
gleichen Entwicklungsgraden eben so wohl in die Functionen
des Rückenmarks,. wie in die des Gehirnstammes und .der He-
misphären Zutritt: finden. Ohne 'eine solche Annahme würde
man es:nicht erklären können, wie es möglich wäre, dass ein
Wirbelthier, wie der \Amphioxzus lanceolatus, jeder Spur von
Hemisphären sowohl, .als Corpora quadrigemina und Cerebellum
ermangeln könnte. ; Ferner muss man annehmen, dass dieselben
Elemente sich in noch niedrigerm Grade in dje Centralganglien
bei den wirhellosen Thieren niedergelegt finden, so wie, dass
sie zu ihrer höchsten Vollkommenheit entwickelt in den Gehirn-
hemisphären des Menschen existiren.
Hinsichtlich der Entwicklung des Bogens (Fornix cerebri)
glaubte Hr. R. theils zufolge Tiedemann’'s Darstellung (a.
a. O.), theils aus eigner Erfahrung darthun zu können, dass
dieser anfänglich nur der hintere untere Rand jeder Hemisphäre
sei, weleher vorn an der Stelle, an weleher seine Schenkel vor
dem dritten Ventrikel aufsteigen, befestigt sitze, unddass dieser
Theil mit Recht als innerer: unterer Theil der Hemisphärensäcke
betrachtet: werden könne: Hr. R. zeigte 'eine Zeichnung von dem
Zustande. des: Bogens‘ im :dritten und fünften Monathe beim
menschlichen Embryo vor, in‘welcher Zeit die Hemisphären
noch dünn und die :Seitenventrikeln gross sind, welchem: Ver-
halten zufolge diese Entstehung und anatomische Bedeutung des
Bogens leicht zu Tage gelegt werden kann, wenn die Untersu-
chung auf die oben angegebene Weise bewerkstellist wird, wäh-
rend das Organ vollkommen frisch ist, und die Section unter
starkem Weingeiste vorgenommen wird.
Die auf Tafel IV. B. beigefügten Zeichnungen stellen die Ent-
wicklung der Gehirnhemisphären beim Menschen während der
drei Perioden für die: Se ihrer ABI dar. Die Buchsta-
‚ben bezeichnen:
a den Lobus anticus, Ö L. role. e L. posticus, e den
Thalamus nervi f die Corpora quadrigemina, 4 das Ce-
rebellum. IE Au,
29%
434
Fig. 1. Erste Periode; das Gehirn eines Embryos im drit-
ten Monathe, mit nur den vorderen Lappen der Hemisphären.
Fig. 2. Zweite Periode; das Gehirn eines Embryos im
vierten Monathe, in welchem sowohl die vorderen, als die mitt-
leren Lappen gebildet sind, von den hinteren‘aber erst ein
schwaches Rudiment, ec, vorhanden ist.
Fig. 3. Dasselbe Gehirn mit geöffnetem linkem Seikernbei
trikel, um das herabsteigende Horn mit dem Pes Hippocampi, wie
auch die Einbuchtung in der hinteren Wand, welche das Rudi-
ment zum hintern Horne und dessen Lappen bildet, zu zeigen.
Fig. 4. Dritte Periode; lothrechter Durchschnitt der Mitte
des Gehirns eines neugebornen Kindes, um den sehr entwickel-
ten hintern Lappen und die Vertiefungen, welche denselben an
der innern Seite vom Lobus medius scheiden, zu zeigen.
[Cr.]
In derselben Sitzung der Akademie bemerkte Herr
Loven, dass das Reichsmuseum schon vor längerer. Zeit
von dem Hrn. Probst Ekström zwei Exemplare von einem
sehr merkwürdigen Seethiere empfangen, welche auf der Haut
einer Haiart, Squalus glacialis, befestigt gefunden worden.
Von derselben Thierart hat Freiherr M. v. Düben während
seiner Reise in Norwegen im verflossenen Jahre mehrere Exem-
plare auf dem Rücken von Squalus Spinax gefunden, so, dass
sie mit Recht als eine Zubehörde der Haigattung angesehen
werden kann. Das Thier gehört der Ordnung Cirripedia'pedun-
culata von der Klasse der Urustaceen und der Gattung Alepas
Rang an. Die wenig bekannten Arten dieser Gattung, z. B.
A. parasitica, welche auf der Scheibe einer Medusa lebt, A.
minuta, welche die Stacheln einer Cidaris bewohnt, und eine
oder die andere unbeschriebene Art auf Anneliden, zeichnen
sich von allen übrigen Lepaden dadurch aus, dass ihre äussere
Hülle, welche man bisher Schale genannt hat, und welche ei-
gentlich eine Ausbreitung eines der Kopfringe ist, vollkommen
weich ist und der Schalenstücke ermangelt, welche bei den übri-
gen Gattungen immer mit einer gewissen Regelmässigkeit vor-
handen sind Dieser Knochenmangel und diese Weichheit:.er-
streckt sich bei unserer neuen Art auch auf die Extremitäten,
Mundtheile und Beine, deren Glieder ‚ganz undeutlich und der
Borsten und anderen härteren Theile, welche sonst niemals zu
435
fehlen pflegen, beraubt sind; und der ganze Bau zeigt diese
unvollkommne, beinahe zur Monstrosität zurückgehende Bildung,
welche jederzeit den Parasitismus begleitet, und, wie es schei-
nen will, in um so stärkerem Grad je höher das Thier organi-
sirt ist, auf welchem der Parasit lebt.
Die neue, auch durch ihre Grösse ausgezeichnete Art mag
erhalten den Namen i
Alepas squalicola n.
Tab. II.
A. involucro hiante atrocaeruleo, pedibus muticis, pedunculo laevi,
clavato. Long. sine pedunculo 30 m.m.
Corpus (thorax et abdomen, Fig. 2. a) validum, compressum, antice
erassius, gibbum, cute tenui tectum, in articulos septem haud
indistinete divisum, versus posticam finem sensim graciliores,
quorum sex pediferi, septimus vero (b) in caudam conicam de-
flexam productus. — Pedes (Fig. 4.) per paria sex dispositi,
molles, parte basali crassi, dein bifidi, teretes, rugosi, articu-
lis distinetis nullis; quarti validiores. — Branchiae, quantum
video, nullae. — Os in apice processus rostriformis (c) situm,
ante pedes primarios longe producti, labro munitum inferiore
(Fig. 5. a), semiorbiculari,, emarginato, et pedum paribus qua-
tuor, quorum primi et secundi (b, c) liberi, simplicissimi, mu-
tici, tertii (d) praeter apicem toti adnati, quartı (e) vix distin-
guendi, omnes vero e cute communi corporis efformati, molles,
ınutili, inutiles. — Capitis reliquae partes, utin Lepadibus sem-
per, in pedunculum (Fig. 1. a) mutatae et involucrum (b) (sit
venia verbo) I. scutum cephalicum, quod testam in congeneribus
appellant. Cutis enim thoracis, ante processum buccalem, un-
dique reflexa et adscendens, (Fig. 2. e) involucri paginam in-
ternam format, tum ad marginem ejus replicata, tenacior facta,
subcornea et pellucida (f), iterum undique descendit, pedun-
culo ex omni parte obducta. Omnino flexilis est, sed immersae
sunt particulae sparsae calcareae dendriticae minutae (Fig. 6.),
centra dicas calcificationis inchoatae. Continet involucrum sub
cute utringne stratum pigwmenti atropurpurei, et stratum medium
musculare (Fig. 2. g), quod versus basin sensim validius ex
parte in musculum abit magnum, transversum, basalem (h), ex
parte vero in tunicam muscularem peduncüuli continuatur. Hic
vero, in nostris speciminibus brevis, in aliis productior, non ova
continet sed telam densam, quasi cavernosam (d), fibris varie
‚decussatis contextam. —- Ova numerosissima, alba, in laminam
436
foliaceam magnam (Fig. 2.k), saepe duplicem (Fig. 1:c; 3.'k),
eongesta triplici strato, intra involuerum corpus eingentenm, ex
omni fere parte liberam, nee nisi ad imam basin affızam, ubi
lobo adhaeret (Fig. 2. 1. Fig. 7. 8.) e collo utrinque produeto,
subquadrato, limbo revoluto, undique clauso. — Porus utringue
pone pedem primarium (Fig. 2. m); an'vaginae orificium?
Habitat in Squalo maximo et Spinace maris septentrionalis, pedunculo
cuti ejus immerso.
In tab. IH. fig. 1:ma animal repraesentat integrum, 2:3 secundum lon-
gitudinem fissum, ut sectione involucri, pedunculi, laminaeque
ovorum corpus appareat, in quo tamen ‚pedes lateris aversi
omissi. Pro reliquis vide supra. , |
[Hsch.]
In der Sitzung am 12. März 1845 berichtete Hr. Loven in
Hrn. Sundevalls und eigenem Namen über die in der letzten
Sitzung ihnen übergebene Abhandiung des Freiherrn M.v. Dü-
ben und des Drs. Koren, enthaltend eine kritische Uebersicht
der bisher an den skandinavischen Westküsten gefundenen Echi-
nodermen, mit Beschreibungen über mehrere neue Gattungen und
Arten. Den ersten Entwurf zu dieser Arbeit hatten die Verfas-
ser schon im verflossenen Jahre mitgetheilt (S. d. Arch. H. 1.
S. 166.), aber eine nähere Untersuchung der neueren Literatur
des Gegenstandes und die Verzleichung der Vorräthe des Reichs-
museums von Bohuslehn und Finmarken hatten später dabei
solehe Aenderungen und Zusätze veranlasst, dass die Fauna des
Nordens, innerhalb dieser Thiergruppe folgendes Ansehen erhält.
Crinoidea.
"50, comptessiusculis; articulis 11—14, parum longioribüs quam
latis; brachiorum syzygiis plerisque 4-artieulatis; pimnulis (in
quoque latere) sub-50, quarum intima filiformis ‚' longissima,
tertiam plus duplo superans. — Hab. ad Bohusiam Sueciae, et
Egersund, Söndfjord Norvegiae.
2. A. Sarsii D. & K.—Comatula mediterranea? Sars, eitris dorsum
totum obtegentibus, sub-40, tenuibus, compressis, articulis
13—20, quorum longissimi (4—6) triplo Iongiores quam Iati, ul-
timo biunguiculato; brachiorum syzygiis plerisque 4-articulatis;
pinnulis sub-40, quarum intimae 4—5 filiformes, sequentibus
437
© duplo ‚longiores. — Hab. ad; Norvegiam a Bergen ad Tranöe
el:
14.
15,
16.
17.
18.
19.
20.
21.
. Finmarckiae.
Asteridea.
a) Ophiurae
Astrophyton Linckii M. T. — Boh. — Norv.
A. Lamarckii M. T. — Norv. — Finm.
Asteronyx Lovenii M. T. — Boh. — Finm.
Ophiolepis ciliata Retz. — Fret. Öresund. — Finn.
O. squamata D. Ch. — Christianssund.
O0. filiformis 0. F. M. — Öresund. — Christianssund.
O. scolopendrica Linck. — Ösd. — Fm.
0. Ballii Thomps. — ‚‚Havbroen‘‘“ extra oras Norvegiae, commı.
Rasch. :
Ophiocoma bidentata Retz. — ‚‚Norvegia.
O. nigra O. F.M. — Ast. tricelor Retz. = 0. Nilssonii M.T. —
‚Boh. — Norv.
Ophioscolex purpurea D. &K. —= O0. glacialis® Arch. Heft 1.
p- 167. Spinis brachiorum ternis, diametrum brachii sub-
aequantibus, sub epidermide tenui minute granulosis. Color
intense purpureus; diam, disci 12 mm., longit. brach. 36 mm.
— Bergen.
Ophiopeltis D. & K.n. g.
Rimae genitales inter brachia binae. Os papilliferum. Discus
‘omnino nudus et cute molli tectus, exceptis scutis binis elongatis
ad radios brachiorum. Brachia vero squamata, absque omni mol-
liori integumento. Squamae ad poros tentaculares nullae.
Ophiopeltis securigera D. & K. n. sp.; brachiis longissimis (dia-
metrum disci 12—15cies superantibus); spinis brachiorum ter-
nis, intermedia apice dilatata in formam securis ancipitis et
acute dentati. Color disci olivaceo- virescens, brachiorum ca-
staneus 1. rufus. — Stavanger.
Ophiothrix fragilis 0. F. M. — Boh. — Norv.
Ophiacantha spinulosa M. T. — Lofodden.
b) Asteriae.
Asteracanthion glacialis L. — Boh. — Christiausund.
A. Mülleri Sars, praecedenti valde affinis, sed forte distinetus.
— Bergen. — Fm.
A. rubens L. — Öresd. — Fm.
A. roseus ©. F. M. — Boh. — Cheistiansd.
Echinaster oeulatus Liuck. minor = Ast. seposita Retz. (non
|
Se
438. >,
M. T.) = E. sanguinolentus O. F. M. Sars (non Retzius)
=E. Sarsii M. T.; major = Ast. pertusa 0. F. M.O. Fahr.
— Öresd. — Fm.
22. Solaster papposus L. — Öresd. — Fın. u
23. S. endeca L. — Öresd. — Fm.
24. 8. furcifer D. &K. diametro minore ad majorem (in 21, pollicari)
— 1:3; radiis 5 latis, depressiusculis; penicillis in dorso se-
riafis, serie extima marginali. reliquis majore; spinulis peni-
cillorum planis 1. triquetris, apice bi-trifurcatis; ‚poris tenta-
eularibus 1—4nis; spinis inferne secus ambulacra ternis, dein
fransverse pectinatis. Color lateritius, subtus albus. — Bergen.
25. Pteraster militaris O. F. M. — Norv.
26. Astrogonium phrygianum Parelius. — Boh. — Fm.
27T. A. granulare O. F. M. — Boh. — Fun.
28. Asteropsis pulvillus 0. F. M. — Boh. — Norv.
29. Astropecten Mülleri M. T. et D.& K.l. c. p- 167.
30. A. Andromeda M. T. — A. Christi D. & K. l. ec. Parelius A.
Nidr. IV. — Boh. — Bergen.
31. A. Parelii D. &K. — Parelius A, Nidr. IV. t. 14. f. 3—4. Si-
nubus inter brachia rotundatis; diametro minore ad majorem
(in 4-pollicaribus)—1: 21; scutis marginalibus 30, inermibus,
granulosis, spatio paxillifero sublatioribus; granulis in inferiore
latere sensim abeuntibus in spinulas complanatas. Col. intense
sanguineus. — Boh. — Christsd.
32. A tenuispinus D. & K. radiis angustis, attenuatis, margine alto,
interjectis sinubus late rotundatis, diametro minore ad majo-
rem (in sesquipollicaribus) — 1:4; scutis marginalibus 18, ar-
matis spinulis raris. quarum in medio eminet 'spina longior,
cylindrica, setacea; spinis in ambitu scuti cujusque ambula-
cralis 8, in medio unica, longiore et fortiore. — Boh. —
Christsd.
33. Otenodiscus crispatus Retz. — C. polaris M. T. — Christsd.
34. Luidia fragilissima Forb. var. quinqueradiata (— L.SarsiiD.&K.
l. c. p. 167) vulgaris ad Bohus. et Norvegiam; septemradiata
rarissima, Boh.
Echinodea.
a) Cidarites
35. Cidaris papillata Leske, Filmg., Forb. — Ech. 'cidaris L. F.
Sv.—= K& eidaris? var. « Sow = C. hystrix Sars —= C. bo-
realis D. & K. 1. c. p. 167. — Norvegia.
36. Echinus esculentus L. — E. sphaera ©. F.M. Forb. 18 = E.
3
globiformis Lamck. — Boh. — Fm.
37.
38.
39.
40.
41.
42,
43.
44.
AT,
48.
49.
50.
439
Echinus Flemingii Forb. — Boh. — Bergen.
E. norvegicus D. & K: 1. c. p. 168. — Boh. — Christsd.
E. elegans D. & K. 1. c. — Bergen.
E. virens D. & K. =E, wiliaris Blainv. non Lamek,, Forb.,
Ag. =E. miliaris Lamck? D.& Kl. e p- 168. — Boh. —
Norv. Ä
E. neglectus Lamck., Forb., Ag. = E. Dröbackensis O. F. M,
—E. eseulentus Sv. Zool. = E. lividus Lamck? D. & K.l.
c. p. 168. — Boh. — Norv.
b) Clypasteriae.
Echinocyamus angulosus Leske = Spat. pusillus ©. F.M. —
Kullen. — Christsd.
c) Spatangi.
Biissus lyrifer Forb. — Boh. — Bergen.
.B. fragilis D.& K. — B. canaliferus Lamck? D.&K. lc. p.
168. late cordato - ovalis, postice carinatus, gibbus, antice de-
pressus, sulco profundo et longo excavatus; ore prope margi-
nem, vertice longius pone medium; ambulaeris cinetis linea
dorsali flexuosa, postice duplicata; lateralibus praelongis; po-
sticis fere triplo brevioribus. — Bergen. — Finmarkia.
Amphidetus ovatus Leske, Flmg., Ag.. Desm. (non Sp. ova-
tus Lamck.) = Sp. flavescens OÖ. F. M.Z.D.I., textu danico!
(non Abildg.) = A. roseus Forb. — Boh. — Christsd. |
A. cordatus Penn., Forb. — Sp. lacunosus ©. F.M. Z.D.1,
textu danico! (n. Linnaei) = Sp. flavescens Abildg. (non
:0. F. M.) = Sp. arcuarius Lamck., Blainv., Desm., Gldf.
— Öresd. — Lofodden.
Spatangus purpureus O. F. M. — Boh. — Finm.
Holothuriacea.
2) Pedata.
Cucumaria frondosa Gunn. — H. pentactes Abildg., Vahl
Sars. — Bohus. — Fm.
C. assimilis D. & K., brevis, crassa, hinc albida, illine fusco
tincta; tentaculis 8 majoribus, 2 minoribus. Laminae calcareae
in corpore regulares, crassae, foraminibus in quincuncem dis-
positis, margine quasi interruptae; in tentaculis et pedum la-
teribus elongatae, irregulares, medio latiores. Long. 3 lin. —
Christed.
C. lactea Forb. — ie
440
51. C. Hyndmami Forb. — Boh. — Bergen. un. 7 wm
52. C. elongata D, & K., elongata, utrinque atfenuata; cute (Brise-
scenti?) coriacea, dura, opaca, squamis minutissimis scabra;
pedibus rigidis, non retrahendis, conicis, versus utramqüe cor-
poris extremitatem in singulo ambulacro unicam seriem flexuo-
sam occupantibus. — Bohusia. i
Thyonidium D. & K.n. g.
Corpus cylindricum, elongatum. Pedes per totam see
magis I. minus sparsi, ita tamen, ut secundum series 5 longitu-
dinales praecipue aggregentur. Tentacula 10, frondoso -ramosa,
per paria approximata, quibus (an semper?) interjacent totidem
paria tentaculorum triplo breviorum. Annulus calcareus oris sur-
sum emittit processus decem elongatos, quorum alterni latiores,
bifidi. Tubi genitales divisi.
53. 'Thyonidium (Holothuria) pellucidum Vahl, Flmg. = Cuc.hya-
lina Forb. — Öresd. — Nordlandia.
54. Th. (Cncumaria) commune Forb. — Cuc. Drummondi, Thyono
Portlockii Forb. — Öresd. — Norv.
55. 'Thyone Fusus O. F. M. —= Hol. penicillus ©. F. M. (annulus
oris) — Hol. papillosa Abildg. — Boh. — Bergen.
56. Th. raphanus D. & K., curvata, antice crassa, extremitate po-
stica subito attenuata, elongata; cute crassa, dura, scabriuscula,
albescente. Long. 1—1; pollicaris. — Bergen. — Christsd.
57. Cuvieria phantapus Strussenfelt. — Öresd. — en
58. C. squamata O. F. M. — Bergen.
59. Holothuria tremula Gunn. ar —H. elegans 0. F. M. — Boh.
— Christsd.
90. H. intestinalis Ascan. = H. mollis Sars. — Boh. — Finm.
b) Apoda.
61. Symapta inhaerens O. F. M. — H. digitata Mont. — Öresd. —
Bergen.
[Hsch.]
in derselben Sitzung erstattete Hr. Retzius im eigenen
und Hrn. Lovens Namen Bericht über Hrn. Sundevalls
ihnen übergebene Abhandlung, betitelt: „Methodische Uebersicht
der wiederkäuenden Thiere. ‚‚Der Vf. beginntmit einer historischen
Zusammenstellung der Systematik dieser Thierordnung und geht
hernach zu einer näheren Beschreibung der Hörner über, wovon
Be
441
die meisten Schriftsteller die’ Kennzeichen für Gattungen und
Arten entnehmen. Dieser Einseitigkeit haben schon früher
Mehrere, und besonders Ogilby, angefangen abzuhelfen, und
der Vf. will weiter dazu beitragen. Er glaubt alle Abtheilungen
und Gattungen der Ordnung ohne Hülfe der Hörner characteri-
siren zu können, und giebt von andern Theilen entlehnte, hin-
reichende Unterschiede zwischen ihnen allen an, jedoch mit
Ausnahme der zwei grössten Hauptgruppen, nemlich derjenigen,
welche jährlich abfallende und der, welche beständig fest-
sitzende Hörner haben. Durch die Form aller anderen äusse-
ren Theile gehen diese beiden Hauptgruppen so ineinander über,
dass die Hörner zu Hülfe genommen werden müssen um be-
stimmte Grenzen zu erhalten. Beide Arten von Hörnern werden
beschrieben und verglichen. Es wird von ihnen gesagt, dass
sie im Anfang blosse warzenähnliche Hautbildungen seien, um
welche die Haare mehr oder minder deutliche Wirbel bilden.
Diese Warzen und Wirbel finden sich immer bei den Jungen
und bei den Weibchen deren Männchen Hörner haben, fehlen
aber bei den vollkommen hornlosen Gattungen Moschus und
Camelus L.
Mit noch .grösserer Weitläufigkeit beschreibt der Vf. die
Klauen (ungulae), welche ihm die hauptsächlichsten Charactere
zur Unterscheidung der Familien abgeben. Um den Begriff
Huf oder Klaue (sabot, ungula) festzustellen , werden hier alle
die ungleichen Arten von Füssen, welche bei den Säugethieren
vorkommen, verglichen. Zuerst wird bemerkt, dass die ge-
wöhnliche Definition von Hufen (‚‚dass sie das ganze Nagel-
glied umschliessen‘) unzureichend ist, da dieselbe auf wirkliche
Klauen .bei vielen Thierarten passt, und kaum für die Kameele
und die meisten Pachydermata kann angewendet werden. Da-
gegen wird gezeigt, dass der rechte Unterschied zwischen AHu-
fen (ungulae) und Klauen und Nägeln (ungues) ist, dass die
letzteren von einer dünnen Wurzel unter einer Hautfalte ent-
stehen, die ersteren im Gegentheil an der Basis ganz unbedeckt
und sogleich dick sind. Die ee en ar eo
Art eingetheilt:
1.: Hufthiere (ungulata), welche Hufen nach der eben gege-
benen Definition haben und . mit: einer 'hornartigen Trittflöche
unter dem‘ Fusse versehen sind. Sie sind:
a) Unguligrada, mit vollkommenen Hufen, treßikie ‚die
Trittfläche einschliessen, so dass das Treten allein
"auf das letzte Zehenglied geschieht. Hierher gehören
das Pferd, Schwein und die meisten Pecora.
442
b) Digitigrada, bei welchen die Trittfläche hinter dem
Hufe, unter dem mittelsten Fingergliede und dem
Ende des ersten liest. Solche sind das Kameel und
die Belluae, ausser Sus L. — Hyrax ist eine abwei-
chende, mit wirklichen Klauen versehene Gattung.
2. Klauenthiere (unguieulata), mit Klauen, welche. die
Spitze des Nagelgliedes mehr oder minder umschliessen. Die
Trittfläche ist voll Warzen und ganz von den Klauen geschie-
‚den. Ein solcher Fuss wird Tatze (Podium) genannt. Die
Klauenthiere sind wieder zweierlei Art: |
a) Digitigrada, mit schmaler Tatze, welche ki einen
einzigen gemeinsamen Trittknollen unter der Spitze
des metatarsus (metacarpus), und einen unter der
Spitze jeder Zehe hat. Solche sind. die meisten °
Raubthiere und einige wenige Nager: Lepus, Dipus
u. Ss. w. vi
b) Plantigrada, mit breiter Tatze und bis zur Ferse aus-
gedehnter Trittfläche. Oft kommen mehrere geschie-
dene Trittknollen vor, und im Uebrigen finden sich
viele Abänderungen. Hierher gehören einige wenige
Raubthiere, und die meisten Glires, Bestiolae und
die Marsupialia. |
3. Handthiere, mit Händen. Hr. S. findet die früher ge-
gebenen Definitionen von der Hand unzureichend, und giebt selbst
eine neue. Hand ist nemlich eine Extremität, welche statt der
Trittfläche die andere (d. ist innere) Seite von dicht liegenden
eingedrückten Streifen bedeckt hat, welche an gewissen Stelleu
Wirbel bilden. Diese Struktur zeigt an, dass die Hand nicht
ein blosses Tretorgan, sondern ein Empfindungsorgan ist und
die Wirbel scheinen gerade die feinfühlendsten Stellen anzuzei-
gen. Bei dem Menschen liegen sie unter den Fingerspitzen.
Bei den Vierhändern (auch bei Tarsius, Otolicnus u. m.) finden
sie sich blos unter der flachen Hand selbst. Ausser bei dem
Menschen und den Vierhändern finden sich Hände allein bei
Didelphis und Phalangista (mit Petaurus), oder den Beutelthie-
ren, welche wirkliche, entgegengesetzte Daumen haben.‘ Der
Fuss des Menschen erhält nach dieser Definition den Character
einer Hand und nicht einer Tatze, aber er gehört zu den am
wenigsten ausgebildeten Arten der Hände. Blos wirklich -aus-
'gebildete Hände zeichnen sich durch die von Is. Geoffroy
angegebene Eigenheit, gegen die flache Hand niederbiegbare
(greifende) Finger zu haben, aus; und wo der Daumen ausser-
dem von den übrigen Fingern getrennt ist wird er entgegensetz-
443
bar; aber oft'ist er es nicht, wie bei Hapale und Cebus, und
bisweilen fehlt er, wie bei Colobus und Ateles.
4. ' Flügelthiere (Chiroptera) mit Fingern von der Länge
des Körpers. Galeopithecus ist ein wirklicher Lemur, gleich
wie Pteromys ein Seiurus ist. Keiner von beiden gehört Bichker.
5. Schwimmthiere ohne bestimmte Trittfläche ete. (Phoca-
cea, Cete).
Eine etwas ausführlichere Beschreibung der Klauen der
wiederkäuendeu Thiere folgt, wovon wir hier bios anführen,
dass’ sie hauptsächlich Ungleichheiten in der Breite, in der
Ausdehnung nach hinten und in der Ausbildung der Sohle zei-
sen. Bei einem Theil, z. B. den Gazellen (Antilope) ist der
Huf gross und springt nach hinten in eine niedrige, gleichsam
‚niedergetretene Ferse vor, so dass sein ganzer Umfang weit
grösser ist, als selbst der der Fingerglieder, ja sogar grösser,
als der des Zwischenfusses (metatarsi). Es ist die Ausbildung
der Fusssohle, welche diese Ausdehnung verursacht; denn die-
selbe ist gross, platt und nach hinten convex hervortretend, wie
ein Polster, hinter dem eigentlichen Nageltheil des Hufes. Es
ist bemerkenswerth, dass diese Hufbildung denjenigen. wieder-
käuenden Thieren zugehört, welche in Wüsten und Steppenlän-
dern leben. Diejenigen Familien, welche meist Wälder und
srasige Haine bewohnen, nemlich die Hirsche und Waldböcke
(Sylvicaprina, siehe unten) zeigen: dagegen eine andere Fuss-
bildung. Ihr Huf ist nemlich ganz klein und schmai. Die Sohle
liegt,‘ wenigstens nach hinten zu, innerhalb des Nageltheiles
des Hufes eingedrückt, so dass der ganze Huf nicht nach hin-
ten vorspringt und sein ganzer Umfang nicht grösser wird, als
die Dicke der Finger selbst. Die Hufen der ochsenartigen
Thiere, welche im allgemeinen sumpfige Stellen lieben, zeigen
eine Art Zwischenform, sind aber sehr breit, zugerundet. Die
übrigen speciellen Verhältnisse, welche in der Abhandlung an-
geführt sind, müssen hier übergangen werden.
Auch von den falschen Klauen (Ung. spuriae) erhält man,
wie es scheint, gute COharactere bei der systematischen Auf-
stellung. Die Form des Haares wird bei den meisten Familien
oder Gattungen angeführt und zeigt viele, sehr characteristische
Verschiedenheiten. Der Vf. erwähnt ferner der Form der Nase
und der drüsenartigen Organe, auf welche, sich derselben als
Charaetere bedienend, neuere Schriftsteller viel Gewicht gelegt
haben, glaubt aber gefunden zu haben, dass sie nicht von grö-
sserem Werth in dieser Hinsicht sind, als andere Theile, wel-
che es auch seien, und warnt ausserdem vor der allzu oft ge-
444
bräuchlichen Art, Theile als zoographische Kennzeichen zu
benützen, welche an den gewöhnlich vorkommenden Thier-
Exemplaren nicht untersucht werden können, z. B. interdigital-
Drüsen, welche weder am lebenden und getrockneten Exemplar
gesehen werden Fee sondern blos am frischen, getödte-
ten Thier.
Der geographischen Vertheilung wird ein eigenes Kapitel,
welches durch eine Tabelle erläutert wird, gewidmet. Die Pe-
cora fehlen ganz in Australien und auf Madagaskar. Das Ne-
gerland, oder Afrika südlich der grossen. Wüste ist unter allen
Erdtheilen am reichsten an Arten dieser Ordnung und wird
durch die Giraffen und Waldböcke characterisirt, Diese ersetzen
die Hirsche, welche dort vollständig fehlen, obgleich sie sich
in allen andern Erdtheilen finden. In Nordafrika kommen keine
Waldböcke vor und ausser diesemErdtheil findet sich bloss eine
Art davon, nemlich der indische Tetraceras, dessen Männchen
vier Hörner hat und dessen Weibchen von Fr. Cuvier unter
dem Namen Cervus labipes beschrieben worden. — Die Ka-
meele und Gazellen (Antilope, subg. Gazella) characterisiren
den ungeheuern Wüstengürtel, das Nomadenland, welches vom
Senegal bis zum japanischen Meer die nördlichen und südli-
chen Theile des alten Continents trennt, und welches Eigen-
heiten genug zeigt um in naturhisterischer Hinsicht als ein ei-
gener Erdtheil N werden zu müssen. Die zoologische
kalte Zone zeichnet sich durch ein Paar Arten,:;Elenn- uud
Rennthier, aus, welche rund um die Erde gefunden werden.
Die Hirsche im alten Continent und in der kalten Zone, auch
in Amerika, haben einen Haarbüschel auf der äusseren Seite
des Hinterfusses, zunächst unter dem Tarsus, aber sie schei-
den sich nach der Beschaffenheit des Haares in nördliche und
südliche. Die in Amerika ausser der kalten Zone,: haben da-
gegen einen Haarbüschel auf der inneren Seite desselben Tar-
sus. Hienach stellt der Vf. folgende geographische Paralle-
len auf:
Das Negerland, zeichnet sich durch die grösste Anzahl Pecora,
Giraffen und Waldböcke aus; keine Hirsche;
Das südliche Asien, durch Hirsche mit äusserem Büschel am
Tarsus und kurzen, stachlichen Haaren;
Der nördliche Theil vom alten Continent und die ganze kalte
Zone, durch Hirsche mit äusserem Büschel am Tarsus und
zerbrechlichen Haaren; 2
Amerika, ausser der kalten Zone, durch Hirsche mit innerem
Büschel am Tarsus; a
445
Australien (und Madagaskar?) durch Mangel an Pecora.
Die Grundzüge der systematischen Aufstellung sind fol-
Brade: | |
'Cohors 1:ma Pecora Unguligrada.
Fam. 1. Camelopardalina, cornibus persistentihus, eute
villosa tectis; ungulis latis, postice Ban spurüs nul-
lis, etc.
1 Camelopardalis Schr. 1 sp.
Fam. 2. Cervina, cornibus deciduis nullisve; labro non sul-
cato; ungularum solea impressa, postice non prominula; un-
Eu spuriis majusculis, a © (vel apice tritis; —
Prox solus differt ).
2 Alces H. Sm. 1 sp. 6 Prox Og. 6 sp.
3 Rangifer H. Sm. 1,C. 7 Moschus L. 1.
tarandus L. S Tragulus Pall 4. (Tr.
4 Cervus L. 31. memina, pygmaeus).
5 Capreolus H. Sm. 2. sp. inc.
(C. europaeus.)
Fam. 3. Sylvicaprina, cornibus persistentibus, corneo-vagi-
natis (bovinis); labro sulcato; rhinario late nudo; ungulis
parvis, non postice prominulis; spuriis parvis nullisve, etc.
9 Tetraceras Leach, 1. sp. 12 Neotragus H. Sm. 1.
10 Tragelaphus Blv.5 (typ. 13 Nanotragus n. g. 1.
A. sylvatica). (A. spinigera).
11 Sylvicapra Og. 9. (A. 14 Calotragus n. g. 4.
mergens). (A. tragulus).
Fam. 4. Hippotragina, cornibus bovinis; labro sulcato; rhi-
nario nudo; ungulis majusculis; u. spuriis magnis, trans-
versis.
15 Cervicapra Blv. 7, 18 Bubalus Licht. 6,
A. redunca. caama, pygargus.
16 Strepsiceros H. Sm. 1, 19 Damalis H. Sm. 1,
S. excelsus (A. Str.) oreas Pall.
17 Hippotragus n. 3, 20 Portax H. Sm. 1,
A. equina. tragelaphus Pall.
Fam. 5. Bovina, cornibus bovinis; labro lato, non sulcato ;
ungulis majuseulis; u. spuriis magnis, transversis. (Rhina-
rium variat.)
21 Anoa H. Sm. 1. 24 Catoblepas H. Sm. 2.
22 Bos L. 7. 25 Oryx Blv. 4.
23. Ovibos Blv. 1. .
Fam. 6 Antilopina, cornibus bovinis; labro. suleato, angu-
ı 446
stato, absque rhinario nudo; BI postice Fre ung.
spuriis parvis, nullisve. ; oh Pr
26 Antilope Pall. pars. |
Subg. typicum, Gazella Blv.7.sp. (Dorcasmaxime yariabilis.)
Radii generis (A. cervic., euchore, melarBBRR etc.) 6. sp.
27 a H. Sm. 1 sp.
Fam. 7. Caprina, cornibus bovinis; labro sulcato; elle
majusculis; u. spuriis globoso - tumidis. (Rhinarium variat.)
28 Ovis L. 7 sp. 30 Nemorhedus H. Sm. 4.
29 Capra L. 11. 31 Oreotragus. 1 sp.
Cohors 2:da Pecora Digitigrada.
Tylopoda Ill.
Fam. 8. Camelina, cornibus nullis; labro fisso ete.
32 Camelus L. 2. 33 Auchenia ll. 2.
Alle Arten werden characterisirt. Am Schluss. werden 12
zweifelhafte Arten von denjenigen ‚angeführt, welche zu der
grossen, früheren Antilopengatiung gerechnet worden. Andere
zweifelhafte Arten sind bei ihren Gattungen angeführt.
Die ganze Anzahl beläuft sich so auf 141 sichere und etwas
über 20 ungewisse Arten.
[Hsch.!
In der Sitzung am 11. Dechr. 1844 theilte Hr. Wahlberg
über eine, während seiner Reise in Lulei Lappmark im Jahre
1843, von ihm entdeckte neue Zweiflügler - Gattung folgende
Beschreibung mit:
Amphipogon Nov. Gen.
(e Familia Agromyzidum)
Nomen ab «ug: utrinque et nuyow barba.
Tab. IV, A.
Corpus elongatum, breviter et parcius pilosum. Caput subglobosum,
postice pone oculos quoque convexum, 'maris sub genis longe
barbatum. Fertex in utroque sexu latus, setis decem munitus
cum fronte haud prominule convexus. Epistoma breve, parum
declive et descendens, non nihil impressum, medio longitudi-
naliter carinatum, apice late retusum, non reflexum, seta utrin-
que mystacina elongata. Apertura oris magna, rotundata. Oculi
subrotundi, majusculi, nudi, fere ante medium capitis positi.
SE
744
‚Antennae oblique deflexae, subsessiles, articulis basalibus abbre-
viatis, secundo setula minori, tertio suborbiculari, tenuissime
puberulo, seta sat longa, basali, nuda, Palpi sublineares, nudi.
Proboscis crassiuscula, apice pilosa. TZ’horax postice et lateribus
cum scutello parce setosus. Abdomen angustum, 7-annulatum, .
segmentis 2 analibus maris subglobosis, ultimo appendiculato
et barbato; feminae in stylum sensim acuminatis. Pedes sub-
‚ elongati, haud validi, pubescentes; antici coxis longis, femori-
bus tenue et breviter setosis; intermedii coxis basi nigro- seto-
sis; in mare omnes structura vel vestitu peculiari insignes. Alae
incumbentes, oblongae; lobulo basali distincto; nervis longitudi-
nalibus rectis, auxiliari cum sesundario perpropinguo umbra
Juncto, tertiam costae partem vix superante, secundo non nihil
ante apicem, tertio in ipso apice et quarto paullo pone apicem
alae excurrentibus, quinto usque ad marginem ducto, sexto sub-
evanescente; transversis quoque rectis, subremotis, medio paullo
pone apicem nervi auxiliaris, ordinario non longe a margine
interiori sito. Costa pubescens, parte secunda tertiam triplo
excedente. Pars secunda nervi longitudinalis quarti parte ante-
cedente, ut et sequente sesquialtera vice brevior. Squamae sub-
alares parvae, subincompletae, ciliatae.
Animalculum insigne, Heteroneurae geomyzinae Fall. et
Meig. affine et Macrochirae Zett. (Therinae Meig.) forsan
proximum, Cordiluris e sectione Okeniae Zett. analogum. Mo-
tus tardior, volatus brevis, habitatio in humidis umbrosis Lap-
poniae sylvaticae, saepe in fungis terrestribus.
A. Spectrum n. sp. ferrugineus, nitidus, thoraeis lineis, abdomine,
4 . . D “eo
. „seosta alarum, pedum anticorum posticorumque femoribus tibiis-
que apice et tärsis totis nigricantibus. 2 2. Long. 2 lin. et ultra.
Habitat in salicetis humidis umbrosis ad radicem alpis Snje-
rak prope templum Quickjock d. 23. Jul.—8 Aug., nec non in
Agarico ad inferiorem partem lacus Saggat haud procul a na-
vaculo Njavi ejusdem paroeciae d. 14. Aug., semper rarior.
Colore et statura angusta Scatophagae bicoloris, cui femina,
licet dimidio major, primo aspectu sat similis; mas Cordiluram
potius refert. Caput fulvescens vertice saturatiori, macula parva
nigricante. Epistoma pallide testaceum, albo-micans. Seta an-
tennarum fusca. Palpi pallidi. Proboscis post mortem extensa.
Abdomen nigro -piceum, nitidissimum, basi, subtus praesertim,
dilutius. Alae sordide flavescentes, nervis fuscis, interstitio nervi
auxiliaris et secundarii cum costa fortius infuscatis. Squama
pallide testacea. Halteres albidi. Mas capitis anique structura
30
DAT 0
JeRTAE a ih
a
1 5 ö
448 | in
insolita nec non pedum formatione et armatura a femina longe
recedit. Frons pallidior. Genae utrinque sub oculo in carınam
lateralem elevatae, cui insidet barba densa capitis latera sequens,
antice interrupta ad epistoma desinens ibique capite longior ma-
gisque incurva, postice ad oceiput fere continuata et sensim bre-
vior, extus e ciliis nigris apice fuscis, intus e pilis albis, in
mortuis saltem flexuosis, mollibus, lanam fere mentientibus for-
mata. Antennae pallidae. Thorax lineis 2 distantibus, nigro-
piceis, interstitio cinerascente lineis 2 aliis faseis angustioribus
in unam fere confluentibus notato; pleuris plus minus piceis.
Abdomen parce et tenuiter ciliatum, segmentis 2 analibus sub-
globosis, penultimo subtus filo fusco, ultimo majori, superne
medio longitudinaliter impresso , subtus antice hamulis 2 fuseis
a basi latiori atteriuatis, sub ventre inflexis, latere inferiori pal-
lide pilosis, hamulo dein solitario fusco-testaceo et barba deni-
que postica utrinque laterali, extus e eiliis longis incurvis ni-
gro-fuscis, intus e pilis mollioribus albidis formata, capitis fere
analoga. Segmentorum analium forma et vestitu singulare hoc
insectum capite velut in utroque apice gaudere videtur. Pedes
tibiis dimidio apicali subdilatatis; antici coxis albo-testaceis, fe-
moribus subcrassioribus, piceis, basi tantum et geniculis testa-
ceis, extus a medio ad basin longius nigro-setosis, tibiis nudis,
basi testacea excepta piceis, metatarsis subtus breviter nigro-
barbatis; intermedii toti testacei, coxis prope apicem latere in-
teriori spina elongata, truncata, nigra,'pone medium angulatim
flexa, velut nodo proprio testaceo insidente, femoribus nudis,
tibiis extus inaequaliter nigro -spinosis, metatarsis dilutioribus,
elongatis ceteris articulis simul sumtis sublongioribus, non nihil
dilatatis, leviter curvatis, extus in curvatura breviter nigro-
barbatis; postici femoribus dimidio basali subtus longissime pal-
lide-pilosis, tibiis metatarsisque nudis. Femina in omnibus
simplex. Antennae testaceae, articulo ultimo superne praeser-
tim leviter infuscato. Thorax lineis 2 latioribus distantibus ut
in mare, saepe tamen in maculas 2 elongatas divisis, lineis vero
2 intermediis angustis dilutius fuseis, distinctis, vel antice tan-
tum saturatioribus ibique interdum coalitis, nulla cinerascentia
obductis. Stylus analis, ut in Lonchaea, longe eh
apice ferrugineus. Tarsi quoque intermedii nigricantes.
[(Hsch.]
mn a u
449
In der Sitzung der Akademie am 11. Dechr. 1844 berichtete
Hr. Loven in seinem und Hrn. Sundevalls Namen über die
ihm übergebene, von dem Adjunet M. v. Düben in Lund und
Dr. J. Koren in Bergen verfasste Abhandlung über das Haut-
skelett der Holothurien.
Die in der Haut der Holothurien abgelagerten Kalktheile,
deren Vorhandensein lange bekannt gewesen, sind bisher nicht
mit Genauigkeit studirt worden. Die Vfr. haben deshalb eine
vergleichende Untersuchung der ungleichen Formen dieser merk-
würdigen Bildungen bei unseren 13 nordischen Arten vorgenom
men, und dabei gefunden, dass derselbe Grundtypus sie überall
durchgeht, aber so ungleich modificirt, dass sie bei jeder Art
eine eigene, charakteristische Fornı haben. Diese Kalkstücke
kommen vor:
a) in der äusseren Haut bei allen unseren Arten ausser Ou-
cumaria communis Forb. Wo die Haut ungleichartig auf
Rücken und Bauch ist, sind die Kalktheile es auch, z. En
bei Cuvieria ;
b) in der Spitze der Saugfüsse, konstant, in Form einer
Scheibe. So auch bei den Seeigeln, aber nicht bei den
Seesternen;
c) auf den Seiten der Füsse, als verlängerte Querstücke, aber
nicht immer;
.d) in der Haut der Tientakeln, und immer unter anderen For-
men, .als in der Haut des Körpers.
Der Grundtypus für alle ungleichen Formen ist: ‚dünne,
eylindrische Kalkstücke, welche die Tendenz haben sich stark
zu verzweisen und auszubreiten, beinahe immer nach demselben
Plan, wobei die Zweige wieder einander begegnen und zusam-
‚menwachsen, dadurch Scheiben von grösserer und kleinerer Aus-
breitung und mehr oder minder regelmässiger Form, mit runden
oder ovalen Löchern dieht durchbohrt, bildend. Ihr Wachsthum
erfolgt an dem Rande, in den davon ausgeschossenen Zweigen,
welche allmählig verlängert werden ‚‚bis sie sich bald wieder
begegnen und durch Zusammenwachsen neue Löcher bilden.“
Nur bei Cucumaria frondosa ist dieser Typus in den unre-
gelmässigen Kalkklumpen der Haut noch nicht erkemntlich. Ein-
zeln, aber deutlich, ist er in den geraden, knolligen Stücken,
welche die Haut der Tentakeln bei Yolothuria intestinalis Asc.
und AH. tremula L. bedecken vorgebildet, wird aher allmählig
in den Füssen und Tentakeln bei Cucumaria lactea, frondosa,
assimilis, Thyone fusus, raphanus, zu mehr zusammengesetz-
ten, bisweilen dendritischen Formen ausgebildet. Die gewöhn-
30*
TE NRER TA
ar, wr.
450
lichste von allen Formen ist jedoch die Ausbreitung zu regel-
mässigen Scheiben von zweierlei Art, dünnen und dicken. Die
ersteren sind mehr nussähnlich , mit feinen Zwischenwänden und
grösseren Oeffnungen, wie bei Holothuria intestinalis, tremula,
Cucumaria pellucida, wo endlich durch das Hinzukommen von
aufwärts gerichteten Zweigen ein Uebergang zu den bei‘ ynapta
inhaerens bekannten, eigenthünlichen ankerförmigen Bildungen
geschieht. Die Kalkscheiben in den Saugfüssen der Holothurien
gehören im Allgemeinen auch zu den ira Dieke Scheiben
dagegen, oder solche, wo die Zwischenwände stark und die
Oefinungen relativ kleiner sind, finden sich nur auf der Haut des
Körpers und immer dieht zusammengepackt, wie bei Cucumaria
lactea, assimilis, Hyndmanni, Thyone raphanus, Cuvieria
phantapus und squamata, bei welcher letztgenannten Gattung
man die Oeffnungen mit einer glasklaren Kalkmasse, ausgefüllt
findet, indem die Zwischenwände fein reticulirt sind, wie es,
nach Valentin, in den Stacheln der Echini der Fall ist. Es
ist besonders hier, wo man deutlich einsieht, dass das Kalk-
skelett der Echini und Holothurien nach demselben Grundtypus
gebildet ist. Die Vf. beschreiben nun, wie bei jeder unserer
nordischen Holothurien die ungleichen Kalkscheiben sich verhal-
ten und theilen darüber genaue Zeichnungen mit. Es wird hier-
durch möglich die Arten auch nach in Spiritus aufbewahrten
Exemplaren mit Sieherheit zu bestimmen — welches bisher nicht
geschehen konnte — und mit Hülfe des Mikroskops fossile For-
men dieser Echinodermen aufzusuchen und nach den Hauptcha-
racteren wiederzugeben. —
[Hsch.]
In der Sitzung am 15. Januar 1845 berichtete Hr: Sunde-
vall in Kürze über eive ihm und Hrn. Loven übergebene Ab-
handlung der Hrn. M. v.Düben und J. Koren, enthaltend aus-
führliche Beschreibungen von zwölf für die skandinavische Fauna
neuen, sämmtlich theils von den Vfrn. selbst, oder durch den
Stifts- Amtmann Hrn. Christie und dessen thätige Fürsorge
an den Küsten Norwegens gefundenen und im Museum der Stadt
Bergen aufbewahrten Fischarten. Alle diese Arten sind schon
nach einem Schreiben des Hrn. v. Düben in der Sitzung am
15. Mai v. J. erwähnt worden (S. d. Arch. H.1. p. 164.), aber
damals theilweise mit unsicherem Namen und ohne Beschrei-
bung. Fünf von diesen Arten werden als neu angeführtund von
sieben gute Abbildungen geliefert. Merkwürdig ist, dass 5 von
451
ihnen Gattungen angehören, welche früher nicht so nördlich ge-
' funden worden, und dass sie entweder südlichen Familienformen
oder südlichen Arten angehören, so wie, dass keine einzige an
dem unter gleicher Breite gelegenen Grünland gekannt ist. Be-
sonders unerwartet ist es, dass unter ihnen die südlichen
Formen Sternoptix und Chironectes sich finden, und zwar um
so mehr, als die letztere von der Küste von Finmarken sein
soll. Die Vf. halten dafür, dass alle, jedoch vielleicht mit Aus-
nahme von Nr. 1., 2., 7. und $., dem nordischen Meer wirklich
als Standfische angehören. Die Arten sind folgende:
1. Polyprion cernium Valenc. Ein Percoid mit 7 Strahlen in
der Kiemenhaut, einer einzigen Rückenflosse und kardenähnlichen Zäh-
nen; der ganze Kopf und die Basis der weichen, verticalen Flossen
schuppig; ein starker, rauher Knochenkamm quer über den Kiemen-
deckel und sich auf dessen hinterem Rande in einen starken Stachel
endigend. Strahlen in der Reknfl. 11412, in der Aftfl. 3410.
2. Beryx borealis n. sp. (Urocentrus ruber D. et K. a. a. O.)
Kin Percoid, kenntlich an den 5 auch 4 spitzigen Stachelstrahlen an
der oberen und unteren Seite der Wurzel der Schwanzflosse. 8 Strah-
len in der Kiemenhaut etc., 2 Stacheln im Nacken, 2 auf dem Maule
und 2, zweispaltigen unter den Nasenlöchern.
3. Sebastes imperialis Cuv. Die Rückenflosse hat blos 12 Sta-
chelstrahlen; die Brustflosse ist sehr breit, bis hinab zur Bauchlinie
reichend und die unteren 8 Strahlen zur Hälfte ohne Haut.
4. Gobius Nilssoni n. sp. (G. linearis D. et K. a. a.0.). Schmal,
durchscheinend, der Kopf blos } der Körperlänge, die Rückenflossen
weit getrennt, die vordern mit 2, die hintern und die Afterflosse mit
20 Strahlen.
5. Gobius Stuvitzii n. sp. Dem vorigen ähnlich; der Kopf wenig
grösser, die vordere Rückenflosse mit 5, die hintere mit 12 Strahlen.
6. Lophius eurypterus n. sp. Von den Vfn. durch folgende Dia-
gnose charakterisirt: ‚‚radio capitali primo sequentibus duobus plus
quam duple breviore, terminato in cylindrum transversum, crassum,
ciliatum; pinnis omnibus amplis; pectoralibus extensis aream corporis
aequantibus.‘““
7. Chironectes arcticus n. sp. Von derselben Familie wie Lophius,
aber mit hohem, stark zusammengedrücktem Körper u. s. w. „,Lae-
vissimus, radiis pinnarum pectoralium et caudae indivisis; hae longit.
p. dorsalis aequante; appendicibus cutaneis raris, sparsis, validis, sub-
eylindrieis; basi vaginatis et corpori arete adpressis, apice pinnatis.
8. Sternoptix Olfersii Cuv. Steht Scopelus borealis Nilss. nahe,
aber ungewöhnlich breit und zusammengedrückt, mit starkem Absatze
452
am After, niedriger pinna adiposa, runden Silberflecken an den Bauch-
seiten wie Scopelus, aber grösseren. ER
9. Gadus (Merlangus) Potassoa Risso (Gadus albus Yarr. . dei
her, S. d. Arch. H. 1. S. 165.). Aehnlich dem Gad. merlangus, aber
„die beiden ersten Rückenflossen sind sehr kurz, in Form von recht-.
winklichen Dreiecken und alle drei Rückenflossen durch grössere Zwi-
schenräume geschieden.“
10. Motella argenteola Montagu (Motella glauca ara „Ar-
gentata, compressiuscula, rostro brevi, obtuso,, cieris 5, mentuli dia-
metro oculi non attingente; cauda emarginata.“
11. Ahombus megastoma Donov. ,‚,‚Corpore oblongo, triplo lon-
giore quam alto; supra squamis ciliatis, subtus laevibus; rictu magno;
Pinnis ventralibus ab anali discretis; caudali angulata.‘“
12. Lepadogaster bimaculatus Penn. (L. norvegieus früher S. d.
Arch. H. 1. S. 165.). Die Gattung, nahe Cyclopterus, wird an einer
doppelten Saugscheibe unter dem Bauche, schmalem, langgestrecktem
Körper etc. erkannt. Klein (14 Zoll), röthlich, gelbfleckig, gewöhn- .
lich mit einem schwärzlichen , gelbgerandeten Fleck hinter der Wur-
zel der Brustflosse.
13. Cyclopterus minutus Pall. Nach näherer Untersuchung und
Vergleichung von einer grösseren Anzahl Exemplare haben die Vf£r. so
grosse Ungleichheiten in den Stacheln und Buckeln, womit diese Fi-
sche versehen sind, gefunden, dass sie geneigt scheinen von ihrer
früher (S. a. a. O.) aufgestellten Annahme, von zwei Arten unter
ihnen, abzugehen, und mit Fries alle für Junge von C. lumpus an-
zusehen. Dieser Gegenstand muss jedoch weiter untersucht werden.
[Hsch.]
In derselben Sitzung theilte Hr. Sundevall aus einem
Briefe des Hrn. Grill Nachrichten über eine Larve von Cossus
ligniperda mit, welche unter solchen Umständen gefunden wor-
den, dass mit ziemlicher Gewissheit EN werden kann
sie babe im Magen eines am 23. November geschlachteten Seha-
fes gelebt. „Dieses Schaf war alt und zahnlos und schien lange
an einem inneren zehrenden Uebel gelitten zu haben. Man hatte
vergebens gesucht, dasselbe zu mästen. Nachdem die Einge-
weide aus dem in einer Küche geschlachteten Thiere herausge-
nommen worden, wurden sie auf ein auf dem Fussboden aus-
gebreites Laken gelegt, und als, ungefähr 5 Minuten hernach,
die?beiden damit beschäftigten Personen, welche sich allein in
der Küche befanden, sie aufnehmen wollten, fand sich die ge-
459
nannte Larve kriechend zwischen dem Wanste und den Dünn-
' därmen, 2—3 Zoll vom Magenmund (Cardia), aus welchem das
Verschluckte vorher herausgenommen worden. Jedoch lagen die
Eingeweide so, dass sie aus einem jeden der Mägen herausge-
krochen sein konnte.“ Hr. G. war sogleich hinzugekommen und
hatte sich durch die beiden Personen, denen er keine unrichti-
gen Angaben zutraut, genau von der Sache unterrichtet und sich
vergewissert, dass die Larve nicht durch Holz daningekommen.
In den Därmen und Mägen wurden nicht mehrere Raupen ge-
funden, als diese, welche unzweifelhaft der genannten Art (Cos-
sus ligniperda) angehört. Um sich auf keine Art zu irren, hat
Hr. G. eine illuminirte Abbildung mit gesendet, welche diese
Larve ausgezeichnet gut darstellt, jedoch mit der Ausnahme,
dass die dunkle, gewöhnlich hlaubraune, Rückenoberfläche hier
wenig dunkler gefärbt ist, als die Seiten des Körpers. Es scheint
ganz glaublich, dass diese Abweichung in der Farbe eine Folge
von der ungewöhnlichen Lebensart sein kann. Die Larve war
etwas über halbwüchsig, 2%, Zoll lang. Sie hatte den bekann-
ten, dieser Larve eigenen, unangenehmen Geruch deutlich ver-
breitet. Auf die Erde in einen Blumentopf gelegt, grub sie
sich sogleich ein und spann eine dünne Seidenhülse um sich,
worin sie liegen blieb und dieselbe zweimal erneuete, weil man
sie aufnahm, ohne die bei dieser Larvenart gewöhnliche Neigung
herum zu streifen zu zeigen.
Da es nicht glaublich ist, dass die Larve sich aus dem Eie
entwickeln und nachher zu einer so bedeutenden Grösse an einem
für ihre Natur so ungewöhnlichen Orte erwachsen konnte, bleibt
nur die Vermuthung übrig, dass sie entweder auf eine oder die
andere Art von dem zahnlosen Schafe niedergeschluckt worden,
oder, dass sie durch die Nasenlöcher eingekrochen, welches
letztere jedoch mehr unwahrscheinlich scheint.
Hr. G. führt hierbei mehrere Nachrichten über Lepidopte-
ren-Larven an, welche im Körper warmblütiger Thiere ange-
troffen worden, nemlich Vet. Acad. Entomol. Ärchi 1842, 8. 12.
und Vet. Acad. Handl. 1752, S.52. Im Zool. Ärsb. 1823, S. 27.
wird von einer Meloö erzählt, von welcher man glaubt, dass sie
in einem Menschenkörper gelebt, und in Ärsk. 1832, S. 101.,
über Larven von Cossus ligniperda gesprochen, Welche auf einer
todten Bombyx quercus gelebt. Diess letztere, dass Cossus auf
todten Insekten, und also von animalischer Nahrung lebt, stimmt
mit des Ref. Erfahrung überein.
Hr. Grill hatte ferner mitgetheilt, dass er, am 30. Mai
1844 von einer Katze, welche 3 Junge geworfen, 2 weggenom-
454
men und an deren Stelle ein Paar junge noch blinde Eichhörn-
chen gelegt. Die Katze hatte wohl im Anfange an ihnen 'gero-
chen, aber in einer halben Stunde fand man sie säugend. Sie
gelangten weit früher als die zurückgebliebene junge Katze in
den Stand umher zu springen, wo man die Pflegemutter oft mit
ihnen spielen und sich über ihren Fortschritt freuen sah. Hr.
G. bemerkt, dass man Nachrichten über weibliche Katzen finde,
welche ganz ungleichartige Junge aufgesäugt haben, nemlich
junge Füchse (nach Jäg. Förb. Tidskr. 1. S. 61.), junge
Ratten (Zool. Arsb. 1839, S.11.) und junge Hasen (ebendas.u.
Vet. Akad. Öfvers. 1844, S. 136. [S. d. Archiv H. 1. S, 176.)).
[Hsch.]
Ueber den Einfluss der Witterung auf dieVegetation
im Jahre 1844.
Von dem Professor E, Fries*).
»
Indem ich einer Aufforderung der Freundschaft gehorche
einige Worte zu äussern, welche im Zusammenhang mit dem
Zweck unseres Vereines stehen, hoffe ich auf ihre Nachsicht
für den geringen Inhalt eines Vortrags, Jessen Stoff für den
Augenblick aus der Luft gegriffen werden musste. Und für heute
liest wohl kein Stoff näher, als das unaufhörliche Regenwetter.
Der ausserordentliche Niederschlag dieses Jahres muss einen
mächtigen Einfluss auf die Pflanzenkultur haben, da die ganze
Pflanzenwelt im innigsten Zusammenhang mit der umgebenden
Natur steht. Alle diese schönen, viel veränderlichen Formen,
*) Tidskrift för Landtmanna - och Kommunal-Ekonomien. Uigifven
[eo]
af F. W, Edelswärd och J. Arrhenius. Ar 1845 Nro. 17).
T) Dieser extemporirte Vortrag wurde in der Versammlung des
Garten- Vereines in Stockholm am 31. Juli 1844 auf desfall-
sige Aufforderung gehalten, und ist das Einzige, welches Prof.
Fries in der Botanik im vorigen Jahre geliefert, da er das
ganze Jahr abgehalten war, erst durch eine lateinische Ge-
dächinissrede auf Carl Johann, später durch den Reichstag,
wozu er von der Universität Upsala als Repräsentant gewählt
war. Als solcher gehörte er zu den fleissigsten AReduern, und
obgleich den CGonservativen angehörend, glückte es ihm als
Redner gewöhnlich durch seine ‚Poesie der Sprache‘ die ultra
liberale Zeitungspresse zu entwaffnen. Nur durch seine leb-
hafte Vertheidigung des Studiums der klassischen Sprache zog
er sich ihre Bitterkeit zu. . Desgleichen hatte er die Ehre Ih-
ren Königlichen Hoheiten einzelne Vorlesungen über die Bo-.
tanik zu halten. Anm. d. Uebers.
455
welche wir lieben und pflegen, sind nicht ein absichtsloses Spiel
der Natur, sondern deren inneres Leben, ungleich daguerreoty-
pirt von verschiedenen Lokalitäten und Klimaten. Soll der Kunst
die Pflege glücken, müssen wir die Naturverhältnisse ihres Hei-
mathlandes getreu nachzubilden suchen.
Wärme und Feuchtigkeit, unter der belebenden Herrschaft
des Lichtes, sind die mächtigsten Triebkräfte des Pflanzenle-
bens; beide im Verein erzeugen die grösste Ueppigkeit und
Mannichfaltigkeit, wovon die Urwälder des tropischen Amerikas,
wit Stamm bei Stamm bis zur Krone mit den herrlichsten Lo-
rantheen, Orchideen und Liliengewächsen bekleidet, im Vergleich
mit unseren flechten- und moosbewachsenen Baumstämmen, das
üppigste Bild darstellen. Wird aber das Gleichgewicht zwischen
ihnen aufgehoben, so verschwindet die Vegetation wieder; in
ler Sahara, der grossen Wüste, sehen wir was die Wärme —
und, unter unserem nasskalten Herbsthimmel, was die Feuch-
tigkeit einzeln vermag. Auch der ausserordentliche Niederschlag
dieses Sommers, gewiss nicht vergleichbar mit dem der Tropen,
aber auf Kosten der Wärme gewonnen, muss nachtheilig auf
das pflanzliche Productionsvermögen einwirken ; wenn auch Schuss
und Blatt jetzt ungewöhnlich geil erscheinen, so ist diese Uep-
pigkeit schädlich für ihre eigentliche Ausbildung.
Die Feuchtigkeit der Luft und der davon ahhängige Nieder-
schlag wirkt vorzugsweise auf das vegetative System der Pflan-
zen, d.h. auf Stamm- und Blattbildung. Daher luxuriren diese
vorzugsweise während regenreicher Jahre, daher diese überwie-
sende Wurzelschussbildung in Küstenländern, daher dieses üp-
pige Grün in Alpenthälern und unter Englands nasskaltem Him-
mel, wenn er gleich einem Rausche, die vegetativische Kraft
zu steigern scheint, wirkt er für die Folge mehr schädlich für
alle Pflanzenerzeugnisse, welche Kinder eines klareren und trock-
neren Himmels sind. Die neuen Schüsse werden zu einer Länge
und Saftigkeit hervorgetrieben , welche sie hindert sich vor dem
Eintritt der \Vinterkälte hinreichend zu stärken, von welcher sie
deshalb gewöhnlich getödtet oder zersprengt werden. Diess wird
um so mehr schädlich, als regenreichen Sommern und Herbsten
sewöhnlich kalte, schneearme Winter folgen, da, wie bekannt
ist, die Schneebedeckung sonst die zärtlicheren Gewächse gegen
die Kälte schützt. Desgleichen werden von der feuchten Wit-
terung eine Menge Wasserschüsse hervorgetrieben, welche die
Nahrung von den edleren Theilen ableiten. Hierzu kömmt, dass
auf Bäumen und perennirenden Pflanzen beinahe nur Blätter,
aber nur wenig Fruchtknospen ausgebildet werden. So ist be-
456
kannt, dass die Buche bei uns nur nach sehr warmen Sommern
Samen liefert. Sogar auf die Qualitäten der Gewächse wirkt
die feuchte Witterung nachtheilig, indem der reiche Wasserge-
halt sie mehr saft- und kraftlos macht (gleich wie Futter von.
niedrigliegenden Wiesen immer kraftloser ist, als von trocknen),
besonders zum medizinischen Gebrauch, nach der alten Regel:
die Kraft wohnt auf Bergen und Höhen, der Reichthum und die
Fülle in den Thälern. Auch werden gewisse Gewächse, z. B.
Heracleum Sphondylium , welche in trocknen Jahren gute Fut-
tergewächse sind, in besonders nassen Jahren schädlich, bei-
nahe giftig, nach dem für alle Schirmpflanzen geltenden Gesetze,
dass diejenigen, welche auf nassen Stellen wachsen giftig sind.
Nur für Gewächse mit typisch üppiger Wurzelbildung, oder von
einem nasskalten Inselklima. unter einer kälteren Zone, kann der
gegenwärtige Sommer günstig sein, gleich wie für die Fortpflan-
zung der Gewächse durch Ableger und Stecklinge.
Licht und Wärme fliessen den Gewächsen aus derselben
Quelle zu und müssen deshalb gemeinsam betrachtet werden,
obgleich das Licht mehr auf die Blüthen, die Wärme auf die
Frucht einwirkt. Die Wärme kann die Kunst erzeugen, aber
nicht das klare Licht der tropischen Hochländer, weshalb deren
Blumen bei uns niemals die unvergleichliche Farbenpracht er-
halten, wie im Heimathlande; auch die Gentianen der Alpen ver-
lieren ihren Azur in unseren Gärten. — In demselben Verhält-
niss wie das vegetative System durch unmässige Feuchtigkeit
luxurirt, nimmt die Blüthen- und Fruchtbildung ab. Diess Ge-
setz ist so allgemein, dass man schon von den kolossalen
Stammbildungen der Urwelt, mit unausgebildeten Blüthen und
Früchten (die meisten zur Flora der Urwelt gehörenden Ge-
wächse sind Kryptogamen), auf eine unvergleichbar höhere Feuch-
tigkeit der Luft während dieser unzählbaren Weltalter schliessen
kann. Noch heute blühen die Gewächse reicher und schöner
in trocknen und klaren Jahrgängen, als während kalter und re-
senvoller; es ist eine überall bekannte Erfahrung, dass der beste
Same in der Sonne reift. Daher das Sprichwort: ‚Die Sonne
hindert niemals das Gedeihen,“ „die Sonne macht kleine,
aber volle Körner.“ Feuchte Luft ist besonders für die
Befruchtung der Gewächse nachtheilig, so dass wenigere und
geringere Samen entstehen. Eines der erfahrungsreichsten Mit-
glieder des Vereins, Hr. Roman, hat mir die interessante _
Beobachtung mitgetheilt ‚dass alle seine Versuche Pelargonien
zu hybridisiren dieses Jahr in Folge der feuchten Witterung
missglückten. Dazu kömmt, dass in nassen Sommern einge-
457
sammelte Samen sich ungleich schwerer aufbewahren lassen;
in stärkerer Wärme vertrocknen sie und das Samenweiss wird
hornartig; ohne künstliches Trocknen schimmeln sie leicht. So
weit meine Erfahrung reicht, leiden diejenigen Samen, welchen
das Samenweiss fehlt, wie Leguminosen, Synantheren u. s. w.,
am wenigsten. — Da wir, in Folge der ungünstigen Witterung
dieses Sommers, wenig Hoffnung auf eine weder reiche noch
gute Samenerndte besitzen, so müssen wir bei zeiten bedacht
sein, uns von anderen Orten bessere Aussaat für das nächste
Jahr zu verschaffen.
Denn es scheint eigentlich unser Mälar- Thal der Mittelpunct
für den überflüssigen Niederschlag dieses Jahres gewesen zu
sein. Sowohl in unseren südlichen , wie nördlicheren Provin-
zen, auch westlich , hat man weniger davon gelitten. Diese un-
gleiche Vertheilung des Niederschlags, welche weder etwas
Ungewöhnliches noch Zufälliges ist,'sondern auf allgemeinen
meteorologischen Gesetzen beruht, ist der Grund zu dem unglei-
chen vegetativen Productions - Vermögen welches wir im östli-
chen und westlichen Schweden, zwischen Upland und Schonen,
finden. Es ist weniger die Mitteltemperatur des ganzen Jahrs,
als die der Sommermonate, welche dieses bestimmt, und die
letztere ist für Upsala und Lund gleich. Deshalb gedeihen auch
beinahe dieselben Kräuter im Freien in Schonen und Upland;
aber an Bäumen und Sträuchern merkt man einen höchst be-
deutenden Unterschied , indem: diese von der Winterkälte mehr
leiden, welche in Upsala bedeutend höher ist. Aber Schonen
hat auch mildere Winter, als Berlin, und das nördliche Deutsch-
land hat kaum einen nördlicheren Punct als Wien, wo man nicht
gelegentlich einen höheren Kältegrad, als in Lund, beobachtet.
Upsala dagegen hat eine etwas höhere Winterkälte, als das
Nordceap; der Winter des Nordcaps ist doppelt milder, als der
Petersburgs, aber wieviel herrlicher ist gleichwohl nicht die
Vegetation von Petersburg und Upsala wegen der höheren Som-
merwärme? Die Verbreitung und Acclimatisirung der Kräuter
geschieht vorzugsweise nach den Isotheren (der gleichen Som-
merwärme) der Orte, denn den Samen schadet die Kälte nicht;
— die der Bäume dagegen vorzugsweise nach den Isochimenen
(der gleichen Winterkälte). Nur die Volksstämme scheinen sich
nach den Isothermen (der Mitteltemperatur) auszubreiten; man
vergleiche die Wanderungen der Araber und unserer Stammväter
(welche letztere nach der Tradition mit den östlich von der nörd-
lichen Küste des Schwarzenmeeres sinkenden Isothermen für
das südliche Schweden zusammenfallen) und es zeigt sich, dass
458
sie aus einem dunkeln Instinet sich unter der Isotherme. ihrer
Heimath niedergesetzt, wie es auch gewöhnlich noch heute mit
‘allen nach Amerika auswandernden Kolonisten der Fall ist. Sie
lassen sich wohl da südlicher aber aus einem dunkeln Instinct
unter der Isotherme ihrer Heimath nieder *).
Der Grund für die ungleiche Vertheilung des Niederschlags
in Schweden scheint mir in den drei ungleichen Meerbassins ge-
sucht werden zu müssen , von welchen Schweden umgeben wird:
dem Kattegat, der Ostsee und dem bottnischen Meerbusen. Ich
habe anderwärts ausführlicher darzustellen versucht, wie das
Tiefland darnach in zwei grosse pflanzengeographische Regionen
vertheilt wird und wie der Wettern die Grenzlinie des Regen-
sebietes zwischen der Ostsee und der Nordsee andeutet. Die
in verschiedenen Jahrgängen herrschenden Winde bestimmen
den Niederschlag. Es ist innerhalb jeder dieser Regionen
der Meereswind, welcher gewöhnlich den Niederschlag und
die feuchte Luft mit sich führt; — also im östlichen Schwe-
den die östlichen, im westlichen Schweden, gleich wie über
ganz Dänemark die westlichen Winde. Schonen liegt auch
unter dem südwestlichen Regengebiet; der Ostwind ist dort
so selten, dass er in der Mittelzahl is 9 Tage im Jahre
weht, während der Westwind dort 150 Tage herrscht. Nun
liest das Mälar-'Thal auf der Grenze zwischen dem Regengebiet
der Ostsee und des bottnischen Meerbusens. Dieses Jahr scheint
der Vorrath beider über demselben ausgegossen worden zu sein,
weshalb wir, mehr als Andere, im gegenwärtigen Jahr gewäs-
sert worden sind.
Dasjenige, welches zugleich macht, dass der vermehrte Nie-
derschlag und die daraus folgenden Ueberschwemmungen im
Svealand mehr zerstörend wirken, als im Gothenreiche, so wie,
dass derselbe den ausgemachtesten Einfluss auf deren vegetati-
*) Die ungleiche Vertheilung der VVärme und Kälte auf der Erdkugel
folgt nicht den Graden der Länge und Breite, sondern weicht be-
deutend davon ab, So haben z. B. Orte, welche unter demselben
Breitegrad liegen, oft ganz ungleiehe "Temperatur. Wie sowohl
die ungleiche Intensität der Wärme, als Kälte im höchsten Masse
auf die Vegetation ungleicher Länder einwirken, so werden auf
pflanzengeographischen Karten mit verschiedenen Linien oder Bugen
die Orte ausgezeichnet, welche in genannter Hinsicht übereinstim-
mend sind. Die Orte, welche gleiche Sommerwärme haben, sagt
man, liegen unter derselben Isothere, die, welche gleiche Winter-
kälte haben dagegen unter derselben Isochime und die, welehe
gleiche Mitteltemperatur besitzen, von denen sagt man sie sind unter
derselben Isotherme belegen; welches wir, um vorkommenden Miss- .
verständnissen vorzubengen, uns veranlasst sehen hier bemerken zu
müssen,
454
ves Productionsvermögen ausübt, ist die ungleiche Ausbreitung
der Haupttheile dieser beiden Länder. Das Gothenreich gleicht
einer überwölbten Schale; das smälandische Hochland ist ihr
Boden, wovon die Ströme strahlenweise nach allen Richtungen
ausgehen. Alle Fettigkeit und alles Gedeihenbringende wird ab-
gespült und herabgeschwemmt vom Hochland und setzt sich auf
der Peripherie ab. Nur dort treffen wir jüngere Bildungen,
und aufgeschwemmtes, fruchtbares Land, wie Schonen, Ble-
kingen, (Öland), das ost- und westgothische Flachland. Aber
sleichwie das Gothenreich sich in der Peripherie senkt, erhöht
sich das Sveareich gegen dieselbe und dass die waldigen Berg-
ketten, welche beide scheiden, dem Svea- und nicht dem Go-
thenreiche zugehören, wird sowohl von ihrer oryctognostischen
Bildung, als von ihrer Vegetation, z. B. dem Mangel von Scir-
pus caespitosus u. m., welche allen Waldmooren im Gothen-
reiche angehören, bezeugt. Das Sveareich gleicht also einer
concaven Schale. Das Mälarthal ist deren Boden und von den
erhöhten Rändern strömt alle Feuchtigkeit dahin nieder, wes-
halb sich hier in der Mitte die Uebergangsbildungen und das
fruchtbarste aufgeschwemmte Land finden. Daher leidet das
Mälarthal mehr von Ueberschwemmungen, als ein anderer Theil
des Reichs.
Durch diese Ueberschwemmungen wird sicherlich des Lan-
des Fruchtbarkeit unterhalten, wenn sie auch für das Jahr zer-
störend wirken. Wir haben in dem Vorhergehenden schon
Exempel von der Einwirknng angeführt, welche die Witterung
eines vorhergehenden Jahres auf das nachfolgende hat; mehrere
wären noch hinzuzufügen, aber die Zeit erlaubt nur ein in phy-
siologischer Hinsicht besonders merkwürdiges. — Es ist nun-
mehr eine abgemachte Thatsache, dass Gewächse mit getrenn-
tem Geschlecht unter gewissen Verhältnissen dasselbe vertau-
schen können. Es war ein solches Verhältniss von welchem
Schelver seine Theorie gegen die ganze Lehre über die Be-
fruchtung der Gewächse aufstellte, indem eine weibliche Pflanze
in einem Gewächshause, wo sich keine mämnlicbe Pflanze be-
fand, keimenden Samen gab. Nun wissen wir, dass weibliche
Blüthen zufälligerweise neben männlichen Blüthen ausgebildet
werden. Es ist weiter bekannt, dass von gewissen Gewächsen,
wie Siratiotes, Sagittaria u. m. im Norden nur weibliche Pflan-
zen, im mittleren Europa beide männliche und weibliche Pflan-
zen, ım südlichen nur männliche Pflanzen gefunden werden. In
den Ländern, wo blos eines von :beiden Geschlechtern gefunden
wird, vermehren sich diese Gewächse nur durch Wurzelschüsse ;
460
blos in der Mittelregion werden sie zugleich durch Samen fort-
gepflanzt. Wir sehen also, dass das männliche Geschlecht der
Gewächse durch die höhere, das weibliche durch die niedrigere
Temperatur ausgebildet wird. Bei der Weidengattung hat man
‘oft Gelegenheit zu sehen, wie nach warmen Sommern der weib-
liche Baum das folgende Jahr auch männliche Blüthen, oder
nach nassen und kalten Sommern wieder der männliche Baum
weibliche Blüthen hervorbringt. Nur dadurch kann erklärt wer-
den, dass in Schonen, von allen eultivirten Weidenarten, wel-
che von Süden herstammen, nur weibliche Sträucher gefunden
werden; von allen welche aus Norden stammen, nur männliche
Sträucher. Ein höchst merkwürdiges Exempel haben wir in
Upsala.. Von Salix Crowneana war bisher nur der männliche
Strauch bekannt; dieser war seit mehreren Decennien in Lund
eultivirt worden, ohne dass er einige weibliche Blüthen zeigte.
Vor einigen Jahren schon in grösseren Parthieen hin nach Up-
sala versetzt, sind dort mehrere Zweige zu weibliche Blüthen
tragenden übergegangen. Diess ist ein entgegengesetztes Fac
tum zu dem bekannten von Salix babylonica, von welcher nörd-
lich von Italien nur weibliche Bäume vorkommen, welche jedoch
1827 in Carlsruhe in männliche Zweige übergingen. Hr. Kam-
merherr Baron Gyllenstjerna, welcher das genannte Ver-
hältniss mit S. Crowneana zuerst bemerkte, hat denselben Ue-
bergang an Populus candicans beobachtet und Aehren von
zweizeiliger Gerste mitgetheilt, welche unter der. nassen und
kalten Witterung dieses Jahrs dadurch sechszeilig geworden
war, dass die sterilen seitenständigen Blüthen auch Pistille er-
hielten.
In unseren @&ewächshäusern ‚können wir die Wärme und
Feuchtigkeit der tropischen Klimate nachahmen, aber nicht die
klare, trockne Sommerluft wegen des Winterregens unter dem
Gürtel der alten Welt (zwischen 30—45°n.B.). Deshalb stösst
die Kultur ihrer Gewächse bei uns oft auf die grössten Schwie-
rigkeiten; sie ertragen weder unsere freie Luft noch die feuchte
der Gewächshäuser. Aber da wir in den letzteren Jahren einen
unerwarteten Fortschritt in den neuen Glashäusern für die Ge-
wächse, welche einer grösseren Quantität Licht den Zugang
gestatten, als die älteren Orangeriehäuser, erfahren haben, hof-
fen wir auch, dass die Kunst die genannten Schwierigkeiten
besiegen wird. Es ist für. jeden Beflissenen der Gartenkultur
eine wahre Befriedigung, dass dieses edle Bildungsmittel jedes
Jahr mehr warme Freunde in unseren kalten Ländern gewinnt;
461
gleich wie wir für die Zukunft hoffen, dass eine klarere Sonne
glänzen werde über den nasskalten Nordländern.
[Hsch.]
Nachträglich zu Salix pyrenaica *norvegica Fr. in Fries’s
Abhdl. über die schwed. Salices (8.373, Nr. 35.): Prof. Blytt sagt
in „Reisebemerkungen“ in Lindbl. Bot. Notiser 1845, S. 41.: ,,In der
Nähe des [5600’ hohen ] Sulutind [im Fillefjeld im westl. Nor- -
wegen] sah ich eine zwergartige Form der Salixz Muyrsinites,
die mich auf den Gedanken brachte, dass die von mir in Dront-
heims Stift gefundene Form, welche Professor Fries unter dem
Namen $. pyrenaica norvegica aufgestellt hat, wohl zunächst
der $. Myrsinites angehöre, zu welcher auch S$. retusa sarmen-
tosa Fr. vielleicht hinzubringen sein wird.“
Anm. d. Uebers.
462
Berichtigung en. | " i
S. 33, 2.9 u,10 v. u. 1. Sens. et Sens. Ne
S. 45, Anm., letzte Z. st. nicht besser I. eben so gut ka
S.46, 2. 10 l. seinen Pinax z
S. 50, zu Anm.**) Es ist Dioscorides’s eigne Angabe, dass der
L}
unn Dn@
VELDUTD DUDU
VOERDRRE
nnnn 2
Name von osio herkoinme, weil die Stengel durch das rinnende
Wasser vibriren. (Fries. )
. 55, 2. 8v. u. I. St. Helene -rot
63, Z. 10 v. 0. I. zagdıoßoravn
. 64, Anm. 2. 3, ist zwischen ed. 2 und p. 111 einzuschieben: [d. i.
in der ganzen Sammlung, Bot. Utflygter,]
„2. 19 v. u setze vor Carum ein Komma
en 2.3 v.o.1. Fennica
. 82 und 256 ist die Angabe d. Hrn. Uebersetzers zu berichtigen, dass
Ulmus montana Smith et Fries mit U. effusa identisch sel.
Vgl. S. 256, Z. 3, „Ausser U. eflusa‘‘ ete. Meine U. campestris
r eben die der Deutschen; Smith’s U. montana ist von aller
U. effusa sehr verschieden. (Fries.)
85, Anm. Z. 2,3, 1. Bei diesen den Virgil und andere alte Autoren
. 87, Z. 15, st. in nur angenommenem |]. im nun angenommenen
. 95, Z. 10 v. u. I. Arten nur für
99 etc. 1. Tromsöe, wie später in derselben Abhandlung Mageröe,
Tambsöe, Havöe, Rollöe.
. 102, Z. 15, st. Bei Mundin gen 1. Bei der Mündung
\ 104, Z. 14 1. Peskavare
. 109, Z. 7 I. bei Hammerfest
. 109, Z. 8 v. u. st. südalpinischen I. südnorwegischen Wiesen-Alpen-
pflanzen
. 132, Z. 4, fehlt in der letzten Spalte die Zahl 6.
Z.2 v. u. l. Akademie zu Lund
.‚ 2.6 v. u. 1. Encoelium.
139, 9 vw. wl. Ängström
221 v2 0.1. Anjeskutan
2.4 v. u. |. goir
182, Z. 11. v. o. fehlt hinter Zugvögeln!: Wie gross die Erwartung,
wann der liebe Gast landen werde an unserm Strande und Harn
heraufziehen zu unseren Bergen!
183, Z. 12 v. u. st. verlässt man gern 1. verzeiht man wohl
192, Z. 10 v. o. I. oder auf einen Tag etwas
212, Note, Z. 8, 1. Zugvieh
215, Z. 20 v. u. 1. Anemone Hepatica st. Pulsatilla (Fries.)
215, Z. 16 v. u. 1. Anemone Pulsatilla st. Hepatica (Fries.)
. 236, Anm. 1, Z. 7, st. W. — Arnott’s I. Walker-Arnott’s
: 261, 8. ist, das Fragezeichen vor R. ciliatipetala zu streichen.
Diese und R.cinnamomea sind die in Skandinavien von Schonen
bis Lappland am meisten verbreiteten Arten; in Lappland und
Nordskandinavien finden sich von Rosen nur R. ciliatipetala und
R. cinnamomea, nicht R. canina. A. tomentosa Koch kommt
nur in den südlichsten Küstenprovinzen fort. (Fries.)
264. Arabis sagittata, hirsuta und glastifolia habe ich in den Bot.
Not. 1843 als getrennte Arten aufgestellt. (Fries.)
. 271, Z. 11, 1. 1840
. 271, letzte Z. v. u. st. es I, obiges
. 324, Z. 25 1. Während der Mensch
. 10, Anm. Z. 4 st. keinen geringern an l. geringere Begriffe
\
Greifswald, gedruckt bei F. W. Kunike.
x
. 135, Z. 23, st. Ljusneelf I. Ljunga
135, — 24— 25, st. Njurundaelf oder den Ljunga l. Woxnaelf, wel-
| cher in den Ljusna einmündet. |
414, — 9 v. u. st. Motlophn I. Matlapiin
- 415, — 15 v. o, 1. Kaffergetränk %
415, — 20 v. o. 1. Masilikazi
418, — 1v. u. und
419, — 7—8. v. o. 1. Makata
422, — 4 v. o. l. Maharutzi
422, — 23 v. o. 1. Masilikazi
424, —3v. 0.1. Moritili
424, — 26—27 v. 0. 1, Blässenbockshaut
424, — 31 v. o. 1. Wolmarans |
426, — 11 v. o. st. Schilfgras 1. Millis - Mais
427, — 10 v. u, streiche meiner.
a
Bei SCHEITLIN und ZOLLIKOFER in St. Gallen ist erschienen
und zu beziehen durch alle Buchhandlungen:
Erd- und Süsswasser - Gasteropoden
der Schweiz.
Mit Zugabe einiger merkwürdigen exotischen Arten.
‚ Dargestellt und. beschrieben
von
J. D. W. Hartmann. |
I. Band. Ausgabe mit 84 braunen Kupfern fl. 16 48 kr. oder
Rthlr. 9 10 Sgr. .
Ausgabe mit fein ausgemalten Kupfern fl. 37 48 kr. oder Rthlr. 21.
Das ganze Werk wird zwei-Bände stark.
Die deutsche Literatur weist kein Werk in diesem Fache auf,
das bei der gründlichsten Bearbeitung so schöne Ausstattung zeigt.
Beides war uns möglich, weil der Verfasser Zeichner, Maler "und Bi-
terat zugleich ist.
Bei der strengsten Genauigkeit ist die Arbeit prachtvoll.
Der Verfasser, früher Naturalienmaler Sr. Durchlaucht des Prin-
zen von Neuwied, des berühmten Naturhistorikers, hat sich schon fast
30 Jahre mit besonderer Vorliebe diesem Zweige der Naturgeschichte
gewidmet, es dürfen also in jeder Beziehung seine Leistungen vorzüg--
ch eenannt werden.
Lehrbuch der Naturgeschichte.
Für
Real- und andere höhere Pürse eh
Von
J. Wartmann.
2te vielverbesserte und vermehrte Auflage.
Preis 20 Sgr. oder 1 fl.
Herr Director Wurst sagt schon über die erste Ana in den
„Zwei ersten Schuljahren, “ 2. Aufl. S. 256: „‚Als ein ganz vorzügli-
ches Buch empfehlen wir allen Lehrern ur "Wartmann’s Leitfaden
zum Unterricht in der Naturgeschichte.‘“ Diese Schrift zeichnet sich
durch Klarheit in der Darstellung und durch höchst glückliche, ächt
methodische Auswahl des Lehrstoffes vor allen andern ähnlichen
Schriften so vortheilhaft aus, dass wir sie allen Lehrern ru Einl
empfehlen müssen.“
Die obligatorische Einführung der Wartmann’schen Lehrbücher
im Grossherzogthum Baden mit dem dadurch viel vergrösserten Ab-
satz machte den Verlegern einen billigeren Preis möglich,
Skandinavische naturgeschichtliche Literatur.
A. Schwedische.
1. Vom Jahre 1842.
Kongl. Vetenfkaps- Academiens Handlingar, för är 1840.
‚Stockholm, 8., med 5 pl., h. 1 R:dr 16 ‚fk.
(Verhandlungen ‘der Königl. Akademie der Wissenschaften f.
1840.) _
Shandiavisk Fauna af S. Nilsson. Tiedje Delen: Am-
fibierna. Lund, 8., h. 40 fk.
(Skandinavische Fauna von $. Nilsson. 3ter Theil. Amphi-
bien.)
Skandinavifka Foglar tecknade efter Naturen, lithografierade,
tryckte och utgifne af M. Körner. 8:de Häflet. Lund;
'6 pl., h. 2 R:dr.
(Skandinavische Vögel, nach der Natur gezeichnet, lithogra-
phirt u. heransgegeben von M. K. Stes Heft.)
Skandinaviens Fi/kar, mälade efter lefvande Exemplar och
ritade pa Sten af PWilh. von FFright, med text af
B. Fr. Fries och ©. U. Ekström; efter den. förres
död fortsatt af ©. U. Ekström och C. J. Sundevall,
7. Häftet. Stockholm, 4., med 6 pl., h. 2 R:dr, illum.
4 R:dr, samt S fk. för Lat. texten. |
(Skandinaviens Fische, nach lebenden Exemplaren gemalt u.
auf Stein gezeichnet von W. v. Wright, mit Text von
Fries u. Ekström; nach des Erstern Tode fortges. von
„Bkström u.Sundewall. tes Eleft.)
Handbok för Fifkare , innehällande: Tillforlitlig Underrät-
telse om alla vid Svenfka stränderna bekanta Fifksorter
och sättet till deras füngande, jemte Befkrifning pa. de
‚Fikred/kap, som dertil användas. ÜUtgifven af C. R.
‚Stockholm, 12.,.h. 16 ‚fk-
(Handbuch für Fischer, enth. Zuverlässige Unterweisung über
alle an den schwed. Strändern bekannten Fischarten u. die
Art, sie zu fangen, mit. Beschr. der Fauggeräthschaften.)
Förleckning öfver. Stockholms - traktens Coleoptrer; af O.
Nybleus. (Ur I. WVet.- Acad. Handl, for är 1840.)
Stockholm, 8. |
(Verzeichniss der Coleopteren der Gegend von Stockholm.)
2
Dein Scandinavie disposita et descripla Auctore Jo-
anneWMilhelmo Zetterstedt. Tomus primus. Dun-
de, 8. h. 2 R:dr 16 Jk-
Dispositio Methodica Specierum Scandinavicarum pertinen-
tium ad Familias Insectorum Hymenopterorum naturales
Sphecidarum, Pompilidarum, Larridarum, Nyssonidaruim,
Pemphredonidarum, Crabronidarum, Mellinidarum et
Bembicidarum. P. I—IV. Pres. A. G. Dahlbom;
Respp. Jul. Ed. VWoallerius, Joh. Elaus Lund-
uist, Georg. Erland. Psilander et Laur. Arvid.
ergh. Lunde, 4.
Onychia och Callaspidia, tvenne för Skandinaviens Fauna
nya Insekt-Slägten, hörande till Galläple - Steklarnes
naturliga grupp. Monografijk bearbetning. Pres. G.
Dahlbom; Resp. C. S.Lindskog. Lund, $., med tab. 4.
(Onychia u. Callaspidia, zwei für die skandinav. Fauna neue
Insectengattungen aus der Gallwespengruppe. Monographi-
sche Bearbeitung.)
De Fabrica Corporis Insectorum Dissertatio. Pre. Ma-
gnus VPF. von Düben; Respp. M.C.Herrlin, C.R,
Waulffet A. J. Simonsson. P. I—III. Lunde. 8.
Om Blodiglar. En afhandling om iglars natur och befkaf-
fenhet, jemte upplysning om sättet att foröka och använda
dem som en handelsvara. Utgifven af P. D. Faber.
Ofversättning fran Danfkan. Jönköping, 12. h. 24 fk.
(Ueber Blutegel. Abh. über deren Natur und Beschaffenheit,
nebst Anweisung über die Art, sie zu vermehren und als
„Handelswaare zu benutzen, A.d, Dän.) f
“Ars-Berättelse om botaniska Arbeiten och Upptäckter för Ar
1838. Till Kongl. Vetenfkaps - Academien afgifven den
31. Mars 1839. Af Joh. Em, VWikström, Stock-
holm, 8., h. 3 R:dr.
(Botanischer Jahresbericht für 1838.) j
Utkast till Wäxtrikets Terminologi af J. Arrhenius
Förra Häftet. Upsala, 8., h. 20 fk.
(Entwurf zu einer Terminologie des Pflanzenreichs.)
Ofver Wexternes Namn. Academifk Afhandling. Pres.
Elias Fries; Respp. Carl Joh. Boman, Jon.
Gust. Sjöstrand, Joh. Oscar Carlberg och Ni.
canor Hammaren. 1—4. Ibd.; 8. |
(El. Fries, über die Namen der Gewächse.)
Grunddragen af Aristotelis Vextlära. Akad. Afh. Pres.
El. Fries; Respp. Joh. Gust. Ek, Sv. MWilh.
Moberg och Marti. Chr, Jungmarker. 1—3. Up»
sala, 8.
(Dess. Grundzüge der Pflanzenlehre des Aristotele s.)
3
Novitiarum Florae Suecice Mantissa Tertia. Pres. El.
Fries; Respp. Arvid. Sundberg, Ant. Jul. Lyth.
et Car. Thorsten Ortenblad. I—III. Ibd.; 3.
Eli®e Fries Novitie Flore Suecice. Continuatio, sistens
Mantissam I, II, III uno Volumine comprehensas. Ac-
cedunt de Stirpibus in Norvegia recentius detectis Preno-
tiones e maxima Parte communicate a Math. N. Blytt.
Lunde et Upsalie , mpeccxxxır — mncccxum; 8, 2. R:dr.
Observationes Stirpium eirca Chrislinehamn provenientium.
Pres. Georg. Wahlenberg: Auctor Carl Anders-
son. Upsalie, 4.
Dispositio Muscorum ‚in Scandinavia hucusque cognitorum.
Conseripsit Joh. Angström. Holmie; 12. h. 16 fk.
Utkast till Vaxt-Geografien jemte Uiforliga Undersöknin-
gar öfver de vigtigaste Culturväxternes Fädernesland,
Odling och Nytta. Af F.J. F. Meyen. Ofversättning
af @. Torssell. Tredje Häftet. Orebro, 8., med 1 pl.,
h. 1 R:dr.
(Entwurf z. Pflanzengeographieete.; Uebersetzung d. Meyen’-
schen Werkes. H. 3.)
Handbok i de Odlade Vexternas Flora och deras Kultur.
Till Ledning for Akerbrukare, Trädgardsodlare och
Blomstervänner, efter Endlichers Naturliga Familjer utar-
betad af N. Lilja. Första Häftet. Orebro, s., h. ı
R:dr. |
(Handbuch für die Flora der Anbaugewächse und deren Cul-
tur; für Ackerbauer, Gartenpfleger und Blumenfreunde, nach
Endlicher’s natürl. Familien bearbeit.)
Tidfkrift för Trädgärdsodling och Blomsterfkötsel. Utgifven
af Svenfka T: ädgärdsföreningen. Redigerad af G. W.
Gumelius. II. Stockholm, 8., h. sub/kr. pa 6 häft. 3
R:dr 16 fk.
(Med he titel pa Omflaget.)
Tidfkrift för Tradgardsodling och Blomsterfkötsel. Andra
Argängen. 1. Nr. 4. Jan. Febr. 1842.
(Zeitschrift für Gartenbau und Blumenpflege; herausgegeben
vom schwedischen Gartenvereine.) ,
Sven/ka Trädgärds- Föreningens Ars-Skrift 1842. Stock-
holm; 8. |
(Jahresschrift des schwedischen Gartenvereines, 1842.)
Wären. En Botanifk Betraktelse. Pres. EI. Fries;
Respp. C. F. Molin och L. M. Groth. 1,2. Ibd.; 8.
(Der Frühling; eine botanische Betrachtung.)
Register öfver de af R. Vetenfkaps- Academien utgifne
-Arsberättelser i Fysik, Remi, Mineralogi och Geologi,
för ären 1821 till och med 1840, utgifvet af Dr. N. J.
Berlin. Stockholm; 8., h. 24 fk.
4
(Register. zu den von der K. Akademie der. Wissenschaften
\herausgegebenen Jahresberichten über Physik, Chemie ,.Mi-
„neralogie und Geologie für d. Jahr 1821—1840: inclus.) ı.,
Aro Naturvetenfkaperna nägot Bildnings-medel? En .lt-
terär stridsfraga. Pres. El. Fries; Respp. E.Grund-
| berg, II. Grundberg och C. Grundberg. I—III.
Ibid.; 8. | wu
(Sind die Naturwissenschaften ein Bildungsmittel? von El.
Fries.) |
Bibliothek i populär Naturkunnighet.. Andra Afdelningen,
innehällande Bridgewater - Afhandlingarne om Guds i
Skapelsen uppenbarade Allmagt, Wishet och Godhet.. II.
John Ridd. | |
(Med dubbel titel.) rn
Den yiire Naturen, betraktad iı Förhällande till Menni-
‚Skans physifka Befkaffenhet, hufvudsakligast med. Af-
seende pa hennes behof och pa Uppöfningen af hennes
Förständsförmögenheter. Af J. Ridd. Stockholm, 8.,
h. subfkr. 1 R:dr 8 fk., köp. ı R:dr 40 Jk.
Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen,
innehällande Bridgewater- Afhandlingarne ete. III. WW il
liam EFVhewell. |
Bibliothek i populär. Naturkunnighet. Andra Afdelningen,
innehällande. Bridgewater- Afhandlingarne om Guds etc.
IV. Charles Bell.
(Med dubbel titel.) '
Handen, Hennes Sammansältning och KFörrätlningar,
betraktade säsom Bevis for en qudomliy Plan. Af Ch.
Bell. Stockholm, 8., med 5 pt., h. subfkr. ı R:dr. 16
fk., köp. 2 R:dr. (Utgör Haft. XXXV af Bibliothek.)
(Uebersetzung der Bridgewaterbücher, II, UI und IV.)
2. Vom Jahre 1843.
Kongl. Vetenfkaps - Academiens Handlingar for Ar 1842.
Stockholm, 8., med 6 pl., h. 2 R:dr. |
(Verhandlungen d. K. Akademie der Wissenschaften für 1842.)
Förhandlingar vid de Skandinavifka Naturforfkarnes tredje
Möte, i Stockholm den ı3 — 19. Juli 1842. Stockholm,
8., Sällfk. ledamöter 4 R:dr. 8 fk., köp. 4 R:dr 32 fk.
(Verhandlungen bei der dritten Zusammenkunft der skandinav.
- Naturforscher, in Stockholm, 1842.) ’
Zoologifk Handatlas för Skolor eller Figurer till Lärobok i
Zoologien af ©. I. Sundevall. Under Förf:s Ledniny
tecknade af Ferd. von VVright. Lund, 8., med 32 pl.
h. 2 R:dr. |
(Zoologischer Handatlas f. Schulen, od. Figuren zum Lehrb.: d.
Zoologie von Sundevall. Zeichn, von Wright.)
5
Arsberättelse om Zoologiens Framsteg under Aren 1840 —
1842. Till Kongl. Vetenfkaps- Akademien afgifven af
Zoologie Intendenterna vid Rikets naturhistorifka Mu-
'seum. Andra Delen (Insecta Linn.) Af C. H. Bohe-
man. Stockholm, 8., h.ı R:ıdr. a
(Med dubbel titel.) SRRNT
Arsberättelseom Framstegen i Insekternas, Myriapodernas
och Arachnidernas Naturalhistoria under Aren 1840 —
41842. Af ©. H. Boheman. |
(Jahresbericht f. Zoologie f. d. J. 1840—42. 2ter Th, Insecta
L., von Boheman.) |
Skandinavifka Nordens Ur-Invänare, ett försök i compara-
tiva Eihnographien af S. Nilsson. 4 Häftet. Lund, 4.,
"med 5 pl., h. 3 R:dr. 24 fk.
(Med titel för Delen.) |
Skandinavifka Nordens Ur-Jnvänare, Ett Försök i kom-
parativa Ethnografien och ett Bidrag till Mennifkoslägtets
Utvecklings- Historia; af S. Nilsson. Första Delen,
innehällande - Befkrifning öfver de Wilda Ur-Folkens
' Redfkap, Hus, Grifter och Lefnadssätt m. m. samt Ut-
kast till Befkrifning öfver en i Forntiden hit inflyttad
KRimbrifk Koloni. Med vid pass 280 lithografierade Figurer.
(Die Urbewolhner des skandinavıschen Nordens. Th. 1.) #
Skandinavifka Foglar. Tecknade efter Naturen, lithogra-
fierade, tryckte och utgifne af M. Körner. 9. Häftet..
6 blad in 4., 2 R:dr.
(Skandinavische Vögel, vgl. 1842.)
Diptera Scandinaviae disposita et descripta Auctore Ph. D:re
Joh. FWWilh. Zetterstedt. Tom. II. Lunde. $., h.2
R:dr 16 fk-
Takttagelser vid näagra Parasit - Insecters hushällning, af
P. F. Wahiberg. Stockholm, 8.
(Beobachtungen uber die Haushaltung einiger Schmarotzerin-
secten. h
Ulkast till Botanologien, eller Wextläran i Allmänhet, med
särfkildt Afseende pa Förf:s Handbok i Skandinaviens
Flora. Af ©. J. Hariman. Fijerde Upplagan. Med
tvänne Taflor. Stockholm, 8., med 2 pl., h. 1 R:dr 32 fk.
(Entwurf zur Botanologie oder Pflanzenlchre im allgemeinen,
mit besonderer Rücksicht auf des Vfs. Handbuch der Flora
.. Skandinaviens.)
Öfversigt af Wäxt- Familjerna, med Afseende pä deras
Användande vid Fäxternas Undersökning och Bestäm-
ning, enligt Prof. Fries’ System utarbetad af Carl
Fredr. Nyman. Stockholm, 8. h. 1 R:dr.
(Uebersicht d. Pflanzenfamilien mit Rücksicht auf deren An-
wendung beim Unters. u. Bestimmen d. Pfl., nach Fries’s
Syst. von Nyman.)
6
Utkast till Växtrikets Terminologi af J. Arrhenius.
Sednare Häftet. Upsala, 8. h. 36 Sk. a
(Entwurf zur Terminologie des Pflanzenreichs, Letzt. H)
Atlas öfver Wäxtrikets Terminologie, af J. Ar rhenius.
Ritad af J. A. Schagerström. Upsala, 4., med 8
lith. pl., h. 40 fh.
(Atlas uber die Terminologie des Pflanzenreichs.) “
a Uiflygter. En samling af strödda Tillfällighets-
‚Skrifter , uigifne af Elias Fries. Första Bandet. Up-
sala, 8., h. 2 R:dr.
(Botanische Ausflüge. Bd. 1.)
Handbok i Skandinaviens Flora, innefattande Sveriges och
Norriges Vexter, till och med Mossorna af C.J. Hart-
man. Fierde Upplagan, rättad och förökad, Med
tvänne Taflor. Stockholm, 8., h. 2 R:dr 44 fk.
(Handbuch der Flora Skandinaviens, enth, Schwedens u. Nor-
wegens Pflanzen wit Einschluss der Moose.)
Svenfk Botanik uigifven af Kongl. Vetenfkaps- Academien.
Eifte Bandet innehällande N:o 721— 774, sammanfaitadt
till och med N:o 738 af Göran Wahlenberg, ifrän
oo * N:o 739 af P.F. Wahlberg. Stockholm, 8.,
. 12 JR.
‘(Schwedische Botanik, herausgegeben von d. K. Akad. d. Wiss.
Bd. 11.
Sven/k Flora, innefattande Sveriges Phanerogamvexter ;
Med en kort, förberedande Vextlära. KFör Nybörjare
ularbetad och utgifven af D. Högberg. Orebro, 8.,
med 3 pl., h. 2 R:dr.
(Schwedische Flora, enth. die Phanerogamen Schwedens, nebst
einer kurzen, vorbereitenden Pflanzenlehre.)
Novitiarum Flore Suecice Mantissa. Pres. Elias Fries;
Resp. Joh. Stork. IV. Upsalie, 8.
Flora Dalekarlica. Landjkabet Dalarnes indigena Phane-
rogamer och Filices. Uppsats af C.G. Rröningsswärd.
Fahlun, 8., h. 20 fk.
Enumeratio Lichenum et Byssacearum Scandinavie hucus-
ue cognitarum. Ad normam Cel. Elie Fries euravit
G. Torssell. Upsalie, 12., h. 16 fk. ®
Handbok i de odlade Vexternas Flora och deras Kultur.
Till Ledning för Akerbrukare, Trädgärdsodlare och
Blomstervänner. Efter Endlichers Naturliga Familjer
utarbetad af-N. Lilja. Audra Häftet. Orebro, 8., h.
1 R:dr.
(Handbuch für die Flora u. Cultur,der Anbaupflanzen.)
Svenfka Trädgärdsföreningens Arsfkrift 1843. Stockholm,
8., Ah. 32 /k.
Per schwed. Gartenvereins.)
7
Försük att bevisa, huru Verldskropparne füdas och forvand-
las, frän den ena till den andra fkapnaden, att Jorden
" undergätt minst fyra förändringar, eller sü kallade Syn-
dafloder, och att vi böra bereda oss för den femte, som
ma hända snart kommer. Af Hans Hoffstedt. För-
sta Delen. Stockholm. 8:0, h. 24 sk.
(Versuch, zu beweisen, wie die Weltkörper sich erzeugen und
verwandeln, — dass die Erde mindestens 4 Veränderungen
oder s. g. Sundfluthen erlitten hat, und dass wir uns auf
eine baldige fünfte vorbereiten müssen. Th. 1.)
Vägen till Naturens Riken. En Elementarbok i Natur-
Historien. För lägre Läroverk och Sjelfundervisning.
Jemie ett Register, innehällande omkring 6200 namn pä
naturhistorifka Föremäl och användbart som Ordbok, vid
Läsning af Resbe/krifningar och andra Lokaljkildringar,
Handelsberältelser fran ihneniäede Länder, 0. s. v. Af
Georg Scheutz. Stockholm. 8:0, h. 2 R:dr 24 fh.
(Der Weg zum Reiche d. Natur; ein Elementarbuch für Na-
turgeschichte.)
Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen,
innehällande Bridgewater - Afhandlingarne etc. V. Peter
Mark Roget.
(Med dubbel titel.)
Naturlifvets märkwärdigaste Föreleelser inom Wext- och
Diur- Organismen, med Hänseende till Plan och Aenda-
mal. Af P.M. Roget. Stockholm, 8:0, med 4 pl., h.
subfkr. 1 R:dr 8 fk., köp. 1 R:dr 56 fk.
(Utgör Haft. XXXVTI. af Bibliothek.)
Bibliothek ı populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen,
Bridgewater - Afhandlingarne; Sjunde Häftet, med 6
Quartplancher. Bibliothekets XXAVII:de Häfte. Stock-
holm. 8:0, h. subfkr. 1 R:dr 12 sk., köp. 1 R:dr 40 fk.
Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen,
innehällande Bridgewater - Afhandlingarne etc. V. P,M.
Roget, II.
(Med dubbel titel.)
Naturlifveis Märkvärdigaste Företeelser etc. Af P.M. Ro-
get. Sednare Delen. Stockholm, 8:0, med 7 pl., h.
subfkr. 1 R:dr 24 fk., köp. 2 R:dr 12 fk.
(Utgör andra Afdelningens ättonde och Bibliothekets
XAXVIII Hafte.)
(Uebersetzungen d. Bridgewaterbücher. Vgl. 1842.)
3 Vom Jahre 1844.
Ofversigt of Kongl. Vetenskaps- Academiens Förhandlingar'
Arg. 1, 1844. N. 1—10. Stockholm. 8. I
(Uebersicht der Verhandlungen der K. Akad. der Wissensch,
‚Jahrg. 1. R '
DEREN om Zoologiens Framsteg under Aren 1840—42.
(Zoologischer Jahresbericht f. d. J. 1840—42. (Vgl. 1843.) Th.
4, über die Wirbelthiere, von Sundevall. 1 Rdr. 24 [k.
— Th. 3, über die Crustaceen und die Vermes Linn, von
S: Lovemı2 Rdr: (Th... 2 s. unter“1843‘) Ä
Diptera Scandinavie ; disposita ei descripta Auctore Ph.
D:re I. IV. Zetiterstedt. Tomus tertius. Lundae 8:0,
‚h. 2 R:dr.
Arsberättelse om botaniska Arbeten och Upptäckter för ären
1859—42, af d. E. Wikström. Stockh. 8. (5 R:dr.)
(Jahresbericht über botanische Arbeiten und Entdeckungeu in
d. I. 1839 — 42.)
In systemata Algarum hodierna Adversaria scrips. J. @.
Agardh. Lund. 56 p. 8.
Plantae vasculares eirca Quickjock Lapponiae Lulensis, qua-
rum Enumerationem ... Pres. El. Fries. Auctor Ni-
col. Joh. Andersson. P. I. Upsalie. 8:0.
Stirpes cotyledonee Parcecie Pojo, periculum botanicum pro-
ponit A. A. Nylander. Helsingfors. 22 P-, 8.
Symbole ad Bryologiam Scandinavicam Auct. J.Angström.
(In: Nova Aeta Reg. Soc. Scientiar. Upsal. ‘Vol: XII.
Pag. 545 — 380.)
Spicilegium plantarum Fennicarum Auct. Fr. Nylander.
Centuria altera. Helsingf. 58 p. 8.
Vexelbrukets Grunder med Ledning af äldre och nyaste
Vextfysiologifka Undersökningar framställde af J. Arrhe-
nius. Zdra Upplagan. Upsala. 6.
(Die Grundsätze der Wechselwirthschaft, nach Anleitung älte-
rer und der neuesten pflanzenphysiologischen Untersuchun-
gen dargelegt. _2te Aufl.) A
Svenfka Trädgärdsföreningens Arsfkrift 1844. Stockh. 8:0.
(Jahresschrift des schwedischen Gartenvereins.)
Försök att bevisa, huruVerldskropparne föodas och förvand-
las, frän den ena till den andra [kapnaden ete. Stockholm.
8:0 med 5 pl., h. 2 R:dr 16 fk. i
(Versuch, zu beweisen, wie die Weltkörper etc. s. 1843.)
Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen,
innehällande Bridgewaier- Afhandlingarne ete. (Bihang
II.) X. Gideon Algernon Mantell, I... (477
(Med dubbel titel.)
9
Geologiens Under. KFöreläsningar af @.A. Mantell. Of-
versätining fran fjerde Engelfka Original- Upplagan af
Gustaf Thomee. Förra Delen, med 14 Ovartplancher
och Li Octav. ‚Stockholm, 8:0, h. för subfkr. 2 R:dr
8 fk., für köp. 5 R:dr 12 Jh.
(Utgör andra Afdeln:s nittonde och Bibliothekets XLIX
Häfte.)
(Uebersetzung der Bridgewaterbücher. $. 1842 u. 1843.)
RB. Pänische.
1. Vom Jahre 1842.
(NB. Wo bei den dänischen Werken kein Verlagsort angeführt ist.
da ist dieser immer Kopenhagen.)
Det Kongel. Danfke Videnfkabernes Sel/kabs naturviden-
fkabelige og mathematifke Afhandlinger. Ide Deel. Med
19 Tavler. 4. (2 Thlr. 15 ggr. Pr. C.
(Der Königl. dänischen Gesellschaft der Wissenschaften natur-
wissenschaftl. und mathem. Abhandlungen. 9ter Theil. Mit
19 Tafeln. Naturgeschichtlicher Inhalt: Verschiedenes in
der den grösseren Abhandlungen vorangehenden Uebersicht
der Verhandlungen der Gesellschaft f. d. J. 1840 — 41. —
Anatomische Beschreibung des Chelyosoma Macleyanum, von
Eschricht. — Geognostisch - geologische Untersuchung der
Waldmoore Vidnesdam und Lillemose im nördlichen See- .
land, von Steenstrup. — Fortgesetzte Bemerkungen über
Brasilien’s ausgestorbene Thicrschöpfung, von Lund. —
Blicke auf Brasilien’s Thierwelt vor der letzten Erdumwäl-
zung, von Demselben. 4te Abh.: Fortsetzung der Säuge-
thiere. — Monographische Darstellung der nordischen Arten
der Gattung Hippolyte von Kröyer; nebst Beiträgen zur
Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. — Zusatz zu Lund’s
Blicke auf Bras. Thierw: 4te Abh. —)
Naturhistorisk Tidsfkrift, udgwet af H. Kröyer. 8.
Ade Bind. FE ga Fe ;
(Naturgeschichtliche Zeitschrift, herausg. von H. Kröyer.
4ter Band. M. 8 Tafeln. Inhalt: Ueber dänische Dolicho-
poden, von Stäger. — Kritische Beinerkungen uber einige
dänische Orchideen, von Drejer. — Genauere Nachricht
über den in Kopenhagen vorgefundenen Dronteukopf, vom
Cand. Reinhardt. — Mittheilung über einige bisher in
Grönland nicht angetroffene Vögel, von Demselben. —
Index Molluscorum Groenlandiae, auct. Möller. — Ver-
handl. der skand. entomol. Gesellschaft, von Schiödte; dazu
Taf, l. — Auszug einer Beschr. von Grönland’s Annulata
10
dorsibranchiata, von A.S. Oersted. — Conspectus generum
specierumque Naidum ad faunam danicam pertin: von Dem-
selben. — Neue nordische Amphipoden-Gattungen und
-Arten aus der Familie der Gammarina, von Kröyer. —
Neue Arten der G. Tanais, von Demselben. — Beschr.
nordischer Crangon-Arten, von Dems. Dazu Taf. IV. und
z. Th. V. — Bemerkungen über die Tauchfähigkeit einiger
Säugethiere und Vögel, von Holböll. — Revisio crit. spe-
cierum gen. Tetyrae, quarum exstant in Mus. Reg. Hafn.
exempla typica, auct. Schiödte. — Bemerkung über das
Zahnverhalten bei Halichoerus Grypus, vom Cand. Rein-
hardt. — Verhandl.d. skand. entomol. Ges., von Schiödte.
— ÖOrnithol. Beitrag zur grönl. Fauna, von Holböll. —
Beitrag zur dänischen Flora f. d.J. 1841 —42, von Lange.
— Ueber Cyamus Cetli L., nebst einigen Bemerkungen rück-
sichtlich der Anwendung der auf den Wallfischen lebenden
Thierchen zur Unterscheidung der Wallfische, von Kröyer.
Dazu Taf. V. z. Th. — Beschreibung einiger neuen Arten
und Gattungen von Caprellına, mit einleitenden Bemer-
kungen über die Lämodipoden und deren Stelle im Systeme,
von Dems. Dazu Taf. VI—VIII. — Versuch einer neuen
Classification der Planarien. gegründet auf mikroskopisch-
anatomische Untersuchungen, von A. 8. Oersted.)
Genera og Species af Danmarks Eleutherata; af J. C.
Schiödte. 2ter Theil des Asten Bandes; mit 10 R.T.
gr. 8. 5 Rbd.
2. Vom Jahre 1843.
Det Kongel. Danfke Videnfk. Selfk. naturvid. og math.
Afhandl. 10de Deel. Mit 28 Tafeln. (2 Thlr. 14 ggr.Pr. C.)
(Vgl. oben Theil 9.) (Naturgeschichtlicher Inhalt, betreffend
die grösseren Abhandlungen: Mikroskopische Untersuchun-
gen des Nervensystems von Hannover. — Beitrag zu einer
vergl. Anatomie des Nervus glossopharyngeus, vagus, acces-
sorius Willis. und hypoglossus bei den Reptilien, von
Bendz. — Grönland’s Annulata dorrsibranchiata, beschr.
von A. S. Oersted. — Beschreibung einiger neuen Schlan-
genarten, von J. Th. Reinhardt. — Ueber den von Por-
phyrgängen durchbrochenen roten Sandstein im südl. Grön-
land, von Pingel. (Auch fur sich zu bekommen.) —
Naturhistorifk Tidsfkrift af H. Kröyer. S. unter 1842.
H. ©. Örsted, Oversigt over det RK. d. Videnfkabernes
Selfkabs Forhandl. og dets Medi. Arbeider i 1842. Nr.
1—9. st. 8. 508.165. 1845, Nr. 1—8.
(Uebersicht der Verhandlungen der genannten Gesellschaft und
der Arbeiten ihrer Mitglieder. 1842 u. 43.) |
Museum for Natur og Konst, udg. af H. C. V. Wium.
11
1.1. H. st. 4. Udg. 44 5. og en ill. Tavle. 1 Rbd.
(Med Subser. paa 1 Bd. eller 12 Hefter. 525. Uill.
Expl. resp. a 80 $. og 24 $. Med Iwert Bd. desuden
et Portrait.) |
(Museum fur Natur und Kunst.)
Afbildninger af Dyr og Planter, efter Dictionnaire des
sciences naturelles, ved J. F. Schouw og D. F. Esch-
richt. 10. H. Roy. 8. 14.& 8 il. Robd. 1 Rbd.
(Abbildungen von Thieren und Pflanzen nach dem Dict. d.
sc. nat,
Chr. SE Veiledning til Kundfkab om de i Dan-
mark, Slesvig og Holsteen forekommende Fugle. En Haand-
boy for Jegere, Jagtyndere og Landmend. 1. H. 8.
40 $. (Indh.: Rovfuglene.) |
(Anleitung zur Kenntniss der in Dänemark, Schleswig und
Holstein vorkommenden Vögel. Ein Handb. f. Jäger, Jagd-
liebh. u. Landleute. H. 1, Raubvögel.)
J. Th. Reinhardt, Befkrivelse af nogle Slangearter. 4
M.5. RK. 72%.
(Beschreib. einiger Schlangenarten; herausg. von d. Gesellsch.
d. W.)
H. Kröyer, Danmarks Fi/fke, med Tresnit af Flinch.
3 H. (II. 1. H.) 8. 1 Rbd. 48 $.
(Die Fische Dänemarks; mit Holzschn. von Flinch.)
Dr. H. RKröyer, Monographifk Fremstilling af Slegten
Hippolytes nordifke Arter, med Bidrag til Dekapodernes
Udviklings Historie. 4. Med 6 Robb. 1 Rbd. 64.
(Monogr. Darstellung der nordischen Hippolyte- Arten, mit
Beiträgen z. Entwicklungsgeschichte d. Dekapoden. M.Kpf.)
A. S.Orsted, Annulatorum Danicorum conspectus. I. Ma-
ricole. Med Lithogr. og Tres. (Tilkjendt Univ. Guld-
medaille) 1 Rbd. 52 $.
(Diese mit Steindrucken und Holzschnitten gezierte Uebersicht
hat dıe goldene Medaille der Universität gewonnen.)
A. S. Orsted, Grönlands annulata dorsibranchiata. Udg.
af Videnfk. Selfkab. 4. 8. A. og s R. 1 Rbd. 16 $.
Dr. P. WW. Lund, Fortsatte Bemerkninger over Brasiliens
uddöde Dyrskabning, og: Blik paa Brasiliens Dyrverden
för sidste Jordomveltning, 4de Afhandling med Tilleg.
4. Med 12 Kobb. 1 Rbd. 80 $. (Udg. af. Vidensk.
Selsk.)
(Fortgesetzte Bemerkungen uber Brasiliens ausgestorbene Thier-
schöpfung, und: Blicke in Brasiliens Thierwelt vor der
letzten Erdumwälzung; Ate Abh. mit Zusätzen.)
J. J. 8. Steenstrup, Om Forplantning og Udvikling,
gjennem vexlende Generationsrekker. 4. Med 5 lithogr.
Tavler.
12
(Ueber Fortpflanzung u. Entwicklung — ist auch deutsch er-
schienen.) \ |
Flora Danica. Icones plantarum sponte nascentium in regnis
Danie & Norvegie, in ducatibus Slesvici et Holsatiae
etc. Fasc. KAAXX. Fol. ill. 20 Rbd., sort 7 Rbd. (Fasc.
XAIX 1840.) | |
Havetidende, udg. af Selfkabet til Haveculturens Fremme.
1845. 1.H. 8. 248. 2 |
(Gartenzeitung, herausg. von der Gesellschaft zur Beförd. der
Gartencultur.) Ä
Kjerbölling, Frilands - Blomstergartneriet. 4. H. A408.
(Cplt. i. c. 6 Hefter.) an |
Kjerbölling, Blomstergartneriet. 5. H.. 56 5. (Slultet.
Colt. 2 Rbd. 24 $.) Se
(Die Blumengärtnerei im freien Lande.) 0
Meyeren,Jorden og dens Beboere. 2. Afd. 1 Rbd. 72 $.
(Die Erde und ihre Bewohner. ,‚2te Abth.) 1%
H. P. Place, Veiledning for Naturalier Samlare, med 21
Fiqurer, 8,
(Anleitung fur Naturaliensammler,)
3 Vom Jahre 1844.
H. C. Orsted, Videnfkabernes Selfkabs Forhandlinger i
1845. Nr. 1--4.
(Verhandlungen der Gesellschaft d. Wissensch. im J. 1843.)
H. ©. Orsted, Oversigt over det Igl. danske Videnska-
bernes Selfkabs Forhandlinger og deis Medlemmers. Arbei-
der. 8. (Gyldendal.) Udkommer i Hefter til ubestemt
.Tid. Arket a 8 Sk. (Aarg. 1845, 8 Nre, 1288. 56Sk.)
(Orsted’s Uebersicht. S. 1842 u. 43.)
Tidsfkrift, naturhistorifk. Udg.af H Rröyer. Ny Rakke,
TI. 1. ileft. st. 8.m. Kbb. 64$. 6 Hefter udgjöre 1 Bd.
(Kröyer, Naturgeschichtliche Zeitschrift, Neue Reihe.) .
Magasin for Natur- og Mennefkekundfkab, ny Suite, red.
af J. P. Böttiger. Kbh. I Nr. m, R. ug. 52 $. Qvart.
(Magazin für Natur- und Menschenkunde, neue. Folge,)
C. L. Ström, Naturhistorifk Lesebog for Menigmand.. 12.
Trykkefrihedsselfkabet. Tresnit. (Omflagstitel: 3.& A.
H. Krybdyr og Fi/ke.) 2
(Naturgeschichtliches Lesebuch für den gemeinen Mann. M,
Holzschn. H. 3—4. Amphibien und Fische.)
C. L. Ström, Naturhistorifk Lesebog for Menigmand.
Pattedyr. Med 52 Tresnit. 2. Oplag. 1.8. 285. Papbd.
(Dasselbe. Mit 32 Holzschn. Säugethiere.)
13
©. Petersen, 186 naturtroe Afbildninger i Tresn. af
muerkv. Dyr, med Befkr. efter de nyeste Opdag. og Berigt.
samt fors. med et system. Register. For Ungd. og dens
Venner. 8. Odense. 2 Rbd. i Papbd.
(Naturgetreue Abbildungen merkwürdiger Thiere in Holzschn,
mit Beschreib. nach d. neuesten Entdeck. ete. Für die Ju-
gend und deren ‚Freunde.)
Hansen, ©. J. L. Krarup, letfattelige Skildringer af
de merkverdigste Pattedyr til Brug ved den förste Un-
dervüsning i Naturhistorie. 1.8. 48 8. indb.
(Leichtfassl. Schilderungen der merkwürdigsten Säugthiere zum
Gebr. b. ersten Unterr. in d. Naturgesch.)
©. Paulsen, kort Begreb af Leren om Fuglene, illustr.
med (4) Tegninger, som Tilleg til 1.H. af ,Veiledning
il Rundfkab om ete.““ (4. H. 408.) indeh. Rovfuglene.
8. 64 8. '
(Kurzer der Lehre von den Vögeln, erläut. durch (4)
Zeichnungen cte. als Zusatz zum 4sten Hefte der Anleitung
etc., s. 1843. Raubvögel.)
Om det forvildede Qu@g. Af Liebmann. (Danfk Uge-
Shrift, anden Rekke, N. 156. 1844.)
(Ueber das verwilderte Vieh. [Dänische Wochenschrift, 2te
Reihe.]).
De italienske Naaletr&ers geographifke og historifke Forhold.
Af J. F. Schouw. $ a 5
(Das geographische und historische Verhalten der italienischen
Nadelhölzer. Mit einer Charte.)
F. C. Carstens, Bemwerkninger over Heden og dens Tre@-
plantning. 8. 1 Rbd. |
(Bemerkungen über die Heide und ihre Baumpflanzung.)
$. Drejer, Anvüsning til at kjende de danfke Foderurter.
Efter Prof. VYahlbergs Anvisning till svenfka foderväzxter-
nas kännedom. 2. Udg. Efter Forfatterens Död besör-
get af J. Lange. 8. 1 Rbd. (1. Udg. 1857.)
(Anweisung zur Kenntniss der dänischen Futterkräuter. ?te
Ausg. [1ste Ausg. 1837.])
F. Thaarup, Materidlier til den danfke Stats Havekulturs
Historie og Statistik. 1. Halvdeel. s. A8$.
(Materialien zur Geschichte und Statistik der Gartencultur im
dänischen Staate. 1ste Hälfte.)
G. Forchhammer, Skandinaviens geognostifke Natur. Et
Foredrag holdt d. 22. Novbr. 1845 i det fkand. Selfk.
8. 12%.
14
©. Norwegische.
Von den Jahren 1843 und 1844.
Nyt Magazin for Naturvidenfkaberne. Udgives af den phy-
siographiske Foreening i Christiania. (Red. Prof. B. M.
Keilhau.) Bd. IV., H.1-5. gr. 8. Christiania,
(Neues Magazin f. d. Naturwissenschaften, herausg. vom phy-
siogr. Verein in Christiania. M. Abb.)
Gea norvegica. Von mehreren Verfassern. Herausgegeb.
von Balth. Matth. Keilhau. Lief. 1,2. Christiania,
1844. EI. Fol. M. Abb. u. Charten. |
Enumeratio Plantarum , quae circa Ohristianiam sponte na-
seuntur,, Auct. M. N. Blytt. Christianie. 76 pag. 4.
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Wiese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften, von welchen
drei einen Band von ungefähr 30 Bogen bilden. Sie wird die
besten und das allgemeinste Interesse in Anspruch nehmenden,
in einer der, so wenig verbreiteten, skandinavischen Sprachen
geschriebenen Abhandlungen in vollständigen Uebersetzungen,
ausserdem aber Auszüge aus grösseren Werken enthalten, und
durch Uebersichten der Verhandlungen der K. Akad. der Wissen-
schaften in Stockholm und der K. Dän. Gesellsch. der Wissen-
schaften in Kopenhagen, Anzeigen, Kritiken, Notizen, Lite-
raturberichte etc., einen vollständigen Ueberblick der skandi-
navischen naturgeschichtlichen Literatur, mit Ausnahme der
Oryctognosie, geben. 4 & :
Wo es nöthig erscheint, werden lithographirte Abbildungen
beigegeben werden.
€. A. Koch’s Verlagshandlung.
Theodor Kunike.
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