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Full text of "Archiv skandinavischer Beiträge zur Naturgeschichte"

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Archiv 


skandinavischer Beiträge 


zur 


Naturgeschichte. 


Herausgegeben 
von 


Christian Friedrich Hornschuch, 


Professor zu Greifswald. 


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Eirster Theil, z, 
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Mit vier Stöindrucktafeln. „«’ 


Greifswald. 
Verlagvon(. n Koch 


1845. 


Hei ranibsun fe 


Herrn Baron 
JACOB VON BERZELIUN, 
seinem langjährigen Freunde und Gönner, 


als 
ein geringes Zeichen innigster Verehrung 
gewidmet 


vom 


Verfasser. 


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VvVoerwort. 


Nur wenige Worte will ich dem ersten Bande die- 
ser Zeitschrift zur Verständigung dessen, was mich 
zur Herausgabe derselben veranlasst hat, hinzufügen, 
denn rechtfertigen kann und muss das Unternehmen 
sich nur allein selbst. 

Seit Linne sich so grossen Ruf erworben, dass 
dieser sich über sein Vaterland selbst mit verbreitete, 
sind die Naturwissenschaften stets mit besonderer 
Vorliebe und rüstiger Thätigkeit in Schweden studirt, 
von der Regierung kräftigst unterstützt, ihre Pfleger 
aber von König und Volk geehrt worden. Die Folge 
hiervon ist, dass vielleicht in keinem anderen Lande 
naturwissenschaftliche Kenntnisse so allgemein ver- 
breitet sind, als in Schweden; auch werden wenige 
Länder verhältnissmässig so viele tüchtige Gelehrte 
— ‚unter denen seit längerer Zeit wieder ein Stern 
erster Grösse leuchtet, dessen Strahlen, wie die sei- 
nes dahin geschiedenen, grossen Vorgängers, in die 
weite F'erne glänzen — in den Fächern der Natur- 
wissenschaften besitzen. Die Beschränktheit der Geld- 


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mittel des Landes gestattete indessen nicht die Aus- 
sendung grosser Expeditionen in ferne Länder und 
eben so wenig die Einrichtung kostbarer Institute und 
die Naturproducte aller Länder umfassende Samm- 
lungen. Man musste sich vielmehr mit dem Einhei- 
mischen begnügen und diesem wandte sich daher 
vorzugsweise der Geist, die Liebe und der Eifer der 
Forscher zu. In Folge hiervon finden in der Lan- 
dessprache geschriebene und die einheimischen Na- 
turproducte behandelnde Werke, einen, im Vergleich 
mit Deutschland, in Erstaunen setzenden Absatz, wo- 
durch wieder die Herausgabe solcher Werke ausser- 
ordentlich befördert und der Eifer der Forscher an- 
gespornt wird. Dadurch ist es dahin gekommen, dass 
man mit Grund behaupten darf: kein Volk kennt die 
Naturproducte seines Landes besser, als die Schwe- 
den. Aber auch Dänemark und Norwegen, wo, wie 
in Schweden, die Naturwissenschaften sich königli- 
cher Beschützer erfreuen, ja, wo im ersteren Lande 
den Thron gegenwärtig ein König ziert, der in einem 
specielleren Fache selbst ein gründlicher Naturfor- 
scher ist, müssen in Beziehung auf eifrige Pflege 
und gründliches Studium der Naturwissenschaften mit 
Auszeichnung genannt werden. 


Es kann daher nicht auffallen, dass in Skandi- 
navien alljährlich eine bedeutende Zahl grösserer und 
kleinerer, werthvoller und gründlicher, naturhistori- 
scher Schriften erscheinen; mehr dürfte diess der 
Fall sein, dass die meisten derselben und selbst die 


vii 


Verhandlungen der Akademie in Stockholm und der 
Königl. Gesellschaft der Wissenschaften in. Kopen- 
hagen, so wie der anderen gelehrten Gesellschaften 
in der Landessprache geschrieben sind. Allein der 
patriotische Skandinavier beabsichtigt vor Allem die 
Früchte seiner Beobachtungen und Studien für sein 
Volk nützlich zu machen. Deshalb bestimmen die 
Statuten der meisten gelehrten Vereine ausdrücklich 
die Herausgabe ihrer Verhandlungen in der Landes- 
sprache, und dann finden sie bei der so allgemeinen 
Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse , wie 
schon bemerkt, einen grösseren Absatz im Inlande, 
als sie, in einer anderen Sprache geschrieben, im 
 Auslande erwarten dürften. Hieraus entsteht nun aber 
freilich der Nachtheil, dass diese Schriften, in Folge 
der wenig verbreiteten Kenntniss der skandinavischen 
Sprachen, im Auslande nur wenig und manche gar 
nicht bekannt werden. 


Seit meinem Hiersein habe ich mich deshalb 
bestrebt meine Landsleute mit den Leistungen der 
skandinavischen Naturforscher, wenigstens theilweise, 
bekannt zu machen, aber für vollständig übertragene, 
grössere Abhandlungen fehlte es bisher an einem Or- 
gane zur Aufnahme und Mittheilung derselben. Die- 
ser Mangel erzeugte in mir den Entschluss mir selbst 
ein solches zu schaffen und diesem verdankt diess 
Archiv sein Entstehen. Da mir aber meine Zeit nicht 
erlaubt alle Uebersetzungen selbst zu machen, so sah 
ich mich nach Mitarbeitern um und hatte die Freude, 


vıll 


meine Freunde, die Herren Beilschmied, Creplin 
und Dotzauer bereit zu finden meinen Wünschen 
zu entsprechen. Endlich in Herrn Koch einen be- 
reitwilligen, uneigennützigen Verleger findend, schritt 
ich, der guten Sache und meiner reinen Absicht ver- 
trauend, rasch zur Ausführung. Dieser schnellen Aus- 
führung und dem ungewöhnlich langen, alle Commu- 
nication unterbrechenden, Winter bitte ich die noch 
mangelhafte Lösung meines gegebenen Versprechens 
zuzuschreiben; deckt der Absatz die Kosten des Drucks, 
wovon die Fortsetzung abhängt, so werde ich mich be- 
streben mein Versprechen immer vollständiger zu lösen. 
So ist denn binnen nicht ganzer Jahresfrist der 
vorliegende Band erschienen, der hinreichen wird ein 
Urtheil über das Unternehmen fällen zu können, das 
von mir, meinen Herren Mitarbeitern und Verleger 
ohne alle Rücksicht auf Gewinn, einzig und allein in 
der Absicht unseren Landsleuten und der Wissenschaft 
einen Dienst zu leisten, freudig begonnen worden ist. 
Möchte es eine freundliche, ihm auch einen freu- 
digen Fortgang sichernde, Aufnahme finden! 


Greifswald im August 1845. 


Hlornschuch.: 


ininnt des ersten Theiles. 


Allgemeines. 


Rede bei Eröffnung der ersten allgemeinen Versammlung der 
Gesellschaft skandinavischer Naturforscher in Stockholm, 
am 13. Julius 1842; vom Freiherrn von Berzelius .. 

Auszug aus Lund’s Reise durch die Nordlande und West-Fin- 
marken im Sommer 1841 . . ur . . i 

Boheman’s Bericht über seine Reise in Lapplaili im Jahre 1843 

Wahlberg’s Bericht über seine Reise im südlichen Afrika 


vom Junius 1843 bis zum December 1844 . 


Zoologie; Anatomie. 


Ueber das Vorkommen der Biber in Norrland von Sundevall. 

Ueber Scomber Thynnus und Brama Raji, an Schwedens Küsten 
gefunden; von Demselben 

Ueber die Meeresfauna Norwegens; aus einem Briefe des Frei- 

‚ hernvw.Düben ... FREE 

Ueber Turteltauben- bei Quickjock i in Lnleh- er von 
Wahlberg . ... 

Ueber Mus minutus; von Sundevall. 
Beiträge zur Naturgeschichte des Härings; von Ekström 
Bericht von Sundevall und Boheman überLöwenhjelm’s 
Abhandlung über die Wirbelthiere in Lulea Lappmark 
Ueber Myodes schisticolor n. sp. und Sorex pygmaeus Pall. in 
Skandinavien, von Sundevall und Loven 

Ueber schwedische Arten von Sorex und Hypudaeus; aus Brie- 
fen von Nilsson . 

Bericht vonBoheman und Sundevall üben Stönham mars 
Versuch einer Gruppirung u. Revision der schwedischen 
Eiphydrinae 0 .V nem b5 7 u 


Seite. 


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144 


145 


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* 


4 
Ueber Schädel von Avaren, Czechen und Polen; von A. Retzius 
Ueber nordische Meer-Mollusken; von Loven . . . Er 
Bericht von A. Retzius über Sundevall, Beschreibung der 
Vogeltlügel‘. : . RE ETIENNIRER ERBUN E 
Bericht von Sundevall und Boheman über Loven, Bei- 
träge zur Kenntniss der schwedischen Trilobiten . . . . 
Ueber neue Zweiflügler von Norrbotten und Lulea -Lappmark; 
von Wahlberg  . Km." . VASE 
Aeusserung van der Hoeven’s in Hinsicht auf Retzius’s 
AbhandInng über die Schädel der Nordbewohner . . .. 
Ueber Tetrao hyhridus lagopoides Nilss. von Sundevall ... 
Bemerkungen von Sundevall hinsichtlich eines Verzeichnisses 
von Säugethieren, Vögeln und Amphibien aus der Gegend 
von Upsala; von Mesch . 2... 202 2 000. : 
Ueber Insecten, gesammelt in Lulea-, Jockmock- und Quick- 
jock-Lappmark; von Boheman . .... 
Ueber Heuschreckenzüge in Schweden; von Demselben .. 
Mittheilungen aus einem Briefe des Freiherrn von Düben über 
die Meerfauna Norwegens . . .». . 2 222.00 
Beschreibung des Chaetoderma nitidulum n. g. acsp. aus der 
Classe der Echinodermen; von Loven . ..... 
Ueber die skandinavischen Hasen; von Nilsson u. Sundevall 
Ueber Aphis Tanaceticola. Kaltenb. nd einen rothen Farbestoff 
in derselben; von Wahlberg . . . ... 

Ueber Insecten, in Ameisenhaufen gefunden, von Boheman . 
Ueber die von J. Wahlberg aus Südafrika eingesendeten Samm- 
lungen; von Sundevall .-.... .-...:.:.7..2390% 

Ueber Motacilla Yarrelli; von Demselben . . ...% 

Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna, gesammelt 
im nördlichsten Skandinavien vom 24. Juni 1841 bis zum 
26. Juli 18425; vom Malm . 1.7.0... 00 wem) 

Ueber Hämozoen des Hechts; von Berg etc. . . .».....» 

Ueber den Zug der Kraniche und die Namen Grus, Numenius 
und Graculus; von Sundevall . . 2. 2 2 2... 

Ueber Sylvia sueeica; von Demselben . .. 2... 

Ueber Auer-, Birk- und Pfauhennen und weibliche Enten mit 
männlichem Gefieder , so wie über Bastarde von Auer-, 
Birk- und Schnee - Hühnern ; von Nilsson 


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397 


* 
xı 


Ueber die Bildung der Hemisphären u. d. Markbogens des Ge- 
hirns; von A. Retzius. . . x... 

Beschreibung der Alepas squalicola, n. sp., von Loven . 

Bericht von Demselben und Sundevall über eine Abhand- 
lung des Freih. v. Düben und des Dr.s Koren, enthaltend 
eine kritische Uebersicht der Echinodermen an den skandi- 
navischen Westküsten 

Bericht von Retzius und Loven über Sundevall’s Abhand- 
lung, betitelt: Methodische Uebersicht der wiederkäuenden 
haare Na ee et 

Ueber Amphipogon, eine neue Zweiflüglergattung; von Wahl- 
Berg a ee 

Bericht von Loven und Sundevall über eine Abhandlung des 
Freih. v. Düben und des Dr. Koren über das Hautskelett 
der Holothurien - .: «ao,% se een 

Bericht der ersteren Beiden über eine Abhandlung der letzteren 
Beiden, enthaltend die Beschreibung von zwölf für die 
skandinavische Fauna neuen Fischen . . . . .. 

Ueber eine Larve von Cossus ligniperda,- welche im Magen 
eines Schafes gelebt haben soll; von Grill. . . 

Ueber eine Katze, welche junge Eichhörnchen säugte; von 


Demselben 


Botanik. 
Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre; von Fries 
Ueber die Namen der Pflanzen; von Demselben 


Ueber einige Pflanzenformen in Luleä-Lappmark; von Wahl- 


a ee ee 
Bericht von Wikström und Wahlberg über eine Abhandlung 
a Beurling . ... . 2 20.0 in fi. 


Beobachtungen an der Achlya prolifera von Areschoug . 

Der Frühling, eine botanische Betrachtung; von Fries . . 

Botanisch-antiquarischer Ausflug zu den Nymphaeaceen der 
Griechen; von Demselben 

Verwahrung gegen manche über einzelne schwedische Pflanzen 
hier und da angenommene Ansichten; von Demselben 

Briefliche Mittheilung über einige in Umeä cultivirte Pflanzen; 


von Plagemann. 


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434 


436 


440 


446 


449 


222 


247 


313 


| * 
xl 


Verzeichniss der Pflanzen, welche von Plagemann nnd Lin- 
der 1843 in Umeä cultivirt worden sind  .... ... 

Das Vaterland der Gewächse; von Fries ..... 0.20, 

Die schwedischen Weiden -Arten, nach ihrer natürlichen Ver- 
wandtschaft geordnet, mit kritischen Bemerkungen; von 
Demselben ua son. ts ar Ra au 

Nachträgliches zu Salix pyrenaica # norvegica Fr. in diesem 
Aufsatze; vom Uebersetzer . . 2 u m 0 

Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L.; von 
Trier eu N 2 ae a 

Bestimmung der Divergenz von Blättern und Knospen; von 


Silfy,er'sträkle ı 20. De a En 
Ueber pompejanische Pflanzen; von Schouw . . . . . 
Ueber den Einfluss der Witterung auf die Vegetation im Jahre 

1841 "Won PTIEB.. .. 0,0. ee 


“Geologie. 
Ueber Geröll-Riefen; von Nordenskiöld. 


315 


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454 


176 


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I. 


ÖRede. bei Eröffnung der ersten allgemeinen Ver- 
sammlung der Gesellschaft skandinavischer Naturfor- 
scher in Stockholm, am 13. Juli 1842. 


Vom 


Freiherrn 3. von Berzelius. 


Uebersetzt von Hornschuch*). 


EDie Naturforscher Skandinaviens versammeln sich heute zum 
Drittenmale unter der Aegide der Wissenschaften, zum gegen- 
seitigen Austausche von neugewonnener Erfahrung oder von er- 
weiterten Ansichten und zu gemeinsamen Bemühen mehr und 
mehr zu entschleiern, was die Natur mit Sparsamkeit unseren 
Forschungen überlässt. 

Sein Sie willkommen, meine Herren, tausendmal willkom- 
men, um mit vereinten Kräften nach diesem edlen und hohen 
Zweck zu streben. 

- Vjel ist, seit wir das Letztemal versammelt waren, ent- 
deckt worden, was damals unbekannt war, dessen offne Mit- 
theilung wird unsern gemeinsamen Vorrath an Kenntnissen be- 
reichern, unsern Beifall den glücklichen Bemühungen der jün- 
geren Naturforscher erwecken und unsere Hochachtung für die 
fortgesetzten glücklichen Fortschritte der älteren’ steigern. Un- 
sere dankbare Erkenntlichkeit ihrer Verdienste wird ihren Schei 
tel mit neuen Lorbern umflechten. 

Der Sinnspruch der Alten: Conjuncta valent, liegt unse- 


*) Siehe: Förhandlingar vid de skandinaviske Naturforskarnes tredje 
Möte, ti Stockholm 04 43 —19. Juli 1842. Stockholm. ale a; 


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2 Eröffnungsrede von Berzelius. 


ren, nach bestimmten Zwischenräumen wiederkehrenden , Zu- 
sammenkünften zum Grunde, und er wird, ich hoffe es, auch 
durch uns bekräftigt werden. n 

Die Natur rüstet die Menschen mit ungleichartigen Anla- 
gen aus, welche im Frühling des Lebens von Erziehung und 
Unterricht ungleich entwickelt werden. Zufällige Umstände ha- 
ben Einfluss darauf, welche eine höhere Entwicklung bisweilen 
hemmen, bisweilen fördern und ungleiche Richtungen für die 
Anwendung der Naturanlagen bestimmen; dadurch werden wir 
in ungleiche Entfernungen des ausgedehnten Feldes menschlichen 
Vissens Hinaisaöhrt, wo wir bebauen jeder seinen Acker. 
Die Früchte des Anhaues beruhen jedoch nicht nur auf der fleis- 
sig angewendeten Mühe, sondern auch hauptsächlich auf der 
Beurtheilung, womit sie angewendet wird. Unsere Bemühungen 
werden zuweilen in eine falsche Richtung geleitet. Der auf sich 
selbst beschränkte Forscher merkt da oft nicht,- dass er auf 
einen Abweg gerathen, er kann sich weit darauf verirren und 
die Gewohnheit auf der falschen Strasse geht leicht zu der 
Ueberzeugung von ihrer Unfehlbarkeit über. Durch mündliche 
Mittheilung von Ansichten und Erfahrungen zwischen mehreren, 
welche auf demselben Weg arbeiten, durch das Untersuchen 
dieser Ansichten von Männern mit Erfahrung in verschiedenen 
Richtungen, wird die Aufmerksamkeit nach mehreren Seiten ge- 
weckt, der einseitige Fehlweg verbaut, und, ohne dass man 
selbst merkt wie, wird. man davon auf einen richtigeren Weg 
geführt, und diess ist eine von den grossen Früchten der wis- 
senschaftlichen Zusammenkünfte. 

Eine andere Wirkung davon verdient nicht geringere Aul- 
merksamkeit. Eine grosse Kraft ist nicht immer mit einer gleich 
erossen Neigung sie anzuwenden gepaart. Man kann Kraft zu 
Vielem haben, ohne dass man Sinn für Etwas hat. Diess ist 
ein Spiel der Natur, welches durch ein kräftiges Wollen zu ord- 
nen der Mensch nicht immer die Kraft besitzt. Der Sinn für 
die Forschung ist eben so wohl eine Gabe der Natur, wie die 
Kraft dazu. Man muss im Besitz Beider sein, und unter uns 
bringen es die am weitesten, welche, was für Hindernisse die 
Ereignisse auch in ihren Weg legen, von der Fortsetzung der 
Bahn nicht ablassen können, auf welche sie der Trieb ihre 
Kraft anzuwenden geleitet hat. 

Zu dem Nationalcharacter des skandinavischen Volks ge- 
hört eine allgemeiner verbreitete Anlage zum Naehdenken über 
Gegenstände aus dem Bereich der Mathematik , Merkasik und 


- 


Eröffnungsrede von Berzelius. 3 


zeigt sich ein gewisser Mangel an Eifer, eine Gleichgültigkeit, 
welche bei dem geringsten Hinderniss, das sich dem Versuch 
diese Naturanlage anzuwenden entgegenstellt, diese unangewen- 
det lässt. Da findet man viel Sinn und Kraft Kemntnisse einzu- 
sammeln und sich mit den Erfahrungen Anderer bekannt zu ma- 
chen, welchen aber nicht eine Naturanforderung sie anzuwenden 
und nützlich zu machen entspricht. Da einen solchen Sinn zu 
wecken, eine schlunımernde Naturanlage lebendig und wirksam 
zu machen, würde unerwartete Früchte hervorbringen. Eine 
‚solche Erweckung kann unser Verein bewirken. Es ist ein rüh- 
"menswerther Ehrgeiz mit Anderen in nützlicher Wirksamkeit 
zu wetteifern ; dieser edle Trieb wird durch Beispiele geweckt, 
und der Sinn, welchen der Gegenstand der Arbeit einsam nicht 
zu erwecken vermochte, wird oft von der Begierde nicht hinter 
Anderen zurückzubleiben entzündet und bisweilen zu dem 
‘Bestreben sie zu übertreffen gesteigert. Auf diese Art 
beleben unsere gegenseitigen Mittheilungen den schlummernden 
Sinn zu wirksamer Forschung, und wir werden allmählig dahin 
kommen, einen edlen Wettstreit in den Fortschritten auf dem 
Felde der Natyurwissenschaften zu führen, während dass wir 
aus Erfahrung von diesen Bemühungen einen wahren Fortschritt 
erwarten, deshalb schenken wir ihnen eine vermehrte Huldigung. 

Vergessen wir jedoch nicht, dass es die Erforschung der 
Wahrheit ist, nicht die Huldigung für die Entdeckung dersel- 
ben, welche unser Zweck ist. Derjenige, welcher die Ehre der 
Entdeckung zum Zweck hat, sucht sie oft auf Abwegen, worauf 
sie verfehlt wird oder bisweilen den Preis des Tages gewinnt, 
welchen der morgende Tag wieder verweht. Die Leitung und 
das Beispiel ausgezeichneter Vorgänger werden unseren wissen- 
schaftlichen Bemühungen, ich bin dessen gewiss, eine wahre, 
und zu unserem rechten Zweck führende Richtung geben. Wir 
werden dadurch gewöhnt auszuweichen zu suchen was die Rö- 
mer nannten: Nubem pro Junone amplecti. 

Unsere Forschungen und Versuche sind Fragen, gestellt 
an die Natur. Die Resultate, die wir erhalten, sind ihre Ant- 
wort. Um eine sichere und deutliche Antwort zu erhalten, müs- 
sen wir wohl zu fragen verstehen. Auf die unvollständige Frage 
wird die Antwort meistens undeutlich. Aber oft erhalten wir 
auf die am besten angestellten Fragen eine Antwort, welche 
uns versteckt scheint, ähnlich einem Orakelspruch, die ausge- 
deutet werden muss, um ihren Begriff zu erhalten. Aber so 
verhält-es sich nicht. Die Natur antwortet niemals, gleich 
dem Orakel der Alten, mit Räthseln. Ihre Sprache ist klar 

1* 


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4 Eröffnungsrede von Berzelius. 


und deutlich, aber wir verstehen nicht alle einzelnen Worte 
darin, worauf doch ihr Begriff beruht. Diese nach Gutdünken 
zu deuten, führt uns jederzeit irre. Wir müssen da ihre Spra- 
che mehr lernen, unsere Arbeiten fortsetzen, bis ihre Antwort, 
ohne Auslegung, verstanden wird. Diess heisst mit andern 
Worten, dass wir zu jeder Zeit viel erfahren, welches wir da 
noch nicht recht verstehen, welches aber, früher oder später, 
durch neue Versuche und durch erweiterte Erfahrung, so klar 
wird, dass es für alle offen liegt. 

Es ist ein so natürliches Begehren, das meist Mögliche 
verstehen zu wollen, und wir merken oft nicht wie wir, durch 
Vermuthungen, die wir mit Wahrheiten verwechseln, den Man- 
gel wirklicher Kenntniss ausfüllen und allmählig mehr und mehr 
von dem Rechten abgeleitet werden. Es ist eine nothwendige 
Eigenschaft eines wahren Naturforschers, bestimmt zu unterschei- 
den zwischen dem was er weiss, als vollständig bewiesene Wahr- 
heit, und was er kennt, als eine mehr oder mindere Vermu- 
thung oder Hypothese. Vermischen wir Wahrheit mit Wahr- 
scheinliehkeit, ohne eine Grenzlinie zwischen ihnen zu ziehen, 
so können wir sicherlich eine scheinbar grosse Kenntnissmasse 
aufstellen, worin aber, oft genug, nur der geringere Theil wirk- 
liche Wahrheit ist. ; 

Wir halten gleichwohl nieht dafür die Hypothesen auszu- 
schliessen, sie sind auf die Art Brücken zur Wahrheit, dass sie 
veränderte und erneuerte Fragen an die Natur veranlassen; aber 
wir müssen da, ohne vorgefasste Liebe zu unserer Hypothese, 
genau auf die Antwort der Natur achten; denn wenn wir die 
Fragen versäumen, oder nicht auf die Natur achten, werden die 
Hypothesen Rutschbahnen für Fehlgriffe und Verirrungen. Lasst 
uns deshalb, bei unseren Forschungen, diese Bahn mit äusser- 
ster Vorsicht betreten, sie ist glatt, es ist leicht auf ihr fort- 
zueilen, aber sie ist meistens undankbar und nicht zur Wahr- 
heit leitend. Der Weg zu dieser ist mühselig, aber er siebt 
am Ziele der Mühe vollen Lohn. Unser Zeitalter liebt die Hy- 
pothesen, mehrere Naturforscher folgen ihrer lockenden und 
leichten Bahn und streuen, mit funkelndem Geiste, verführende 
Wahrscheinlichkeiten aus, welche der Junge, noch nicht durch 
traurigen Rückzug von eignen Irrfarthen gewarnte, Sinn, als 


'Wirklichkeiten auffängt und sich dadurch bald in eine Masse 


von Wahrscheinlichkeiten verwebt befindet, von welchen er sich 
überzeugt hält, dass sie etwas mehr als blosse Aehnlichkeiten 
mit der Wahrheit sind, sogar wo ihnen auch diese Aehnlichkeit 
mangelt. Hat diess erst einmal stattgefunden, so erfordert es 


“ 
® 


Eröffnungsrede von Berzelius. 5 


lange Mühe und beharrlichen Kampf um die wirkliche Wahr- 
heit geltend zu machen. 

Fasst deshalb diese Beschaffenheit des Zeitgeistes mit 
einem prüfenden und durchschauenden Blick auf, um nicht selbst 
von Irrlichtern geblendet zu werden. Die, welche auf festem 
Grunde stehen und immer suchen darauf fortzugehen, kommen 
meistens nicht geschwind, aber sicher , zu ihrem Zweck. 

Auf den Jcarus- Schwingen der Hypothesen durchfährt man 
die Räume leicht; aber die Sonne schmelzt früher oder später 
das Wachs der Schwingen. Die Sage vom Jcarus ist auch für 
die Pfleger der Wissenschaft gemacht worden. Lasst uns sie 


.. 


nicht vergessen. Fr 
Möge gründliche Prüfung einen Hauptzug von den gemein- 
samen Arbeiten ausmachen, die wir heute begonnen haben. 


12. 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


Von . 
Dr. Elias Fries. 


Uebersetzt von Dr, F. C. H. Creplin *). 


Einleitung. 


Un unseren langen kalten Winterabenden erfreut es uns recht 
oft, wenn wir nach des Tages Arbeit uns entweder an der alten 
Griechen Seite in die hellenische Vorzeit zurück versetzen, oder 
mit den Vätern der Botanik die fröhlichen Jugendjahre dieser 
Wissenschaft in Brunfels’s, Tragus’s und Fuchsius’s, 
auch noch Clusius’s Tagen (diesem treuen Urbilde der ersten 
Lehrjahre eines jeden Botanikers), in welchen sie unter täglı 
chen neuen Entdeckungen, still und fröhlich, aber doch ernst, 
im Schoosse der Natur spielte oder richtiger, wenn wir es wagen 
dürfen, so zu sprechen, in welchen die junge Wissenschaft noch 
als Säugling lag an der Mutterbrust, noch einmal wieder durch- 
leben. Bei den Ersteren bewundern wir vor Allem ihr grossar- 
tiges Streben, das Weltall als ein Ganzes aufzufassen, ohne, 
wie es in unseren Tagen geschieht, es erst zu zersplittern, um 
es sodann wieder zusammenzuflicken, ihre kühnen, obgleich miss- 
geglückten Versuche, in freien Phantasien die Schöpfung umzu- 
schaffen oder aus ihrem eignen Innern die Natur zu entwickeln, 
welches eben so vergeblich ist, als die Bemühungen einer spä- 
tern Zeit, sie aus sich selbst heraus zu erklären Desswegen 
blieb die ganze ältere Naturforschung, im allgemeinen betrach- 
tet, mit ihrer tiefen Analyse der Seelenkräfte, mit allen ihren 
edlen Anstrengungen, ein wissenschaftliches Heidenthum, ein 


*) Aus El. Fries, Botaniska Uıflygter, Bd. I, S. 43 1 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 7 


bezaubernder Schimmer auf der Oberfläche des Gegenstandes, 
welcher bald verblich; schon in Hellas’s späteren Tagen wurde 
er vom Sensualismus und Materialismus verdunkelt, welche sich 
allezeit aufs Höchste geltend machen, wenn das ganze Volk 
sich das Recht zu urtheilen anmasst in wissenschaftlichen Din- 
sen. Dass die ältere griechische Naturkunde nicht aus ihrer 
reinsten Urquelle floss, geht auch daraus hervor, dass sie wäh- 
rend des langen Dunkels des Mittelalters kein helleres Licht 
anzuzünden vermochte; jeder Funke aber der ewigen Wahrheit 
erweckt eine Flamme, welche nicht erlischt. Die Wissenschaft 
musste desswegen von neuem beginnen, von neuem zum Kinde 
werden, um in die Mysterien der Natur wahrhaft einzudringen. 
Diesen Schritt thaten die erwähnten, so genannten Väter der 
Botanik im 16. Jahrhunderte, welche keine von den scholasti- 
schen Gelehrten ihrer Zeit waren (denn diese haben fast immer 
das Grosse in der Natur seiner Einfachheit wegen verachtet), 
sondern unbemerkte deutsche Schullehrer, welche für das ewig 
Jugendliche, die Blüthen im Menschenleben und auf dem Felde, 
und inmitten desselben, lebten. Bei diesen Letztern entzückt 
uns jener Muth zum Entsagen, jenes hingegebene Betrachten 
des Göttlichen in der Natur, der Natur in ihrem Selbstwirken 
oder, um mit Aristoteles zu reden, ‚der Pflanzenseele in ih- 
rem stillen Schlummer.“ Auch ihre Beschreibungen, obzwar 
unvollkommen im Vergleiche mit den technisch vollendeten, 
aber nach dem Leisten zugeschnittenen Handwerksarbeiten un- 
serer Zeit, liest man mit Vergnügen, wenn man Muth und Kraft 
hat, sich in ihre Denkweise hinein zu versetzen; denn- sie er- 
fassen gerade das Lebende, das dem Auge der Seele mehr, als 
‚dem leiblichen Auge, Wahrnehmbare. Ohne alles System: sind 
indessen ihre Werke etwas in’s Ganze gegossen*), obzwar in 
rohe Formen ; denn sie sind die Früchte der rastlosen Forschung 
eines ganzen Lebens. In unseren Tagen hökern wir jeden Fund 
im Kleinen aus, verschwenden wir oft unsere besten Kräfte an 
jene Flugschriften, welehe nur für den Tag gelesen werden oder 
gar nicht, unsere Zeit mit dem Leihen und Uebersetzen aus 
fremden Sprachen mehr, als dem Entlehnen aus der Sprache 
der Natur. 

Aber wie der Frühling unmerklich reift zum Sommer und 
vergelbt zum Herbste, so verrannen auch diese Jugendtage der 


x 
*) Ihre Aufgabe war die Verbindung der einheimischen Vegetation 
mit der .altgriechischeu Botanik. Mit Matthiolus war sie ge- 
löst und diese Periode geschlossen. 


) Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


Botanik, und es trat ein Mannesalter ein, in welchem man. fast 
erröthete vor der kindlichen Unschuld der Wissenschaft, in wel- 
chem jene passive Naturforschung nicht allein als zu mühsam, 
sondern auch als zu einfach und ungekünstelt, erschien; in wel- 
chem man lieber seine meistens durch der Väter Fleiss erwor- 
benen materiellen Schätze (denn diese werden vererbt, aber nie 
der Geist, welcher nur aus der lebenden Natur selbst einströmt *)) 
sammelte und berechnete und so viel, aber auch mit so weniger: 
eigener Beschwerde, wie möglich, zu vermehren suchte — das 
Zeitalter der botanischen Folianten in den Tagen der Bauhi- 
nus, der Morisons und der Rajus; in welchem man ver- 
meinte, man wäre der alten Lehrerin, Natur, über den Kopti 
gewachsen, oder mit Anatomie und Experimentalphysiologie sie 
zu zwingen suchte, in krampfhaften Zuckungen Antwort zu geben _ 
auf spitzfindigere Fragen. Indem aber kein lebendiger Geist die 
Masse der gehäuften Materialien durchströmte, erstarrten ihre 
einzelnen Theile von Winterkälte; die Arten selbst, das Erste 
und Einfachste, fielen dahin, wie das Laub im Herbste; sogar 
die anatomischen und physiologischen Entdeckungen wurden für 
eine Gesichtstäuschung während der als Krisis der Wissenschaft 
so merkwürdigen Tournefortischen Periode erklärt, während 
deren jedoch die eigentliche innere Lebenskraft in neue Knospen 
und Früchte austrieb (Ausbildung des Begriffs von Gattung, 
Feststellung der Sexualitätstheorie), um in dem neuen Frühlinge 
der Wissenschaft, dessen Verkündiger Linne war, herrlicher 
auszuschlagen, 

Ein neues, frisches Leben strömte jetzt in alle Adern 
der Wissenschaft, nachdem die Forschung zur Natur, der le- 
benden, zurückgekehrt war; das Specielle wurde in seinem 
Werthe wiederhergestellt, oder richtiger, das Gleichgewicht 
zwischen ihm und dem Generellen wurde festgestellt (denn wäh- 
rend der ältesten Zeit war das Specielle, während der Tour- 
nefortischen das Generelle, Alles); aber das Allerwichtigste 
war, dass Linne zu der passiven Forschungsweise der Väter 
zurückkehrte, welche, wenn die Rede vom Leben ist, allezeit 
die höchste bleibt (die anatomisch - physiologische ist nur sup- 
plementär und darf nie etwas Anderes werden, als eine. Erklä- 
rung der auf rein biologischem Wege gefundenen Facta), wovon 


*) Dies mag zur Antwort auf die so gewöhnliche Frage dienen, wenn 
der Botaniker oft besuchte Gegenden durchwandert, ob in diesen 
etwas Neues zu finden seyn möge. O nein, es giebt dort so viel 
Altes zu lernen. Und das dauert so lange, als die Wissenschaft, 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 9 


Linne’s herrliche Dissertationen, z. B. Somnus plantarum , 
Sponsalia plantarum, Horologium et Calendarium Florae, 
Vernatio et Gemmae arborum u. s. m., stets als unvergessliche 
Denkmäler da stehen werden — und durch welche es Linne 
auch vergönnt ward, tiefe, prophetische Blicke in des Pflanzen- 
lebens und der Pflanzenlehre Zukunft ( Prolepsis plantarum) 
zu werfen*).. Dagegen nahm Linne nur historische Notizen 


*) Gerade, während wir Dies niederschrieben, fiel uns die 52%ste Num- 
mer der Berliner Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik v. J. 
4841 in die Hände, wo es in einer naturphilosophischen Recension 
heisst: „Als Goethe mit den Werken Linne’s bekannt 
wurde, strebte er gleich, zu vereinen, was dieser aus 
einander hielt und sonderte.‘“* Schon diese ersten Worte 
der Einleitung enthalten mehres Irrige. Für’s Erste können Lin- 
ne’s System und Goethe’s Morphologie in gar keine Verglei- 
chung gebrächt werden, da sie ganz verschiedene Aufgaben zu lösen 
haben, Für’s Zweite vermied Linne auch nicht das Suchen nach 
der Idee-, welche die Mannichfaltiskeit zur Einheit verknüpfte und 
welche gerade in seiner Prolepsis plantarum aufgefunden ward. 
Für’s Dritte ist es bekannt, dass Goethe’s morphologische 
Studien gerade durch das Lesen der Linneischen Schrift erweckt 
wurden und Goethe’s Bemühen dahin ging, dasjenige, was Linne 
ideell aufgefasst hatte, melır materiell darzustellen. Desshalb ge- 
schah es, dass, nach des Rec. Angabe, Goethe der Ansicht hul- 
digte, dass „alle Pflanzengestalten aus einer Urgestalt 
entwickelt werden könnten „... was seither ganz 
willkührlich geschehen war. Immer schwebte ihm 
die Urpflanze vor, in der festen ÜUeberzeugung, dass 
es eine solchePflanze geben müsste,denn woransollte 
man sonst erkennen, dass dies oder jenes Gebilde 
eine Pflanze wäre? Nach einem Muster müssten doch 
alle gebildet seyn.“ ( Diese Urpflanze ist wohl am ehesten 
in der Urzeit zu suchen, und wenn ihr Vegetiren längst vergangen 
ist, so müssen wir uns mit dem Auffassen des Gegenwärtigen wohl 
begnügen,) So fasste, das wird zugegeben, Linne die Einheit 
nicht auf! Da die yerschiedenen Provinzen des Pflanzenreichs oft 
schärfer gesondert sind, als das Pflanzen- und Thierreich, wäre 
da wohl Grund dazu gewesen, ein Urmuster für beide zusammen 
aufzusuchen? — und nimmt man für jede Reihe der”organichen 
Naturerzeugnisse eines an, so kann wohl auch eines für die ver- 
schiedenen Hauptreihen des Pflanzenreiches angenommen werden, 
„Er entdeckte, dass der wahre Proteus im Organ des 
Blatis verborgen liege.“ Nein, das halte Linne voraus- 
gesehen. „Er hatte den Grundbegriff der Metamor- 
phose gefunden.“ Hätte der Vf. hier Lizne, und nicht 
Goethe, gemeint, so würde dies richtig seyn. Aber der Rec. 
übersieht ganz den wesentlichen Unterschied zwischen Linne’s 
und Goethe’s Morphologie. Linne leitete sie aus der suc- 
cessiven Entwickelung ab, dass, wie die Blätter eine höhere 
Ausbildung vom folgenden Jahre aus dem schon im vorhergegangenen 
Jahre im Samenkorn ausgebildeten Herzblättern, so die Blumen - 
und Carpellarblätter eine Prolepsis der Blätter der folgenden Jahre 
wären; nach Goethe beruht sie auf einer wechselsweise über- 


10 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


von den wichtigen anatomischen Entdeckungen seiner Vorgänger 
(Malpighi und Grew) auf und befasste sich gar nicht mit 
der näher liegenden, aber gekünsteltern und mannichfaltigern 
Experimental - Physiologie, welche jetzt gewöhnlich einzig und 
allein als solche betrachtet seyn will und unter unaufhörlichem 
Wechsel von Meinungen *) alle höheren Fragen der Wissenschaft 
zu lösen sucht. Nach der Dinge ewigem Kreislaufe ist nämlich 
die Wissenschaft nach Linne sowohl gereift, als gealtert, so 
dass sie kaum mehr alle ihre Glieder zu tragen vermag; Herba- 
rienstudien verdrängen das Forschen auf dem Felde, die anato- 
misch-mechanische Physiologie verdrängt die mehrversprechende 
Biologie, die Analyse die Synthese, so dass Mancher in dem 
reichlichen Niederschlage (oder wie es nach der heutigen Sprech- 
weise heisst, dem rastlosen Fortschreiten) der Litteratur schon 
die Winterkälte zu fühlen glaubt und mit dem Verfasser dieser 
Zeilen voll Verlangen einem neuen Linneanischen Frühlinge. 
einer kommenden Verjüngung der Wissenschaft, welche in le- 
bensfrischeren Formen die reiche, obgleich etwas bunte Erfah- 


mm 1 nn 


wiegenden CGontraction und Expansion. Es ist hier nicht 
der Ort, in eine detaillirte Entwicklung dieses interessanten Ge- 
genstandes einzugehen. Was a.a. ©. schliesslich über Naturfor- 
schung gesagt wird, zeigt, dass der Vf. keinen geringern Begriff 
von deren Streben hat, als die Naturforscher gewöhnlich von dem 
der Naturphilosophie haben. Die letzt genannte geht von der 
Philosophie auf die Natur aus, die Naturforfcher gehen von der 
Natur aus zur Pbilosophie; sie mussten sich demnach begegnen ; 
bei welchen von ihnen das „Grundühel“ liege, dürfte nicht so 
ausgemacht seyn, wie es der Rec. annimmt. Bis auf weiter wäre 
es wohl am besten, wenn beide sich ohne Uebermuth beurtheilten. 
Auch die meisten Naturforscher dürften einen mehr versprechenden 
Frühling durchlebt haben, in welchem sie durch die Schöpfungen 
menschlicher Geisteskraft entzückt wurden ; aber oft in ihren Er- 
wartungen getäuscht, suchen sie lieber die einzelneu Wahrheiten 
der Natur zusammen zu buchstabiren, ohne desshalb jedoch den 
höhern Flug der Ersteren weder zu übersehen, noch zu verdammen. 


*) So z. B. hat die Befruchtungstheorie bei den Pflanzen während der 
letzten 25 Jahre oder von Schelver bis zum heutigen Tage die 
ganze Reihe der Meinungen durchlaufen, welche sämmtlich auf 
sichere Experimente gegründet waren; alle haben grosses Aufsehen 
erregt, indem sie die Sache abmachten, und mit ihnen wurde das 
Pollen aus Nichts in seiner Bedeutung zu Allem; aber wissen wir 
desshalb jetzt mehr Sicheres, als früher, darüber, obgleich wir eine 
Menge materialistischer Erklärungen erhalten haben? Lernen wir 
nicht weit mehr aus den biologischen Beobachtungen am Verhalten 
der Bastardgewächse? Der neueste Aufsatz von Bernhardi, in der 
Flora v. J. 1841, führt (S. 26, 27,) die Sache ungefähr auf den- 
selben Standpunct, wie bei Aristoteles, zurück, welchem doch das 
magische Wort Polarität unbekannt war. 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 11 


rung vorangegangener Zeitalter wiedergebe, entgegensehen dürfte. 
Zu diesem Ziele leiten aber weder das Häufen neuer Details, 
noeh das Ausjäten derjenigen, welche schon alle Zweige der 
Wissenschaft niederdrücken, noch weniger der Ausspruch des 
Verwerfungsurtheils über die Theile und Richtungen, welche 
nicht die unsrigen sind; sondern Derjenige, welcher eine solche 
vorbereiten will, muss zuerst mit Archimedes einen festen, 
aber einfachen Stützpunkt ausserhalb oder richtiger oberhalb der 
gegenwärtigen Wissenschaft suchen und mit Linn € ihn finden. 
Wir haben in einer andern Abhandlung*) dies näher entwickelt 
und bemerken desswegen hier bloss, dass wir für unsern eige- 
nen Theil wünschen würden, dass die Ideen vom Auffassen des 
Typischen (oder Centralen), vom Unterschiede zwischen der 
Analogie und der Affinität der Naturerzeugnisse, dem biologi 
schen Bestimmen der Arten u. s. w. Knospen wären, welche in 
einem neuen Frühlinge zur reichern Entwicklung gelangten. 
Was der Wissenschaft in unserer eben so wohl, wie ın Lin- 
ne’s, Zeit am meisten Noth thut, ist Vereinzelung und aus in- 
nerer Nothwendigkeit bedingte Bestimmtheit. Während man mit 
den stärksten mikroskopischen Vergrösserungen die Atomen un- 
tersucht, übersieht man oft den Balken oder das ganze indivi- 
duelle Leben der Gewächse. — Doch, warum nur das Lob ver- 
flossener Zeitalter erheben und nicht lieber den Herrscher des 
Tages, die reichere Gegenwart, preisen? Desshalb, weil wir 
in ihr schon zum Voraus in der allerglückseligsten Ueberzeugung 
von unserer eignen Vortrefllichkeit leben;- es giebt hinlänglich 
Viele, welche mit Schmeicheleien die Lobpreisung jener erkau- 
fen wollen; und eigentlich kommt es einer Zukunft zu, welche 
bald zur Gegenwart wird, das Lob der Mitwelt, da wo es ver- 
dient wird, auszusprechen. Die Wissenschaft läuft nämlich, 
wie die; Geschichte im allgemeinen, in jetziger Zeit schneller da- 
hin, als ehemals, die wissensehaftliehen Theorien und Celebri- 
täten halten sich jetzt selten so viele Lustra, als vormals Jahr- 
hunderte, hindurch oben; aber eben durch dieses rastlose Fort- 
schreiten geht zugleich so viel Wahres und Schönes unter. 
Freilich sind die Erden der Flötzformatienen, welche die Ober- 
fläche bedecken, fruchtbarer; aber im Urgebirge, auf welchem 
sie ruhen, giebt es zwischen dem Granite, der Schlacke der 
Urzeit, auch viele reiche Gänge edles Metalles, und die Flüsse, 
welche Goldsand führen, entspringen aus ihren Spalten. So 


*) „Sind die Naturwissenschaften ein Bildungsmittel?“ 


12 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


verhält es sich auch in der Litteratur; diejenigen ihrer Erzeug 
nisse, welche nicht tiefer wurzeln, als in den Journälen des 
Tages, mögen zwar prunken mit schönen Farben, leben aber auch 
nur deren ephemeres Leben; aber der wahrhaft Weise ‚‚folgt 
der Kette der Bildung von ihrem Anheftepunet in der Urzeit bis 
zu den Gliederringen, welche der Tag schmiedet.“ 

So wie die Mutter der Wissenschaft am zärtlichsten ihre 
jüngsten Leibesfrüchte, das Werdende, pflegt und gerade nach 
ihnen sich Natura nennt”), so scheinen auch ihre Erforscher 
vorzugsweise dem Neuesten nachzutrachten und zu huldigen. 
Wie Viele von ihnen haben wohl ihre ältesten Botschafter stu- 
dirt und kennen mehr, als den Namen nach, ihre ersten Ge- 
sandten. Ja, noch am heutigen Tage fehlt es uns an einer Ge- 
schichte der ganzen Wissenschaft (was wir haben, sind Chroni- 
ken oder litteraturhistorische Notizen, nebst Angabe des Geburts- 
und Todesjahrs, der Reisen und der Beförderungen der Schrift- 
steller — oder des Druckorts, der Jahres- und Seitenzahl und 
der Verleger der Schriften), welche das innere Leben der Wis: 
senschaft betrachte, ihren progressiven sowohl, als regressiven 
Metamorphosen oder der ganzen genetischen Ausbildung folge; 
aber dieser Mangel findet seine Entschuldigung in der alten Er- 
fahrung, dass eine Generation, welche selbst in der Geschichte 
handelt, niemals eine solche schreibt. Dennoch ist eine wirk- 
liche Geschichte unumgänglich nöthig, nicht allein, um die Be- 
mühungen vergangener Zeiten gerecht und billig zu beurtheilen, 
denn gerade die Siege der einfachsten Wahrheiten sind oft am 
theuersten erkauft worden, sondern vielmehr, um unsere eigne 
Stellung zur Wissenschaft begreifen und deren künftige Sieges- 
laufbahn ahnen zu können. In den Entwürfen zur Geschichte 
der Botanik, welche wir bis jetzt besitzen, vermisst man, ausser 
vielem Andern, alle Berücksichtigung der organischen Verbin- 
bindung mit den übrigen Naturwissenschaften und deren wech- 
selseitiges Wirkens **), des Einflusses des immerfort, obgleich un- 


*) Das Wort Natura hat jedoch eine tiefere Bedeutung, nämlich von 
dem nicht durch sich Existirenden (als Ens absolutum), sondern 
von einem Früheren, Höhern Hervorzubringenden oder zu 
Schaffenden. 


*#) So z. B. kann Vieles in ihrer Geschichte nur dadurch erklärt wer- 
den, dass in gewissen Perioden die Mediein nur ein Anhang der 
Botanik, in anderen wiederum die Botanik ein Anhang. der Medicin, 
noch in anderen dieselbe ein Anhang der Oekonomie war. Unläug- 
bar entspriessen alle diese Forschungsarten. derselben Wurzel; sie 
müssen aber dennoch daneben als selbstständige Disciplinen, jede 
für sich, betrachtet werden, wenn keine von ihnen unterdrückt 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 13 


ter wechselnden Namen, fortlaufenden Streites der Nominalisten 
mit den Realisten, der verschiedenen Weltansicht, welche sich 
durch die grösseren Perioden der Wissenschaft hindurchzieht , 
alles Auflassen der verschiedenen Probleme*), welche jede 


werden oder brach liegen soll. Aristoteles ist unter den Grie- 
chen der Repräsentant les Naturgeschichte, als selbstständiger Wis- 
senschaft, Theophrastus Eresius der für die Verbindung der 
Botanik mit der Oekonomie, Dioskorides für dieMediein als An- 
hang der Botanik. Die wissenschaftliche Behandlung der Zool.o- 
Sie isi ganz und gar von der älteren Botanik ausgegangen, so wie 
gg alle Zoologen, wenigstens früher, als Botaniker begonnen 
haben. Erst in den letzteren Zeiten ist die Zoologie eine selbst- 
ständige Wissenschaft geworden, welche angefangen hat, die Bota- 
nik zu überflügeln. Demzufolge hat man auch bei den Pflanzen 
Entsprechendes für die Nerven und Muskeln der ’"Thierc und noch 
für viel Mehres gesucht; da aber die Pflanzen kein Sensibilitäts- 
undIrrit»bilitätssystem besilzen, so lassen sich auch keine Elementar- 
organe für diese finden. Die Pllanzenanatomie kann nie, wie man 
in neueren Zeilen hat annehmen wollen, für das Pflanzensystem 
das werden, was die Zoolomie für das System des 'Thierreiches ist. 
Im Gegentheile sieht man deutlich, wie die Orgauisation der Pflan- 
zen, weil diese an ihre Statzo gefesselt sind und nicht, wie die 
'Yhiere, sich ihren Aufenthaltsort selbst wählen können, das Ver- 
mögen besilzen müssen , sieh nach dem verschiedenen Medium, in 


welchem sie leben, melamorphosiren zu können. Desshalb ist bei 


ein und derseiben Art, je nachdem sie im Wasser, oder in der 
Luft lebt, die Organisation ganz verschieden; ja, gerade das wich- 
tigste Elementarorgan der Pflanzen, die Spiralgefässe, verschwindet 
ganz auch bei dan höberen Gewächsen, welche beständig unter 
Wasser stehen. Dass daher De Candolle’s Eintheilung nach 
der Organisation der Pflanzen in Vasculares und Velulares; und 
die der, ersteren wieder in Endogeneae und Exogeneae, unrichtig 
sei, hat man schon allgemein eingesehen, el die Mlsstsche 
in Phanerogamae und Cryptogamae wohl immer bestechen wird. — 
Noch nachtheiiiger für die Biologie ist ihr mechanisches Auf- 
fassen, welches aus der physisch-chemischen Behandlung hervor- 
gegangen ist. 


Oft wird ein Zeitalter desshalb ziemlich unbillig getadelt, weil es 
hauptsächlich, etwas einseitig, die Lösung eines gewissen Problems 
gesucht hat; aber es ist dazu von einem innern Instlincte getrieben 
worden, da es für die genetische Ausbildung der Wissenschaft 
ein ganz nothwendiger Moment war. Dass es daher bei etwas, von 


unseren Höhen angesehen, Niedrigerem stehen blieb, war eben so 


wichtig, als dass eine Pflanze erst Herzblätter und gewöhnliche 
Blätter reibt und nicht eher, als bis diese vollendet sind, Blumen- 
blätter. Wenn sich die Wissenschaft nicht auf dieselbe ftwliche 
Weise ausbildet, so entsteht dieselbe Folge, als wenn die Pflanze 
anstatt der Blätter aus zu frühzeitiger Metamorphose Kronenblätter 
ausbildet; sie stirbt ab, ohne Frucht zu hinterlassen. Man sieht 
oft grosse Wahrheiten hingeworfen, aber ohne allen Einfluss, weil 
ihre Zeit noch nicht da war; die Grundlagen, auf welchen sie 
ruhen ‘sollten, waren noch nicht entworfen. Dies ist die Er- 
klärung davon, warum die Nachwelt nicht so viele Wahrheiten 


“ 


14 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


Epoche zu lösen gehabt hat, die Rücksicht endlich auf die Vorbe- 
reitung und innere Nothwendigkeit jeder Reform. Wir haben in 
einem eigenen Aufsatz über die Namen der Gewächse zu zeigen 
gesucht, wie der Zeitgeist sich schon in etwas so Unbedeuten- 


dem, 


als diese sind, klar abspiegelt*); und wie wichtig derselbe 


*) 


beim Aristoteles zu finden vermochte. Man tadelt die Patres, 
dass sie einseitig alle Pflanzen auf die der Griechen hinführen 
wollten; aber es war gerade die Aufgabe jenes Zeitalters, in allen 
Richtungen des Wissens das hervorspriessende Nen- Europäische 
mit dem Alt- Griechischen zu verbinden. Sie suchten meistens nicht, 
um etwas Neues zu finden, sondern um etwas Aelteres, Verloren- 
gegangenes wiederzufinden — und unläugbar gewährt dies Wieder- 
finden mehr Interesse, so wie in unseren Tagen das Wiederfinden 
eines verloren gegangenen Linneischen Gewächses mehr, als das 
Finden eines neuen. Man tadelt die Tournefortische Periode 
wegen der Auflösung des Artbegriffs; aber gerade, weil sie den 
höhern Gattungsbegriff ausbilden wollte, musste sie das Spe- 
cielle bei Seite setzen. Die Zeit übernimmt, wie der einzelne 
Mensch, nicht wohl die Lösung mehrer Probleme auf einmal, 
und das Ziel einer jeden Zeit ist nur eine Stufe zu dem höhern 
Ziel einer zukünftigen. Nur dadurch kann irgend etwas wirklich 
zu Wege gebracht werden; Einer, der auf einmal in .Alles hinein- 
pfuscht, liefert selten eine brauchbare Arbeit. Es ist aber ein 
grosser Missgriff, wenn man dieses Ziel stets in einem Puncte oder 
auf demselben Wege sucht. Es tritt allezeit bei Naturforschern, 
welche sich nur einen gewissen Zweig erwählt haben, sich ihr 
sanzes Leben lang mit dessen Bearbeitung auf eine gewisse Weise 
beschäftigen , dasselbe Verhältniss ein, wie bei einem Felde, 
welches immer mit demselben Korne besäet wird; sein wirkliches 
Productionsvermögen nimmt mehr und mehr ab. Wenn sie aber, 
nachdem sie sich in einem Theile gründlich heimisch gemacht ha- 
ben, ihre Forschungen den nahe verwandten Thheilen widmen, so 
sehen sie bei der Rückkehr zum erstern, ganz wie ein aufmerk- 
samer Reisender in fremden Ländern bei seiner Heimkehr, Vieles 
in einem ganz andern und hellern Lichte, als zuvor. 


Botaniska Notiser, 1841, No. 6. In den ältesten Zeiten, in denen 
das Fabrikwesen noch. unbekannt war, bildeten die Gelehrten keine 
Namen, sondern nahmen die der Volkssprache auf oder führten 
die Dinge auch ohne eigentliche Namen an. Hieraus erhellt, 
warum allen Pflanzennamen der alten Zeit, in welcher man in der 
Natur lebte (das Hirtenleben das Heiligste) und sie vergötterte, 
Naturpoesie zum Grunde liegt; sie sind lebende Metaphern. 
Jeder einzelne Name dagegen aus dem Mittelalter, in welchem man 
sich von der Natur losriss (das Klosterleben das Heiligste) und sie 
taufte, hat wieder eine religiöse Beziehung; sie sind lebende Sy m- 
bole. In neueren Zeiten, in denen man sich von der Kirche frei 
zu machen und die Natur zu beherrschen suchte (weltliche Macht 
und bürgerliche Handthierungen das Einflussreichste), gab mat 
ihnen die Namen wiederum meistens nach ihrem Nutzen und äussern 
Ansehen; sie sind eine Art von Aushängeschildern — und in 
unseren ’l'agen, in welchen man sich von allen Fesseln zu befreien 
sucht und am liebsten sieh selbst vergöttert (Geist und "Talente 
das Heiligste) verewigen (?) die Botaniker sich und ihrer Freunde 


3 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 15 


für das Auffassen der Behandlung der Wissenschaft im allge- 
meinen ist, können wir durch ein sehr populäres Beispiel erläu- 
tern. Man wundert sich gewöhnlich, dass die Griechen und 
Römer, eine grosse Anzahl exotischer mitgerechnet, kaum 500 
Pflanzenarten kannten, obgleich eine viel grössere Anzahl in 
ihrer nächsten Umgebung jährlich blüht, und berechnet die grö- 
sseren Fortschritte unserer Zeit danach, dass wir jetzt die Na- 
men von mehren besitzen, als wir beinahe zählen können; aber 
die Alten kannten wirklich weit mehre (unsere Zeit dagegen 
kennt unläugbar weit wenigere, als auf dem Papiere stehen) 
denn jene ‚„‚numerosa slirpium , graminum, muscorum genera“ 
wurden mit Fleiss übersehen, wie ganze Classen namenloser 
Sklaven, welche eben so wenig Anspruch auf die Wissenschaft 
zu machen hätten, wie die niedrigsten Volksclassen auf bürger- 
liche Rechte. Man bemerkte nur das, was zum Gebrauche 
diente (wir glauben, dass der Materialismus in der alten Zeit 
wenigstens crasser war, als in der unsrigen), im Mittelalter 
wurde dasjenige hinzugefügt, in welchem man höhere Ideen 
symbolisirt glaubte, und erst in neueren Zeiten begann das Su: 
chen in der Natur aus rein wissenschaftlichem Interesse. Indem 
sonach in unseren Tagen der geringsten Alge, dem kleinsten 
Moose im Systeme derselbe Rang und dieselbe Wichtigkeit, wie 
der Sonnenblume und der Palme, beigelegt wird, sehen wir da- 
rin einen Ausdruck der Persönlichkeitsidee der neuern Zeit*). 
Das genannte Änerkennen jedes individuellen Werthes für sich 
ist freilich sehr richtig (man sollte sagen christlich); aber in 
den neuesten Pflanzensystemen bekommt man auch zu 


Namen in der Schöpfung. In allen diesen Richtungen liegt eine 
Wahrheit, etwas Gutes, aber auch in allen eine Abgötterei, welche 
die alte Welt mit der Natur, das Mittelalter mit der Religion, 
die neuere Zeit mit der Macht und dem Gelde trieben und die 
neueste Zeit mit sich selbst treibt. 


*) Hierbei ist jedoch zu bemerken nöthig, dass es die Wissenschaften 
sind, von welchen die veränderten Ansichten in den Zeitgeist aus- 
gehen , und nicht umgekehrt, obgieich der letztere sie stärker in 
Anwendung bringt. So waren z.B, die Ideen der französischen Revo- 
lution lange von den Gelehrten vorbereitet, ehe das Volk sie ahnete — 
und nicht schwer ist es einzuschen, worin bei den Wissenschaften 
die Gründe zudem Streben unserer Zeit liegen. Da aber in der 
neuesten Zeit Alles sich so rasch entwickelt, so geschieht es oft, 
dass der Zeitgeist erst dazu gelangt, sich das zuzueignen, was in 
der Wissenschaft schon etwas vergangen ist. So weit ein Zeitgeist 
auf wissenschaftlichen Wahrheiten ruht, kann er nicht falsch ge- 
»aannt werden; aber bisher wenigstens scheint er alle solche ein- 

- seitig angewandt zu haben, 


16 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


sehen, wie dessen einseitige, abstracte Auffassung zu den am 
meisten nach oben und unten gerichteten Verhältnissen leitet, 
wie zu dem in ihnen allen gehuldigten Grundsatze, dass man 
überall von dem Unvollkommensten ausgehen, dass man das 
Niedrigste zu vorderst stellen müsse, dass auf das Zufälligste 
in der Schlusssumme eben so viel Gewicht zu legen sei, wie 
auf das Typischeste und Herrschendste u. s. w. Je mehr wir 
in den Quellen der Wissenschaft forschen, desto mehr lernen 
wir auch einsehen, dass unsere Väter verarbeitet und gewusst 
haben, obgleich ihnen oft das Wort fehlte, welches die Sache 
zu einem bestimmten Begriffe feststellt; der Gedankenreich- 
thum kämpft mit der Wortarmuth; auch hierin hat der Zeitgeist 
eine merkliche Aenderung erlitten. Wir lernen daraus ferner die 
srosse Wahrheit, dass, so oft die Wissenschaft verkünstelt und 
stagnirend ward durch Sophismus, Sceptieismus, Formalismus 
und alle Arten von ismen, oder durch innere Streite verwilderte 
(wo beim Endurtheile beide Theile verlieren), sie stets auf’s 
neue in die Schule der Natur gehen und mit ihrem Een 
Alphabet anfangen musste. 

Gerade in dem Zurückführen zu diesem Tifashei liegt das 
wirklich Grosse in Linne’s Reform‘, welcher weder von einer 
überlegenen Gelehrsamkeit ausging (denn in dieser steht er 
Haller und mehren seiner Vorgänger nach), noch von vielen 
grossen, meistens zufälligen, Entdeckungen (denn darin steht er 
Vielen nach); Linne’s Reform lag als Embryo voll ausgebil- 
det in der Seele des jungen Studenten Carolus Linnaeus, wel- 
cher noch keine materielle Entdeckung gemacht hatte. Gerade 
die Einfachheit m Linne’s Reform macht es, dass so Viele 
ihre grosse Wichtigkeit nicht einsehen können. Linne war 
weit weniger ein schaffender,, als ein ordnender Geist, ein Sonn- 
tagskind der Natur, welches mit klarem Blicke in dem Gewim- 
mel der Meinungen stets das Einfachste, das Natürlichste, folg- 
lich auch das Wahrste traf. Daher jene naive, bestimmte, pe- 
riodenlose Sprache, ohne Pomp und Staat, ohne einen Schatten 
von Anspruch auf Tiefsinnigkeit, so dass ein Kind seine Mei- 
nung fassen kann, Wenige aber deren Tiefe einsehen; es ist 
der Natur eigenes Bild, gesehen im Spiegel der Sprache. Wäre 
Linne bloss der Urheber einer neuen Schule — könnte Linne, 
ohne dass sein Name gemissbraucht würde, wie der Jesuitismus 
durch Missbrauch eines noch höhern den seinigen erhielt, jemals 
der Koryphäus nur für eine Partei von Naturhistorikern werden, 
so würde seine Ehre zweideutig seyn; nun aber kann keine 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 17 


Geschichte der Gelehrsamkeit eine so ‚‚vere catholica“*) Re- 
form, wie die Linneische, aufweisen; nun giebt es an dem 
Tage, welcher ist und kommen wird, keinen !Botaniker, der 
nicht willig die Linneischen Grundwahrheiten erkennte (die 
gehässigsten Feinde Linne’s, z.B. Heister, Crantz, Me- 
dicus, haben nicht gesucht, sie zu läugnen, sondern nur, sie 
zu schmälern), und dennoch waren sie vorher nicht klar ausge- 
sprochen**) oder angewandt, — und siehe! die Ehre ist wohl 


*) So betrachtete Linne sie auch selbst, und nannte die, welche 


an 


nicht die ganz und gar neue Nomenclatur derselben annahmen, 
Keizer. Löfling, Linne’s liebster Schüler, ging in spanische 
Dienste, mit Beibehaltung seiner Religion, und musste demnach 
dort eine beargwohnte Person seyn. Aber in 'Löfling’s, von 


- Linne herausgegebenen und Sr. Rechtgläubigsten Majestät, 


Ferdinand VI, dedieirten Reisebeschreibung versichert Linz e, 
„dass er wenigstens allen Irrgeistern in Fiora’s Reiche trotzen 
könne, dass Keiner ihn in diesem zum Ketzer machen werde. “ 


Hiermit wollen wir jedoch gar nicht läugnen, dass nicht Einzelne 
(so wie Mehre vor Luther’s Reformation) das geahnet und 
vorhergesagt hätten, was Linne ausführte, insbesondere Jun- 
gius; es war sogar das Zufälligere, als Linne’s Sexualsystem, 
von Burckhard, in dessen Epistola ad Leibnitzium, W olfen- 
büttel 1702, deutlich prophezeiht worden. Denn so müssen alle 
Ideen zuerst einzelner geahnet werden, oft in einem dunkeln Be- 
wusstseyn sich. vereinigen, ehe sie klar zu Tage treten; so bilden 
sich die Gewölke aus dem Nebel und ballen sich zusammen, ehe 
sie den Blitzstrahl erzeugen; aber man erinnere sich hierbei nur, 
dass diese Nebel zuerst aus den Dünsten der Erde, und so auch die 
höheren Ideen ursprünglich aus der Welt der niedern Erfahrung 
hervorstiegen, Die Ehre fällt demjenigen zu, welcher sie zuerst 
realisirt! — Aber wir bestreiten es durchaus, dass Linne von 
den genannten Schrifststellern seine Ideen entlehnt habe; denn erst 
wenige Jahre vor seinem 'lode, wo seine Schriftstellerbahn zu 
Ende gelaufen war, bekam er Jungtius’s köchst merkwürdige 
Isagoge Phytoscopica, Hamb. 1679, nie aber wahrscheiniich 

urckhard’s Epistola, zu sehen. Jungius, welcher in Lü- 
beck 1587 geboren war und als Rector der Schule zu Hamburg 
4657 starb, sab selbst ein, dass ihn bei der Mitwelt das Loos der 
Kassandra erwarlete; erst lange nach seinem Tode wurden seine 
nachgelassenen Manuscripte herausgegeben ; aber auch dann wurden 
sie nicht berücksichtigt, sondern wurden Maculatur, so dass Jun- 
gius?’s Schriften zu den allerseltensten in der botanischen Littera- 
tur gehören. Und als seine Ideen von Linne dargelegt wurden, 
da war es ein elektrischer Stoss, welcher eine ganze Mitwelt zu 
einem klaren Bewusstseyn erweckte; denn nun war die Zeit reif 
zur Reform; die T’ournefortische Periode war ein ganz noth- 
wendiges Mittelglied zwischen der Bauhinischen und Linne- 
ischen. Die Tournefortische Schule erhob auch die Sexua- 
litätstheorie zur vollen Gewissheit, und eher, als dies geschah, 
konnte ja auch kein System darauf erbaut werden; aber so wie 
dieser wichtige biologische Act gerade das war, womit sich die 
Zeit bei Linne’s Auftreten am meisten beschäftigte, so trug 
dies nicht wenig zum Siege des Sexualsystems bei. 


2 


18 Grundzüge von Aristoteless Pflanzenlehre. 


die grösste, für alle Zeit der Polarstern zu seyn für die 
ganze Wissenschaft. Es ist hier nicht der Ort, die Bedeutung 
des Linneischen Sexualsystems zu entwickeln, dieses unum- 
gänglichen Stadiums für die Ausbildung der Systematik, welche 
gerade das Problem der Zeit war. Schon vor Linne hatte man, 
ermüdet durch die unförmlichen Versuche*) zu einem na- 
türlichen Systeme, ungeachtet aller erneuerten Proteste des al- 
ten Catonischen Rajus, der äussern Ordnung wegen sich wil- 
lig dem Despotismus der künstlichen Systeme ”**) unterworfen, so 
wie es in der politischen Welt nach lange dauernder Anarchie 
geschieht — und da Linne mit seiner klaren, bestimmten Lo- 
gik diese zeitgemässe Richtung mit der grössten Kraft und Con- 
sequenz verfolgte, musste es das herrschende werden, wie es 
zugleich dadurch das geistreichste und zu seinem Zwecke 
brauchbarste war. Nachdem nun diese, wenn man will, einsei- 
tige Richtung auf ihre äusserste Höhe getrieben worden war, so 
hörte mit einem Male jedes fernere künstliche Systematisiren 
auf (nachdem es seine Aufgabe, die Formen auszubilden, ge- 
löst hatte), und man suchte mehr und mehr die Freiheit-der 
natürlichen Systeme wieder zu gewinnen, welches nun auch bis 
zu dem Grade geglückt ist, dass Einer der neuesten und aus- 
gezeichnetsten Bearbeiter eines solchen selbst erkennt, dass im 
Systeme (!) Alles willkührlich sei — und damit scheint 
diese Bahn bis zu Ende durchlaufen zu seyn. Linne sah auch 
ein, dass ein natürliches System nach ihm das Problem der 
folgenden Zeit werden müsste, und Linne’s Grösse beruht 
weit weniger auf seinem Sexualsysteme, als auf seiner klaren 
Einsicht in das vollendende natürliche System (das Problem 
einer künftigen Zeit), klarer bei ihm, als bei allen seinen Vor- 
gängern und fast auch seinen Nachfolgern, deren natürliche Sy- 
steme die einseitige Richtung der Zeit sind, welche mehr Rück- 
sicht nimmt auf materielle, als ideelle Ausbildung, mehr auf 
Charaktere, als Controllen, denn auf innere organische Einheit, 
Kraft und Leben ***). Linne sah es richtig voraus, dass dies 


*) Von Cäsalpin’s bis zu und mit Ray’s Versuchen. 


##) Rivin’s, Hermann’s und zum hauptsächlichen Theile Tour- 
nefort’s. 

###) Wir müssen uns auf’s kräftigste gegen den Verdacht verwahren, 
als ob wir desswegen den Scharfsinn, die edlen Bemühungen, 
welche auf jene verwendet, die unermesslichen Schätze, die durch 
sie erworben worden sind, nicht dankbar erkennten, würdigten 
und bewunderten. Ein einseitiges natürliches System war noth- 
wendig ein Problem jener Zeit, welche auf die Lösung des einsei- 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 19 


Streben, obgleich es in seiner Zeit nicht so offenbar war, sich 
erst auf’s höchste geltend machen würde, nannte solche Consti- 
tutionen für das Pflanzenreich eine Campana sine pistillo, und 
verglich den Versuch, durch blosse Abstraction ein System der 
Natur zu bilden, mit der Quadratura circuli. Und gerade darin, 
dass Linne selbst ein natürliches System als höchstes Ziel 
der Wissenschaft angiebt, aber doch ein solches nicht selbst 
aufstellt, erkennt man den Fürsten der Wissenschaft, welcher 
sich nicht mit einem solchen compromittiren wollte, welches 
kein vollendetes, für alle Zeiten geltendes, werden konnte, son- 
dern in einer zukünftigen Zeit nur ein kümmerliches Parteien- 
banner geworden seyn würde; diejenigen, deren Stellung zur 
Wissenschaft ihnen nicht denselben Anspruch an Vollendung 
gab, konnten ihre Kräfte daran versuchen. Aber nie würde 
Linne auch von seiner Mitwelt so schnell und einmüthig*) 
sehuldigt worden seyn, wenn er nicht deren eigner Sohn gewe- 
sen wäre, d. h. zuerst deren nächste Bedürfnisse befriedigt und, 
was die Besten derselben dunkel ahneten und fühlten, klar aus- 
gesprochen hätte. Und dass Schweden, welches früher an der 
Ausbildung der Wissenschaft nicht Theil genommen hatte, die 
Ehre vorbehalten blieb, diesen Mann ın seinem Schoosse zu 
hesen, dürfte von denen, welche der &ewohnheit, der Den- 
kungsart der Zeit, und des Auctoritätenglaubens nicht bloss nie- 
derdrückende, sondern auch verblendende Macht kennen , zum 
nicht geringen Theile dem Umstande zugeschrieben werden, dass 
der starke Natursohn dort frei von jenen Fesseln aufwuchs. 


tig künstlichen folgte, ein eben so nothwendiges Stadium in der 
- Ausbildung der Systematik, wie das des vegelativen Systems für 
die der Blume, — wie es gerade der grösste Fehler der Zeit war, 
wenn sie es  verkannte oder versäumte. Aber unrecht ist es im- 
mer, das Ziel seiner Zeit als das höchste für alle Zeiten 
zu betrachten ; sonderhar, dass man es noeh nicht allgemein einge- 
sehen hat, dass die Hoffnung aller Zeiten, endlich das Höchste 
oder den Stein der Weisen gefunden zu haben, eitel ist. Als 
Naturhistoriker zugleieh Optimisten verdammen wir Nichts, mit 
Ausnahme alles dessen, was vorsätzliche Falschheit, wissentliche 
Lüge oder der Uebermuth ist, welcher Alles verwirft, was nicht 
seine Weise ist, zu sehen. Wir fehlen in vielen Stücken Alle, 
aber vor dem Richterstuhle der ewigen Wahrheit hoffen wir, dass 
kein redliches Suchen verdammt werden werde, 
*) Es waren nur einige Aeltere mit schon befestigtem Ansehn, als 


Haller, Dillenius, welche glaubten, ihre Ehre erforderte es, 
dass sie nicht in Allem den neuen Formen huldigten, ohne sie 


desshalb gerade zu verwerfen — welche lieber mit dem alten 
Kettil lebendig in’s Grab stiegen, als sich in die nene Zeit 
schickten. 


2# 


20, Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


Die obige Excursion in die Geschichte der Botanik hat zwar 
keinen nothwendigen Zusammenhang mit dem Zwecke dieser 
Abhandlung selbst; aber sie ist doch von demselben veranlasst 
worden. Ueber Aristoteles selbst können wir uns desto kür- 
zer aussprechen, da wir über einen so erschöpften Gegenstand 
schwerlich etwas Neues sagen können. Gewöhnlich übergeht 
man ihn jedoch ganz in der Geschichte der Botanik und beginnt 
diese mit Theophrastus Eresius; aber der Lehrling steht 
nicht über dem Meister; desswegen muss man noch um einen 
Schritt zurückgehen, — zu dem Gründer der Naturgeschichte, 
Aristoteles. Wir wissen freilich, dass er bei einigen Natur- 
forschern übel angeschrieben ist; aber unläugbar wird er bestän- 
dig einen hohen Platz unter den grössten Geistern der Wissen- 
schaften einnehmen ; wir halten es für Pflicht, ihm sein Recht zu 
verschaffen zu suchen. Den Vorrath des ganzen Wissens um- 
fassend, welcher schon zu seiner Zeit bedeutend, aber ein chao- 
tisches Gemisch von deren gesonderten Elementen war, ordnete 
er diese nach bestimmten Disciplinen, hauchte in sie einen le- 
bendigen Geist ein und erhob die meisten auf eine Höhe, welche 
ein Jahrtausend nicht zu übersteigen vermochte. Die neuere 
Philosophie erkennt in ihm ihren Meister, die Naturgeschichte 
muss in ihm allezeit ihren Vater verehren. Vielleicht werden 
durch diesen Vereinigungspunct diese beiden aristokratischen 
Brüder des Forschens, welche sich im Streit um das reiche 
Erbe gehasst und verketzert haben, wiederum versöhnt werden kön- 
nen, wie sie beide in Eintracht zusammen im Vaterhause, Ari- 
stoteles’s grosser Seele, wohnten. Aristoteles übertriflt 
alle nachfolgenden Naturforscher an philosophischem Scharfsinn, 
alle Philosophen an tiefer, Alles umfassender, durch eigene 
Forschung erworbener, naturgeschichtlicher Kenntniss, welches 
dasjenige ist, was ihn zu einer so merkwürdigen Ausnahme von 
den übrigen älteren Schriftstellern macht. Möge man sich von 
keiner Seite wegen grösserer, ohne eigne Mühe gesammelter mate- 
rieller Schätze, erworben. durch zweier Jahrtausende Fleiss, über- 
heben. Erinnere man sich, dass Aristoteles vielleicht der 
Erste war, welcher die Wichtigkeit des Beobachtens einsah, 
dass er, ohne alle Instrumente und äussere Hülfsmittel unserer 
Zeit, mit dem Blicke des Scharfsinns die vorbeischiessenden 
‘ Phänomene im Fluge erfassen musste (und wie viele grosse 
Wahrheiten hat er nicht ausgesprochen, die erst in neueren Zei- 
ten eingesehen und für neue, wichtige Entdeckungen ausgege- 
ben wurden); dass er die für alle Zeiten geltende, aber auch 
in allen Zeiten von Rationalismus und Sensualismus bestrittene 


Grundzüge vom Aristoteles’s Pflanzenlehre. 21 


Bahn für wissenschaftliche Naturforschung bezeichnete, nämlich, 
dass die Erfahrung der äusseren Sinne die Materie der Kennt- 
niss liefere, dass aber diese von der Vernunft beherrscht wer- 
den müsse, ehe sie Eintritt in die Wissenschaft bekomme. 
Selbst am meisten mit dem Feststellen der speculativen Lehren 
beschäftigt, welches auch zuerst nothwendig war, damit das 
wissenschaftliche Schlachtfeld von jeder Art von Marodeurs 
(Sophisten, Skeptikern, Sensualisten) gereinigt würde, warnt 
er doch gegen das Operiren mit Denkformen, als wirklichen 
Factis, — und wenn er auch für uns, in unsren Tagen, diesen 
Grundsatz nicht allezeit selbst befolgt zu haben scheint, so mö- 
gen wir uns erinnern, dass er von solchen Sätzen, z. B. rück- 
sichtlich der Bewegung der Himmelskörper, ausging, welche zu 
der Zeit als Axiome betrachtet wurden — dass die Worte von 
ihm oft in einem ganz andern Sinn aufgefasst worden sind, als 
in welehem wir die entsprechenden nehmen, mit denen wir sie 
wiedergeben müssen. Daneben aber war er unaufhörlich be- 
schäftigt mit naturgeschichtlichen Untersuchungen, fing er seine 
Bildungsbahn mit botanischen Excursionen an*) und hatte zum 
Ankaufe von Naturalien für sein Privatmuseum grössere Ein- 
künfte, als alle europäische Museen jetziger Zeit zusammenge- 
nommen. Ausserdem hatte Alexander allen Satrapen in sei- 
nem neugeschaffenen Reiche befohlen, an Aristoteles alle 
seltenen Naturerzeugnisse einzusenden, welches Alles desswegen 
bemerkt wird, weil einige rein empirische Naturforscher bei ihm 
meistens nur das Spiel eines reichen Geistes („speciosa ratio- 
cinia,‘“ Sprengel,) haben sehen wollen und einige Schilderer 
der Schicksale der Botanik ganz vornehm, bloss im Vorbeige- 
hen, seinen Namen fast wie den eines Usurpators wissenschaft- 
licher Würde nennen. 

Die bestimmt entgegengesetzte Richtung, welche in den 
biologischen und physischen Naturwissenschaften liegt, macht 
es kaum möglich, dass Jemand in beiden ausgezeichnet seyn 
könne; ja, wir finden es beinahe nothwendig, dass die einseitig 
Gebildeten in beiden Verachtung gegen ihre gegenseitigen Wis- 
senschaften hegen müssen. Der Biologe kann in den physischen 
nur einen todten, seelenlosen Mechanismus, ohne alles höhere 
Leben und alle höhere Freiheit finden, der Physiker wiederum in 


*) Wie man angiebt soll er, ehe er Plato’s Zuhörer ward, Apo- 
theker gewesen seyn, und Epikur nennt ihn einen Dapyaxon ins. 
Athenäus zufolge. Von dieser Menschenclasse, wie auch von 
den Rhizotomen, hat Aristoteles viele empirische Kenntnisse 
über Naturerzeugnisse eingeholt. 


22 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


den biologischen nur ein Meer von unbestimmten Phänomenen, 
welche auf keinen genauen und streng beweislichen Gesetzen 
beruhen. Obgleich eine Kälte des Verstandes sich durch alle 
Schriften des Aristoteles zieht, so war doch die Mathematik 
seine schwache Seite, und seine Physica ist unläugbar seine 
am wenigsten vollendete Arbeit; und dennoch war es besonders 
diese, welche im Mittelalter ein kanonisches Ansehen gewann. 
Solchergestalt war sie freilich für den Fortschritt der Wissen- 
schaft schädlich, und Niemand kann es desshalb dem Galilei 
verdenken, wenn er bei jeder Gelegenheit ihre schwachen Sei- 
ten hervorzieht, ja sie sogar zum Gegenstande des Spottes 
macht; Aristoteles steht seit der Zeit bei den Physikern 
in üblem Rufe. Da man nunmehr nichts Nachtheiliges von sei 
ner Auctorität zu befürchten hat, so muss man nicht unterlas- 
sen, zu erkennen, dass er dennoch weit über seinem Zeitalter 
stand und fast noch jetzt ohne Gleichen in seiner weit umfas- 
senden Thätigkeit da steht, dass er die Nothwendigkeit der Er- 
fahrung, und dass, 'so weit es möglich sei, die Natur befragt 
werden müsse, einsah, so dass E pikur ihn mit dem Vorwurfe 
der Mikrologie belastet; aber nicht in eines Mannes Vermögen 
lag es, alle Erfahrung zu erschöpfen, da man zumal in seiner 
Zeit weder die Begriffe, noch die Instrumente zum Anstellen 
richtiger physischer Beobachtung hatte. Es ist weniger Ari- 
stoteles’s Fehler, dass er eine fehlerhafte Physik schrieb, 
als dass er überall eine solche schrieb. Was seine getadelte 
Methode betrifit, so erinnere man sich, dass er sich derjenigen 
seiner Zeit, wie deren Sprache, bedienen musste, wenn er ver> 
standen werden wollte. Wir behaupten zwar nicht, dass Ari- 
stoteles ein überwiegendes Verdienst um die Physik habe, 
wenn nicht das, noch ausschweifenderen kosmologischen Träu- 
men eine Gränze gesetzt zu haben; aber wir behaupten, dass 
Niemand in unserer Zeit Ehre damit einlegt, wenn er sich zum 
Ritter an Aristoteles’s Missgriffen darin aufwirft. 

Desto kolossaler ragt Aristoteles als Biolog oder Natur- 
historiker hervor. Berücksichtigt man, was er ohne alle Vorgän- 
ger für die Zoologie gethan hat, so scheint Das allein eines 
Mannes Kräfte zu ‚übersteigen — allein mehr als hinreichend, 
seinem Namen Unsterblichkeit zuzusichern ; aber derselbe Geist 
umfasste zugleich beinahe alle Zweige menschliches Wissens, 
Er erschaut und entdeckt nicht allein des Lebens höchste Phä- 
nomene, sondern dringt auch mit einer bewundernswürdigen Sach- 
kenntniss in das Specielle ein, welches der rechte Prüfstein des 
Werthes der ersteren ist. Dies Zeugniss Späterer kann nicht 

/ 


ns 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 23 


verworfen werden, da generelle Ansichten fast immer nach Sym 
pathien und Antipathien beurtheilt werden und desshalb gerade 
die Losung aller Parteienanhänger sind”). Es giebt mehre Wege, 
und alles ehrliche Suchen muss zu demselben Ziele führen. 
Wie eng schliessen sich nicht Aristoteles’s systematische 
Ansichten in der Zoologie an die neuesten? — Aristoteles’s 
eigene Schriften über die Pflanzenlehre **) sind verloren gegan- 
gen; das untergeschobene Werk, welches seinen Namen trägt, 
ist dieser Ehre durchaus unwürdig. Die Resultate seiner spe- 
ciellen Forschungen ***) sind zwar von Theophrastus Ere- 
sius, dem Erben seiner Schriften und Sammlungen, aufgenom- 
men worden; aber was nicht mit vererbt wurde, war Aristo- 
leles’s Geist. Desswegen ist es wichtig, das abzusondern, 
was Aristoteles wirklich angehört, zumal da sich in seinen 
übrigen nachgebliebenen Schriften mehre zerstreute Züge finden, 
welche, geordnet, eine Uebersicht seiner Pflanzenlehre liefern 
können. Wir haben uns dieser stets mit besonderer Vorliebe 
hingegeben, für das Systema orbis vegetabilis derselben mehre 
Grundwahrheiten entnommen, in den Fundamenta Lichenolo- 
giae aus Aristoteles’s Grundsätzen die Farbenlehre, der 
Kryptogamen entwickelt. Es war uns desshalb eine besondere 
Freude, durch unsern edlen Freund, den Professor Wimmer, 
Rector am Gymnasium zu Breslau, eben so ausgezeichnet als 
Botaniker, wie als Philologe,, alle Aristotelischen, auf die Pflan- 
zen Bezug habenden Sätze gesammelt und in einem kritisch be- 
leuchteten Texte, zu erhalten, wodurch uns mehre Stellen erst 
klar geworden sind — und wir haben geglaubt, unserm, wenn 
auch kleinen, botanischen Publieum ein Vergnügen zu "bereiten, 
wenn wir nach Wimmer’s Bearbeitung die Grundzüge von 


*) Dadurch wird es so leicht, nach subjecliivem Gutdünken das ausge- 
zeichnetiste Verdienst herabzusetzen, das unbedeutendste zu erhe- 
ben; aber nach der Frucht wird man den Baum beurtheilen. Ist 
jene gut, so verwerfe man den Baum nicht, ward er gleich nicht 
in der eignen Baumschule erzogen. Ueber das Specielle oder die 
arben vermag die Welt zu urtheilen, über die Beweg sgründe 
urtheilt Gott allein. 


**+) Theoria vegetabilium in 2 Büchern (Hist. Anim. V, 1), und in 
Brev. Vitae, c. 6, verspricht er ein ausführliches Werk über die 
Pflauzen. Von Diogenes Laertius und von Athenäus 
werden diese Werke auck. citirt, 


*#*) Die zerstreuten Züge derselben, welche in Arzistoteles’s übri- 
gen Schriften vorkommen, sind allzu fragmentarisch und werden 
desshalb hier übergangen — sie werden am besten in Verbindung 
mit Theophrastus abgehandelt. 


24 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. . 


Aristoteles’s Pflanzenlehre in einem Abrisse darlegten. Eine 
eigentliche Uebersetzung haben wir nicht geglaubt wagen zu 
dürfen, sondern wir verweisen diejenigen, welche eine vollstän- 
digere Kenntniss wünschen, an Aristoteles selbst. Wer des- 
selben gedankenschwere Sprache, seine speciöse Deduetion, 
kennt, sieht leicht die Schwierigkeiten, welchen ein solches 
Vornehmen begegnet, wie auch die Unmöglichkeit, ein, in neue 
ren Sprachen den Geist der hingeschwundenen Zeit wiederzuge 
ben, welcher nur in den Originalwerken ihrer Meister fortlebt. 
Jeder, welcher sie in der Grundsprache studiren kann, findet 
daher in dieser allemal mehr, und oft einen ganz andern Geist, 
als bei den neueren Epitomatoren. Die aber, welche nicht zum 
voraus Aristoteles’s reichen Gehalt (der noch wichtiger für 
die Zoologie ist, theils weil Aristoteles’sSchriften über diese 
in Erhaltung geblieben sind, theils weil man für sie keinen Com- 
mentator hat, welcher dem Theophrastus entspräche,) ken- 
nen, werden sich in jedem Falle über seinen Seherblick verwun- 
dern; man fühlt sich oft versucht, Vieles für den Göttertraum 
eines Geistes zu erklären, welcher mehr ahnet und einsieht, als 
er wirklich sah und erfuhr. Aber zwischen diesem und den 
Hypothesen der Prosa liegt eine himmelweite Kluft. 
Entschuldigungen dafür anzuführen, dass Aristoteles’s 
Begriffe von den Elementen, dem Nahrungsprocesse u. s. m. 
mit den jetzt herrschenden nicht übereinstimmen, möchten wir 
als unpassend betrachten. Bemerkenswerther ist wohl eme 
Menge von scharfsinnigen Bemerkungen , welche erst in den 
neuesten Zeiten allgemein anerkannt worden sind. Dass sie von 
einer tiefen, klarsehenden Naturbetrachtung ausgingen, lässt sich 
wohl nicht bestreiten. Aber sie war mehr eine Naturforschung 
im Grossen, als die gewöhnliche im |Kleinen. Jede hat ihren 
Werth für sich, wenn bloss die Erstere ihren empirischen An- 
haltpunct nicht aus den Augen setzt, die Letztere sich nicht in 
das ganz Unbedeutende und Zufällige verliert. Die Erstere ist 
Blitz in der Nacht; entzündet dieser aber nicht das Specielle, 
so erlischt er bald und bleibt nur in einer dunkeln Erinnerung. 
Die Aristotelische Naturforschung leitete zu so geringer 
Nachfolge, weil sie keine hinreichende specielle Basis hatte, 
um auf dieser zu ruhen; durch eine solche kann man auch nur 
den wirklichen Blitzstrahl von anderen Meteoren unterscheiden. 
Alles Wahre, welches in jener enthalten ist, musste demnach 
von der demüthigen Forschung von neuem entdeckt werden, ehe 
es zur naturgeschichtlichen Wahrheit ward. Nur der grossar- 
tigern Naturbetrachtung huldigen würde den Grund zu einem 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 25 


der Forschung feindlichen Dogmatismus legen - Nichts desto 
weniger bleibt Aristoteles beständig in der Welt der Wis- 
senschaften , was sein königlicher Zögling, dem Aeussern zuge- 
wandt, für die politische war. Der Erstere bezwang die ringsum 
am festesten angesiedelten geistigen Mächte seiner Zeit, der 
Letztere besiegte deren mächtigste weltliche Gewalten. Bald 
zersplitterte aber Alexander’s grosses Reich; sein Gedächt- 
niss bleibt nur das eines grossen Cometen am politischen 
Himmel; Aristoteles’s kleines Reich dagegen besteht noch 
nach zwei Jahrtausenden, und obgleich es seine Zelte seitdem 
über unermessliche Räume ausgebreitet hat und unzählige neue 
Sterne während der Nacht vergangener Jahrhunderte aufgegan- 
gen sind, bleibt sein Name für alle Zeit am Himmel der Litte- 
ratur ein unverdunkeltes Sternbild. 


Grundzüge der Pflanzenlehre nach Aristoteles. 


I. Ueber das Leben der Pflanzen im allgemeinen 
und verglichen mit dem der Thiere. 


1. Die Pflanzen sind aus einfacheren Elementen zusammen- 
gesetzte, aber durch ein inneres Prineip, welches der Grund von 
aller ihrer Verschiedenheit, allen ihren Veränderungen ist, her- 
‚ vorgebrachte Naturerzeugnisse. Von Allem, was auf diese Weise 
ernährt wird, erwächst und vergeht, sagt man, es lebe; sonach 
haben die Gewächse auch Leben. Das Princip alles Lebens 
nennt man Seele (7,77), welche so innig mit dem Körper ver- 
bunden ist, dass dessen Form ein Abdruck des Wesens der 
Seele ist. Die Seele ist in den Naturerzeugnissen das eigent- 
lich Wesentliche, der Grund von ihrem Daseyn und ihrer Thä- 
tigkeit (Lebensäusserungen), ihr Bewegungsprincip. Die Bewe- 
gung ist untrennbar von der Thätigkeit der Seele, und die Be- 
stimmung der sämmtlichen Naturerzeugnisse ist die, dass sie 
Werkzeuge des Lebens seien. (Vgl. Aristoteles, Anim., II, 
1, 2, und Phys., I, HI, Anfang.) 

2. Der Stufen des Lebens giebt es mehre, theils höhere, 
theils niedrere.. So sagt man, es lebe, schon von demjenigen, 
welches bloss eine einzige, einfache Bewegung in Begleitung 
von Wachsthum und Untergang zeigt, eben sowohl, wie von den 
Naturerzeugnissen, welche, durch eine vollkommnere Ausbildung 
ausgezeichnet, eine mannichfaltige Bewegung und Lebensäusse- 
rung, als Gefühl, Begehren, Denkvermögen, den Ausdruck eines 
höhern Lebens zeigen, welches sich der Natur der Göttlichkeit 


26 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


nähert (Arist. Anim., IL, 2, 3.). :Aber von denen der unorga- 
nischen Natur an bis zu den höchsten hinauf bilden alle Natur- 
erzeugnisse eine zusammenhangende Kette, so dass die Gränze 
und die Trennpunkte zwischen den auf den Uebergängen stehen- 
den undeutlich sind. Unter den Meererzeugnissen giebt es mehre, 
von welchen es zweifelhaft ist, zu welchem Naturreiche sie am 
eigentlichsten gehören (Part. Animal, IV, 5. Hist. Animal., 
VI, 1.) 

3. Alles, was in der Natur geschieht, geschieht zu einem 
bestimmten Zwecke. Die Natur ist sowohl formell, als materiell 
Das Formelle ist ihr Zweck, dasjenige, um dessentwillen alles 
Uebrige geschieht. Der Zweck der Pflanzen ist hauptsächlich, 
Früchte und Samen, die Mittel zur Fortpflanzung, hervorzubrin- 
gen, und der des Samens ist, dass die Naturerzeugnisse be- 
stehen können. (Arist. Phys., IL, 8. Gen. Anim., I, 4.) 

4. Das Göttliche ıst die wirkende Ursache alles Bessern, 
welches geschieht. Besser ist es, geboren zu werden und zu - 
leben, als nicht geboren zu werden und nicht zu leben. Alles sucht 
daher sein Bestehen zu sichern und ewig, unvergänglich, zu 
werden, weil es sich der göttlichen Natur zu nähern sucht. 
(Anim., II, 4.) Da jedoch das Einzelne und Individuelle in der 
Sinneswelt nicht ewig fortdauern kann, so muss dies dadurch 
geschehen, dass die Gattung sich erhält. Deren Bestehen ist 
der Zweck der Fortpflanzung; dass aus jeder Pflanze eine an- 
dere von derselben Art entstehen möge, ist ihre Bestimmung. 
Desshalb ist die Erzeugung das erste und allgemeinste Prineip 
des Lebens. (Gen. Anim., II, 1. Polit., I, 2.) 

5. Wie die Seele des Lebens Grundursache,, so ist ihre Er- 
zeusung das Erste von Allem. Die bildende Seele ist zugleich 
die vegetative, das Princip des Ernährens und Wachsens. Die 
erste Bewegung des Lebens ist auch der erste Anfang von sei- 
nem Zunehmen und Untergange, welche durch einen innern un- 
trennbaren Zusammenhang vereinigt sind. (Anim., IL, 1, 4.) 
Alles, was wächst, muss ernährt werden, und Nichts wird er- 
nährt, was nicht Leben hat. Die Ernährung ist demnach eine 
unumgängliche Bedingung für die Thätigkeit des Lebens, für 
die Erhaltung aller seiner Eigenschaften. Seine Erhaltung wird 
durch die Fortpflanzung vermittelt, welche des Pflanzenlebens 
Bestimmung ist, und somit ist es dieselbe Kraft, welche die 
Ernährung sowohl, !als die Fortpflanzung der Pflanzen bewirkt. 
Die nährende und die erzeugende Seele (die Lebenskraft) sind 
also ein und dieselbe; sie ist das Gemeinschaftliche in allem 
Lebenden; aber sie kann für sich, getrennt von der sensitiven 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 27 


Seele, bestehen ‚. welches gerade das Verhalten bei der Seele 
der Pflanzen ist. (Anim., II, 4, u. a. m. St.) 

6. Das zweite Prineip der Seele oder das Sensitive, durch 
welches die Naturerzeugnisse mittels des Gefühls die Beschaffen- 
heiten der Dinge vernehmen und vermöge dessen sie Einiges 
begehren und Anderes meiden, kommt nur den Thieren zu; den 
Pflanzen mangelt es. Der Unterschied zwischen Thieren und 
Pflanzen ist sonach der, dass die Thiere Sensibilität besitzen, 
die Pflanzen nicht. Empfinden ist das Vermögen, Eindrücke 
von der Form der Dinge ohne Materie zu empfangen. Die 
Pflanzen leiden zwar von äusseren Dingen, als Wärme und Kälte; 
aber sie empfinden dennoch nicht, denn sie werden nur auf eine 
mechanische Weise affıcirt, indem Alles, was die Formen der 
Dinge wahrnehmen soll, selbst aus allem demjenigen zusam- 
mengesetzt seyn muss, was wahrgenommen werden soll. Die 
Pflanzen sind aber, verglichen mit den Thieren, einfache, erden- 
artige Wesen; desshalb besitzen sie kein anderes Gefühl, als 
das, was sich in den eimfachen, erdenartigen Bestandtheilen der 
Thiere, z. B. deren Haaren, findet. Nur das, was etwas be- 
gehrt und nach Solchem strebt, bewegt sich; denn ein innerer 
Trieb ist die Quelle aller Bewegung*). So kommt Bewegung 
nur demjenigen zu, welches Gefühl besitzt; denn wer nicht 
fühlt, kann nichts begehren. Die Pflanzen können sich dess- 
halb nicht selbst bewegen und auch keine Bewegungsorgane ha- 
ben; desshalb sind sie an der Erde festgewachsen , welche ihre 
eisne Wohnstätte ist. (Anim., IL, 12, 1, 9). 

7. Derjenige Zustand des Körpers, welchen man das Wa- 
chen nennt, dessen Gegensatz der Schlaf ist, ist die Thätigkeit 
der sensitiven Seele; denn gerade daran erkennt man dei wa- 
chenden Zustand, dass er Empfindung mit sich führt. Den 
Pflanzen kommt weder Wachen, noch Schlaf, zu, denn sie em- 
pfinden nicht. Auch die Thiere haben während des Schlafs 
kein Gefühl und Bewusstseyn; das Leben der Gewächse ist 
dem der Thiere während eines beständigen Schlafes gleich. Die 
Leibesfrucht der Thiere, welche auf dem Uebergange zum Da- 
seyn und Leben steht, welche zwar das Empfindungsvermö- 
gen in der Anlage (in potestate), aber in keiner bemerkbaren 
Thätigkeit, besitzt, lebt auch dieses vegetabilische Leben; aber 
obgleich das Leben der Gewächse dem schlafenden Leben des 
Thieres gleicht, ist es doch kein wirklicher Schlaf; denn dieser 

*) Es ist wohl überflüssig, zu bemerken, dass das Wort Bewegung 


hier einen beschränktern Sinn hat, als nach unserm gewöhnli- 
chen Sprachgebrauche. 


28 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


ist nur ein Gegensatz zu einem wachenden Zustande ; die Pflan- 
zen aber können nicht erwachen. (De Somno et Vigil., C.]. 
Gener. Anim., V, 1.) 

S. In jedem organischen Körper ist die Seele der Grund 
oder das Princip des Lebens; desshalb ist sie einzig und un- 
theilbar. Aber in der Anlage (in potentia) kann sie mehre ein- 
schliessen, und bei den Pflanzen können diese auf gewisse Weise 
unendlich viele genannt werden, die Pflanzen können nämlich, in 
mehre kleinere Theile getheilt, in jedem Theile Leben behalten, 
und jeder kann zu einem neuen, vollständigen Individuum ausgebil- 
det werden. Aus einem Baume, welcher als Individuum nureine 
Seele (ein gemeinschaftliches Lebensprincip) hat, kann eine un 
endliche Menge von Individuen entstehen. Die Ursache dieser 
sind die Knospen oder Glieder, welche sich an dem G&ewächse 
finden; solche aber kommen nicht an jedem beliebigen Puncte 
vor; so wie die niedrigsten Gliederthiere, auf dieselbe Weise 
zertheilt, neue Individuen hervorbringen. Auch ein Insect, wel- 
chem man Kopf und Hintertheil abgeschnitten hat, lebt in sei- 
nem mittlern Theile fort, welcher der Sitz des Herzens ist, aber 
nicht lange, da ihm die Organe zur Erhaltung des Lebens feh- 
len. Die Pflanzen dagegen haben Knospen, welche Vermittler 
zwischen Wurzel und Stamm sind, in welchen Embryone der 
vegetativen Seele schlummern, und daher können die Theile der 
Pflanze, welche jene erzeugen, zu neuen Individuen ausgebildet 
werden. Dasselbe, was wir an dem zertheilten Stamme gesche- 
hen sehen, geschieht beständig an dem ungetheilten durch neuen 
Zuwachs von neuen Zweigen und neuen Wurzeln, während dass 
andere verschwinden, wodurch die Pflanzen ein so unendlich 
langes Lehen bekommen. (Anim., II, 2. Ju. et Sen., c. 2. 
Vit. long. et br., c. 6.) 

9. Die Elemente sind ein warmes, ein kaltes, ein festes 
und ein flüssiges, deren Verbindungen dem Feuer, der Luft, der 
Erde und dem Wasser entsprechen (diese hervorbringen). (@e- 
ner. et Int. II, 1, 2, 3.) Die einfache Genesis der Naturkörper 
geschieht durch Verbindung des trocknen und des nassen Elemen- 
tes, aus deren Theilen sie zusammengesetzt sind, und welche 
ihre passive Materie ausmachen; aber sie werden nach ‚ihren 
Qualitäten durch das warme und kalte bestimmt, welche active 
Kräfte sind. Das trockne Element ist das vorherrschende in der 
Erde, das nasse im Wasser. Da alle zusammengesetzte Körper 
aus Erde und Wasser bestehen, so liegt ihr materieller Unter- 
schied in deren verschiedenen Proportionen. Die Erde ist auch 
das Ueberwiegende von den Bestandtheilen der Pflanzen, indem 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 29 


die Erde ihre Wohnstätte ist*). Wenige leben im Wasser. 
Darum saugen sie so leicht ihre Nahrung aus der Erde auf, 
weil sie aus gleichartigen Bestandtheilen mit ihr bestehen. (Me- 
teor. , IV, 1. Gen. Anim., III, 2.) 

10. Aus den angegebenen Elementen bilden sich die ein- 
fachsten inneren (Elementar-) Organe der Pflanzen, welche 
gleichwohl unter einander in bestimmte, verschiedene Gebilde 
und zu verschiedenen Verrichtungen gesondert sind**). Aus 
diesen Elementarorganen werden nachher ihre verschiedenen 
äusseren T'heile, als Blätter, Rinde, Holz, Wurzeln, zusammen- 
gesetzt: (Meteor., IV, 10.) Die besonderen Theile der Pflan- 
zen sind Organe, von denen jedes seine bestimmten Verrich- 
tungen hat; es sind aber ihrer wenige, einfache, weil die Ver- 
richtungen der Pflanzen weder zahlreich, noch sehr complieirt 
sind, da das Pflanzenleben keinen andern Zweck hat, als Er- 
nährung und Fortpflanzung; ihrem Wachsthum an Grösse ist 
auch eine bestimmte Gränze gesetzt. Alle Organe für eigne 
Bewegung fehlen, weil die Pflanzen an der Erde festgewachsen 
sind, und weil sie kein Empfindungsvermögen besitzen. (Anim., 
II, 1. Part. Anim., II, 10. Physic., I, ec. 4, 7.) 

1l. Alle Theile eines Naturkörpers hönnen nach ihrer Lage 
auf einen obern und einen untern Theil, eine rechte und eine 
linke, eine vordere und eine hintere, Seite zurückgeführt wer- 
den. Die Thiere, als die vollkommensten Naturerzeugnisse, be- 
sitzen diese sämmtlichen drei Dimensionen ausgebildet; aber die 
Pflanzen haben nur einen obern und einen untern Theil. Alles, 
was lebt, muss Bewegung haben, wenigstens nach zwei entge- 
' gengesetzten Richtungen hin. Diese einfachste Bewegung ist 
der Wachsthum der Pflanzen (nach zwei entgegengesetzten 
Richtungen), die Thätigkeit der vegetativen Seele — und da 
die Pflanzen keine andere, als diese einzige zum Aufziehen der 
Nahrung besitzen, so findet sich bei ihnen bloss die erste der 
drei genannten Dimensionen. Die Anordnung der Organe nach 
einer rechten und linken Seite bei den vollkommneren Naturer- 


*) Empedokles hatte angenommen, die Pflanzen beständen aus 
Erde und Feuer und das letztere wäre die Ursache ihres Wach- 
sens nach oben, die erstere dagegen vou dem nach unten. Arist. 
Anim. II, 4. Nach Anaxagoras wäre die Erde ihre Mutter, 
die Sonne ihr Vater. 


**) Freilich richtig; aber zu dAristoteles’s Zeitahne Vergrösserungs- 
gläser nicht möglich, sie klar zu unterscheiden. Da Aristoteles 
sie nicht näher augiebt, so glauben wir, nach Theophrastus, 
erklären zu müssen, ‚dass dieselben das Fleisch (entsprechend dem 
Zellgewebe), die Fasern und die Venen seien. 


30 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. | 


zeugnissen ist eine nothwendige Bedingung zu ihrer Bewegung, 
und die Anordnung nach einer Vorder- und Hinterseite ist noth- 
wendig zu ihrem Gefühls- oder Perceptionsvermögen, welches 
alle edelsten Organe concentrirt erheischt*). ( Coel., II, 2.) 

12. Der Gegensatz zwischen einem obern und einem untern 
Theile ist der Grund der Länge. Da nun die Pflanzen bloss 
einen obern und einen untern Theil haben, so wachsen sie 
hauptsächlich nach der Länge. Der obere Theil der Pflanzen 
oder der, welcher die Nahrung einzieht, ist jedoch bei ihnen 
eigentlich der untere, und der untere Theil der Pflanzen oder 
der, welcher die Nahrungsstoffe (nach der Blume und dem 
Samen) absondert, wird zum obern, wenn man die Pflan- 
zen mit den höher ausgebildeten Thieren oder in Beziehung 
auf das Weltall vergleicht; das Obere ist nämlich oft ganz an- 
ders zufolge seiner Lage, und ganz anders zufolge seiner wirk- 
lichen Function. Bei den Naturerzeugnissen ist seiner Bedeu- 
tung nach dasjenige das Obere oder der Kopf, welches die 
Nahrung einnimmt,**) und das das Untere, welches dieselbe 
absondert. Daher ist die Wurzel eigentlich der Kopf der Pflan- 
zen, ihr oberer Theil, der Stengel, aber, als Vegetationsorgan 
der untere; denn die Pflanze ist in dieser Beziehung ein umge- 
kehrtes Thier. Dies steht in unzertrennlichem Zusammenhange 
mit ihrer Bestimmung, Nahrung aus der Erde zu entnehmen, 
wesswegen die Nahrungsorgane dieser zugekehrt seyn müssen. 
Das Vermittelnde zwischen dem obern und untern Theile, wel- 
ches dem Herzen bei den Thieren entspricht, sind die Knospen 
der Pflanzen, welche die Embryone zu neuen Pflanzenseelen in 
sich schliessen. (Anim. Ine., c. 4. Wit. long. et br., e. 6. 
Tu. et Senect., ce. 1. Anim., II, e.4. Phys., II, e.'8.) 


IL. Äussere Organe der Pflanzen und deren 
Bedeutung. 
13. Die Wurzeln saugen die Nahrung aus der Erde auf 
und entsprechen solchergestalt dem Kopfe und dem Munde der 
Thiere. (S. oben.) Sie werden während des Keimens der 


*) Diese Erklärung ist zwar mehr speciös, als streng erweislich; aber 
als bemerkenswerth dürften wir daran zu erinnern haben, dass 
man bei den Pflanzen ein Rechts und Links nur bei denen unter- 
scheidet, welche einen sich schlängelnden (volubilis) Wuchs be- 
sitzen, da es denn bestimmt ist, dass dieser entweder nach rechts, 
oder nach links, gehe. 

*+) Schon früher von Empedokles angenommen, welcher die Blät- 
ter der Pflanzen mit den. Schuppen der Fische und den Haaren 
der (Säng-) Thiere u. s. w. verglich, - 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 31 


Pflanze zuerst ausgebildet, und danach der Stengel. (Gen. 
Anim., II, c. 6.) Der erste Entwurf der Wurzel kann mit den 
Nahelgefässen eines Embryos verglichen werden; denn ein Em- 
bryo, welcher auch, wie die Pflanze, festgewachsen ist, zieht 
Nahrung aus dem Mutterleibe, wie die Wurzel aus der Erde. 
Die Wurzelzäserchen entsprechen vollkommen dem Darmgekröse 
mit dessen Fäserchen bei den Thieren; denn die Erde ist für 
die Pflanze ganz dasselbe, was für das Thhier die in jenem ein 
geschlossenen Nahrungsstoffe sind. (Gen. Anim., II, ce. 4. 
Part. Anim., IV, ce. 4.) bei mehrjährigen oder baumartigen 
Pflanzen sterben gewisse-Theile ab, und neue erzeugen sich an 
ihrer Stelle. (Wit. long. et brev., c, 6.) 

14. Die Stengel sind eigentlich der untere Theil der 
Pflanzen, indem sie Absonderungsorgane für die Blume und den 
Samen sind. Sie sind langgestreckt und rund, weil die Bewe- 
sung der Pflanzen einfach (der Wachsthum geschieht nur nach 
einer Richtung), nicht dreifach, wie bei den Thieren, ist. (A. 
a. O. und Part. Anim., IV, ce. 10.) 

15. Die Blätter. sowohl die des Stengels, als die Blu- 
menblätter, sind eine Vorbereitung (Hülle) und Bekleidung der 
Frucht; sie stellen sich im Kranze um die Frucht (umgeben sie). 
Sie sind von Adern durchzogen. welche die Nahrung herum- 
führen, wie die Adern der Thiere. Von verweseten (vertrock- 
neten) Blättern bleiben nur die Adern zurück. (Anim., II, c.1. 
Part. Anim., III, ce. 5.) 

16. Die Blumen entwickeln sich vor der Frucht, so dass ' 
man sie mit der Pubertät bei den Thieren vergleichen kann. 
(Hist. Anim., VII, ce. 1.) 

17. Die Ausbildung der Frucht*) und des Samens ist 
die hauptsächliche und fast einzige Function des Pflanzenlebens. 
Frucht und Samen sind identisch; aber Frucht heisst das, was 
der Beschluss von etwas Vorhergehendem ist; Same das, was 
der Anfang ist von etwas Neuem. (Gen. Anim., I, ec. 4, 17.) 

18. Fruchthülle (Meegwxdgruov) ist derjenige Theil, wel- 
cher den Samen umgiebt und bedeckt. (Anim., II, c. 1.) Bisweilen 
l:önnen ihrer zwei (oder mehre) verwachsen. (Gen. Anim., IV, c. 
4) Fehlt diese Umkleidung, so sind die Samen entweder dem 
Kelche, oder kleinen Zweigen angeheftet. (A. a. O.; III, c. 2.) 


un 


*) Ist, wie aus dem Folgenden erhellt, nicht identisch mit dem, was 
wir jetzt Frucht nennen. — Es rührt wohl vom Fehlen des Sa- 
meneiweisses und der fleischigen Herzblätter her, wenn es von den 
Samen der Leguminosen heisst: dia To yns eivar To mAtiorov 18008. 
Part; Any IE; 'T. 


32 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


19. Die Samen sind als Exeremente der Pflanzen zu be- 
trachten; denn da die Wurzel zu ihrer Nahrung keiner anderen 
Stoffe bedarf, als der schon zum voraus in der Erde bereit 
liegenden, so geht keine solche innere Kochung vor, wie bei 
den Thieren. Desswegen fehlt bei den Gewächsen jene grobe 
Secretion von verzehrten Nahrungsstoffen, wie sie bei den Thie- 
ren abgesondert wird. An ihrer Stelle bilden sich bei den Ge- 
wächsen als äusserstes Resultat des Ernährungsprocesses die 
Blume und die Frucht aus. Desswegen lösen und sondern sich 
diese von der Mutterpflanze ab, weil sie zum Bestehen der 
Pflanze nicht nothwendig sind. Die Nahrung wird bei den Thie- 
ren von oben nach unten geführt, bei den Pflanzen umgekehrt, 
weil die Lage der Theile umgekehrt ist. (Part. Anim., II, 
c. 3, 10.) | 

20. Die Samen schliessen das Lebensprincip in sich ein, sind 
folglich das Organ der Fortpflanzung und der Anfang neuer In- 
dividuen. (Phys., I, ce. 7.) Der Same selbst ist aus zwei über 
einander liegenden Schalen (den Herzblättern) gebildet, und im 
deren Vereinigungspunct ist der Sitz des Lebensprincipes des 
Individuums (denn alles Organische muss einen obern Theil ha- 
ben, welcher die Nahrung aufnimmt, einen untern, welcher sie 
absondert, und einen mittlern, von welchem das Lebensprineip 
ausgeht), und von diesem spriesst der erste Entwurf der Wur- 
zel nach unten und der Blattkeim (Biaoröos) nach oben aus. Das 
Uehrige im Samen besteht aus dem Samenweiss, welches der 
zarten Pflanze die erste Nahrung giebt, bis sie sie selbst assi- 
miliren kann. (Gen. Anim., II, c. 2,4, I, c. 23.) 


HEE. Der Vegetationsprocess der Pflanzen. 


31. Untersucht man, wie sich das Thier oder die Pflanze 
aus ihrem Samen bilden, so muss man sich erinnern, dass sich 
nur Das zum Daseyn (in actu) ausbildet, was in der Anlage 
(in potestate) im Samen liegt — dass nach der Ausbildung des 
Samens die Lebenskraft jeden Theil desselben durchströmt, dass 
aber nachher die Eigenschaften der Theile, als Weichheit, Fe- 
stigkeit, äussere Bekleidung, durch äussere Momente, als Kälte, 
Wärme, bestimmt werden; aber, der Grund selbst für das Vor- 
handenseyn eines jeden Theils ist in dem Impulse zu suchen, 
welcher in der Generation gegeben worden ist Da sich dem- 
nach Nichts selbst erzeugt, aber ein erzeugtes Etwas sich selbst 
ausbildet, so muss Alles zuerst in seinem Prineip eingeschlos- 
sen seyn. Dieses ist das Herz bei den Thieren, und bei den 
Pflanzen sind es die Knospen oder der Wurzelhals, der Verei 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 33 


nigungspunct zwischen Wurzel und Stengel. (Gen. Anim., II, 
c. 1, sehr ausführlich.) 

22. Der Ernährungsprocess , welcher eine nothwendige Be- 
dingung für alles Lebende ist, gehört sowohl der Quantität, als 
der Qualität der Naturerzeugnisse an. Er bewirkt, dass das, 
was lebt, sowohl bleibt, als wächst; wesshalb das Individuelle 
so lange lebt, als es ernährt wird, und stirbt, wenn der Ernäh- 
rungsprocess aufhört. Um des Ernährungsprocesses willen haben 
die Pflanzen eigene Wärme. (Anim., IL, ce. 4.) 

23. Beim Ernährungsprocesse sind insonderheit drei Ge- 
sichtspunete zu unterscheiden, das, was ernährt, das, was er- 
nährt wird, und das, wodurch dasselbe ernährt wird. Das, was 
ernährt, ist die Lebenskraft, welche die vegetative Seele ge- 
nannt wird — das, was ernährt wird, sind deren Organe oder 
der Körper — und das, wodurch dieser ernährt wird, sind die 
 zugeführten Nahrungsstoffe. (Anim., II, e. 4.) 

24. Alles wird durch Stoffe ernährt, welche ihm homogen 
sind; aber alle irdische Körper bestehen aus einfacheren Ele- 
menten. In die Zusammensetzung aller irdischen Körper tritt 
Erde ein, zugleich aber auch Wasser, damit die erdigen Parti- 
keln zusammengehalten und geordnet werden. Für die Pflanzen, 
welche die Nahrungsstoffe nur in deren einfachster Gestalt zu 
absorbiren scheinen, liefern Erde und Wasser diese; aber die 
Nahrungsstoffe, welche aufgesogen werden, müssen gekocht und 
danach assimilirt werden, um mit dem Körper in Verbindung 
treten zu können. (Anim., Il, e. 4. Gen. et int, I, c.8) 

25. Die Assimilation wird durch die Wärme vermittelt, 
welche das trockene und das feuchte Element besiegt und das 
Verschiedenartige absondert und das Gleichartige wieder verei- 
nigt und somit die erste Veränderung für die Möglichkeit der 
Assimilation bewirkt. Die Wärme ist es, welche während des 
Ernährungsprocesses die schwereren Theile absondert, wodurch 
ihre salzigen und bitteren Bestandtheile entstehen, die leichteren 
aber absorbirt; denn alles eigentlich Nährende ist süss. ( Sen. 
et Sen., c. 4. Meteor., IV, init., Part. An., II, c. 3.) 

26. Diese Einwirkung der Wärme auf den Ernährungspro- 
cess heisst die Kochung der Nahrungsstoffe, welche man deut- 
lich bei den Früchten der &ewächse oder richtiger in ihren Sa- 
menhüllen (Zeoıx«erıe) wahrnimmt, in denen die am meisten be- 
merkbaren Veränderungen im Geschmacke, nach ihren verschie- 
denen Graden der Reife, geschehen. Wenn. die Kochung des 
Nahrungssaftes abgeschlossen ist, so ist auch die Frucht 
reif, und es wird auch der Same, als äusserstes Resultat 

3 


34 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


des ganzen Ernährungsprocesses abgesondert. (Meteor, IV, 
c. 2, 3.) 

27. Crudität ("AQuozns) , der Gegensatz der Kochung, ist ein 
unvollkommener Zustand, entstanden durch unzulängliche Ko- 
chung, entweder wegen mangelnder Wärme, oder wegen allzu- 
grosser Menge von Feuchtigkeit, wie man aus unreifen Früch- 
ten, besonders in feuchten Jahren, sieht. (Meteor., IV, ce. 2, 3.) 
Wie alle lebenden Körper haben auch die Pflanzen eine innere 
gebundene (?) (oissios, pvorzos, natürliche*)) Wärme, deren Er- 
haltung die Luft vermittelt. (Juv. et Sen., 6.) Wird diese 
Wärme von einer fremden besiegt, so geht die Pflanze in Ver- 
wesung über. (Meteor., IV, e. 1.) 

38. Vergleicht man den Ernährungsprocess der Pflanzen 
mit dem der Thiere, so findet man, dass die Nahrungssäfte, 
welche die Pflanzen dnrch die Wurzeln aus der Erde aufsaugen, 
auf gewisse Weise schon vorbereitet und digerirt sind. Die 
Erde ist nämlich für die Pflanzen, was für die Leibesfrucht die 
Gebärmutter; wie in dieser die Nahrungssäfte vorbereitet wer- 
den, durch welche die Frucht ernährt wird, so werden auch in 
der Erde durch das Auflösen (Kochen) der Erdpartikeln von der 
Wärme die für die Pflanzen passenden Nahrungsstoffe bereitet. 
Die Wurzelzasern sind für die Pflanze das, was die Nabelge- 
fässe für den Fetus und die Gefässe des Darmgekröses für das 
Thier sind. (Part. Anim., I, c. 3, 4. Gen. Anim., 1, c. 4,7.) 

29. Aber aus allen primitiven Nahrungssäften entsteht durch 
fernere innere Kochung ein höher veredelter oder ein letzter, 
welcher bei den Thieren das Blut ist; bei den Pflanzen ist die- 
sem der Nahrungssaft analog, welcher, vom Stengel und von 
den Blättern vorbereitet, in die Blume und Frucht niedergelegt 
wird; er ist aber zugleich in allen Theilen der Pflanze verbrei- 
tet, welche von ihm ernährt werden und durch ihn wachsen 
(Part. Anim., II, 10. Hist. Anim., IV, 6.); am reinsten aber ist 
er in der Frucht. (Gen. Anim., IL, c. 20.) 

30. Unter der Kochung der Nahrungsstoffe entsteht aus 
den dienlichen Theilen der edlere Nahrungssaft; die undienlichen 
dagegen werden als Excremente abgesondert. Die Pflanzen 
haben eigentlich keine solche, da ihre Nahrungssäfte in der 


*) Dass die Pflanzen keine eigene "Temperatur besitzen (aber sie 
wohl während gewisser Vorgänge, wie z. B. die Blüthenscheide 
bei einigen Aroideen während der Befruchtung entwickeln, ), ist 
jetzt ausgemacht; wenn aber Aristoteles sagt, sie werde von 
der Luft erhalten, so ist es mir nicht klar, wie man seine Mei- 
nung deuten soll; Einige übersetzen ‚, Calor innatus.“® 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 35 


Erde vorbereitet sind; was von dem veredelten übrig bleibt, 
geht in die Frucht und den Samen über, welche als eine Art 
Excremente anzusehen sind. (Part. Anim., II, c. 10.) Daher 
giebt es einen bestimmten Antagonismus zwischen dem Wachs: 
thume des Krautes und der Samenbildung; je stärker eine Pflanze 
heranwächst , desto wenigere Samen giebt sie, und umgekehri, 
je weniger sie wächst, desto zahlreicher werden die Samen. 
Dies ist die Ursache, aus welcher so viele mehrjährige Pflanzen 
nach ungewöhnlicher Fruchtbarkeit absterben, andere einjäh- 
rig werden, und solche die meisten Samen (verhältnissmässig 
zu den verwandten mehrjährigen) geben. (Gen. An., III, 
..1, 4.) 

31. Das letzte aus der Nahrung hervorgehende Resultat 
ist folglich seiner Qualität nach allezeit unbedeutend gegen die 
primitive, welche verzehrt ward. Dies ist nothwendig; denn 
wenn sich nicht bloss ein sehr geringer Theil dem Körper assi- 
milirte, so würden T'hiere und Pflanzen bis in’s Unendliche fort- 
wachsen. (Gen. Anim., IV, 1, auch /, 18.) 

32. Wie die Fetus der Thiere im Mutterleibe sich wohl 
befinden, wenn ihnen gute und reichliche Nahrung zugeführt 
wird, aber übel, wenn diese gering und undienlich ist, eben so 
ist das Verhalten bei den Pflanzen in Beziehung auf die Erde. 
So wohl das Gedeihen der Pflanze selbst, als ihr Fruchtansetzen 
hängt von ihrem Standort (Solum, Statio) und dem Klima 
(Regio) ab. Daher verändert sich das Aussehen nach dem 
Standorte, auch bei denjenigen Pflanzen, welche aus Samen von 
weit entlegenen Ländern gezogen worden sind. ( Hist. Anim., 
V, c. 2. Gen. Anim., Il, e. 4.) 

33. Das Bestreben des Ackerbauens geht darauf hinaus, 
die Erde dadurch fruchtbarer zu machen, dass eine grössere 
Menge von vorbereiteten. gekochten Nahrungsstoffen (verbrann- 
tem, verfaultem Dünger), die den Pflanzen dienlich sind, in die 
Erde gebracht wird. Die Pflanzen, welche sich in so zuberei- 
teter Erde ziehen lassen und zufolge ihrer Natur diese kräftig- 
ste Nahrung aufsaugen, nennt man zahme; aber es gieht an- 
dere Pflanzen, denen die Natur die Eigenschaft mitgetheilt hat, 
sich nur von den Stoffen zu ernähren, welche die erst erwähn- 
ten verwerfen, und die daher nicht eultivirt werden können und 
wilde genannt werden. (Problem., XX, 12.) 

34. Der andere Nahrungsbestandtheil der Pflanzen, das 
Wasser, hat einen bemerklichen Einfluss auf sie, so dass die 
verschiedene Temperatur desselben mehre ihrer Qualitäten be- 
stimmt; Regenwasser wirkt vortheilhafter auf den Wachsthum, 


3% 


\ 


36 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


als Bewässerung. Auch der Geschmack hängt vom Wasser ab; 
so viele Abänderungen des Geschmacks sich in der Erde finden, 
finden sich auch bei den Pflanzen, und die zahlreichsten Abän- 
derungen im Geschmacke findet man in den Früchten der Pflan- 
zen. Der Geschmack ist eine Qualität des feuchten Elementes, 
dadurch hervorgebracht, dass die Natur durch die vertheilende 
Kraft der Wärme mittels des Wassers die erdigen Theilchen 
so auflöst, dass sie durch den Geschmack wahrgenommen wer- 
den. Es ist daher nicht zu verwundern, dass abgepflückte Früchte 
in der Sonne oder am Feuer ihren Geschmack verändern; denn 
die Wärme verändert die Qualität des in der Frucht eingeschlos- 
senen Saftes. (Zst. Anim., VII, ce. 19. Sens. et Sens. ce. 4.) 
35. Der Ernährungsprocess bestimmt auch die Farbe der 
Pflanzen. Bei Allem, was sich unmittelbar aus der Erde ent- 
wickelt, ist die grüne Farbe die ursprüngliche. Durch den Ko- 
chungsprocess der Nahrung werden die übrigen hervorgebracht; 
auch die grünen Theile bekommen, älter werdend, eine dunklere 
Farbe. Die letzte Ursache der Farbe ist jedoch die Sonne, 
deren Licht und Wärme auf die Säfte der Pflanzen einwirkt; 
daher sehen wir auch dieselben Veränderungen an abgepflück- 
ten Früchten. Durch Mischung der Grundfarben entsteht die 
unendliche Farbenschattirung, welche wir in den Blumen der 
Gewächse gewahr werden. (Color., 5, auch Gen. Anim., V, e.6.) 
36. Die Pflanzen sind denselben periodischen Veränderun- 
gen, wie die Thiere, unterworfen, der Jugend, dem Mannesalter 
und dem hohen Alter (Meteor., I, c. 14.); wie aber die Pflan- 
zen mehr von der atmosphärischen Luft abhangen, so durch- 
laufen sie ihre Alterszeiten nach den Jahreszeiten Gegen das 
hohe Alter wird Alles trockner und kälter; Alles aber, was lebt, 
ist feucht und warm. Desshalb eilt das Alter dem Tode durch 
das Verschwinden der Feuchtigkeit und der Wärme zu. So se- 
hen wir immer, dass grössere und sehr saftige Gewächse (suec- 
culentae) zäheres und längeres Lebens sind, als solche, deren 
Säfte schnell wegtrocknen. (Wit. long. et br., c. 4,5, 6.) Der 
natürliche Tod der Gewächse ist ein Vertrocknen. (Idespir., ce. FP3 
37. Aber das Leben schwindet nicht allein durch das Ver- 
schwinden der Feuchtigkeit, sondern auch durch das Abnehmen 
der innern Wärme, welches am häufigsten durch die Kälte der 
umgebenden Atmosphäre verursacht wird. Im Sommer tödtet 
die Wärme die Pflanzen durch die Zerstörung des feuchten Ele- 
mentes, im Winter der Frost durch die Zerstörung des warmen. 
(luv. et Sen.,_c. 4.) 
38. Der Ursachen der verschiedenen Dauer der Pflanzen 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 37 


gieht es mehre. Einige dauern nur ein Jahr lang, einige mehre, 
einige ‚eine lange Reihe von Jahren hindurch aus. Einjährige 
Pflanzen sind mehrentheils kleiner und werden schnell saftlos; 
sie ‚bringen daneben eine grosse Menge von Samen hervor; da 
aller Nahrungssaft in ihnen absorbirt wird, so bleibt keiner zum 
Unterhalte des Individuums übrig. Auch die Bäume sterben ab, 
wenn. sie in einem Jahr eine ungewöhnlich grosse Menge von 
Früchten hervorgebracht haben; denn die Nahrungssäfte, welche 
zum 'Fruchtansatz abgehen, werden dem Gewächse für seine Er- 
haltung entzogen. Die Gewächse, welche am längsten leben, sind 
die Palmen. (Vit. long. et brev., ec. 1,4. Gen. Anim,, III, c.1,4.) 

39. In gewisser Hinsicht können auch die Bäume (und die 
vieljährigen Pflanzen) einjährige genannt werden, da sie nur 
durch das Ansetzen neuer T'heile mehrjährig werden. Die Le- 
bensstadien der Gewächse werden desswegen nach den Jahres- 
zeiten berechnet, da die Jahre wenig bemerkbare Veränderun- 
gen herbeiführen. (Gen. Anim., V, 3.) 5 

40. Die am meisten in die Augen fallenden Veränderungen 
der Gewächse sind das Ausspriessen und das Abfallen des Lau- 
bes, welche ganz und gar nach den Jahreszeiten bestimmt wer- 
den. ‘Wie die Menschen gegen das Alter kahl werden, verlieren 
die Bäume gegen den Winter ihr Laub. Da das Abfallen des 
Laubes durch. verminderte Feuchtigkeit und Wärme bewirkt wird, 
so bleibt es bei den Gewächsen mit vielen saftigen Blättern 
aus; denn diese grünen beständig. (Eben da.) 


IV. Die Fortpflanzung der Gewächse. 


41. Da alle Wesen zur Theilnahme an der Natur der Gott- 
heit hinstreben, deren Bedingung Unvergänglichkeit ist, Alles 
aber, was materiell ist, vergänglich seyn muss, so kann Jenes 
nur durch neue Erzeugung geschehen, so dass das eine Indivi- 
duum. das andere ahlöst. Desswegen ist es ein den Thieren 
und Pflanzen gemeinschaftlicher Naturtrieb, ihres Gleichen her- 
vorzubringen ; der letzte Zweck der Pflanzen ist das Samenan- 
‚setzen. : Das Prineip der. Generation ist die zengende- Seele, 
welche, wie wir bereits bemerkt haben, mit der ernährenden 
identisch ist; $ 5. (Anim., DI, c. 4, VII, e. 1. Polit., J, 
Bra T | ' 

42.. Alle Generation geschieht durch Samen; der Same 
wird von dem letzten und edelsten Nahrungssafte bei dem Na- 
turerzeugnisse bereitet, von welchem er abgesondert wird. 
(Gen. Anim., 1, 18.) Es ist ein und dieselbe Kraft, welche 
durch die Nahrungsstoffe den Wachsthum und die Erhaltung 


38 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


des Körpers bewirkt, und aus ihnen den Samen bildet, welcher, 
da er in der Anlage Leben und Seele hat, das Mittel zur Fort- 
pflanzung und der Anfang neuer Individuen ist. (Anim., II, 1.) 

43. Aus jedem Samenkorn entsteht allemal ein Individuum 
derselben Art; denn Nichts entsteht durch zufällig vereinte und 
gemischte Theilchen, sondern Alles nach dem Gesetze, welches 
in das Wesen (’Ovoi«) eines jeden Naturerzeugnisses niederge- 
legt ist. ( Phys., II, ec. 4. Gener. et Inter., Il, 6.) 

44. Ausserdem vermehren sich die Pflanzen auch durch 
Wurzelschösslinge ; denn solche geben alle ab, welche Knospen 
haben — und durch Seitenzwiebeln, welche als unausgebildete 
zusammengezogene Wurzelschösslinge zu betrachten sind. (Ge- 
ner. Anim. III, c. 2.) 

45. Alle Thiere und alle Pflanzen haben ein männliches 
und ein weibliches Princip, deren Vereinigung eine nothwendige 
Bedingung zu jeder Zeugung ist. Das weibliche Princip erzeugt 
die Materie des Emhryos, das männliche dessen Form und Ge- 
stalt. Das erstere ist die Bedingung (Receptaculum) für die 
Generation; von dem letztern geht die erste Bewegung und Thä- 
tigkeit des Lebens aus. (Gen. Anim., I, %, 21.) Hieraus er- 
hellt, dass keines von beiden für sich allein generiren könne, 
sondern nur beide vereinigt. Aber bei den meisten Thieren sind 
diese Principe getrennt, so dass das eine Individuum männlich, 
das andere weiblich ist, obzwar diese beiden nur eine Art aus- 
machen. So ist es angeordnet, weil die Natur der Thiere ed- 
ler ist, als die der Pflanzen, und jene von diesen sich durch 
das Empfindungsvermögen unterscheiden ; da dieses bei der Em- 
pfängniss vom Vater erzeugt wird, welcher das active Princip 
ist, so hat die Natur ihn von der Mutter, welche das passive 
ist, getrennt. (Gener. Anim., I, c. 23, UI, 15.) Aber nicht so 
bei den Pflanzen, bei denen die Generation nur ein passiver Vor- 
gang ist; gerade desswegen mussten die Geschlechter bei die- 
sen (typisch) mit einander vereinigt seyn, und darum kann man 
von den Pflanzen wohl sagen, dass sie empfangen und gebären, 
aber nicht, dass sie sich paaren. (Anim., IV, ce. 2. u.a. m. St,) 

46. Die Samen der Gewächse werden weder von dem männ- 
lichen, noch von dem weiblichen allein erzeugt, sondern durch 
die Vereinigung beider, wie die Leibesfrucht bei den Thieren, 
(Gen. Anim., I, 18. II, 4.)*) Ohne vorhergehende Paarung ge- 


*) So scharfsinnig Aristoteles auch in die Generalion der Pflan- 
zen, in die Geschlechtstrennung der diklinischen Gewächse u. s. 
w. schaute, welche bis zu Linne’s Zeit nicht allgemein ange- 


Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 39 


legte Vögeleier gleichen darin den Samen der Gewächse, dass 
sie in der Anlage (in potestate) bloss ein vegetatives Lebens- 
princip von der Mutter, aber kein sensitives haben. (Gen 
Anim., III, e. 7.) Die Samenabsonderung der Pflanzen kann 
man nicht mit der Paarung der Thiere identisch nennen; aber 
sie wird durch eine Erweckung (stünulus) vorbereitet, nach wel- 
cher sie zu bestimmten Jahreszeiten Samen ansetzen. Schon 
danach ist es wahrscheinlich, dass nicht alle Theile der Pflanze 
zur Samenbildung. beitragen; ein abgeschnittener Zweig kann 
auch Samen ansetzen; Pflanzentheile können vorher abgefallen 
seyn und neue danach entstehen. Eben so wenig finden sich 
alle Pflanzentheile auf einmal bei einer Pflanze zur Stelle; eimige 
werden abgesondert, andere entstehen nach und nach. (Gen. 
Anim., I, e. 18.) 

47. Obgleich es (in Folie der freiwilligen Bewegung) das 
Normale im Thierreich ist, dass die Geschlechter getrennt seyn 
sollen, so sind diese bei den, wie die Pflanzen, festgewachsenen 
Thieren (wie die Zoophyten) und den eingesperrten (wie die 
Mollusken, "Ooreaxoö£geua), welche keine ganz freiwillige Bewe- 
gung haben, vereinigt. Ein entgegengesetztes Verhältniss findet 
auch bei einigen Pflanzen Statt, bei welchen die Individuen be- 
stimmt verschieden, und von denen einige fruchttragend, andere 
steril sind. Die letzteren, welche dem männlichen Geschlechte 
bei den Thieren entsprechen, tragen wesentlich zur Befruchtung 
bei. (Gen. Anim., I, c. 1, II, e. 5. Hist. Anim,, IV, ce. 11.) 

48. So verhält es sich beim Feigenbaume (Ficus), welcher 
das fruchttragende oder weibliche Geschlecht des wilden Feigen- 
baumes (Caprificus) ist, der bloss sein unfruchtbares Geschlecht 
oder seine männliche Pflanze ist; zusammen aber machen sie 
nur eine Art aus, bei welcher die Natur die Anordnung getrof- 
fen hat, dass die Befruchtung durch ein Insect vermittelt werde 
(Hist. Anim., V, c. 32.) 

49. Da die Samen der Pflanzen die Secretionen (Excre- 
mente) der Pflanzen sind; so werden dadurch mannichfäaltige 
Verschiedenheiten erklärt. Einige geben eine grosse Menge 
Samen ab, wodurch alle Nahrungssäfte zur Samenbildung absor- 
birt werden, und solche Pflanzen werden dadurch einjährige. 


—— 


nommen war, ergiebt es sich doch deutlich, dass er ihre Sexual- 
organe nicht kannte. Im Gegentheile nimmt er esnach Empedo- 
kles als ein Axiom an, dass die Geschlechter bei den Pflanzen 
nicht getrennt seien. Noch dentlicher ersieht man dies aus dem 
Theophrastus, welcher z. B. das Kätzchen bei der Hasel- 
staude für eine Art Galläpfel erklärt. 


f 
Y? 
[7 


40 Grundzüge von Aristoteles’s Pflanzenlehre. 


Andere assimiliren selbst zum Bestehen des Individuums einen 
grossen Theil des Nahrungssaftes; solche geben eine geringe 
Quantität Samen und werden vieljährige. (Gen. Anim., UI, e.1.) 
Es ereignet sich auch, dass Pflanzen keine Samen absetzen; 
da muss denn durch die Stockung dieses Nahrungssaftes sein 
Ueberfluss an die übrigen Theile der Pflanze vertheilt werden, 
welche wir dann ungewöhnlich luxuriirend finden (als doppelte 
Blumen). (Gen. Anim., I, ce. 18.) 

50. Alles, was durch die Natur geschieht, wird auf eine 
bestimmte Weise, oder, ausser dieser, durch Selbsterzeugung, 
gebildet. Nicht alle Pflanzen entstehen durch Samen, sondern 
es giebt gewisse, welche durch die Selbstthätigkeit der Natur 
entstehen, und daher kommt es, dass einige nie anders vorkom- 
men, als auf anderen Pflanzen, nämlich auf deren schwindenden 
und verfaulten Theilen. Alle Selbsterzeugung bei den Pflanzen 
sowohl, als auch bei den Thieren, wird durch Gährung von 
Erd- und Pflanzentheilchen hervorgebracht, und die Erklärung 
davon ist einfach. Wie die Generation durch die Kochung der 
Nahrungsstoflfe, welche bei den Pflanzen Erde und Wasser sind, 
mittels der innern Wärme vorbereitet wird, so entsteht Selbst- 
erzeugung in der feuchten Erde durch die Kochung derselben 
Stoffe mittels der atmosphärischen Wärme, wodurch dasselbe 
Resultat, nämlich neuer Same, entsteht*). Dieser Ursprung 


kommt den parasitischen Gewächsen zu. (Gen. Anim., L e.1, 
IIl, ‘ec. 2.) | 


*) Diese dunkle Lehre. welche dem ( 43 widerstreitet, scheint äurch 
eine Verwechselung mit der Generatio secundaria entstanden zu 
seyu: PMeyen, welcher in neueren Zeiten denselben Satz mit 
vieler Wärme verfocht, rechnete dies doch am Ende selhst zu 
„seinen Jugendsünden, “ 


JuE. 


Ueber die Namen der Pflanzen *). 


Von 
‚Dr. Elias Fries. 


- Vebersetzt von Dr. €. T. Beilschmied. 


Nicht ohne Furcht, als literarischer Abentheurer angesehen zu 
werden, begeben wir uns jetzt, nachdem wir auf dem histori- 


‚schen Gebiete herumgeschweift**), auf ein neues, uns eben so 


fremdes, nämlich das linguistische, — zumal da wir uns zur 
Unterstützung unsrer Ansichten, besonders was die Geschichte 
der Pflanzennamen betrifft, auf keine Autorität, sondern nur auf 


die Resultate berufen können, zu denen wir durch das Studium 


der älteren Quellen, unter Vergleichung mit der Natur, gekom- 
men sind. Wir kennen die neuere philologische Literatur nicht 
hinlänglich,, dass wir unsere Ansichten für neu ausgeben könn- 
ten; indess für uns sind sie wenigstens unsre eigenen; daher 
wir denn geglaubt, sie in dieser Form darlegen zu müssen, und 
zwar — wenn es bekannte Dinge sein sollten — als unverwerl- 
liches Mit-Zeugniss für die Richtigkeit der Sache, — wenn 


— m 


#) .Ofver Vexternes Namn:.... Upsala [ı1842, 64 S. gr. 8.] — 
Diese Schrift erschien, wie die vorstehende Abhandlung, in der 
Form von Dissertationen zur Erlangung der Magisterwürde, welche 
in Schweden von .den betreffenden Decanen geschrieben. werden, 
wurde später aber auch von Fries in die von ihm herausgegebenen 
Botaniska Utflygter, Bd. I, aufgenommen, in welchen sie 
sich p. 113—178 abgedruckt findet. 

Ä Anm. d. Red, 


++) [Namentlich in: Ueber die N- 'yınphaeaceen bei den Griechen, — Ueber 
die Kunde der Pflanzen bei Aristoteles etc. — A. d, Uebers.] 


& 


42 Ueber die Namen der Pflanzen. 


neu — um Berichtigung zu erfahren. Ein Gegenstand kann an 
sich für einen eignen und besondern gelten, aber ausser dem, 
dass die Bedeutung des Namens gewöhnlich etwas enthält, das 
wohl des Kennens werth ist, kommt er zugleich dem Gedächt- 
nisse zu Hülfe, wenn er einen wichtigen Character ‚bezeichnet 
oder sich auf ein historisches Factum bezieht. Dieses gilt. vor- 
züglich von den ältesten Namen, weil der Alten Auflassun 

Natur und ihrer Geschöpfe zu einer Zeit, wo es keine Bücher 
und Beschreibungen gab, in welchen man seine Weisheit nieder- 
legen konnte, in den Namen der Gegenstände ausgeprägt wer- 
den musste. Sie sind der Kern (in nace) der Naturkenntniss 


der Zeiten, wenn gleich die durch Alter erhärtete Schale zu 


brechen jetzt schwer, oft unmöglich ist. Wir werden deshalb 
mit Betrachtung der Art und Weise, wie die Etymologie 
der Pflanzennamen jetzt gewöhnlich betrieben wird, begin- 
nen*). Bei dem Prüfen derselben haben wir uns überzeugt, 
dass von solchen isolirten Versuchen wenig Gewinn zu erhof- 
fen ist, wenn nicht eine klarere Einsicht in die Geschichte 
der Pflanzennamen **) vorausgeht, wozu wir nachher Einiges als 


Entwurf mitzutheilen versuchen wollen, obschon, da wir unsers : 


Wissens darin gar keinen Vorgänger haben, vom ersten Ver- 
suche nicht viel erwartet werden kann. Ist es uns vergönnt, 
der Forschung hierin weiter nachzugehen, so hoffen wir wohl 
später Vollständigeres und Reiferes zu bieten. Zuletzt gehen 
wir an eine kritische Untersuchung über unsre neuern 
Pflanzennamen. Wohl kann man von denselben für jetzt 
sagen, wie die Hindus von allem was im vierten Jug geschieht, 
dass sie keine Geschichte verdienen; da aber die Feststellung 
derselben uns eben das Wichtigste ist, so dürfte eine Prüfung 
der streitenden Principien, die sich geltend zu machen jetzt mit 
einander wetteifern, nöthig sein, nachdem die frühere Linneische 
Einförmigkeit, weniger durch Aufgebung ihrer Grundsätze als 
durch entstandene neue Fragepunkte, aufgelöset worden ist. 
Inwiefern dem Benennen der Naturwesen in der Sprache 
im Allgemeinen ein inneres gemeinsames Princip zu Grunde 
liegt, welches sich nach gegebenem Gesetze mit dem verschied- 


*) Hierüber sprachen wir schon in Botaniska Notiser, 1841, Nr. 6; 
von dem dort Gesagten muss des Zusammenhanges wegen die Haupt- 
sache hier in gedrängter Darstellung folgen, mit einigen Zusätzen. 


*+) Wäre nicht die Sache zu unbedeutend, so würden wir sagen Phi- 


E 


; 


losophie der Pflanzennamen, weil ihr Studium die Auf- 


findung der allgemeinen Principien, die ihnen zum Grunde liegen, 
erstreben muss. re 


Ueber die Naren der Pflanzen. 43 


nen Bildungsgrade der Völker ändert, das bleibt einer Folge- 
zeit auszumachen überlassen. Hier schränken wir uns, damit 
dieser Aufsatz nicht ins Weite gerathe, auf die eigentlich wis- 
senschaftlichen Namen, als die einzigen, die für den Botaniker 
historisches Interesse haben, ein. In der ganzen ältesten Zeit 
fallen dieselben jedoch mit den Volksnamen zusammen, denn da 
kam es wohl nie einem Schriftsteller ein, selbst einen neuen 
Namen zu bilden: eine Sache, womit sich jetzt jeder Dilettant 
gern beschäftigt. Vielmehr glaubten die Alten, ein zu weit ge- 
triebenes Studium von Namen lenke vom Auflassen des Wesent- 
lichen in einer Sache ab*). Aristoteles, Theophrastus u. A. 
bildeten keine. Daraus erklärt es sich, warum für Ursprung 
und Bildung der ältesten wissenschaftlichen Namen dieselben 
Gesetze gelten, wie für die der Völkersprachen. Alles Bemü- 
hen, in die Volkssprache unsre neuen wissenschaftlichen Namen 
einzuführen, ist bisher vergeblich gewesen; nur frische Natur- 
poesie und Religion leben auf des Volkes Lippen ewig fort. 
Beiläufig nur erlauben wir uns Vergleichung mit Benennungen 
in neueren Sprachen, obgleich die schwedischen z.B. uns Schwe- 
den interessiren könnten **). 


HEISSE 


*) ,„‚Tum primum homines ipsas res neglexerint, quum nimio stu- 
dio nomina quaerere inciperent.““ Galenus. 


#*) Die Schwierigkeit, sich hierin einzulassen, liegt in der unsichern 
und unzureichenden Kenntniss, die man noch darin hat; wir wissen 
aus eigner Erfahrung , dass eine Menge im gothischen oder Göta- 
Reiche [sidl. Schweden] allgemein bekannter (uralter) Volksnamen 
sonst entweder nicht angeführt oder nur einem einzelnen Orte oder 
engen Bezirke zugeschrieben werden. Uns ist es indess gauz klar, 
dass in dieser Hinsicht zwischen der Sprache des Svea- [mittl. 
Schweden] und der des Göta-Reiches ein wesentlicher ursprüngli- 
cher Unterschied stattfindet, welcher zwar bei den grössern Baum- 
arten (doch ist z.B. der Svea-Bewohner Name für die Kiefer oder 
Föhre, Tall, in den innern Provinzen des Götareiches ganz unbe- 
kannt und sie heisst hier stets För, Fur) und allen Handelsartikeln 
sich ausgeglichen hat, wobei die Svea- Namen, als in die Schrift- 
sprache eingeführt und von den Gebildeten angenommen, an manchen 
Orten die der Gothländer immer mehr verdrängen. Die Svea -Na- 
men haben gewöhnlich eine selbstständige Ableitung, während die 
gothländischen darin fast immer mit den dänischen uud niedersäch- 
sischen zusammenfalleu. Als Beispiele führen wir die Namen un- 
srer gemeinen Beerenarten an: Erdbeeren: (mittel-) schwedisch 
Smultron, — gothl. Jordbär; Heidelbeere: schwed. Bläabär, gothl. 
Slinnen; Vaccinium uliginosum: schwed. Odon, gothl. Blabär 
(in mehrern Nüancen); Preisselbeere: schwed. Lingon, gothl. 
Kröson, [dän. Kröslinger]; Himbeere: schwed, Hallon, gothl, 
Bringbär; Rubus saxatilis: schwed. Jungfrubär, gothl. Stenbär\; 
Viburnum Opulus: schwed. Olvon, gothl. Ilnabär; Cornus sue- 
cica, im Göta-Reiche allgemein Hönsbär. Eben so die meisten 


44 Ueber die Namen ..der Pflanzen. 


Ferner schliessen wir alle philosophischen Untersuchungen 
über den Ursprung der Sprachen aus; ebenso alles rein Linguisti- 
sche z. B. über Abstammung eines Thheils der. Namen von. einer 
gemeinsamen Ursprache, obgleich die ausgezeichnetern Natur- 
wesen meist unter die ersten Gegenstände gehören, die eigne 
Benennungen besessen — und die Uebereinstimmung einiger, 
gerade der unerklärbarsten, in mehreren europäischen *), Spra- 
chen, ohne dass ihre Entlehnung bestimmt behauptet werden 
kann, leicht Veranlassung gäbe uns auch darüber zu verbreiten. 
Dem Botaniker liegt es aber nicht so nahe, die ursprünglichen 
Wurzeln oder deren primitive' Bedeutung zu kennen, ‚als viel- 
mehr nur die Bedeutung, die bei der Benamung gemeint, ge- 
wesen, die Metapher einzusehen, die bei dem Herüber- 
ziehen jener an einen bestimmten Gegenstand zum Grunde liegt. 
Wir halten das für einen Fehler im gewöhnlichen Etymologisi- 
ren, dass man diese nicht vorzugsweise gesucht hat. Denn nicht 
kann ein etymologisches Ergebniss Gewicht haben, wenn man 
die Ideenassociation übersieht, die zum Grunde liegen muss. 


#, Etymologie der Pfianzennamen. 


There is abundant room for the exercise of imagi- 
nation in the derivation of names. 


Hook ERe 
Das angeführte Motto trifft schlagend das im Etymologisiren 
über Pflanzennamen jetzt im Schwange gehende Prineip, deutet 
aber nach unsrer Meinung auch hinreichend den Irrweg an, 
worauf es sich befindet. Wir halten es nämlich für Hauptsache, 


Sträucher: Ahamnus cathartica: schwed. Getappel, gothl. ZYal- 
björk; Rh. Frangula: schwed. Brakved, gothl.. Torske, (die 
Rinde allg. gegen die Schwämmchen /[torsk ] gebr., als Speeificum); 
Salix pentandra: schw. Jälster, gothl. Fehare. Ete. Und'so ist es 
noch mehr mit den Kräutern, die zwar nach einzelnen Proyinzen 
abweichen, so dass es schwer ist, das :Ursprüugliche herauszuschei- 
den. Doch sind die Svea-Namen für Farnkräuter? Orıinbunke, 
[Filix überh,], Ormris [Pteris aguil ], Fräken [Equisetum fluvi- 
atile], u. a. in den innern "l'heilen des Göta-Reiches unbekannt, 
wo für Pteris aguil. immer Bräken, [engl. brakes, brakens], für 
Equis. fl. Ströple gebraucht wird. Für alle südlichern Pflanzen, 
die im mittlern Schweden :(im Svea-Reiche) eingeführt. worden, 
hat man ihre südlichern Benennungen angenommen. — Auch auf 
'Thiere erstreckt sich solche Namenverschiedenheit, z. B. Wolf: 
‚.  schwed. arg, gothländ. Ulv; u. s. w. 
*) „Wenn der Griechen -#4ı& für stammverwandt mit dem lateinischen 
R Salix ‚anzunehmen ist, so:kommt dieselbe Benennung in den mei- 
sten europäischen Sprachen wieder‘ (engl. sallow, schwed. Salle 
oder Sälg:); ebenso Alnus u. a. 


. 


Ueber die Namen der Pflanzen. 45 


dass die Etymologie klar und’ sicher sei, dass der Einbil- 
dungskraft dabei so enge Gränzen als möglich gesteckt werden, 
und dass an ihrer Statt die historische Forschung Raum ge- 
winne. Aus diesem Gesichtspunkte stellt sie auch Linne in 
seiner Philosophia botanica dar. Da aber Linne’s Zweck zu- 
gleich war, alle barbarische Namen, d. i. solche die ihre Wur- 
zel nicht im Griechischen oder Lateinischen hatten, auszumär- 
zen, so behielt er davon nur die bei, für welche sich in den 
elassischen Sprachen eine Wurzel (scheinbar) finden liess, wie 
fir der Chinesen T’he in Osc, der Araber Coffe in zwgdo, der 
Americaner Mamei in fructu mammoso, u. s. w. Linne war 
hierin strenger, als selbst Griechen und Römer, die sich oft 
barbarische Worte aneigneten, wenn es ihnen an eigenen fehlte, 
die sie jedoch nach dem Klange ihrer eignen Sprache milderten. 
Jenes hatte indess zur Folge, dass Linne’s Nachfolger für alle 
angenommenen Gattungsnamen (auch die alten classischen Na- 
men, für welche Linne nur die Autoren citirte) nach der Ety- 
mologie suchten, wobei man oft, so scheint es, alle historische, 
alle philologische Wahrheit als gleichgültig betrachtete, wenn 
man nur eine Ableitung bekam. So entstanden Ableitungen wie 
Viburnum „a non vincendo “ (viburnum der Alten war auf jeden 
Fall nicht identisch mit unsrem Viburnum, nicht einmal eine 
bestimmte Art), Viola von ‚‚ad vias“ oder von der ,‚vo olendi.“ 
Ohne Rücksicht auf den Ursprung des Namens, ohne Sinn für 
die Sprache der Natur, wurde bei der ersten besten Sprache 
zugegriffen, aus welcher die Bedeutung des Wortes oft auf die 
seltsamste Weise zurechtgeschraubt wurde. Wie solcher Ety- 
mologie aller Werth abgeht, zeigen schon die Abweichungen 
und Widersprüche: wenn man z. B. Avena verschiedentlich ab- 
leitete vom celtischen atan, essen, von advena, F remdling, 
von vacuus, leer; oder Milium vom celt. mill, Stein, von mille, 
tausend, und von usAvy”*); u. Ss. w. Glaubte man wirklich, dass 
an letzteren allen etwas wahr sei? Findet man wissenschaftli- 
chen Gewinn: im Vorbringen von dergleichen Unbeweislichem , 


a er Te ET TEE ET TEE TEE EEE EEE TEE ET TEE TEE TEE EEE EEE EEE Ta m a nn 


*). Da Plinius sagt: ,, Milium est frumentum ex India allatum“: 
so gäbe es wohl mehr Grund, die Wurzel des Wortes im Sanskrit 
oder der Sprache des Orients, als im Celtischen, zu suchen. 
Hafer kannte man weder in Italien noch in Griechenland als 
Getraide, da Plinius (XVIIJ.) desselben als eines den Germanen 
augehörenden erwähnt. Deshalb dürfte eine vierte Vermuthung, 
dass nämlich in avena eine südlichere Aussprache (b — v) des 
germanischen Namens Haber, Hafer, liege, nicht besser sein als 
die andere, | 


46 Ueber die Namen ..der Pflanzen. 


wo nicht Ungereimtem ? Vgl. Hallenberg’s Anmihchan till La- 
gerbrings Sv. Hist. 

Da wir im Verfolge an den Beweis hiervon ER so 
genügt hier eine Andeutung darüber, wie man dabei. verfahren 
sein mag. Am gewöhnlichsten hat man wohl in einem Lexicon 
irgend ein gleichlautendes Wort aufgesucht: dies musste das 
Stammwort sein. Leicht und einfach! aber die Richtigkeit? 
Dadurch wurde die Etymologie für viele griechische und latei- 
nische Namen gewonnen, wo Dioscorides und Plinius (die sie 
am besten kennen sollten ), sie für unbekannt erklären *); desgl. 
für Wörter, die (und trotz dem dass sie) erst spät im l6ten 
Jahrhundert aus germanischen Sprachen ins Lateinische gezogen 
worden **); auch für Namen, die aus dem alten Koptischen und 
dem Arabischen ***) ins Griechische und ins Celtische entlehnt 
sein sollen. Man kommt oft dahinter, wie beim Etymologisiren 
aufs Gerathewohl mit dem Lexicon rasch durch Versehen ein 
ähnlich klingendes Wort ohne den geringsten Zusammenhang 
mit dem Namen erfasst worden ist. Zuweilen existirt ein ange- 
gebenes Wort gar nicht, wenigstens nicht mit der gemeinten 
Bedeutung; zuweilen lässt sich wohl die Ableitung vertheidigen, 
aber der Sinn ist ein anderer; oder auch, die Uebersetzung der 
griechischen Wörter ist ganz falsch, Wir wissen wohl, dass 
jedes Wort so schulmeistern zu wollen, für pedantisch gelten 


*) Acer ist ein lateinischer Name, dessen Ableitung die Alten nicht 
kannten; J. Bauhin, sonst nicht so genau in u Etymologie, ver- 
wirft allen Gedanken an acer. scharf ; es ist der mildeste, zucker- 
reichste aller europäischen Bäume. _Anagallis von dvaycldu ent- 
behrt aller Stütze; aber des Lobelius älteste Deutung von 'Ayal- 
Ais, einer Art Hyacinthe (dies von ayalio, exorno), ist sehr 
treffend. Dergleichen unzählige, 


*»*) Humxlus (schwed. Huimle), ist ein germanisches Wort, wie Pru- 
nella, Trollius, Bovista u. a., so jung, dass C. Bauhin, als er 
seine Pinax herausgab, es noch nicht gehört hatte; (Humela 
kommt jedoch zum erstenmale unter andern deutschen Wörtern in 
der heil. Hildegard, Aebtissin zu Bingen + 1180, Sammlung von 
Hauscuren vor); jetzt schreibt man aber überall, es komme von 
humus, wahrscheinlich weil der Hopfen sich mehr als irgend «in 
andres einheimisches Kraut über den Boden erhebt! Wieder ein 
„lucus a non lucendo!“ 


***) _Aron, Arum, ist nach dem Zeugnisse der Alten ein koptisches 
Wort; die Pflanze ist nach Aussehen und Eigenschaften so ausge- 
zeichnet, dass sich wohl eine treffendere Ableitung erwarten liesse 
als die vorgeschlagene von & priv. und 0g0, Wunsch. Wäre dann 
nicht das letztere allein genug? Cichorium soll arabischen Ur- 
sprungs sein, kommt aber bei 'Theophrast vor. 


Ueber die Namen der Pflanzen. | 47 


wird; darum geben wir nur ein paar Beispiele in der Note an *); 
mehrere folgen weiter unten im Texte. Auf Orthographie, Ac- 
centuation und die Gesetze der Veränderungen und Wechsel der 
Buchstaben wird oft wenig geachtet. Came in Camelina nimmt 
man ohne Bedenken für das griechische zgepai; Populus soll 
zweifellos identisch sein mit populus. Solche einzelne Fehl- 
griffe sind wohl nicht von Erheblichkeit, desto mehr aber das 
Irrige, Willkührliche in dem ganzen Verfahren, jedes Wort, 
das sich mit einem Namen zusammenreimen lässt, (ohne Rück- 
sicht auf historische Umstände und auf Zeit und Ort der Ent- 
stehung dieses Namens) für sein Stammwort zu halten. Man 
muss annehmen, dass die Urheber mancher Aufstellungen selbst 
nicht daran glauben, sondern, wie ein Theil unsrer älteren Ge- 
schichtseribenten, wenn sie Facta erdichten, es für gut halten, 
nur etwas zu sagen zu haben. Dass aber ein Wort von einem 
andern abgeleitet werden kann, ist eben so wenig des Erwäh- 
nens werth, als in der Geschichte, was möglicherweise habe 
geschehen können. Doch ist es meistens zu tadeln, dass man 
darüber die bestimmten Traditionen übersieht, die sich bei äl- 


„ tern Autoren angegeben finden , wodurch alles das geringe 


> 


Interesse, das an der Etymologie der Namen haften kann , gänz- 
lich verschwindet. So begnügte man sich bei Sedum mit dem 
ersten Worte, das einem einfiel, nämlich sedere, sitzen, ja noch 
sagt man im Schwedischen: auf dem Dache sitzen; aber Festus 
sagt, dass bei den Römern Sedum (das Sedum der Alten war 


*) Corydalis: ein gleichlautendes griechisches Wort soll mit Fuma- 
ria synonym sein (der griechische Name von dieser ist aber Cap- 
noides) und [xogvdaldis] bedeutet sonst die Haubenlerche, an 
welche nichts von jener erinnert; beide werden richtig von x00vS, 
galea, abgeleitet. Heleochloa (von &Aos. Sumpf) wird von 24m, 
Sonnenlicht, abgeleitet; ( Heleosciadium richtig von &los). — Der 
treffende Name der Camelina von x«w (epice pro xara) und 
Aivov, also unter dem Lein, wird viel unbestimmter auf der Erde, 
year, gesucht; [nach Dodoens wäre er französisch, cameline; s.: 
Böhmer Lexic. rei 'herb. trip. Lips , 1802.]. Schedonorus, be- 
namt nach dem Stande der Granne nahe an der Spitze (ö 
5005) sucht man nah an Bergen (zo 0p05). Typha, tupn 
Diosc., kann mau wohl „im Moraste‘ suchen; ‚‚dieser heisst aber 
nicht rupos, sondern Tipos; TU@pog ist ein ganz andres Wort, be- 
deutet Rauch, Eitelkeit, Hoffart, wns alles recht gut auf T’ypha 
passt, wegen des Rauchs (der Wolke) von Pollen und der Haare 
der Blüthen und des stolzen doch nutzlosen hohen Wuchses, und 
auf dies eitle Nutzlose scheint Dioscorides hinzudeuten, wenn er 
den Namen mit zvp®» (Wirbelwind. auch Riese) in Beziehung 
bringt. — Die kleine unschuldige Adoxa aber mit „ehrlos“ zu 
erklären, ist grausam, da sich der Name vielmehr sowohl auf 
ihre Regellosigkeit als auch ihr Freisein von Ruhmsucht bezieht. 


48 Ueber die Namen der Pflanzen. 


übrigens eigentlich unser Sempervivum) auf die Dächer gepflanzt 
worden, um Gewitter abzuhalten (sedare tempestatenn) wovon 
es auch seinen Namen erhalten habe: ein Volksglaube,, der 
nach Jahrtausenden in unserm Norden noch fortlebt.' Dieselbe 
Pflanze wird in Schweden auch in der Absicht, wie ein Hal- 
länder mir vor mehr als 30 Jahren erzählte, auf die Dächer 'ge- 
pflanzt, dass sie „, Tomtebo‘““-Glück [Anbau- und Wohn-Glück] 
bringe, d. i. dem Eigenthümer einen langen, stillen und ru- 
higen Besitz seiner Wohnstelle sichere. (Deshalb rechne ich 
in Stirp. agri Femsjon. das Sempervivum unter die ‚„Hallando- 
rum penates.‘‘) Das Natursymbolische, das darin liegt, ist 
leicht zu fassen, denn von allen unsern Pflanzen ist diese die 
unter allen Verhältnissen unvergänglichste und zähest-lebende, 
was auch die Synonyme "AsiLwov und ‚Sempervivum andeuten*) 

In vielen Fällen wiederum, wo der Ableitung die ältern An- 
saben zu Grunde liegen, sind diese durch traditionelles Abschrei- 
ben so verstümmelt und unrichtig, dass die meisten zu Verwir- 
rnng führen. Hier nur einige Beispiele aus dem ersten Buch- 
staben des Alphabets. Von Achillea heisst es, sie habe ihren 
Namen von Achilles, und dabei denkt man an den Helden Ho- 
mer’s; es ist aber ein Schüler des Chiron gewesen, dem es 
selten soll. [Vgl. unt. IL.] Von Artemisia ist überall angege- 
ben, sie führe den Namen nach der Artemis = Diana; es ist 
aber die Gemahlin des carischen Königs Mausolus. die in ihrem 
Gram jenes Kraut gewählt haben soll. So muss man diese Ab- 
leitungen nach den Urkunden wiedergeben; aber dennoch 
sind sie nach allen innern Gründen unzuverlässig, wie wir in 
der Geschichte der Pflanzennamen werden zu zeigen versuchen. 
In andern Fällen ist die Ableitung eines ältern Synonyms auf 


*) Von den vielen analogen Beispielen wollen wir hier nur Lychnis 
noch anführen. Diesen Namen erklärı Dioscorides als eine „Leuchte“ 
(lucernula) , ein Licht in der Nacht, weil die meisten Arten, die 
er darunter begreift (jetzige Silene- oder Melandrium-Arten ) ihre 
Blumen zur Nachtzeit öflnen (woher die Namen vespertina, no- 
ctiflora) ; jetzt aber heisst es, sie hätten ihren Namen won der 
Anwendung zu Lampendochten! Noch in C. Bauhin’s Tagen war die 
erstere Ideenassociation so vorwallend, dass nach Hesperis und Luna- 
ria unmittelbar Silene und Lychnis folgen, für welche kein an- 
dres Einigungsband abzusehen ist. Dies giebt auch Veranlassung, 
Silene eher in IeAnyvn zu suchen, als in dem angenommenen oia.Aov 
(sollte der Name wirklich auf die Klebrigkeit einiger Arten hin- 
deuten, so wäre es uugezwungener, die Wurzel in dem Stamm- 
worte. einer ganzen Namenfamilie, Zul, mit v7 oder wow, zu 
suchen), weil Luna in der alten Naturmystik als Herrscherin über 
alle Blumen der Nacht angesehen ward, 


Ueber die Namen der Pflanzen. 49 


ein neueres von ganz andrem Ursprunge übergeführt worden. 
Der Name unsrer gemeinen Ackelei ist ursprünglich ein religiö- 
ser Name aus dem Mittelalter, eigentlichst Alleluja (auch der 
Oxalis beigelegt), der aber in der gewöhnlichen Namenverwir- 
rung jener Zeit Aceluja geschrieben wurde (von der Aebtissin 
Hildegard). Im Anfange der neuern Zeit, wo man die Sprache 
zu reinigen suchte, wurde beides in Aguilina umgeändert, von 
aquila wegen des Aussehens des Sporns, und in Agzxilegia, von 
aqua und lego, weil sie wie die Alchemilla in ihren Blättern 
T'hautropfen sammelt, was in der Alchymie jener Zeit für sehr 
wichtig galt. Der letzte Name ist nun der angenommene ge- 
worden, aber statt der rechten Etymologie desselben giebt man 
die der Ayuilina an. — In vielen Fällen wird die Derivation so 
übersetzt, dass man unmöglich das Passende darin ahnen kann, 
z. B. Alyssum mit: ohne Raserei, Acorus mit: ohne Stern im 
Auge, welche Epitheta wohl keiner Pflanze zukommen können, 
die aber bedeuten sollen: ersteres: Mittel gegen Verrücktheit, 
eig. nach tollen Hundes Biss, letzteres gegen Augenkrankheiten. 
Hierher gehört das Verlangen, griechische Stammwörter für alle 
lateinische Namen zu finden, welche die Griechen nie gekannt 
hatten, die dafür ganz andre Benennungen gehabt. So ist es 
mit der älteren Ableitung des Namens Allium von &llsotaı , 
Lauch hat viele griechische Namen, von denen man sich wohl, 
wenn man des Entlehnens bedurft hätte, eher einen angeeignet 
hätte, als dass man aus einem weiter liegenden griechischen 
Worte einen neuen gebildet. Die Uebereinstimmung eines Na- 
mens in beiden Sprachen ist nicht Beweis genug für ihre Einer- 
leiheit oder ihre Entlehnung aus einer in die andere: sie können 
Geschwister sein aus einer gemeinsamen Ursprache. Fagus für 
@nyos zu nehmen ist in zweifacher Hinsicht unrichtig, Dass 
viele spätere griechische Namen Entlehnungen aus dem Latein 
sind, ist vollkommen beweisbar *)! Viscum wird von I&os her- 
geleitet; meint man denn auch, dass 'I£i« von Viscus herkomme? 
Dadurch wird aber oft die Bedeutung eines Namens verdreht, 
wie wenn man Angelica vom profan-griechischen «yys4os ablei- 
tet, welches ganz andere Bedeutung hat als das christliche An- 


#). Man scheint vergessen zu haben, dass mehrere griechische Autoren 
weit hinaus in der römischen Kaiserzeit gelebt haben; ja, selbst 
der Hauptschriftsteller, Dioscorides, lebte zu Nero’s Zeit und 
hatte lange römische Heere als Arzt begleitet. Die Römer unler- 
schieden selbst die Wörter, die griechischen Ursprungs waren; 
nicht aber so die spätern griechischen Autoren die lateinischen, 
die sie sich aneigneten, z. B. pouyovis von Fraga, u. s. W. 


4 


50 Ueber die Namen der Pflanzen. 


gelus; hätte ein griechischer Autor Angelica. gebraucht, 
würde es auf Friedensgruss oder etwas dergleichen iR 
ten, wie Verbena bei den ältern Schriftstellern; es ist aber ein 
Klostername des Mittelalters und somit lateinischer Ableitung, 
die Anspielung eine religiöse. | 
Für die Etymologie der Pflanzennamen, die bisher. für la- 
teinische Stammwörter gegolten, hat man in neuerer Zeit eine 
reiche Quelle in der celtischen Sprache gefunden, und die Bo- 
taniker haben geeilt, sie zu benutzen. Für unsern Theil kennen 
wir die Celten wenig, das Celtische gar nicht; wir haben aber 
gesehen, dass Celten und Celtisches in der. Archäologie und 
Etymologie mit vielem Vortheile gebraucht wird, sonst unbe- 
kannte Dinge zu erklären. Die von daher gewonnenen etymolo- 
gischen Ergebnisse sind oft recht nett, vielleicht aber zu nett, zu 
kunstmässig oder zu allgemein. So pflegt nicht der Natursinn der 
Völker die Eindrücke der Natur aufzufassen*). Wenn man ausser- 
dem sieht, welche Menge Namen aus celtischem Wasser entsprun- 
sen sein sollen, wie Arundo von urn, Wasser, Apium von apon, 
Wasser, Alisma von alis, Wasser, Sium von siu, Wasser, Sison 
von sizyn, fliessender Bach u. s. w., so ist zu befürchten, dass 
die Etymologie darin ersäuft. Für die unzweifelhaft griechischen 
unter jenen Wörtern den Stamm im Celtischen zu suchen heisst 
wohl gar über das Meer, nicht bloss über -den Fluss, nach 
Wasser gehen **). Da man sonst den Etymologen im Lateinischen 


*) Quercus leitet man ab vom celt. quer, schön, und cuez, Baum; 
die älteren Volksnamen sind weder auf diese Art gebildet, noch 
ist „schön“ eins der vielen, fast stehenden Epithela in allen Spra- 
chen, die der Eiche beigelegt werden. Carpinus vom cell. car, 
Wald, und pin, Haupt, aber nicht heht dieser niedrige Baum 
seine Krone über die Waldung. Salix soll vom celt. Dr nahe, 
und alis, Wasser, herkummen; die Lateiner selbst leiten es von 
salire ab: die rasch aufschiessende.e. Alnus von: al, nahe, und 
lan, Woasserrand, u. s. w.; es ist aber damit nicht das celtische 
ac oder al zu verwechseln. das als Stammwort nicht bloss für 
Acer, Ahorn, und acer, scharf, sondern auch für Dex, Ulex, 
Allium u. s. w. angegeben wird. 


**) Für Sium z. B. verlassen wir uns mehr auf die bestimmte Angabe, 
dass es von o&iw, vibro, herkomme, was wegen der hin und her- 
gebognen Stengel der südeuropäischen Arten recht treffend ist}). — 
Der Sison der Alten wuchs nicht in Bächen, sondern auf Aeckern 
zwischen der Saat. Wir schlagen die Ahleituug von 04007, eir- 
cinus, vor, denn keine Benennung kann wohl für eine Umbellafe 
näher zur Hand liegen; derselbe Begriff liegt den Volksnamen 
unsrer meisten Doldenpflanzen zu Grunde, wie Hundlock, [wörtl, 
Huudslocke] und Hundloka [Chaeroph. sylv.], Rödloka roh: 
Anthriscus], Björnfloka [Heracl. Sphond.], und in unsrer Heimath 
[um Wexiö in Schonen] nennt man die Dolden wie in norwegischer 


Ueber die Namen der Pflanzen. 51 


und Griechischen so leicht nachgiebt, so dürfte es zu entschul- 
digen sein, wenn man nicht auch alle die celtischen Ableitungen 
unbesehen annimmt. Wo man indess bestimmte Hinweisung 
hat, in Gallien einer Derivation nachzugehen, so nehme man sie 
mit Danke an, obschon eben nicht viel damit gewonnen ist. So 
sagt Plinius „Betula est arbor gallica““ und aus diesem Grunde 
halten wir es für wahrscheinlich, dass der Name vom celtischen 
Namen des Baumes, Detu, entlehnt sei. Aber Festuca vom 
celt. Worte fest, Futter, Weide, abzuleiten, halten wir für aben_ 
teuerlicher, wenn gleich jetzige Festucae dem Viehe auf der 
Weide gutes Futter geben; denn erst Linne stellte den Namen 
für die gegenwärtigen Festucae auf und er hat ihn sicherlich 
vom lateinischen Festuca entnommen, was bei Plinius auch 
Grashalm bedeutet, aber in keiner der Bedeutungen dieses Wor- 
tes liegt etwas von Weide oder Nahrung. 

Die Menge von Bemerkungen gegen das Thun in der Ety- 
mologie der jetzt angenommenen Pflanzennamen wächst uns 
indess so zu Kopfe, dass wir uns darauf beschränken müssen; 


Sprache Kringlor [Ringel] z. B. Dillkringlor. Sisarum ist ein de- 
rivatum davon, Siser engere Zusammenziehung: alles nahverwandte 
Wörter. Und dass kein Wasser in ihre Bedeutung eingeht, be- 
weiset. am besten Sis-ymbrium. Dieses gehört zu den wenigen 
Namen, deren Ableitung zu finden man sich nicht zugetraut hat, 
daher man nur seiner Verwandtschaft mit dem Sisymbrion erwähnt. 
Weg damit! Was der Alten Sisymbrion gewesen, kann nie zwei- 
felhaft werden: es ist himmelweit verschieden, nämlich Mentha 
aquatica! Da es hei. Dioscorides u. A. heisst, dass es sich von 
Garten- Mentha durch in runde Haufen oder Köpfe gesammelte 
Blüthen und durch den Standort (locis irriguis) unterscheide, so 
scheint uns darin eine Hindeutung für die Etymologie zu liegen — 
auf Iioov. yußgıov, von oußeos, pluvia. Es wurde nachher auf 
die jetzigen Nasturtia herübergetauscht, auf welche es auch passt, 
nur nicht mehr auf das jetzige Sisymbrium, seit Nasturtium davon 
abgetrennt wordenTf). — Es-giebt aber unter den Umbellaten 
noch zwei andre ähnliche noch nicht ins Reine gebrachte Namen- 
familien, nämlich 4. Silphium, Silaus, Siler, Sesili, und 2. 
Selinum mit allen seinen derivatis, die nicht mit derivatis von 
Z100n verwechselt werden dürfen: eine Erläuterung ders, 's. u. II. 
Es ist wichtig. für die Auslegung, alle, die zu derselben Namen- 
Familie gehören, collectiv zu nntersuchen. 


+). [Des Dioscorides Iiov wäre, als gerade (Yauviov 0g- 
909) nach Sprengel am sichersten Veronica Anagallis. 
Spr.’s Comm. zu s. Ausg. des Diosc. (Lips., 1829), 1. 271, 
II. 465. — Anm. d. Uebers.] 
+7) [Nach Sprengel’s Commentar zum Dioscorides II. 465 sq. 
...,vgl. m. I. 271 sq. wäre des Diose. Sisymbrion (locis in- 
cultis, &v y&oooıs) die Mentha sylvestris, dessen alterum 
Sis. (£te00v Iıe. ) aber, an Wässern wachsend, unser Na- 
sturtium officinale. — Anm. d. Üebers.] 


4* 


52 Ueber die Namen der Pflanzen. 


nur. die Hauptpunkte aufzuführen. — 1. Die bedeutenden Ver- 
änderungen, welche die meisten Namen in Schreibung und 
Aussprache erlitten haben, werden oft übersehen. Ohne das 
Ursprüngliche zu kennen, wird man geradezu irre geleitet. Der 
Beispiele hiervon sind unzählige (s. II. Geschichte der Pil.-N.). 
Allium ward in ältester Zeit auch Alium geschrieben, und seine 
älteste Ableitung von (Gramen s. Lilium) halium, stammver- 
wandt mit halo, ist gewiss unsicher, jedoch viel wahrscheinli- 
cher, als die späteren aus dem Griechischen und dem Celtischen, 
da wenigstens sein starker Geruch zu allererst sich bemerklich 
macht und seine Eigenschaft den Schweiss zu treiben von jeher 
bekannt gewesen*). — 2. Die Namen von unzähligen Pflanzen 
werden jetzt ganz an dern (oft himmelweit verschiedenen) Pilan- 
zen beigelegt als denen sie ursprünglich zukommen, so 
dass die Bedeutung des Namens, das Etymon, nicht in einer 
Eigenschaft der Pflanze, die ihn jetzt führt, zu suchen ist. 
Der Botaniker darf sich hierbei nicht auf die Lexicographen 
verlassen. Von allen beiden, Lexieis und Botanikern, ist als 
ausgemacht angenommen, Elatine komme von Ziarn, abies; den- 
noch wagen wir dies bestimmt für falsch zu erklären, denn wer 
da weiss, dass die Elatine der Alten in unsern Cymbalarien 
(Sect. von Linaria) bestand, kann an solche Ableitung gar nicht 
denken; kennt man dazu den rankenden Wuchs der Elatinae 
der Alten, die sich ins Unendliche verlängern zu können schei- 
nen, besonders den der auf Mauern Süd-Europa’s gemeinen 
Linaria Cymbalaria, die aus einem Knöspchen in kurzer Zeit 
fadendünn herabhangend mehrere Ellen lang sich ausdehnt, so 
kann man unmöglich daran zweifeln, dass die rechte Ableitung 
die von &iaros, ductilis, ausdehnbar, ist, was obenein dadurch 
bestärkt wird, dass derselbe Name sehr verschiedenen Gewäch- 
sen, die uur diese Eigenschaft gemein haben, wie Glechoma, 
beigelegt worden **). So ist ferner der Griechen 2nyös gar 


*) DBetonica, was jetzt von bet, Haupt, und ton, gut, abgeleitet 
wird, ist ursprünglich Yetonica geschrieben worden — und zwar 
dieses, wie ich aus einer älteren Quelle ersehen habe, nach den 
Vetones, einer celtischen Völkerschaft; sowohl Betonica als auch 
Veronica wären nach jener Quelle verderbte Aussprache davon. 
Was diesen Ursprung unterstützt, ist die Eudung -ica, da diese, 
oder -zcum, bei den meisten nach Orten gebildeten Pflanzennamen 
vorkommt, dazu Plinius’ Angabe, dass die Pflanze aus Gallien her- 
stamme; übrigens setzt aber Plinius hinzu, sie sei synonym mit 
Serratula der Römer. Ueber Veronica weiter unten, 


**) Zufällig passt der Name Elatine in seiner ächten Bedeutung auch 


trefflich auf unsre jetzige Elatine, deren ausserordentlich rankig- 


Ueber die Namen der Pflanzen. 53 


nicht die Fagus der Lateiner, sondern eine Art Eiche; auch 
war die Adies der Lateiner nicht unsre Rothtanne oder Fichte 
(diese hiess im classischen Latein Picea, was in Lexicis falsch 
mit Kiefer, Föhre, übersetzt wird), sondern eine weit davon 
verschiedene uns in Schweden fremde Pinus-Art. — 3. Ein 
sonderbarer Irrthum ist es, für alle Namen eine Ableitung fin- 
den zu wollen. Ausser dem, dass viele Stammwörter so ent- 
fernten Ursprungs sind, dass jedes Bemühen um Aufklärung 
darin misslingen muss, sind auch viele durch blosse Namen- 
verwirrung, Zufall und Willkühr entstanden*). Schon Plinius 
nahm der Griechen imndxn, Hippace, scythischen Käse, aus 
Missverstand für eine Pflanze; ferner, da zu der Zeit, wo der 
Name Veronica (der gewöhnlich von vere unica, von einer 
Prinzessin u. s. w. hergeleitet wird) aufkam, des Nicolaus My- 
repsus #egovısn darunter gerechnet wurde ( Medicam. op. ed 
Fuchs. Basil. 1549.), obgleich diese Bernstein bedeutet, so ist 
wohl der Ursprung von Veronica aus letzterem auch am wahr- 
scheinlichsten. Solche Wurzeln mag man surdae oder keinen 
vernünftigen Sinn gebende nennen. — 4. Nicht viel besser ist 
es, den spätern mythologischen und poetischen Fabeln 
wichtigen Einfluss auf Namen beizulegen. Die Namen sind weit 
älter; irgend eine Eigenschaft der Pflanze hat Veranlassung zu 
der sie betrefienden Fabel oder Metapher gegeben, nicht umge. 
kehrt, z. B. zu der vom Ajax”*). Es findet sich in ihnen ge- 


kriechender Wuchs für eine gewiss einjährige Pflanze sehr cha- 
racteristisch ist. — Gleiche Namenverwechselung hat staltgefunden 
mit Ledum, Ribes, Caltha, Myrica, Phyteuma, Jasione und 


uuzähligen andern, 


*) So versicherte mich der sel. Prof. Retzius, jener Riese in Gelehr- 
samkceit und Vielwissen, dessen Bild noch vor mir steht, wie das 
des alten Carolinen vor dem Skalden Axels, dass das titanische 
Genie Adanson seine Namen oft durch Werfen des Looses um 


die Buchstaben, woraus sie bestehen, gebildet hat, — was doch 
eben nicht hinderlich gewesen ist, die Etymologie solcher Namen 
zu finden! 


**) Aus Namenähnlichkeit oder um des Reimes willen ist manche Volks- 
sage entstanden, wie unter den Bauern in Smäland ‚„‚att Ljungen 
märker för Kungen (dass das Heidekraut für den König zählt)‘: 
und eben der Art ist die neue jetzt allgemein angenommene Ablei- 


tung des Namens Populus von populus ‚ weil le peuple frangais 
le peuple l’arbre zur Zeit der Pflanzuug von Freiheitsbäumen zu 
seinem Sinnbilde wählte. (Die Alten wissen nicht, dass die Pap- 
pel „des Volkes Baum‘ gewesen, sondern sie war dem Hermes ge- 
heiligt, nachher von Dichtern dem Hercules.) Aber wie die bei- 
den Wörter Corydalis nicht wohl von einander abgeleitet werden 
können , sondern von einem gemeinsamen Stammworle, so könnten 


34 Ueber die Namen der Pflanzen: 


rade so viel prosaische Wahrheit, wie in Bion’s Worten, dass 
die Rose entsprossen ist aus dem Blute des Adonis, aus der 
Venus Thränen die Anemone*). — 5. Ungereimt ist es auch, 


für unbezweifelte Stammwörter die Etymologie in ihren deri- 


vatis zu suchen. ÜUeberall unter den Botanikern wird jetzt z. B. 
Scirpus von scirpo abgeleitet; aber sowohl nach der Natur der 


Sache als nach allen Lexicis ist das erstere das Stammwort, 


und seirpo, mit Binsen anbinden (z. B. Weinranken) ist eben 
so gewiss das Derivatum vom ersteren, wie im Schwed. löfva, 
vidja von löf, vide |belauben von Laub, Weidenruthe von Weide] 
und nicht umgekehrt. Gerade so wäre die Ableitung von 
ayyovoa von &yyovoiiw. Solcher Art ist auch die Derivation von 
Punicavom color puniceus des Granatapfels; Punica (se. malus, 
wie sie zuerst hiess,) ist ganz einfach der punische Apfel (die 
Römer hatten ihn von Karthago), was sein griechischer Name 
Zidiov, old, von der phöniec. Stadt Sidon, von wo die Griechen 
ihn erhielten, zum Ueberflusse beweiset. — 6. Unrichtig scheint 
es gleichfalls zu sein, von dem Benamer oder dem der ei- 
nen Namen zuerst aufgenommen, wenn dieser eine bestimmte 
Ableitung giebt, abzuweichen. Wir denken wirklich, dass 


Dioscorides und Plinius die Ableitung der griechischen und la- 


tein. Namen sichrer gekannt haben, als die Neuern , gleich. wie 
Palisot’s eigne seines Schedonorus als ‚„‚(Granne) nahe der Spitze“ 
am glaubwürdigsten ist**). — 7. Es fehlt an der nöthigen 


sowohl populus als auch populus Frequentaliva (od. Pilpil in 
hebräischem Sinne) von pullus in dessen doppelter Bedeutung von 


an 
Abkommenschaft und Wurzelschoss: populus nach der ersteren, 


ganz wie proletarii von proles, Populus nach der letrtern, weil 
der Baum so viele Wurzeltriebe macht. Dies ist indess nur eine 
Vorschlagsmeinung, und wir legen selbst kein Gewicht darauf — 
dagegen mehr darauf, dass zwei gleichlautende Wörter nicht für 
identisch angesehen werden dürfen, was man oft nicht einmal zu 
ahnen scheint, Völlig gleiche Pflanzennamen haben nicht einmal 
immer dieselbe Abstammung: m. vgl. Lotus, wovon der ägyptische 
gewiss ganz andern Namen - Ursprung hat, als der griechische. 


*) [Wovon freilich Ovid’s spätere Dichtung abweicht (Metam. X, 
735); — C. Sprengel aber scheint (Hist. r. herb., Geschichte der 
Botanik) die 2 Verse Bion’s vergessen zu haben, die dem von 
ihm (Spr. Hist. r. h.) aus Bion angeführten einen Verse bei 
Bion vorangehen ; die ganze Stelle lautet näml. bei Bion, 
Idylle 1, so: 

Jaxgvov 7 Hogin T000vV Enykeı, 00000 "Adowıs 

Aiuo yesı' za de navra mori yHovi yiyveroı On‘ 

 Aiua 6odov Tinte, Ta ÖL Öanpva Tav avsuuwov. 

Anm. d. Uebers.] 

Für Aira giebt Linue, welcher die jetzt so benannte Gattung auf- 
gestellt hat, Alou, lolium, als Grund an; soll dieses weiter von 


**) 


2 


‘ 


Ueber die Namen der Pflanzen. 55 


Auffassung des Entgegengesetzten in Entstehung und 
Bildung der Namen und in der ganz und gar verschiedenen Na- 
turänsicht, welches in den Namen aus dem Alterthume, de- 
nen des Mittelalters und solchen aus der neueren Zeit sich 
ausdrückt; — wie unten (11.) entwickelt werden soll. Man muss 
erst nachforschen oder berücksichtigen, zu welcher Zeit und an 
was für einem Orte ein Name zuerst aufkam, und zwaf dann 
die beider Namengebung in Betracht gekommenen Verhältnisse *); 
die zu der Zeit gangbaren Begriffe, die Analogie mit von dem- 
selben oder gleichzeitigen Autoren gegebenen Namen; denn in 
einer jeden Zeit ist eine gewisse Grundansicht herrschend oder 
etwas Gemeinsames, das in unsrer Zeit verschwunden ist, oder, 
richtiger, von uns selbst nicht vernommen wird, weil wir glau- 


oioou» ahgeleitet werden, so darf dies nicht geschehen von dessen 
Bedeutung tollere, erheben, die hier keine Anwendung findet, 
wohl aber von interficere, tödten, welche Eigenschaft dem Lolium 
von den Alten zugeschrieben ward. Da die Actaea des Plinius 
nicht mit Sicherheit zu bestimmen und die Ableitung ihres Namens 
unbekannt ist, ob vielleicht von einem Fundorte (ein ähnlicher 
Loeal- Name kommt bei Cornel. Nep. vor): so hleibt für Linne’s 
Actaea, nach der Flora lappon., wo der Grund ausführlicher au- 
gegeben ist, Linne’s Bezugnalıme auf Actäon der hier gültige rich- 
-tigste Ableitungsgrund, wie Prof. Wikström schon bemerkt hat. 
Die beiden vorgeschlagenen: von «sn, erhöhter Platz, Seeufer; 
und axıy (od. axrla), Flieder, haben keinen sichern Grund, ob- 
schon die letztre viel besser passt. 


*) Wie vielen Missgriffen wäre man nicht entgangen, wenn man be- 
merkt hätte, dass die meisten älteren Namen Adjecliva sind, von 
denen das Substantiv weggefallen, und dass man im Geschlecht (genus) 
des Namens eine Hindeutung auf dieses Substantivum hat! oder 
wenn man auf den Gebrauch der Alten, eine unbekannte Pflanze 
nach ihrem Wohnorte zu benennen, mehr Acht gegeben! Man 
hätte dann nicht die Ableitung von Teucrion im Namen eines 
Prinzen gesucht, nichtdie von Carum oder semen Carium in carus, 
noch Aconitum nach Ovid’s Dichtung iu &40v7, Schleifstein (rich- 
tiger Sandstein), was für unsre Ohren - „wie ein Schleifstein 
klingt“. Damit ist es gerade, als wenn ein Ausländer mit dem 
schwedischen Lexicon in der Hand schwedische Pflanzen - Ortsna- 
men so verdollmetschen wollte: Alsike - klöfver (Alsike-Kiee, 
Trifol. hybridum) als alls icke klöfver [d. i. gar nicht Klee], 


... u. dgl. Andre wiederum von entschieden anderweitiger Ab- 


0) 
leitung würde derselbe für Ortsnamen halten, wie Alandsrot [Inula 
Helenium, schwed. sonstauch Alinsrot, s.- Helene-rot (die wahre 


Abstammung s. unter II.) 7 als von der Insel and, Calmare-rot 
[Kalmerot, Kalmus] als von Calmar, Hven [ Agrostis], als von 
der Insel Hven, u. a. Dies nur als warnendes Beispiel, wie leicht 
man über alles eiymologisiren kann, wenn man sich an keine be- 
stimmten Gesetze bindet; — und, so lächerlich wie die letzt an- 
geführten Beispiele uns vorkämen, würden gewiss Römern und 
Griechen viele der vorgebrachten Ableitungen erscheinen. 


56 Ueber die Namen der Pflanzen. 


ben, es sei allgemein geltend *). ‘Die Etymologie der Pflanzen- 
namen ist ein Dilettanten- Wissen, das für sich keinen wissen- 
schaftlichen Werth hat; aber aus wirklich historischem Gesichts- 
punkte kann es Interesse haben. Nur da können nämlich Unter- 
suchungen auch der unbedeutendsten Gegenstände, wozu auch 


"die über Pflanzennamen unläugbar gehört, wofern man nur sucht. 


was ®a Wahrheit, zuverlässliche Wahrheit sei, man- 
che nicht zu verachtende Resultate ergeben. 

Das Angeführte dürfte indess hinlänglich zeigen, dass die 
Art und Weise, wie die Etymologie der Pflanzennamen jetzt ge- 
wöhnlich betrieben wird, weder zum Wahren noch zu sonst et- 
was Nützlichem führt. Alles was der erlangt, der nicht Wahr- 
heit allein sucht, kann nie zu Gewinn für die Wissenschaft werden. 
Gäbe man auch zu, jeder Name müsse seine Abstammung ha- 
ben, so folgte daraus nicht, dass man eine nach Gutdünken an- 
nehmen solle, wo man keine kennt; das ist doch etwas noch 
gewisseres, dass jeder Mensch seinen Geburtstag und Aeltern 
haben muss, aber nicht erdichtet ein Geschichtsforscher solche, 
wenn er die wirklichen nicht weiss. Viel besser keine Etymo- 
logie als eine unsichere. Auch ist man nicht geschützt mit der 
Autorität Anderer ; ohne Kritik und die nöthige Achtsamkeit darf 
man wohl nicht alles nachsagen, eben so wenig, als man sich 
heute noch in einer schwedischen Geschichte auf des Johannes 
Magnus u. A. Fabeln berufen dürfte. Die Wissenschaften haben 
wie jede gut geordnete Haushaltung, ihre Rumpelkammer für 
alles, was nur Ekel und Spott erregt; wie eine Hausfrau der- 
gleichen nicht ins Gastzimmer bringt, so soll auch ein Autor 
dieselbe Achtung seinem Leser beweisen. Leichtgläubigkeit ist 
eine alte etymologische Erbsünde. Fehlt es an Hinweisung auf 
die Bedeutung eines Namens oder darauf in welcher Sprache 
sie zu Suchen sei, so wäre es ein besonderer Glücksfall, wenn 
ein Suchen aufs Gerathewohl fruchtbringend ausfiele.. Für alle 
älteren Namen müssen vor Allem die ältern, gleichzeitigen Au- 
toren befragt werden. Sie geben oft bestimmten Aufschluss 
darüber; öfter nur Andeutungen, welche aber verbunden mit 
Winken bei andern Autoren derselben Zeit und verglichen mit 
der Naturanschauung und dem Namengebungsprineipe des Zeit- 


*) Sowohl in der Bildungsweise der Namen der Pflanzen, als auch 
in der darin ausgedrückten Auffassung der Natur hat man einen 
Probirstein nicht bloss auf ihre Annehmbarkeit (nicht Richtigkeit), 

x sondern auch auf das Alter eines Namens, gleichwie Prof. Bru- 
nius aus dem Cement und einigen Zierrathen Alter und Baustyl 
einer Ruine erkennt. 


£ 
„ 
2 
u 


Ueber die Namen der Pflanzen. 57 


alters, zu einer an Gewissheit gränzenden Wahrscheinlichkeit 
führen können; alles, was dieses Ziel nicht erreicht, halten wir 
für verwerflich. — Uebrigens aber möge es dahin gestellt blei- 
ben, ob nicht alles Etymologisiren auf eigne Hand, ohne grössere —; 
historische Gelehrsamkeit, philologische Einsicht und linguisti- _ 
sche Kenntniss, als die bei Gelegenheit mittelst eines Lexicons‘ Ri 
zu erwerben ist, am besten ganz eingestellt würde*). “ 


II. Entwurf einer Geschichte der Pflanzennamen. 


„Non satis est ad herbariam perdiscendam tradendam- 
que herbarios scriptores legere, plantarum videre pictu- 
ras, graeca vocabula inspicere, magistri verbis addi- 
ctum esse, sed rusticos et montanos homines interrogare 
oportet.‘* 

Pıno. Correxurius. 


In jeder historischen Wissenschaft kommt es darauf haupt- 
sächlich an, dass jedes Factum, jeder Theil des Besondern für 
sich, treu aufgefasst sei; denn begiebt man sich dabei der Wahr- 
heit in Einem nach dem Andern, wie geringfügig sie scheinen 
mag, So schiessen endlich diese Fehlerchen zu einer einzigen 
grossen Lüge zusammen. Auf diese Weise entstehen durch 
Nachlassen vom strengen Rechte in Kleinigkeiten, die für sich 
unbedeutend und gleichgültig zu sein scheinen, falsche Ansich- 
ten sowohl in der Wissenschaft als auch im gemeinen Leben. 
Darum drang ich so stark auf Gewissheit und Genauigkeit in 
den Einzelnheiten der Etymologie; aber indem diese hier auf ei- 
nem Blatte zu einem ganzen Bilde zusammengezogen werden 
sollen, so wird es erlaubt sein von zufälligen Abweichungen, 
nachdem man ihr Vorhandensein erkannt hat, hier abzusehen. 
Es ist nicht die Menge von Thatsachen, wahren und halbwah- 
ren, zu einander summirt, was grosse Resultate giebt, sondern 
wenige sichre und vollständig ermittelte — Vieles, was richti- 
ger zur Geschichte der Namen gehören möchte, ist bereits bei 
der Etymologie angedeutet worden, worunter wir alles eigentlich 
Specielle gebracht, während hier das Wenige, das wir in dem 


*) Dies kann zwar wie eine harte Rede erscheinen; aber im Namen 
der wissenschaftlichen Kritik, ohne die geringste persönliche An- 
spielung, musste es doch einmal rein heraus gesagt sein. Wir 
wissen übrigens gar zu gut, dass, je ausgezeichneter Wissenschafts- 
männer sind, sie desto weniger Gewicht auf etwas so uubedeuten- 
des legen, wie die Etymologie der auf Treu und Glauben abge- 
schriebenen Pflanzennamen — und dass die Irrthümer, die darin 
vorkommen, ihre Ehre nicht um mehr verringern können, als eine 
Feder auf den Kleidern eines gelehrten Mannes. 


58 ‚Ueber die Namen der Pflanzen. 


Generellen aus bis jetzt ausgemachten Verhältnissen annehmen 
zu können glauben, dargelegt werden soll. | 
Die erste und oft sicherste Quelle zur Auffassung ai Na- 
turanschauung der Alten ist gerade der ofine Natursinn, der 
__ nicht durch erkünstelte Gelehrsamkeit missgeleitet, ‘sondern 
durch vertrauten Umgang mit der Natur geübt worden ist. ‘So 
© sehr auch Sprachkenntniss zur Erklärung der älteren Namen 
nöthig ist, so reicht sie doch bei weitem nicht aus; ohne jenes 
feine Gefühl für das Einfachste und Natürlichste steht man 
zwischen allen Vorschlägen und Meinungen der Ausleger un- 
schlüssig. Da, wie unten gezeigt werden soll, die ältesten Na- 
men wirkliche Volkspoesie sind, solche von der einfachen Art, 
wie sie in abgelegenen Gebirgsgegenden noch fortlebt, so befragt 
man diese mit so vielem Nutzen. Die Botanik dürfte auch mehr als 
die übrigen Wissenschaften aus dieser Quelle geschöpft haben, 
nicht bloss in der ältesten Zeit (der des Hippocrates, Theophrast 
u.s.w.), sondern auch bei der Wiedergeburt der Wissenschaft zur 
Zeit des Brunfels, Tragus, Fuchs, bevor die Gelehrsamkeit das 
überwiegende Element wurde. Dass die ältesten bei griechi- 
schen Wissenschaftsmännern vorkommenden Pflanzennamen 
Volksnamen, und nicht, wie die unserer Zeit, von den Wis- 
senschaftsmännern gebildet sind, ist nicht allein aus ihrer innern 
Beschaffenheit deutlich, sondern auch durch äussere Beweise. 
Desshalb wurden auch keine Charactere gegeben, indem man 
‚die Namen für bereits bekannt ansah. Hatte eine Pflanze keinen 
 gekannten Namen, so führten die Alten sie ohne alle Benennung 
an; gewöhnlich verglichen sie dieselbe mit einer ähnlichen, z. 
B.: „Die Pflanze, deren Blatt Arum gleicht, aber weiss und 
zottig und von der Grösse eines Hedera -Blattes ist.“ Hippo- 
crates. Manche jetzt für Namen genommene Epitheta sind an 
sich nur solche Phrasen für Pflanzen, die in der en 
keinen Namen hatten, z. B. göilov ImAvyovov aal agonvoyovov 
Thheophr. Hist. IX. 19., woraus nachher der Name T'helygonum 
entstanden ist, wie Parnassia. aus ”Ayoworıs &v to Hoapvaoos. 
Fanden die Alten in der Volkssprache mehrere verwechselte, so 

. wurde ein Epitheton beigefügt, gewöhnlich £reeos, in welchem 
Falle die Pflanze ohne dieses Epitheton für die eigentliche an- 
zusehen ist, oder auch &g6nv und $7isıa: bei Anwendung dieser 
letzteren wird stets das Männliche, &g67v, der derberen und kräftigern 
Pflanze, das letztere der schlankern und schwächern beigelegt *). 


Die Naturansicht, die diesem zu Grunde ‚liegt, ist, wie eine Menge 
Verhältnisse im Pflanzenreiche- bei den Alten, aus einer ni ums 


3 


Ueber die Namen der Pflanzen. 59 


Das Achtgeben auf solche Kleinigkeiten ist zum 'rechten Ver- 
ständnisse der Namen der Alten von. grosser Wichtigkeit. Als 
eine Folge des erwähnten Gebrauchs, alle Volksnamen ohne 
kritische Prüfung aufzunehmen und zu behalten, ist es zu er- 
klären , warum ganz dieselben Namen so himmelweit verschie- 
denen Gewächsen, zwischen denen keine Verwandtschaft ‚als 
Grund der Namengleichheit zu suchen ist, beigelegt worden 
sind, gerade wie bei unsern Volksnamen; z, B. Medica dem 
Citronenbaume und. der jetzigen Medicago, und so unzählige 
andre. Oft, aber nicht immer, gebrauchte man einen Zusatz 
und zwar bei der Pflanze, welcher man den Namen für uneigent- 
lich zukommend hielt. Der eigentlich griechische Awzos, ein Col- 
lectivname für Pflanzen der T'rifolieen- Gruppe, hat keinen sol- 
chen, aber der Lotus der Aegyptier wird stets Awzos aiyurrrıos 
genannt, der der Berberei Awros Ö&vdgov. Zuweilen findet man 
auch ein ähnliches Epitheton bei der eigentlich einheimischen 
Benennung: so z. B. nennt Hippocrates die Vicia Faba »vauos 
&llnwızos zum Unterschiede vom zuawos aıyontıos. Der sicherste 
Beweis, dass der Name nicht von den Autoren selbst gebildet 
worden, liegt in deren gewöhnlichem Ausdrucke ‚‚zaAovor,“ wie: 
„o aalovom Evıoı wodoov, aAloı de Cuoryga“‘ bei Theophrast. Waren 
gar keine Volksnamen vorhanden, so wurden deren nach einer 
Zufälliskeit , nicht nach innerer Verwandtschaft, auf ein solches 
Naturproduet herübergezogen: dies erklärt, wie fast sämmtliche 
Tangarten bei Theophrast dazu gekommen, Namen nach Baum-- 
arten zu erhalten, wie yoivı& novrie, dapvn novria, aurelos, 2Adım 
devs u. Ss. w. Erst weiterhin bei Dioscorides glaubt man mit Si- 
cherheit zu merken, dass eine Anzahl Namen von diesem selbst 
gebildet worden, theils an ihrer mehr gesuchten Bedeutung, 
-theils an ihrer von der der Volkssprache abweichenden Bildungs- 
art, hauptsächlich aber vielleicht daran, dass er bei solchen die 
Ableitung angiebt, wie man diese auch in unsern Tagen selten bei 
bekannten Wörtern, sondern nur bei einem neuen, das man ein- 


menen Analogie mit dem Thierreiche hervorgegangen, ist aber 

- eben dadurch falsch, weil hierin wie in mehrerem Andern das 
Pflanzenreich dem letzteren völlig entgegengesetzt ist [näml. nach 
der herkömml. Annahme der Pollenpflanze für männlich |. Unter 
den Gewächsen getrennten Geschlechts ist bei den meisten die bis- 
her sogenannte männliche Pflanze immer schwächer, die weib- 
liche stärker ; vergl. Hanf, Hopfen u. a. Daraus glauben wir auch 
uns erklären zu können, warum von solcheu Gewächsen die weib- 
liche Pflanze weniger empfindlieh für Kälte ist, warum diese bei 
manchen Species bis viel weiter gegen Norden wild wachsend vor- 
kommt als die männliche, wie bei Stratiotes, Sagittaria. 


60 Ueber die Namen der Pflanzen. 


führen will, beibringt. Dies ist der Grund, warum ich es für so 
unrichtig halte, in solchen etymologischen Bestimmungen von 
Dioscorides abzuweichen; er musste wohl selbst am besten wis- 
sen, was er bei Ertheilung eines Namens gemeint. Dass die 
nach seiner Zeit von Bassus, Myrepsus u. A. eingeführten Na- 
men von ihnen selbst dietirt sind, wird am besten durch das 
Unclassische in ihrer Bildung belegt; darüber nachher bei Be- 
trachtung des Formellen im Namen- bilden. 

Wir gehen nun zu den Prineipien für die Ermittelung der 
Bedeutung der alten Pflanzennamen über. Gerade darin, dass 
man deren wirkliche Quelle übersehen und sie nach der Namen- 
bildungsweise unserer Zeit gedeutet hat, liegt der Grund zu so 
mancher unrichtigen Auslegung. Solche Pflanzennamen, wie 
im Schwedischen Skrattaren, Sittaren, Orasande, Oenskelös 
[Lacher, Sitzer, Unrasend, Wunschlos | u. a. sind nie in einer 
Volkssprache aufgestanden; so lange ein Volk nicht von der 
Natur abgelenkt ist, athmet die Sprache nur Poesie und Reli- 
sion. Dass die ausgezeichnetern Naturproducte zu den Dingen 
gehört haben, die zuerst Namen bekommen, liegt, denken wir, 
in der Natur der Sache, und ist auch dadurch bewiesen, dass 
die Bedeutung ihrer Namen selten mit Sicherheit zu ermitteln 
ist, wofern man nicht Stammwörter oder -Sylben annehmen darf, 
die (als für sich stehende) für ihre ursprüngliche Bedeutung 
verschwunden sind*). Wo die Ableitung eines solchen Namens 


'*) Die Natur ist zu allen Zeiten eine reichere Quelle für meuschli- 
| ches Wissen gewesen, als man im Allgemeinen anerkennen will, 
seit man sich der Lehrerin über den Kopf gewachsen dünkt. Uns 
kommt es als wahrscheinlich vor, dass eine Menge Benennungen 
für allgemeiue und abstracte Begriffe ursprünglich von Naturge- 
genständen ausgegangen sind; oder dass, im Einzelnen, wie scir- 
pare bestimmt von Scirpus herkommt, so wohl auch jungere von 
Juncus kommen kann, nicht umgekehrt, obschon die erstere Be- 
zeichnung nachgehends die allgemeinere geworden. Dies ist jedoch. 
etwas Hypothelisches, das wir als hier nicht eigentlich zur Sache 
gchörend bei Seite lassen. Aber als ein Beispiel, wie eine ganze 
Namenfamilie erklärt werden kann, wenn man ein ausser Gebrauch 
gekommenes Stammwort annehmen darf, wollen wir hier Silphium, 
Siler, Silaus, Sesili anführen, welche darin übereinstimmen, dass 
die so benamten Pflanzen, wie mehrere in den Gegenden am Mittel- 
meere, einen ätherisch-öligen, gummiharzigen Saft liefern, welchen 
die Römer Laser nannten, daher auch Silphium gewöhnlich mit 
Laserpitium übersetzt wird. Darf man nun als Stammwort ZI44 
annehmen, obgleich dieses bei griechischen Autoren nicht vor- 
kommt (nur ocı, als dem Ricinus beigelegt, der auch des Oels 
wegen ausgezeichnet), dem Laser der Lateiner entsprechend, so 
wird die Ableitung der Namen aller obigen Pflanzen einfach, näm- 
lich: Sil-phyum, die welche Sil hervorbringt (im); Sil-aus, 


Ueber die. Namen. der Pflanzen. 61 


klar und deutlich ist, da halten wir ihn für neuerer Bildung und 
meinen, dass der ursprüngliche Name verdrängt worden: ist. 
Beim Verfolgen sowohl der noch merkbaren An der Entste- 
hung der Namen, als auch besonders der Geschichte der ganzen 
Wissenschaft bis zn unsern Tagen, ergiebt sich nämlich klar, 
dass die Namen im allgemeinen ursprünglich Colleetiva für meh- 
rere ähnliche Gegenstände gewesen und später, in dem Maasse 
wie man die einzelnen Gattungen unterschieden, im täglichen 
Gebrauche verändert worden und dadurch auch in ihrer ursprüng- 
lichen Anwendung verschwunden sind. Dieses ist auf zweierlei 
Art geschehen, indem entweder der ursprüngliche collective 
Name auf bloss eine gewisse Gattung *) übergeführt worden ist, 
oder er in ein nomen appellativum für alle darunter begriffene 
Gattungen übergegangen. Dies letztere ist wohl am gewöhnlich- 
sten geschehen. Man unterschied da zuerst die einzelnen Gat- 
tungen durch ein Adjectiv (was unsern jetzt gebräuchlichen Spe- 
ciesnamen entspricht); allmählich aber fiel der ursprüngliche 
Name hinweg und nur das beigelegte Epitheton wurde als Name 
behalten, wovon es sowohl in ältern, als auch noch in neuern 
Zeiten (bis zum 17. Jahrhundert) unzählige Beweise giebt. Da 
zu alle dem unten Beispiele folgen, so tierühten wir, die ältre 
Zeit hier übergehend, nur, dass man noch im 17. Jahrhaänderte 
Herba moschatellina, h. paris, h. trientalis u. s. w. schrieb. 
Das beigefügte Epitheton war in den meisten Fällen ein 
Adjeetivum, welches nicht mit seinem Substantiv zu einem Worte 
verbunden wurde (vor der Zeit des Verfalles der Sprache hei 
den spätesten griechischen Schriftstellern), so dass das Sub- 


stantiv desto leichter wegfallen konnte. Zuweilen hat ein Namen 


dadurch von seiner ursprünglichen adjectivischen Form her selbst 
eine substantivische Wortform angenommen; diese darf uns nicht 
irre machen. Homer schreibt dövaxos (v. dov&w) zaAauos, aber Diosco- 
rides und die Späteren dova$; die Aelteren weii« oder ueiin, x0- 
vsıov, Spätere aber u£dıas, xuwıov ; Plinius schreibt semen carium, 
spätere Carium oder Carum, u s. w Es ist jenes weggefallne 


—— 


die.zu $il erhärtet (ev»); Sileroum oder Siler, wovon Sil aus- 
fliesst (2ow&on); Se-sili aber ein Frequentativum davon. Aber das 
Siler der Lateiner ist etwas ganz andres als die obigen, welche 
sämmtlich Umbellatae sind. 

*) So bedeutete, wie bekannt, dovs ursprünglich Baum im Allgemei- 
nen, wurde ‘aber zuletzt auf eine gewisse Gattung , nämlich die 
Eiche, als Baum per excellentiam, eingeschränkt, wie Lilium von 
einer llschieinen Benennung für prächtige ra zum Namen 
einer bestimmten Gattung derselben, 


62 ‚Ueber die Namen der Pflanzen. 


Substantiv, was das Genus der Pflanzennamen bestimmt. Daraus 
erklärt sich z. B., warum alle Gräsernamen lateinischen  Ur- 
sprungs Neutra sind, wie secale, triticum , hordeum , panicum, 
milium , lolium, weil gramen oder frumentum das ausgelassene 
Substantiv gewesen; alle die griechischen dagegen, worunter 
yhön zu verstehen, sind feminina, wie aloe, »g:97, non, tion, Beice, 
Celia, oAvga, Aygworis, pahagıe; aber die grössern Arten, wo zakauos 
als Substantiv zu ergänzen ist, sind Maseulina, wie mawveos, zv- 
81008, napdnıos, mAörauos, Erriysıos (alles Rohrarten, dazu? wvoos 
und #eowos oder femuos, wenn diese nicht primitiv‘ sind). — 
Jenes Substantiv kann nun nicht allein eine gewisse allge- 
meinere Benennung sein, wie ßoravn, Ögvs, dEvöoov, #gılvov, BoAßos, 
sondern eben so oft irgend ein Theil der Pflanze, weleher in 
der Mediein oder Oekonomie jener Zeit benutzt wurde. . Vor- 
züglich gilt dieses von allen, die man nur als Handelswaare 
kennen lernte. Dies beweisen alle unten folgenden Beispiele 
von nach gewissen Orten benamten Gewächsen. Zu finden, wel- 
ches Substantiv es gewesen, ist zum richtigen Verstehen der 
Bedeutung durchaus nöthig. Dazu hat man wieder eine gute 
Hinweisung im Genus des Namens. Sollte wirklich Acer einer- 
lei Wort mit acer sein (wozu indess kein älterer Grund vor- 
handen) , so müsste Zignum das Subst. dazu sein; auch haben 
alle spätern Etymologen den Namen dem Holze zuwenden wol- 
len, ohne an genannten Gegengrund zu denken. — Andererseits 
durch Verbindung eines Adjectivs und eines Substantivs zu 


einem Worte einen substantivischen Pflanzennamen zu bil- 


len, der nachher der gewöhnlichste wnrde und es noch ist, 
"scheint in den ältesten Zeiten unbekannt gewesen zu sein. 4#r- 
öoov end fordvn, als unter allen am leichtesten wegfallend, kom- 
men in Namen der Alten höchst selten vor, sind da vielmehr 
stets getrennt geschrieben, wie „Balcauov ötvdgov‘ Theophr., „ree« 
Boravn‘“ Diosc., xgivov Baoıkırov Diosc. *), ws avdos Theophr., 
wohl sind diese Wörter oft offenbar ausgeschlossen.  Indess 
sieht man deutlich, wie man, als die Mannigfaltigkeit der Na- 
men nicht mehr die frühere Einfachheit zugelassen, zum Zusam- 
mensetzen übergegangen ist: Homer schreibt o&Aıvov EAsodgssror, 
Hippocrates o&Awov &isuov, Dioscorides aber !AeıoosAwov, vieler 


*) Dagegen schrieb Dioscorides, bei welchem das Substantiv im Gan- 
zen überall: weggefallen ist, nicht xgiwov zoAyınov, Yakcyyıov, 
Eprusoov u. dgl., wo xgivov für den Sinn ebenso nöthig ist, son- 
dern nur die Adjectiva; aber Bacılınov, 1800v scheinen ihm zu all- 
gemeine Worte gewesen zu sein um diese Ellipse zu ertragen. 


“ 


Ueber die. Namen der Pflanzen. 63 


andern Beispiele zu,;geschweigen.‘ Man braucht nur eiuen flüch- 
tigen Blick auf des Dioscorides Pflanzennamen, diese mit denen 
der älteren Autoren verglichen, zu werfen, um zu finden, wie 
die mehr zusammengesetzten, künstlicher gebildeten sich vermehrt 
haben, und dass die einfachen Adjectiva die ältesten sind. Aber 
die zusammengesetzten Namen hatten auch ursprünglich :Adje- 
etiv-Form, das ‚darin befindliche Substantiv ist. vorangestellt. 
wie: »Aorgorıov, u. Ss. w. Erst nach dem Verfall der Sprache 
(graeco-barbara aelas) wurden solche Namen wie Balcauodiv- 
doov , wosxoßoravev, Ögooıoßoravor, agdıoßoravn gebildet *). — Aus 
zwei Substantiven zusammengesetzte Namen kommen in den 
ältesten Zeiten äusserst wenige vor (wie: xvrösßaros, vosxiayuos) 
und schon dadurch, dass sie einen andern Pflanzennamen in sich 
enthalten, zeigen sie sich als jüngeren Ursprungs; bei Diosco- 
rides aber werden sie gewöhnlich, vgl. BovpYeAuor, Aayumovs, &p- 
voykwovov, uvoswris [od. uvos wris und wuvos ovs] u. a. Offenbar ist 
diese Bildungsart jünger (wenn nicht solche Namen aus Adje- 
etiven in Substantive übergegangen , wovon inzoveıs u. a. Spuren 
geben) und ihre Ableitung ist gewöhnlich höchst einfach. In 
die Bedeutung derselben treten keine gekünstelte, gesuchte ein- 
zelne Charactere ein, sondern eine metaphorische Total- Auf- 
fassung des ganzeu Gewächses, wie in den ältern einfachen 
poetischen Epitheten, die zu Namens - Range übergegangen sind. 
Man kann sich wundern, dass wir auf dieses Formelle so viel 
Gewicht gelegt, aber die Kenntniss desselben scheint zum rich- 
tigen Verstehen der Namen wahrhaft nothwendig zu sein; am 


gewöhnlichsten sucht man sie in Zeitwörtern, ohne an das nö- 


thige Substantiv zu denken. Nur in den Fällen, wo das Epi- 
theton ein zu triviales Wort war, behielt man das Substantiv 
bei, wie in ßoAßos £dodıuos, Zwerixos, isoa Boravn, U.S.w. Von den 
älteren Namen müssen hier wohl einige Beispiele angeführt wer- 
den: dövaxos (zaAauos) das bewegte (Rohr) ; «siöwov (gyvrov) **) das 
unvergängliche (Gewächs) ; 774:piov [gewöhnlich 774&9:0v] oder 


*) Diese Benamungsart ist es, die man jetzt für die beste hält — und 
gewiss ist sie vom systematischen Standpunkte aus die richtigste 
und bequemste; aber sie ist weder die natürlichste, noch die clas- 
sischeste. Wenn Linne adjectivische Namen tadelt, so hat er nicht 

f bedacht, dass solche gerade die ältesten waren. 


**) Die hier gebrauchten Epitheta sind nicht willkührlich genommen, 
soudern wirkliche nach den Quellen. Sempervivum war bei den 
Griechen wie ‚bei uns angepflanzt (gvrov) und Hippocrates führt 
es. da der Name «&iöwov noch nicht in Gebrauch gekommen, als 


ar » 3 
TO EN TO OIAELO)V Pvousvov an. 


64 Ueber die Namen der Pflanzen. 


rnA&gılov, die lange unvergängliche , die treu liebende (schwed.. 
kärleksört, Liebeskraut*); weis (devs) der mannatragende 
(Baum) [näml. d. Esche ]; &mıundıov (YvAlov) das in der Mitte 
[?] sitzende (Blatt), oder: mitten auf dem Blatte sitzend; 
Zpiusgov (zeivov) die bei Tage blühende (Lilie); HaAızzoov (Yvikor) 
das vielverästete (Blatt); va&exı000s (#oAßos) die betäubende (Zwie- 
bel), «i9ovoow und &Aarivn etc. (8oravn) die brennende (falsch über- 
setzt mit „glänzende *) Pflanze; eig« [gew. aloa] (2467 oder mie) 
das tödtende Gras; Aurea, Auratia (poma) u. Ss. w.”*), So 
einfach war die ursprüngliche Namengebung, oder richtiger, sie 
entstand nicht unter der Absicht, Namen zu bilden, sondern 
durch den Gebrauch wurden die Epitheta zu Namen; die älteren 
Namen verhalten sich zu den neuern so, wie das Naive, das 
um seine Sinnigkeit selbst nicht weiss, zu der studirten preten- 
tiösen Witzigkeit. 

Ein Theil Namen jedoch, der auszunehmen ist, sind alle 
Namen fremden Ursprungs. Man war in ältern Zeiten eben so 
bereit neue Namen zu bilden, wie jetzt. Erhielt man also eine 
Pflanze unter fremder Benennung, so nahm man diese in die 
Sprache auf (wie noch heut zu Tage in lebenden Sprachen ge- 
schieht; Thee, Koffee, Tabak und die Namen der meisten aus- 
ländischen Naturproducte sind ja aus für uns oft barbarischen 
Sprachen entlehnt) ; aber wie heute besonders die Franzosen es 
thun, nationalisirte man sie nach der eigenen Aussprache, so 
dass das Ursprüngliche nicht leicht wiederzuerkennen ist. Auf 
diese Art kamen schon sehr früh für eine Anzahl Handelsarti- 
kel indische Namen herein. Indess findet man bei den Alten 
gewöhnlich Belehrung darüber, aus welcher Sprache sie herrüh- 


*) Ueber die Uebereinstimmung der schwedischen und der griechischen 
Volkssage siche: [E. Fries] Grekernes Nymphaeaceer [die N. der 
Griechen], ed. 2..p» 1li. [Diese Abh. ist auch abgedruckt in 
Fries’ Bot. Utflygter. (Ups., 1843. 328 S. 8.)] 

**) Um uus nicht zu tief in eine Sache zu verirren, die gewiss Alle 
für zu unbedeutend ansehen werden, müssen wir eine Menge minu- 
tiöser Bemerkungen übergehen, die uns jedoch nicht bedeulungslos 
erscheinen. Zuweilen hat eine Pflanze verschiedene Namen ver- 
schiedenen (grammatischen) generis: dann liegt immer jedem 
zweiten Namen ein andrer Theil zum Grunde, wie unter dos zu 
verstehen ist dovs, unter %0oTvoSg HA0TTOS ; dass letzteres nur bei un- 
reifer Frucht davon gebraucht wird, ist ganz erweislich. Ein 
'Theil griechischer Namen hat der Analogie wegen, besonders wenn 
sie ins Lateinische herübergeführt worden, das ursprüngliche genus 
verloren, wie Padus, Cerasus u. a. Ursprünglich waren sie er- 
weislich Masculina, bis unter langem Gebrauche derselben als 
Substantive selbst der Gedanke an das ursprüngliche xaeros oder 
dergleichen weggefallen. 


Ueber die Namen der Pflanzen. 65 


ren, wenigstens Andeutungen. Man lasse sich nicht durch die 
Leichtigkeit, Wurzeln für Wörter zu finden, verleiten, solche 
im Latein oder Griechischen zu suchen. Die Römer (wenigstens 
Plinius) eigneten sich griechische Namen en gros zu, diese 
sind aber leicht von den wirklich lateinischen zu unterscheiden. 
Darauf hat man nicht genug geachtet. Für die letztgenannten 
die Wurzel im Griechischen zu suchen ist nach unsrer Meinung 
unrecht, selbst wo die Aehnlichkeit offenbar ist. Kannte man 
keinen Namen von der Pflanze, so benannte man am allerge- 
wöhnlichsten das Gewächs nach dem Fnndorte oder nach dem 
Orte, von wo man es als Handelswaare erhielt. Lässt sich des- 
sen Ursprung historisch verfolgen, so ist dieses wichtig für die 
Kenntniss des Formellen der Ausbildung der Namen und bestä- 
tigen letztere die obigen Grundsätze vollends. Alle treten zuerst 
als Adjective auf, das das Genus bestimmende Substantiv fallt 
vor unsern Augen hinweg und das Beiwort bleibt allein, als 
Name, zurück. Aus Medien hatte man zwei verschiedene Ge- 
wächse, nämlich ($o7dvn) undır, (jetzige Medicago), und wunida 
umdın: so lange man indess von dem letzteren nur die Frucht 
kannte. ward diese u740v undıröv genannt, vom erstern Namen 
aber blieb nur Medica (wobei gar keine medieinischen Eigen- 
schaften in Betracht kommen!). Ebenso zweierlei Persica: eine 
die jetzige (Malus) Persica; die andre, xagvov megormor, ist un- 
sre Juglans. Dasselbe ist der Fall mit Armeniaca, Punica, 
Colchicum (sc. zeivov) Carum oder, wie es zuerst hiess, semen 
Carium, Ligusticum (folium) aus Ligurien, Sardoa herba bei 
Virsil, aus Sardinien, PBritannica (radix) aus Belgien, Treucrium 
aus Troas, Aconitum von einem Örte Acone, T'hapsia und Samolus 
nach Inseln des Namens, Amerina (Salix) vom jetzigen Amelia 
bei Spoleto, u. a. Ein Theil andrer sind nachweisbar ähnlichen 
Ursprungs, nur mehr verändert, wie Cicla von Sicula radix, 
die sicilische.. Kam dasselbe Gewächs zu den Griechen und 
den Römern von verschiedenen Seiten her, so erhielt es bei bei- 
den seinen besondern Namen, z. B.: Punica (s. oben); der Grie- 
chen »«oravov nannten die Römer glans (Sardica) aus Lydien, 
bis sie ersteres (als Castanea) annahmen; Esculus nannten sie 
glans Chaonia nach dem ältern epirotischen Namen; Tamarix 
benamten die Römer nach dem jetzigen Tambra in Spanien, 
ohne zu wissen, dass sie die wveisn der Griechen war. Die 
Nachricht des Plinius von der Benamung der Cerasus nach der 
Stadt Kerasunt in Pontus und ihrer Einführung dureh Lueullus 
darf nieht auf unsre Prunus Cerasus bezogen werden; diese 
war viel früher bekannt, schon dem Theophrast unter dem Namen 


3 


2 I 


66 Ueber die Namen der Pflanzen. 


00008, (Plinius giebt übrigens auch selbst mehrere Kirschenar- 
ten als in Europa wild an); Cerasus ist, nach Buttmann, wohl 
von z2oos gebildet, wie Cornus von cornu, — und die Stadt 
hat eher ihren Namen von der Pflanze bekommen, als umge- 
kehrt, denn was am ältesten ist, muss wohl den Namen verlie- 
hen haben; die Cerasus aber, die bei Kerasunt wächst, ist nach 
Belon Lauro- Cerasus. 

Dagegen sind wir überzeugt, dass der jetzt gewöhnliche 
Gebrauch, Pflanzen nach Personen zu benennen, in der alten 
Zeit unbekannt gewesen ist; (erst im Mittelalter fing man an, Hei- 
ligen Pflanzen zu widmen, und als Prineip wurde es eigentlich 
erst von Plumier angenommen): was wohl am besten daraus er- 
hellet, dass nach keinem der ausgezeichnetern Botaniker der 
Vorzeit früher als in neuerer Zeit eine Pflanze benannt worden. 
Man hat indess diesem Gebrauche Urahnen zu verschaffen ge- 
sucht, doch bei genauerer Untersuchung dürften die - meisten 
Beispiele, wo nicht alle, zerfallen. In der neuern Zeit hat man 
wohl mythologische Namen an Pflanzen verliehen, wie Andro- 
meda, Chssandra; u. s. w., aber die ältern: Narcissus, Hya- 
cinthus, Adonis ete., sind als Pflauzennamen gewiss älter als 
die Mythen, die eben durch eine Allegorie in Bezug auf eine 
Eigenschaft der Pflanze entstanden sind; in einer solchen liegt 
ihre Erklärung. Bei allen den andern wiederum, die mit histo- 
rischen Personen zusammengebracht worden sind, ist dieses 
gewöhnlich nur wegen Namengleichheit geschehen; die Pflanzen- 
namen sind sicherlich älter, sie haben gewöhnlich eine einfache 
Ableitung, die der Pflanze und nicht der Person gilt, wie T'ele- 
phium, es Helenium, Lysimachia u. s. w. Die am 
meisten für das Gegentheil sprechenden Beispiele sind wohl 
Achillea und Artemisia, aber auch diese lassen sich anders er- 
klären: ersterer Name, wofür es auch zulloyviäsie (lat. Millefo- 
tum) heisst, kann leicht eine Zusammenziehung eben hiervon 
sein, 7 zılıeio, — und von Artemisia deutet Plinius selbst an, 
es sei eine veränderte Aussprache von Parthenis, wie Tanace- 
tum (ohne allen Grund von Ydvaros, Havo abgeleitet) von Tanna- 
cum [oder Tamnacum], einem alten Namen des Parthenium, 
so dass im Grunde alle diese Namen gleichbedeutend zu sein 
scheinen, so wie sie in der Arzneikunde der Alten ohne Unter- 
schied zur Anwendung kamen. 

Eigentlich erst im Mittelalter fing man an, Gewichte nach 
Personen zu benennen, da aber nur nach Heiligen (nach sol- 
chen benamte zählt Linne in seiner Philos. bot. gegen 30 


Ueber die Namen der Pflanzen. 67 


auf*) und in der Religionsgeschichte gefeierten Namen, auch 
nach Personen des alten Testaments, wie Sigillum Salomonis, 
Candelabrum Salomonis u. s. w. Christus und die Jungfrau 
Maria bekamen jedes einen ganzen Blumengarten; aber auch die 
Engel (Angelica), sogar der böse Geist (Morsus diaboli), wur- 
den nicht vergessen. Mit allen diesen Namen sind Legenden 
verknüpft; symbolische Begriffe liegen ihnen zu Grunde. Mit 
Unrecht, wie mir scheint, verachtet man alles dergleichen; zwar 
gehört es nicht der strengen Wissenschaft an, aber was mit der 
Entwickelung der Menschheit im Zusammenhange steht, wozu 
ihr Verhältniss zur Natur vorzugsweise gehört, davon darf nichts 
übersehen werden, und wer den Geist der Zeiten wirklich er- 
kennen will, darf ihre Auffassung der Natur nicht verschmähen., 
Als Symbole der Dreieinigkeit wurden aus drei Blättchen zu- 
sammengesetzte Blätter betrachtet (Alleluja u. s. w.); auch Blu- 
men mit drei Farben (flos Trinitatis). Pflanzennamen, die auf 
heidnische Gottheiten hindeuten, wurden durch Versetzung an 
Heilige getauft. Alle diese Namen entstanden unter dem Volke 
(dass die Namen jener Zeit nicht von Männern der Wissenschaft 
gebildet sind, ist um so gewisser, als es solche damals nicht 
gab), noch heut zu Tage ist die Volkssprache die zuverlässig- 
ste Quelle derselben — und nur in der noch fortlebenden Tradi- 
tion haben sie ihre Erklärung **). Man findet in dieser Hinsicht 
eine Uebereinstimmung zum Verwundern in allen christlichen 
Ländern. Man erkennt die Namen des Mittelalters leicht an 
‚dieser ihrer religiös-symbolischen Bedeutung, und im Formellen 


x 


*) Helenium, welches man von Helena abgeleitet glaubte, wie un- 


0 

ser schwedisches Alunsrot, Alandsrot, von St.-Älins rot, hat, 
zugleich mit letzterem, einen ganz andern Ursprung. Schon bei 
Hippocrates hiess es nach dem Standorte in Sümpfen &A&vıov, und 
der schwedische Name ist wohl das gothische Alant, welches 
nach Isidorus Hispalensis, einem gebornen Gothen selbst (F 636), 
der gothische Volksname der Pflanze war; — die griechischen 
Namen kannte Isidorus nicht. 


#4) Linne führt in Philos. bot. $ 214 (ed. Stockh. 1751. $ 211) meh- 
rere der Art auf, aber eine reiche Nachlese findet sich sowohl bei 
ältern Schriftstellern, als auch in der noch lebenden "Tradition. — 
Alle Legenden des Mittelalters, soweit sie uusre Pflanzen berüh- 
ren, habe ich unter unserm Volke allgemein bekannt gefunden. In 
einer frühern Abkandlung [Grek. Nyınphaeac.] haben wir zu zei- 
gen gesucht, dass auch gewisse Elemente der griechischen Mytho- 
logie noch bei uns [in Schweden] im Volksglauben fortleben — und 
es scheint uns sonderbar, dass, während man so viel Gewicht auf 
das Griechisch - Alterthümliche legt, man das, was es unter uns 
giebt, nicht würdigt Notiz davon zu nehmen, 


5 


68 Ueber die Namen der Pflanzen. 


daran, dass sie aus zwei Substantiven gebildet sind, die nicht 
zu einem Worte verbunden sind, so dass das eigentlich Bestim- 
mende im Genitiv-Casus steht. In den wenigen und unbedeu 
tenden Schriften, die uns aus jener Zeit übrig geblieben, kom- 
men sie weniger vor als bei den Vätern der Botanik, welche 
die in der Volkssprache vorhandenen sorgfältig aufgenommen. 
Daneben ging im Mittelalter die Kenntniss der Namen der Alten 
verloren; die, welche sich erhielten, wurden oft geradebrecht, 
und auch verwechselte wurden so auf die folgende Zeit fortge- 
pflanzt, was man nicht übersehen darf, wenn man ihren Ursprung 
historisch untersuchen will. An die Stelle der griechischen 
wurde dabei in den Schriften der Zeit eine Menge uralter Volks- 
namen aus germanischen Sprachen aufgenommen, wie Dorella 
(unser schwed. Dodra oder Döre |[Leindotter]) u. dgl. Die 
meisten der Art wurden wohl bei der Restauration der Botanik 
ausgemärzt; andre dagegen wurden latinisirt und sind noch bis 
heute beibehalten worden, wie Humulus, Trollius. Dies letztere 
glauben wir auch nicht missbilligen zu können, da die Römer 
gerade ebenso verfuhren. Aber in den Namen jener Periode ist 
nicht dies Sprachliche, sondern das Symbol selbst das Wesent- 
liche, das mit den verschiedenen Worten ausgedrückt wird; die 
Namen sind noch in einem embryonischen Zustande, worin sie 
deshalb durch veränderliche Epitheta ausgedrückt werden. So 
werden z. B. die Orchides Christo und der Jungfrau Maria zu- 
geeignet, sie heissen im Mittelalter gewöhnlich Palma Christi, 
in mehrern schwedischen Provinzen noch jetzt Herrans händer 
[der Herrin Hand, auch Jungfru Mariae hand]. Es giebt eine 
Menge Legenden von ihnen, die in verschiedenen Provinzen ver- 
schieden ausgebildet worden, obschon man die primitive Einheit 
deutlich erkennt. Oft haben örtliche Verhältnisse zu ihrer Bil- 
dung eigenthümlich beigetragen. So ist es eine alte symbolische 
Auflassung, dass Wermuth Reue bedeutet; da aber der ihm 
zunächst verwandte Beifuss (Artemisia vulg.), welcher nicht 
merklich bitter ist, in Smäland das schlimmste Ackerunkraut 
ausmacht, das nur mit grösster Mühe auszurotten ist, so hat 
man diesen dort zum Symbol der Sünde genommen, wodurch 
erst ein im ascetischen Volksunterrichte jener Gegend gewöhn- 
licher, sonst unbegreiflicher Ausdruck: Beifuss ist ein böses 
Kraut (Grabönan är en ond ört) u. s. w., erklärt wird. 

Das Bemühen der Väter und Wiederhersteller der neueren 
Botanik in Betreff der Nomenclatur ging hauptsächlich darauf 
aus, unter Ausfindigmachung der Pflanzen der Alten auch die 
verloren gegangenen classischen Namen wiederherzustellen ; doch 


Ueber die Namen der Pflunzen. 69 


in Ermangelung dieser eigneten sie sich auch die Benennungen 
aus dem Munde des Volkes an, die sie dann in Latein und 
Griechisch übersetzten. Sie sind also nur mittelbar aus gleicher 
Quelle mit den älteren geflossen, welche Kunstproducte sind, 
und an dem Formellen in ihrer Bildung merkt man bald, dass 
auch sie es sind. Aber durch sie wurden doch zuerst die im 
Mittelalter aufgekommenen Ideen und Benennungen eingeführt, 
wobei man übrigens die Sprache zu reinigen suchte, die dunkeln 
und unbestimmten (wie' Alleluja, vgl. ob. I.) verwarf oder ihnen 
eine dem neuen Geiste der Zeit mehr entsprechende Wendung 
zu geben suchte, wie Aquilegia u. s.w. Da wir aber unter die- 
ser Periode die ganze Zeit von Brunfels bis Linne, während 
welcher die Wissenschaft in stets fortgehender Entwickelung 
begriffen war, zusammenfassen, so ist es schwer etwas der 
ganzen Zeit Gemeinsames anzugeben. Im Formellen kann dies 
jedoch leichter geschehen; der Botaniker erkennt die Namen 
dieser Periode sogleich an ihrer Bildungsweise. Die zahllosen 
unelassischen Namen auf —oides, —astrum, —astroides, —ella 
oder mit einem modificirenden Epitheton vor einem bekannten 
Namen, die gegen die Zeit der Linneischen Reform hin sich 
immer mehr häuften und ganz besonders Gegenstände der Ver- 
dammung von Seiten Linne’s wurden (Phil. bot. $. 228 —231- 
[ed. Stockh. $. 225. sgg.], wo Beispiele in Menge aufgeführt 
stehen), sind für diese Zeit höchst characteristisch und ihr al- 
lein eigenthümlich. Dazu kommen Namen auf —ago, wie Bor- 
rago, Plantago, Tussilago, Solidago, Populago ete., in wel- 
che alle ago sowohl in der Bedeutung von „etwas vorstellen 
(gleichen) “ als auch von „auf etwas wirken“ eingeht; auch die 
nun gewöhnlichen Zusammensetzungen eines Nomens mit einem 
Verbum (sangui-sorba): waren früher fast unbekannt gewesen- 
Im Ideellen lässt sich schwerer etwas gemeinschaftliches her- 
vorheben, zumal da Ideen der vorhergegangenen Periode, ob- 
gleich 'seltner, wiederkehren, wie in Zerba sancta, welches 
besonders, nach unsrer Vorstellung, der älteste botanische Name 
des Tabaks war. Dass jedoch die Zeit mehr realistisch wurde, 
wird dadurch bezeugt, dass im Anfange die meisten Namen sich 
auf die Kräfte der Pflanzen und ihre Anwendung in der Medicin 
und Technik bezogen, wovon, ausser schon genannten, Car- 
diaca, Podagraria, Camphorata, Alchemilla, Sanguinalis, 
Salicornia, Salsola, Kali, und unzählige andere Beispiele sind. 
Dies ging indess allmählig dazu über, dass man auf äussere 
zufällige Uebereinstimmungen oder Aehnlichkeiten der Pflanzen 
mit einander hauptsächlich sah, was endlich so überhand nahm, 


% 


70 Ueber die Namen der Pflanzen. 


dass fast jeder neue Name nur ein Bruch eines bereits beste- 
henden war, entweder mittelst der obigen Endungen (—oides, 
—astrum, —ella), oder eines vorangesetzten micro—, pseudo—, 
chamae—. Es war die Weise jener Zeiten, die natürliche Ver- 
wandtschaft durch Aehnlichkeit der Namen auszudrücken, als 
man noch keine Familien oder andres wesentliches Verbindungs- 
mittel hatte. Auch steht die Ausbildung der Nomenclatur in so 
untrennbarer Verknüpfung mit den systematischen Ideen, dass 
man sie deren materielle Form nennen kann, — daher es von 
Linne wirklich consequent war, zu äussern, „die Disposition und 
die Namengebung seien die Grundlagen der Botanik“ (Phil. 
bot. $. 213., ed. St. 210.)*): eine Behauptung, die indess in un- 
serer Zeit niemand würde unterschreiben wollen. 


ZI, Die Linneische Beform der Nomenclatur. 


Nomina vera plantis imponere Botanicis genuinis tantum 


in potestate est. Lınxz. 


In keinem Theile der Naturgeschichte war Linne’s Reforma- 
tion so sichtbar, als in der Terminologie und Nomenclatur; 
er führte in beiden eine neue Sprache ein, die nicht etwa durch 
philosophische Tiefe oder dialectische Schärfe, sondern durch 
ihre Einfachheit und Naturgemässheit sich geltend machte. Die 
Terminologie wurde allgemein als Sprache der Naturforscher an- 
genommen; aber unter weiteren Anbauten sind so wohl ihre aurea 
als auch die argentea aetas längst vergangen. Die Grundsätze 
für die Benamung der Gattungen waren so einfach, dass man 
nunmehr sich nur darüber verwundert, wie man je habe anders zu 
Werke gehen können. Dass alle Gewächse, die zu derselben 
Gattung gehören, einen gemeinschaftlichen Gattungsnamen haben 
müssen (Phil. bot. $. 216.), dass diese wieder für verschiedene 
Gattungen verschieden sein müssen ($.217.), u. a., sind so klare 
Sätze, dass es wohl in unsrer Zeit überflüssig scheint, derglei- 
chen anzuführen; aber die Verwirrung, die vor Linne darin 
herrschte, erklärt genügend, warum Linne so viel Gewicht dar- 
auf legen konnte. Alles was Linne in seiner Philos. bot. über 


*) Dieser Ausdruck erklärt, warum Viele übersehen haben, welche 
ganz neue Richtung Linne der Wissenschaft gegeben, so dass 2, 
B. Cuvier ihn nur den „grossen Reformator der Nomenclatur der 
Wissenschaft“ nennt. Linne, mehr von einem innern brennenden 
Gefühle, als von speculativem Scharfsinn geleitet, sah selbst kaum 
die Wichtigkeit seiner rein biologischen Auffassung der Natur ein; 
er konnte sich keine andre möglieh denken, 


Ueber die Namen der Pflanzen. 71 


Namen sagt ($. 213—258., ed. Stockh. $. 210. sgg-), betrifft nur 
die Gattungsnamen; was Linne 1. c. $. 260. Speciesname [richt 
Trivialname ] nennt, ist der Character, die „differentia essentia - 
lis“ [von Vielen als ‚Diagnosis“ bezeichnet]. 

Ueber Namen von Pflanzenfamilien kommt in Linne’s PAi- 
los. bot. [ed. Stockh. $ 251 sgg., Willd. Spr. $ 254.] kaum 
etwas vor, denn was Linne von den Ordnungen sagt, bezieht 
sich. mehr auf ein künstliches System. Dekamntlich werden 
diese jetzt gewöhnlich nach der Hauptgattung benannt, und 
dieses kann, als nicht allein das Gedächtniss unterstützend, 
sondern auch das Typische und Centrale der Familie andeutend, 
nicht anders als gebilligt werden. Hierbei ist zu beachten, dass 
eine Hauptfamilie einen umfassendern Namen erhalten muss, 
als eine Unterabtheilung, und man daher statt ‚„‚Ericee (sensw 
lat.)‘“ schreibt Ericace@, während man Ericee für eine Gruppe 
derselben in engerem Sinne behält. So müssen auch Familien- 
namen nach einer ganzen Gattung allen denen nach einer ein- 
zelnen, wohl gar abweichenden, Species vorgezogen werden, 
z.B. Ribesie von Grossulari@; ebenso die nach einer typischen 
Gattung denen nach einer atypischen, so Potamogetonee dem 
Namen Najade« (so lange beide vereint); Najas kann übrigens 
gar nicht zu derselben Familie mit Potamogeton kommen: sie 
steht den Hydrocharidee näher, und wer Najas mit Udora (!) 
vergleicht, wird bald die Unmöglichkeit einsehen, diese weit 
aus einander zu halten, Nur sehr natürliche Familien, wo sich 
keine eigentliche Centralgattung angeben lässt, wie Crucifer®, 
Umbellifere u. a., pflegt man nach einem gemeinsamen Character 
zu benennen , der eben bei diesen leichter in die Augen sprinst 
als bei andern Familien. Man gebrauche aber dafür nicht ein- 
fache, vielumfassende, vage Termini, wie Amentacez, Com- 
positae; „Synanther«““ Rich., Lssy., hat einen bestimmten Vor- 
zug. Aus guten Gründen verwirft De Candolle die Endung oidee, 
behält sie aber selbst für Ficoidee, um so unpassender, da 
Ficus nicht dazu gehört. 

Besondere, vielleicht zu grosse, Wichtigkeit legte Linne 
dem Formellen bei der Bildung der Gattungsnamen bei. Die 
Gesetze, welche Linne dafür gegeben, werden im Ganzen noch 
als richtig anerkannt; nur will man sie für zu streng halten und 
erlaubt sich viele Abweichungen davon. Es ist auch schwer 
einzusehen, warum man nicht sollte aus zwei lateinischen Wör- 
tern einen Namen zusammensetzen dürfen und warum ein Name 
aus dem Sanskrit, Arabischen u. s. w. verwerflicher sein soll, 
als ein lateinischer von ganz unbekannter Ableitung. (Philos. 


2 Ueber die Namen der Pflanzen. 


bot. $. 225 sq. d. neu. Aufl.). Aehnlich klingende Namen wer- 
den, als leicht zu Verwechselungen führend, auch von Linne 
verworfen; seitdem aber die Zahl der Gattungen so vervielfacht. 
worden, ist es nicht mehr möglich auszuweichen. Doch bleibt 
es, wie Link schon bemerkt hat, unpassend, durch blosse abge- 
änderte Flexion eines bereits existirenden Namens oder mit 
einem Vorsatze daran neue Namen zu bilden (gegen Phil. bot.. 
$. 227, 230.), wie Chamagrostis, Calamagrostis, Valerianella 
u a. Die mehreren Namen, die (gegen Phil. b. $ 233, 234.) 
früher an Thiere vergeben gewesen oder Kunstausdrücke in an- 
dern Fächern sind, führen zu unwillkührlicher Verwirrung. Die 
Missbräuche bei dem Benenner von Gattungen nach Personen 
hat schon Link gerügt, und Linne’s Verbot, nach allerlei be- 
rühmten Personen Pflanzen zu benamen, hat man rein aufgegeben. 
Da dieses alltäglich geschieht, so wäre es gar zu einseitig, ultra- 
protestantisch, auf die Aufrechthaltung von Linne's Gesetze 
gegen Benamung nach Heiligen zu dringen. Sie können. eben 
so gut sein, wie Celebritäten neuester Zeit. Wagte aber Jemand 
den Versuch, unrichtige Namen zu verwerfen oder sogar nur 
fehlerhaft geschriebene zu corrigiren, so würde dies sehr übel 
aufgenommen werden. Schreber versuchte es mit Aublet’s 
ächten caraibischen Namen (Vouapa’und unzähligen dergleichen), 
aber es zog ihm viel Verdruss zu; die barbarischen Namen 
hat man wieder angenommen — und Sprengels meistens lingui- 
stische Verbesserungen hat man auch als Pedanterie gedeutet. — 
Ausser Linne haben auch Sprengel und Link gute Regeln 
in der Sache gegeben, weshalb wir nicht länger hierbei ver- 
weilen*). Betzius’ Observ. in Linn. Crit. bot. enthalten viele 
gute Bemerkungen darüber. 


*) Linne’s lebhafte Phantasie zeigte sich auch von starkem Ein- 
flusse bei seiner Benamung von Pflanzen nach Personen , so dass 
er zu deren Emblemen gern Pflanzen wählte, die auf ihre persön- 
lichen Eigenschaften oder Lehrsätze hindeutelen, wie Knautia. 
Forskäl war als ein sehr hartnäckiger Disputator bekannt,. wes- 
halb Linn eine Forskolea tenacissima erwählte und benannte. Der 
berühmte Miller sandte an Linne von seinem reichen Vorrathe oft 
Samen, aber gewöhnlich nur 2, höchstens 5 auf einmal; Linne 
benamte danach die /Millera biflora und guingueflora. Der be- 
rüchtigte Bischof Browallius war vor seiner Ernennung zum Bi- 
schofe sehr unterwürfig gewesen, deshalb benannte Linne eine 
Pflanze Browallia demissa; weil derselbe aber als Bischof sich 
sehr stolz zeigte, so fügte Linne auch eine zweite Art in der Br. 
elata hinzu; und als später Browallius als Reichstagsmann als ein 
a Partheigäuger bekannt wurde, bedachte ihn Linne 
nun mit einer dritten Art, Br. alienata. 


Ueber die Namen der Pflanzen. 73 


Unter den Reformen Linne's in der formellen Behandlung 
der Botanik war keine wichtiger und zugleich mehr das Studium 
derselben erleichternd, als die Einführung der logischen Species- 
Definitionen und der festen Species-Namen; beide sind so ein- 
fach, dass man nun kaum begreift. wie sie so lange den 
Botanikern hatten entgehen können. Die Phrasen, deren man 
sich früher als Diagnosen und Namen zugleich bedient hatte, 
sind keins von beiden und durchaus vag und unbestimmt. Nach 
Linne’s erster Ansicht sollten die Definitionen zugleich als 
Namen dienen, bis die zwingende Nothwendigkeit, diese zu 
ändern und zu erweitern *), zur Annahme der Speciesnamen, 
oder romina trivialia, wie Linne sie nennt, führte. Deren 
hatte zwar einen guten Theil schon Rivinus, welcher sie 
in ähnlicher Weise wie Linne bildete, eingeführt, welche Namen 
denn auch Linne gewöhnlich beibehielt (z.B. sind die Artnamen 
fast aller unsrer Vicie@ u. a. von Rivin gegeben”**)); aber zum 
allgemeinen Grundsatze hatte Rivin diese Benamung nicht 
erhoben. Linne scheint die Wichtigkeit derselben im Anfange 
selbst nicht eingesehen zu haben (vgl. Phil. bot. $ 162.), auch 
hat er keine Gesetze dafür aufgestellt; letztere konnten übrigens 
unnöthig sein, theils weil Linne durch allgemeine Einführung 
der Trivialnamen in den Spec. plantar. ihnen ein so glück- 
liches Vorurtheil für sie erwarb, theils weil Gesetze Missbrauch 
und Streit voraussetzen, die um eine so neue Sache nicht zu 


*) Linne’s Gesetze für die Art-Definitionen wurden von allen seinen 
Nachfolgern, auch von Haller, angenommen uud ebenso von neu- 
‚eren Botanikern in thesi anerkannt, hier aber in praxi oft, beson- 
ders in Werken nach natürlichen Systemen, wo in Allem ein Stre- 
ben nach Regellosigkeit bemerkbar wird, von synoptischen Descri- 
ptionen verdrängt, hauptsächlich deshalb, weil, wie mau fand, 
die kurzen Linneischen so leicht mehrere Arten umfassten. Aber 
nicht bloss in theoretischer Hinsicht, auch iz praxi war das Lin- 
neische Verfahren fasslicher, bestimmter und klarer, — und durch 
Nichtbeobachten desselben wird die Unsicherheit im Bestimmen 
eher vermehrt als vermindert, daher man auch schon angefangen 
hat, in diesen Descriptionen die Differenz selbst mit Cursivschrift 
hervorzuheben, was in der 'That eine Rückkehr zur Linneischen 
Methode ist. 


##) Es ist zwar richtig, dass man bei allen diesen vielmehr Rivin 
als Autor anführen sollte — (Rivin war einer der ausgezeichnet- 
sten und selbstständigsten Botaniker seiner Zeit, ohne dass er jetzt 
die volle Anerkennung in der Geschichte der Botanik genösse, weil 
er eben nicht Gompilator genereller Werke war); da aber die 
ganze Zeit vor Linne das alte ’lestament der Botanik ist, so 
bleibt man gewöhnlich bei ihm stehen, und da auf jeden Fall er 
die Nomenclatur zum Principe erhoben hat, so ist es am einfach- 
sten, von dieser allgemeinen Grundlage auszugehen. 


74 Ueber die Namen der Pflanzen. 


Linne’s Zeit entstanden. Von allen seinen Nachfolgern, Haller 
ausgenommen, wurden die Namen mit Dank aufgenommen und 
werden gewiss immer erhalten werden; die einzige Aenderung, 
die dem Principe widerfahren, ist das so häufige Benennen nach 
Personen aus blosser Artigkeit (nach Linne ist keine einzige 
Art in seinem ganzen Systeme benamt worden, kaum aber sind 
die nach De Candolle in dessen erst halb vollendetem Werke zu 
zählen); nur wenn sie etwas wirklich historisch - Belehrendes 
in sich trugen, behielt Linne solche bei. Der Grund, weshalb 
Linne keine Gesetze in Betreff der Artnamen aufstellte, lag 
wohl darin, dass die Zeit erst zeigen konnte, was für Streit- 
fragen darüber entstehen möchten. Diese Punkte sind es daher, 
die wir hier zur nähern Untersuchung vorlegen wollen. Möge 
man es nicht für vermessen halten, dass wir unsre Ansicht 
nach Linne's Weise in der Form von Aphorismen darstellen. 
Unsre Vorgänger auf diesem Wege, Sprengel und Link, befolg 
ten dieselbe Methode. Zur Erleichterung der Uebersicht werden 
wir nach einander die Artnamen betrachten nach ihrer Form, 
ihrer Bedeutung, den Aenderungen der Namen, ferner nach der 
Priorität, der Auctorität nnd nach dem Principe zu Ermittelung 
der darunter gemeinten Art. Hinsichtlich der beiden erstern ist 
man im Ganzen in den Grundsätzen einig, obgleich in der An- 
wendung viele Abweichungen vorkommen. Jeden Punkt einzeln 
mit Beispielen zu erläutern halten wir für überflüssig. 


I. Was die Form betrifft, so 

1. muss jede Art ihren bestimmten Namen 
haben. Es dürfen nicht mehrere Arten derselben Gattung glei- 
chen Namen führen. Man darf nicht für eine Art deren zwei 
annehmen. Nur wenn ein älterer Name wieder hergestellt wer- 
den muss, ist es zweckmässig, eine kurze Zeit, bis der frühere 
wieder bekannt wird, den jetzt bekannteren in Parenthese bei- 
zusetzen. 

2. Adjectivische Namen sind besser als Sub- 
stantive. Ohne besonderen Grund bilde man keine neuen, 
Substantive. Die schon angenommenen aber müssen bleiben, 
und die, welche uralte Autorität haben, sind historisch sehr 
wichtig. Auch wenn ein Genus eingezogen wird, behält man 
seinen Gattungsnamen am liebsten als Artnamen bei. Substan- 
tivische Namen schreibt man, zum Zeichen der Apposition. 
stets mit grossen Anfangsbuchstaken. 

3. Artnamen müssen auch ein Wort sein. Aus- 
nahmen mögen nur die machen, die alten historischen Ursprung 


Ueber die Namen der Pflanzen. 75 


haben, wie Bursa pastoris, Oculus Christi. Link fordert 
hier Ausschliessung der letzteren; diese ist aber in manchen 
Fällen nicht möglich, wie bei Noli tangere, und in allen würde 
dadurch die Bedeutung geändert. Lieber würden wir schreiben 
Bursa - pastoris u. S. w. 

A. Lateinische Namen sind besser als grie- 
chische, nachdem nun einmal Latein, nicht Griechisch, die 
oflicielle Sprache der Botanik geworden ist, sonst könnte man 
es gern umkehren. Mit etwas Kenntniss des Griechischen in 
Namen glänzen zu wollen, ist Jächerliche Eitelkeit. — Ehrhart 
führte, aus wissenschaftlichen Gründen, eine Menge solcher ein, 
die zugleich Substantive sind: sie sind in jeder Hinsicht unbe- 
quemer als ihre Synonyme. Indess sind die aus classischer 
Quelle wichtig genug um erhalten zu werden; auch neu aufge- 
stellte solcher Art sind fortzuführen. Ausnahmen sind ferner 
bei grossen Wattungen ‘zulässig, wo sie nicht zu vermeiden 
sind, so wie mit Wörtern, die bei den Botanikern so allbekannt 
sind, dass sie für latinisirt gelten können, z. B. macrorrhizus, 
polyphyllus, micranthus, monandrus, digynus, trispermus u. S.w. 

5. Solche Pflanzennamen aus lebenden Sprachen, 
die entweder als offieinelle durchgängig angenommen oder in der 
Heimath allgemein bekannt sind, eignen sich recht gut zu 
Artnamen; nur müssen sie Stammwörter und nicht barbarische, 
für den Mund manches Volkes schwer oder gar nicht aussprech- 
bare oder sonst widrige sein, wie ein Theil americanischer: in 
solchen Fällen mildert man ihre Schreibung ‚ auch sind sie nach 
ihrer Aussprache zu schreiben. 

6. Lexicalische und grammatische Fehler müssen be- 
richtigt werden in Gattungs- wie in Artnamen, sowohl in 
der Aussprache als in der Schreibung. (Franzosen schreiben 
z. B. gewöhnlich örte mit uper u. s. w.) Hybride, d. i. aus ver- 
schiedenen Sprachen zusammengesetzte Wörter sind in die 
Sprache des Hauptstammworts zu reduciren. 


Mi. Hinsichtlich der Bedeutung der Artnamen sind 


7. Die brauchbarsten die, welche das ganze 
Aussehen der Pflanze, irgend einen leicht in die 
Augen fallenden Character, eine ausgezeichnete 
Eigenschaft oder ihr Verhältniss zu verwandten Arten aus- 
drücken. Wie gleichgültig auch oft ein Name zu sein scheint, 
so erleichtert doch ein treflender ausserordentlicher gar sehr 
sowohl das Bestimmen, als auch das Gedächtniss. Was die 
relativen Namen betrifft, so ist es nicht wohl passend, wenn 


\ 


76 Ueber die Namen der Pflanzen. 


sie sich nur auf einen einzelnen Theil der Pflanzen beziehen, 
wie Plantago major auf die Breite der Blätter; Androsace 
mazima auf die grossen Hüllblätter. | | 

8 Die besten sind jedoch die von vegetativen 
und biologischen Verhältnissen hergenommenen, 
zumal da diese, nach gewöhnlichem. Gebrauche, nicht in’ die 
Definition kommen. Recht gut sind auch die nach Standort 
und Vaterland. Sollte auch letzteres ausgedehnter sein, als 
der Name besagt, so giebt das keine Verwirrung. Man :hüte 
sich jedoch, ihn von zu eingeschränkten Orten, wo eine sonst 
weit- verbreitete Pflanze nur zufällig vorkommt (wie Potentilla 
salisburgensis), oder von ganz unbekannten, die nicht in geogra- 
phiscben Büchern stehen, herzunehmen. 

9. Historische Namen werden genau bewahrt, 
wenn sie von wirklichem Interesse, entweder aus der Volks- 
sprache oder ältern Autoren entnommen sind. Bei Benamung' 
neuer Arten vergleiche man ältere Autoren, bei welchen manche 
noch nicht oder erst in spätern Jahren unterschiedene Arten 
(noch unter andern mitbegriffen) vorkommen. Auf Personen 
sich beziehende Artnamen, die schon Link u. A. für minder 
passend erklärt haben, sind nur zu vertheidigen, wenn 
sie inhistorischer Hinsicht aufklärend sind. Miss- 
brauch hierin, welcher jährlich zunimmt, hat und wird einst 
der Wissenschaft und den Botanikern viele Schmach zuziehen. 
Die Ehre ist sehr zweideutig: gewöhnlich will man damit den 
Irrthum einer Person verewigen; zuweilen wird sie etwas lächer- 
lich, z. B. wenn Raubthiere, Käfer, Pediculi u. dgl. nach Per- 
sonen benannt werden, oder wenn Sprengel Z’helebolus sterco- 
rarius Tod. mit T'h.. Todeanus übersetzt. Es kann an den Gat- 
tungsnamen genug sein. Ob Jemands Ehre dadurch gestiegen, 
ist uns unbekannt. Die Linnaea lieben wenigstens wir um: 
Linne’s willen, aber nicht umgekehrt. 

10. Es ist ganz gleichgültig (besonders in grössern 
Gattungen, in kleineren muss es vermieden werden), ob zwei 
oder mehrere Namen gleichbedeutend sind, wenn 
sie nur in der Form abweichen. — Auch hebt es die Richtig- 
keit eines Namens nieht auf, dass man einen ‚bessern hätte 
geben können oder ein gegebner einer andern Art besser zukäme. 

ll. Nur als provisorische kann man gewisse vage 
Namen ansehen, wie dubium, incertum, hybridum, neglectum, 
novum u. Ss. w. Der Namengeber giebt im erstern Falle zu, dass. 
er die Pflanze nicht sicher kennt, und wenn sie nachher richtig 
erkannt worden, hört die Anwendbarkeit des Namens auf. — 


Ueber die Namen der Pflanzen. 77 


Alle Artnamen mit hybridum sind obenein gewöhnlich falsch 
angebracht. (Sorbus hybrida sollte nach Linne’s eignem älteren 
Namen S. Fenica heissen). Für wahre Bastarde (aber nicht 
der für solche ausgegebenen sind Aybridae) kann Schiede’s 
Methode, aus den Namen beider Aeltern einen neuen zu bilden, 
angenommen werden, man muss da aber sicher sein, dass es 
wirklich Bastarde sind; — doch danach schon ange- 
nommene Namen zu ändern kann nicht gebilligt werden. 

12. in Betreff der Verhältnisse, von welchen man die Na- 
men hernehmen solle, lassen sich indess keine bestimmten 
Gesetze geben. Durchaus verwerflich sind nur die 
Namen, die auf einem offenbaren Irrthume beruhen, 
wie auf ganz falscher Heimath, oder die durch Druckfehler ent- 
standen sind (Hieracium pontanum statt montanum | Dielytra 
und: Dielytra statt Dicentra]), oder ganz der Natur wider- 
sprechen, wie Salic arenaria für S. limosa. Dass etwa ein 
Name von einem Character hergenommen worden, der wandel- 
bar ist, macht den Namen nicht ungültig, sofern seine Anwend- 
barkeit auf die Hauptform sicher ist, z. B. Turritis hirsuta, 
Cardamine hirsuta. Dagegen aber sind naturwidrig Namen nach 
einer atypischen Form, wie Betula pubescens: dieser Name 
kommt nur einer abweichenden Form der DB. glutinosa [die 
nämlich in Schweden als Hauptform gilt] zu, und nähme man 
die erstere als Hauptform an, so würde der Begriff der Art 
ganz verdrehet. . 


IH. In Betreff der Aenderung der Namen 
gilt als Princip: 

13. Dass kein Name ohne die zwingendsten 
Gründe geändert werde. Wenn die obigen Grundsätze 
nicht so streng rationell scheinen, wenn die Toleranz gegen 
minder passende Namen zu weit ausgedehnt scheint, so hat 
dies seinen guten Grund darin, dass die Uebel bei einer Namen- 
änderung selten durch den Ersatz aufgewogen werden können, 
und dass, wenn man aus halben Ursachen, wie etwa dass ein 
Name besser passe als ein anderer, neue Namen einführen 
dürfte, bald völlige Verwirrung eintreten würde. Darum stimmen 
wenigstens die Meisten überein in der Annahme des schon von 
Sprengel aufgestellten Grundsatzes, dass kein Artname, der 
nicht absolut falsch ist, geändert werden darf. Auch in Fällen, 
wo der Gattungsname geändert wird, muss der Speciesname 
unverändert erhalten werden, so wie, wenn Varietäten zu 
Arten erhoben werden, oder umgekehrt, keine 


78 Ueber die Namen der Pflanzen. 


Aenderung des Namens stattfinden darf. Diese 
Regel wird gar zu oft vergessen. 

14. Die Fälle, wo Namenänderung recht und nöthig ist, sind: 
a) wenn zwei oder mehrere Arten gleichen Namen 
haben ($. 1.),, wo dann der später gegebene zu ändern ist. 
Sollte indess der ältere einer unsichern Art oder blossen Abart 
verliehen gewesen sein, so verbleibt der Name bei der 
späteren Art. Ganz unrecht wäre es, einen Namen deshalb 
zu ändern, weil er früher an eine jetzt bereits gestrichene Art 
vergeben gewesen, z. B. den von Aubus horridus, mehreren 
Salices. In manchen grössern Gattungen, z.B. Agaricus, liesse 
sich kaum ein passender Name mehr ertheilen, wenn man nicht 
solche schon einmal beseitigte Namen wieder aufnehmen dürfte. — 
b) Wenn ein Name ganz und gar falsch ist und der 
Natur widerstreitet ($. 12.). In beiden Fällen aber unter- 
suche man, ehe man einen neuen bildet, die Synonyme, ob 
nicht unter diesen schon gegebenen Namen einer wiederaufnehm- 
bar ist. — c) Wenn ein jüngerer Name mit Unrecht 
einen älteren verdrängt hat, wo dieser dann wie- 
dereingesetzt werden muss. Gerade um der Stabilität 
willen ist dieser letztere Punkt höchst wichtig, Dieser Grund- 
satz ist es, den man jetzt besonders bestreiten will; man sucht 
jene unrecht angebrachten Namen mit Gleichgültigkeit der Na- 
men, angenommenem Gebrauche u. s. w. zu vertheidigen. Was 
würde man wohl von einem Historiker sagen, welcher eine That- 
sache einer andern Person, als der sie angehört, unter Vor- 
schützung von Gebrauch und Gleichgültigkeit der Namen zu- 
schriebe? Es kann wohl heissen, das sei unbedeutend, — 
verlässt man aber die Bahn des Rechts in Einem nach dem 
Andern, so erwachsen diese Fehler endlich zu völliger Unordnung 
und Willkühr. Dem Gebrauche, wenn er Missbrauch ist, als 
der Regel zu huldigen, ist für die Wissenschaft eben so gefähr- 
lich, wie Erhebung der Gewohnheit und des Herkommens zum 
Moralprineipe. Wir befinden uns hier auf einem sehr wichtigen 
Punkte: an der Grundscheidung zwischen den Principien des 
Protestantismus und des Catholieismus, zwischen der überwie- 
genden Autorität des geschriebenen Worts und der der Kirche. 
In der Wissenschaft gilt doch nichts andres, als das Wahre 
und Rechte; alles, was nicht davon ausgeht, muss verfallen. 
Alle Nebengründe von Gleichgültigkeit, Bequemheit, Gebrauch 
u. S. w. müssen schweigen, wenn sie gegen Wahrheit und Recht 
streiten. Betet die Wissenschaft andre Götter an als diese, so 
werden Dilettantismus und Willkühr sich bald über Gelehrsam- 


” 


Ueber die Namen der Pflanzen. 79 


keit und Forschen erheben, und alle Autorität, weil solche nur 
auf dem Rechte ruhen kann, verschwinden — das Unglücklich- 
ste eben so für die Wissenschaft, wie für Kirche und Staat. 
Fr. in Bot. Notis. 1842, S. 9. 

15. Eben der Stabilität wegen müssen anah all Col- 
lectivnamen (d. h. die eine ganze Gruppe nah- verwandter 
Arten bezeichnenden) beibehalten werden, doch unver- 
ändertin dem Sinne, worin der Namengeber sie ge- 
nommen. Einen solchen Namen auf nur eine der daraus un- 
terschiedenen Arten überzutragen, wie Medicago polymorpha, 
Valeriana Locusta, Myosotis scorpioides, Aretium Lappa u. 
a., ist unrichtig, weil dadurch die Meinung des Gründers des 
Namens falsch dargestellt wird. Da neben der neuern Ansicht 
von der Verschiedenheit solcher Arten gewöhnlich bei Mehrern 
auch die ältere besteht, so darf nur im Sinne der Letzteren der 
collective Name im täglichen Gebrauche beibehalten werden; wo 
man aber mehrere Arten unterscheidet, muss jede derselben 
einen eignen Namen erhalten und der. collective zur ganzen 
Gruppe, der er gilt, eitirt werden. Dazu kommt, dass es immer 
unmöglich ist, positiv zu entscheiden, welcher von den getrenn- 
ten Arten er mit Recht zukomme, wie bei Halva rotundifolia 
L.*), Rumex aquaticeus L.**) u. a. Welcher von den geschie- 
denen allein man ihn auch überlasse, immer ist er dann theil- 
weise falsch. Nur wo sie als eine Art vereinigt werden, bleibt 
der Name mit Recht, und dann bezeichnet man die Varietäten 
mit den neueren Namen. Nimnit man diesen Grundsatz, welcher 
allein der rechte ist, an, so wird unendliche Namenverwirrung 
aufhören. Spricht man nur z. B. von Myosotis scorpioides L., 


*) Wir treten völlig Koch’s neuerer Ansicht bei, dass, wenn Malva 
vulgaris und Borbalis als Arten unterschieden werden, M. rotun- 
difolia nur als Collectiv-Benennung für beide, wie sie es nach- 
weislich bei Linne ist, behalten werden darf. Denn dass M. bore- 
alis, auf welcher Tinne alle Tage herumgetreten, nicht die eigent- 
lichste M. rotundifolia gewesen sein sollte, davon wird man 
schwerlich einen upsaler Botaniker überzeugen, zumal da die 
vulgaris in der ganzen Umgegend fehlt. 5 

+) Dessen Geschichte ist Fdurch Fries] in Lindblom’s Bot. Not. 
4841, S. 7 fl. gegeben. Dass Linne’s Rumex aguaticus ein Col- 
leclivum ist, lässt sich gar nicht bestreiten, und wenn wir den- 
noch dieseu Namen für A. Hydrolapathum beibehalten haben, so 
ist dies nicht deshalb geschehen, dass Linne nur diesen gemeint 
haben sollte,’ sondern weil dieser es ist, den alle Vorgänger 
Linne’s unter dem Namen Lapathum aquaticum bestimmt ver- 
standen haben, er auch in allen al Ren seineu Namen vom 
Standorte im Wasser bat, und für ihn jener Name der naturge- 
mässeste ist, 


“; 


s0 Ueber die Namen der Pflanzen. 


Malva rotundifolia L., Rumex aquaticus L., so weiss ja kein 
Mensch, was darunter zu verstehen ist; deswegen brauchen aber 
diese Namen nicht vertilgt zu werden: es ist in manchen Fällen 
recht wichtig, sie in ihrem wahren ursprünglichen Sinne zu ha- 
ben. Zu wissen, wie Linne eine Pflanzenform betrachtete, bleibt 
immer historisch wichtig; trägt man aber ihren Namen in ande- 
rer Bedeutung vor, so verfälscht man den Sinn desselben. — 
Doch sehe man nicht die Namen der Arten als Collectivnamen 
an, wo eine bestimmte Hauptform gemeint ist, so wie noch an- 
derer bei. Linne, bei welchen andre, ıhm (Linne) selbst unbe- 
kannte, wie häufig, als Aharten untergeordnet sind, weil er de- 
ren Unterschiede nicht gekannt. Da behalte die Hauptform im- 
mer ihren Namen. 

16. Dagegen ist ein neuerer Brauch, in Fällen, wo man 
mehrereältereArten zu einer vereinigt,einenneuen 
Namen zu geben, ganz verwerflich, z. B. Aenderung 
der Namen der Veronica longifolia und V. spicata bloss des- 
halb weil man mit ersterer die V. maritima L., mit der letztern 
V. hybrida L. vereinigt. Man behalte hier den der Hauptform, 
als den bekanntesten, bei. Wegen jenes Grundes hat Spen- 
ner in der Fl. friburg. eine Menge allbekannter Namen geän- 
dert, z. B. den der Arabis hirsuta L., weil er darunter sowohl 
die A. hirsuta DC. als auch A. sagittata DC. begreift, während 
doch Linne die Art gerade so wie Spenner genommen hatte, so 
dass eher De Candolle jenen Namen hätte verwerfen müssen, 
als Spenner. 

17. Fraglicher ist die Sache, wenn eine Art von demsel- 
ben Autor in verschiedenen Werken unter verschiedenen Namen 
beschrieben worden, wie z B. Rosa spinosissima L. auch unter 
dem Namen R. pimpinellifolia L., und wieder unter dem er- 
stern Namen in Fl. suecica die R. cinnamomea. In diesem 
und analogen Fällen muss der Name verschwinden, der bei 
Linne nicht klar ‚dargestellt ist: hier R. spinosissima ‚ indem die 
beiden andern bestimmt auseinandergesetzt sind. (Rosa villosa 
gehört wieder nicht hierher: es ist ein Collectivname, der nur 
beibehalten wird, wo man R.villosa und R. mollissima vereinigt, 
welcher letztere Name besser und älter ist als R$. tomentosa Sm.) 
Ferner hat ein Autor selbst mit Fleiss einen Namen mit einem 
andern, als besser passenden, vertauscht, wie Linne Mentha 
verticillata mit M. saliva, so ist der letztere vorzuziehen, weil‘ 
einem Autor die Freiheit zusteht, sich selbst zu verbessern. 
Wiederum, wenn ein Autor eine von ihm selbst aufgestellte 
Art wieder eingezogen hat, diese aber dann wiederhergestellt 


ir 
Ueber die Namen der Pflanzen. 8 


wird, so ist auch. der erst-gegebene Name wieder aufzunehmen. 
Indess finden sich eine Menge Fragen der Art, die ex analo- 
_ gia zu beantworten sind. 

18. Als auf eine Sache von vorzüglicher Wichtigkeit ist 
indess darauf zu dringen, dass so wenig als möglich 
Linneische Namen verschwinden oder gestrichen wer- 
den. (Darum, dass man mit den Collectivnamen in ihrer wah- 
ren Bedeutung eine ganze Gruppe bezeichnet, sind sie nicht 
ausgestrichen). Die Orthodoxie der Botanik fordert ein Sym- 
bolum zum Vereinigungspunkte, und, es möge nun auf das Rechte 
oder auf Zweckmässigkeit ankommen. immer lässt sich für die 
specielle Botanik kein anderes angeben, als Linne’s Schriften. 
Jede nicht klar aufgehellte Pflanze daraus liegt einem jeden 
gewissenhaften Botaniker schwer auf der Seele; sie lässt einen 
Bodensatz, der, wenn man ihn auch übersehen will, immer von 
neuem hervorfritt; jede falsche Anwendung eines Namens ist 
von unberechenbar nachtheiligem Einflusse — und sollte diese 
Richtung fortwähreu, sie würde gar bald die Schriften Linne’s 
‚ unbrauchbar machen, ungeachtet sie für den Botaniker das sind, 
was die Bibel dem Theologen. Man kann es daher nicht 
anders als beklagen, dass wirkliche Wahrheit in dieser Sache 
in. mehrern allgemeinen Werken fast gänzlich als gleichgültig 
betrachtet wird, so dass man nicht einmal Linneische Bestim- 
mungen, die durch neuere Kritik über allen Zweifel erhoben 
worden, wie unter den Carices in Wahlenberg’s Flora lappon., 
den Potamogetonen etc., der Wiederaufnahme würdigt. 


IV, Das Bestimmen der Priorität der Namen erfordert 
ebenfalls die Anerkennung gewisser Grundsätze: 


19. Die Priorität wird von der allgemeinen Annahme 
der Artnamen in Linn. Spec. pl. ed. 1. an bestimmt. 
Obgleich Linne viele ältere Benamungen aufnahm oder von den- 
selben gewöhnlich seine Artnamen hernahm, so war er es doch, 
der ihre Aufstellung zum bestimmten Principe erhob und sie 
zuerst consequent einführte. Eines vorschriftgebenden Zeitpunk- 
tes bedarf es in dieser Hinsicht jedenfalls, damit man sich nicht 

in unbegränztes Dunkel verliere. Indess darf man die ältern 
 Artnamen, besonders C. Bauhin’s, die vor Linne die allge- 
mein angenommenen waren, nicht ganz übersehen, namentlich 
bei den Pflanzen, welche durch die Alten gut unterschieden wa- 
ren, wie Rumices, von Linne aber vereinigt wurden. Sobald 
nun jene wiederhergestellt werden, so hat man nicht bloss zu 
Benamung dieser neuen Arten auf die Namen der Alten Rück- 

6 


Rr 
82 Ueber die Namen‘ der Pflanzen. 


sicht zu nehmen, sondern hauptsächlich zu‘ ermitteln, welcher‘ 


von'ihnen der Linneische Name am riehtigsten zukommt. Solche! 
Gründe sind es, warum der Name Aria nicht‘ unsrer 'gewöhnli=v 
chen schwedischen ’Oxel beigelegt werden 'kanny' sondern der 
ausländischen, "der ‘Aria der Alten ; desgleichen warum, falls: 
unser nordisches Aconitum Lyeoctonum [A: septentrionale] vom 
deutschen‘ verschieden wäre, dem deutschen jener Name zu-' 
käme. Dies hat Smith auch“ richtig "beachtet, als er 'Ulmus‘ 
campestris und U. montana 'Bauh. wiederherstellte, nachdem 
sie Linne unter seiner U. campestris vereinigt hatte Obgleich‘ 


Linne darunter hauptsächlich Bauhin’s U. 'montana oder un- 


sre gewöhnliche schwedische Ulme [ÜU. camp. auch’ der’ deut: 
schen Autt.] verstanden hat, so fordert doch‘sowohl der 'histo- 
tische Grund, als auch die Naturgemässheit' des Namens, dass 
man’ den Namen U. campestris der südlichern,, für Schweden 
nur auf Oeland und Gottland wachsenden Art [U: efusa Ws 
Wahlenb., Hartm. uud der Deutschen *)] lasse. "Wir Schweden: 
müssen in solchen Fällen uns des Anspruchs'begeben, dass die 
übrige gelehrte Welt sich nach unseren einheiniischem Verhält- 
nissen richten solle, damit wir volle Autorität”in Fragen 'gewin- 


nen ‚wo ‘ohne Beschimpfung der Wahrheit kein Nachkeßen: mög: 


lich ist, wie bei Filago montana' [diese als’ =’ F. arvensis L: 
u. der Deutschen, s.: a in Lindbl. ea ‚Not: IV: 9 eh 
Mant. II.) | AT 

20. Der Name, worunter eine Art zuerst Fahnen 
gemacht worden, hat Prioritätsreeht,; niehtso die Be 
nennungen in Herbarien oder Manuseripten. Wenn aber zwei 
Autoren fast gleichzeitig eine Art beschrieben haben, so dass 
die Benamung des einen dem andern nicht hat bekatint oder 
sicher sein können, so ist es pedantisch, sich an Jahrzahl' und 


Datum festzugreifen ;; man wähle vielmehr. das passendste.: /Dies' 


gilt besonders ‚bei Namen aus der: Epoche zunächst‘ nach Linng, ' 
wo. man keine Journäle besass und Verbreitung: der: Bücher lang-» 
samı ging; in ‚solchen Fällen müssen dire Namen die Prierität' 
haben, die von.älteren , früher bekannten: 'hergenommen: sind:ıso: 
2.B. Ranuneulus eircinatus vor R.. divaricatus, denn-ausserdem; 
ae (in diesem: Falle) der erstere‘ Name ebeh so‘ ME 


rer F \ E ; 
je: Be [Wenn richt Ber auch eine Bee Sn De Form der. erste-, 
ren, der campestris der Deutschen, mit hereingefasst ist, — wie 

ran glauben möchte, da der Herr Verf.’in Mant."IIT, 19 j'wo er 
sich auf vorliegende ‚Abhandlung. bezieht; ‚munter der. ölandischen ; 
 „’campestris‘‘ auch U, tetrandra. Schd.,  .tuberosa Ehrh.. und 

" glabra Mill. heranzieht, auch die Früchte beider seiner Arten 
glabros nemt. — De Ueber] 


Ueber die Namen der Pflanzen. 8 


‚als der ‘andre haturwidrig ‚ ist und besser zu einem PR. aquatilis 
passty 'istoer' auch: alsı R.’folio \eireinato lange: bekannt gewe- 
sen *)»ı Eben sosxhat: Potentilla ineana: Mönch. die Priorität vor 
P. einerea, einmal, weil:sie wirklich zuerst unter jenem Namen 
. beschrieben‘ worden ;; denn bei 'Villars kommt der Name einerea 
nur als ein unpuhlicirtes. Synonym zu P.opaca vor, dann aber 
hauptsächlieh;, weil jener erstere Name.von der ältern' Benen- 
nung! der ‚Pilänze , Pentaphyllum incanum ‚hergenommen: ist. 
Wiri sollten‘ »gern in diesen Fällen der  Aristocratie etwas den 
Ausschlag zugestehen **); ein Autor ‚der da’ eilt, ‚einen Namen 
für eine noch nicht recht bekannte Art: zu publieiren , darf: nicht 
Priorität-vor dem'haben,, welcher sie genauer prüft und unter- 
sucht, sich aber mit der Publication nicht übereilt. : Man denke 
andHeritier’s, zu Gewinnung der Priorität vor I - 
les zurüekdatirte, Monographien. Ä 
‚o»2L,;1st/’ein Name unsicher, ein äbakdien aber ge- 
wiss; ,so.muss der sicherste vorgezogen werden. 
Dabei ist,indess zu bemerken, dass, wenn der erstere von einem 
elassischien: Schriftsteller erläutert worden, er seinen Vorzug be- 
hält... Namen ,.die durch gute,‘ leicht: zugängliche Kupferwerke 
oder »getrocknete Sammlungen fixirt worden sind, haben unbe- 
streitbar ' den Vorzug vor gleichzeitigen, die auf. einer vagen, 
vielleieht nur von: ein! paar unvollständigen Exemplaren abgezo: 
genen, Diagnose beruhen. Dasselbe scheint mir auch bei Na- 
men. zu'igelten, die von ‚ganz falschem Begriffe 'einer Species 
ausgegangen . sind.» Cerastium brachypetalum ist offenbar und 
nachweisbar- ursprünglich C. viscosum (ovale P.) eglandulosum: 
damit. ‚vereinigte .man später C.'strigosum (auch barbulatum 
umfassti.diese..beide:. «. ist:das erstere, £. das: letztere); aber 
diesen. letzteren’ Namen muss man, däucht mich , vorziehen, weil 
er. eine: bestimmte Art betrifit, brach ne ‘aber erst; später 
dazu herübergezogen worden. - dsan iA 
ya Nanjenisen: kommt die Priorität das Biduh 


hie > 


„> Auch i in Lindbl. Bot. Not. 1842, Ne S 184 En wo Professor 
” ries’ des Namens AR. ‚foeniculaceus Gib: als des ältesten dieser 
‚Iu sl Pilanze; ash ‚zieht Bir an A.'eircinatus-als besser vor. 
Ida rn ıh s vrs4t r . As d. U.] ag A 
#*),, Doch nicht, wie gewöhnlich an Compilatoren generelle 
’ erke, sondern nur den wirklichen Beobachtern, welche die 
eaßi löwendie ‚Pflanze selbst untersucht 'haben. Die Benamung von 
‘77. Dem; ‚welcher die Pflanze ‚selbst gefunden und untersucht, sollte 
„stets in streitigen Fä!len die Priorität vor der desjenigen haben, 
"der nach einem und dem andern getrockneten Exemplare einen 
:*" Nämen ausgebreitet hat. 


6* 


84 Ueber die Namen der Pflanzen. 


mung zu, welcher zuerst zwei oder mehr unter eis 
nem Namen verwechselte Arten auseimanderge- 
setzt, z. B. Schkuhr bei Polygala vulgaris und comosa, 
während Linne unter dem erstern Namen eben 'so oft die letz- 
tere, die um Upsala am gemeinsten ist, verstanden’ hat, Hayne 
bei Utricularia vulgaris und intermedia, Drosera  longifolia 
und intermedia, u. s. w. Am deutlichsten hat dieses Anwen- 
dung bei Cerastium vulgatum und viscosum L., welche von Linne 
nicht gerade ins Klare gebracht worden sind, ob wir gleich in 
Schweden sichre Tradition darüber haben, die aber Curtis so 
auseinandergesetzt hat, dass keine Verwechselung dieser Arten 
mehr möglich ist: wonach Curtis die Priorität der FAN DUENHENE 
derselben gebührt. 

23. Wenn eine Art von ihrem Begründer göäihghe und 
klar dargestellt worden, so kann sie nie ihre Priorität 
durch Irrthümer oder Verwechslungen Anderer 
verlieren. Diesen Grundsatz halte ich für einen der wichtig- 
sten, die zu beachten sind, sonst sehen wir wohl einst alle 
Linneischen Arten ausgeschieden. Gewöhnlich hat sich nur in 
einem oder dem andern Lande eine Verwechselung geltend ge- 
macht, aber man muss nicht erwarten, dass Die, welche das 
wahre Verhältniss kennen, dies um Andrer Bequemlichkeit wil- 
len aufgeben sollen, wie es mit Filago montana ist. Berichti- 
gung darin ist unendlich leichter beizubringen, als man sich‘ ge- 
wöhnlich vorstellt. Wird solche in einem classischen, allgemein 
verbreiteten Werke, wie Koch’s, aufgenommen, so nimmt gar 
bald der bessere Theil sie ‘an. Ein Werk wird elassisch nur 
durch Anerkennung des Rechten als höchsten Principes, nie 
aber dadurch, dass es der Gewohnheit und dem Schlendrian 
selavisch folgt. Zur (lasse der Parasiten gehören alle, die 
nicht prüfen und beurtheilen wollen oder können: was isit 
recht? sondern nur nachfragen: was hat der oder der 
Autor gesagt? 

24. Auch kann ein Name nicht. dotlukheih seine 
Priorität verlieren, dass sein Gründer unter dem- 
selben im Herbarium später hinzugelegte ähnliche, 
vorher nicht unterschiedene Formen verwahrt, 
‘oder solche ausgetheilt hat. Dies ist etwas, das wohl 
kaum ein Botaniker vermeiden kann: man legt eine solche Form 
provisorisch zu der, welcher sie am meisten gleicht, und lässt 
sie da, bis man Gelegenheit hat sie näher zu untersuchen. Wie 
unzählige sichre Linneische Namen würden nicht. untergehen, 
wollte man nur auf Linne’s Herbarium und darauf sehen, was 


Veber die Numen der Pflanzen. 85 


er seinen Üorrespondenten als seine Art bestimmt hat! Viele 
Pflanzen sind in getrocknetem oder minder vollständigem Zu. 
stande nicht mit voller Gewissheit bestimmbar, zumal von An- 
dern gesammelte Exemplare, — und, wenn man Anderen das 
Recht zugesteht, eine Art genauer zu bestimmen und zu begrän- 
zen, so wäre es ungereimt, dem Entdecker selbst dieses Recht 
zu verweigern. Auch darf man nicht glauben, dass die meisten 
der Verwechslungen von Exemplaren, denen man so oft in 
Sammlungen begegnet, von den Einsendern herrühren:: öfter sind 
sie bei der Einreihung von Zusendungen in die Sammlung 
geschehen. S.: v. Schlechtendal in der „Flora od. bot. 
Zeit.“ über Willdenow’s Herbarium und die Quellen der Namen- 
bestimmung. 
V. Es war eine Pandora-Büchse, die der Gebrauch übe 
der Wissenschaft öffnete, als man anfıng, nach jedem Namen 
dessen Autorität beizufügen: es hat zu vieler gesuchten Hy. 
perkritik, unnöthigen Gattungszersplitterungen und unzähligen 
Namenänderungen geführt. Dergleichen gehört indess zu den 
Uebeln, die von der Ausbildung der Wissenschaft nicht zu tren- 
nen sind; es ist nur zuzusehen, dass man dabei vom egoisti- 
schen Standpunkte zu einem historischen übergehe, wo die Sa- 
che erst eigentlich belehrend wird. Daher schlagen wir vor: 
25. Der Schriftsteller, welcher einen Artnamen 
in der grundsatzmässigen, allgemein angenommenen, Weise 
zuerst publicirt hat, wird als dessen Autor. citirt. Obgleich 
Linne nach den Aelteren, vorzüglich nach Rivinus, eine 
Menge Artnamen unverändert aufnahm, war er doch der erste, 
der diese principmässig und consequent einführte (wie Tourne. 
fort die Gattungsnamen und den Gattungsbegriff bestimmte”), 
und darum geht man nicht in die Zeit vor Linne zurück. 
Dasselbe gilt für die nachher von andern Botanikern nach al- 
ten Quellen wiederaufgenommenen Namen. Wird der Begriff 
einer Art entweder durch Hinzukommen neuer Varietäten erwei- 
tert, oder durch Abscheidung gewisser Formen eingeschränkt, 


'*) Für die Gattungsnamen, deren Begriff von Tournefort fest- 
. gestellt wurde, muss man von diesem ausgehen. Bei diesen, dem 
Virgil und anderen alten Autoren, denen nie ein Gatiungsbegriff 
eingekommen, zu citiren, ist, gelinde gesagt, lächerlich. Aber 
wegen einer Modification in den Characteren, oder der Ausschlies- 

sung von provisorisch beigefügt gewesenen Arten, die eigne Signa- 

tur beizusetzen, zeugt von Eitelkeit. Erfährt jedoch eine Gattung 

eine durchgreifende Reform oder eine Zertheilung, so muss des 
Roformators Name nach dem des Begründers hinzugesetzt werden. 


86 Ueber die Namen der Pflanzen: 


so.behält die Art noch die Autorität ihres‘ Gründers, -demn im 
beiden Fällen ist es gewöhnlich späterer Zusatz; was hinzukam' 
oder wieder ausschied; ist aber der Artbegriff ganz und garıre- 
formirt worden, so wird’ nach des IUHNERNEERE DE der des 
Reformators hinzugefügt. y OEM RR 

26. Wenn eineÄrt mit Unrecht ge oder 
ein Name unrecht angewandt worden, so wird; zu 
geschichtlicher Belehrung, ausser der des ersten Gründers, auch: 
die Autorität dessen hinzugesetzt,: weleher: sie 
zuerst wiederhergestellt oder entwirret hat. Das 
ist eine Steuer der Gerechtigkeit, weil dieses etwas weit: ver- 
dienstlicheres ist, als auf oft alte, bereits bekannte Sachen neue 
Namen hervorzuwerfen, und zeigt zugleich von gründlicherem 
Studium , — zugleich ist diese Bezeichnungsart in: historischer 
Hinsicht belehrender (z. B. Salix myrtilloides Linn., Wahlenb.), 
als die jetzt gewöhnliche: $. myrtilloides Linn., nee Willd., nec 
Smith. Nur das erstere sagt etwas positiv; die letztere, nur: 
negative Notiz wird nie vollständig, denn in Floren: gehen: hete- 
rogene @sewächse unter gleichem Namen öfter, als: man nur ahnt. 

27: Wird eine ältere Gattung ‘in mehrere'zer- 
theilt, wodurch der Gattungsname verändert wird, 
Artund Artname aber ungeändert bleiben, sol'muss: 
man den Ertheiler des Artnamensals dessen Auto- 
rität beibehalten, besonders wenn er selbst diese Benen- 
nung aufgenommen hat. Im Syst. ınycolog. haben wir ' selbst 
diesen Grundsatz aufgestellt, welchen auch Mehrere für gut er- 
kannt haben. Sobald z. B. die Gattung Petasites angenommen 
wird, so versteht es sich von selbst, dass Tussilago  nivea: da- 
hin gehört; der Aufstelier derselben hätte: dies gewiss so 'gut 
als irgend ein Andrer eingesehen; es liegt aber weniger däran;, 
an wen es gerade kam; sie zuerst als Petasites niveus zu Schrei- 
ben, als die eigentliche Quelle der Art zu wissen. So’ wird für 
Nasturtium anceps, da es sehr ungewiss ist, ob ‚andere »Be- 
schreiber desselben ausser Wahlenberg, wie De Candolle u. Ay 
auch das wirkliche gekannt haben, immer Sisymbrium anceps 
Wahlenb. Fl. upsal., Nasturtium anceps Whlnb. Fl. suee. die 
Hauptquellen bleiben. Ebenso hat zwar Smith später, als der 
Verf. dieses, die Erythraea litoralis unter der Gattung Ery- 
thraca vorgetragen, aber dennoch ist Smith der wirkliche Be- 
nenner der Art. In historischer Hinsicht kommt es nur darauf 
an, diesen zu kennen. Oft werden bei Arten solcher zertheil- 
ten Gattungen, wie z. B. Calamagrostis stricta, 3 bis 5 ver- 
schiedne Autoren mehr beigefügt: von keinem derselben.ist die 


Ueber die Namen: der Pflanzen. 87 


t 

Autorität in diesen Fällen von Wichtigkeit, sondern nur, die 
"wahre Quelle zu wissen. Wenn aber eine Art von einer alten 
‚Gattung in eine andere versetzt wird, ‚wie Azalea lapponica in 
Behododendron ‚ oder wenn sie einen wirklich unrichtigen Platz 
bekommen: hatte ,: muss der die Autorität haben, wer sie zur 
rechten: Gattung gebracht.‘ Sie beruht dann auf wirklicher Be- 
richtigung und neuer Beobachtung, was die Hauptsache ist. Wo 
‚aber: ein ‚Schriftsteller nur dafür, dass er: eine bereits gut be- 
‚stimmte‘ 'Section als eigne Gattung nimmt, zu den Arten dersel- 
‘ben seinen Beschaustempel : setzt, ist dieses in unsern Augen 
‚überflüssig. 

28. Versteht ein Autor unter einem nnd demselben Namen 
in: verschiedenen Schriften verschiedene Arten, so ist es noth- 
wendig, das Werk zu eitiren, worin er .den Namen 
in nur angenommenem Sinne gefasst hat. Der jetzt 
‚aulgekommene Gebrauch, nicht bloss einen Namen, sondern eine 
Schrift als Autorität zu eitiren, verdient allgemeine Folge. Es 
ist nicht der Namenertheiler, sondern die Quelle des Namens, 
was als banpkeäche zu betrachten ist. 

29. Obgleich der, welcher von Andern nur aufge- 
stellte Pflanzen beschreibt, nicht unterlassen darf, den 
‚der sie vorgeschlagen anzugeben und dessen Benamung beizu- 
behalten, so ist doch der erstere als die Autorität der- 
selben anzusehen, weil die Art auf ihm beruht, bis der 
Namengeber selbst sie beschrieben und für die seinige erkannt 
hat. :Die Stelle, wo ein (oft blosser): Name vorkommt, als 
‚dessen Quelle anzuführen , wenn derselbe Autor sie später aus- 
führlicher beschrieben hat, ist pedantisch. 

VI. Zuder Bestimmung der Artnamen, der Deutung nach 
ihrem Inhalte, ist es nothwendig, alle Quellen derselben zu 
‚untersuchen uud weder an Standort, noch Exemplare der Pflanze 
u. s. w. sich einseitig zu halten. Zum äussersten Extreme hat 
dies Schultes in seinem Syst. Veget. getrieben, indem er 
zur Bestimmung von Linne’s Pflanzen nicht auf Linne’s Her- 
‚bariumy,; sondern ‘nur darauf, sah, was Smith mit Linne's 
Synonym hingestellt (,, Non Smith, ergo non ita‘). Obgleich 
Smith selbst Linne's Sammlungen vorurtheilsfreier benutzte, 
‚auch seine Bestimmungen in vielen Fällen nach bessern Auf- 
klärungen berichtigte (z.B. bei Aira alpina), so. muss man 
doch berücksichtigen, 1.) dass die Hauptsache dabei ist, Smith's 
Begränzung der. Art zu keunen; Smith sah zwar die seinige 
nieht für völlig identisch mit derjenigen Linne’s an, aber als 
«nieht unterscheidbar — und wer findet nicht durch fortgesetzte 


88 Ueber die Namen der Pflanzen. 


Studien oft wichtige Unterchiede zwischen Pflanzen, die man 
früher als identische aufbewahrt hat? 2.) dass Andere in Linne’s 
Herbar mitunter ganz Andres gefunden haben als was. Smith 
beschreibt z. B. unter den Salices, Rumezx acutus u. s. w. ’ 
30. Die Worteund Beschreibungen eines Autors 
müssen, wenn sie klar und bestimmt sind, immer als die 
wichtigste und vorzüglichste Quelle zur Bestim- 
mung seiner Species gelten. Dabei muss man indess 
nicht minutiös an jedem Wörtchen haften, sondern sie vom subjec- 
tiven Standpunkte des Verfassers aus zu fassen suchen, auch 
alles absondern, was von andern entlehnt ist. So ist z. B. zu 
Allium arenarium bei Linne die Blattform nur nach den Syno- 
nymen angegeben, weil Linne es nur blühend gefunden nachdem 
die Blätter schon vergangen gewesen; aber alle die übrigen 
Kennzeichen, die sich nicht hinwegerklären lassen, sind deutlich 
dem A. vineale entnommen, so dass Linne unter jenem Namen 
unmöglich A. Scorodoprasum verstehen kann. In Linne’s Man- 
tissen findet man mehrere Beschreibungen theilweise aus andern 
Autoren entlehnt; diese geben nur schwaches Zeugniss zur Be- 
stimmung der Linneischen Art. In der ganzen Periode zunächst 
nach Linne war es gewöhnlich, dass man nur die gegebenen 
Definitionen abschrieb, sie mochten zur Pflanze passen oder 
nicht, wenn man es nur einmal für sich rund hatte, dass diese 
zu einer gewissen Art gehörte. Der Unterschied zwischen der 
gegenwärtigen Periode und der streng Linneischen scheint uns 
mit den bekannten Worten guatenus und quia am besten aus- 
gedrückt: in der letzteren folgte man Linne sclavisch, weil er 
mit der Natur übereinstimmte ; in unserer Zeit: insoweit er damit 
übereinstimmt. 
3l. Zunächst folgt der Standort als wichtigste 
Quelle zur Bestimmung der Art eines Autors. Dass 
er eine untrügliche Quelle dafür ist, was der Autor bei der 
: Gelegenheit gemeint habe, ist unbestreitbar; denn das dürfte 
zu den seltensten Fällen gehören, dass an einer Stelle eine 
Pflanze verschwunden wäre und eine nah- verwandte andere ihren 
Platz eingenommen hätte. Daraus folgt aber noch nicht, dass 
eine genannte eben die Art sei, die der Autor eigentlich gesehen 
oder gemeint hat. Standörter werden oft nach flüchtigem Hin- 
sehen ohne nähere Untersuchung notirt, die Pflanze kann in 
einem Zustande gewesen sein‘, worin sie nicht ganz sicher zu 
bestimmen ist (daher z. B. in /t. scan: statt T’hesium alpinum 
Passerina steht; ausserdem wird eine neue Art gewöhnlich 
zuerst einer bekannten ältern zugetheilt); durch Verwechselung 


Ueber die ‚Namen der Pflanzen. 89 


im Gedächtnisse, auch wohl durch blossen Schreibfehler, wird 
nicht selten eine andere aufgezeichnet, als an der genannten 
Stelle vorkommt: Beispiele des ersteren sind Rosa spinosissima 
R. Eglanteria in Linn. Fl. suec., des Verschreibens Melica 
eiliata in It. scan. Man lege daher kein besonderes Gewicht 
auf einen Fundort, wenn er nicht die Quelle der Art ist, am 
allerwenigsten auf solche, die Synonymen angehören oder von 
Andern angegeben sind, wo Linne die Pflanze nicht selbst. 
gesehen, z. B. bei Oenanthe erocata, Hieracium sabaudum Fl. 
suec. Auch wo die Standörter bei einer Pflanze nur im Allgemei- 
nen genannt sind, messe man ihnen nicht zu viel Wichtigkeit bei. 
Die geringen Vorarbeiten, die Linne besass, und die Kürze der 
Zeit, wo er sich der schwedischen Flora widmen konnte, machten 
es ihm unmöglich, vollständige Kenntniss von der geographischen 
Verbreitung jeder Art innerhalb der weiten Marken Schwedens 
zu gewinnen. Dies alles haben wir zugegeben, damit man 
andererseits eben so billig erkenne, dass wenn Linne einen 
bestimmten Standort angiebt, einen solchen selbst 
anweiset, sagt dass er eine Pflanze dort zuerst 
gefunden und festgestellt, und sie nur von da be- 
schreibt, jener Standort dann immer das einzige völlig Ent- 
scheidende zur Bestimmung dieser seiner Species bleiben muss: 
so ist es der Fall bei Allium arenarium, Filago montana, Po- 
tamogeton marinus, und unzähligen andern. 

32. Hierauf kommt in der Reihenfolge die Tradition 
oder wie die Zeitgenossen eines Autors die Art 
bestimmt haben und wie diese sich alsdann bei des 
Autors nächsten Nachfolgern fixirt hat. Wir haben 
von dieser Seite in Schweden die reichste und sicherste Quelle 
an der herrlichen Schule, die jedes Jahr von der Seite des 
Meisters ausgieng, von dessen lebendem Worte sie am sichersten 
seine Auslegung der Naturwesen aufgefasst. Möchten wir ver- 
stehen, diesen einheimischen Schatz, worauf Prof. Wahlenberg 
zuerst aufmerksam gemacht, recht zu schätzen und zu bewahren! 
Er ist durch mehrere Generationen, in den meisten Fällen 
unzweideutig, zu unsern Tagen herabgeführt worden; und nicht 
bloss eine Menge Kräutersammlungen, unter Linne’s eignen 
Augen gemacht, sind für ihn ein unzweideutiges Monument 
(wichtiger als Linne’s eignes Herbarium, aus Gründen die 
weiterhin berührt werden), sondern auch die ganze schwedische 
Flora ist seine unvergängliche Dolmetscherin. Darum ist es 
betrüblich, zu sehen, wenn Schweden, jene verwahrlosend oder 
unkundig derselben, sich nur aneignen, was in ausländischen 


0 Ueber die Namen der Pflanzen. 


Werken geschrieben 'sie finden. Irrten Fremde in-sölchen Fällen, 
so sind’ sie leicht zu entschuldigen , (denn auch" von“ ihnen‘ die 
Bessern ehren jene Tradition, die unsrer schwedischen Flora 
köstlichster Schatz ist,) — nicht so ein Schwede. Aber auch 
zur Erklärung exotischer Gewächse bietet sie eine reiche Quelle - 
dar, nicht bloss in Sammlungen‘ von (durch . Linne’s Hand: aus 
dem upsaler Garten 'ausgetheilten Pflanzen , ‘sondern: "auch in 
vielen Gewächsen, die von Linne’s Zeit her im’ Garten zu Upsala, 
aueh im alten Linneischen,, und‘noch heut zu Tage: im Parke 
bei Linne’s Hammarby, erhalten worden,‘ so‘ wie in manchen 
von Alters her in schwedischen ‘Gärten überall gezogenen z.B. 
Mentha gentilis. Specielle Beispiele davon gab der 'Verf.in 
Bot. Notis. 1842, Nr. 1., 2. Eine solche Tradition lebt auch 
in jedes ausgezeichneten Botanikers Umgebung IARe fort, und 
man’ soll nicht unterlassen sie zu befragen. Pe 
33. Gegen den gewöhnlichen Glauben schreiben wir Her 

barien im Allgemeinen eine mehr untergeordnete 
Wichtigkeit zu Der genaueste Artenkenner unsrer Zeit; 
Koch, sagt auch, er wünsche seine Arten nach seinen Schrif- 
ten und nieht/nach seinem Herbarium bestimmt. Wer irgend'von 
Schlechtendal’s Aufsatz in der Flora od. bot. Z. über die 
Pflänzen- und Etiquetten- Verwechselungen in Wilidenow’s Her- 
bar: gelesen , muss es wohl für einseitig erklären, sich blind an 
dergleichen zu halten. Wie leicht Etiquetten sowohl beim Ein- 
legen als auch beim Empfange und Einordnen 'grösserer‘ Sen- 
dungen herausfallen und Vertauschungen möglich sind, vollends 
wenn die Exemplare lose liegen, (es fehlt sogar nicht an’ Bei- 
spielen von absichtlichen Verwechselungen — und dass daher in 
srösseren Sammlungen unter eines Autors Namen Pflanzen liegen, 
die dieser nie gemeint hat — davon hat wohl ein Jeder, welcher 
dergleichen durchgegangen, Gelegenheit gehabt, sich zu über- 
zeugen, — und es sind gerade sehr ähnliche, nah verwandte, 
‚kritische, die auf diese Weise am meisten verwechselt werden. 
Und bei der Absicht zu berichtigen wird so leicht die: Unord- 
nung vermehrt. Zwar befleissigt man sich in unsern Tagen 
grösserer Genauigkeit darin, aber ganz lässt sich solchen Miss: 
griffen nicht vorbeugen. — Was nun im Besondern Linne’s 
Herbarium betrifft, so hat man damit eine'Abgötterei‘ getrieben 
die am meisten vor Allem der Linne’schen Pflanzenkritik ge- 
schadet hat. Man sollte doch wissen, — was eine notorische 
Sache ist — dass die sehr gewöhnlichen Pflanzen einzulegen 
oder zu pressen Linne ‘weder viel Zeit noch Lust: hatte; dass 
er die nicht einsammelte, die er alle Jahre Gelegenheit-hätte 


Ueber die Namen der Pflanzen. 9 


lebend zu vergleichen; ‘daher diese auch gewöhnlich in Linne’s 
Herbarium fehlen — oder auch wohl statt deren ihm zugesandte 
ausländische sehr ähnliche oder nahe verwandte ohne. weitere 
Prüfung hineingelegt wurden, wobeier gewiss nicht meinte, 
dass dies» die Typen der Arten wären, sondern sie 
für abweichende 'seltnere Formen nahm, die eben äls solche 
ihm mehr‘ verdienten aufbewahrt zu werden. So thun auch 
wohl noch 'heute die meisten Botaniker: erhalten sie eine sehr 
ähnliche Pflanze, die sie nicht sogleich zu unterscheiden sich 
getrauen, so legen sie sie,neben die nächst-verwandte. — Die 
einzigen anderwärtsher mitgetheilten Exemplare, ‘welchen man 
volle: Autorität zugestehen kann, . sind: die in  käuflichen Samm- 
lungen getrockneter Pflanzen [Exsiceat- Sammlungen in Schweden 
genannt] herausgegebenen, weib solehe als auf einmal: gesammelt 
identisch sein müssen und zugleich sorgfältiger untersucht sind; 
denn dass, zwar von derselben Hand, aber zu verschiedenen 
Zeiten und an verschiedenen Orten, gesammelte oder gar von 
verschiedenen Personen, deren man sich natürlich oft zum 
Sammeln bedienen muss, besorgte, nicht immer Bat identisch 
sind, lässt»sich denken. 

34. Die REN ui selbst ist 
eins der wichtigsten Hülfsmittel zur Bestimmung 
der Arten bei tem, welche Pflanzen: beschreiben, die 
sie'selbst untersucht haben, und dabei nicht bloss artificiellen 
Gründen folgen. Diese ordnen sie nämlich stets nach 'deren 
näherer oder: entfernterer -Verwandtschaft ohne Absicht auf 
Charactere; beim Bestimmen von Arten z. B. im Systema myco- 
logicum, in der :Lichenographia europaea u. s. w. möchte: ich 
sie für eins‘ der allerwichtigsten Dinge halten; passt gleich 
eime Beschreibung eines Autors auf eine Art des Syst. myjec. ete., 
die ich selbst gesehen, ist aber dabei nicht neben die dieser zu- 
nächst verwandten gestellt, so ist es nicht meine Art. — Man 
hat übersehen. dass in Linne's Werken auch innerhalb jeder 
Gattung fast stets ein (nicht mit Worten ausgedrücktes ) leiten- 
des Prineip in der Anordnung: ‚der : Arten: zu finden ist. So 
geht z. B. Linne bei den Potamogetonen von den grössten und 
breitblättrigsten zu den kleinsten fort, woraus schon klar ist, 
dass der P. zosteraceus [Fr.] nicht sein P. marinus sein kann. 
Dieses gewährt recht oft eine wichtige Stütze zum Bestimmen 
von Linne’s Art. | 
85. Zuletzt in der Reihe folgt die TERN zwar 
als eine wichtige Quelle zur Aufklärung über Artnamen, 
woneben’aber zum Bestimmen einer Pflanze eines Autors stets 


9 Ueber die Namen ‚der Pflanzen. 


dessen Beschreibungen, angegebenen Standorte u. s. w., als 
wichtiger, mehr zu beachten sind als dieselbe. Wie: unzuver- 
lässlich die Synonymie aus der ältern Zeit ist, weiss Jedermann, 
und vielleicht wird die Folgezeit von der Synonymie 'unsrer 
Zeit ebenso urtheilen. Was namentlich die Linneische Syno- 
nymie, als Quelle zur Bestimmung seiner Arten, betrifit, so 
sagt Linne ausdrücklich in Mant. 2., dass sie wenig von 
Gewicht sei. Man weiss auch, dass Linne bei dem Citiren 
der Synonyme sich hauptsächlich an die Abbildungen hielt, und 
sonach müssen sie ungefähr das Aussehen der Arten ausdrücken, 
mehr aber geben sie gar nicht Aufschluss. — Es ist ein grosser 
Irrthum noch in unsern Tagen, dass man so oft die Pflanzen 
eines Autors nach seinen citirten Synonymen bestimmt; ein 
noch grösserer wäre es, die der älteren danach zu bestimmen. 


Vi. Die Grundsätze für die Synonymik vollstän. 
dig darzustellen würde eine besondere Abhandlung erfordern; hier 
beschränken wir uns deshalb auf einige der einfachsten und 
darum vielleicht eben die wichtigsten: 


36. Vorzugsweise muss man die Quellen selbst 
eitiren, und nicht Compendien und Compilationen wie z. B. 
Sprengel Syst. Vege. — Sind freilich gleich die letzteren 
gewöhnlich zur Hand und weiss man auf alle Fälle, dass die 
Pflanze darin vorkommen muss, sofern man die Darstellung 
derselben zu vergleichen wünscht, — was mit den Quellen 
nicht der Fall ist, als auf welche es specieller Hinweisung 
bedarf — so liegt andrerseits die historische ‚ Wichtigkeit am 
Tage, diese |letztern zu kennen. Gewöhnlich findet man bei 
diesen auch mehr, zuweilen die Sache in einem andern Lichte, 
als in den Compendien. Man baue dabei mehr auf die Autoren, 
welche die Pflanze lebend untersucht, als auf solche, die sie 
nach Andern aufgenommen oder sie nur getrocknet verglichen 
haben. 

37. So weit möglich eitire man nur die Autoren, die 
man selbst verglichen hat. Sind in allgemeine Werke 
Irrthümer einmal eingeschlichen, so werden sie gewöhnlich 
nachher ins Unendliche abgeschrieben und darin ist es alsdann 
kaum möglich Berichtigung zu gewinnen. Ausser Schreib- und 
Druckfehlern giebt es in dieser farrago gehäufter Synonyme, die 
einen Theil Schriften wie ein altes Inventarium begleiten, 
unendliche Irrthümer. Wären in Betreff der Köleria intermedia 
die Nov. Fl. suec. selbst verglichen worden, so hätte man dieses 
Buch nicht als -Quelle derselben citirt, da ich sie nie anders 


Ueber die Namen der Pflanzen. 93 


denn als blosse Varietät beschrieben. Unzählige Beispiele der 
Art liessen sich beibringen. — Aus guten Gründen dringt auch 
Linne darauf, dass man nicht allein den Namen eines Autors, 
sondern auch das Werk selbst und die Seite ecitire, theils 
weil es das Vergleichen erleichtert, theils weil öfters ein Autor 
in verschiedenen Schriften unter demselben Namen Verschiedenes, 
oder auch unter ungleichen Namen dasselbe meint. In solchen 
Fällen sollte ein Autor immer selbst darüber Auskunft geben, 
sowohl weil er es am besten im Stande ist, als auch weil es 
sonst, da „nulli celari possunt errores,‘“ den Schein hat, als 
hätte er sie verheimlichen wollen. 


38. Man citire nur, was wirklich Belehrung ge- 
währt, undhauptsächlich, was des Verfassers eigne 
Ansicht bestätigt. Das Gegentheil geschieht, wenn nur 
abweichende Ansichten citirt werden, als wäre der Verfasser 
selbst der einzige, der die Sache vom rechten Gesichtspunkte 
aus gefasst. Bei einigen Schriftstellern merkt man einen wah- 
ren Hunger, eine Menge verschiedener Benamungen und Be- 
stimmungen aufzuhäufen, die längst vergessen sind und uns gar 
nichts lehren. Die Wissenschaft für ewige Zeit mit solchem 
unnöthigen Ballaste, wie die Synonyme sind, die nie publieirt 
worden, mit dem Zusatze Mscr., in litt.*), Herb. u. s. w., zu 
beschweren, ist lächerlich. Bauhin’s Pinax war in diesem 
Punkte ein Muster, dessen Gleichen nun wohl immer ein pium 
desiderium für die Wissenschaft bleib. Wenn ein solches 
Werk jetzt erscheinen sollte, so dürfte es nicht bis zu unsern 
Tagen fortgesetzt werden, denn das neu Aufgestellte oder die 
neuern Bestimmungen fluctuiren noch zu sehr**). Wie eifrig 


*) Der Verf. dieses hätte die Lichenologie und besonders die Myco- 
logie mit vielen "Tausend Synonymen (und manchen recht curio- 
sen) bereichern können, wenn er alle die neuen Namen hätte auf- 
nehmen wollen, worunter ihm Lichen- oder Pilz- Arten mitgetheilt 
worden. Er hat es aber jedesmal für hinreichend gehalten, den 
Einsender zu unterrichten, unter welchem Namen eine Art in seinen 
Schriften vorkomme. War indess eine Art wirklich neu, so hat 
er nicht allein den Namen des Zusenders beibehalten. sondern auch 
diesen als Autor citirt. Manche folgen einem entgegengesetzten 
Grundsatze. Ä 


”+) Die Arten der Autoren, die solche nach den herrschenden An- 
sichten der Zeit aufgestellt haben, welche (Arten) darum bald 
anerkannt worden, gehen fort und fort immer mehr unter, — die- 
jenigen der Autoren dagegen, welche, wie Ehrhart, vor ihren 
Zeitgenossen weit hervorstanden und deswegen Widerspruch von 
ihnen erfuhren, sehen wir von Jahr zu Jahr immer mehr wieder- 


94 Ueber die Namen'der Pflanzen. 


man ist, eine Menge verschiedener Benennungen anzusammell; 
zeigt sich darin, wenn aus'bereits "berichtigten  Druekfehlern 
neue Synonyme geschaffen werden, wie Juncus 'auetus» Retz., 
was im Suppl. für Druckfehler 'statt J. acutus ae ee 
Polyyala buzxifolia Nov. ist es derselbe Fall.) = 7 u ww 

39: Man eitire ehrlich, sine ira et studio.’ Es 
kann wohl ganz ünnöthig scheinen, einen Grundsatz’ zu berüh- 
ren, der bei jedem Vorhaben des Menschen gelten muss; “aber 
er wird in gar vielen Fällen indirect umgangen. Am lächerlich: 
sten ist wohl die Art des Citirens, die nur ein“ Thermometer 
des eignen mehr oder minder freundschaftlichen Verhältnisses 
eines. Schriftstellers zu anderen abgiebt. . Ungerecht. ist'alles 
Citiren, welches — wir. wollen: gern ' glaubeu,.: dass es ‚mehr. aus 
Unachtsamkeit als vorsätzlich geschieht: — Meinungen | oder 
Wirken eines Autors in falschem ‚Lichte. darstellt,‘ wie: wenn 
eitirt wird, als führe ein Schriftsteller, eine Pflanze als: eigene 
Art auf, während dieser selbst sie vielmehr nur als. Varietät 
angiebt.. Hierher ist auch zu rechnen, wenn man. zur Bestär- 
kung seiner. einmal angenommenen Ansicht Umstände »erdichtet; 
wie dass ‚Filago montana ‚Linn. Wpwe: eine andre. wäre | als die 
der Fl. suecica. | | and 

40. Man beachte die,.-für Werke verschiedenen 
Zweckes 'nöthigen verschiedenen Principien für 
die Synonymie. :In einem allgemeinen Systeme eitire man 
die Hauptquellen der Aufstellung einer Art; ein Theil’ verschie: 
dener Benamungen aus kleineren Specialfloren, die mie Beifall 
gewonnen, können’ gern übergangen werden.‘ In der vollständi- 
gern Flora eines Landes ist hauptsächlich aus ‚der ihr 'angehö:- 


angenommen. Es van mir deshalb als sehr sachgemäss vor, 
dass ein solches Repertorium der Synonymie, wie Steudel’s, 
mit einem gewissen abgelaufenen Jahre schlösse (wie etwa mit 
41800, oder Srelleicht a 1815, nach welchem | Jahre, die grosse 
Lebendigkeit und Bewegung in der Botanik erst begann, — und dies 
für sich herausgegeben würde, denn „über die ‚yor genanntem Zeit- 
‚punkte beschriebenen Gewächse ist wohl nun das ‚Uribeil ziemlich 
festgestellt,) und es die neueren, als ‚wovon noch kein sicheres 
Resultat aufgestellt werden kann, für ein besondres. Werk zur 
Seite liesse. Der Gewinn dabei würde sein, dass dieses ein abge- 
schlossenes Werk 'wäre, welches anf immer seinen Werth behielte; 
dieses brauchte nachher nicht weiter in jede neue Auflage mitge- 
schleppt zu werden, wodurch: die neuste: Auflage von Steudel mehr 
als: verdoppelt worden ist — und jedenfalls wäre nach gegenwär- 
‚tigem Princip eine neue: Auflage, wie ein neuer nen. wer, alle 
Jahre nöthig, E 


Ueber (die Namen‘ der Pflanzen. 95 


renden Literatur‘ Kunde zu »geben, : doch: so, dass die Citate, 
welche die :Art erläutern, von’ denen gesondert werden , die nur 
- hoealitäten. ‚bestätigen : die letztern citirt man am besten unter 
diesen, und unrecht scheiht' es mir zu sein,’ wenn nicht (sehr 
gemeine Pflanzen ausgenommen) bei jeder Tiocalität die Auto- 
rität derselben, die man: in streitigen Fällen: ‘zu: vergleichen nö- 
thig hat, angegeben wird. Oft ist es unmöglich, zu ermitteln, 
aufwessen Autorität eine diesfällige Angabe beruht, und dadurch 
verliert das ganze seinen Werth. Da mit der Synonymie wohl 
nicht beabsichtigt sein kann, die meisten disparaten Benennun- 
gen anzusammeln, sondern anzugeben, was zur Erläuterung der 
Geschichte der Pflanze dienen kann, so ist die chronologische 
Ordnung die beste. — In einer kleinern Specialflora, die der 
allgemeinen Flora des Landes zu Grunde liegen muss, sind Sy- 
nonyme, ausser besondren Fällen, überflüssig. 

41. Endlich muss man genau unterscheiden zwi- 
schen Geschichte des Artbegriffs und Geschichte 
des Artnamens. Linne musste, wie jeder Forscher, der die 
Wahrheit mehr liebt als sich selbst, seine Ansichten oft ändern. 
Nach und nach wurde manche anfänglich verwechselte Pflanze 
ins Klare gesetzt, zuweilen vorher richtiger bestimmte verwech- 
selt. In diesen Fällen folge man immer der Stelle, wo die rich- 
tigste Ansicht dargelegt ist, und sondre ab, was mit Unrecht 
hinzugethan ist, z. B. bei Agrostis rubra. Man muss suchen 
den Autor so auszulegen, wie er es selbst gethan hätte, wenn 
die spätere Aufhellung zu seiner Zeit gekommen wäre. Wo 
verschiedene Arten in verschiedenen Werken vorkommen, ist 
nicht jedesmal das älteste die Hauptquelle, sondern das, worin 
die Art am richtigsten und vollständigsten abgehandelt ist. Fer- 
ner kann die Quelle für die Art eine ganz andre sein als die 
iür den Namen: so z. B. bei Salix arenaria. Da erhalte jedes 
sein Zeugniss für sich. Indess betrachte man doch nicht die 
Citate aus der Fl. lappon. zu Carex leporina, canescens u. a. 
als die Quelle dieser Arten; obschon Linne ähnliche Arten für 
Alpenformen dieser ihm vor- und nachher wohlbekannten Arten 
ansah. Diese letztern sind sicher Linne’s Typen. Die Erörte- 
rung aller solcher Fragen erfordert nicht bloss die vollständigste 
Sachkenntniss, welche man nie verachten darf, sondern zugleich 
auch einen sichern kritischen Blick. Bot. Not. 1842, Nr. 1.— 
Es ist eine Hauptregel für alle edle und wahre Kritik, so Vie- 
les als möglich bei einem Autor richtig zu finden, während das 
Kennzeichen einer unedlen und nichtswürdigen ist, dass sie 
alles so schief und unrichtig als möglich darzustellen sucht. 


96 Ueber die Namen der Pflanzen.. 


Aber jede schiefe Richtung des Zeitgeistes muss ein Jeglicher 
mit Kraft und Muth, ohne persönliches Abzielen, aber auch ohne 
Menschenfurcht, absperren und davon zurechtweisen. Bei ein- 
zelnen Irrungen jedoch, bei ungleichen Ansichten, sollen wir 
„communiter progredi via caritatis, tendentes ad Unum, de 
quo dietum est: Quaerite ejus faciem semper.‘ (Aucu- 
STINUS. ) 


Anmerkungen 
a zum vorstehenden Aufsatze*). 


Zu Seite 47. Camelina. Wirhaben hier nach der ewöhn- 
lichen Ansicht angenommen, dass dieses Wort griechischen 
Ursprungs sei, und desshalb seine Ableitung ei wie 
sich der Bestimmer der Gattung, Crantz, sie dachte. Wir 
selbst indessen hegen starken Zweifel daran, dass es griechischen 
Ursprungs sei. Den ältesten Spuren zufolge, welche wir haben 
auffinden können, ist dies Wort französischen Ursprungs, Came- 
line; ist danach latinisirt, später ist für dasselbe eine passli- 
che und schliesslich eine unpassliche griechische Ableitung auf- 
gesucht worden. 

Zu Seite 48. Achillea. Es ist uns nicht unbekannt, dass 
der Held Achilles auch als Zögling des Uentauren Chiron an- 
seführt wird, obgleich diese älteste Geschichte ganz und gar 
fabelhaft ist, in deren gleichen Verwechselungen sehr gewühn- 
lich sind. Wir glauben nach solchen Combinationen kein Recht 
dazu zu haben, einen Schritt über die Angaben der Quellen hin- 
auszugehen. 

Zu Seite 54 Aira. Wir haben hier die Ableitung dieses 
Namens treulich nach den Quellen angegeben. Will man je- 
doch "A:gn als einen neuen Namen betrachten, nachdem er einem 
ganz andern Gegenstande beigelegt worden ist, als dem ur- 
sprünglich gemeinten, so kann diese Gattung nach der genauern 

egränzung, welche wir ihr zu geben haben, gern die erhobene 
genannt werden, theils weil sie sowohl die Erde zu Hügelchen 
und ihre Halme hoch über die anderen niedrigeren Gräser er- 
hebt, theils weil, unter anderen, Arten von ihr auf den höch- 
sten Bergen wachsen. 

Zu Seite 6l. Yovaxos Kalauos. Dies Beispiel ist besonders 
Jehrreich desswegen. weil, obgleich das erstere Wort schon sub- 
stantivische Natur angenommen hat, wie aus seiner Beugung 
hervorgeht, es doch noch mit seinem primitiven Subjecte ver- 
bunden wird. 

Zu Seite 70. Die Linneische Terminologie. Was wir bei 
der neuern Terminologie vorzugsweise tadeln, ist, dass sie sich 
nieht bloss als Mittel, sondern als Zweck betrachtet und in ih- 
rer blossen Erweiterung schon einen Gewinn sieht. Vor Allem 
betrachten wir es als unpassend, 1.) für entweder völlig gleich- 
artige oder deutlich analoge Theile gesonderter Familien eine ei- 
gene Terminologie zu bilden, 2.) für ein und dasselbe Organ, 
z. B. die Frucht, eine Menge primitiver, substantivischer Na- 


*) Diese Anmerkungen, welche Herr Dr. Beilschmied bei seinım 
Exemplare von jenem Aufsatze nicht besass, werden hier aus dem 
ersten Bande der Botaniska Utflygter, in welchem sie sich S, 
177 — 78 demselben beigefügt finden, übersetzt hinau ‚gelieke 

er de. 


7, 


‘8 Veber die Namen der Pflanzen. 

men anzunehmen, wodurch man das Wesentliche in der Sache 
so leicht übersieht, nachdem man einen neuen Namen erhalten 
hat. Ein neuer Ausdruck: ist:nur für, einen neuen Begriff nöthig. 
Eine ausgebreitete neue Sprache, wie Wallroth, Petermann 
u. A. sie gesucht haben einzuführen, wird, wenn sie auch mehr 
logisch und consequent seyn mag, kaum die Mühe, sie zu lernen, 
lohnen und gereicht zu keinem Gewinne ; denn man muss doch 
auch die einmal angenommene lernen, um deren reichere Litte-ı 
ratur benutzen zu können. j- nt 

Zu Seite 71. Die Gattungsnamen. Es ist ın den letzteren 
Zeiten, nach De Candolle, gebräuchlich geworden, jede Un-. 
terabtheilung einer Gattung mit einem substantivischen Namen 
zu belegen. So benennt man die Gruppe der Festucae ovinae 
Amnopoa, die der F. rubrae Alaxyper (eine verunglückte Zusam- 
mensetzung, welche bedeuten soll foliis superne sulcatis), die 
der Posae caninae Cynorrhodon u. s. w. bis in’s Unendliche. Wir 
halten dafür, dass dies durchaus keine Nachahmung verdiene, 
dla die Verwandtschaft so auffallend ist, dass nie die Rede da- 
von seyn kann, sie als eigene Gattungen zu betrachten. Wir 
halten es für weit schicklicher, solche Gruppen nach ihrer Haupt- 
art zu benennen, z. B. Rosae caninae, pimpinellifoliae, Saxifragae 
cotyledoneae u. Ss. w., wie die Familien nach ihrer Hauptgattung ; 
sonst verdienten diese wohl weit mehr einen selbstständigen Na- 
men zu bekommen. Nur, wenn ein älterer geschiehtlicher Name 
dadurch erhalten wird, oder auch, wenn es nothwendig wird, un- 
ter einem gemeinschaftliichen Namen mehre kleinere Gruppen 
zusammmenzufassen, wie unter den Salices, möchten wir die 
Substantive behalten. 

Zu Seite 89. ete. Linne’s Herbarium als Quelle. Es ist be- 
merkenswerth, dass fast keine derjenigen Gewächse, welche 
Linne als für ihn neue oder bemerkenswerthe in seinen Rei- 
sen beschreibt, sich in seinen Herbarien aus diesen Localitäten 
finden, sondern ganz fehlen, oder auch statt solcher in auslän- 
dischen Exemplaren existiren. Dies scheint wohl einer der 
schlagendsten beweise zu seyn, dass Linne’s Schriften nicht , 
wie die der Stubenbotaniker unserer Zeit, seine Herbarien, son- 
dern die lebendige Naturbetrachtung zur Grundlage haben. Zu 
der Zeit stand auch die specielle Botanik im grössten Ansehen, 
welches sie nicht mit Unrecht in dem Maasse verloren hat, 
als sie zu einer mechanischen Tagelöhnerarbeit geworden ist, 
hloss um Diagnosen und Beschreibungen nach Herbarien zu ent- 
werfen. — Diese Ansicht von Linne’s Schriften, als haupt- 
sächlich von einer lebendigen Naturanschauung ausgehend, hal- 
ten wir für um so wichtiger, als man nach einer Vergötterung 
des Linneischen Herbariums auch in England jetzt anfängt, es 
wegen seiner unvollkommenen Form und seiner einzelnen und 
unvollständigen Exemplare zu bespötteln—und demzufolge, nach 
der falschen Ansicht, dass Linne’s Schriften nur aus seinem 
Herbarium hervorgegangen seien, auch sein Ansehen herahzu- 
setzen: | 


(Cr) 


A 


AV. 


Auszug aus Lund’s Reise durch die Nordlande und 
' West - Finmarken im Sommer 1841 *). 


; Aus dem Dänischen übersetzt 
von 


Mornschuch. 


Die Umgegend von 7romsoe ist schöner, als man bei dem 
ersten Anblick vermuthet. Die Landschaft worin die kaum eine 
halbe Quadratmeile grosse Insel Tromsoe liegt, scheint weder 
schön noch malerisch. Nackte, steile Felsen umschliessen sie 
und hegen eine nicht unbedeutende Meeresstrecke ein, in deren 
Mitte Zromsoe, als Centrum in einer grossen Ellipse, liegt. 
Gleich in dessen Nähe, aber auf der andern Seite des Sundes, 


*). Der Titel des Originals ist: Heise igjennem Nordlandene og 
Vestfinmarken i Sommeren. 1841. Af N. Lumwd, Candid. Phı- 
losophiae. Christiania. Guldberg et Dzwonkowski. 1842. 8. 

Bei dem hier folgenden Auszuge aus dieser, in vieler Hinsicht 
interessanten Reisebeschreibung eines zu schönen Erwartungen 
berechtigenden jungen Normannes, hielt ich für nöthig, mich nicht 
bloss auf die Namen der gefundenen Pflanzen und deren Stand- 
örter zu beschränken, sondern auch die Schilderungen der Gegen- 
den, wo die Pflanzen wachsen und die Art ihres Wachsthums , so 
weit darüber Auskunft gegeben wird, mit aufzunehmen, da mir 
diese für die Wissenschaft noch wichtiger erscheinen , als erstere. 
Die wenigen mit aufgenommenen allgemeinen Schilderungen und 
Bemerkungen werden, wie ich hoffe, Viele nicht ohne Interesse 
lesen, da sie ein lebendiges Bild der hochnordischen Natur geben, 
und die Eindrücke, die durch sie auf ein empfängliches Gemüth 


hervorgebracht werden, treu schildern. 
D. Uebers. 


7#* 


100 Auszug aus Lund’s Reise. 


ragen der Flöi- Alpe und Tromsötinds steile Massen in die Luft, 
beide nur bis zur Hälfte ihrer Höhe mit einem schwachen Busch- 
wald von Kleinbirken (Betula alba var. glutinosa) bedeckt. Die 
rauhen Klippen und das öde Meer verleihen der Landschaft 
ihren Character, und die Naturschönheiten von Tromsoe werden 
nicht in dem Totaleindruck mit aufgenommen. Diese fallen erst 
auf wenn T'rromsoe zum Gegenstand der Betrachtung des ganzen 
Kreises gemacht wird. Es bildet eine einzige flach abgerundete 
Erhöhung ohne hervorragende Klippen und Steine von unge- 
fähr 500 Fuss über das Meer. Ueber sein frisches Grün breiten 
junge Birken einen lieblichen Waldteppich, der sich bisweilen 
zurückzieht und kleine Wiesenstücke einhegt. Der Herbst tritt 
in Tromsoe sehr zeitig ein. In den letzten Tagen des Augusts 
beginnt das Birkenlaub stark zu bleichen und in den ersten 
Tagen des Septembers tritt Schneefall ein. Die Mitteltemperatur 
ist in den Wintermonaten — 3° und in den Sommermonaten 
+ 8,0 Reaumur. 

Der Kaafjord *) liegt in hohen Felsen eingeschlossen, man 
sollte deshalb glauben, dass es hier milde und still sei, allein 
weit entfernt. Hier rasen heftige Stosswinde. Die Baumvege- 
tation ist verkrüppelt, aber der Graswuchs gut. Mehrere nörd- 
liche Gräser werden hier gebaut und gedeihen gut. Von einge- 
führten Gewächsen würde ohne Zweifel Vicia cracca zum Anbau 
als Futterkraut zu empfehlen sein, da diess Gewächs schnell 
vegetirt und sein Gedeihen über ganz Finnmarken beweist, dass 
es hier an der rechten Stelle ist. Nachdem ich eine interessante 
botanische Ausbeute gemacht, welche in dem angehängten Ver- 
zeichniss specificirt ist, verliess ich den Kaafjord und zog in 
Gesellschaft mit Professor Blytt nach Bosekop. 

Bosekop, welches eine lappische Benennung sein und Wal- 
fischbucht bedeuten soll, liegt ungefähr eine Meile östlich von 
dem Kaafjord auf einem grünen Hügelabhang, der mit klippen- 
vollen Ufern sich um eine halbrunde Meeresbucht biegt und auf 
der südlichen Seite von einem Walde von kränkelnden Föhren- 
bäumen abgelöst wird, die in dünnen Reihen sich westlich 
ziehen. Die Gegend ist traurig und nackt, die Baumvegetation 
verkümmert und zeigt deutliche Spuren von der Einwirkung der 
Polarwinde. Aber für den Reisenden, der mit den Naturschön- 
heiten Finmarkens unbekannt ist oder sie kennen zu lernen 
wünscht, hat Bosekop ein grosses Interesse; denn es ist der 
Eingang zu dem Theile von Alten, der mit Recht Finmarkens 


*) Fjord = Bucht. Anm. d. Ueb, 


Auszug aus Lund’s Reise. 101 


Paradies genannt wird. Erst ein viertel Wegs landeinwärts 
wird die Natur lieblicher. Die Vegetation nimmt einen üppigeren 
Oharacter an, die Föhrenbäume eine frischere Farbe; die Laub- 
Moose werden grüner in den Wäldern nnd die finmärkische 
Lerche flötet ihren einfachen Gesang. 

Wo der Wald aufhört und in einen steilen Hügel endet der 
zu einer flachen Ebene längs des Altenfjords westlichen Arm 
führt, sieht man das stille Bassin des Kongshaunsfjords — 
denn so heisst dieser Arm des Altenfjords — in der Ferne von 
hohen blauen Alpen mit Schneegruben auf den Spitzen begrenzt. 
Längs dessen westlichen Ufer zieht sich die eben erwähnte 
Waldebene hin. 

Im Westen hievor liegt das Sandfeld, ein steiler Erdrücken, 
wovon man eine roalerische Aussicht über einen Theil von 
Alten hat. Die Landschaft, welche sich von hier zeigt, ist 
räumlich und amphitheatralisch und wird überall von fernen 
blauen Bergen mit langen Schneestreifen oberhalb umschlossen, 
welche gleichsam die hervorragenden Lippen von dem Eisbär 
des Winters bilden, der hinter den Alpen lauert um sich über 
die Blumenpracht der Ebene und die üppige Vegetation zu 
stürzen. Ueber die Fläche des 'Thales hin wechseln romantische 
Waldparthien mit grünen Höhen; bald sieht man grosse Gruppen 
von Erlen- oder Birkenbäumen, bald kleine Rasenflächen, worauf 
ein Bauerhof, von Birkenwald idyllisch umschlossen, liegt. 
Zwischen den armuthigen Waldparthien schlängelt sich der 
spiegelblanke Strom des Altenelvs *) wie eine Schlange durch 
Blumen. Man entdeckt ihn zuerst, als einen glänzenden Silber- 
streif, welcher im heftigen Lauf gegen das Meer hinabrinnt und 
mit seinen kleinen Wogen den langblättrigen Ehrenpreis, das 
Karlsscepter und den feuerfarbigen Steinbrech (Sarifraga aizoides 
var. crocea) tränkt, welche an dessen Ufern wachsen. Hier 
und da, besonders gegen das Ende seines Laufes, schickt er 
häufige Nebenarme aus die stets mit dem Hauptstrom zusammen- 
fliessen und mit diesen anmuthige Parthien von Inseln und 
Halbinseln bilden. Die ganze Landschaft ist hinreissend schön 
und ich erinnere mich nicht eine schönere gesehen zu haben, 
ausgenommen Guuldalen in Trondhjems Stift. 

Altens Wälder sind im Verhältniss zu der nördlichen Lage 
des Landes von Bedeutung. Hier findet mar grosse Strecken 
von Föhren - und Birken - Wald, die in Gegenden, welche tief 
und vor den Seewinden geschützt liegen, sich durch schlanken 

ee INS 
*) Elv = Strom, Fluss, Anm. d. Ueh. 


102 Auszug aus Lund’s Reise. 


Wuchs und ungewöhnliche Höhe auszeichnen. Aber man behan- 
delt den Wald, besonders den Birkenwald, aus dem man eine 
Menge Rinde zum Gerben ablöst, unverantwortlich. Dadurch 
verkrüppeln die Bäume und sterben in wenig Jahren, und 
diese Behandlung besonders die jungen Bäume trifft, deren’ Rinde 
sich am Best ablösen lässt, wird es wahrscheinlich nicht 
lange währen, bis der Birkenwald ganz verwüstet ist. ' Die 
Verwüstung des Birkenwaldes hat die des Föhrenwaldes zur 
Folge, indem die dadurch hervorgebrachten grossen Oefinungen 
diesen der Einwirkung des Windes und Wetters er sehr 
aussetzen Bu 

Der Altenelv bietet eine interessante Vegetation el Ich 
habe ihn von seiner Mündung bis zur Einmündung des Eidyelvs 
in denselben, eine Strecke von ungefähr 2 Meilen verfolgt. 
Bei Mundingen auf dem südlichen, sandigen Ufer wächst in 
grosser Menge Pisum maritimum, Allium Schoenoprasum 8 
majus, Gentiana serrata und die var. detonsa, Carex glareosa, 
Cochlearia anglica und wenig entfernt vom Ufer in einer sumpfi- 
gen Vertiefung Prümula strieta und norvegica und Carex gla- 
reosa. Längs dem Elv findet man fast ununterbrochen Primula 
norvegica und striela. Weiter oben näher gegen Faergested hin, 
trifft man auf den sandigen Ufern Tamarix germanica, Lyehnis 
alpina und affinis. Sazifraga aizoides und die var. crocea und 
auf Wiesen wenig entfernter von den Ufern Sonchus sibirieus, 
Carex rotundala, zugleich mit einigen anderen lappischen 
Pflanzen. Tamarix germanica folgt dem Laufe des Alten- und 
Eibyelvs wenigstens 3 bis 4 Meilen. Die Vegetation hierum 
ist reich und interessant. 

Nachdem ich in den mehr näher liegenden Theilen von 
Alten botanisirt hatte, unternahm ich mit dem Gärtner Moe 
eine Excursion in das Eibythal, während Professor BDlytt mit 
Untersuchung von Store Reipas und den umliegenden Alpen 
beschäftigt war. Das Eibythal, ungefähr 2 Meilen südlich von 
Bosekop, ist ein Bergthal in dem Innern von Alten. Die 
Absicht war die Beschaffenheit der Vegetation in dem Innern 
des Landes zu untersuchen und um zu dem Ende so weit vor- 
zudringen, als unser noch dauernder kurzer Aufenthalt in Alten 
zuliess, unternahmen wir die Reise zu Pferde. Der Tag war 
schön und nebelfrei; die Sonne schien klar auf die Waldfläche 
und gab der Gegend ein frühlingsartiges Ansehen. Die Natur 
lag wie ein schöner, gestickter Teppich , gewirkt in des grossen 
Geistes heimlicher Weri:statt, vor uns ausgebreitet. Der Weg 
ging im Anfang über den tiefen Bergrücken, welcher Alten 


Auszuy aus Lund’s Reise. 103 


gegen die Einwirkung des Meeres beschützt. Er ist im Anfang 
einförmig und führt durch einen Wald von halbgewachsenen 
Föhren, deren verkrüppelter Wuchs und verkümmertes Aussehen 
einen klaren: Begriff von der Schärfe des Klimas giebt. Man 
wird unbehaglich gestimmt beim Anblick von diesem verwelkten 
Föhrenwald gleich oberhalb des freudigen Baumwuchses des 
Altenthals; aber das Gefühl geht in eine halb melaneholische 
Stimmung über, wenn man sich der Ursachen zu deren ver- 
krüppeltem Aussehen erinnert und bedenkt, dass sie einen Schutz 
für das anmuthige Altenthal gegen die Meeresstürme bilden. 
Diese kränkelnden Föhrenbäume erhalten dann ein eigenes 
‚Interesse. Vom Bergrücken führt der Weg in ein grünes, mit 
Buschwald von Birken und Erlen bewachsenes Thal hinab, und 
folgt den Krümmungen des Altenelvs. Man macht sich schwer- 
lich einen Begriff über die Lieblichkeit dieser Landschaft so 
weit oben gegen den Pol. Ueberall begegnet das Auge lächeln- 
den Gruppen von Bäumen und Blumen mit stets neuen und 
frappanten Abwechslungen in den Situationen. Nirgends sieht 
man eine Spur von der verkümmerten Vegetation der nördlichen 
Zonen, einer‘ solehen, wie sich auf mehr dem Winde ofenen 
Stellen zeigt. Das Thal folgt in einer Ausdehnung von ungelahr 
einer halben Meile dem Lauf des Elvs und ‚wird auf beiden 
Seiten von hohen Alpen beschützt, der grossen und kleinen Keipas. 
wovon die erste sich durch ihre steile gegen den Elv gekehrte 
Felsenwand, die zweite durch reiche Adern von Kupfererz, 
welche in der letzteren Zeit, wie man sagt, das Kupferwerk des 
Kaafjords am Leben erhalten haben, auszeichnet. Weiter aber 
spaltet das Thal sich, indem der vereinte Strom des Elvs hier 
in zwei Betten getheilt fliesst, wovon der grössere, der ungefahr 
von Süd nach Nord fliesst, der grosse Elv, der kleinere. 
der mit ihm einen Winkel von 80° bildet, Eibyelv genannt 
wird. Die Vegetation ist längs dem Altenelv besonders 
üppig, ‘aber einförmig. Die gewöhnlichsten Gräser wachsen 
hier ohne Kultur zu einer seltenen Höhe, beinahe höher als 
südlich der Alpen mit Kultur, und die Ebene eignet sich des- 
halb besonders zur Rindviehzucht,, die auch der Hauptnahrungs- 
zweig ihrer Bewohner ist. Von merkwürdigen Pflanzen findet 
man hier: Calamagrostis strigosa , striela und lapponica, Astra- 
galus alpinus, Carex aqualilis, Gnapkalium norvegieum., 
Hieroc.hloa borealis, und auf den sandigen Strandflächen , wo 
der grosse und Eibyelv sich vereinigen, eine schmalblättrige 
Weide, vielleicht Salix majalis, die häufig und in constanten 
Formen längs des Zibyelvs in einer Ausdehnung von ungefähr 


104 Auszug aus Lund’s Reise. 


einer Meile vorkommt. Wir setzten unsere Reise längs dem 
rechten Arm des Altenelvs fort. Hier beginnt das Thal sich zu 
verengen und ein wildes, romantisches Aussehen anzunehmen. 
Der Wald wird grösser und dichter und bildet ein zusammen- 
hängendes Laubdach, in welchem Birken und Föhren ihre Krone 
zusammenlegen und worunter das Gras ferner seine ungewöhn- 
liche Grösse beibehält.e. Das Thal hat das Aussehen eines 
Alpenthals, so wie man sie auf den Alpen der Südalpen trifit, 
nur dass des Birkenwaldes riesiger Wuchs ihm ein eigenthüm- 
liches arctisches Gepräge giebt. Das Eibythal hat ungeachtet 
der Ueppigkeit der Vegetation ein finsteres und trauriges Aus- 
sehen. Vorne die hohen Bäume, die überall ein -finsteres 
Halbdunkel verbreiten, das Thal wird überschattet von düsteren, 
hoch aufsteigenden Alpen: Preskavare in Süden und Skaadavare 
(eine allgemeine lappische Benennung für hohe Felsenspitzen, 
die „Nebelgebirge * bedeutet) im Norden. 

Wir kamen um 8 Uhr Abends in Eibı ye an und unternahmen 
zuerst denselben Tag eine botanische Untersuchung von Skaada- 
vare. Hier findet sich die allgemeine, lappische Vegetation, 
wovon ich nur Carex pedata anführe. Wir kehrten um Mitter. 
nacht zurück und suchten, ermattet von dem langen Herum- 
klettern zwischen den Klippen, schnell unser Bette. Dies war 
von der einfachsten und schwerlich gesundesten Art. In einem 
Winkel des Zimmers war ein Theil kürzlich abgemähtes Gras 
aufgehäuft und darüber ein Betttuch ausgebreitet. Ich zog jedoch 
ein noch einfacheres vor und legte mich auf den Fussboden, 
einen Milchkübel unter den Kopf. Aber wenn man müde ist, 
schläft man leicht süss und bekümmert sich "nicht um die Be- 
schaffenheit des Bettes und um die Leiden der Glieder. Am 
andern Morgen zeitig zogen wir durch das Waldthal hinauf nach 
Goskavare, eine Meile von Eibye. Unsere kleine Karavane bil- 
dete einen genremässigen Aufzug: an der Spitze ein Mann mit 
einer Axt auf dem Nacken und einem langen Schnitzmesser im 
Gürtel, beide Instrumente zum Schutze gegen wilde Thiere 
bestimmt, nach ihm zwei Botaniker zu Pferd und als Arrier- 
garde ein kleiner Schussjunge, der mit grosser Mühe hinten- 
nach latschte, weil seines Vaters Beinkleider, in welche man 
ihn gesteckt hatte, es ihm sehr beschwerlich machten einen 
schnelleren Schritt zu versuchen. (Das Verzeichniss über die 
auf Goskavare gefundenen Pflanzen findet sich im Anhang.) 

Den dritten Tag untersuchten wir die Strandvegetation, 
fanden Alsinella rubella und bestiegen Peskavare. Denselben 
Abend reisten wir nach Bosekop zurück. Den Tag darauf wurde 


Auszug aus Lund’s Reise. 105. 


im T'vaerelvs-Thal botanisirt. Das Thal ist schön und die Ve- 
getation üppig. Wir fanden Carex aquatilis und Lathyrus pa- 
lusiris, welche Professor Blytt einige Tage zuvor auf derselben 
Stelle gefunden hatte. Der letzte Fund ist von Wichtigkeit, 
weil die Pflanze nach Linne’s Zeit in Finmarken nicht gesehen 
worden ist, und Linne’s Angabe schon anfing ein Gegenstand 
des Zweifels zu werden. 

In den letzten Tagen unseres Aufenthaltes in Alten unter- 
nahm ich mit dem Gärtner Moe eine Excursion nach Sakavare, 
einer in botanischer Hinsicht interessanten Alpe, durch Wahlen- 
berg’s und des jüngeren Vahl’s Reisen, als Standort von Rhodo- 
dendron lapponicum und Andromeda tetragona bekannt. Dieser 
Berg liegt ungefähr 3 Meilen im Westen von Bosekop und 
scheidet des Kaafjords und Quaenvigens parallellaufende Buch- 
ten. Wir landeten in Quaenvigen, einer kleinen Bucht des. 
Altenfjords, umgeben, oder besser gesagt, eingezwängt zwischen 
3 hohe Alpen: Skaadavare, Nalavare, die den Buchtgrund 
bildet, im Süden, und Sakavare, im Westen. Die zwei ersten 
sind pyramidenförmig, und nähern sich im Aussehen den Ge- 
birgsgipfeln längs den Küsten des Nordlandes, ermangeln aber. 
der scharfen und kühnen Formen dieser. Sakavare dagegen ist 
ein von Süden gegen Norden auslaufender flacher Bergrücken 
von ungefähr 4 Meile Länge, der auf seinem äussersten Punkt 
gegen das Meer eine scharfe Verbiegung wie ein Knie bildet, 
welches ihm in der Entfernung das Ansehen einer Festung mit 
Mauern und Absätzen giebt. Von diesen Felsengipfeln beschützt 
liest @uaenvigen. Die Felsen senken sich scharf und mit 
rauhen Ufern in das Meer und nur einzelne grüne Streifchen 
- schlängeln sich gleich wie ein Band über die Klippen hin. | 

Sobald ich mich nach dem Wege erkundigt, begannen mein 
Begleiter und ich unsere botanischen Beschäftigungen Schon 
beim Strande trafen wir Gentiana serrulata (var. detonsa) und 
Primula norvegieca. An dem Felsenabhang folgten wir dem 
Laufe eines Baches, an dessen Ufern ein grosser Theil von den 
alpinischen Schmuckpflanzen ihren Standort hatten. Wir trafen 
hier Lychnis alpina, Saxifraga aizoides und die schöne dun- 
kelgelbe Abart, Azalea procumbens, Silene acaulis, Menziesia 
caerulea, Sazifraga cernua, stellaris und nivalis, Phaca fri- 
gida, Viola biflora, Pinguicula alpina, Toffielda borealis u. 
5, w. und in grösserer oder geringerer Entfernung vom Bache 
Primula strieta, Salix haslata, myrsinites und herbacea u. A. 
.m., an den Seiten desselben die gewöhnlichsten Berg- und Wald- 
a als Empetrum nigrum, Calluna vulgaris, Cladonia 


106 Auszug aus Lund’s Reise. 


rangiferina, Cetraria islandica, Melampyrum pratense und 
sydvaticum u. Ss. w. Etwas über der Mitte des Bergabhanges 
begannen die Eispflanzen der arctischen Zone auf’ ihren steilen 


Standorten zwischen nackten Klippenspitzen‘ unter «Heidekraut 


und Rennthiermoos hervorzutreten. Diese Standorte haben einen 
eigenen Character. Grasflecken sieht man beinahe niemals; 
ausser in Vertiefungen zwischen Klippenspalten an der kleinen 
Mossevand. Dasselbe gilt im Allgemeinen von den grünen 
Laubmoosen. Die Natur scheint mit Fleiss alles Sommerliche 
von jenen Orten entfernt zu haben, wo der Sommer nur eih 
Augenblick, ein vorbeischwebender Lufthauch ist, der jene von 
ewigem Schnee bedeckten Orte aufthaut. Kein Laut von einer 
Vogelstimme belebt diese traurigen Gegenden und nur ein ein- 
samer Falke unterbricht bisweilen mit seiner heiseren Stimme 
die tiefe Stille An solchen Orten wächst Rhododendron lap- 
ponicum, die Alpenrose der nordischen Natur, mehr: als halb 
zwischen Empetrum nigrum und Vacecinium Vilis idaea ver- 


borgen und nur mit den Spitzen seiner Zweige bis zu 2—3 Zoll ° 


über das Heidekraut hervorragend. Von diesem sprossen dessen 
schöne violettrothe Blumen, selten mehr als vier von jedem 
Zweige, aus, und stehen dem Rennthiermoös und dem bleichen 
Grund von Parmelia tartarea so nahe, dass sie wie Blutflecken 
von einem gefällten Rennthier aussehen. Auf denselben Stel- 
len kömmt Carex pedata und Chamaeorchis alpina vor. Auf 
dem Rückwege fanden wir auf dem Strande am Fusse von 
Skaadavare eine vom Prof. Blytt wenige Tage zuvor entdeckte 
Conioselinum- Art, die für Skandinaviens Flora neu ist, und 
Pisum maritimum , beide in grosser Menge. 

Es war Mitternacht. Die Sonne stand noch am Horizont 
und warf einen starken goldenen Schein über den Altenfjord, 
der zwischen den steilen Felsen ausgebreitet lag, wie ein spie- 
gelblanker Schild zwischen seinem erhöhten Schildrand. Unser 
Boot glitt stille über die Meeresfläche hin, während Schaaren 
von Fischen auf der Oberfläche im lustigen Spiele sich herum- 
trieben uud sich in dem krystall- klaren Element innig zu freuen 
schienen. Unwillkührlich kam mir der Gesang der Meerlrau 
in Goethe’s herrlichem Gedicht ‚, der. Fischer“ in die Ge: 
danken: 
Ach wüsstest Du wie’s Fischlein ist ete. 

Das Meer hat zu gewissen Zeiten eine besondere Anziehungs 
kraft: Es scheint zuweilen so stille, so tief und kühlend. Seine 
Wogen versprechen Vergessenheit und Friede, wie die Mythe 
von Lethes Strom erzählt. Was Wunder deshalb wenn schwache 


” 


Auszug aus Lund’s Reise. 107 


Seelen zuweilen versuchen sich unterzutauchen, um zu verges- 
sen und zu: schlummern? — Das boot stiess gegen das Land, 
die Fahrt war beendet und die Sonne stieg auf ihrer Bahn. Die 
Pieplerche zwitscherte auf den Föhrenbäumen, und die Elster 
war in Thätigkeit ihre Jungen zu füttern, aber — an uns war es 
Vergessenheit und Ruhe zu suchen. 

'Es nahete die Abreise von Alten und das Scheiden von dem 
Professor Blytt, von welchem mir übertragen war den nörd- 
liehsten Theil von Westfinmarken zu untersuchen, während er 
die Vogtei Tromsoes untersuchte. Es war ein schöner. August- 
tag, ehe der Herbst mit seinem bleichen Laub gekommen war, 
als ich Dosekop verliess und mit dem Dampfschiff «Prinz @- 
stav‘“ nach Hammerfest absegelte. Der Weg geht über den Al- 

 tenfjord au dem ea seiner schönen kapei ucklosuken Talvig 
vorbei. | 

@Qualoe *), auf deren westlichen Seite Hammerfest liegt, hat 
ungefähr ‘fünf Meilen **) im Umkreis und ist durch den Qual- 
sund von dem festen Land getrennt. @ualoe ist eine Klippen- 
insel im eigentlichsten Sinne des Wortes, und besteht überall 
aus nackten Klippen die beinahe die See erreichen und nur sel- 
ten Raum für kleinere Wiesenstücke längs des Strandes übrig 
lassen. Die Baumvegetation hat beinahe aufgehört und kömmt 
nur in Felsenschluchten vor, die gegen Nord und West geschützt 
sind. Kleinbirken (Betula alba var. glutinosa), einige Weiden- 
arten und Alnus incana, selten über mannshoch, machen die 
ganze Baumvegetation aus. 

Freitag Abend begab ich mich von Hammerfest mit dem 
Kaufmann Ullich, der mich mit finmärkischer Gastfreiheit zu 
seiner fernen aber niedlichen Wohnung in der Nachbarschaft _ 
vom Nordkap eingeladen hatte, auf die Reise nach Havoesund. 
Dieser wird durch zwei hohe Gebirge gebildet, wovon das öst- 
liche, auf dem Festlande liegende, bis zu seiner halben Höhe 
sanz lothrecht vom Meere aufsteigt und sich von da zu einer 
kuppelförmigen Spitze ungefähr 2500 Fuss erhebt. Diese hohen 
Gebirge geben dem Einlauf zum Zavoesund einen wilden und un- 
freundlichen Character; aber dieser verschwindet wie man des 
Sundes grösster Enge naht. Im Hintergrunde lag an einer kleinen 
Bucht ein eingehegter grüner Rasenplatz malerisch hingestreckt 
auf welchem ein altes einstöckiges mit Ziegeln gedecktes Haus 


*) Oe äst, die; dänische Benennung für Insel; Qual heisst: Wallisch, 
folglich Qualoe: Wallischinsel. D. Uebers. 
##) Die norwegische Meile ist — 44 deutsche. D, Uebers, 


w 


108 Auszug aus Lund’s ‚Reise. 


anmuthig lag., Diess ist Ullichs Wohnung nur zwei Meilen vom 
Nordkap; aber welchen falschen Begriff macht man sich nicht 
von dem Character jener &kegend ? Anstatt einer harten und rauhen 
‘Natur, welche der Vegetation ein verkrüppeltes Ansehen giebt; 
ziehet sich längs der Bucht eine anmuthige Wiesenfläche hin, 
bedeckt mit frischem Grün und Feldblumen der lebhaftesten Far- 
ben. Hinter diesen erhebt sich in allmähliger Schräge eine Ge- 
birgsstrecke, die den grössten Theil von Yavoe einnimmt, und 
den Sund und die grüne Fläche an ihrem Fusse gegen den Nord» 
wind schützt. 

Das Gebirge ist bis beinahe zur höchsten Höhe des Pla- 
teaus mit Grün bewachsen. Die unterste Hälfte ist mit Gräsern 
und Carex-Arten, besonders C. rariflora, die die Moore in den 
Vertiefungen des Gebirges mit einem dichten Rasen überziehen» 
bewachsen, vorzüglich aber mit Salix gluuca, limosa und myrsi- 
nites und ‚auf den Sphagnum-Arten wächst Luzula glabrata 
Hopp. in grösster Menge, die eine ungewöhnliche Grösse erreicht 
und hier auf ihrem rechten Standort zu sein scheint. . Die ober- 
ste Hälfte ist der Gürtel der lappischen Alpenvegetation. Hier 
blühen Diapensia lapponica, Azalea procumbens, Silene acaulis, 
Carex saxatilis, Salia herbacea, Juncus trifidus, Betula nana, 
unter Laub- und Lebermoosen, worunter Dryum caespiticium, 
Aypnum aduncum, Dieranum scoparium und besonders Jun- 
germannia ciliaris, Cladonia rangiferina und Cetraria islandica 
die Hauptmasse sind. Auf der Fläche des Plateaus hören diese 
meist auf und Juncus trifidus und Jungermannia_ ciliaris fri- 
sten noch ein kümmerliches Dasein, während Parmelia tartarea 
sich üppig entwickelt und besonders die letzte mit ihrer bleichen 

„Farbe überzieht. Die Baumvegetation ist verkrüppelt und kommt 
nur in beschützten Felsenlagen vor. Sie ist ein halb ausgebrann- 
tes Licht, das in der letzten Gluth flammt, von des Nordwinds 
beissender Schärfe ausgeblasen. 

Täglich unternahm ich Excursionen auf der Insel und dem 
angrenzenden Festlande. Auf der östlichen Seite der Insel fin- 
den sich mehr fruchtbare Bergschluchten, wo die gemeinsten 
Grasarten, Poa pratensis und alpina, Aira caespitosa und 
flexuosa wenigstens die Höhe einer Elle erreichen. In diesen 
Schluchten findet man einen grossen Theil der schönsten Erzeug- 
nisse der lappischen Alpennatur an der Seite der gewöhnlich- 
sten Wiesenpflanzen concentrirt und der Botaniker ist einer in- 
teressanten Ausbeute gewiss. JAlavoe hat ungefähr 1 DMeile. 
in der Ausdehnung. Das Klima ist mild und behaglich,, beson- 
ders im Winter. In den Monaten December und Januar 1840 — 


Auszug aus Lund's Reise. 109 


1841 war die Mitteltemperatur — 5° und im Juni und Juli 1841 
‘+7°. Man wird sich hierüber wundern, wenn man sich der 
nördlichen Breite der Stelle erinnert; aber man muss bedenken, 
dass die Seeluft das Verhältniss der Temperatur des Strandes 
bedeutend verändert, besonders im Winter. Durch die Milde 
des Klimas lässt sich leicht erklären, dass hier mehrere Wie- 
senblumen gefunden wurden, welche auf Hammerfest verschwun- 
den waren. 

Eines Sonntagsabends gegen Mitternacht verliess ich Havoe- 
sund um zu Boot die Reise nach dem Nordkap fortzusetzen. 
Nach mehreren Stunden kam ich zu Gjesvaer, ungefähr 2 Mei- 
len nordöstlich von Haroesund, an. Gjesvaer ist ein Handels- 
platz auf einer kleinen Insel belegen, die durch einen schma- 
len Sund von Mageroe getrennt ist. Das Land um Gjestaer 
ist öde und wild. Hohe, rauhe, kegelförmige Klippen haben 
sieh in das Meer hinausgelagert wie ein Wald und beschützen 
‚diese Nordwestkante von Mageroe. Zerrissene Wolken eilen 
schnell über ihre Zacken hin; die Seevögel erheben ihr Geschrei 
fern und nah, und die Wogen ziehen schaumbedeckt gegen den 
Strand, wo das blaue Lungenkraut und das Löffelkraut ihre 
kriechenden Wurzeln ausbreiten. Die Baumvegetation ist bei- 
nahe verschwunden und liess nur kriechende Weiden- und Bir- 
kenbüsche, die sich in Felsenritzen und Alpenschluchten vor 
der scharfen Einwirkung der Seeluft schützen, zurück. Die 
Küste ist mit Klippen und Scheeren erfüllt, die in dichten 
Haufen liegen und zerrissenen Landstücken gleichen. Sie sind 
meist zugespitzt und sehen aus wie Felsenspitzen von einge- 
sunkenen Bergen. Unter diesen Inseln ist eine mit Namen 
Stappen worauf vor mehreren Jahren eine alte Fingamme *), 
auf dem schmalen Strand, halh verborgen unter der Klippe 
steiler Versenkung stand. Hier hat Ludwig Phillip auf seiner 
Reise in Finmarken übernachtet. Die Vegetation ist einförmig, 
aber überall üppig, wo das Land Schutz gegen den Nordwind 
darbietet. Mehrere von den südalpinischen Wiesenpflanzen, 
wie Chaerophyllum sylvestre, Lychnis sylvestris erreichen hier 
eine ungewöhnliche Grösse und das Gras erwächst zu einer 
Höhe, wie man am wenigsten unter dieser Breite erwartet. 

Nachdem ich die nothwendigen botanischen Exceursionen 
auf der Westküste von Mageroe und einigen der dortigen Inseln 
angestellt, verliess ich Gjesvaer und reiste über den T’uefjord 
und darauf zu Lande nach Skarvaag. Am Grunde vom Tue- 


*) Finganme ist der Name einer Lappen- Wohnung, D. Uebers, 


110 Auszug aus Lund’s Reise 


fjOrd wuchs Pisum maritimum , ‘aber verkümmert und selten 
fruchttragend, weshalb ich annehme, dass Mageroe dessen 
nördlichste Grenze ist. Um Mittag zu Skarvaag: angekömmen, 
eilte ich schnell zum Nordkap, von dem einzigen Besitzer von 
Skarvaag, der schon seit einer Reihe von Jahren den Reisenden 
den Weg zu diesem weltberühmten Vorgebirg zeigt, begleitet: 
In einigen Klippenspalten und Buchten östlich von der Alpe 
wuchsen die meisten lappischen Sazifragen und Banunculus 
acris erreichte hier eine Ueppigkeit, wie ich nirgends gesehen. 
Der Aufgang ist steil und folgt einem Alpenbach der in kühnem 
Fall herabstürzt. Mein Begleiter führte mich zu der Nord- 
spitze des Berges, dem bekannten Nordkap. Dies hängt mit 
der Felsenmasse von Mageroe zusammen und bildet oben ein 
ebenes Plateau, das gegen Norden steil und gleich wie abge- 
brochen in das Polarmeer vorspringt. ‘Von der Mitte dieser 
scharfen Felsenmasse geht ein spitzauslaufendes Klippenstück, 
nicht ungleich dem Horne eines Rhinoceros aus. Auf der rech- 
ten Seite einer aus losen Steinen aufgeführten, zerfallenden 
Pyramide liegt ein grosses Klippenstück und an dessen Fuss 
eine Flasche, welche die Etiketten mit den Namen der Reisen- 
den einschliesst, von denen mehrere auf dem en ei 
selbst eingehauen sind. 

Tags darauf reiste ich nach Kjelvig um einige Tage dort 
zu botanisiren, da diess aber von seinen Bewohnern, die sich 
nur während der Fischerei- Zeit dort aufhalten bereits verlassen 
war, ging ich nach Repvaag im Porsangerfjord. Auf dem Weg 
dahin wird Gross-Porsangernaes passirt. Hier wuchsen die ge- 
wöhnlichsten Erzeugnisse der lappischen Alpennatur beinahe 
gleich am Strande Die Alpenpflanzen sind Strandpflanzen 
geworden und gedeihen gut in der Nähe des Meeres. Ich be 
merkte einige missrathene Exemplare von Dotrychium Lunaria, 
weshalb ich dafür halte Porsangernaes sei dessen nördlichste 
Grenze, da’ es bei der vorgenommenen en nicht auf 
Mageroe gefunden worden war. 

Von diesem Vorgebirg übersieht man ganz Mageroe. Diese 
Insel besteht aus einer zusammenhängenden . Klippenmasse die 
aus der Entfernung gesehen oben ein ebenes Plateau von bedeu- 
tender Ausdehnung und mit scharfen Felsenwänden, die steil 
ins Meer stürzen, zu bilden scheint. An einigen Stellen spaltet 
sich die Klippenmasse und bildet tiefe Fjorde, alle in concen- 
trischer Richtung gegen den Mittelpunkt. An anderen Stellen 
tritt das Gebirg ebener zurück, eine halbrunde Meeresbucht ein- 
schliessend, an deren Grunde ein kleines, grünes Fleckchen 


Auszug uus Lund's deeise. 111. 


liegt.; Diese grünen, Fleckehen am Grunde der Buchten und 
Fjorden sind die einzigen bewohnbaren Stellen auf Mageroe, 
Die Felsenwände sind ‚selten nackt, sondern meist mit einem 
dünnen Rasenteppich bekleidet. Auf dem: Plateau ist die Gras- 
vegetation verschwunden, wenn man kleine Haufen von Festuca 
ovina und rubra, und einzeln stehende Halme von Poa flexuosa 
ausnimmt. . Von. den Pflanzen der tiefen Länder finden sich auf 
dem Plateau nur Polygonum viviparum,. Cardamine pralensis; 
die genannten Arten von Festuca und Apargia autumnalis var. 
Taraxaki. 

In ‚Repvaag traf ich Pastor Zetlitz gerade im Begriff 
nach Kjelvig zu reisen. Ich benutzte diese gute Gelegenheit 
um: jenen Theil von Mageroe zu untersuchen, den ich bei mei- 
nem ersten Besuch unbesehen hatte verlassen müssen und kam 
am. Abend in- Kjelvig an. Von da machte ich mehrere Streif- 
züge über die Alpen nach Mageroe’s Centrum, welches Keil- 
hau zu 12 — 1400 Fuss angiebt. In der Nähe zeigt sich Ma- 
geroe als ein unebenes Plateau, zerrissen durch Klippenspalten 
und Thalzüge. Die Vegetation ist kümmerlich und zeigt auf 
das Deutlichste die Spur von der Einwirkung der Polarstürme. 
Ausser den gemeinsten Eispflanzen und den obengenannten Pflan- 
zen des ee finden sich auf dem Plateau nur in einiger 
Menge Empetrum. nigrum, Hieracium alpinum, Vaccinium uli- 
 ginosum und Bubus Chamaemorus, die zwei letzten sparsam 

fruehtbringend.. Parmelia tartarea und Jungermannio  ceiliaris 
kommen hier in grösster Menge vor, die letzte jedoch gewöhn- 
lich mit einem weissen Ueberzuge von Parmelia tartarea. Um 
die Schneeschichten hört die Vegetation, durch ein wildes Ge- 
rölle von Schiefersteinen, welches die lose Ueberlage über die 
feste Klippenmasse bildet, verdrängt, meistens auf. Der Gras- 
wuchs ist überall, wo die Klippen Schutz gewähren, üppig, und 
kann dem von den südländischen Alpen an die Seite gesetzt 
werden, wo keine künstliche Düngung angewendet, die Vieh- 
zucht aber mehr als billig versäumt wird. Nach achttägigem 
Aufenthalt auf Mageroe verliess ich diesen nördlichsten Punkt 
unseres Vaterlandes und fuhr wieder nach Zepvaag. Nachdem 
ich hier 2 Tage vom Wetter aufgehalten worden, segelte ich 
nach Zuambsoe. Diese Insel hat. ungefähr 3 DT Meile Ausdeh- 
nung und wird durch eine flache, zusammenhängende Klippen- 
masse gebildet, deren höchste Höhe kaum 50 Fuss beträgt. 

Sie besteht aus fortlaufenden Moorstrecken die mit Zmpetrum 
nigrum , BRubus Chamaemorus, Parmelia tartarea und Sphag- 
num-Arten bewachsen sind. Auf. der Südseite der Insel fin- 


-112 Auszug aus Lund’s Reise. 


det sich etwas Buschwald von Birken und Weiden, der mit 
Sorgfalt gehegt wird, weder der Schönheit noch des Nutzens 
halber, sondern weil er von den Eidervögeln und Gänsen mit 
Vorliebe als Brutplatz gesucht wird. Von bemerkenswerthen 
Pflanzen finden sich hier Dianthus superbus in grösster Menge 
auf dem Strande in einem sandigen, mit ausgeworfenen See- 
muscheln gemischten Boden. Diess ist, nach meinen Beobach- 
tungen dessen nördlichste Grenze. Er wird übrigens südlich 
von Repvaag und bei Kistrand auf allen ähnlichen Standorten, 
und wahrscheinlicherweise an mehreren Orten, wo die ange- 
führten Ortsbedingungen stattfinden, gefunden. Ausserdem finden 
sich Polemonium coeruleum, FPotentilla anserina, Sedum 
acre und annuum und wahrscheinlich hier in ihrer nördlichsten 
Breite. 

Von Tambsoe reiste ich nach Repvaag und von da nach 
Kistrand bei welchem sich eine schräge Rasenfläche findet, 
die im Hintergrunde durch einen Gürtel von mannshohen Birken- 
und Weidenbüschen von den nackten Felsen getrennt wird. 
Hier ist, nach meiner Beobachtung, die nördlichste Grenze von 
Alnus incana, und eine Meile südlicher, in der Bucht des Por- 
sangerfjords finden sich Föhrenbäume, stark genug zu Bauholz. 
Aus dem angehängten Verzeichniss wird man ausserdem ersehen, 
dass ein Theil andrer Pflanzen hier wahrscheinlicherweise seine 
nördlichste Grenze hat. Von seltenen Pflanzen finden sich 
Arenaria norvegica und Stellaria humifusa, beide am Strande 
bei Kistrand. 

Am anderen Tage machte ich mich in der Abenddämme- 
rung auf die Reise nach Hammerfest um das Dampfschiff zu 
erreichen. Nachdem ich eine Stunde gesegelt landete ich bei 
einer an einer Bucht des Posangerfjords gelegenen Fingamme, 
wo meine wenigen Sachen auf die Schultern zweier Lappen geladen 
wurden, welche zugleich Lastthiere und Wegweiser über das 
Gebirge sein sollten. Sobald meine Begleiter ihre frugale, aus 
saurer Milch und den Beeren von Empetrum nigrum, getrock- 
neten und in Thran getunkten Fischen bestehende Abendmahl- 
zeit beendigt hatten, reisten wir ab. Der Weg ging durch 
Wildnisse und Buschwald von mannshohen Birken. Durch Dun- 
kelheit und Nebel, durch Wildnisse und Moore, über Gebirgs- 
abhänge und Steine, wanderten wir immer weiter aufwärts und 
naheten uns bei Tagesanbruch der Gebirgsfläche. Der Nebel, 


welcher sich dick über die Gebirge gelagert hatte, zerstreute 


sich später und wurde von einem kalten, schneidenden Nord- 
wind abgelöst, der es unmöglich machte nur bloss 5 Minuten 


i=, 
7 


Auszug aus Lund's Reise. 113 


Rühe. zu ‚geniessen. ‚, Ich schied von, meinen Wegweisern und 
erreichte um 8 Uhr; Morgens eine Fingamme am Ribberfjord 
an der. Westküste des  Festlandes. Die Wanderung über das 
Gebirg beträgt 4 Meilen und ist: höchst beschwerlich. Auf die- 
sem Gebirge finden sich die gemeinen Bergpflanzen der lappi- 
schen Flora. Ich nenne nur Carex pedata und Calamogrostis 
phragmitoides, die hier in Menge wachsen. . Vom Feibberfjord- 
fuhr ‚ich ‘sogleich in einem Boote weiter, und erreichte am 
Abend, ermattet von Schlaflosigkeit und; Anstrengung, Ham- 
merfest. 

‚Auf der. Reise von Hummerfest südwärts hatte ich Gelegen- 
heit Talvig näher zu besehen. Es ist von hohen Gebirgen um- 
geben, ‚die bei der Einfahrt einen rauhen und wilden Character 
haben ‚ aber weiter einwärts ein milderes Aussehen annehmen 
und mit Buschwald von Birken bis zu einer Höhe von ungefähr 
1000 Fuss über das Meer bewachsen sind. 

Ich verweilte einige Tage in ‚Zromsoe, welches ich in den - 
ersten Tagen des September verliess um nach Molselvdalen zu 
reisen. . Auf den Weg dahin passirt man Ryströmmen, einen 
engen Sund, welcher @Qualoe vom Festlande trennt. Am Sunde 
liegt: Bensjordet, ein nicht unbedeutendes Landgut. Hier stand 
das 'Getreide noeh im September grün und wird selten reif. Da 
gegen schlägt es in dem auf der andern Seite vom Sunde bele- 
genen Fischerplatz, Sirömsbugten, selten fehl. So grosse Ver- 
schiedenheit ‚bewirkt das. örtliche Verhältniss selbst unter dem- 
selben Grad der Breite. 

Molselvdalen ist ein Bergthal, das. sich in einer Ausdeh- 
nung von. 6. — 7. Meilen längs den Ufern des Molselv hinzieht. 
Das: Thal,’ das in der Richtung ‘von Süd. nach Norden liegt, 
wird auf beiden. Seiten von. parallellaufenden Bergketten umge- 
ben;, wovon. die dem Elv zunächst liegenden gewöhnlich bis zur 
Spitze mit dichtem Wald von Birkenbäumen bewachsen sind, 
und selten Spitzen ausschicken die. über die Birkengränze hinaus- 
ragen. ‘Das angebaute Land ist wahrscheinlich aus dem Schlamm 
des -Molselv entstanden , welcher ‚noch Insel-Deltas und grosse 
Landstrecken bildet und damit die Mündung ganz zu. verstopfen 
droht. Diese Hypothese wird ‘durch die Uebereinstimmung des 
Bodens: und Pflanzenwuchses auf den älteren und spätest gebil- 
deten Insel-Deltas bestärkt. Der Boden ist an beiden Orten 
eine Mischung von Lehm und Sand und der ‚Graswuchs eine 
Sammlung von Calamogrostis- Arten, besonders Calamogroslis 
lanceolata, Halleriana und stricta, die hier eine seltene Ueppig- 
keit erlangen. Die Thalfläche ist bis zum Ufer des Elvs mit 

s 


114 Auszug aus Lund’s Reise. 


zusammenhängendem Birkenwald bewachsen, der’ hie und‘ da 
längs der Strandkanten von der Axt der Einwanderer nieder- 
gefällt und in kleine Rasentlächen umgebildet ist, worauf 
die viehzuchttreibenden Bewohner des Thhals ihre kleinen rasen- 
bedeckten Häuser aufgeführt haben. Das Thal ist 'ganz zur 
Viehzucht geeignet. Die Frische des Birkenwaldes und der 
freudige Wuchs des Grases, der Einwanderer gutmüthiger 
Character und friedliche Beschäftigung, des Thales Stille und 
Entfernung von dem Lärm der Städte und dem Geräusch der 
Fabriken‘ geben ihm ein idyllisches Gepräge und eignen. es 
vollkommen zum Schauplatz für Virgils und Gessners Hirten- 
gedichte. 

Im Molselvdal und: Bardodal wird auch Getreideban ge- 
trieben, aber, da sie ausserhalb des Getreides sicherer Wachs- 
thumsgrenze liegen ist der Getreidebau ein Lotteriespiel, wobei 
gewöhnlich unglückliche Loose gezogen werden. In dem Jahre 
1840 und 1841 wurde jedoch reifes Getreide gebaut, welches 9 
Jahre lang nicht der Fall gewesen war. Der Molselv, der die 
Waldflächen des Thales durchströmt, kömmt von Rostovandet 
in Senjen, und läuft im Anfang von Ost nach West, später in 
nördlicher Richtung in den gleichnamigen Fjord aus. Er ist 
7 Meilen lang und fliesst mit heftiger Strömung in einem breiten, 
aber nicht tiefen Bette, bildet ungefähr 23 Meile oberhalb sei- 
nes Ausflusses den Molselv- Wasserfall uud nimmt gleich unter 
diesen den Bardoelv auf. Man führt eine nicht unbedeutende 
Menge Föhren-Stämme aus, deren Grösse mich frappirte. Ich 
fand Bäume von 14 Fuss Dicke. 

Auf der Reise südwärts nach dem Bardodal besah ich den 
Bardofoss*). Dieser Wasserfall liegt ungefähr 5 Meile über 
dem Ausfluss des Bardoelvs in den Molselv und besteht aus 
zwei verschiedenen Wasserfällen die ungefähr 200 Fuss von ein- 
ander entfernt sind. In dem oberen, der von moosbewachse- 
nen Ufern und schlanken Birkenstämmen umgeben ist, wälzt 
sich das Wasser bogenförmig von einer Höhe von ungefähr 15 
Fuss nieder. In dem anderen, der zwischen Klippen eingeklemmt 
ist, stürzt das Wasser lothrecht von einer Höhe von ungefähr 70 
Fuss nieder. An den Abhang des Wasserfalls und ungefähr 
mitten in dessen reissender Strömung ragen scharfe Klippen 
hervor, über welche die Wassermasse brausend, schäumend und 
‚donnernd in einen tiefen Kessel stürzt; aber über diesem hän- 
gen Birken in malerischer Sicherheit und lassen ihre dunkelgrü- 


*) Foss = Wasserfall, D. Uebers. 


. Auszug aus Lund’s Reise. 115 


nen Blätter von da fliegenden Wasserstaub befeuchten. In der 
Tiefe Schlund siedet es wie in einem Geiser, und von dem 
dampfenden Wasserstaub erhebt sich bis zu des Wasserfalls 
halber Höhe eine Dampfsäule und deckt mit ihrem undurchsich- 
tigen Flor das wilde Wesen drunten. Der Wasserfall ist male- 
risch.  Ueppige Birkenwälder stehen auf dessen grünen Ufern 
und geben der Scene Frische und Reiz, indem sie eine grüne 
Umfassung um den weissen Schaumgürtel bilden. Der Was- 
serfall schäumt ungebändigt hervor gleich Tausenden von Schlan- 
sen, die in unendlichen Geflechten einander umschlingen ; aber 
auf dessen Ufern graset die Ziege friedlich, und das Rennthier 
steckt nicht selten das zackige Geweih aus dem Birkenwald her- 
vor, wenn es aus dem reissenden Strom trinken will. Die ganze 
Scene ist ein Ideal von Kraft und Anmuth. . 

Die Natur ist ein Complex von Ideen und die Sinnenwelt der 
Ausdruck dieser durch Formen. Dieser Satz läuft in unseren 
Tagen kaum mehr Gefahr für ungültig erkannt zu werden. Aber 
es war eine Zeit, wo die Natur als eine todte Leinwand aufge- 
fasst wurde, als eine gedankenlose Zusammenstellung von einer 
Manmnichfaltigkeit, während die Kunst allein das Lebende, das 
von Gedanken Durchdrungene, die von Geist erfüllte Form war. 
Jetzt ist diese Anschauung im Begriff unter zu gehen. Man 
sieht ein, oder ist auf dem Wege dazu einzusehen. dass die 
Natur ebensowobl wie die Kunst durch Formen stets Ideen vor- 
stellt und dass das Ziel jeder Naturauffassung ist die Ideen zu 
suchen, welche die Natur durch die Formen hat ausdrücken 
wollen. Hierauf muss auch des Reisebeschreibers Streben aus- 
gehen. Des Naturprospects ganzes schwellendes Aeussere 
kann er nicht wiedergeben, er muss sich auf die Ideen beschrän- 
ken, welche sich dadurch aussprechen, oder auf die Stimmung 
der Landschaft, welche nur das Resultat der Einwirkung dieser 
auf das Bewusstsein ist. Wir haben diess stets vor Augen ge- 
habt und müssen es dem Leser überlassen zu beurtheilen, ob 
wir glücklich gewesen sind. 

Wir kommen zurück zum Bardodal. Diess hat dasselbe 
Clima, denselben Ursprung und überhaupt denselben Character, 
wie. das Molselvdal,;, nur sind die Gebirge bedeutend höher 
und der Thalweg mehr eingezwängt, als in diesem. : Die 
höchsten Gebirge sind die Snoetinder bei der Vereinigung 
des Molselvs und Bardoelvs, welche eine Höhe von 4 — 5000 
Fuss erreichen und in den Gebirgsklüften mit langen Streifen 
von ewigem Schnee bedeckt sind. Vom Bardodal wanderte 
ich gegen die Küste hinab nach Salangen. Diess ist eigentiich 

g* 


16° -- Auszug aus Lund’s Reise. 


der Name von einem Fjord, es ist aber zugleich die Benennung 
des Landes, welches sich in einem Halbzirkel um denselben 
herumzieht. Auf der Reise dahin erhielt ich Gelegenheit das 
bekannte Phänomen zu beobachten, dass der Herbst an der See: 
küste sich frühzeitiger einfindet als im Innlande. ' Je näher ich 
der Küste kam, desto mehr gelb und entfärbt war das Birken- 
laub. Dass dieses seinen Grund ‘in ‘dem 'schärfern Clima der 
Seezegenden hat, das schneller auf die Vegetation einwirkt, 
davon halte ich mich überzeugt, gleichwie auch, dass darin der 
Grund zu der Verdünnung und dem Aufhören' der Baumvege- 
tation, so wie des immer tiefern Vorkommens des Schnees auf 
den Gebirgen liegt. 

Von Salangen reiste ich nach Havnvigen, einer hühsek ge- 
legenen Handelsstadt auf Rolloe, um von da mit dem Dampf- 
schiffe nach Trondhjem abzugehen. 


Anhang. 


Westfinmarkens phanerogamische Flora. ' 


Nachfolgende Tabellen enthalten das Verzeichniss über alle 
phanerogamische Pflanzen, welche ich auf meiner Reise in’ West- 
finmarken im Sommer 1841 beobachtete. Ich habe ein gleiches 
Verzeichniss über diejenigen Pflanzen hinzugefügt, die ich wäh- 
rend meines kurzen Aufenthaltes im Molselvdal und Bardodal 
in Senjen beobachtete. Unter den angewendeten Abkürzungen 
bezeichnet ‚‚Mls.““ Molsevdal und DBardodal in der Vogtei 
Tromsoe und Senjen, ‚‚T’roms.‘“ bedeutet Tromsoe, .,Kfd.“ und 
Alt.“ Kaafjord und Alten in Alten-Talvigs Pfarrei, „Ham.“ 
Hammerfest, ‚„Hod.‘“ Havoesund auf Havoe, drei Meilen süd- 
westlich vom Nordkap, ‚Mag.‘ Mayeroe, die nördlichste 
Insel in Norwegen unter dem 7lten Grade nördlicher Breite, 
und ‚‚Kistr.‘“ bezeichnet Kistrand am westlichen Ufer des Por- 
sangerfjords. Das Zeichen + vor einer Angabe des Standortes 
bedeutet, dass die Pflanze sich an dem angegebenen Orte luxu- 
rirend findet, das Zeichen —, dass die Pflanze verkümmert oder 
in geringer Anzahl vorkömmt. Da das letzte Zeichen — nicht 
die Art des verkümmerten Wachsthums angiebt, welche ihre 
Ursache in des Bodens zufälligen Eigenschaften hat, son- 


Auszug aus Lund's Reise. 117 


dern diejenige, welche ihren Grund in dem climatischen Ver- 
hältniss hat, so deutet es oft zugleich den nördlichsten Stand- 
ort der Pflanze an. Einer Pflanze nördlichster Standort ist mei- 
stens durch getrocknete Exemplare der Pflanze bewahrheitet, 
welche in dem Herbarium der Königlich norwegischen Gesell 
schaft der Wissenschaften niedergelegt sind. Molselvdalen , 
Tromsoe und Kistrand sind nur für eine kleine Anzahl Pflan- 
zen als Standorte angegeben, welches einzig seinen Grund in 
meinem kurzen Aufenthalt an jenen Orten hat. Die zwei letzt- 
genannten haben im Wesentlichen dieselbe Vegetation wie das 
übrige Finmarken. 


Ranunculaceae Juss. 
Thalietrum alpinum L. MlIs. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 


—_ flavum L. - Mls. Alt. 
Ranunculus reptans L. Mls. Alt. 
0 —  glacials L Mis  Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag. 

—  hyperboreus Rb. Mils. Alt. Mag. 

— pygmaeus We. Mis. Kfd. Alt. Hvd. Mag. 

—  nivalis I. Mis. Kfd. Alt. ae 

—  acıis L. Mis Kfd. Alt. Ham. Hvd.-} Mag. 

—  aecris  alpestri. Mis. Kfd. Alt. + Mag. 

—  auricomus L. —Kfd. 

—  repens L.  Mls.  Kfd. Alt. Ham. DHovd. +4 Mag. 
Caltha palustris L. Mls. Kfd. Alt.— Ham. Hvd.— Mag. 
Trollius europaeus L. Mis. Kfd. Alt.— Ham. Hvd. Mag: 
Actaea spicata L. Mis. Alt. 


Cruciferae Juss. 


Barbaraea stricta Fr. Mls. Kfd. Alt. 
Arabis hirsuta Scop. : Mls. Kfd. Alt. 
— alpina L. Mis.. Kfd. Alt. Ham. + Mae. 
Cardamine'bellidifolia L._ Mls. Kfd. Alt. 
_ pratensis L. Mis. Kfd. Alt. — Mag. 
Draba lapponica DC. Troms. 
— hirta L. Mis. Kfd. Alt. Kistr. 
— incana L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Kistr. Hvd. Mag. 
Cochlearia officinalis L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd.-+ Mag. 
= anglica L. Alt. Hvd.-+ Mag 
Thlaspi arvense L. Mls. Kfd. Alt. 
Capsella Bursa pastoris Mönch. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag 
Sisymbrium Sophia L. Alt. (2) 


Erysimum hieraeifolium L. Mlis. Kfd. Alt. — Hvd. 


L} 


118 Auszug aus Lund’s Reise. 
Camelina sativa Crantz, Mls, Kfd. Alt. 
Sinapis arvensis L, Mis. Kfd, Alt, 
Raphanus Raphanistrum L, Kfd, 
Nasturtium palustre DE, Mis, 


Violariae Juss: 


Viola epipsila Ledeb, Mls. Kfd. Alt. 
—  palustris L. Mls. Kfd. Alt. 
— biflora L, Mis. Kfd, Alt. 
— arenaria DC. Mis. Troms, 

— canina L. Mis.. Kfd. Alt. 
— montana L, Mis Kfd, Alt, 


Droseraceae DC. 


Drosera rotundifolia L, Mis, Kfd, Alt, 
—  longifolia L, Mis. Kfd. Alt, 
Parnassia palustris L« Mis. Kfd, Alt. 


Caryophylleae Juss. 
‘ Dianthus superbus L. 


Silene inflata Sm. Mis.. Kfd, Alt, 
— maritima L. Mlis, Kfd. Alt. 
— rupestris L. Mis. 

— acaulis L, Mis, Kfd. Alt, 

Lychnis affinis, + Alt. 
—  sylvestris Schk. Mis, Kfd, Alt. 
—  alpina L. Mis. Kfd. Alt. 

Sagina procumbens L, Mis. Kfd, Alt, 

Spergula arvensis L. Mls. — Alt. 
— nodosa L. Mls, Kfd. + Alt. 
— _ saginoides L, Mis. Kfd. Alt, 

Stellaria nemorum L. Mis, Kfd. Alt, 
— media With, Mlis,. Kfd, Alt. 
— humifusa Rottb, +-Kfd. 

— erassifolia Ehrh, Mis. Kfd, Alt, 
E= alpestris Hn. Mis. Kfd. Alt, 
—_ Friesiana DC, Mis. Kfd. Alt. 
— graminea L. Mis. Kfd, Alt, 

Alsine biflora Weg. Kfd. Alt, 
— hirta Hn, Alt. 

Halianthus peploides Fr. Mis. Kfd, Alt, 

Arenaria norvegica Gunn. +Kfd, 

Cerastium alpinum L. Mls. Kfd. Alt. 


Kistr,. Hvd, 


Ham, 
Ham, Hvd.+ Mag, 
Ham. 
Ham. Kistr, Hvd, Mag, 
Ham, Hvd.-+ Mag, 


+Kistr, + Tamsoe im Porsangerfjord, 


Haın. Hvd. +Mag, 
Ham. Hivd, + Mag, 
Hvd, Mag. 
Ham. Hvd, + Mag. 
+4Ham. Hvd, Mag. 
Ham, Hvd, Mag. 
+Hvd. Mag, 
+4 Ham. + Hvd. Mag, 
Kistr. 
Ham. Hvd, Mag. 
— Ham, Hvd.— Mag. 
Ham, Hvd, Mag. 
Ham, Hvd. Mag. 
Ham. Hvd. Mag. 


nY 


Auszug aus Lund's. Reise. 119 

Cerastium alpinum $ lanatum.Mls. Kfd. _ Ham. Kistr. Hvd. Mag. 
— —  yglabratum. Mis.Kfd.. Al. Ham. Hyd. Mae. 
trigynum Vill. Mlis.. Kfd. Alt. +Hvd. Mag. 

— vulgatum Wg. Miss. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 


Ocxalideae DC. 


Oxalis Acetosella L. 


Mls. Troms. 


Leguminosae Juss 


Anthyllis Vulneraria L. 
Trifolium repens L. 
-- medium L. 
Lotus corniculatus L. 
Phaca frigida 1. 
Astragalus alpinus L. 
Vicia Cracca L. 
Pisum maritimum L. 


Lathyrus palustris L. 


lapponica Weg. Rolloe in Senjen. +Kfd. 


Alt. 
Mis. Kfd. Alt. Mag.: bei Kjelvig. 
Rolloen in Senjen. 1 
Mis. 
Mis. Kfd. Alt. 
Mis. Kfd.+Alt. 
Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mas. 
Kfd. + Alt. — Mas. 
Alt. 


Rosaceae Juss. 


Prunus Padus L. Mls. 


Ribberfjord bei Qualsund in der Nähe von 


Hammerfest. 
Spiraea Ulmaria L. Mils. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Dryas octopetala L. Mis.. Kfd. Alt. Ham. +Hvd. Mag. 
Geum rivale L. Mls. Kfd. Alt. — Mag. 
Comarum palustre L. Mis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag. 
Rubus Chamaemorus L. Mlis. +Kfd. +All.e Ham. Hvd. +4 Mag. 
—  arcticus L. Mis, Alt. 
—  saxatilis L. Mis. +Kfd.+Alt.e Ham. Hvd. Mag. 
— idaeus L. +Mls. Kfd. Alt. Reift gewöhnlich nur 
in Jahren, in welchen das Getreide reif wird. 
Fragaria vesca L. Mis. Kfd. Alt. 
Potentilla Anserina L. Mis. Kfd. Alt. — Ham, — Tamsöe im 
| Porsangerfjord. 
— _ alpestris Hall. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae. 
0 nivea L. Sakavare an dem Kaafjord. 
— TormentillaScop. Mls. Kfd. Alt. 
Sibbaldia procumbens L. Kfd. Alt. Mag. 
Alchemilla vulgaris L. Mls. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag. 
— .. alpina L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Sorbus aucuparia L. Mls. Kfd. Al. Ham. —Hvd. — Mag. 


120 Auszug aus Lund’s Reise. 


Onagrariae Juss. 


Epilobium angustifolium L. Mils. Kfd, 
— montanum L. Mis. 


— alpinum L. Mlis. Kfd. 

_ —  majus Blytt.Mls.Kfd. 

= origanifolium Lmk. Mls. Kfd. 

—_ nutans, Kfd. 

— palustre L, Mis. Kifd. 
Circaea alpina L. Mis. 


Halorageae Rb. 
‚Hippuris vulgaris L. Mis. 


Alt, 

Alt. Ham. Hvd. Mae. 
Alt. 

Alt. Ham, Hvd, Mag. 
At. Kiste x“ x 
Alt. Ham, Hvd. Mas. 
Alt. 

Br. ! 

Alt. Hvd. Mag, 


Tamariscinae Desv. 


Myricaria germaniea Desv. 


Alt, 


Portulaceae Juss. 


Alt. 


Alt. 


Alt. 


Montia fontana L. Mls. Kifld. 
Crassulaceae DC. 

Sedum acre L. Mis. Kfd. 

— annuum L. Mlis. Kifd. 

Rhodiola rosea L, Mis. Kifd. 


Alt. 


Grossularieae DC. 


Ribes rubrum L. Mlis, Kifd, 


Alt. 


Sazifragaceae DC, 


Saxifraga nivalis L. Mis. Kfd. 
_— stellaris L. Mis. Kfd. 
—_ — f carnosa, 

—_ Cotyledon L. Kfd. 
_ aizoides L. Mls. Kfd. 
_ oppositifolia L. Mis. Kfd. 
_ cernua L. Mlis. Kfd. 
— rivularis L. Mls. Kfd. 


— caespitosa L. Mis. Kfd. 


Alt. 
Alt. 
Alt. 


Alt, 
Alt, 
Alt. 
Alt. 
Alt, 


Umbelliferae Juss. 


Carum Carvi L.  _Mls Kifd. 
Conioselinum tatarieum Fisch, 


Alt. 
Alt. 


Ham. Hvd. Mag. 


Ham. +Hvd. + Mag. 


— Ham. — Tamsöe im 
Porsangerfjord. 

— Ham. — Tamsöe im 
Porsangerfjord. 

Ham. Hvd. Mas, 


Ham. Hvd. Mag. 
Ham. + Hvd. -+ Mag. 


Ham. Hvd. +Mag. 
Hanı. Hyd. Mag. 
Mag. 

+Ham. +Hvd. Mag. 
Ham. Hvd, Mag. 


Kjelvig auf Mag, 
Vom Prof. Blytt zuerst 
in Norwegen gefunden. 


“ 


Auszug aus Lund’s keise. 221 


Angelica sylvestris L. Mis. Kfd. Alt. 

Archangelica officinalis Hoffm. Mis. Kfd. Alt... Ham. Hvd. Mag. 
Anthriscus sylvestris Hoffm. Mls. Kfd. Alt.—Ham. . Hvd. Mag. 
Ligusticum scoticum L.  Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 


Corneae DC. 
Cornus suecica L. . Mlis.: Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae. 


Caprifoliaceae Juss. 
Linnaea borealis L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Mag. 


Rubiaceae Juss. 


Galium boreale L. Mis. Alt. 
—  trifidum L. h Alt. Hvd. 
—  _palustre L, MIs. Alt. 
— uliginosum L. Mls. Alt. 
— _triflorum Mich. Kfd. 


Valerianeae DE. 
Valeriana officinalisL.  Mis  Kfd. Alt. Hvd. Mage. 


Compositae Vaill. 
Apargia autumnalis Hoffm. Mis. Kfd. Alt. 


— —  _,,ß Taraxaci. Mls. Kfd. Alt. Mas. 
Leontodon. Taraxacum L. Mis, Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag. 
Sonchus alpinus L. Mis.. Kfd, Alt. Hvd. Mag. 


— ‚sibiricus L, Bei. dem Hofe Gulhod im Molselvdal. An den 
| | Ufern des Altenelv. 
Hieracium alpinum L. Mis. Kfd. Alt. Ham. +Hvd. +4 Mag. 
Zn —  £ fuliginosum. Mag. 
—  piloselloides Vill. Mls. 
—_ paludosum L. Mis. 


— Lawsonii Sm. Alt. 
_ murorum L. Mis. Kfd. Alt.+Ham. Hvd. Mag. 
_ — £ sylvaticum. " Ham. Mag. 
— vulgatum Fr. Mls. _ Alt. Ham. Hivd. Mage. 
— boreale Fr. Alt. Ham. Hvd. Mag. 
— prenanthoides L. Kfd. | ; Mas. 
— umbellatum L. Alt. 

Crepis tectorum L. Mis. Kfd. Alt. 

Lapsana communis L, Mis. Alt. | 

Saussurea alpina DC. Mis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag. 


Cirsium heterophyllum All, Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 


“= 
122 


Artemisia vulgaris L. 


Gnaphalium norvegicum Retz. Mis. Kfd. 


— supinum L. 
— dioicum L. 
— alpinum L. 
Arnica alpina L. 
Tussilago Farfara L. 
— frigida L. 
Erigeron uniflorus L. 
_ alpinus L. 


—_ acris y ruber. 


Senecio vulgaris L. 


Solidago Virga aurea L. 


Achillea Millefolium L. 


Pyrethrum inodorum Sm. 


Campanula uniflora L. 


— rotundifolia L, Mls. 


Vaceinium Vitis Idaea L. 
— uliginosum L. 


— Myrtillus L. 
Oxycoccus palustris L. 
Empetrum nigrum L. 


Calluna vulgaris Salb. 
Menziesia caerulea Sm. 


Andromeda hypnoides L. 
== tetragona L. 


TR polifolia L. 
Arbutus alpina L. 

— Uva ursill. 
Diapensia lapponica L. 
Azalea procumbens L. 
Pyrola uniflora L. 

— secunda L. 
— minor L. 
—  zotundifolia L. 


Auszug aus Lund’s Reise. 


Mls. A 4 
Alt. Ham. Hivd.. Mas. 
Mis. Kfd. Alt. Ham.  Hvd. Mag. 
Mls, Kfd. Alt. Ham. Hovd. Mag. 
Mis Kfd. Alt. Hvd. 
Floialpe bei Tromsoe. 
Mis. Kfd. Alk. 
Kfd, Alt. Mag. 
Mis.. Kfd. Alt. Ham. Mag. 
MiIs. Kfd. Alt. Ham. Tamsöe im 
Porsangerfjord. 
Mis. Kfd. Alt. 
Mls. Alt. — Ham. 
Mlis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag 
Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. 4 Mag. 
Mls. Kfd. Alt. + Ham. + Hvd. + Mag. 
Campanulaceae DC. 
Tromsoetind. Mag 
Kfdl. Al. Ham. Hvd. Mag 


Vaccinieae DC. 


Mils, 
Mis. 
Ms. 
Mis. 
Mis. 


Kfd, 
Kfä. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 


Ericeae Rb. 


Mis. 
Mis. 


Mlls. 
Mis. 
Mis. 
Mils. 


Mis. 


Mis, 
Mils. 
Mls. 
Mils. 


Kfd. 
Kfd, 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd, 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd, 
Kfd, 
Kfd. 
Kfa. 


Alt. —Ham. — Hvd. — Mag. 


Br. 


Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. Ham. —Hvd. Mag, 
Alt. | 
Alt. Ham. Hivd. Mag 
Alt, — Ham. — Hvd. — Mag 
Alt. 

Alt, Mas. 
Alt. 

Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. Ham. +4Hvd. + Mag. 
Alt. 

Alt. + Ham. + Hvd. + Mag. 
Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. 

Alt. — Ham. ‚ ie 
Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. 


= 


Auszug aus Lund’s Reise. 133 


Rhododendrun: lapponicum Wg. Sakavare am Kaafjord. + Goskavare 


Son in. Alten. 
Ledum palustre L. | + Alt. 


} Gentianeae Juss. 


Menyanthes trifoliata L. Mis. Kfd, Alt. Ham. Hvd. Mas. 
Gentiana serrata Gunn. Miss. Kfd. Alt. Ham. 


_ — ‚var. detonsa. An denselben Orten, aber häufiger. 

— involucrata Rottb. Rollöe in Senjen, Kfd, Alt. Hvd, Mag. 
— nivalis L. Mis. . Kfd. . Alt. Ham. Mag. 
— Amarella L. Kfd. 

—  ‚eampestris L._ Rollöe in Senjen. 


Polemoniaceae Vent. 


Polemonium caeruleum L. Alt. — Tamsoe im Porsangerfjord: 


Borraginene Juss. 


Hippoglossum maritimum Hn. Kfd, Alt. Ham. Hvd. Mag. 

Asperugo procumbens L. Mis. Kfd. Alt. 

Myosotis sylvatica Hoffm. Mis. Kfd. Alt. Hvd. Mag. 
— arvensis Hoffn, Mis. Kfd. Alt. 

Echinospermum deflexum Lehm. Mis. Kfd. Alt. 


Scrophularineae Rb. Br. 

Euphrasia officinalis L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae. 
Bartschia alpina L. Mis. Kfd, Al. Ham. Hvd. Mag. 
Rhinanthus minor Ehrh. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Melampyrum pratense L. Mis, Kfd. Alt. Ham. — Hvd. — Mag. 

— sylvaticum L. Mls. Kfd, Alt, 
Pedicularis Sceptrum Carolinum L. + Alt. 

— lapponica L. Mis. Kfd, Al. Ham. Hvd. Mag. 


— hirsuta L. Goskavare in Alten. 
Veronica longifolia L. Alt. Kistr. 
— serpyllifolia L. Mis, Kjelvig auf Mag. 
— alpina L. Mlis, Kfd, Al. Ham. Hvd, Mag. 
_ saxatilis L. Mls. Kfd. Alt. 
—  seutellata L. Mls. 
_ officinalis L. Mis, Kfd, Alt. 


Labiatae Juss. 
Prunella vulgaris L. Mis. 
Galeopsis Tetrahit L. Mis. Kfd. Alt. Kjelvig auf Mag. 
— .  versicolor Curt. Mls. Alt. 


* 


124 Auszug aus Lund’s Reise. 
Lentibularieae Rich. www" 
Pinguicula vulgaris L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. + Mag. 
—_ alpina L. Kfd. Alt. Mag. (9) 
nn villosa L. Kfd. Alt. 
Primulaceae Vent. 
Primula stricta Hornem. + Kfd. + Alt. 
—  sibirica Jacquin, norvegica Retz. + Kfd. + Alt. ci 
Glaux maritima L. Alt.  Kistr. 
Trientalis europaea L. Mis. Kfd. Al. Ham. Hvd. Mag. 
Ptantagineae Vent. 
Plantago major L. Kfd. 
_ maritima L. Mis.. Kfd. Al. Ham. Hvd. 
Chenopodeae DC. 
Chenopodium album L. Mls. Kfd. Alt. 
Atriplex hastata L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Mas 
Polygoneae Juss. 
Polygonum Persicaria L. Kfd. 
n— vivirarum L. Mis.. Kfd. Alt. Ham. + Hvd. + Mag. 
— aviculare L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Kist. 
Oxyria reniformis Campd. Mls. Kfd. Alte Ham. Hvd. + Mas. 
Rumex Acetosa L. Mis. Kfd. Alt. Ham. Hvd. + Mas. 
—  Acetosella L. Mis. Kfd.e Alt. Ham. Hvd. Mae. 
—  domesticus Hn. Mis. Kfd. Alt. — Ham. —Hvd.— Mag. 
—  aquaticus L. +Mils. Ki 


Urticeae Juss. 
Kfd. Alt. Hvd.— Mag.beiKjelvig. 


Urtica dioica L. Mls. 

— urensL. Mis. Kfd. Alt. — Hvd. 
Amentaceae. 

Salix pentandra L. Mis. Kfd. Alt. 
— glauca L. Mlis. Kfd. Alt. Ham.  Hvd. Mag 
— glauca y Lapponum Wg. Mis. Kfd. Alt. Hvd. Mag 
— lanata L. Mls. Kfd. Al. Ham. Hyd. Mag 
— hastata L. Mi. Kfdl.e Alt. Ham. Hvd. Mag 
— Arbuscula L. Mls. Alt. 
—  phylicifolia L. MlIs. Kfd. Al. Ham. Hvd.' Mag 
— nigricans Sm. Kfd. Ham. ge 
—  caprea. Mis. Ham.  Kist. 


Auszug aus Lund's Keise. 125 
Salix Lapponum L. .--Mls.  »Kfd..' Alt. Ham.  Hvd. Mag. 
— Myrsinites L.  “Mls.  Kfd.. Alt. Ham. Hvd. Mae, 
—  pyrenaica-norvegica Fr. .  Kfd. N 
--. reticulata L. ..Mls. Kfd. Alt. Ham. -+-lHvd. Mag. 
— herbacea L. °.Mls. - Kfd. Alt. Ham. + Hvd. + Mag. 
— hastato-herbacea Laest. ex herb. Alt. 
—  polaris Weg. .Mis. Kfd. Alt. Ham. —-IIvd. 
Populus tremula L. Mis.  Kfd. Alt. 
Alnus incana Willd. Mis. Kfd. Alt. 


Betula alba L. var. glutinosa. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. — Mag. 


— nana L. Mis. Kfd. Ale. Ham. Hvd. 


Coniferae Juss. 
Juniperus communis. L. Mlis. Kfd. Alt. Ham. Kist. 


Mas. 


Hvd. 


Pinus sylvestris L. Mis. +Kfd.+Alt + 1 Meile südöstlich vonKistrand. 


Juncagineae- Rich. 
"Triglochin palustre L. Mis. Kfd. Alt. — Ham. 


— maritimum L. Mis.. Kfd. Alt. — Hyd. 
Orchideae Rb. Br. 
Orchis maculata L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hyd. 
Gymnadenia conopsea Br. Kfd. 
Chamorchis alpina Rich. Sakavare bei dem Kaafjord. 
Goodyera repens Br. Kfd. Alt. 
Coeloglossum viride Hn. Kfdl. Alt. Ham. Hovd. 
— albidum Hn. Kfd. Alt. Hvd. 
Epipactis latifolia Sw. Mls. Kfd. Alt. 
Listera cordata Br.  Mls. Kfd. Alt. 
Corallorrhiza innata Br. kKfd. Alt. 


Melanthiaceae Rb. Rr. _ 
Tofieldia borealis We. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. 


Liliaceae Juss. 
Allium Schoenoprasum L. ß majus Horn. Kfd. Alt. Ham. Hvd. 


Smilaceae Rb. Br. 


Paris quadrifolia L. Mls. Kfd. Alk. 
Convallaria vertieillata L. Mls. 
 Majanthemum Convallaria Wigg. Mls. Alt. 


Junceae DC. 
Juncus areticus Willd. Mls. „Alt. 


Mag. 


126 


Auszug aus Lund’s Reise. 


Juneus filiformis L. 


ustulatus Hopp. 
trifidus L. 
bottnicus We. 
bufonius L. 
biglumis L. 
triglumis L. 


Luzula spicata DC. 


campestris DC. 


Mils. 


Mls. 
Mls. 
Mls. 
Mls. 
Mls. 
Mls. 
Mls. 
Mls, 


Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 


_ var. sudetica. Mls. 
I var. multiflora. Mls. 


hyperborea Br. 
arcuata Sw. 


 glabrata Hopp. 


parviflora Desv. 
pilosa Gaud. 


Mls. 


Mis. 
Mils. 


Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 
Kfd. 


Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 


Typhaceae DC. 


Ham. 


Ham. 


Ham, 
Ham. 
Ham, 
Ham. 
Ham. 
Ham. 
Ham. 


‚Hvd.+ Mag. 
Hvd.. Mag. 
Hvd. Mag. 
Hvd. Mag. 

.Hvd. Mag. 

Mag. 
Hvd.. Mag. 
Hvd. Mag. 


Hvd.- Mag. 


Ham. + Hvd. Mag. 


Ham. 
— Ham. 


Sparganium natans L. Sakavare am Kaafjord. 


Potamogeton praelongus Wulf, 


Najadeae Rich. 


Alt. 


Cyperaceae DC. 


Eriophoron angustifolium Roth. Mis. Kfd. Alt. Ham. 
latifolium Hopp. Mls. Kfd. 


vaginatum L. 


capitatum Host. Mls. 


alpinum L. 


Scirpus caespitosus L. 


— 


palustris L. 


Carex dioica L. 


capitata L. 
rupestris All. 
pauciflora Lightf. 
microglochin Weg. 
incurva Lighif. 
chordorrhiza Ehrh. 
lagopina Weg. 
norvegica Willd. 
glareosa We. 
loliacea L. 
canescens L. 


Mls. Kfd. 
Kfd. 
Mls  Kfd. 
Mls. 
Mls.  Kfd. 
Mls. Kifd. 
Mils: 
Troms. 
Mils. 
Mls. Kfd. 
Kfd. 
Mls. 
Mls. Kfd. 


Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 


Alt.. 


Alt. 
Alt. 


Alt. 
Alt. 
Alt. 
Alt. 


Alt. 


Alt. 


Ham, 
Ham, 


Ham. 


Ham. 
Ham. 
Ham. 


. Ham. 


Hvd. Mag. 


Hvd. + Mag. 


ci 


Hvd. Mag. 
Hvd. Mag. 
Hvd. + Mag. 
Hvd. — Mag. 


— Mas. 


Kist. Mag. 
Hvd. }H Mag. 


Hvd. 


— Ham. — Hvd. — Mag. 


> 


Auszug: aus Lund’s Reise. 127 


Carex Gebhardi Hn.‘) Mis. Kfd. 


Alt. + Ham. +4 Hvd. + Mag. 
Alt. — Ham. 

Alt. Ham. +Hvd. Mas. 
Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. 

Alt. Kist. 


Alt. Hvd. 

Alt. +Ham. + Hvd. Mag. 
Alt. — Mag, 
Al. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. + Ham. + Hvd. + Mag. 


Alt. 


— Buxbaumii Weg. Kfd. 
— atrata L. . Mls.  ‚Kfä. 
— alpina Sw. Mls.  Kifd. 
— maritima Müll. Mls. 

— aquatilis Weg. Mls. . 

— _ var. nardifolia Wahlb. Mls. 
—  caespitosa L. Mls. Kfid. 
— acuta L. Mls. 

— saxatilis L. Mls  XKfd. 
— flaval. . Mls. Kfd. 
— panicea L. Mls. Kfd. 
— rariflora Sm. Mls.. Kid. 
—  globularis L. Mls. 

— limosalL Mls. Kfd. 
— irrigua Sm. Mls. Kfd. 


Alt. + Ham. Ta. Mag. 


— pedata Wg. Floialpe bei Tromsoe. Sakavare am Kaafjord 


—  capillaris L. Mils. Kfd. 
—  pallescens L. Kfd. 
— rotundata Weg. Mls, 

— ampullacea Good. Mils. Kfd. 
— vesicaria L. Mls. Kfd. 
— filiformis L. Mls. Kid. 


und Skaadavare im Eibythal. 


Alt. Ham, Hvd. Mage. 


Alt. Ham. Mas. 
Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. 


Gramineae Juss. 


Nardus stricta L. Mls. Kfd. 
Alopecurus geniculatus L. Mls. 
Plıleum pratense L.  Mls. Kfd. 
— alpinum L. Mls. Kfd. 
Milium effuum L..  Mls. Kfd. 
Agrostis canina L. Mls. Kifd. 


— rupestris Al. Mils. Kfd. 
— vulgaris With. Mls. 

—  stolonifera L. Kfd. 
— algida Soland. Kfd. 


Alt. Ham. Hvd. +Mag. 
Alt. 


Alt. Ham. Hvd. Mag. 
Alt. Hvd. — Mag. 
Alt. — Mag. 
All. Ham. Hvd. + Mag. 
Alt. Ham. 

Alt, 


Calamagrostis lanceolata Roth. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mag. 


— Halleriana DC, Mls. 
_ lapponica Hn. Kfd. 


*) Gewiss C. vitilis Fr. Mant. III. 


Alt. 
Alt. — Ham. — Hvd. — Mag. 


— C. Gebhardi Hartm., non 


‚Schk.; der C, Gebhardi Hopp. aın nächsten, 
R 


128 Auszug aus Lund’s Reıse. 


Calamagrostis strigosa ‘Hn. / ‚Alt. ik zn 
—_ stricta Hn. Mils. Kfd. Alt. 'rHvd. Mag. 
Hierochloa borealis Roem.Mls. Kfd. Alt. | 
— alpina Roem. Goskavare im Eibythale in Alten 


Avena subspicata Clairv. Mls. Kfd. Alt. Ham. — Mag. 
—  caespitosa L. Mls. Kfd. Alt. Ham. .Hvd... Mag. 
—  flexuosa L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd.+ Mag. 

Melica nutans L. Mils.  Kfd. Alt. 

Molinia aquatica Wibh. Kfd. 

—  distans Hn. Mls. Kfd. Alt. Hvd... Mag. 

Poa annua L. Mls.  Kfd. Alt. Ham. -+ Hvd.+4 Mag. 

— trivialis L. h Ham..: Hvd. . Mag. 
— alpina L. Mls. Kfd. Alt. Ham. ;Hvd. Mag. 
_ — var. vivipara. Ham. Hvd. Mag 
— pratensis L. Mls.. Kfd. Alt: Ham...‘ Hvd. Mag. 
ne — var. humilis. Kfd. 

—  flexuosa We. Mls. Kfd. Alt. 

—  caesia. Kfd. Alt. 

— nemoralis L. Mls. Kfd. Alt. Ham... Hvd. , Mag. 

Festuca ovina L. Mls. Kfd. Alt. Ham. Hvd. Mae. 
—  rubra L. Mls.. Kfd. All. Ham. Hvd... Mag. 
—  vivipara. Mls. 

Elymus arenarius L. | Kfd. Alt. + Mag. 

Triticum repens L. Mls.  Kfd. Alt. 

_ caninum L. Kfd. Alt. Hvd. Mae. 
—  violaceun. Alt. 


Vorstehende pflanzengeographische Beobachtungen enthalten 
die Momente zur Bestimmung der Charactere von der westfin 
markischen Flora. Aber da die Charactere einer Flora nicht 
an und für sich hervor treten, sondern erst durch den Vergleich 
mit den angrenzenden  Floren, so wird nachfolgende Parallele 
zwischen der phanerogamischen: Flora von ganz: Norwegen und 
der finmarkischen nicht ohne Nutzen sein. | “ 

Der Strich der westfinmarkischen Flora erstreckt sich von 
69° 40° nördlicher Breite bis zu 71° 10° nördlicher Breite, 
oder. von Tromsoe bis zum Nordkap. Ich schliesse Senjen 
und den südlichsten Theil von der Vogtei T’romsoe von West- 
finmarken aus, weil die Flora dieser Distriete ganz denselben 
Character der des eigentlichen Norwegens hat, und weil die Di- 
stricte selbst, in Folge älterer politischer Verhältnisse, von dem 
Volke noch zu den Nordlanden gerechnet werden. In nachfol- 
sender Tabelle habe ich meine eigenen Beobachtungen über die 


Auszug aus Lund’s Reise: 199 


Flora von Westfinmarken, welche vornemlich den nördlichen 
Theil‘ von Westfinmarken umfassen, mit Professor Bilytts Be- 
obachtungen über den nördlichen Theil der Vostei Tromsoe, 
welehe mir wohliwollend mitgetheilt worden sind, ergänzt. 


Norwegens Flora. Finmarkens Flora. 
Von Ränunculacede Juss. 11 Gattungen 36 Arten; 7 Gattungen 16 Arten. 


- Berberideae Vent: 1 — 1 — 

- Nymphaeaceae DC. Bi un 

- Papaveracede Juss. 3 — '5 — | _ 1, 

- Fumariaceae DC; 2 — 4 — 1 — re 

- Cruciferae Juss, 27 az DEF — 19 — 

- Violariae Juss. 1 — 14-4 4 — 1 PER 

- Droseraceae DC. 2 — 2a — 9 — RR 

- Polygaleae Juss. 1ı — 3 — 

- Caryophylleae Juss. 13 — 53 — 10 EL os 

- Lineae DC. 2 — 2 — 

- Malvaccae Juss. 1 = ee 

- Tiliaceae Juss. 1 — 1 — 

-  Hypericinae Juss. 1 _ 3 — 

- Acerineae DC. | — 2 — 

- Geraniaceae DC. 2 _ 1 a | —ı 1. - 

- Balsamineae Rich. 1 — 1 — 

- Oxalideae DC. 1 _ 1 — 1 —_ 1 — 

- Celastrinae Rb. Br. 2- — 2 0 — 

- BRhamneae Rb, Br. i _ 2 — 

- Leguminosae Juss. 15 _ 46 — 8 _ 12 — 

- Rosaceae Juss. 16 — 53 — 1 — 18° — 
= Onagrariae Juss. 3 _ 9002229 Lu Gr 

- Halorageae Rb. Br. 3 — en _ Dep 

- Ceratophylleae Gray. 1 _ i — 

- Lythrarieae Juss. 2 —_ 2 — 

- Tamariscinae Desv. 1 _ | _ 1. — 

- Portulacene Juss. 1 — wo as R: 

- Paronychieae St.Hil. 2 — 3. — 

- Crassulaceae DC. 4 _ ii — .2 — a 

- Grossularieae DC. Bea | -_— | — w 

- Saxifragaceae DC. 2 — I — .1 _ 9 — 

- Umbelliferae Juss. 26 _ 30.— 5 — 6— 

- Araliaceae Juss. 2 — 2 — 

- Corneae DC. 1 — 2— 1 _ 1 — 

- Loranthaceae Don. 1 _ ae 

- Caprifoliaceae Juss. 4 _ 1 — ı En 1 —- 


130 Auszug aus Lund’s Reise. 


Norwegens Flora. Finmarkens Flori. 


Von Rubiaceae Juss. 3 Gattungen 12 Arten; 1 Gattungen 6 Arten. 
- Valerianeae DC. 2 _ 3 — 1 _ 1 < 
- Dipsaceae Vaill. 3 — 3 — 

- Compositae Vaill. 36 — 101 — 20 —_ 3 — 
- Campanulaceae DC. 3 —_ 10 — 1 —_ Zu 
- Lobeliaceae Juss. 1 _- 1 — | 

- Vaccinieae DC. 3 — 5 — 3 —-— 5 — 
- Ericeae Rb. Br. il 007 211 — 9 o- 5 _— 
- Oleinae Link. 2 — 2 — 

- Asclepiadeae Rb. Br. 1 _ _ 

-  Gentianeae Juss. 3 — 11— 2 — 6.— 
- Polemoniaceae Vent. 1 — | _ 1. — 
- Convolvulaceae Juss. 2 4 — 

- Borragineae Juss. 9 — 20 — 4 _ 5. — 
- Solanaceae Bart. 3 — 4 — 

- Serophularinae Rb.Br. 11 —_ 4 — 6 — 15. — 
- Labiatae Juss. 21 — 35 — 173, oe 
- Orobrancheae Rich. 2 — 2 — 

- Lentibularieae Rich. 2 — 6 — 1 —_ 3 — 
- Primulaceae Vent. 8 — 53 — 3. — A. — 
- Pflumbagineae Vent. 1 2 — 

- Plantagmeae Vent. 2 — 5. — 3. — 
- Chenopodieae DC. 5 _ 17u.— „2 _ 2 — 
- Polygoneae Juss. 4 — 2. — 1.8 — 8 — 
- Thymelacaceae Juss. 1 — 1 — 

- Eiaeagneae Rb. Bb. l — 1 — 

- Aristolochieae Juss. ı —_ 1 — 

- Euphorbiaceae Juss. 2 2 4 — 

- Urticeae Juss. 3 au A — BR Be 
- Amentaceae 8 = 41 — 4 _ 19 ° — 
- Coniferae Juss. 3 — 4 1.92 N u mt 
- Hydrocharideae Rb. Br. 1 _ Le, _ a 
- Alismaceae Rich. 2 —_ 3 — 

- Juncagineae Rich. 2 - 3 — a == 2 — 
- Örchideae Rb. Br. 17 _ 2 ur — 12..— 
- TIrideae Rb. Br. 1 —- TI '— 

- Amaryllideae Rb. Br. 1 — 1 — 

- Melanthiaceae Rb. Br. 2 —_ A | —_ 1 — 
- Liliaceae Juss. 7 — 3 — 2 —_ 2 — 
- Smilaceaee Rb. Br. 3 _ 6— 2 _ 3 — 
- Junceae DC. BU = 23.7 02 — 17. — 


Auszug aus Lund’s Reise. 131 


N st Norwegens Flora. Finmarkens Flora. 
Von Typhaceae DC. 2 Gattungen 5 Arten; 1 Gattungen 1 Arten. 
-  Lemnaceae Link. 1 _ 1 — 

2 


- Aroideae Juss. _ 2 — 

- Najadeae Rich, 5 _ 16 — 1 E 3 — 
- Cyperaceae DC. 6 — 10 — 4 _ 51 — 
- Gramineae Juss, 31 — 92 — 17 — 42 — 


Zusammen 404 Gattng. 1105 Art.;177 Gattung. 402 Arten. 


Die norwegische Flora hat folglich zusammen 84 Familien, 
404 Gattungen und 1105 Arten, die westfinmarkische 50 Fami- 
lien, 177 Gattungen und 402 Arten. Die erste hat also 34 Fa- 
milien, 227 Gattungen und 703 Arten mehr, als die andere. 


Die 34 Familien sind: 


Gattungen. Arten. Gattungen. Arten. 

Berberideae 1. l. Lobeliaceae 1. 1. 
Nymphaecaceae 2. 3. Oleinae 2. 2, 
Polygaleae 1. 3. Asclepiadeae 1, 1. 
Lineae 2, 2 Convolvulaceae 2 4. 
Malvaceae 1. 3. Solanaccae 3: 4, 
Tiliaceae 1. lt. Orobancheae 2. 2. 
Hypericinae 1. 5. Plumbagineae 1. 2. 
Acerinae L, 2, Thymelaeaceae 1, 1. 
Balsamineae 1. t. Elaeagneae 1. 1. 
Celastrinae 2. 2, Aristolochieae 1. 1 

Rhamneae 1. 2. Euphorbiaceae 2. 4. 
Ceratophylleae 1. 1.  Hydrocharideae 1. 1. 
Lythrarieae 2, 2, Alismaceae 2. 3. 
Paronychiae 2, 3. Irideae 1. 1 

Araliaceae 2. 2, Amaryllideae 1. 1. 
Loranthaceae » 1. 1. Lemnaceae 1. 4. 
Dipsaceae 3. 3. Aroideae 2, 2. 


Hieraus. ersieht man, dass beinahe sämmtliche 34 Familien 
nur sparsam in Norwegen repräsentirt sind, welches darauf 
hindeutet, dass sie ihrer physiologischen Natur zufolge unter 
südlicheren Breiten zu Hause gehören. Unter ihnen haben nem- 
lich 20 nur eine Gattung, und 13 von diesen zugleich nur eine 
Art. 


Die am häufigsten repräsentirten Familien sind; 
Dicotyledonen. 
Von Ranunculaceae in ganz Norwegen 36 Species, in Finmarken 16. 
- Cruciferae u. 1 — nn 19. 
g* 


132 Auszug aus Lund’s Reise. 


Von Caryophylleae in ganz Norwegen 53 Species, in Finmarken 27. 


- Leguminesae —_ 6 — ae 
- Rosaceae — 535 — . ne 18. 
- Umbelliferae —_ 30 — {_s 

- Compositae - it — Zr 33. 
- Ericeae ._ 21 — — 15. 
- Borragineae — 200 — _ 5. 
- Scrophularinae _ 40 — — 15. 
- Labiatae — 3 — —_ ‘4. 
- Polygoneae — 2.2 _ 8. 
- Amentaceae En 4 — _ 19. 

Monocotyledonen. 

- Orchideae — 29 0 — — 12. 
- Junceae — 23 0 — — 17. 
- Üyperaceae Zu LE 100 — — 51. 
- . Gramineae — 2 En 42. 


Diese sind überhaupt auch am zahlreiehsten in Westfinmar- 
ken repräsentirt, welches auf die Anpassung ihres Organismus, für 
das celimatische und geographische Verhältniss der nördlichen 
Zonen hindeutet. Ini Uebrigen muss der Umstand, dass die 
Pilanzengruppen, welche man natürliche Familien nennt, in ge- 
wissen Zonen sich ansammeln, ein wichtiges praetisches Criterium 
davon abgeben, dass die Gruppirung auf wesentliche physiole- 
gische Uebereinstimmungen gehaut ist. 

In der norwegischen Flora ist das Verhältniss zwischen 
Familien und Gaftungen wie 1: 4, 81, zwischen Gattungen und 
Arten wie 1: 2, 73, zwischen Familien und Arten wie 1: 13,15. 
In der westfinmärkischen Flora ist diess Verhältniss verändert ; 
hier ist das Verhältniss zwischen Familien und Gattungen wie 
1: 3, 43, zwischen Gattungen und Arten wie 1: 2, 28, zwischen 
Familien und Arten wie 1: 7, 82. Hier ist also eine weit grö- 
ssere Anzahl Familien im Verhältniss zn den Arten, als in der 
Gesammtflora von Norwegen. Zwischen den Monocotyledonen 
und: Dicotyledonen ist das Verhältniss wie 1:2. Dieses bestärkt 
ferner die Richtigkeit von dem durch viele Erfahrungen bestätig- 
ten Vegetationsgesetz, dass die Anzahl der Monocotyledonen zu 
den Dicotyledonen in demselben Grad steigt, als man sich den 
Polen nähert. In Lappland ist, nach Wahlenberg, das Ver- 
hältniss wie 1: 2, 2, in ganz Schweden wie 1: 2, 6, auf den 
canarischen De wie 1: 6. 


Die übrigen physiologischen und pflanzengeographischen Re- 


Auszug aus Lund’s Reise. 133 


sultate, die aus diesen Thatsachen gezogen werden können, setze 
ich absichtlich bis zu einer spätern Veranlassung aus, indem 
mir durch die Liberalität der Königlichen Norwegischen Gesell_ 
schaft der Wissenschaften die Aussicht eröffnet ist jene That- 
sachen durch eine neue Untersuchung von Finmarken erweitert 
oder modifieirt zu sehen. 


V. 
Kürzere Mittheilungen. 


Uebersetzungen und Auszüge aus der Uebersicht 
der Verhandlungen der K. Akademie der Wissen- 
schaften in Stockholm *). 


Sitzung am 10. Jan. 


MH.. Sundevalı zeiste mehre Baumstücke und abgebissene 
Späne, als Ueherbleibsel von Arbeiten des Bibers vor, welche 
Hr. Professor Huss dem zoologischen Reichsmuseum nebst 
einem Schreiben folgendes Inhalts zugesandt hatte: „Ich hatte 
seit 20 Jahren verschiedene Male einen kleinen Fluss, der 
Granä genannt, in Medelpad, besucht, an welchem eine Biber- 
familie ihren Aufenthalt gehabt und sowohl Häuser, als voll- 
ständige Dämme, aufgeführt hatte. Bei einem Besuche daselbst 
in diesem Sommer fand ich die Häuser sowohl, als die Dämme 
zerstört, weil die Biberfamilie sich vor einigen Jahren von der 
Stelle wegbegeben hatte, nachdem sie durch das Flössen von 
Bauholz, welches man in den letzteren Jahren dort vorgenom- 
men, beunruhigt worden war. Man sagte, die Biber hätten sich 
nach einem 2 Meilen weiter hinauf gegen die Berge befindlichen 


*) Die Akademie der Wissenschaften in Stockholm gibt seit dem 
Anfang d. J. in einzelnen Bogen oder Heften rare Ueber- 
sichten ihrer Verhandlungen unter dem Titel: Öfversigt af Kongl. 
Vetenskaps- Akademiens Handlingar. Arg. 1. 1844. ®. herans, 
in welchen sie die in ihren Sitzungen zur “Verkandlung gekomme- 
nen kleineren Abhandlungen, Notizen, Anzeigen, brieflichen Mit- 
thei lungen u. s. w. ganz, von den grösseren, für ihre Verhandlungen 
bestimmten, aber Auszüge und Beurtheilungen mittheilt. Von dieser 
Uebersicht liegen uns die Hefte 1 — 7 vor und ihnen ist Nach- 
stehendes entnommen. 


135 


Flusse, dem Lomä, begeben und dort neue Häuser zu baueı: 
begonnen. Ich sammelte nun einige an der Stelle noch liegende 
Ueberbleibsel der Arbeiten dieser Thiere auf und habe die Ehre, 
sie dem Reichsmuseum zu übersenden, da sie für die Naturge- 
schichte des Bibers von Interesse sind.“ 

Die nun vorgezeigten Ueberbleibsel bestanden in abgesägten 
Stücken 3—6 Zoll dicker Stämme von Laubhölzern (Erlen und 
Espen), welche vom Biber mit den Zähnen abgeschnitten und 
abgeschält worden waren. Die Abschnittsenden sind ziemlich 
unregelmässig, schief oder konisch zugespitzt, wie ein mittels 
der Axt gefällter Baum, und überall erscheinen die quer gegen 
die Fasern des Holzes stehenden langen und deutlichen Merk- 
zeichen von den Vorderzähnen des Thiers, wie von einem etwas 
convexen Meissel oder einem solchen Stemmeisen. Unter diesen 
grossen Baumstücken fand sich eine Menge kleinerer Stücke 
von ungleicher Grösse, bis zum Umfange einer halben Faust, 
welche die von den Bibern beim Abschneiden der Stämme auf 
einmal ausgebissenen Späne waren. Nach der mündlichen Aus- 
sage des Gebers fanden sich diese Stammstücke und besonders 
die Späne noch in grosser Menge auf der Erde in der ganzen 
Gegend um die frühere Bibercolonie. Diese Stelle liegt nahe 
an der südlichen Gränze von Medelpad, 8 Meilen von Sundsvall, 
am Gran, welcher in den Ljusneelf hineinfliesst. Der oben 
angegebene Lomä ergiesst sein Wasser in den Njurundaelf oder 
den Ljunga. [Cr.] 


Hr. Sundevall zeigte einige Theile, bestehend in einem 
Kiemendeckel, 4 Flossenstralen und einer Schuppe vom Vor- 
' dertheil des Körpers, eines ungewöhnlich grossen Fisches vor, 
welchen man im Monat Oktober im Sunde gestrandet gefunden. 
Andere Theile desselben Fisches waren dem zoolog. Museum 
in Lund ‚überliefert worden, nach welchen Hr. Liljeborg ange- 
geben, dass sie einem Thunfisch (Seomber Thynnus L.) zuge- 
hörten. Der Richtigkeit dieser Bestimmung wird von den vor- 
gezeigten Stücken nicht widersprochen, welche jedoch unzurei- 
chend sind ohne bedeutendere Mittel zur Vergleichung, mit vol- 
ler Gewissheit zu entscheiden in wie fern der Fisch dieselbe Art 
sei wie der im Mittelmeer allgemeine Sc. T’hynnus, oder eine der 
zunächst damit verwandten Arten. Inzwischen können sie keiner 
andern Art von den bis jetzt an den schwedischen Küsten be 
merkten Fischen angehört haben, als dem Thunfisch, welches 


136 


S 


sich am allerdeutlichsten aus dem vom Hrn. -Liljeborg ange- 
führten Umstand ergiebt: dass der Vordertheil des. Körpers mit 
ganz grossen Schuppen hedeckt gewesen sei, diese aber‘ dessen 
hinterem Theil zu fehlen geschienen, 
Das Exemplar, wovon diese Theile entnommen, ist von einer 
ganz ungewöhnlichen Grösse gewesen. Der Kiemendeckel (wel- 
cher bloss das eigentliche Operculum von der linken Seite ist) 
hat eine Höhe ven 340 Mill. (133 Z.); eine Flossenstrale. von 
der linken Brustflosse hat 350, eine andere, von der Schwanz- 
tlosse 450 Mill. Länge. Aber an einem auf dem Reichsmuseum 
befindlichen Exemplare von Se, T’hynnus von einem Meter (33 
Fuss) Länge, hat das Operculum 107 Mill. Höhe, die längste 
Brustflossenstrale 139, und die längste Schwanzflossenstrale 
156 .Mill., welches eine 3} mal grössere Länge bei dem gefun- 
denen Exemplare anzudeuten scheint; denn nur der Kiemendek- 
kel giebt eine sichere Vergleichung indem-die Flossenstralen , 
jede in ihrer Flosse, wahrscheinlicherweise nicht die längsten 
gewesen sind. Der Fisch würde also 34 Meter oder ungefähr 
53 Elle lang gewesen sein, welches ungewöhnlich viel zu sein 
scheint; denn die bestimmten Angaben von der Länge in. der 
Nordsee gefangener Exemplare, geben diese gewöhnlich zu 
3 — 6 Fuss, nur eine zu 7 F, 10 Z. und eine zu 9% F. an. Die 
um Sicilien vorkommenden sollen grüsser sein und gewöhnlich 
1000 Livres wiegen. Die mit eingesendete Schuppe war 64 
Mill. lang und 50 breit, besteht ganz aus festem, hartem Knochen 
und ist in der Mitte 1} Mill. diek. Die grösste Schuppe die 
sich auf dem Thorax des erstgenannten 35 Fuss langen Exem- 
plars findet, ist 20 Mill. breit, dünn, beinahe hautartig und 
biegsam. [Hsch.] 


— 


Derselbe theilte aus einem Briefe des Probstes Ekström 
mit, dass bei dessen Wohnorte Tjörn, an der ‚Westküste 
Schwedens, während des heftigen N. W. Sturmes , welcher den 


14 — 16 Dee. dort ‚gewüthet, ein grosses: und vollständiges 
Exemplar der in der Nordsee höchst seltenen Bruma Raji auf 
einen Berg geworfen worden sei. [Hsch,] 


Hr.S. Loven trug Folgendes aus einem Briefe des F reiherrn 
von Düben, Adjunct der Akademie, dat. Bergen. den 28.,Sep- 
tember 1843, vor. 


137 


Hr. v. Düben, welcher sich im Maimonathe des vergan, 
genen Jahres nach Norwegen begeben hatte, um die Meerthiere 
an den dortigen Küsten zu studiren, hatte Christianssund und 
dessen Umgegend. zur ‚Hauptstation während des verwichenen 
Sommers gemacht und dort.eine bedeutende Anzahl für die nor- 
dische Fauna neuer oder noch wenig untersuchter Thiere ge- 
{unden. Von Fischen verdienen in dieser Hinsicht angeführt zu 
werden:  Lepadogaster bimaculatus Yarr., welcher. sich auch 
auf dem Museum in Bergen von der norwegischen Küste befin- 
det, Motella glauca Yarr., welchen Fisch ThAompson als 
die neue Gattung Oouchia aufgestellt hat, und dessen Junge, 
nach des Hrn. v. Düben Beobachtung, ‚hinsichtlich der Brust- 
flossen eine merkwürdige Metamorphose erleiden, ein Gobius, 
welcher dem G. albus Yarr. zunächst steht und, wie dieser, 
deutlich der junge Fisch einer ganz unbekannten Art ist; ein 
Syngnathus, entweder der rechte S. Acus , oder eine neue Art, 
endlich ein, wie es scheint, neuer, höchst interessanter Lophius. 
Nicht selten kam ein Cyelopterus minutus vor, welcher wahr- 
scheinlich kein juuger ©. Lumpus ist. — Auch über die geo- 
‚graphische Verbreitung, die Laichzeit u. s. w. der Fische hatte 
‚Hr. v. D. mehre Data gesammelt. Von ÜUrustaceen hatte er 
eine für unsere Fauna neue Art, Atelecyclus heterodon, sefun- 
den und: von seltenern Crangon nanus Kroey., Hippolyte-Ar- 
ten, eine grosse Anzahl von Amphipoden und /sopoden, wie 
auch. von oanideh, 3—4 für uns neue, unter denen sich 
Na ymphon hirtus Fabr., Pallene brevirostris, Phoxichilidiun 
coccineum zu befinden scheinen. Eine höchst sonderbare Lernuea 
ward auf Aktinien angetroffen und eine andere, verwandte, auf 
einer zusammengesetzten Ascidie. Von Annulaten war der son- 
derbare Chaetopterus norvegus in reichlicher Menge, und so 
auch eine neue, zwischen jenem und Ch, pergamentaceus ste- 
hende Art gefunden worden. 

Von. .zusammengesetzten Ascidien hatte Hr. v. D. wenig- 
stens 13 Arten gefunden, unter: welchen 4 Arten von Do- 
iryllus,, und unter diesen vermuthlich 2. bivittatus M. E,, Bo- 
trylloides rubrum M. E., B. n. sp., Didemnium _gelati- 
nosum M. E., D. n. sp., Amaroueium proliferum M. E,, 4. 
albidum M. E,?, 4A.?.n. sp, Eucoelium n..sp:, endlich eine 
‚Art, welche eine neue Gattung bilden muss. Es waren Salpen 
vorgekommen, die ganz anders zusammengekettet waren, als 
die von Eschricht so gut beschriebenen. Von Mollusken, 
nackten sowohl, als beschalten, hatte Hr. v. D, eine grosse 
Anzahl eingesammelt. Auch die Echinodermen hatten eine rei- 


138 


che Ausbeute geliefert, 2 Ctenodiscus-Arten, deren eine häufig, 
einen besonders grossen und schönen Astropecten, eine von 
Sars erwähnte Luidia, eine zu keiner der Müller- und 
Troschel’schen Gattungen zu bringende Art, eine mit O. fili- 
formis verwandte Ophiolepis, eine Ophiomyza? und einen» 
wie es scheint, neuen, Astropecten. Von fast allen Arten hatte 
er auch ganz kleine Exemplare gesammelt, mittels deren er die 
Altersverschiedenheiten und die Unwesentlichkeit mehrer Cha- 
raktere, welche gewöhnlich von den Auctoren angeführt werden, 
vollkommen darlegen zu können hoffte. Dr. Koren in Bergen 
hatte ihm mitgetheilt und gezeigt, dass das sonderbare, von 
Sars unter dem Namen BDipinnaria beschriebene Thier ein 
Entwicklungsstadium eines Asterias darstellt. Von Akalephen 
hatte Hr. v. D. 2 grosse und schöne Arten einer neuen, Chry- 
saora zunächst stehenden Gattung erhalten, welche sich aber 
von allen bisher bekannten Diskophoren durch nur 4 Augen- 
puncte am Rande auszeichneten. Der merkwürdigste Polyp, 
welchen der Sommer darbot, war eine grosse und schöne Acti- 
nja, zur Gattung Anthea Johnst. gehörend; ihre Tentakeln, 
welche nicht im geringsten eingezogen werden können, brennen 
auf der Haut, wie Nesseln, und zwar weit stärker, als die Cyanea 
capillata. Auf ihr wurde die oben erwähnte Lernäe entdeckt. 
Nachdem Hr. v. D. diese reiche Sommerernte um Christians- 
sund gehalten, hatte er sich nach Bergen begeben, wo er sich 
den Winter hindurch aufzuhalten beabsichtigte. Danach wollte 
er im südlichern Norwegen seine Forschungen fortsetzen. 


[Cr.] 


Hr. Wahlberg führte an: Da man erst in den letzteren 
Jahren Kenntniss vom Vorkommen der Turteltaube in Schwe- 
den bekommen hat, so dürfte ein Beitrag zur Verbreitung die- 
ses Vogels im Norden nicht ohne Interesse seyn. Während 
meines Aufenthalts in Luleä Lappmark im vergangenen Sommer 
berichtete mir der Comminister Björkman in Quickjock, dass 
dort fast jährlich Turteltauben gesehen, auch 2 derselben getöd- 
tet und präparirt worden wären, von denen sich die eine in der. 
Sammlung der Herren von Seth befinden dürfte. Einem mir 
diesen Winter vom Hrn. Björkman zugekommenen Briefe 
zufolge hat sich eine kleinere Schaar dieser Tauben auch im 
verwichenen Herbst auf dem Rosback bei Quickjock eingefun- 
den; man konnte aber keine derselben erlegen. Wenn starkes 
Unwetter mit Schneetreiben zur Herbstzeit im Gebirge eintritt, 
so kommen die Tauben von Nordwest an, oder ziehen nach 


13) 


dem Laufe der Thalstrecke, verweilen aber nur kurze Zeit. Es 
hat hiernach den Anschein, als hätten sie ihren eigentlichen 
Aufenthalt in den höheren Gebirgsgegenden, und dafür, dass 
sie nicht als bloss zufällige Gäste zu betrachten seien, spre- 
chen ihre während mehrer Jahre erneuerten Besuche an der an- 
geführten Stelle. Eine nähere Untersuchung dürfte es verdie- 
nen, in wie fern diese so genannten Turteltauben wirklich 
Columba Turtur, oder ob sie von der mit dieser nahe ver- 
wandten, wahrscheinlich neuen, Art seien, die das Reichsmu- 
seum aus dem nördlichen Schweden erhalten hat. 


[Cr.] 


Hr. Wahlberg führte — ferner — an: In einer Gegend, 
welche seit längerer Zeit von mehren ausgezeichneten Botanikern 
unsers Landes so besucht worden ist, wie Lulea Lappmark 
und besonders die Umgebung von Quickjock, waren natürlicher- 
weise nicht viele neue Gewächse zu bemerken. Die Resultate 
in dieser Hinsicht, zu welchen dennoch mein und meiner Reise- 
gefährten Besuch daselbst im vergangenen Sommer führte, wer- 
den binnen Kurzem von Einem der Letzteren, dem Studiosus 
Andersson, näher dargelegt werden. Ich wünsche bei dieser 
Gelegenheit bloss die Aufmerksamkeit der K. Akademie auf ei- 
nige bemerkenswerthere Pflanzenformen zu lenken. 

Schon bei der Reise in die Lappmark hinauf ward ich in 
der Nähe des Dorfs Säfvast am Luleäelf, 3—4 Meilen von der 
Stadt, ungewöhnlich breite Blätter einer damals noch unent- 
wickelten Riethgras- Art gewahr, welche ich auf der Rück- 
reise, sowohl auf dem Säfvast Lande, als auf einer vor demsel- 
ben in dem Elf liegenden grössern Insel, in nicht geringer Menge 
mit beinahe reifen Früchten antraf. Es ergab sich, dass diese 
Art, eine der grössten und breitblättrigsten ihrer Gattung, Ca- 
rex bullala, var. laevirostris war; sie war bisher unbekannt in 
Schweden und ward erst kurz zuvor bei Christiania und zu glei- 
cher Zeit im russichen Karelen vom Candidaten Angström ge- 
funden. : Die eigentliche Carex bullata, von welcher die laeviro- 
stris, als Art, wie es scheint, getrennt werden muss, gehört 
Nordamerika an. Auf den angeführten Standorten am Luleäelf 
machte sie stellenweise die Vegetation unterhalb des obern, 
durchschnittenen, mit Salix-Arten bewachsenen Flussufers ein- 
zig und allein aus. 

Von der gemeinen Kiefer (Pinus silvestris) kam beim Kirch- 
dorfe ‚Jockmock ein kleiner Hain von halbwüchsigen Bäumen 


140 


vor, welche zum Theile von einer mir unbekannten Abart mit 
ganz kurzen, in getrennten Kränzen sitzenden Nadeln waren, 
durch welches Verhalten die Bäume ein fremdartiges Ansehen 
darboten. 

Der Sperberbaum (Sorbus Aucuparia) wurde oft, beson- 
ders näher am Gebirge, mit von der ersten Entwickelung völlig 
glatten und glänzenden Blättern angetroffen. 

Eine den geschlitztblättrigen Abänderuugen der Birke, der 
Erlenarten u. s. m. analoge Form des Himbeerstrauchs (Rubus 
Idaeus), d. h. mit tief geschlitzten Blättchen, wuchs spärlich bei 
Quickjock. 

Durch des Probsts Laestadius Untersuchung ist es seit 
längerer Zeit bekannt, dass in der Lappmark eine Zwischenart 
zwichen Rubus arceticus und R. saxatilis vorkommt, welche 
nach dem Namen der Frucht, Bäfverbär (Biberbeere), vom 
Entdecker AR. castoreus henannt worden ist. Von diesem Ge- 
wächse hat man 2 Formen bemerkt, welche beide in Fries’s 
Mantissa angeführt worden sind, une von denen die eine sich 
mehr dem R. arcticus, die andere mehr dem sazxatilis nähert. 
Sie wuchsen an mehren Stellen um Quickjock, aber nur da, wo 
sich R. arcticus und sawatilis nahe bei einander befanden, und 
immer jede für sich. Uebergänge zu den nahestehenden Haupt- 
arten oder unter sich selbst konnte ich nicht beobachten. We- 
gen dieses Verhaltens scheint man vermuthen zu können, dass 
beide durch Bastardirung entstanden seien, bei welcher im einen 
Falle R. arcticus, im andern R. saxatilis die befruchtende Art 
war. Die an R. saxatilis gränzende Form war immer höher und 
hatte grössere, schärfer und tiefer eingeschnittene Blätter und 
zahlreichere, kleinere Blumen mit schmäleren Kronblättern von 
rothweisser Farbe, [Cr.] 


Hr. Sundevall führte an, dass Hr. W. v. Wright, wel- 
cher neulich von einer Reise nach Finnland zurückgekehrt ist, 
in der Gegend von Kuopio den für die Fauna des Nordens ‘neuen 
Mus minutus gefunden habe. Das jetzt mitgebrachte Exemplar 
wurde am Anfange des Winters todt auf der Erde liegend an- 
getroffen. Beim nähern Nachsehen in einer Sammlung klei- 
ner, in Weingeist aufbewahrter, Säugthiere aus derselben Ge- 
gend, welche Hr. v. Wr. vor mehren Jahren dem Museum ge- 
schenkt hat, fand es sich, dass ein Exemplar, welches, da es 
bedeutend beschädigt war. nicht mit Sicherheit bestimmt werden 


141 


konnte, derselben Art (Mus minutus) angehört. Da dies Thier- 
chen möglicherweise in gewissen 'T'heilen von Schweden vor- 
kommen dürfte, so ist zu erwähnen, dass es sich von unseren 
übrigen Arten der Mäusegattung durch geringere Grösse, gelb- 
liehere Farbe und kleinere, dicht und fein behaarte Ohren 
unterscheidet. Es klettert mit Leichtigkeit, baut sein kugelrun- 
des, aus Gras zusammengewebtes Nest fast wie ein Vogel, 
hoch über der Erde, zwischen Halmen von Riethgräsern, an 
feuchten Stellen, und lebt nur von Sämereien und Pflanzenstof- 
fen, wesshalb es den Häusern nicht schädlich werden kann. 
Am meistsn gleicht es der Haselmaus (Myoxus avellanarius) , 
welche auch, obgleich äusserst selten, in Schweden gefunden wor- 
den ist, unterscheidet sich aber durch geringere Grösse, eine 
spitzigere Schnauze, einen weniger behaarten Schwanz und be- 
sonders durch die Zähne, welche ganz und gar denen der Gat- 


tung Mus gleichen. [Cr]. 


Sitzung am 14. Februar. 


Hr. A. Retzius theilt folgenden AaoS aus einem Briefe 
des Probstes Ekström dat. Tjörn d. 5. Febr. 1844 mit. Nie- 
mand muss glauben, dass das Verhalten des Härings im Katte- 
sat jetzt dasselbe ist, wie während der grossen Häringslischerei. 
Er stand zu der Zeit, während des Sommers, in oder dicht 
ausserhalb der Scheeren, und war also immer auf den Laich- 
plätzen sobald die Winterkälte eintraf. Jetzt dagegen steht er 
in den sogenannten Rinnen, d. h. in der grössten Tiefe, mehrere 
Meilen von den Scheeren. Nach den übereinstimmenden Beobh- 
achtungen von 4 Jahren habe ich sefunden, dass das Verhalten 
folgendes ist. Am Schlusse des Octobers oder im Anfang des 
Nöykinhörs nähern sich die Haufen der Küste. Der Junge oder 
der sogenannte Loddhäring vereinigt sich mit dem Skarphäring, 
welche zu dieser Zeit laichen und näher zur Küste eindrängen. 
Die rechten Laiehhäringe stehen ‚bei den äussersten Scheeren 
um die Laichzeit abzuwarten, welche hier niemals vor dem 
Schluss des Märzmonats oft später eintrifft; aber während 
dieser Zeit sind einige 30 Netze im kang, welche sie zwingen 


— 


*) Mus minutus ist auch hier in Neu- Vorpommern mehrmals ge- 
funden worden, und scheint hier nicht gar selten zu sein, Er 
hält sich in sumpfigen Wiesen auf und das hies. zool. Museum 
besitzt Thiere und Nester davon. Anm. d. Redact. 


E: 


142 


stehen zu bleiben und ihren Rogen auf den Grund und die 
Bänke ausserhalb der Scheeren zu legen. Die grossen Häringe 
von deren Fang verschiedene Zeitungen berichteten und die 
als eine glückliche Fischerei versprechende Vorboten erwähnt 
wurden, gehören zu der Sorte, welche die Scheeren- Bewohner 
Strichhäringe nennen, weil sie in kleineren Haufen im October 
und November in die Buchten einstreichen wo sie früher gelaicht 
haben. Diese sind alle steril und ;% von ihnen Männchen,  vou 
welchen ich vermuthe, dass sie zu alt sind um ihr Geschlecht 
fortpflanzen zu können. Wahrscheinlich erhalten wir im April 
und Mai Häring in Tjörn. Hier findet sich eine einzige ruhige 
Stelle und diese wird jährlich von recht reifen Laichhäringen 
besucht.*) [Hsch.] 


*) In der Sitzung am 15. Mai wurden aus einem Briefe des Probstes 
Ekström vom 20. April folgende, die Laichzeit des Härings 
betreffende, Nachrichten mitgetheilt: „Nun fängt der Häring bei 
Tjörn an zu laichen. Den 13. d. wurden bei Sundby 9 Tonnen 
grosser Häring auf einen Wurf mit einem kleinen Netz gefangen. 
Am 15. war ich bei einem Nelzzuge gegenwärtig; man erhielt 4 
Tonnen. Die Netze liegen nicht voll 100 Ellen vom Lande, wes- 
halb die Laicher nicht so gestört werden dürften, dass nicht einer 
oder der andere Rogen absetzte, Der Häring welchen ich aufneh- 
men sah, war gross, keiner unter 10 Zoll, aber viele 12 — 13 
Zoll. Alle waren voll Rogen uud Milch, aber diese war noch 
nicht flüssig, weshalb ich vermuthe, dass das eigentliche Laichen 
nicht früher, als am Schlusse dieses oder im Anfang des nächsten 
Monats statt finden wird. 

In der Sitzung am 12. Juni wurden folgende Angaben, des 
Hrn. etc. Ekström aus einem Briefe vom 15. Mai miigelheilt. 
Die Laichzeit der Häringe ist nun zunächst am Schluss und wir 
hahen an den Bohuslänschen Strändern keinen Häring früher wieder 
zurück zu erwarten, als im Monat October oder November. Der 
lange und ungewöhnlich strenge Winter verursachte, dass das 
Meer spät eisfrei wurde, so dass Schuten und Backbote nicht früher 
als im Anfang Aprils auslaufen konnten. Die Fischer von Tjörr 
gingen den 15. April, zum erstenmal im Jahr zur See und steuer- 
ten den gewöhnlichen Curs d. h. hinaus nach Skagen. Während 
des Segelns wurden ungefähr 4 Meilen von der Küste, in den soge- 
nannten Rinnen deren ’Tiefe bis zu 60 Ellen steigt, grosse Haufen 
starken Härings getroffen. Einige von diesen wurden gefangen und 
als theils ausgelaichte, theils laichende Individuen erkannt, Es 
freut mich einen factischen Beweis darüber erhalten zu haben, 
dass der Häring draussen im Kattegat weit vom Lande laicht, be- 
sonders weil Prof. Nilsson vor beinahe 20 Jahren schon dasselbe 
gesagt, ohne dass es vom Publikum geglaubt worden wäre. Nun 
wird wohl Keiner es in Zweifel ziehen, da die Fischer .es gesehen 
und kennen gelernt haben. Unter den getroffenen Häringshaufen 
fanden sich eine unglaubliche Menge neuerlichst ausgekrochener 
Jungen (Häringsangen?, welche von dem grösseren ausgelaichten 
Haar begierig verschluckt wurden. Um mich 3 letzten 
Angabe der Fischer zu überzeugeu, öffnete ich 40 Stück grosse, 


’ 143 
‚Sitzung am 20. März. 


Herr Sundevall berichtete in seinem und Herrn Bohe- 
man’s Namen über die ihnen von der Akademie übergebene 
Abhandlung des Herrn Candidat ©. G. Löwenhjelm, über 
die Wirbelthiere in Luleä Lappmark. Diese sind: Säugethiere 
11—12; Vögel 89, worunter 12 nach den Angaben Anderer an- 


in der Nacht, vom 29. April gefanzene Häringe. Von diesen hatten 
22 den Magen mit Häringsjungen vollgepfropft, 2 hatten im Grunde 
des Magens, ungefähr den 4ten Theil der Magenhöhle, mit Ueber- 
hleibseln von verzehrten Ringelwürmern, aber den übrigeu Theil 
mit jungen Häringen angefüllt; 7 hatten nur Ringelwürmer ver- 
zehrt; bei Dreien fanden sich nur Ueberbleibsel von kleineren 
Crustaceen und der Magen übrigens leer; 6 hatten gar nichts im 
Magen, so dass die Magenwände ganz rein waren. Hierdurch ist 
das früher unbekannte Verhalten in der Naturgeschichte des Härings 
entdeckt, dass der ausgelaichte Häring nach der Laichzeit, in der 
Gegend der Laichstelle sich aufhält und die eben ausgebrüteten 
Jungen verzehrt. Die Fischer geben nun einhellig zu, dass dieser 
grosse Häring, von dem es erwiesen ist, dass er im Kattegat ge- 
laicht hat, ganz derselbe ist, welcher während der grossen Härings- 
fischerei gefangen wird. 

Während des ganzen Monats April, sobald die Küste vou Eis 
frei wurde, hat man grossen Häring in grösserer oder geringerer 
Menge an allen Strändern bei 'Tjörn gefunden. 

Da ich beinahe täglich Gelegenheit gehaht habe mir einige 
Häringe zur Untersuchung zu verschaffen, so habe ich gefunden, 
dass die Laichzeit des Härings länger dauernd ist, als man glaubt 
und dass sie wenigstens 2 Monate währt; denn im Anfang vom 
April, als der erste Häringsfang hier stattfand, war schon 4 von 
dem gefangenen Häring ausgelaicht; in der Mitte desselben Monats 
hatte schon die Hälfte und am Schlusse desselben beinahe 3 davon 
ausselaicht. Noch am 11. Mai fanden sich einige Individven, 
welche nicht gelaicht, und da Junge, wie schon erwähnt ist, sich 
unter dem Häringshaufen am 15. April fanden, so mussten dieselben 
nothwendig in der Mitte März gesetzt worden sein, um an dem 
genannten Tag zur Wasserfläche aufsteigen zu können. In Folge 
hievon vermuthe ich, dass der Häring, bei Annäherung der Laich- 
zeit sich auf der Tiefe in grössere, getrennte Haufen sammelt, und 
dass diese früher oder später laichen, alles je nachdem sie vom 
VVinterquarlier zur Laichstelle aufsteigen und dass das Laichen, 
für diejenigen, welche zuerst aufsteigen, in der Mitte des März +) 
beginnt. Es ist klar, dass sowohl der frühere oder spätere Eintritt 
‘des Frühlings, als das Alter des laichenden Härings hierin eine 
Veränderung bewirkt. Während dem, dass der grosse Häring sich 
an den Strändern aufhält, hat sich der jüngere oder sogenannte 
Loddhäring nicht da gezeigt, aber nun da der grössere wieder zur 
Tiefe geht, kömmt der Loddhäring an, wovon in diesen "Tagen 
Etwas, obgleich unbedeutend, gefangen wurde, Später kömmt der 

inere, in diesem Jahre gesetzte und mischt sich unter den 
Loddhäring, 
}) Im Original steht Mai, was jedoch auf einem Schreib- odergg 
Druckfehler beruhen muss. da es mit den vorstehenden An- 
gaben nicht übereinstimmt, Anm. d. Ueb. 


\ 


144 


geführt werden und von welchen, als besonders bemerkensiwerth, 
genannt werden mögen: Alauda alpestris, die man bisher innerhalb 
Skandinavien nur im östlichen Finmark als Brutvogel kannte, 
und die Saatkrähe (Corvus frugilegus). welche nicht nördlicher, 
als in Schonen und an einigen wenigen zerstreuten Stellen im 
Gothen - Reiche brütet. Ein und das andere Individuum sieht man 
bisweilen während der Zugzeit im März bei Stockholm ; aber sie 
bleiben nicht daselbst. Die jetzt in Luleä Lappmark gefundene ist 
wieder eines von den vielen Beispielen von sporadischen Vögeln. 
Amphibien 4: Lacerta vivipara und Rana temporaria, und 
nach Angaben Anderer, Coluber natrix und Vipera berus. Fi- 
sche 10, unter welchen 6 Salmonacei aus den Gattungen Salmo, 
Coregonus, Thymallus. — Die Abhandlung wird zum Druck 
empfohlen. [Hsch.] 


Derselbe zeigt in seinem und des Hrn. Lovens Namen 
an, dass die ihnen zur Berichterstattung überwiesene Abhandlung 
des Hrn. Mag. N. Liljeborg Beselneikunenn von zwei mn 
Skandinavien neuen Säugethieren enthalte: 

Myodes schisticolor n. sp. Aschgrau, mit einem rothbraunen gro- 
ssen Fleck auf dem hinteren Theil des Rückens. Aus dem nörd- 
lichen Theil von Guldbrandsthal in Norwegen. Nach Zahn- 
und Körperform scheint sie wenig von Mus Lemmus abzu- 
weichen ’). 

Sorex pygmaeus Pall. gefunden in Schonen während des Winters. 
(S. mehr hierüber weiter unten.) [Hsch.] 


*) In der Sitzung am 11. Sptbr, zeigte Hr. Sundevall ein Exemplar 
dieses neuen Thieres vor, welehes in Dalekarlien gefunden und 
von Hrn. von Yhlen dem Reichsmuseum geschenkt worden war. 
Die Zähne zeigen wirklieh dieselbe Form, wie bei Mus Lemmus, 
aber die Vorderkrallen sind, gleich wie bei den Hypudäus-Arten, 
nicht grösser, als die hinteren. Zwei bei Kuopio in Finland ge- 
fundene Junge von dieser 'Thierart waren von Hın. ZU.v. Wright 
dem Reichsmuseum geschenkt worden. Eines von diesen war "von 
S$. für ein junges von Arvicola rutilus angesehen worden, mit 
welcher diese Art die allergrösste Aehnlichkeit besitzt, und wurde 
von ihm als solches in den Verhandl. der Akad. d. Wiss. 1840 
beschrieben. $. hatte nämlich die Backenzähne von diesem zuletzt 
genannten Jungen nicht gesehen, aber aus der ausgezeichneten 
Aslınlichkeit der äusseren Theile dieser beiden T'hierarten ge- 
schlossen, dass es von derselben Art sei und dass die Jungen von 
A. rutilus in der Farbe den älteren etwas ungleich seien. Es ist 
inzwischen , durch Untersuchung des andern der erwähnten Jungen, 
welches später hinzugekommen, aufgeklärt worden, dass beide 

unzweifelhaft zu M. schisticolor gehören. Diese Art hat also jung 

.. und alt dieselbe Farbe, Es ist glaublich, dass es sich mit A. ru- 
tilus ebenso verhält. 


145 


' Derselbe theilte aus einem Briefe des Professors Nils- 
son in Lund, folgende Nachrichten über einige für Skandina- 
vien neue Säugethiere mit, deren ausführliche Beschreibung in 
die im Druck befindliche Auflage der Fauna Skandinaviens auf- 
senommen ‘werden wird. Ein Sorex, welcher von dem Akad. 
Adj. Baron v. Düben (demselben welcher in Schweden Smin- 
thus betulinus entdeckte) im nordöstlichen Schonen, nahe der 
blekingischen Gränze sefunden wurde, ist neu, nicht blos für die 
Fauna Skandinaviens, sondern auch für die Wissenschaft. Er 
ist deshalb merkwürdig, weil er das kleinste bekannte Säuge- 
thier ist, denn er ist 15 Lin. kürzer, als S. etruscus, welcher 
bisher für das kleinste angesehen wurde. Das einzige bisher 
gefundene Exemplar war von Hrn. N. eingesandt und wurde vor- 
gezeigt. Er ist benannt. 


Sorex pumilus Nilss. n. sp. „Der dünne Schwanz, von der Länge 
des Körpers bis zu den Augen, ist mit längeren Haaren belegt, 
zwischen welchen keine kleineren verkommen, und endigt mit 
einem spitzen Haarpinsel. Der Kopf ist beinahe so lang, als 
der ganze übrige Körper. Die Farbe ist oben rostgraubraun, 
unten weiss. Länge 1 Z. 44 L. schw. M.; Der Schwanz 1 Z. 
21 L. (mit dem Haar 1 Z. 43 L.). — Er gehört zu derselben 
Gruppe wie $. vulgaris L. uud der obere Rand von den unte- 
ren Vorderzähnen ist stark dreizähnig.“ 


Der von Hrn. Liljeborg gefundene und beschriebene S. 
pygmaeus Pall. zeichnet sich durch eine andere Farbe und be 
deutendere Grösse, nemlich 112 schw. Z. + den Schwanz 17% 
Z. (d. i. 48 und 353 Millim.) aus; dessen Schwanz ist dick, ohne 
Haarpinsel an der Spitze und reicht nur zu den Ohren, er hat 
niedrigere, am oberen Rande höchst undeutlich oder kaum ge- 
zähnte Vorderzähne und der Ate Zwischenzahn ist der kleinste 


von allen; er ist nemlich zwischen den 3ten und dten gleichsam ein- 


geklemmt, aber doch etwas weniges höher, als der zuletzt ge- 
nannte. Hr. N. hatte die Vermuthung geäussert, dass der von. 
Hrn. S. in den Verhandl. d. Akad. d. W. 1842, p. 184 beschrie- 
bene S. rusticus von Jemtland identisch sei mit dem in Schonen 
gefundenen S. pygmaeus Pall. Sie sind auch so ähnlich, dass 
dieses leicht möglich sein kann, wie Hr. S. an d. a. St. selbst 
äussert, aber inzwischen finden sich, ausser dem weitgetrennten 
Vaterland, einige Ungleichheiten. zwischen ihnen, welche mög- 
licherweise grösseres Gewicht erhalten können, wenn sich Ge- 
legenheit darbietet mehrere Exemplare vergleiehen zu können; 
denn Istens ist das jemtländische Thier viel grösser, als das scho- 
nische, welches dagegen übereinstimmt mit den ausländischen 


10 


146 


Beschreibungen; ein frisches Exemplar von Jemtland maass: 55 3 
Millimeter + den Schwanz 373 M. ausser dem Haare; die Hinterfüsse 
mit den Nägeln 12M.; der Kopf 22M.; 2tens hat es einen dieht- 
behaarten Schwanz , welcher in einen spitzigen Haarpinsel endigt 
und nicht gegen die Wurzel dicker scheint ; Stens ist dessen unterer 
Vorderzahn am Rande stark und deutlich dreizähnig und 4tens ist 
der vierte Zwischenzahn, von der Seite gesehen, doppelt so 
gross, als der fünfte und scheint nicht. zwischen den zwei’ zu- 
nächstliegenden »eingeklemmt zu sein,. wie bei.dem wahren 8. 
pygmaeus. Diese Ungleichheiten der Zähne haben von S. an 
einem von Hrn. Nilsson gefälligst mitgetheilten Schädel von 
dieser letzteren Art verglichen werden können. 

Von der Gattung. Lemmus giebt Hr. Nilsson ee 
zwei bisher unbeschriebene Arten an: 

L. medius Nilss. n. sp., ähnlich L. agrestis aber etwas 
grösser und dunkler, mit etwas längerem Schwanz und ganz 
ohne die hintere kleine überzählige Emaillefalte auf dem mit- 
telsten oberen Backenzahn. — Von Lappland und den Alpen 
um das Guldbrandsthal. 

L. insularis Nilss. n. sp. noch mehr L. agrestis ähnlich und 
mit gleichen Zähnen, wie diese, aber längerem Schwanz (13 
bis 2 Z.), und etwas grösseren Ohren. Von Hrn. N. auf den 
ostgothischen Scheeren gefunden. 

Schlüsslich hat Hr. Nilsson noch geliefert folgende Aufstellung 
von der Gattung. 


Lemmus Geoffr. 
A. Alle Backenzahnfurchen im Zickzack. 


1, Hypudaeus: der mittelste Backenzahn oben mit drei Seitenkan- 
ten auswärts. zwei noch grösseren einwärts, ohne Spur einer 
dritten. Alle hieher gehörenden Arten leben sowohl von Fleisch 
als Pflanzeustoffen, und die meisten, wenn nicht alle, sind im 
hohen Grade gefrässig und Allesfresser. Sie theilen sich in: 

a. Erdratten: alle drei Seitenkanten an dem genannten Zahn 
gleich gross und scharfwinklig, 
L. amphibius (L.). 
L. medius (Nilss.). 
b. Erdmäuse: die vorderste äussere Seitenkante an dem ge- 
nannten Zahn viel kleiner , als die anderen. ; 
L. Glareola (Schreb.). 
L. rutilus (Pall.). 

2. Arvicola: der :mittelste Backenzahn oben mit drei OR 
auswärts, drei einwärts, von welchen zwei den äusseren gleich 
sind, der dritte viel kleiner ist. — Die hieher gehörenden Ar- 


147 
ten leben, so viel man weiss, ausschliesslich von vegetabili- 
scher Nahrung, - 

L. insularis (N ilss.). 

L. agrestis (L.) 

(L. arvalis Pall., welehe bisher noch nicht in Schwe- 
BER den gefunden worden.) 


B. Die Furchen des hinteren Backenzahns beinahe parallel, 
die der übrigen im Zickzack. 


3. Myodes: der Schwanz sehr kurz, ungefähr von der halben 
Kopfslänge, kürzer noch oder gleich mit dem Hinterfuss. 
L. norvegicus (Nilss.). Die Nägel an den Vorderf 
ssen viel grösser, als an den Hinterfüssen. 
L. schistieolor (Liljeb.) Die Nägel der Vorderfüsse am 
grössten"). IHsch.] 


Im 


Hr.Boheman gab in seinem und Hrn. Sundevall’s Namen 
über die ihnen zur Berichterstattung über&ebene Abhandlung 
„Versuch zu einer Gruppirung und Revision der schwedischen 
Ephydrinae, von Christ. Stenhammar“ folgende Eı- 
klärung ab. 

Hrn. St. Abhandlung umfasst eine von den bisher am wenig- 
sten aufgeklärten Zweiflügler- Gruppen, und zeigt wie viel noch 
in dieser Insecten- Ordnung zu entdecken und aufzuklären ist. 


*) In der Sitzung am 45. Mai fügte Hr. S. der obigen Abhandlung 
des Hrn. N. noch Folgendes, ae Zulage hinzu: 

4. Hr. N. habe, nach Empfang eines gedruckten Exemplars 
vorstehender Abhandlung, bemerkt, dass er, neben der schwedischen 
Arvicola agrestis, die ausländische arvalis nur in einer Parenthese 
angeführt habe, um anzuzeigen, dass sie verwechselt würden und 
en die ern, seines Wissens, sich nicht in Schweden finde; 
aber dass sie der Bildung ihres mittelsten, oberen Backenzahns 
zufolge, zu der an dieser "Stelle angeführten Untergattung Hypu- 
daeus gehöre. 

2. Bei der Gattung Sorex sei die von N. mitgetheilte Angabe 
ausgelassen worden, dass diese kleinen 'l’'hiere, die kleinsten von 
allen Säugihieren, ohne Zweifel die gefrässigsten Raubithiere der 
ganzen Klasse seien. Sie leben auschliesslich vom Raube: Wür- 
mern , Insekten oder auch Fleisch von Wirbelthieren; fressen ein- 
ander Srausamer, als andere 'Thiere auf und verzehren verhältniss- 
mässig eine ungewöhnliche Menge Nahrung, — Hr. $. hält diese 
Bemerkung für wichtig und mittheilenswerth, da sie einen von ihm 
‚selbst Begangenen Fehler berichtigt, indem er in seiner Monographie 

- der Gattung Sorex in den, Verhandl, d. Ak..d. Wissenschaften 1842 
‘pP. 167, von ler Autorität Andrer verleitet, gesagt, dass diese l’hiere 
auch Vegetabilien frässen, welches doch ganz ungegründet zu 

sein schiene. [Hsch. 1 


10” 


“AR 


148 
Fallen kannte 28 hiehergehörende Arten, wozu Zetterstedt 
drei neue aus der Insecten- Fauna Lapplands hinzugefügt hat, 
und diese Anzahl ist durch die gegenwärtige Abhandlung mehr 
als verdoppelt worden. Ausser diesem Zuwachs, welchen die 
Entdeckungen des Hrn. St. der Familie der Ei drinen bereiten, 
hat die Untersuchung der Form, Proportion u. s. w. der Körper- 
theile, die mit jeder Art vorgenommen Hörde ist, um ihre 
positiven Kennzeichen zu entdecken, zu, sowohl für diese 
Familie, als die Dipterologie im Allgemeinen, wichtigen Resul- 
taten geleitet. Die Charactere der Gattungen und Arten sind 
"also umgearbeitet, und die Arten in natürlichen Gruppen geord- 
net worden. Von besonderem Werthe ist die Untersuchung und 
- Bestimmung der Kopftheile, der Verhältnisse der Flügeladern 
und die Aufklärung der Structur der Geschlechtstheile bei ver- 
schiedenen Arten. 

Nachdem was bekannt ist den meisten Zweiflügern nahe an 
der Basis der innern Flügelseite ein kleiner Lappen (lob) eigen, 
dessen Zweck bisher unbekannt war. Dieser mangelt oder ist 
wenig ausgebildet, bei dem grössten Theil der hieher gehörenden 
Thiere, welehes Hrn. St. mit deren niedrigem und schwachem 
Flug im Zusammenhang zu stehen scheint. 

Die Familie der Ephydrinen wird in folgende Gattungen uud 
Familien eingetheilt „ nämlich: 

Gen. 1. Ochtera 1 Art. — Gen. 2. Ephydra Sect. 1 Ephydra 
proprie 12 Arten. Sect. 2. Epipela 1 Art. Sect. 3 Parydra 5 
Arten. — Gen. 3. Notiphila. Sect 1 Notiphila proprie 11 Ar- 
ten. Sect. 2. T’elmatobia 4 Arten. Sect. 3 Hydrellia 17 Arten. 
Sect. 4 Philygria 11 Arten. — Gen. 4. Psilopa. Sect. 1 Cla- 
siopa 7 Arten. Sect.2.Psilopa proprie 4 Arten. — Gen.5. Disco- 
myza 2 Arten. 

Man hält dafür die Abhandlung verdiene in die Verhand- 
lungen der Akad. aufgenommen zu werden. [Hsch.] 


Die Hrn. Wikström und Wahlberg erklären die ihnen 
zur Berichterstattung übergebene Abhandlung: Botanische Be- 
obachtungen während einer Reise durch einige der mittelsten 
und nördlicheren Provinzen des (Schweden) Reichs im Jahr 
1843, von P. J.Beurling“ der Aufnahme in die Verhandl. der 
Akad. würdig. Wie die Abhandlung beinahe auschliesslich von 
dem pflanzengeographischen Gesichtspunet ausgeht, enthält sie 
hauptsächlich Angaben über das Vorkommen bemerkenswerther 
Arten in den Provinzen welche der Vf. schnell durchreist hat, 


= 


149 


als besonders in Jemtland, wo die Alpen Äreskutan, Anjeskutan 
und Snasahögen näher untersucht worden sind. Eine auf die 
Beobachtungen Dr. Hartmanns, Prof. Zetterstedts und des 
Vfs. gegründete Uebersicht der Vegetation des Areskutans findet 
sich in der Abhandlung und führt 423 Gefässpflanzen auf. 
Verschiedene für die in Rede stehenden Provinzen neue Arten, 
gleich wie bisher unbekannte Standorte für mehrere seltenere 
Arten sind auf dieser Reise entdeckt worden. Unter solchen 
dürfte Salix ovata Ser. genannt werden, welche auf Äreskutan 
gefunden wurde. [Hsch.] 


Hr. A. Retzius führte an, dass er im vorigen Herbste 
vom Professor der Anatomie, Hrn. Hyrtl, in Prag, den Schä- 
del eines Avaren nnd zwei Schädel von ÜUzechen, so wie vom 
Hrn. Medicinalrath Herzog in Posen zwei Hirnschalen von 
Polen erhalten hätte. Der Avarenschädel, von welchem ein 
Gipsabguss vorgezeigt wurde, war bei Grafenegg in Oesterreich 
ausgegraben worden und hatte ein Ansehen, welches in hohem 
Grade von dem aller bisher bekannten asiatisch - europäischen 
Schädelformen hinsichtlich der Höhe der Scheitelhöcker, der zu- 
rückgedrückten Stirn und der Kürze des Hinterhaupts abwich. 
Mehre dgl. Schädel waren, so viel Hr. R. wusste, in Oesterreich 
vom Grafen Razumowski bei Baden und vom Grafen Breu- 
ner bei Krems gefunden und von Naturforschern sowohl, als 
Archäologen, für Avarenschädel erklärt worden. 

Ueber dies Volk theilte Hr. R. mehre Erläuterungen mit, 
welche er vorzüglich aus Schafarik’s Werke, Slawische Al- 
rerthümer (Leipzig 1843 —44,) betitelt, entlehnt hatte. Nach 
diesem waren die Avaren ein türkisch -uralisches Bastardvolk 
gewesen, welches in alten Zeiten die Länder zwischen dem Don 
und der Wolga, vom Ural an bis zum kaspischen Meere hinab, 
bewohnt und ein nomadisches Räuberleben unter dem Schutze 
türkischer Khane geführt hatte. Im Jahre 557 machten sie sich 
unabhängig, gaben sich Khane aus ihrem eignen Stamme, gin- 
gen über die Wolga und drangen in mehren Abtheilungen nach 
Europa vor. Sie nahmen Ungarn i. J. 563, dazu auch Österreich 
und noch mehre Länder ein , und brachten von dort aus zwei 
und ein halbes Jahrhundert hindurch unaufhörliche Verheerun- 
gen über Europa. Obgleich die eigentlichen Besitzungen der 
Avaren in unserm Welttheile sich auf die genannten Länder be. 
schränkten, so hatten sie doch für kürzere Zeit auch Theile 


150 


von Griechenlaod, Italien, Böhmen , Mähren und Franken einge 
nommen. Karl der Grosse war der Erste, welcher Macht genug 
besass, sie zu bekämpfen. Sie wurden durch mehre Armeen 
und in mehren Feldzügen bekriegt, welche mit ihrer fast voll- 
ständigen Ausrottung endigten, und von der geringen Anzahl, 
welche in Europa übrig blieb, verschwanden die letzten Glieder, 
so viel man weiss, mehr als tausend Jahre vor unserer Zeit. 
Schafarik nennt die Avaren die hinterlistigsten und unglück- 
bringendsten von allen uralischen Völkern; er führt aus Nestor 
an, dass sie hochgewachsen und stolz waren, die Weiber als 
‚Zugvieh vor Führe erke spannten u. s. w., dass Gott sie aber 
bis auf den letzten Mann vernichtet habe. — Die Russen sollen 
"noch sprichwörtlich sagen: ‚Die oder Jene sind vergangen, wie 
die Obren (Avaren) ohne Erbe und Erben.“ Diess bezieht'sich, 
meint man, auf eine pestartige Epidemie, welche irgend. einen 
kleinern Zweig des in Rede stehenden Volks vertilgt habe. In- 
dessen giebt es noch mächtige Stämme der Avaren im Cauca- 
sus, wo sie bedeutende Laandstrecken inne haben und an dem 
Vertheidigungskriege gegen die Russen wirksamen Antheil neh- 
men; es ist noch zu erforschen übrig, in wie fern diese Avaren 
dieselbe Schädelform besitzen, wie die vormaligen europäischen. 
Aus dem vorgezeigten Schädel konnte man schliessen, dass dies 
Volk zu den Gentes brachycephalae orthognathae oder 
zu derselben Classe, wie die Türken, Slaven, Finnen u. 8. 
m. gehörten. Die ethnographischen Charaktere des Schädels 
sind: Hinterhaupt kurz (Diam. fronto -oecip. O, 147 .m.), hoch 
(D. oceip. vertical. ©, 157 m.); eine senkrechte Linievon dessen 
oberstem durch die Tubera parietalia gebildeten Theile herabge- 
zogen fällt weit hinter den Theil des Hinterhauptsbeines, auf 
welchem sich die bogenförmigen ‘Linien befinden. Die grösste 
Breite (O, 157 m.) fällt dicht über die Höhe der Schuppennäthe 
der Schlafbeine. Das Stirnbein, ungewöhnlich hoch und nach 
hinten steil, hat auf der Mitte (2 '’ über den Augenbraunenbö- 
gen) eine querüberlaufende Vertiefung und gleich über dieser 
einen ebenfalls querlaufenden, stark erhöhten Höcker; zwischen 
diesem und den Scheitelhöckern läuft wieder eine quer über ge- 
hende Vertiefung, welche die Vereinigung der Pfeil- und der 
Kranznath trifit. Die Jochbögen sind klein, wenig hervorstehend, 
die Alveolarfortsätze des Oberkiefers klein, lothrecht; die vor- 
deren Oefinungen der Augenhöhlen rhomboidal, der Gaumen gut 
sewölbt, die Mammillarfortsätze klein. 

Edwards .d. Ae. hat nach Morren (Mem.. sur les Osse- 
mens humains des Tourbieres de la Flandre,..Gand 1832), eı- 


151 


klärt, dass die vom Grafen Breuner bei Krems gefundenen 
Schädel mit denen der Karaiben und vormaligen Chilenen über- 
einstimmen. Edwards hat dabei übersehen, dass die Schä- 
del der Karaiben sowohl, als der vormaligen Chilenen, de- 
nen der Avaren entgegengesetzt, ein besonders weit heraus- 
stehendes Hinterhaupt , und so auch herausstehende Kinnladen 
besitzen, wonach diese Völker in eine ganz andere Ulasse ein- 
zureihen sind. Sie gehören nämlich zu den Gentes dolichoce- 
phalae prognathae. Edwards hat sich an die zurückgedrückte 
Stirn gehalten, welche auch die genannten Amerikaner auszeich- 


net. Bei den Karaiben ist dieser Eindruck künstlich, und man 
vermuthet,, dass dasselbe der Fall bei den ehemaligen Chilenen _ 
sei, welches Hr. R. indessen bezweifelt. Man möchte auch rück- 
sichtlich der Avaren die Frage aufwerfen, ob nicht die Schädel 
durch Hülfe künstlicher Mittel ihre wunderliche Form angenom- 
men haben; wäre dies aber der Fall gewesen, so würde es ge- 
wiss von den slavischen Annalisten nicht unerwähnt geblieben 
seyn. Die beiden Czechen-, wie die beiden Polenschädel, 
welche sämmtlich vorgezeigt wurden, liessen dieselben Formen 
erblicken, welche Hr. R. (Skand. Naturf. Sällsk. Handl., Stockh. 
1843,) als den grossen slavischen Volksstamm charakterisirend, 
beschrieben hat Derselbe hatte im vergangenen Jahre die Bil- 
dung der Hirnschale eines herumwandernden Slowaken aus Un- 
sarn untersucht und auch bei der Gelegenheit die Richtigkeit 
seiner Angaben von der slavischen Schädelform in der genann- 
ten Abhandlung bestätigt gefunden. | [Cr.] 


Hr. Loven zeigte eine, von den Hrn. W. u.F. v. Wright 
gemalte, dem Reichsmuseum gehörende Sammlung von Abbil- 
dungen von Meerthieren aus den unteren Klassen vor und führte 
dabei Folgendes an. Die genaueren Untersuchungen der späteren 
Zeiten haben die schwedische Fauna mit mehreren bemerkens- 
werthen Formen von niederen Thieren von allen Abtheilungen und 
darunter von Mollusca gymnobranchia bereichert, welche bisher 
ziemlich vernachlässigt waren. Als neue oder bisher weniger 
bekannte Arten aus dieser Ordnung dürften folgende, an der 
Küste von Bohuslän entdeckte, angeführt zu werden verdienen. 


Aegires n. g. 
Corpus robustum, gibbum, e spiculis numerosissimis rigidum; pal- 
'lium adnatum, a solea sulco distinctum, tuberculosnm; vibra- 


152 


cula cylindrica, simplicia, nec perfoliata, intra vaginam retra- 
henda; branchiae ano praepositae, pinnatae , paucilobae, lobo 
quovis papilla defenso; velum abbreviatum , rotundatum. 

Aeg. punctilucens D’Orb. Pallio e tuberculis, jugis connexis, 
areolato; vibraculis apice foveola et mammilla antica praeditis, 
vagina brevi, intus emarginata, extus verrucis incrassata; bran- 
chiis trilobis, papillis maximis tuberculatis; semipollicaris, cine- 
racea, areolis purpureis, cyaneo oecellatis. — Hab. in locis, 
ponto vicinis szepius gregarius; ova parit funiculo inclusa hya- 
hino, taeniaeformi, spiral. — Syn. Polycera punctilucens 
D’Orb. Alia ejusd. gen. sp. est Doris maura Forb. 

A, Stiliger Ehrenberg. 

Corpus limacinum, depressum, dorso convexo; vibracula simpli- 
cia; branchiae dorso-laterales, styliformes, numerosae, utrin- 
que per series obliquas digestae; anus dorsalis, posticus, me- 
dius, tubulosus; oculi pone vibracula bini; orifieium genitalium 
pone vibraculum dextrum. i 

S. modestus n. sp. Vibraculis brevissimis; solea lateribus dilatata, 
replicatili; capite minuto, fronte convexa declivi; stylis bran- 
chialibus in series 6—8 secundas dispositis, ternis vel gnater- 
nis, versus postica sensim majoribus; semipollicaris, lutescens, 
fusco dense variegatus, branchiarum apicibus albis, solea fusco 
lincolata. — Hab. in limo, locis parum profundis, lente reptans, 
branchiis alterne contractis et dilatatis. Branchiae Eolidiae, 
anus Doridis,, vibracula et solea Akerae, tria juncta in uno. — 


S. ornatus Ehr., e mari rubro, differt vibraculis longioribus, 
solea angustiore. 


Cloelia n. 9. 


Corpus gracile, solea latiuscula; pallium adnatum; vibracula sim- 
plicia, indefensa, contractilia; branchiae laterales, utringue sim- 
plici serie, fruticulosae; velum labiale amplum, in lobum oblon- 
gum utringue productum. 

C. formosa n.sp. Velo margine integro, medio emarginato; bran- 
ehiis utringue 6—7, umbellulatis, apieibus gemmaceis; vibra- 
eulis, branchiarum pari primo posterioribus, erectis; oculis eo- 
rum basi postice immersis, minutis; pollicaris, rosea, lineis 
tribus, laterali utrinque et media antice bifida, niveis. — Hab. 
inter Algas rarior. — Altera sp. est Doris fimbriata Vahl, Zool. 
Dan. IV, veli margine lacinulato, branchiarum numero, circ. 
10 utrinque, et forma, ut videtur, diversa. 


Hermaea n. g. 


Corpus gracile, molle, elongatum; vibracula auriformia, extus ca- 
naliculata; branchiac laterales, velum breve, in lobum minutum 


153 


utrinque productum; solea angusta, antice dilatata; anus subla- 
teralis; porus genitalium antieus, lateralis. 

H. biida Mont. Gracillima, branchiis simplici serie dispositis, 
ampullaceis , hyalinis,, vase gastrobranchiali interno dendritico, 
verticillato; vibraculis sursum ditatatis, abrupte truncatis, in- 
volutis; semipollicaris, virescens, vasibus rufis. — Hab. in lo- 
cis ponto vicinis gregarie, praesertim in Tubulariis; Gymno- 
branchia enim plurima paseuntnr Phytozois. Vivax natare amat 
obversa. Tacta liquorem exsudat incolorem, graveolentem, 
odore Geranii Robertsiani. — Syn. Doris bifida Mont. fide de- 
scriptionis congruae, iconis pessimae. 

H. venosa n. sp. Gracilis, branchiis styliformibus, in series 7 8 
digestis, ternis 1. quaternis, vase gastrobr. crassiusculo, varicoso: 
vibraculis validis, exacte auriformibus, apice attenuato, obtsuo; 
solea antice rotundato -dilatata; quadrilinearis, albida, niveo 
punctata, vasibus fuscis. — Hab. inter Algas rarior. 


Diphyllidia Cuv. 

Corpus limacinum ; pallium domatum limbo pleuras concavas ob- 
tegens; 'vibracula bina sub pallii limbo antico sita, eontigua, 
brevissima, clavata, sulcis arata, pedunculis brevissimis basi 
communi angustae imposita, pallio postice, fronti inferne ad- 
natae; frons verticalis, angusta, triangularis, in velum expansa 
latum, transversum, os absondens. soleae inferne contiguum, in 
lobos duos plicatum, superiorem limbo tenui sinuoso, inferio- 
rem crassiusculo laevi; os proboscidem continens evolubilem, 
glandiformem, crassam, maxillis armatam; branchiae utrinque 
duplici apparatu constitutae, scil. antice acervo ovato, pulvinato, 
e lamellis longitudinalibus, et inde ad caudae apicem pliecis si- 
nuosis, obliquis, secundis; solea sulco postico longitudinali 
praedita. 

lineata Otto. Pallio rufo, punectulis nigris adsperso, lineis 
picto elevatis eirc. 36 niveis, alternis angustioribus; vihraculis 
et branchiis luteis, pleuris et solea albidis nigro irroratis. — 
Hab. in limo prof. 10—40 org. procul a littore. Ad prom. 
Kullen 1832 unicam, ad oras Bahusiae 1843 duas invenimus. — 
Differt non nisi colore a specim. Ottonis et Cantrainii, 
quae nigra nec rufa; ab icone vero in Cuv. R. a. ed. 3, Moll. 
tab. 31, data vibraculorum forma, quod a liquore et pictore 
profectum videtur. 


eo) 


Im Uebrigen sind von dieser Ordnung an der Westküste 
Schwedens gefunden worden: Doris 4 Art.; Goniodoris nodosa 
Mont.; Tr = Euploc. plumosus Thomps.; 
Euplocamus cirriger Phillipi; Polycera 6 Art.; Tritonia 
drei A.; Doto coronata Gm. = Melibaea Johnst. Forb. vix 


154 


Rang. = Tergipes D’Orb. nee Cuv. = Scyllaea punctata 
Bouch. Chant.; Tergipes Cuv. drei A.; Eolidia sechs A.; 
Elysia viridis Mont.,— zusammen 33 Art. und mehrere werden 
sicher durch fortgesetztes Suchen bald entdeckt werden. 

Die Ordnung der Gymnobranchien hat in späterer Zeit eine be- 
sondere Aufmerksamkeit geweckt, besonders seitdem zuerst Sars 
bei ihnen die abweichende Organisation der Jungen beobachtete 
und andeutete, dass eine bis dahin ungekannte Metamorphose 
bei diesen meist stattfände. Die Akademie nahm in ihre Ver- 
handlungen für das Jahr 1839 einen weiteren Beitrag auf, in wel- 
chem ich mich bemühte diese Beobachtungen noch etwas weiter 
zu vervollständigen, und zeigte, dass diese Metamorphose keine 
Eigenheit für diese Ordnung, sondern auch bei den: Ctenobran- 
- chien, z. B. bei Rissoa beobachtet worden sei. Indem Bericht 
über eine Reise nach Bohuslän im Jahr 1840 welchen ich den 
14. Ausg. v. J. abgab, zeigte ich an, dass ich so glücklich gewe- 
sen sei die Entwickelung bei Arten von Elysia, Bulla, Bullaea, 
Eulima , und Cerithium reticulatum Angl. zu beobachten. : Inner- 
halb dieser Gattungen von drei verschiedenen Ordnungen verei- 
nigen die Jungen folgendes gemeinsame Verhalten (Tab. 1.) 
übereinstimmend mit dem was früher bei Eolidia, Doris, Aply- 
sia beobachtet worden, und mit dem was man aus älteren Beo- 
bachtungen, z. B. denenLunds in Ann. Sc. nat. 1,84 schliessen 
kann. In eine äussere, nautilusähnliche Schale eingeschlossen 
streift das Thier herum, von den Flimmerhaaren getragen, wel- 
che die dicken Ränder von dem grossen, den Kopf umgebenden, 
aus zwei zugerundeten Lappen zusammengesetzten Velum be- 
kleiden. Vibracula fehlen, aber die Ommatophoren sind 
mehr oder minder deutlich, auch wo die Augen noch nicht aus- 
gebildet sind. Der Fuss ist immer mit einem Deckelchen auf 
seiner hinteren Seite versehen, ob das erwachsene Thier ein 
solches hat oder nicht, hat noch keine ausgebildete Scheibe, 
ıst auf der Unterfläche konvex und dient niemals als Bewegungs- 
organ. Von inneren Theilen sieht man den Magen mit dem 
Darm, welcher sich auf der rechten Seite öfinet, die Leber, 
einen zugerundeten Körper auf der linken Seite des Magens, 
auf der rechten Seite ein nahe der Mündung. liegendes sackför- 
miges Organ, und im Fusse, an dessen Basis, an jeder Seite 
einen runden, blasenähnlichen Körper mit Kernen, nach aller 
Wahrscheinlichkeit Gehörorgan. Ein Herz fehlt noch. Diess 
kömmt jedoch bald hinzu, ebenso die Augen bei denjenigen, 
welchen solche im Anfang noch fehlen, darauf wachsen die 
Vibracula aus, die Gleit- Scheibe des Fusses bildet sich aus; 


155 


und dann erst verschwindet das Velum. Die Ungleichheiten 
zwischen den angeführten Gattungen sind folgende. Elysia ver- 
hält sich ganz wie Eolidia. Lacuna vineta (f. 1. 2.) hat em 
runderes Velum' und zwei Augen und der vordere Rand der 
Schale ist ausgezogen. So ist es auch bei Cerithium reticula- 
tum, dem jedoch die Augen mangeln. Eulima distorta (f. 3.) 
hat ein mehr ausgezogenes und oben ausgerandetes? (urnupet) 
Velum. ‘Bei Bulla truncata (f. 4. 5. 6.) sind dessen Lappen 
mehr getrennt, der spitzige Fuss weicht bedeutend von dem 
des erwachsenen Thieres ab und ganz nahe der Stelle des rech- 
ten Auges sieht man einen schwarzen Punct. Bullaea aperta 
(f. 7. 8.) gleicht der vorhergehenden, hat keine Augen, und auf 
der rechten Seite ein grösseres, mit einem schwarzen Stofle er_ 
fülltes, Organ. Dessen 'spitziger Fuss ist sehr ungleich dem 
des erwachsenen Thieres, welcher jedoch niemals zur Gleit- 
Scheibe ausgebildet wird. — In dem eben erwähnten Reisebericht 
führte ich zu der Vermuthung leitende Beobachtungen an, dass 
ein sanz gleicher Embryozustand bei den Bivalven statt fände. 
Im verflossenen Sommer bot sich mir eine günstige Gelegen- 
heit dar diese Vermuthung zu prüfen und zu bekräftigen und 
zu den von Carus und Quatrefages gemachten Untersu- 
chungen mit Anodonta noch Etwas hinzuzufügen. Die Jungen 
von Modiola discors Turt. fangen schon am dritten Tage nach 
der Eierlegung an mit dem Aussehen das f. 11 zeigt umher zu 
schwimmen. Fig. 9 und 10 stellen wieder Junge von Kellia 
rubra vor. Von der durcbscheinenden Schale eingeschlossen, 
welche noch kein Schloss zeigt,' streckt das Thier iaus deren 
Rändern ein aus zwei zurückgebogenen Lappen znsammenge- 
setztes, am Rande mit lebhaft schwingenden Flimmerhaaren be- 
setztes Schwimmorgan hervor. Von inneren Theilen sieht man 
den Magen (a), mit der Leber (b), und den Darm (ec), die 
Schliessmuskeln (d. d.) und das Rudiment zum Fuss mit dessen 
aufsteigenden Muskeln. Der Fuss trägt auf seiner Unterfläche 
einen kräftigen Cirrus, welcher oft geschwungen und in Buch- 
ten geschlagen wird. Es dürfte nicht zu kühn sein diesen Cir- 
rus als eine Andeutung von Byssus anzusehen — auch wo die- 
ser bei dem erwachsenen T'hier sich nicht findet — dieselbe 
hornartige Hautbildung, }welche wir bei den Gasteropoden 
unter der Form von einem Operculum sehen, welches aber bei 
den‘ Strombus - Arten beinahe diese Bedeutung verloren hat, 
und “bei den Arten von Emarginula von einem fleischigen 
Cirrus ersetzt wird. — Eine Vergleichung zwischen diesen Jun- 
gen der Bivalven und den oben beschriebenen Jungen von Gaste- 


a an 


156 


ropoden weisst auf eine unverkennbare Aehnlichkeit hin. Bei 
Beiden mangelt im Anfang das Herz, bei Beiden sind dieselben 
Organe unter denselben Formen in Wirksamkeit, dasselbe Ve- 
lum macht das Bewegungsmittel aus, ist aber bei den Bivalven 
mehr geöffnet und schliesst sich nicht um den Mund. . Aber 
man muss auch bedenken, dass die Muscheln eine gespaltene 
Schnecke sind, und dass diese Spaltung nicht, bei der äusse- 
ren Schale stehen bleibt, sondern durch den Mantel, das Ve- 
lum, ja selbst den Kopf geht. Es ist nicht ganz leicht genau 
zu bestimmen, ob das Velum hier vom Mantel frei ist oder 


nicht — der Gegenstand ist zu klein, O, 15 Mill. in längster 


Dimension, und in unaufhörlicher Bewegung— aber wie es damit 
auch ist, scheinen sie während einer späteren Periode‘ zusam- 
menzuwachsen, denn die bekannten Cirri „am Rande des Man- 
tels“ bei den ausgewachsenen sind wahrscheinlich die Reste 
von dem Velum, ein Verhalten, analog dem bei den Gymno- 
branchien ( T’heiys). Dieses merkwürdige Organ, welches wäh- 
rend des frühesten Lebensstadiums von so grosser Bedeutung 
ist, verschwindet also bei beinahe allen Gasteropoden und Bi- 
valven. Zu untersuchen in wie fern nicht das grosse Kopforgan 
der Cephalopoden — Nautili — dasselbe Velum ist, und ob 
es möglicherweise sich in den spiralig gewundenen Armen der 
Brachiopoden wiederfinde, dürfte einmal der Gegenstand einer 
anderen Betrachtung werden. 


ERTER 


Sitzung am 10. April. 


Hr. A. Retzius berichtete über eine ihm und Hrn. Loven 
übergebene Abhandlung: Beschreibung der Vogelflügel von 
C. J. Sundevall. Diese Abhandlung, von welcher sich 
ein kurzer Auszug in den Verhandlungen der Versammlung der 
Skand. Naturf. in Stockholm 1842 findet, umfasst eine vollstän- 
dige Beschreibung der Lage, Form und dem übrigen Verhalten 
von allen den verschiedenen Federformen, welche dem Flügel 
angehören; erst im allgemeinen, hernach für jede Ordnung und 
für jede bekannte abweichende Gattung besonders: Gleiche Dar 
stellungen findet man in derselben Abhandlung über den Knochen- 
bau des Flügels, über die Oberfläche des Vogelarmes (worauf 
die Flügelfedern sitzen) selbst, und über die Muskeln, welche dem 
Unterarm (cubitus) angehören. Zu den merkwürdigeren Umstän- 
den in dieser Schilderung gehört der, welcher schon am a.- ©. 


I 


157 


erwähnt iworden, daas die Federn, welche auf den fleischigen 
Theilen des cubitus selbst befestigt sind, eine, in Rücksicht 
zur Lage der Ränder, umgekehrte Stellung gegen die Schwung- 
federn und übrigen zum Flügel gehörenden ‚Federn haben, und 
dass die grössten Deckfedern auf der Unterseite des Flügels 
immer umgekehrt liegen‘, so dass sie ihre Innenseite nach aussen 
wenden. 

Als Resultat der ganzen Untersuchung zeigt sich, dass die 
eigentlichen sogenannten Singvögel, oder diejenigen, deren la- 
rynx inferior mit 5 Paar Muskeln bekleidet ist, in jeder Hinsicht 
eine eigene Bildung zeigen, von welcher nur einige wenige Ab- 
weichungen vorkommen, und dass alle die übrigen Vögel: 
Wasservögel, Wadvögel, Hühner, Raubvögel, Papageyen und 
kuckueksartige Vögel, wie unähnlich sie auch im äusseren Habitus 
scheinen mögen, doch eine bestimmte, eigene Grundform zeigen, 
welche sich der der Singvögel blos durch einige wenige Ueber- 
sangsformen nähert, die den kuckucksartigen Vögeln zunächst 
stehen. Die wichtigste von diesen Uebergangsformen ist die 
Spechtgattung. 

Bei den Singvögeln ist selbst der fleischige Theil an der 
äusseren Seite des Unterarms von Federn entblösst und wird nur 
von den kleinen Federn überdeckt, welche auf der losen Haut 
sitzen, voran über dem Armbein; die grossen Deckfederu sind 
so kurz, dass sie blos die halbe Länge der Armschwungfedern 
erreichen, oder noch kleiner; von den unteren Flügeldeckfedern 
fehlt die erste von den zwei umgekehrten Reihen, und die übri- 
gen sind an Zahl weit geringer, als bei den anderen Vögeln. 
‚Die erste Schwungfeder zeigt eine allgemein vorkommende Ten- 
denz zur Verkürzung und ist rudimentär, oder wird bei unge- 
fähr der Hälfte der bekamnteu Arten vermisst: cubital-Federn 
(Schwungfedern 2ter Ordnung) sind 9, selten mehrere. Eine eigene 
Form der Armmuskeln, welche zugerundet, gleichsam aufge- 
schwollen sind mit langen Sehnen, und eine eigene S— fürmige 
Biegung des grösseren Armknochens (ulna) so wie einige andere 
Eigenheiten in den inneren Theilen, geben dem ganzen Arm eine 
eigene Gestalt, welche leicht wieder erkannt wird, sogar ohne 
dass die Federn abgepflückt worden u. s. w. Die übrigen Vö- 
gelordnungen haben 3—5 vollständige Federreihen auf der flei- 
schigen Aussenseite des Armes; ihre grösseren Deckfedern 
gehen weit über die Mitte der Schwungfedern 2ter Ordnung; 
von den unteren Deckfedern findet man immer die erste Reihe 
umgekehrt. : Die erste Schwungfeder 1ster Ordnung findet sich 
immer und ist nur selten verkürzt, so dass diese Vögel immer we- 


A a eo * 
AR 5,48 
158 


nigstens 10 remiges primores haben ; einige wenige Formen! aber 
haben 11. Schwungfedern 2ter Ordnung sind. mit wenigen Aus- 
nahmen mehr als 9, aber im übrigen an Zahl höchst verschie- 
den: die ulna ist bogenförmig , nicht S-fürmig, gebogen, und 
die Muskeln im Arm sind gleich dick mit kurzen Sehnen und 
zeigen in ‘mehrfacher Hinsicht eine jenen der Singvögel entge- 
sengesetzte Form, welches alles leicht an des Armes Form und 
Oberfläche erkenntlich ist. [Hsch.] 


Die Hrn. Sundevall und Boheman_ theilen über ‚eine 
Abhandlung des Hrn, Loven, Beiträge zur. ; Kenntniss ‚der 
schwedischen Trilobiten enthaltend, Folgendes mit. 

Dalman, welcher in seiner verdienstvollen Arbeit her 
die Paläaden in den Verh. d. Akad. für das Jahr 1826 die da- 
mals bekannten schwedischen Arten von diesen merkwürdigen 
Versteinerungen beschrieb, führte in seinem letzten, für das 
Jahr 1828 abgegebenen Jahresbericht (p. 134, Note), verschiedene 
später hinzugekommene mit dem Namen an, unter welchem er 
sie an die Sammlungen des jetzigen Reichsmuseum niedergelegt. 
Es sind diese Den nach welchen Hr. Loven es 
jetzt unternimmt diese bis jetzt wenig bekannten Arten, und un- 
ter ihnen zuerst zwei besonders merkwürdige Formen, Calymene 
clavifrons und. ornata Dalm., zu beschreiben. Diese beiden 
Arten stehen einander ganz nahe, haben eine grosse, gelappte 
glabella, reticulirte Augen, verlängerte anguli, Furchen auf den 
spitzigen Epimenen und 14 Glieder, wovon dem Thorax, 11 und 
dem Abdomen 3 angehören, welche nur zum Theil verwachsen sind. 

Calymene clavifrons welche Goldfuss weniger richtig mit 
den Asaphi, z. B. mucronatus zusammen bringt und deren 
Identität mit C. speciosa Sars. etwas zweifeihaft scheint, hat 
folgenden Character : 

„„C. clavifrons Dim. Caput lunatum , latum, angulis in cornua longa 
recta productis; glabella, 4 latitud. capitis fere efficiens, inflata, 
obovata, sulcis tribus notata: frontali et oculari obsoletis, cer- 
vicali profundo lobum ovatum utrinque ambiente; sulei capitis, 

occipitalis et lateralis, profundi; sutura in angulo ipso utrin- 
que nata, versus sulcum lateralem sensim adscendens, tum mar- 
gini occipitali parallela oculum petens , orbitae lobum superio- 
rem terminans, et inde versus frontem vergens; oculi cornea 


rotundata tenuiter, sed distincte reticulata. Thorax ex articulis 


11, rhachide arcuata, wutringne impressa, epimeris:£hachide 
duplo longioribus, a basi versus medium sulco, in medio ge- 


159 


‚niculo tumido praeditis, et .inde deflexis, faleatis, attenuatis, 
apice acntoe. Abdomen ex articulis 3 basi connatis,, ceterum 
liberis, primo secundum excedente, hoc tertinm brevem triden- 
tatum. Testa undique tenuissime tuberculato - punetata. Long 
6 dan. — Loci: Ljung, Skarpasen, Husbyfjöl Ostrog. „Bil- 
lingen Vestrog. (Arfvet Dalecarliae, don. Wegelin 1843). _ 


Calymene ornata Dim. ist identisch mit dem vonMurchi- 
son Sil. Syst. tab. 14 f. 9. von oben und unten gezeichneten 
Fragment von Thorax, welches dieser Vf. zu dem Abdomen f. 
8, Paradoxites bimucronatus Murch. gehört: habend ansieht. 
Merkwürdig genug hat auch Dalman zwei vollkommen diesen 
sleiche Stücken, als einem und demselben Thier zugehörend 
angesehen (S. Jahresber. 1828 p. 138), aber das beinahe voll- 
ständige Exemplar zeigt, nachdem es gereinigt worden, eine 


ut ganz eigene, dem vermutheten ungleiche Bildung. 
(Hsch.) 


„eC. ornata Dim. Caput semilunare; glabella 4 ejusdem efficiens , 
aequilata, antice rotundata, postice truncata, sulcis notata tri- 
bus, profundis, cervicali productiore, lobum utrinque ambiente; 
suuran..... ; oculi cornea reticulata, orbitae lobo inferiore 
pulvinato, scrobiculato. Thorax ex articulis 11. validis, rha- 
chide lata, utringue profunde impressa, epimeris sulco ab eadem 
distinetis, tum, a basi ad 4 sulco profundo obliquo praeditis, 
depressione transversa et geniculo tumido, et deinde per 2 lon- 
situdinis sensim attenuatis, apice acuto. Abdomen ex articulis 
3, basi connatis; primo secunduur longe superante, in appen- 
dicem crassam , teretem, longissimam, utrinque producto, se- 
cundo tertium excedente(?), hoc verisimiliter brevissimo. — 
Abdominis specimena Dalmanno huic adscriptum, quod optime 
refert icon Murchisonii (fig. 8), celavifronti potius attribu- 
endum; nisi insolita illa appendix longissima sexus differentiam 
indicaret — quod vix innuere fas est. — Locus: Husbyfjöl 

“ Ostrogothiae.‘“ 


Hr. Wahlberg zeigte an, dass ungefähr dieHälfte der, von 
ihm und Hrn. Boheman im verflossenen Jahre in Norbotten 
und Lule# Lappmark gesammelten Zweiflügler untersucht, und 
hierunter über 50 Arten für die Wissenschaft neu seien, von 
welchen mehrere ebenso ausgezeichnet, als !ungewöhnlich. Er 
erbittet sich die Erlaubniss_die K. Akad. mit diesen allmählig 
bekannt machen zu dürfen Mod beginnt mit der Mittheilung der 
Charaetere von: Helophilus affinis n. sp.; H. lapponicus n. 


160 


sp.; H. bottnicusn. sp.; Brachyopa cinerea n. sp.; Scaeva 
latimana n. sp.; Mesembrina resplendens n. sp.; Selachops 
n. gen.; (e familia Agromycidum) 8. flavescens n. sp., welche 
alle gründlich auseinandergesetzt und theilweise auch ausführ- 
lich beschrieben werden. [Hsch.] 


Hr. Sundevall theilte aus einem Briefe vom Professor 
J. van der Hoeven in Leyden mit, dass er die Abhandlung 
d. Hın. A. Retzius über die Schädel der Nordbewohner mit 
Vergnügen gelesen und die in derselben gegebene Beschreibung 
vom Kopfe slavischer Völker mit 12 russischen Schädeln und ei- 
nem polnischen , welche er Gelegenheit hatte, genau zu verglei- 
chen, völlig übereinstimmend befunden habe. Diese. Bestätigung 
ist wichtig, weil Hr. R. nur einige wenige Schädel slavischen 
Stammes zu beschreiben hatte. [Cr.] 


Sitzung am 15. Mai. 


Hr. Sundevall zeigt ein Weibchen von kiporre (Bastard 
vom Birkhuhn und Schneehuhn) vor, welches aus einer Ladung 
Vögel aus Helsingland gekauft und dem Reichsmuseum ge- 
schenkt worden war. Früher hatte man nur Männchen von die- 
ser seltenen Hybridenform erhalten, deren rechte Natur erst 
vom Prof. Nilsson entdeckt wurde. Das Weibchen ist etwas 
kleiner, als eine Birkhenne, welcher es in der Form des 
Schwanzes gleicht, aber es unterscheidet sich davon durch 
rauhere Zehen und weissliche Farbe. Das Reichsmuseum be- 
sitzt einige Männchen, durch welche es aufgeklärt wurde, dass 
diese im ersten Sommer, wenigstens auf den oberen Theilen 
des Körpers, an Farbe den jüngeren Weiden - Schneehühnern 
(Lagopus subalpinus Nilss. lllum. Figur. Pl. 6 und 7) oder 
Birkhühnern gleichen, und dass die älteren wahrscheinlich eine 
“ rothbraune Sommertracht haben, welche der der weiblichen Wei- 
den- Schneehühner sehr ähnlich sein muss. Nach diesen Ex- 
emplaren hat Hr. S. folgende Beschreibung entworfen: 

Tetrao hybridus lagopoides Nilss. cauda furcata, digitis (saltem 

'basi) plumosis. (Tetrao tetrice paullo minor.) 

Beide Geschlechter ähneln, in der Forw sowohl dem Weiden - als 
Birkhuhn, die 3te und 4te Schwungfeder sind die längsten und 
unter sich gleich. Der Schwanz etwas gespalten, die Seiten- 


161 


federn gerade. Die Zehen an den Seiten zur Hälfte befiedert; 
aber diese Federn werden im Winter so sträubig und lang, dass 
sie die ganze Zehe bedecken , welche jedoch oben nackt und 
mit Ringen belegt ist, die bei den Männchen nach vorne an den 
Seitenrändern mit Kämmen versehen sind, wie bei dem Birkhahn. 
Die Nägel lang, wie die der Schneehühner. Der Daumen so kurz, 
wie bei dem Schneehuhn, aber mit längerem Nagel. Die 
rothen Augenbrauen ähneln denen des Birkhuhns und scheinen 
aım Bande etwas gezähnt gewesen zu sein, 

Die Schwanzfedern sind schwarz, an der Spitze weiss. Die Schwung- 
federn sind schwarzgrau, fein weiss sewässert, mit weissen Rän- 
dern. Die Körperfarbe bunt, weiss und schwarz oder rothbraun. 
Die Federn der Füsse weiss, nach vorne mehr oder weniger 
grau gemischt. 


Das alte FWeibchen im VFinterkleide.. Die Schwanzfedern und 
Deckfedern mit breiter weisser Spitze} die ersteren auswärts, 
die letzteren ganz braunsprenkelig;; die Seitenfedern nur 8 Mill. 
(3 Z.) länger als die mittelsten. Die gekrümmten Schwung- 
federn 190 Mill. (72 Z.); die mittelste Schwanzfeder 105 Mill.; 
der Tarsus 38 Mill. Die Federn des Körpers, Halses und Kopfes 
stark gelbbraun, schwarzgebändert mit breiter weisser Spitze. 
Auf dem Rücken sind sie punctirt, mit bleichgrauer, schwarz- 
‚punctirter Spitze. Der Bauch erscheint ganz weiss, aber jede 
Feder ist am verborgenen Theil schwärzlich; auf der Brust 
und an den Seiten kommen gelbbraune Querbänder hinzu. Die 
Seitenkämme der Zehen sind sanz kurz. 

Das Männchen im FVinterkleide: weiss und schwarzbunt, mit 
weissem Strich durch das Auge. Die Schwanzfedern und Deck- 
federn schwarz mit %anz schmälöm weissem Rande an der Spitze. 
Die Unterseite des Körpers weiss, mit mehr oder weniger 
Schwarz auf der Brust und um die Keulen (möglicherweise 
nimmt dieses Schwarz mit den Jahren zu?). Der Rücken 
schwarz , mis feiner, weisser, wolkiger Wässerung. Die 
Schwungfedern (gekrümmt) 230 Mill. (94 Z.); die mittelste 
Schwanzfeder 118 Mill; die äusserste 25 Mill. (1 2.) länger; der 
Tarsus 45, die Mittelzehe 34, mit dem Nagel 53 Mill. 


Das alte Männchen im Uebergang von dem Sommerkleide (ge- 
schossen in Helsingland im Herbste), In der Schultergegend 
und unten am Halse finden sich noch ein paar rothbraune, 
schwarzgebänderte Federn, welche beinahe denen von einem 
Jüngern Weibchen des Weiden-Schneehuhns im Sommerkleide 
gleichen. Die kleinen Federn hinter den Augen sind auch roth- 
braun, nicht umgewechselt. Die Federn der Zehen ganz kurz, 
(Uebrigens reines Winte:kleid.) 

Das junge Männchen im Uebergang (von Jemtland im Herbste). 
Viele Federn auf dem Rücken, und eine zu oberst auf der Brust, 


11 


162 


sind rothbraun mit schwarzen, schrägen, etwas gewässerter 
Querbändern. Auf dem ganzen Hals und Kopf finden sich zahl- 
reich solche, welche bleichgelbbraun sind und ein paar dunkel- 
grauliche Qnerbänder haben und deutlich zu dem ersten Jugend- 
kleide gehören. Sie sind bleicher, als die entsprechenden bei 
dem Schneehuhn und Birkhuhn. Der Schwanz und alles Uebrige, 
wie bei den Alten. Die Unterseite hat ganz wenig Schwarz. 
Die Zehenkämme sind deutlich. (Einige kleine Puncte scheinen 
auf dem Scheitel während ein paar Jahren, auch in dem Win- 
terkleide. zurück zu bleiben. ) [Hsch.] 


Hr. Mesch hatte ein Vezeichniss von Säugethieren, Vögeln 
und Amphibien eingereicht, welche in der Gegend von Upsala 
sefunden worden. Hr. Sundevall, welcher dasselbe, nebst 
den dazu gehörenden Bemerkungen vortrug, bemerkte, dass die 
angeführte Anzahl der Vögel derjenigen am nächsten komme, 
welche vom Dr. Andre als auf Gottland gefunden angegeben 
worden, dass aber der untersuchte Umfang auch wenig gerin- 
ger sei, als die genannte Insel. Die angegebenen Arten jeder 
der drei Klassen kommen der Hälfte der in ganz Skandinavien 
sekannten nahe. Vögel scheinen zwar mehr zu sein‘, diess 
wird aber berichtigt, wenn man die Zugvögel, welche nur durch 
die Gegend fliegen, aber nicht daselbst bleiben, abrechnet. Nach 
Abrechnung dieser und der accidentellen Vögel bleibt folgende 
Anzahl: Säugethiere 27; Vögel 120; Amphibien 10. Der in 
ganz Skandinavien bekannten sind, nach denselben Gründen ein- 
geschränkt und nach Abrechnung der Wale, welche nieht dem 
Iiande angehören: 54 Säugethiere; 243 Vögel; 18 Amphibien. 

|Hsch.] 


Hr. Boheman liest den Schluss des Berichtes über seine 
im verflossenen Sommer ausgeführte Reise in den Lappmarken 
von Luleä, Jockmock und Quickjock. Die gemachten Sammlun- 
gen von Insecten, steigen bis zu ungefähr 11,000 Individuen 
auf, sind jedoch noch nicht vollständig untersucht, aber mit 
Sicherheit kann angenommen werden, dass sich darunter über 
100 für die Fauna Skandinaviens neue Arten finden. [Hsch.] 


Derselbe zeigte an: dass der Stud. von Yhlen an die 
Akad. ein Exemplar von Gryllus migratorius welcher sich bisher 


i i 163 


nür selten innerhalb Schweden gezeigt, eingesendet, und diesem 
folgenden Bericht beigefügt habe: „während einer Exeursion am 
„löten des letzt verflossenen Septembers längs dem südlichen 
„Strand von Bräviken, in Ostgothland, beobachtete ich auf ei- 
„ner Wiese nahe bei Allonö eine grosse Menge Heuschrecken, 
„von welchen ich wegen ihrer Grösse und geräuschvollen Flug 
„sofort vermuthete, dass es Gryllus migratorius L. sei. Diese 
„Vermuthung ‚wurde zur Gewissheit, da endlich diess Exemplar 
„gefangen wurde, welches ich dem Beichsmuseum übersende. 
„Sie waren sehr scheu und schwer zu fangen; die höchsten 
„Eichen und Eschen wurden von ihnen ebenso besucht, als ein 
„benachbartes Kleefeld, doch schienen sie gerne mit den zarten 
„Blättern und Knospen von Trifolium hybridum und pratense 
„vorlieb zu nehmen, aber auf den eigentlichen Gräsern merkte 
„man keinen Schaden. Der ganze Schwarm war nach einigen 
„Stunden ganz verschwunden und konnte nicht wieder gefunden 
„werden, ungeachtet in der nächsten Gegend genug darnach ge- 
„sucht wurde.“ 

Zugleich wurde berichtet, dass bei Mem und Slätkaken auf 
dem südlichen Theil von Wikboland „eine so grosse Menge von 
„Heuschrecken sich gezeigt, dass Niemand sich erinnern könnte 
„jemals eine so grosse Anzahl gesehen zu haben.“ Sie werden 
beschrieben, ‚grösser, als Locusta verrucivora, braun von 
„Farbe, mit einem geräuschvollen Flug, und so heisshungrig 
„dass sie selbst die Getreidehaufen nicht verschonten, noch we- 
„niger das grüne Laub und Gras.“ Es leidet keinen Zweifel, 
dass diese auch derselben Art zugehörten, als die, welche bei 
Bräviken erschienen, obgleich ihre Menge noch grösser gewesen 
sein dürfte. Nach wenigen Tagen waren alle verschwunden, 
ohne dass man wusste was für einen Wegsie genommen. [Hseh.] 


Hr. Wahlberg setzte. seinen, in der vorigen Sitzung an- 
sefangenen Vortrag über neue Zweiflügler von Norrbotten und 
Lule& Lappmark fort, indem er Beschreibungen und Auseinan- 
dersetzungen mittheilte von: Tachydromia atra n. sp.; Para- 
mesia tenella n. sp.; IBhamphomyia paradoxa n. sp.; Eh. mo- 
desta n. sp.; Eh. poplitea n.sp.; Hydrophorus alpinus 
n. sp.; Medeterus paradoaus n. sp.; Simulia ferruginea n. sp. 

[Hsch.] 


164 


Aus einem Briefe des Adjuncten der Akad., Freiherrn von 
Düben, dat. Bergen d. 29ten April, theilte Hr. Loven folgende 
Nachrichten mit: 

Schon seit dem verflossenen Herbst habe ich meine Haupt 
station in Bergen, und den Winter theils mit versehiedenen 
grösseren und kleineren Excursionen, wenn es das Wetter er- 
laubte, theils damit zugebracht, die Erndte des Sommers so weit 
als möglich, zu bestimmen und tkeils die reichen Sammlungen 
des, vor ungefähr 20 Jahren von dem Stifts-Amtmann Christie 
gegründeten, Museums der Stadt durchzugehen, dessen Direction 
die Güte gehabt hat mir zu erlauben, im Verein mit dem Dr. 
Koren, alle die neuen und merkwürdigen Fische und See- 
thiere zu untersuchen und zu beschreiben, welche in einer Reihe 
von Jahren hier gesammelt worden sind. Unter den ersteren 
haben wir mehrere Arten beschrieben, welche für Skandinavien 
und zum Theil auch für die Wissenschaft neu sind. Diese sind: 


? 


1. Polyprion cernium Valenc., wovon ein grosses und schönes 
Exemplar im vorigen Sommier auf dem Fischmarkt in Bergen 
gekauft wurde. 

2. Urocentrus ruber Nob.n. g. et sp. zunächst Beryx unter den 
Percoideen, aber sowohl von’dieser Gattung, als, so viel ich 
weiss, von allen bisher bekannten Fischen dadurch ausgezeich- 
net, dass die äussersten Strahlen in der Schwanzflosse, 5 oben 
und 4 unten scharfe Stachelstrahlen sind, ein Character, wel- 
cher allein die Aufstellung als Typus für eine eigene Gattung 
rechtfertigen dürfte. Ein sehr schöner Fisch. 

3. Sebastes imperialis Cuv. ist Standfisch ausserhalb Bergen, wo 
er das ganze Jahr über zu erhalten, uud den Fischern unter 
eigenem Namen bekannt ist. 

4.5. Gobius Stuvitzii Nob. und G. linearis Nob., zwei nach Ver- 
muthung neue Arten, beide von den bei uns früher bekannten 
Gobien weit verschieden. Etwas mehr nähern sie sich dem 
englischen G. albus Yarr., so, dass diese drei zusammen eine 
natürliche Unterabiheilung innerhalb der Gattung zu bilden 
scheinen. — Besonders merkwürdig ist vorzüglich die letztere 
Art (von Christianssund und Bergen), sowohl durch die unge- 
wöhnlich langgestreckte und zusammengedrückte Form des 
Körpers, als durch die von den übrigen Arten höchst abweichende 
Strahlenzahl: die erste Rfl. hat nur 2 Strahlen, die andere 20, 
Bfl. 3, Anfl. 20 — 22, u. s. w. 

6. Lophius eurypterus Nob. n. sp., von welchem ein Exemplar seit 

“ langer Zeit hier im Museum aufbewahrt wird, und ich ein 

anderes noch lebendes, in Christiansund erhielt. Er hat enorme 

Flossen. Die Brustflossen allein nehmen einen grösseren Um- 

fang ein. als der des ganzen Kopfes und Körpers. 


10 


11. 


12. 


13. 


166 


Chironectes sp. von Finmarken. Der Aufenthaltsort giebt Ver- 
anlassung zu der Vermuthung, dass es eine noch unbeschriebene 
Art sei. 

Sternoptyx wahrscheinlich Olfersii, von Ranen in Helgoland. 


Gadus (Merlangus) albus Risso, Standfisch hier an der Küste 
und von den Fischern unter eigenem Namen gekannt. 


Motella glauca X arr.—Couchia Thomps. Von diesem kleinen 
schönen Fisch erhielt ich ausserhalb Bergen eine grosse Menge. 
An ganz kleinen Exemplaren sind die Bauchflossen im Verhältniss 
mehrfach grösser, als an erwachsenen und ihre äussere Hälfte 
ist kohlschwarz; aber dieser schwarze Saum verschwindet bei 
zunehmendem Wachsthum ganz, so, dass endlich keine Spur 
davon zurück bleibt. 


Rhombus megastoma Anglor.? Insofern Yarrells Beschrei- 


bung und Figur, die einzigen uns zugänglichen, richtig sind, 


müsste dieser eine geschiedene Art bleiben. Ihm mangelt z. B. 
jede Spur von der doppelten Seitenlinie über den Brustflossen, 
andere Ungleichheiten zu verschweigen. Auch dieser ist Stand- 
fisch bei Bergen und unter eigenem Namen bekannt. 


Cyclopterus minutus Pall., welchen ich hier anführe, weil er 
im Begriff steht nicht nur aus der Fauna Skandinaviens, sondern 
aus dem System zu verschwinden, als sei er, wie man ver- 
muthet, nichts Anderes, als ein Junges von C. Lumpus. Es 
ist bekannt wie Fries auf diese Vermuthung kam uud wie er 
sie bewiesen. Wobei sich nur ein Zweifel ergiebt: ,‚Ist es so 
ganz ausgemacht,‘ fragt Fries selbst, ‚‚dass der von Pallas 
als C. minutus beschriebene Fisch identisch ist mit dem hier 
beschriebenen Jungen von C. Lumpus?‘“ Die Antwort scheint 
ihm bejahend ausfallen zu müssen, ‚, wenigstens bis dass Origi- 
nalexemplar Pallas’s genauer untersucht worden, oder etwas 
Anderes gefunden wird, welches die Richtigkeit der Beschrei- 
bung bekräftigt.“ Gerade diess Letztere ist jetzt der Fall. 
Hier an der Küste kommt nemlich, nicht gar selten ein kleiner 
Cyclopterus vor, welcher noch näher mit der Beschreibung 
übereinstimmt und niemals die geringste Spur zu Warzen oder 
Stachelreihen zeigt, auch wenn er viel grösser, als der kleine 
Lump ist, auf welchem diese Stachelreihen schon deutlich unter- 
schieden werden können, und es scheint also dieser Fisch ohne 
alle Frage der rechte C. minutus zu sein. 


Lepadogaster norvegicus Nob., ein kleiner besonders schöner 
Fisch, von welchem ich in allem wenigstens 50 Stück geschen 
habe, die mit dem Bodenhamen bei Christiansund und Bergen 
gefangen worden waren. Im Anfang hielt ich ihn für identisch 
mit L. bimaculatus Yarr., aber so weit dessen Beschreibung 
und Figur dabei leiten, wird es wohl eine neue Art. 


166 


Eine Untersuchung über den Bau der Haut bei den Echino- 
dermen, besonders den Holothurien, macht den Gegenstand einer 
anderen vollendeten Arbeit aus. Aus Mangel an vollständiger Lite- 
ratur können wir nicht entscheiden, ob die von uns gefundenen 
Eigenheiten nicht schon von Anderen bemerkt und beschrieben 
worden, z. B. von Costa; aber diese Structur ist jedenfalls 
sicherlich nicht an unseren Arten untersucht und eine solche 
Anwendung davon gemacht, wie wir dafür halten, machen zu 
können. Regelmässige perforirte, mit denen bei Synapta ana- 
loge, und oft mit emem, dem Anker bei dieser entsprechen- 
den, besonderen aufwärtsstehenden Theil versehene, Kalkschei- 
ben, finden sich in der Haut aller Holethurien, und besonders 
schön bei H. elegans und mollis. Auf den Füssen, der Mund- 
haut, den Tentakeln, treten dergleichen Kalkstücke unter ande- 
ren, aber gleich eigenthümlichen und characteristischen Formen 
auf. Der Bau dieser Theile bei allen Eehinodermen kann un 
gezwungen auf Modificationen von denselben Grundtypen zurück- 
geführt "werden, und gleichwohl ist ihre Form bei verschiedenen 
Arten so ungleich und zugleich so constant, dass jede von den 
12 norwegischen Holothurien, die wir Gelegenheit gehabt haben 
zu untersuchen, bestimmt werden kann, wenn man nur eine 
kleine Scheibe von der Haut unter das Mikroskop lest. Die 
Schwierigkeit in Spiritus gelegene Exemplare zu bestimmen, 
wird dadurch grösstentheils verschwinden. Hier unser Verzeich- 
niss der 


Echinodermen Norwegens. 


1—2. Comatula, zwei schr verschiedene Arten, von weichen die eine, 
welche bis nach Christiansund hinauf vorkömmt die von Sars 
beschriebene ist, die andere, welche sich hier auf dem Mu- 
seum, von Egersund , findet, die bohuslän’sche zu sein scheint. 
Keine von ihnen will auf die von Müller gelieferten Be- 
schreibungen passen, doch ist die eine wahrscheinlich — C. 
mediterranea, obgleich beide mehr cirri dorsales haben, die 
eine ungefähr 50, die andere ungefähr 60. 

3—6. Asteracantkion glacialis . F. Müll, — A. Müller: Sars. — 
A. rubens L. — A. roseus ©. F. Müll, 

7—8. Echinaster oculatus Linck. (= sanguinolentus Sars.), E. per- 
tusus ©. F. Müll.? O. Fabr. in Danske- Vid. Selsk. Skrift. I, 
mit einer kenntlichen Figur. — E. sepositus und sanguinolentus 
M. et T. habe ich in Bergen nicht gesehen. 

9—10. Solaster papposus L. et S. endeca L. 

11. Chaetaster borealis nob. n. sp. 
12. Pteraster militaris ©. F. Müll. 
13 — 142 Astrogonium phrygianum Parel. et A. granulare O.F.Müll. 


15. 


167 


Asteropsis pulvillus O. F. Müll. 


16—19. Astropecten Mülleri nob. (= unserem gewöhnlichen A. 


20. 
21. 


aurantiaca ©. F. Müll., aber weit verschieden von dem 
‚rechten mittelländischen. Sie findet sich nicht unter allen 
den Arten dieser Gattung welche M. et T. beschreiben. — 
A. Parelii et Christii nob., zwei schöne Arten, beide von 
Parelius in Trondhjemske Selsk, Skrivt. IV. erkenntlich 
abgebildet und beschrieben; O. F. Müll., welcher niemals 
einige davon gesehen, hat sie mit seiner A. aurantiaca ver- 
bunden, wobei sie später verblieben. — 4. en nob. 
n. sp. von Christiansund. 
Ctenodiscus polaris Sab.. gemein bei Christiansund. 
Luidia Sarsii nob. in Sars Arbeit von 1835 angeführt. 


22— 25. Ophiolepis ciliata Retz., O. sguamata M. et T.., nicht selten 


bei Christiansund; O. filiformis O. F. Müll. und O. scolo- 
pendrica Linck. 


26. Ophiocoma nigra ©. F. Müll. 
27—28. Ophioscolex glacialis M. et T.? weicht von der Beschreibung 


und Figur bei M. et T. durch einen ganz dünnen, kaum 
merkbaren Ueberzug auf den Stacheln, durch weit kürzere 
Mundpapillen und durch geringere Grösse ab: Durchmesser 
der Scheibe 4”, Länge der Arme 12’, Farbe dunkelpurpur- 
roth. — ©. n. sp. mit ausserordentlich langen Armen 


29 — 31. Asteronyx Lovenüi M. et T. — Asterophyton Linckü; — 


32. 


A. Lamarckii? 


Cidaris borealis nob. n. sp. testa subglobosa, utrinque depressa; 
ambulacris spinulisque viridibus; spinis infimis (ori proximis) 
compressis, margine alatis; intermediis eylindricis, longissimis, 
diametrum testae duplo superantibus, superficie striis elevatis 
acute crenatis subquindecim, interjeetis sulcis fere duplo lati- 
oribus. Diam. 2} unc., long. max. spinar. 5 unc. 


Echinus. a) pororum paribus ternis. 


33. 


34. 


E. sphaera ©. F.M., testa subglobosa, rubente,, tuberculis sub- 
aequalibus minoribus dense obtecta; spinis confertis, brevibus, 
albis, versus apicem coarctatum plerumque violaceis; primariis 
parum longioribus (hince series 20 tuberculorum majorum in 
testa decorticata vix manifestae, ut in omnibus sequentibus). — 
Frequens. 

E. Flemingii Forbes, testa globoso-conica, dilute flavescente, 
fasciis 20 rubris verticalibus secus series tubereulorum primari- 


168 


35. 


36. 


37, 


vrum ornata; seriebus 20 tuberculorum majorum distinctissimis, 
licet in areis ambulacralibus passim interruptis; tuberculis se- 
cundariis in inferiore latere numerosioribus et majoribus; spinis 
raris, flavis l. virentibus, basi purpureis; primariis subtriplo 
longioribus. — Species pulcherrima , praecedentem magnitudine 
interdum aequans, circa Bergen non infrequens, ad Christiansund 
prorsus desiderata. 

E. elegans nob. n. sp. testa depressa, coccinea; seriebus 20 tu- 
berculorum majorum distinctissimis, numquam interruptis; se- 
cundariis inferne nec numero nec magnitudine auctis; spinis ra- 
ris coccineis, apice albis; primariis duplo triplove longioribus. 
— Species, ut videtur, rarıssima, cujus 2 tantum exemplaria 
vidimus prope Bergen ante aliquot annos a Doct. Koren lecta. 
E. miliaris Lamck.? Forb. = E. saxatilis Müll.? testa de- 
pressa, obscure virescente; seriebus 20 tuberculorum primari- 
orum distinetissimis; spinis confertis, violaceo-purpureis, basti 
virentibus; primariis subtriplo longioribus. — Frequens. 

E. norvegicus nob. testa depressa, pallide flavescente, apice 
maculis quadratis 5 rubris 1. virentibus notata; seriebus tuber- 
culorum primariorum secus areas 10 interambulacrales distinctis- 
simis et numquam interruptis, secus areas ambulacrales parum 
distinetis et valde interruptis; spinis raris concoloribus, pallide 
flavis, gracillimis, subsetaceis; primariis perpaucis, sed longis- 
simis, (intermediis diametrum testae subaequantibus),, secunda- 
rias sextuplo superantibus. — Ceteris omnibus minor, ad Chri- 
stiansund frequens in fundo argilloso; ad Bergen rarior. 


b) pororum paribus quinis. 


38. 


39. 
40. 


E. lividus Lamck.? Forb. — E. saxatilis Müll.? testa de- 
pressa, livido-violacea, seriebus 20 tuberculorum majorum di- 
stinctissimis; spinis confertis, albidis, violaceis 1. virentibus;, 
primariis longioribus. — Frequens. Latent fortasse sub hac 
specie duae distinctae, E. lividus et neglectus Auct., quod intra 
aestatem extricare spero. 

Fibularia ovulum Lam.ck. . 
Spatangus purpureus O. ®. M. 


41—42. Brissus lyrifer Forb., ceteris longe rarior. — (Micraster 


Agass.) canaliferus Lamck.? 


43 —44. Amphidotus cordatus Forb. — A. flavescens Müll. = A. 


roseus Forb., wenigstens ist dieser hier an der Küste, und 
wie ich glaube, auch in Bohuslän, unvergleichbar häufi- 
ger, als der vorhergehende. 


45 —46. Holothuria elegans; H. mollis ©. F. Müll. 
47—51, Cucumaria frondosa Gunn., (welche bei Forbes unter 


vier verschiedenen Namen vorzukommen scheint: C. frondosa, 
pentactes, fucicola? und die junge, als Ocnus brunneus); 
C. pellucida O, F. Müll, = hyalina Forb.; C. Drummondi 


169 
Forb., ohne Zweifel dieselbe, welche auf einer anderen 
Stelle bei Forbes unter dem Namen von Thyone Portlockii 
abgebildet und hier von allen die seltenste ist; — C.Hynd- 
mannii Forb.; — C. lactea (Ocnus) Forb. 

52—53. Thyone Fusus O. FP Müll. = T. papillosa Forb.; ihr 
Mundring ist H. Penicillus O. F. Müll. — T. Baphanus 
nob.n. sp. 

54—55. Psolus Phantapus L.; P. sguamatus O. F. Müll. 

56. Synapta inhaerens O.F. Müll. = Chirodota digitata Forb.; 
S. Duvernoyi Quatref. steht dieser Art ganz nahe, scheint‘ 
aber doch davon verschieden zu sein. 

57 —58. Sipunculus Bernhardus Forb.; S.n. sp. 

59. Priapulus caudatus Lamck. 
60. Echiurus vulgaris Sav. 
61. Bonellia viridis Rol., bei Bergen. [Hsch.] 


—. 


Unter den Zoophyten muss ich ausser der in meinem 
ersten Briefe erwähnten Anthea (S. p., 14) eine zusammen 
gesetzte Actinie nennen, welche der Gattung Mammiillifera 
anzugehören scheint. Sie ist so fest mit Sand inkrustirt, dass 
dieser gleichsam in die Substanz des T'hiers selbst einverleibt 
zu sein scheint, und alle Exemplare, die wir gefunden haben, 


- waren von einem Pagurus bewohnt, welcher sich darin einquar- 


tiert, oder sich aus der Masse des zusammengesetzten Thieres 
selbst eine Höhle gebildet hatte. Ausser den früher erwähnten 
Lernaeen auf Anthea und einer zusammengesetzten Ascidia, 
haben wir eine dritte ganz besondere Form auf dem Rücken von 


Squalus Spinax gefunden. [Hsch.] 


Im Zusammenhang mit dem Vorstehenden suchte Hr. 
Loven die Aufmerksamkeit der Akademie auf ein bisher, wie 
es scheint, unbeschriebenes Meerthier zu richten, welches sol 
che Eigenheiten zu vereinigen scheint, dass es für jetzt am 
besten unter die Echinodermen geordnet werden dürfte. Der 
vorgeschlagene Name ist [Hsch.] 


Chaetoderma n. 9. 
e classe Echinodermatum 
(zeirn, seta, Ö£oue, cutis). 


Tab. I. 


Corpus vermiforme, teres, gracile, setosum, scil. aculeis tectum 
confertissimis , simplicibus, rectis, ab antica parte (a), versus 


170 


postica (b) sensim majoribus; Os (ec) in antica fine inflata, an- 
gustum, in disco situm orbieulari, leviter convexo; anus (d’) 
in fine postica hiante, breviter tubulosus; branchiae (d'*,e) 
binae, basi anum amplectentes, pinnatae, retractiles et cum 
ano intra cavitatem infundibulifdrmem recondendae. 

C. nitidulum n. sp. argenteo-nitens, disco branchiisque flavicanti- 
bus; long. 8-linearis. — Hab. in argilla fundi 15—40 org. ad 
oras Sueciae occidentalis. — Animalculum singulare a Priapulis, 
Echiuris, ut videtur, haud alienum; eorumque familiae interea 

4 adnumerandum. 


Hr. J. E. Areschoug theilte in einem Briefe an den Hrn. 
Loven folgende Beobachtungen über die merkwürdige Alge, 
Achlya prolifera, mit. Ledermüller soll, Unger zufolge, 
zuerst (Mikroskopische Ergötzungen, 1760) dieselbe beschrieben 
haben, und Spallanzani, Lyngbye, Carus, Meyen 
u. M. haben in Bezug auf sie eine und die andere: Beob- 
achtung mitgetheilt. Dr. Hannover nnd Stilling (Mül- 
ler’s Archiv f. Anat. und Physiol.), ferner Unger (Linnaea, 
1843, S. 129,) lieferten in den letzteren Jahren so wichtige 
Beiträge zur Entwicklungsgeschichte dieser Pflanze, dass wenig 
oder nichts hinzuzufügen übrig ist. Von den Abhandlungen der 
Letzteren kenne ich nur die von Unger in der Linnaea, wel- 
che ich hier auch als bekannt annehme. 

So viel ich weiss, ist diese Alge früher nicht in Schweden 
beobachtet worden. Sie ist auch ein unbedeutender Recrut für 
die schwedische Flora, aber desto merkwürdiger in physiologi- 
scher sowohl, als ichthyologischer Hinsicht. Was die letztere be- 
trifft, so habe ich zu dem von Unger Angeführten nichts hin- 
zuzusetzen; rücksichtlich der erstern aber werde ich unten 
einige Bemerkungen beifügen. 

Die Achlya prolifera wächst, den Schriftstellern zufolge, 
auf todten sowohl, als auf lebenden Wasserthieren und bewirkt 
am Ende der letzteren Untergang. Im September 1842, berich- 
tet Unger, starben in der Gegend von Grätz unzählige Indi- 
viduen von verschiedenen Cyprinusarten, die alle mehr oder 
minder von diesem kleinen Gewächse heimgesucht waren, wel- 
ches allemal binnen 48 Stunden den Tod des gesundesten Fi- 
sches verursacht. Unger impfte völlig gesunden Fischen das 


Pflänzchen ein, und diese starben allezeit innerhalb der genann- 
ten Zeit. Um sich davon zu überzeugen, dass die durch die 


Impfung entstandene unbedeutende Wunde nicht die Veranlas- 
sung zum Tode der Fische gäbe, verwundete er auf dieselbe 


171 


Weise, ohne Einimpfung der Pflanze, einige andere Individuen, 
welche nicht das Geringste davon zu leiden schienen. 

Am 3ten Mai dieses Jahrs, wo ich am Rande der Wall- 
gräben von Gothenburg einige Conferven aufsuchte, ward ich 
einen 16” langen Kühling (Idus) gewahr, welcher auf der Seite 
schwamm. Bei meinem Versuche, ihn zu fangen, nahm er mit 
sichtbarer Anstrengung seine Kräfte zusammen und fuhr mit 
ziemlicher Hurtigkeit nach dem Grunde, war aber nach Verlauf 
einiger Secunden wieder oben und lag auf der Seite, wie vorher. 
Nun erhaschte ich ihn und leste ihn in ein Gefäss voll Wasser; 
er lebte aber nur noch } Stunde lang, oder nicht einmal so 
lange. Dass die Achlya prolifera seine Krankheit und seinen 
Tod verursacht hätte, war nun leicht einzusehen ; denn auf bei- 
den Seiten des Fisches etwas hinter der Rückenflosse und so 
auch um die Schwanz - und Afterflosse bildete dieses Vegeta- 
bile durch dicht mit einander verwebte Fäden Schichten von 
verschiedener Breite, aber von 1—3” Länge und # oder 3” Dicke. 
Der Rücken zwischen dem Kopfe und der Rückenflosse hatte 
ein sammetähnliches Ansehen, welches von derselben Pflanze 
in einem weit frühern Entwicklungsstadium verursacht ward. 
Unter den erwähnten Schichten waren die Schuppen theils lose 
geworden, theils abgefallen, und das hier und dort, während 
der Fiseh noch: lebte, entblösste Fleisch war schon in dem 
Grade von Fäulniss angegriffen, dass diese sich durch einen 
unleidlichen Gestank in ziemlicher Entfernung zu erkennen gab. 
Was noch ferner zu dem Untergange des armen Thiers beige- 
tragen haben musste, war die Menge kleiner Würmer, Larven 
und vor allen Infusionsthiere, welche sich in den von der 
Pflanze verursachten Wundstellen aufhielt. In Wahrheit, ein 
bemitleidenswerther Zustand! 

. Ich legte mit der Achlya dicht hesetzte Schuppen in süsses 
Wasser und versuchte, die Sporidien (deren Bewegungen ich 
oft zu sehen Gelegenheit hatte,) zum Keimen zu bringen; aber 
dies Letztere war eben so fruchtios, als jedes Bemühen, die 
Pflanze selbst beim Leben zu erhalten, nachdem sie einmal von 
ihrer Vegetationsstelle getrennt worden war. Hierauf, wie auf 
einige von Unger’s Beobachtungen mich stützend möchte ich 
glauben, dass die Sporidien sich ausschliesslich auf lebenden 
Organismen entwickeln und die Pflanze selbst mit deren Tode 
bald ihrer Auflösung entgegen gehe. 

Unger besichneifkt die sporidientragenden Enden der Fäden 
des G@ewächses als keulenförmig und giebt eine Zeichnung der- 
selben; Schleiden (Grundzüge der wissenschaftlichen Bota- 


172 


nik, Th. I, S. 264,) erwähnt zweier Arten von Sporidien, näm- 
lich 1) grösserer, welche in geringerer Anzahl in kugelförmi- 
sen Sporangien gebildet werden, und 2.) kleinerer, welche 
sich in grösserer Zahl in den unveränderten Endgliedern der Fä- 
den finden. Ich für meinen Theil fand die sporidientragenden 
Endglieder an den Fäden theils ganz unverändert, theils keu- 
lenförmig und schliesslich auch kuglicht, ohne desswegen unter 
diesen sämmtlichen Formen irgend einen bestimmten Unterschied 
hinsichtlich der Grösse und Zahl der _Sporidien finden zu können. 

Eine andere Bemerkung gegen Unger betrifft die Scheide- 
wand zwischen dem Innern der sporidientragenden Enden und 
der Fäden. Dieser Schriftsteller meint, indem er dasjenige an- 
nimmt, was er eine merismatische Cellenbildung nennt, (End- 
licher und Unger, Grundzüge der Botanik, S. 34,) dass jede 
Scheidewand, welche sich in den Fäden dieses Gewächses fin- 
det, eine reine Querwand sei und nicht der Boden einer einzi 
sen oder die Böden zweier zusammenstossenden in der Mem- 
bran des Fadens eingeschlossenen Cellen. Ich habe mich bei 
der Achlya deutlicher, als bei mancher andern verwandten Alge 
überzeugt, dass diese Scheidewand entweder der Boden einer 
einzigen, in dem Faden eingeschlossenen Celle ist, oder dass sie 
von den gegen einander gestellten Böden zweier Cellen herrührt, 
und nichts steht der Ansicht entgegen, den Stoff, aus welchem 
die Sporidien sich bilden, als Cytoblast zu betrachten, um wel- 
chen eine Celle gebildet wird, welche von der Membran des 
Fadens umschlossen, und deren unterer Boden die genannte 
Scheidewand ist. (Unger, a. a. O., T. 4, Fig. 1, a.) 

Die vorzüglichsten Synonyme dieses Gewächses sind 
Vaucheria aquatica Lyngh., Hydrophyt. dan., Tab. 22 et p. 
29, und Leptomitus clavatus Agardh, Syst. Algar., p. 49. 
Uebrigens vgl. Unger, a. a. O., S. 148. [Cr.] 


Hr. Professor Nilsson hatte dem Hrn. Sundevall brief- 
lich mitgetheilt, dass er die Form der beiden Hasen, welche 
in Skandinavien leben, so hinlänglich bestimmt verschieden von 
einander befunden hätte, dass sie als 2 getrennte Arten zu be- 
trachten wären. Er hatte, nachdem er vom Hrn. Probst Ek- 
ström darauf aufmerksam gemacht worden war, sie in den Illu- 
minerade Figurer till Skand. Fauna als 2 Varietäten vom Le- 
pus borealis beschrieben, wollte sie aber nun unter folgenden 
Namen aufführen: 


178 


Lepus borealis , Nilsson, Skand. Fauna, 1820; — var. collinus 
(Backhare , deutsch: Hügelhase), Il. Fig. Pl. 19. — Wird im 
Winter ganz weiss; nur die Spitze der Ohren ist schwarz ; das 
Fell am Grunde weiss oder bleich. 

Lepus canescens N. — Lep. borealis var. silvaticus (Mohare, 
deutsch: Heidenhase), 1l. Fig., Pl.22. — Wird im Winter blau- 
grau; unten weiss; die Ohren an der Spitze und dem grössern 
Theile des hintern Randes schwarz; das Fell am Grunde grau. 


Hr. Sundevall äusserte in Beziehung hierauf, dass er ein 
paar Jahre hindurch ziemlich viele Exemplare von beiden Varie 
täten verglichen und beschrieben und sie so constant befunden 
hätte, dass kein Uebergang zwischen ihnen zu bemerken gewe- 
sen wäre, wesshalb es das Richtigste seyn möchte, sie als zwei 
Arten zu betrachten, obgleich kaum ein bestimmter Unterschied 
in ihrer Gestalt hätte aufgefunden werden können. Die meisten 
Arten der Gattung wären unter einander kaum verschiedener, 
als diese. 

Lepus borealis findet sicb durch ganz Skandinavien, aber 
auf der schonischen Ebene nur als seltener Fremdling. Gegen 
Norden geht er bis an die Küsten des Eismeers. Im Reichs- 
museum existirt ein Exemplar, welches bei der Kirche von 
Enare geschossen worden ist. Bei älteren Exemplaren ist das 
Fell am Grunde, in der Sommer-, wie in der Wintertracht, fast 
weiss; bei jungen Exemplaren aber heller aschgrau. Die Sommer- 
tracht erscheint gewöhnlich etwas dunkler, als die des folgen- 
den, und die Haare sind mit weisslichen Ringen versehen. Das 
Schwarze der Ohrenspitze ist ungefähr 10 Millim. breit und 
läuft nur etwa 1’’ weit nach der vordern Kante, aber nicht nach 
der hintern hinab. 

Lepus canescens ist die gemeine Art in Schonen, findet 
sich im ganzen Göthalande neben der vorigen; um Stockholm 
und im ganzen Svealande trifft man sie an gewissen Stellen 
oder in gewissen Gegenden an; auf der Ebene von Upsala ist 
sie weniger gemein, als die vorige; wird nordwärts seltner, 
aber dennoch bis an den Storsjö in Jemtland angetroffen, von 
woher Hr. S. ein Exemplar bekommen hat. Die Grundfarbe des 
Fells ist immer aschgrau, sehr dunkel bei den jüngeren. Die 
Sommertracht erscheint mehr gelblich graubraun. Das Schwarze 
der Ohrenspitzen ist gewöhnlich ungefähr 20 Millim. breit und 
läuft bis unter die Mitte des hintern Randes und etwa 1’ am 
vordern hinab. 

Einige wenige Verschiedenheiten in der. Form und der Pro- 
portion scheinen sich wirklich zwischen diesen beiden Formen 


# 


174 


zu finden; sie sind aber so wenig constant, dass sie als Cha- 
raktere nicht angewandt werden können. Gewö 
Ohr beim L. borealis, ohne die Haare auf der Spitz ze (welche 
etwa 10 Mill. messen), beinahe um 3’ (10 bis 12 Mill.) länger, 
als der Abstand des Ohrs von der Schnauzenspitze und etwa 50 
Mill. kürzer, als der Hinterfuss von der Ferse bis zur Klauen- 
spitze. Bei L. canescens pflegt das Ohr um 10 Mill. kürzer zu 
seyn. Aber von beiden finden sich Exemplare, bei denen die 
Ohren um 10 M. länger, oder um eben so viel kürzer sind, so 
dass man leicht Exemplare von ihnen so auswählen kann, dass 
sich die längeren Ohren bei L. eanescens finden. Ein gleiches 
Verhalten hat bei allen den kleinen Formverschiedenheiten Statt, 
welche ich zu finden geglaubt habe, z. B. dass der Kopf bei L. 
borealis kürzer und gerundeter zu seyn pflegt; aber es verhält 
sich mitunter umgekehrt. 

Beide unterscheiden sich deutlich durch den kurzen, ganz 
weissen Schwanz vom L. limidus (oder besser L. europaeus ) 
im übrigen Europa, welcher einen längern, oben schwarzen 
Schwanz besitzt, ferner vom L. glacialis in Nordamerika und 
Grönland, welcher nur einen Büschel von schwarzen Haaren 
auf den Ohrenspitzen, an der Spitze breite, stumpfe, herabge- 
drückte Klauen und um etwa 1’ kürzere (140 Mill. vom Fer- 
sengelenke bis zur Klauenspitze) Hinterfüsse hat. — Die fol 
sende Tabelle giebt die Maasse, welche ich bisher von frischen 
Exemplaren genommen habe. Alle Ziffern bedeuten Millimeter, 
von denen %5 auf 1’ schwed. gerechnet werden können. 


75 


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- 9 570 66 | 110 100 55 46 108 115 87 | 197 161 — 
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a\- s 550 58 | 113 112 60 48 115 125 96 | 213 176 — 

-"h 533 50 | 107 94 54 48 {03 112 87 | 201 19 — 


L. borealis a) Südl. Schonen, 29. Dechbr. 1831, b) Stockholm, Febr. 
1843, c) Jemtland, Febr. 1843, d, e) Sieckholm, März u. Apr. 
1843, f, g) Stockholm, Oct. u. Nov. 1843, h, i) Norrla:d, Jan. 
1844, k) Stockholm, April 1843, D) (juv.) p) Stockholm, Oct. — 
Dec. 1843. 

L. canescens a) Südl. Schonen, 29. Dee. 1831, b) Stockholm, 3. 
Apr. 1843, c) (juv.) Upsala, 8. Dec. 43, d) Stockh., Aug., 43, 
e) (juv.) Stockh., 16. Aug. 43, f) Norrland, Jan. 44, g) Jemt- 
land, Jan. 44, h) Dalekarlien, Febr. 44. 

Bem. Die Länge des Schwanzes (80) bei L. canescens, d, 
ist nicht falsch geschrieben. Das Messen der Ohren 
mit den Haaren ist nicht so sicher, als ohne diese. 

Auf Veranlassung des Obigen führte Hr. Professor Ceder- 


schöld an, von einem sehr glaubwürdigen Manne unter seinen 


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Kal “ 


176 


Bekannten erfahren zu haben, dass derselbe ai 
Junge aus dem Leibe eines trächtigen Hasenweib genom- 
men hätte und dass diese am Leben geblieben und von einer 
Katze gesäugt worden wären. 

[Cr.] 


m——— 1. 


| Sitzung am 11. September. 

Hr. Freiherr Berzelius theilte aus einem Schreiben des 
Hrn. Oberintendanten Nordenskiöld, dat. Uleäborg d. 2. Aug. 
1544, Folgendes mit: 

„Von einer Reise nach Kuusamo bis nach der Archanr- 
gel’schen Gränze hinab zurückgekehrt nehme ich mir die Frei- 
heit, einige Worte über diese Reisetour zu schreiben. — Ich 
hatte nämlich Gelegenheit, mehre Beobachtungen rücksichtlich 
der Richtung der Riefen zu machen, welche zu meiner nicht 
geringen Verwunderung die von Böthlingk früher gemachten 
völlig bewahrheiteten. Die Abweichung von Norden, welche 
halbwegs von Uleäborg bis Kuusamo sehon bis zu 52° W. stieg, 
wurde auf dem Erdrücken bei der Kirche zu Kuusamo an einem 
Berge, welcher von Erde zum Anlegen eines neuen Landweges 
entblösst und wenigstens 1000’ hoch über dem Meere war, 
50° W. *) und stieg weiter östlich bis auf 70°, 74°, endlich 
ganz nahe an der russischen Gränze an einem wenigstens 1600 ' 
hohen Berge, auf 84° W. bei sehr deutlichen Spuren, dass die 
Fluth von Westen (mit 6° nördlicher Abweichung) gekommen 
und nach Osten gegangen war. Dass Riefen an so hohen Ber- 
gen beobachtet werden können, kommt daher, dass sie zum 
srössern Theile mit Erde überdeckt sind und dass, wenn diese 
Bekleidung abgedeckt wird, sich die Oberfläche durchaus nicht 
angefressen, sondern so, wie sie ursprünglich gewesen ist, zeigt; 
da, wo die Oberfläche bloss war und ist, ist sie ganz rauh, aus- 
genommen an den Quarzadern, an welcher Gebirgsart sich sel- 
ten Riefen zeigen, weil sie zu hart ist und nur abgeschliffen 
wird. — Ich zweifle jetzt nicht mehr daran, dass Böthlingk - 
am Eismeere die Stossseite nebst der Direction der Riefen rich- 
tig beobachtet habe; wie aber dies mit der Idee von einer allge- 
meinen Geröllfluth vereinigt werden könne, ist eine andere 
Frage.“ | 

„Etwas sonderbar ist es mit der Verwitterung der oben ge 


*) Soll dies vielleicht 600 W. heissen ? F 
'>D. Uebers % 


u 


177 


nannten Gebirgsart. "Vorzüglich in solchen Sümpfen, in denen 
das Wasser sehr braun ist, verwittert der rothe Feldspath und 
wird abfärbend, auf der Oberfläche, als wäre er Kreide. Am 
Diorite wird die Hornblende auf der Oberfläche hellgrün, und der 
Feldspath (Albit?) verwittert erst bis in eine Tiefe von 1—2”; 
aber dies geschieht nur an dem Theile des Steins, welcher vom 
Wasser umgeben ist, aber von Zeit zu Zeit trocken liegt; der 
in der Erde liegende Theil des Steins ist ganz unangefressen. 
Ich besitze aus dem Diorite solche kleinere Steine, welche am 
obern Theile angefressen sind, aber am untern die Geröllab- 
schleifung ganz unangegriffen zeigen. Thon entsteht nicht aus 
diesem Zerfressen des Feldspaths, sondern nur ein weisses, gro- 
bes Pulver, welches man an seinen Stellen zu dünnen Schichten 
angehäuft findet.“ 

„Von Mineralien fand ich krystallisirten Rutil (sonst nicht 


‚in Finnland gefunden) und ein Mineral, welches dem Titaneisen 
. gleicht, sich aber leicht schmelzen lässt.“ 


In Bezug auf Obiges führte Hr. Loven aus einem Schrei- 
ben vom Hrn. Murchison, welcher auf einer Reise durch 
einen Theil von Norwegen und Schweden Kenntniss von den 


Riefenphänomenen, so wie sie sich hier zeigen, genommen 


hatte, Folgendes an: „Ich bin im ganzen sehr zufrieden mit 
meiner Reise von Stockholm hierher (nach St. Petersburg) ; denn 
sie gab mir ein so vollständiges ‚„Expose“ von dem, was man 
Stoss- und Lee-Seiten bei den krystallinischen Gebirgsarten nennt, 
dass ich von der Wirklichkeit der grossen Operation , über 
welche Sefström’s Arbeiten so viel Licht verbreitet haben, 
völlig überzeugt bin. [.Cr. ] 


En 
Hr. Wahlberg äusserte, dass er diesen Sommer auf den 
Blättern des gemeinen Rheinfarn (Tanacetum vulgare), in Menge 


 Aphis tanaceticola Kaltenb. gefunden, welche einen rothen 


Farbestoff enthielte, der ihm schiene zu verdienen in techni- 
scher Hinsicht näher untersucht zu werden. 
[Hsch.] 


Hr. Boheman führte an, dass er im verflossenen August 
während einer Reise nach Smäland, eine Menge, der Formica 
rufa gehörende Ameisenhaufeu untersucht, und obgleich Witte- 

12 


BIN, P 
PER. 550 


178 


rung und Jahreszeit zu solchen Forschungen weniger günstig 
gewesen, seien doch folgende 26 Arten Inseeten gefunden: wor- 
den, von welchen die Hälfte für. Skandinavien ' neu ist. (Die 
mit ” bezeichneten halten sich nur zufällig unter ‘Ameisen auf). 

Cryptophagus glaber Gyllenh.; *C. cellaris Gyllenh.; Peilium 
evanescens Marsch.; P.haemorrhoidale Motschoulski; Tri- 
chopteryx picicornis Mannerh.; Scydmaenus Godarti Gyl- 
lenh.; * Sunius (Paederus) angustatus Gyllenh.; Quedius bre- 
vis Erichs.; Leptacinus formicetorum var: ß. Märkel.; Ale- 
ochara angulata Erichs.; Oxypoda myrmecophila var. #. 
Mannerh.; O. formiceticola Märkel.; Homalota (Aleochara) 
flavipes Gyllenh.; H.anceps Erichs.; H.parallela Mannerh,; 
Dendrophilus (Hister) pygmaeus Gyllenh.;*Paromalus (Hister) 
flavicornis Gyllenh.; ” Hypophloeus depressus Gyllenh.; * Ce- 
rylon histeroides Gyllenh.; Monotoma conicicolle Guer. v ß. 
undique testacea; Corticaria formicetorum Mannerh.; Myrme- 
coxenus subterraneus Märkel. | 

Anthocoris formicetorum n. sp.: nigra, antennis pedibusque testaceis, 
thorace obsolete punctulato, hemelytris pallide testaceis, mem- 
brana albicante. — Long. 1 lin. 

Passim in societate eum Formica rufa. 

Obs. A. exili proxima, sed dimidio minor, thorace antice non 
rugoso, membrana albicante, ab illa facile distineta. Variat 
interdum femoribus medio leriter infuscatis. | 

* Tingis pusilla Fall.; *T. capitata Fall.; * Bryocoris palustris 


Fall. [Hsch.] 


Hr. Sundevall zeigte an, dass über Sommer die von dem, 
"in dem Kaffernlande reisenden, Hrn. J. Wahlberg erwarteten 
Sendungen angekommen -seien. Diese Sammlungen sind die 
letzten über welche von Hrn. W. Nachrichten eingegangen, 
die grössten welche von ihm heimgesendet und im Allgemeinen 
die reichsten welche jemals auf einmal nach Schweden gebracht 
worden. Sie können auch bestimmt die schönsten genannt wer- 
den in Hinsicht auf die ausgezeichnete und versichtige Conser- 
vation der Exemplare, die mit Etiketten versehen, auf: welchen 
Tag, Ort und verschiedene andere Data für jedes Exemplar 
grösserer Thiere angegeben sind. Sie füllten 12 grosse Kisten, 
wovon Drei 33 Ellen lang und ungefähr 2 Ellen breit und hoch 
waren. Darin waren enthalten 192 Säugethiere, 860 Vögel, 
eine grosse Anzahl Amphibien, Fische, Skelette (z. B. vom 
Rhinoceros, Hippopotamus, mehreren südafrikanischen: Antilo- 
pen u. s. w.) und eine Menge wirbelloser Thiere in Spiritus 


Pe 


179 


oder getrocknet: Prof. Boheman hat schon die Insecten 
auszupacken und provisorisch zu ordnen begonnen und gefunden, 
dass die auf Nadeln gestochenen Stücke, folgende Anzahl betra- 
gen: Coleoptera 1617 Arten in 5270 Individuen, Orthoptera 36 
A. 51 I., Hemiptera 292 A. 657 I., Lepidoptera 269 A. 546 I., 
Neitropters 20 A. 42 I., Hymenoptera 124 A. 169 I., Diptera 
203 A. 396 1., Woterk 15 A. 40 1., im Ganzen 2576 Arten, 
7171 Individuen. 

Ausserdem enthält diese Sendung noch Nester und Eier 
von einer ganz bedeutenden Anzahl südafrikanischer Vögel; 
Pflanzen, sowohl getrocknete, als Früchte, Stämme, Schwämme, 
Flechten u. s. w. 

Diese Sammlungen sind bis weiter nur unter Obhut des 
Reiehsmuseums deponirt, ohne dass eine ihre Erwerbung für das 
Museum betreffende Unterhandlung vorgenommen worden, da 
wan noch hofft, dass das Gerücht von Hrn. W. Tod ungegrün- 
det sei.*) | 

Bis jetzt ist noch keine Zeit dazu gewesen die näheren Un- 
tersuchungen anzustellen, welche diese Sammlungen in so ho- 
hem Grade verdienen, weshalb kein anderer Bericht üher die 
vielen, für die Wissenschaft neuen Arten und Aufklärungen, 
welche sie enthalten kann geliefert werden, als dass mit Sicher- 
“ heit angegeben werden kann, dass sie sehr viel Neues aus allen 
Thierklassen, sogar den beiden höchsten, enthalten. Für diess- 
mal beschränkt sich Hr. S. auf folgende Thierart: 

Cercopithecus Samango Wahlbg. n. sp. Unter diesem 
Namen hat Hr. J. Wahlberg eine Art Affen gesendet, wel-_ 
che Hr. S. für bis jetzt unbeschrieben hält. Sie gehört unter W 
die grössten Arten der Gattung Cercopithecus und kann durch 
folgende Beschreibung characterisirt werden: 


C. cinereus; pilis 1acente variegatis, ee nigro, pallidopun- 
ctato absque fascia frontali pallescente; brachiis 
totis nigris. — Mas adultus longitudine ad basin caudae Om, 
59; caudae longit. O, 77. Facies nigricans genis totis dense pi- 


— 


*) Zufolge einer brieflichen Mittheilung des Hrn, Prof. A. Reizius vom 
28sten Oct. 1844 ist diese Hoffnung in Erfüllung gegangen. Derselbe 
schreibt mir: „wir erwarten Wahlb erg im Herbste zu Hause. 
„Er ist in Ländern gewesen dic früher, so viel man weiss, kein 
„europäischer Fuss betreten, und welche, so viel man nach sei- 
„nem bis jetzt augekommenen kurzen Briefe schliessen kann, kaum 
„von Menschen, aber desto mehr von zahlreichen, zum 'T’heil 2 
„Lossalen, wilden 'Thieren bewohnt sind.“ 

Anm. d. Re dat. 


12° 


180 


losis, colore corporis. Labium superius usque ad nasum et in- 
ferius cum mento sparse albidopilosa; macula ante genas nigra. 
Aures intus et margine albidopilosae. Gastraeum pallescens. 
Pili gulae et juguli lanati, densi, breves, albidi. Antipedes 
tantum in antica humerorum parte variegati. Pedes posteriores- 
extus obscure cinerei, albido - variegati. -Manus omnes_nigri. 
Cauda a basi ad medium albida, linea superiore fusca; dein 
sensim nigra. — Femina parum minor, similis mari. — Pulluli 
usque a longitudine Om, 25, colore parentum. 

Dieser Affe ist von Hrn. W. in Haufen zu Amazulu im Kaf- 
fernlande innerhalb Port Natal, im Mai und Juni 1841 gefunden 
worden. Er hält sich in dem dichtesten Wald in den Kronen 
der Bäume auf. Wenn man so glücklich ist ihm unbemerkt 
nahe zu kommen, bleibt er still sitzen, sich unter dem Laube 
verbergend,, so dass man einen um den anderen niederschiessen 
kann; aber gewöhnlich flieht er wenn der Jäger noch weit ent- 
fernt ist. Im Mai und Juni hatten sie kleine Jungen. Samango 


ist ihr Name unter den Kaffern. [Hsch.] 


Endlich führte Hr. S. noch an, dass er während seiner An- 
wesenheit in Gothenburg unter den dortigen schönen. zoologi- 
schen Sammlungen ein Exemplar von Motacilla alba mit schwar- 
sem Rücken gesehen, welches dieselbe Varietät sei, die in 
England gemein vorkomme, von den englischen Zoologen für 
eine eigene Art gehalten und M. Yarrelli genannt werde. Die- 
ses Exemplar war den 2lten März 1843 in der Nähe von Go 
thenburg geschossen worden. Diese Varietät scheint früher in 
Norwegen bemerkt worden zu sein und dürfte vielleicht regel- 
mässig einen Theil (z. B. den westlichen) von diesem Lande 
bewohnen. Möglicherweise hatte sich diess Exemplar an die 
schwedische Küste verirrt, gleichwie z. B. das. Exemplar von 
Mot. flava var. capite nigro, welches S. selbst im März 1838 
bei Gothenburg sah. [Hsch.] 


Anm. Det Literaturbericht folgt im nächsten Hefte. D. Red.- 


vE 
72 Bee ehr She u de A le ce 
Eine botanische Betrachtung. 


"Von 
hr Di. Elias Fries. 


Ueberseizt von Dr. C; T. Beilschmied *). 


Woch in jedem Frühlinge wird das grosse Drama des dritten 
Schöpfungstages aufgeführt, wo zuerst ‚„‚die Erde aufgehen liess 
Gras’und Kraut,“ und dieses wahrhaft poetische Schauspiel, die 
Wiedergeburt des Lebens, ist das fröhlichste Fest der ganzen 
Natur. Wegen der Mannigfaltigkeit und Schönheit seiner For- 
men ward ‘es von Alters her ‚‚formosissimus annus‘“ genannt; 
und welche Zauberkraft liegt daher nieht schon im Worte Früh- 
ling! »Es giebt auch nur’ wenige Dinge, welche Skalden öfter 
und lieber besängen; nichts, das lebhafter in jedem Wesen 
Empfindung und Lebenslust weckte**). Und was bringt nicht 
der Frühling der Pflanzenwelt? Erwachen zu neuem Leben! 
Und dem Botaniker ? Kaum weniger. Deshalb verdient er wohl 
auch vom botanischen Gesichtspunkte aus betrachtet zu werden. 

Ist denn im Norden der Frühling so herrlieh und schön? 
'Gewöhnlieh wohl in der, hier buchstäblich grünen, Hoffnung, 
doch in der grauen Wirklichkeit selten, wenigstens hier um 


*) Aus E. Fries Botaniska Utflygter, Bd. 1, S. 211 — 256. 

**) Das war wohl einer der ergreifendsten Ausdrücke von Melancholie, 
als Jemand wünschte, der einförmige Frühling möchte einmal zur 
Abwechselung blutroth ausfallen. 


13 


182 Der Frühlin g: 


Upsala. „Des Lenzes Blumen“ sind auf der offnen kahleti 
Flur recht dünn gesäet; „des Frühlings laue Winde,“ „Zephyr’s 
Hauch ‚“ sind meist eine Sage, vom Lande der Hespetiden er- 
borgt. Doch warum gerade da klagen, wo man von dem höherri 
unvergänglichen Frühlinge im Menschenleben, den herrlichen Blü- 
then im Jünglings-Gemüthe umgeben ist! Dieser heitre geistige Lenz 
wird nicht umdüstert von den sonst so gepriesenen „Maiwolken“ 
des natürlichen, die im Norden oft gefrorne, erhärtete Thränen 
herabgiessen. Wie lang-ersehnt ist nicht dennoch jeder Bote 
des Frühlings! Wie lieb uns jeder Gruss aus Süden mit den 
zum Neste ihrer Kindheit zurückkehrenden Zugvögeln! Und noch 
ist die nordische Frühlingszeit eine gefesselte Andromeda, die 
erst Perseus befreit, eiti schneetropfender '@alanthus, welcher 
auf seiner weissen „Blumenblätter Spitze nur halb-gesagt des 
Frühlings unaussprechliche Worte trägt.“ 

So klagte vor mehreren. Jahren der Fremdling aus Süden, 
als er der späten Ankunft des Frühlings bei uns gedachte *). Da- 
mals waren erst wenige Winter vergangen, seit er die Buchen 
seiner Heimath in ihrem grünen Frühlingsschmucke gesehen, — 
und der Botaniker bedarf, gleich der Pflanze (beide sind an die 
grüne Grasmatte gefangen gegeben, obgleich Blume und Geist 
beide nach dem Lichte streben), Zeit zum Acelimatisiren. Seit- 
dem sind, gleich einem codez rescriptus, neue Bilder auf ‘die 
Blätter der alten Erinnerung aufgetragen worden — und: auch 
wir erlebten mildere, freundlichere Winter im höhern Norden, 
ohne jene unahlässigen Rückfälle des Winters, den hartnäckigen 
Frost, dessen Crisis erst die Sommersonne vollendet. Bei der 
Aufmerksamkeit, die jenem Aufsatze geschenkt wurde, halten 
wir uns für verpflichtet, nicht allein diese Milderung unsers Ur- 
theils gleichfalls zu berühren, sondern auch die Grundzüge einer 
Geschichte des Frühlings ausführlicher darzulegen: ‚wir: betrachten 
dabei theils sein Vorschreiten, theils die verscniedene Physiogno- 
mie desselben in verschiedenen Zonen, ferner die vielen Eigen- 
thümlichkeiten der Blumen , und wagen endlich: einen scheuen 
Blick in des Frühlingslebens wunderbare Werkstatt, wo. Myria- 
‘den pflanzlicher Atome (möge ein bildlieher Ausdruck erlaubt 
sein) in kurzer. Zeit die Fäden spinnen zu. der: Bekleidung, der 
Bäume und dem grünenden Teppich der. Erde.:, Beobachten: wir 
einen Bienenstock, einen Ameisenhaufen, eine Üorallenbank: 
welch wimmelndes Meer von Leben und Thätigkeit gewahrt un- 

| a 
*#)' Pr. in Lindhlom’s Bor. ap 1839, 9. 383 . ‚1840, 65 
bis 71. ' 


Der Frühling. 183 


ser'Auge! Aber jeder «Baum bildet gerade eine ähnliche Ge- 
meinde (und wer kann im Walde deren Zahl nennen!); jede 
seiner Knospen ist eine eigene Pflanze *) mit individuellem Le- 
ben, die sich wieder in unzählige Individuen mit besondern Fun- 
cetionen zergliedert,; obschon alles so innerlich, organisch ver- 
schmolzen,. dass es unsern Blicken nur: als ein ganzes Bild 
erscheint. Welches Gemälde, vermöchten unsre Augen nur einen 
Lenztag in jenes innere Wirken zu schauen! Nicht bloss im 
" unendlich Grossen liegt eine ganze Welt über unserm natürli- 
chen Gesichtskreise: auch im unendlich Kleinen, nicht minder 
wunderbar ”*). Der sich so gern vergötternde Mensch sieht doch 
nur ein Bruchstück mitten aus der Kette der Dinge, ohne ihren 
Anfang oder ihr Ende zu erahnen. Der von beiden Seiten heran- 
dringende forschende Menschengeist ermüdet, und er schwindelt 
entweder oder läuft in. den+Hafen an den abstracten Begriffen 
Zeit und Raum, Unendlichkeit und Ewigkeit. — Da steht in die- 
sen‘ Frühlingstagen ein mit tausend Blumen beschütteter Mispel- 
baum vor ünsrem Fenster: in der innern Kraft, welche jene ge- 
trieben, den zahllosen Elementar - Organen; die sie ernährt, se- 
hen wir eben so gut eine Allmacht und Unendlichkeit wie in der 
Summe aller : Weltsysteme; in jeder Knospe liegt die Anlage 
zur Entwickelung ins Unendliche; in jedem Samen die in eine 
Ewigkeit. 

Wird nur der leitenden Idee beigestimmt (andernfalls würde 
jede Darstellungsform misglücken ***)), so verlässt man gern 
den Wortschwall, den die eilende Feder so leicht hinschreibt 
ohne an’s Wiederausstreichen vergeblicher Worte zu kommen, 
und darum wünschten wir nur erst.den Leser für unsern Gegen- 
stand zu gewinnen; bei der Bestimmung dir Aufsatzes zum 
Einleiten des bevorstehenden Lorbeerfestes, des wissenschaftli- 
chen Lebens Kranzes seiner Frühlingsblumen mit ein und der 
andern eingeflochtenen fünfzigjährigen ewigen, scheint die 
Betrachtung seines Abbildes in der äussern Natur unter allen 
am nächsten zu liegen. Nichts desto weniger werden wir der 
Abhandlung all den wissenschaftlichen Inhalt, der uns möglich 
ist, zu geben, bekannte Thatsachen: in neue Combinationen zu 


‚*) Was schon Aristoteles einsah. 
A) Vgl. Linne’s Abhandlung de mundo invisıbılı. 


wo) Hierin liegt der, Grund zu der verschiedentlichen Beurtheilung der= 

"selben oder gleichartiger Schriften; jeder selbstständige Autor muss 

jedoch gleich dem Fiusse ungetroffen davon seine Bahn gehen 
können, wenu er nicht im Sande verschwinden will. 


13* 


184 Der Frühling. 


bringen suchen. Dichter, Denker, Künstler mögen ihren Ge- 
genstand zu idealisiren und zu verschönern suchen ; ‘der Natur- 
forscher hingegen wird stets gemahnt zu erkennen, dass seine 
Zeichnungen nur unvollkommne Nachbildungen seines unendli- 
chen Originals, dessen Schönheiten alle er vielleicht in glückli- 
chen Stunden dunkel ahnt, aber vergeblich versuchen würde auf 
das Papier überzutragen. Eben das Anziehen endlicher Gestalt, 
das Ausprägen in Scheidemünze der Wörter, ist der Sündenfäll 
der Ideen, das malum metaphysicum der Alten. Darum klagen 
so oft mit Kepler die Männer der Zukunft der Wissenschaft, 
dass ‚„‚calamus in verborum anguslis titubat,“ und, wer niemals 
über das gegenwärtig Bestimmte hinausgeschaut, hat wohl nie 
das innre Leben der Natur geahnt. Hüten wir uns jedoch, mit 
der ehemaligen Naturphilosophie darin die gegenwärtige, beste- 
hende Wissenschaft zu sehen; es sind nur nebelumhüllte,; stür- 
mische Frühlingswetter für einen kommenden Sommer, oder 
Spiegelung neu dämmernden Tages. Aus jener Verwandtschaft 
mit dem Lenze erklären sich auch die Sympathien aller lebhaf- 
tern jüngern Gemüther für denselben, und mögen Machthaber 
der Wissenschaft, die welche ausschliesslich in den Ideen der 
Gegenwart leben (die nur in denen der Vergangenheit lebenden 
sind die Hypochondrie der Zeit), nicht mit den Wilden das neu- 
geborne Kind aussetzen, dessen künftige Laufbahn Niemand 
voraussagen kann, sondern nur des heranwachsenden Eigenmäch- 
tigkeit und Üebermuth zurechtweisen, damit es nicht dadurch 
sich selbst verliere. Qui vero, sagt Baco, de natura, tanquam 
de re explorata, pronuntiare ausi sunt, sive hoc ex animi fidu- 
cia fecerint, sive ambitiose et more professorio, mazimis ill 
seienlias affecere detrimentis. ne 


In der Natur, dem grossen Ganzen, das wir für unser ein- 
geschränktes Auflassungsvermögen zersplittern, finden wir nir- 
‚gends die scharfen Gränzen, die wir so gern in unsern wissen- 
schaftlichen, wenigstens den systematischen, Werken festzustel- 
len suchen — und dass dieses auch auf die Bestimmung des 
Anfangs und Endes des Frühlings völlig anwendbar ist, fällt in 
die Augen, indem dieser so unmerklich den Winter ablöset und 
ebenso zum Sommer reift. Im ganzen Vorliegenden ist nichts 
schwerer zu beautworten, als: wenn haben wir Frühling? Ihn 
nach dem Kalender zu bestimmen geht nicht an. Manche wür- 


Der Frühling. 185 


den ihn vom Aufgehen des Eises an rechnen: aber im südlichen 
Schweden (letzten Winter auch hier zu Upsala) tritt dieses zu- 
weilen mitten im ‘Winter mehreremal ein; Andere vom Beginn 
der Säezeit: aber ausser dem dass dieses gar zu spät ist, ist 
derselbe ohne Regel in den verschiedenen Landschaften; für 
den Botaniker wird es unzweifelhaft am natürlichsten, den Früh- 
ling. nach den Erscheinungen im Pflanzenleben zu rechnen: vom 
Schwellen der Knospen und den bald darauf folgenden ersten 
Blüthen, namentlich Corylus, Galanthus, Daphne, Salix da- 
phnoides, Eriophorum vaginatum u. a., obgleich öfters nach 
dem Blühen der zuerst genannten scharfe Recidive des Winters 
nachkommen können. Diese Erstlinge des Frühlings erscheinen 
natürlich in verschiedenen Gegenden und Ländern ungleichzeitig; 
aber besondere Aufmerksamkeit verdient es immer, welche an 
jedem’ Orte zuerst blühen: im westlichen Smäland ist es Cory- 
dus und Eriophorum vaginatum. Dabei ist indess zu beachten, 
dass man sich nicht an selche Blumen halten darf, die den 
Winter über gestanden haben oder an sich typisch Herbstblumen 
sind, wenn sie gleich gewöhnlich im Frühjahre blühen. In 
Schonen ist in manchen milden Wintern der Rasen das ganze 
Jahr grün und sind frische Blumen, näml. Bellis perennis, im 
Januar und Februar auf demFelde zu pflücken. Eben so dauern 
Stellaria media, Lamium purpureum, Viola tricolor u. a. über 
Winter, auch im mittlern Schweden, und vermögen im Winter 
zu jeder Zeit, wenn milderes Wetter einfällt, neue Blüthen zu 
treiben. Sie zeigen demnach vielmehr einen milden Winter als 
ein zeitiges Frühjahr an *). | 
Gar nicht in Betracht zu ziehen ist Helleborus niger: die- 
ser ist eigentlich eine Winterblume, die beim ersten mildern 
Wetter während des Winters Blüthen treibt. Galanthus aber 
ist, obschon zeitig, doch eine wirkliche Frühlingsblume: bei 
späten Frühjahren fanden wir ihn aus eisbedecktem Boden her- 
vorgewachsen, von tiefem Schnee bedeckt, jedoch se ausgebil- 
det, dass er ausgegraben innerhalb 24 Stunden in der Sonne 
seine Blumen ausbreitete. Auch soll er im mittlern Europa un- 


—__ nn 


#) Wir wissen überhaupt genau, bei welchem 'Temperaturgrade ex»o- 
tische Gewächse bei uns erfrieren (die tropischen z. B. bei + 10 
bis 440); „ber kaum won einem unsrer einheimischen, wie viel 
Grade Kälte sie aushalten können; wir :erschliessen es nur ans ih- 
rem Vorkommen in grösserer Höhe oder weiter gegen den Pol hin; 
dies genügt aber gar zu wenig, dass nicht direete Beobachtungen 
in dieser Hinsicht sehr wichtig wären. Dagegen leidet der Same 
von fast gar keiner Pflanze durch Kälte. 


” 


186 | Der Frühling. 


ter Schneegewölben blühend vorkommen ‚ wo. die Bodenwärme 
von unten den Schnee hinweggeschmolzen. Noch andere, die 
erst im Frühjahre blühen, z. B. Tussilago Farfara, halten wir 
typisch für Herbstblumen, aus Gründen, worüber weiter unten; 
auch fand sie sich hier im letztvergangenen Herbste und wäh- 
rend des ganzen letzten Winters blühend. Wie Pflanzen durch 
innre und äussere Ursachen 'zu einer andern Blühzeit kommen 
können als die ihnen typisch zukommende ist, davon hat man 
mehrere Beispiele. Auch die eigentliche Herbstblume Colehi- 
cum autumnale blüht erst im Frühlinge, wenn sie an Stellen, 
die früh im Herbste überschwemmt werden. Von Frühlingsblu- 
men aber, die sich vor der Zeit im Herbste entwickeln können, 
giebt es viele Beispiele, z. B, an Obstbäumen, wenn diese im 
Herbste zum zweitenmal blühen. In Bezug hierauf erwähnen 
wir folgender merkwürdigen Thatsache: Der berühmte Thouin 
zu Paris hatte zur Winterszeit an Demidoff in Moskau eine 
Sammlung edler. Apfelsorten gesendet; diese gelangten erfroren 
an ihren Bestimmungsort: hier wurden sie, damit sie nicht durch 
Wärme Schaden erlitten, in einen Eiskeller gebracht. ‘Zu An- 
fange des Frühjahrs wurden sie wieder herausgebracht ‚'um ver- 
pflanzt zu werden; einer der Kästen wurde aber zufällig’ verges- 
sen und dies das ganze Jahr hindurch und so blieben die Bäume 
darin so lange gefroren: im folgenden Jahre wurden sie endlich 
wie die des ersten Jahrs verpflanzt, und nun schlugen sie aus 
und wuchsen nach 18-monatlichem Winterschlafe *). Man kennt 
eine Menge ähnlicher Facta; ich sah selbst einen Platz, der im 
Winter über dem Schnee mit einer tiefen Lage von Holzspänen 
u. dgl. bedeckt wurde: als im September der Platz: gereinigt 
ward, erschien er noch mit Eis bedeckt, im folgenden Frühjahre 
aber fanden sich alle die perennirenden Pflanzen ein, die früher 
an der Stelle gewachsen waren. In arctischen Ländern scheint es 
nichts Ungewöhnliches zu sein, wenn die Schneegränze nach 
Verschiedenheit der Jahre auf- und abrückt, und Ramond 
nimmt an, dass manche Alpenpflanzen gewöhnlich unter Schnee 
begraben sind und nur in einzelnen milden Sommern zur 'Ent- 
wickelung gelangen, so dass manche derselben durch ein Jahr- 
hundert nur in zehn Frühlingen auflebt **). 

Die angeführten Beispiele bestätigen genügend die Abhän- 
gigkeit des Pflanzenlebens und der Blumen von äussern Momen- 


an 


*) De Candolle Physiol. veget. p. 1031. 
**) Ramond in Annal. du Museum d’H. n. 1804, p. 400. 


Der Frühling. 187 


ten, zeigen aber auch die Kraft derselben, der Zerstörung zu 
widerstehen und von letzteren nicht ganz besiegt zu werden. Es 
ist nicht undenkbar, dass, wenn einmal die‘ Süd -Polarländer 
von ihrer stetigen Schnee- und Eisbedeckung befreit würden, 
ihre einstmalige Flora, von welcher man noch deutliche Spuren 
gefunden hat, nach unzähligen Jahrhunderten wieder zu einem 
neuen Frühlinge 'erwachen könne; wir haben auch bei uns Bei- 
spiele, dass Gewächse nach 20—30jährigem Schlummern in 
der Erde sich plötzlich wieder gezeigt haben. Aber das Auf- 
wachsen dieser Pflanzen zu bestimmten Zeiten wird auch durch 
eine Menge innerer Umstände bedingt. Darauf beruhen die vie- 
len beständigen frühzeitigen und späten Abänderungen, die man 
von manchen Gewächsen hat und die an sich nur individuelle 
Formen sind: s6 eine Menge im Herbste und im Frühjahre blü- 
hender Spielarten einer und derselben Species. So blühen auch 
Tazetten, Jonquillen u. a. bei uns im Hause am besten zu der 
Zeit, wo ihre Verwandten die Frühlingszierde der Fluren Süd- 
Europa’s ausmachen, während die Bedeckung der unsrigen noch 
Schnee und Reif sind. Am merkwürdigsten sind wohl die, 
welche durch Zwiebeln und Ableger aus der südlichen Hemi- 
sphäre zu uns gekommen sind: so lange diese ebenso durch 
Zwiebeln u. dgl. fortgepflanzt werden (die so erwachsenden Pflan- 
zen sind ja nur T'heile des ersten aus dem Mutterboden herge- 
brachten Individuums, daher diese’ alle ihre individuellen Eigen- 
schaften immer behalten, während nur der Same die einfache 
Art fortpflanzt — was einer der wichtigsten Grundsätze der 
Pflanzencultur ist), behalten sie auch bei uns ihre natürliche 
Blühzeit bei, z, B. die capischen /xien, Moraeen u. dgl. zu 
Weihnachten: sie feiern das Fest des Frühlings nach demsel- 
ben calendarium, wie ihre Geschwister in der Heimath. Wer- 
den aber solche Gewächse durch Samen fortgepflanzt, d.i. steht 
eine wirklich neue Generation auf, dann richten sie sich gewöhn- 
lich nach unsern Jahreszeiten, wie eine aus fremdem Lande 
eingezogene Person gern Gebräuche und Sitten der Heimath be- 
wahrt, die Kinder aber die des neuen Vaterlandes annehmen. 
Merkwürdig ist es hierbei auch, die grosse Uebereinstimmung 
zwischen den ähnlichen Wirkungen der äussersten Extreme der 
Kälte und der Wärme auf die Pflanzen zu sehen, welche auch 
der feine Instinet, der sich in der Sprache äussert, aufgefasst 
“ hat, indem man (auch im Schwedischen) von der Kälte wie von 
der Wärme sagt, sie brennen (calor, frigus urit). Wie bei 
uns die Natur in der kalten Jahreszeit unter ihrem weissen 
Leichenmantel im Schlummer liegt, so geschieht dies in tropi- 


188 Der Frühling. 


schen Ländern in der heissen; während bei uns gegen. den Win- 
ter die Bäume ihr Laub fallen lassen und zum..Frühlinge- neu 
ergrünen, verlieren es die tropischen gegen ‚die ‚heisse  Jahres- 
zeit und schlagen zu Anfange der Regenzeit, die, eigentlich dem 
Herbste entspricht, wieder aus *). Dadurch wird. der. Begriff der 
Frühlingszeit in der heissen Zone umgekehrt ‚gegen ‚die kalte; 
in der wärmern gemässigten Zone wiederum bleiben die Bäume 
stets grünend. Es liessen sich noch mehrere solche Facta .an- 
führen; wir beschränken uns hier auf nur eins, das wohl nech 
nicht bekannt ist. Die -Flechten sind bekanntlich die Pflanzen, 
deren Leben am zähesten ist, die sich am weitesten gegen ..die 
Gränzen des ewigen Schnees, wo sie eine eigne. Zone ‚oberhalb 
der übrigen Vegetation bilden und auch auf den vom Schnee 
zufällig enthlössten Felsen über ‚der Schneegränze finden; .aber 
ebenso sind es auch die Flechten, die, nach mündlicher  Mit- 
theilung von dem berühmten Ehrenberg, am weitesten in.die 
Gegenden vordringen, wo brennende Hitze alle andre Vegetation 
zerstört. Auf den Gebirgen Lapplands lebt das Bennthier. fast 
ausschliesslich vom sogen, Rennthiermoose,. andrerseits in. der 
libyschen Steinwüste die Antilopen von einer. Purmelia.. Bei 
trocekner und heller Luft verdorrt jede Fleehte, stirbt gleichsam 
ab; ob sie gleich scheintodt, kann das Leben doch eine lange 
Folge von Jahren darin schlummern (viele Jahre bei mir im 
Hause verwahrte verdorrte Flechten erwachten, in die feuchtere 
atmosphärische Luft gebracht, zu neuem Leben); jeder neue 
Regenschauer ist für sie ein neuer Frühlingstag. Doch, wir ka- 
men vom Gegenstande ab: der Bestimmung der: Gränzlinie des 
Frühlings von der Seite des Winters. Sie wird natürlicherweise 
künstlich, wie alle die Gränzen, die wir in der Natur ziehen; 
die Wissenschaft kann aber nur mit Begriffen operiren, welche 
sie selbst festgestellt. Wir dürfen uns hier darauf beziehen, 
was wir in einem besondern Aufsatze bald ausführlich beweisen, 


*) Etwas dem Entsprechendes sehen wir bei den Pilzen, die eigentlich 
im Herbste in Menge erscheinen, deren Vorkommen im Herbste 
aber in ihrer Frucht- und hysterophytischen Natur einen tieferen 
Grund hat. Ihr plötzliches Auftreten in Menge an Stellen, wo 
sie sich früher nicht gezeigt, setzt die Unkundigen gewöhnlich in 
Verlegenheit, daher sie allerlei qualitates occeultae zur Erklärung 
davon suchen; die wahre Sache ist, dass das vegetative System der 
Pilze das ganze Jahr durch im Boden n. s. w. fortlebt, und ihr 
rasches Hervorkommen in solcher Menge nach einigen Regentagen 
im Herbste ist eben so natürlich, wie das Ausschlagen des Laubes 
im Frühjahre nach einigen warmen Tagen. S, unsre Ahhandl. über 
essbare Pilze (öfver ätliga svampar. Ups., 1836.). De ie 


Der Frühling. 189 


däss nämlich Natur und System zwei gerade entgegengesetzte 
Begriffe, wenn der letztere materiell, wie in botanischen Syste- 
men gewöhnlich geschieht, und nicht ideell aufgefasst wird: ge- 
rade so, wie niemand eine Linie so ziehen kann, wie sie defi- 
nirt wird: und sie in der Wissenschaft aufgefasst werden muss. 
Wir nahmen den Anfang des Frühlings beim Hervorkommen der 
wirklichen Frühlingsblumen (denn gewöhnlich liegen sie in ihrem 
Winterlager so vorbereitet, dass nur ein und der andere Früh- 
lingstag zu ihrer Entwickelung nöthig sind,) und beim Schwellen 
der Knospen an; völligen: Frühling haben wir aber nicht eher, 
als wenn das Laub- Ausschlagen beginnt, und wenn dieses voll- 
endet ist, da ist das Ende des Frühlings und der Sommer hebt 
an. Die Gränzlinie zwischen Frühling und Sommer ist bei uns 
viel leichter zu bestimmen, als die zwischen Winter und Frühling, 
weil hier im Norden unter dem harten Streite zwischen diesen 
der noch nieht erstarkte Frühling leicht unterliegt. Und in noch 
nördlichern Gegenden kämpft der Winter noch mit dem Sommer 
um die Herrschaft über die Natur und wird nicht selten der 
Sieger, bis auf den Gipfeln der Hochgebirge und um die Pole 
der Winter Alleinherrscher wird. Aber auch in sein geschloss- 
nes Reich dringt die Propaganda des Pflanzenlebens ein (Proto- 
coecus) und breitet sich aus auf den an der Oberfläche schmel- 
zenden Schneemassen — und wenn Spitzbergens Bergspitzen, 
die innerhalb der Gränzen des ewigen Schnees und Winters lie- 
gen, in Folge ihrer eignen Bildung durch die Stürme von ihrem 
Schneelager befreit werden, vermögen auch die schief auffallen- 
den Sonnenstrahlen, welche nicht selbst und allein die Schnee- 
masse hätten schmelzen können , gegen das Ende des Sommers 
einen kurzen Frühling, eine dürftige Flora selbst vollkommnerer 
Pflanzen hervorzurufen, welchem Frühlinge der Winter unmittel- 
bar folgt. In den Strichen, die jenseit der Gränze der Sträu- 
cher liegen, möchten wir nur zwei Jahreszeiten annehmen: einen 
langen Winter und einen kurzen Frühling (welcher. dort um Mitte 
oder Ende unsres Sommers trifft), auf welchen wieder sogleich 
Winter folgt. 


I. Ankunft und Ausbildung des Frühlings. 


Von jener Erdgegend aus, die im ewigen Sommer ver- 
schmachtet, wandert der Frühling, von der steigenden Sonne 
angeführt, abwechselnd gegen den Nord- und den Südpol. Des 
Menschen Forschungsgeist fragt natürlich zuerst: giebt es Ge- 
setze seines Kommens und Ausbildens? Gewiss. Die grössern, 


A te 


190 Der Frühling. 


‚cosmischen, näml. die aus der verschiedenen Stellung der Erde 
gegen die Sonne, sind bekannt genug; dass sie aber nicht die 
einzigen sind, ergiebt sich eben so offenbar aus ‘den vielen Ab- 
weichungen, die wir darin finden, Aber dass auch‘ diese, wie 
jede Veränderung in der Natur, ‘in einem höheren Grunde ihre 
Verknüpfung haben, ist nieht zu bezweifeln. Indess sind‘ diese 
Gesetze, ungeachtet ihrer Einfachheit und Harmonie, so gross- 
artig, dass, indem wir für unser beschränktes‘ Fassungsvermö- 
gen sie auflösen müssen, wir uns so leicht verwickeln, sowohl 
wenn wir nach unsern Berechnungen mittelst gegebener Formeln 
ordnen wollen, als auch wenn der Knoten nur: mit dem Alexan- 
ders -Schwerte des Genius gelöst werden soll. Der Natur wohnt 
jedoch das grösste Genie inne. 

Diese Momente hat man bisher gewöhnlich durch Thermo- 
meter -Beobachtungen zu ermitteln gesucht; in botanischer Hin- 
sicht ist es aber richtiger, die Gewächse selbst zu Rathe zu 
ziehen, theils weil jene nie ein allgemeines Prineip geben kön- 
nen, (der Wärmegrad, welcher noch hinreicht, die Vegetation 
der aretischen Zone hervorzurufen, würde die tropische töd- 
ten*),) theils weil die Entwickelung der Pflanzenwelt nicht von 
der Temperatur allein, sondern vom Zusammenwirken noch meh- 
rerer andrer Momente abhängt. Wem ist nicht bekannt, wie 
wunderbar ein Frühlingsregen die Frühlings - Flora belebt und 
wie mit einem Sprunge heryorlockt; wie bei trocknem Himmel 


e 


*) Es ist ein nicht ungewöhnlicher Irrthum, dass man die reichere 
Vegetation der ’Iropenländer unr dem höheren Wärmegrade zu- 
schreibt. Die Wüste Sahara zeigt, was dieser allein vermag. Und 
obschon eine reiche Flora wohl hauptsächlich durch die Vereini- 
gung der höchsten Wärme mit dem Niederschlage bedingt wird, 
weshalb America mit seinem dreifach grössern Niederschlage, als 
in der alten Welt stattfindet, auch die reichste Vegetation hat, so 
sind diese Momente doch keinesweges die einzigen, die in Betracht 
zu ziehen sind. Dass wenn, man von den tropischen Ländern aus 
nach den kälteren wandert, sich vier Pflanzenarten verlieren gegen 
eine der man neu begegnet, hal keinesweges seinen Grund in der 
Wärme (denn die Natur bringt eben so gut eigenthümliche. Arten 
in der kalten Zone hervor, wie in wärmeren), sondern in der 
kürzern Vegetationsperiode der kälteren, Der Süden hat schon 
mehrere Blumen - Generationen von Frühlingsblumen. abgeschlossen, 
ehe noch der Frühling nach dem Norden gelangt; die Repräsentan- 
ten derselben werden bei uns Pflanzen des Sommers; des Südens 
Sommervegelation erstreckt sich nie nach dem Norden. Deshalb 
zeigt der Süden niemals seinen ganzen Blumenschmuck so auf ei- 
ner Tafel, wie der Norden; hierdurch kann auch’ eine fruchtbare 
nordische Landsehaft (z. B. Medelpad) im Hochsommer eine rei- 
chere, üppigere Blumenausstellung bieten, als manche mehrfach ar 
tenreichere Länder im Süden auf einmal vermögen. ” 


er 


Der Frihling. 191 


zuweilen alles, selbst während heller warmer Tage still zu ste- 
hen scheint. ‘Die Wirkung der Frühlingsregen ist so überra- 
schend gross, ‘dass man geglaubt hat, die Erklärung derselben 
in der electrischen Spannung .der Atmosphäre, womit sie oft 
verbunden sind, suchen zu müssen. Der Zusammenhang der Pflan- 
zenwelt mit den Zuständen der Atmosphäre ist unverkennbar, 
aber darum sind die Pflanzen selbst empfindlichere Instrumente, 
als öfters künstliche meteorologische. Beide im Verein zu ge- 
hrauchen ist unläugbar am besten; gegenseitig müssen sie ein- 
ander erklären und bestätigen. In Bezug hierauf erlauben wir 
uns zu berühren, dass man jetzt in der Pflanzengeographie (aus 
der Meteorologie) und auch in der Pflanzenphysiologie (in zoo- 
logischen Vergleichungen) zu vielfach Verhältnisse aus verwand- 
ten Wissenschaften heranzieht, ohne seine eignen Mittel, wel- 
ehe Eigenthum und Verdientes sind, während das aus jenen im- 
mer nur Entlehntes bleibt, genug zu benutzen. Dieses sah schon 
Linne ein, dessen eigne Abhandlungen über Blühzeit der 
Pflanzen, über Ausschlagen des Laubes, stets ihren Werth be- 
halten werden, weil sie sich nur daran halten, was in der Na- 
tur seschieht, während Schriften Neuerer, die, zum Leuch- 
ten eigenen Scharfsinns, gewöhnlich danach streben, zu erklären, 
wie und warum es so geschieht, oder sich bemühen z.B. 
an zoologische Verhältnisse anzuknüpfen, mehr ephemere Pro- 
ducte bleiben. Alles, Jagen nach grossen Resultaten vor der 
Zeit, nach höhern Ideen, worin der Zeitgeist schwelgen will, 
ist schädlich; wenn Facta rein und klar ermittelt sind, ergeben 
sich jene von selbst, wie die gereifte Frucht selbst vom Baume 
fallt. — Man beobachte zuerst, in welcher Folge die Frühlings- 
blumen sich entwickeln, zu welcher Zeit die Baumarten ergrü- 
nen: so gewinnt man durch Vergleichung einer Menge gleich- 
zeitiger und gleichartiger Beobachtungen die klarste Einsicht in 
die Gesetze des Vorschreitens des Frühlings. Die bereits auf- 
gestellten (z. B. nach Linne in Schweden von Bjerkander, 
Näzenu. A.) sind für unsern Zweck nicht ausreichend, weil 
es an correspondirenden Beobachtungen zur Vergleichung fehlt *). 


*) [Seitdem erschienen in Schweden Dr. Hartman’s Abhdl. über 
„Entwick. des Frühlings zu Gefle“ in Lindblom’s Bot. Notiser, 
Ahr; 1842, und HER Tom’ s Zusammenstellung der Beobachtun- 
gen Vieler, vom südl. Schw. bis Stockholm etc., in Bot. Not. 
Mai 1844 m. gr, 'Tabb., — th. Uebersetzung, th. Vergleichungen 
nach Beiden (durch B—d.) s. in der regensb. „‚Flora od. bot. Z.“ 
4844 (od. 1845). — Ausser diesen und Schübler’s wichtiger 
Abh. v. 1830 (s. ob.) sind, von früher, zu vergleichen: Hogg’s 


192 Der Frühling. 


Der Erste, der in grösserem Maassstabe gleichzeitige Beobach- 
tungen in Betreff der Entwickelung der Blüthen veranlasste und 
sammelte, war Schübler, welcher einen lehrreichen Aufsatz 
darüber in der „Flora od. bot. Zeitung,“ 1830, Nr..23. mittheilte. 
Zwar finden sich darin viele Anomalien, die theils von örtlichen 
Umständen herrühren, theils Beobachtungsfehlern zuzuschreiben 
sind, aber es ist daraus das Resultat gewonnen, dass. in .der 
Zugordnung des Frühlings, wenn er gegen Norden zurückkehrt, 
[unter den Breiten Mittel-Europa’s] durchschnittlich be# 
rechnet vierTage auf jeden Breitengrad oder etwas über 
21 schwed. Meilen [fast 4 deutsche M.] kommen. . So. blühte z. 
B. der Kirschbaum zu Parma am 12. Apr., in Zürich d. 15: Apr., 
zu Tübingen 24. Apr., Jena 1. Mai, Berlin 16. Mai, zu Greifs- 
wald d. 19. Mai. Hierbei ist zu erinnern, dass (Parma ausge- 
nommen) die südlichern dieser Orte bedeutend höher über dem 
Meere liegen als die nördlichsten, ferner dass zuweilen ein Still- 
stand im Weiterrücken des Frühlings eintritt, während er zu 
andern Zeiten rascher weiterschreitet. | i 
Jenes Resultat ist eigentlich aus dem Verhalten im mittlern 
Europa hergeleitet; aber daraus folgt nicht, dass bei uns völlig 
dasselbe stattlinde, Aus den noch unvollständigen Facten, welche 


Zusammenstellung von Beobb. aus Neapel nach Tenore, von Pa- 
ris und aus England mit denen Linne’s: in Edinb. N. Phil. Journ. 
No. 22, 25, 26 (1834) und daraus in „Flora od. bot. Z.“ 1836, 
S. 145 fl. m. 'Tabb.; ferner, von Göppert: Entwick. von 72 in- 
u. ausländ. Bäumen und Sträuchern im J. 1829 in G’s Buche 
„Wärme - Entwick. in d. Pfl.“ S.267 ff., und Entwick. und Blüh- 
zeit von Bäumen, Str. und Kräutern im bresl. bot. Garten i., J. 
1830 in Act: Acad. N,Cur, XV. (1831) 385—421.; dann: Berg- 
haus, über Veget.-Epochen, nach Hogg’s Zusammenstellung und _ 
nach Beobb. in Sachsen, in Bergh. Almanach f.1840 und daraus 
in Edinb. N. Phil. J. Oct. 1840 — Jan. 1841, p. 182 f.; Daum 
u. Berghaus: Entwick. von Bäumen etc. und Saatzeiten in der 
Mark Brandenburg, in Bergh. Ann. d. Erdk., Apr. 1842; Blüh- 
zeiten etc. in Prof. Plieninger’s vielen Jahresberichten über die 
Witterungsverh, in Würtemberg, z. B. über 1834 in Bergh, Ann 
d. Erdk. 1839, Juli; ferner Schübler’s Dissertt.: Unters. üb. die 
mittl, Zeit der Blüthenentw. mehrerer ... Pfl.in d. Geg.v. Tübingen 
(vorgelegt v. F, J, Beck. Tüb, 1831), und: Beobb. über jährlich 
periodisch wiederkehrende Erschein. im 'T'hier- und Pflanzenreich 
(vorgel. v. H. Werner. 'Tüb, 1831. 35 5. 8. m. 1. Stdrk.). — 
Aus Nord-America unt. and.: Hildreth’s kurzer Pfl.-Ka- 
lender von Marietta in Ohio in Silliman’s Am. Journ. XL. P. 2 
(1841); vonDr. Williams: Blüthenkalender aus Massachuselts, in 
einem der. allerersten Hefte v. Sillim, Am. Journ, um 1820; 
Dease über Getraidebau in hohen Breiten in N.- America, in Ed. 
N. Phil. J. No. 59. (Oct. 1840 —Jan. 1841) p» 123 f.] 
Anm. d. Uebers. 


Der Frühling. 195 


wir gesammelt besitzen, glauben wir indess mit Gewissheit ab- 
nehmen zu können, dass das Weiterschreiten des Frühlings im 
Norden rascher geschieht als in den gemässigtern Klimaten; so 
wie es völlig erwiesen ist, dass die Entwickelung des Frühlings 
in’ den kälteren weit rascher erfolgt, wo Frühling und Sommer 
fast in einander fliessen ; der Grund, wie auch die Gesetze dafür, 
dürften nieht schwer zu finden sein, wenn man bedenkt, wie viel 
rascher und nach der Frühlings -Tag- und Nachtgleiche bedeu- 
tender der Tag gegen die Pole hin sich verlängert. Statt der 
gleichmässigen Progression, die man im mittlern Europa ange- 
nommen, glauben wir gegen den höhern Norden hin eine’in dop- 
pelter Hinsicht beschleunigte annehmen zu können. Denn: durch 
mehrjährige Beobachtung der Vegetation zu Lund und zu Up- 
sala haben wir gefunden, dass d. 24. Juni—1. Juli, je nach der 
verschiednen Zeitigkeit des Frühlings, die Vegetation in Scho- 
nen und in Upland gleich weit vorgeschritten war, obgleich 
nicht bloss die südlichere Lage, sondern auch andre örtliche 
Umstände bewirken, dass zu Lund der Frühling im Ganzen 
zwei Wochen früher anfängt, als um Upsala; dass aber, nach- 
dem die eigentliche Frühlingswärme begonnen, der Pflanzen- 
wuchs immer mehr beschleunigt wird je weiter man nordwärts 
kommt *). 


*) Der Roggen schosst in Schonen wenigstens 14 Tage früher als in 
Upland, wird aber ungefähr zu gleicher Zeit geärutet, ‘Die Ger- 
sie reift in Lappland in doppelt kürzerer Zeit als in Upland, Dass 
letztere Getraideart auch in Schonen in kürzerer Zeit reift als in 
Upland, kommt nicht von grösserer Wärme her, denn die Mittel- 
T emperalur des Juli ist zu Lund und Ujsala gleich, sondern da- 

‘von, dass in Schonen die Gerste erst Anfang Juni’s (in Upland aber 
so zeilig als der Boden bearbeitet werden kann), gesäet wird; also 

in der Zeit, wo das Pflanzenwachsihum am raschsten vorwärts ge- 
trieben wird, 

[Aus den schwedischen 'Tabellen (s. vor. Note) g!aubte der 
Uebersetzer , unter Absehung von den vielen Anomalien, ein Wei- 
ierschreiten der Blühzeit um 1 Breitengrad in 22 Tagen im südli- 
chen bis ins mittlere Schweden (durch. 4 Breitengr., übrigens in 
nordöstl. Richtung) abnehmen zu können, im: mittlern Schweden 
(bis Gefle) vielleicht 4° in kaum 2 Tagen, NB.nach dem Durch- 
schnitte aller beobachteten Pflanzen, während bei einzelnen Pf. 
das Weiterrücken ihrer Blühzeit dehh: verschieden ist, bei manchen 
fast bis zur Gleichzeitigkeit durch mehrere Grade — wie schon 
Schübler (südlicher), wo im Mittel aus vielen Pfl. 3,05 "Tage 
Verspätung auf 1° Breite sich ergab, bei einzelnen Pfl. dies 
Verspäten, die Zeit des Weiterrückens um 1° Breite, sehr ver- 

” "schieden fand: von 1,85 'Tag (bei Ribes Grossularia) bis 6,33 


Tage (bei Orchis Morio) auf 4 Grad Breite in Mittel. - Europa.] 
Zus. d. Uebers. 


194 Der Frühling. 


Doch ausser diesen Thatsachen, welche zur Annahme einer 
Beschleunigung im Weiterrücken des Frühlings gegen Norden 
führen, giebt es innerhalb. der drei grössern phytogeographischen 
Landstriche, in; welehe wir. die Küsten- Provinzen Schwedens 
nach den ‚drei sie umgebenden grössern Meerbecken!'eintheilen, 
viele eigne Verhältnisse, ‚die wohl der. Betrachtung, werth sind, 
Jeder derselben, nämlich. der, Strich der Nordsee, der:.det; Ost- 
see und der des bottnischen Meerbusens, zeigt seine bestimmten 
Verschiedenheiten, nicht bloss hinsichtlich der um jedes dieser _ 
Meere vorkommenden Pflanzen, sondern fast noch mehr im:«i- 
senthümlichen Charakter seiner ganzen Vegetation. ‚Der ‚Strich 
an der Nordsee hat eine dürftige Frühlings -; aber reiche: Herbst- 
Flora ; besonders ist er, ‚vermöge seiner milden Winter,‘ zärtli- 
chern Bäumen noch zusagend, ebenso peremnirenden ‚Pflanzen 
(Cucubalus maritimus: bekommt daselbst einen fast strauchartigen 
Stamm), und im Ganzen der Stolonenbildung in der: Nähe des 
Meers. Die Küsten der Ostsee haben vorzugsweise Frählings- 
vegetation und grössern, Reichthum an. einjährigen Pflauzen; 
der Strich am bottnischen Meerbusen eine mehr .cencentrirte 
Sommer -Flora mit freudiger Blattbildung. Dass ein und dasselbe 
Meerbecken viel dahin wirkt, Wärme und Frühling um seine 
Küsten ziemlich gleich zu vertheilen, erleidet keinen Zweifel. 
Hieraus erklärt sich auch die mehr gleichzeitige Ausbildung des 
Frühlings innerhalb desselben Striches. So ist z. B. der Unter- 
schied zwischen der Ankunft des Frühlings zu Stockholm und zu 
Gefle grösser, als er der Entfernung nach sein dürfte, weil er- 
steres noch an der Ostsee-Küste, letzteres am bottnischen 
Meerbusen liegt. Dagegen kommt an letzterem Meerbusen in 
manchen Jahren zu dessen nördlichen Küsten der Frühling eher 
als an seine südiicheren, je nachdem das Meer im Frühjahre 
sein Eis hier oder da am Strande absetzt. Dergleichen Umstände 
verdienen genaue Beachtung beim Beurtheilen der. spätern oder 
frühern Ankunft des Frühlings. Ä 

Um nun dem Wahren oder Normalen näher zu kommen, be- 
dürfte es überall eines Mittels aus mehrjährigen Beobachtungen 
über das Aufbrechen der Frühlingsblüthen, wenigstens zehnjäh- 
riger für jede Hauptstation; aber die Zeit dürfte noch fern sein, 
wo Solches gewonnen wäre *). In Ermangelung: derselben muss 


*) Ueber die ersten Frühlingsblumen machte ieh zu Femsjö durch 
41 Jahre, von 1820 bis 1834, Aufzeichnungen, welche das bald 
folgende Mittel ergeben. Dabei ist indess zu bemerken, dass für 
drei Jahre Lücken darin sind und dass dieses eben späte Jahre ge- 


Der Frühling. 195 


man sich unterdess‘mehrerer correspondirenden, doch aus dem- 
selben Jahre, bedienen. Hierbei ist aber nöthig, sich über ge- 
wisse gemeinsame Grundsätze zu einigen, wie, das Blühen eines 
Krautes oder das Ausschlagen eines Baumes mehr im: Allgemei- 
nen ins Auge zu fassen, als einzelne Ausnahmen in zufälligen 
Localitäten. So pflegt eine Art an einer gegen Süden gekehrten 
Mauer oder an somigen Felsen stets früher auszuschlagen und 
zu blühen:als normal; nach solchen Exemplaren ‘darf man sich 
aber wenig richten. : Das Laubausschlagen ist sowohl leichter zu 
beobachten, als auch sogar sichrer,, weil es besser in Masse zu 
betrachten ist und viel weniger von ’solehen örtlichen: Einflüssen 
berührt witd. -Wie die Verschiedenheit der Baumvegetation die 
verschiedentliche Physiognomie ganzer Länder am meisten be- 
dingt *), so ist auch das Ausschlagen des Laubes das Moment, 
welches das Aussehen der ganzen Natur in unsern nördlichen 
Ländern: umwandelt. Wie verschieden z. B. die Krone der aus- 
gebreiteten Buche (patula Fagus) oder auch unsrer nordischen 
Birken an’ einem Frühlingsmorgen und einem Wintertage! Da- 
'&egen ist 2. B: in den Nadelholzwäldern am Nissastig, wo der 


wesen, dagegen die“ Frühjahre in den 18%»er Jahren im Ganzen 
ungewöhnlich zeitig eingetroffen, wonach dieses medium alles ein 
paar Tage zu früh angeben dürfte Galanthus ds 16. März, 
Corylus 28. März, Eriophorum vaginatum 3. April, Salix acuti- 
folia 5. April, Pulsatilla vernalis ı. Apr., Draba verna 10.Apr., 
Chrysosplenium alternif. 12. Apr., Empetrum 44. Apr. Mitte 
Aprils wurden diese Beobachtungen alle Jahre abgebrochen. _ 

*) Schon die zwei Typen, Nadel- und Laubhölzer, die uns au 
gehören und bei deren letzterem der der Buche als eigne Unterart 
2u unterscheiden ist, geben ja einem jeden Landstriche, den sie 
"bekleiden, ein eigenihümliches Ansehen; Noch mehr in die Ausen 
fallend ist aber diese verschiedene Physioguomie in den immerwäh- 
rend grünenden Laubwäldern von Myrien, Lorbeer in den tempe- 
firten ‘Ländern, oder von Proteen, Eucalypten und unzähligen 
'kleinblättrigen rutlieuartigen Strauchgewächsen in Neuholland, — 
und am meisten die ciner tropischen Landschaft, wo der Palmen 
einfache Blätterkronen von Ricsenstänmen gelragen stehen oder 
baumstämmige Kräuter und Farne von Lianen zu einem undurch- 
dringlichen Dickicht umschlungen werden, und endlich die sensibeln 
Mimosa-Wälder mit ihrem feinen ins Unendliche zusammengesetzten 
Laubwerk. Diese sind dem Nadelholzwalde mit seinem düstern, 
empfindungslosen Ernste ‘unter ‚allen am meisten entgegengesetzt: 
die luftigen federartigen Mimosa- Wälder zeigen die höchste Irri- 
tabilität; die während ihres periodischen Schlafes und Weachens 
sich zusammeulegenden oder ausgebreiteten Blätter geben ihnen 
nach den verschiedenen Stunden des Tages und der Nacht eine völ- 
lig'so verschiedne Physiognomie, wie die unsrer Laub- und Nadel- 
'holzwälder; bei einem Kanonenschusse ändert sich ihr ganzes An- 
sehen und vom Hufschlage eines dahineilenden Rosses geräth der 
sanze Wald in die heftigste Bewegung. 


196 Der Frühling. 


Boden nur mit Flechten bedeckt ist, die Natur an 'einem trüben 
Sommertage eben so öde und düster, wie an einem milden Win- 
tertage. — Uebrigens hängt das Laubausschlagen mehr von der 
Temperatur ab, als die Mehrzahl der Kräuter. Das Ausschlagen 
der Bäume fordert für jede Art einen zu ihrer Ent- 
wicklung bestimmten Wärmegrad. Dieser wird nicht 
durch niedrigere, wenn nur noch milde, Temperatur ersetzt, wie 
es beim Wachsthum der meisten Kräuter der Fall ist. Hierdurch wird 
es so nothwendig, den Unterschied in der Vertheilung der Wärme 
zwischen Tag und Nacht zu beobachten. - Warme Tage mit kal- 
ten Frostnächten halten, wie bekannt, das Fortschreiten des 
Frühlings mehr zurück, als eine gleicher :vertheilte Wärme. 
Wir kennen ‘kaum einen Umstand, der für die Vegetation so 
zerstörend wäre, als Nachtfrost nach einem warmen Tage; nur 
ein unmittelbar darauf fallender Regen kann den Schaden davon 
etwas heilen. Frostnächte im Frühjahre beim Blühen: der Obst- 
bäume zerstören ihre Befruchtungsorgane, welche Theile vor ‘allen 
am empfindlichsten gegen die Kälte sind, und dadurch wird das 
Kruchtansetzen verhindert. Allgemein leitet: man dieses Fehl- 
schlagen von Regnen in die Blüthen her; dies stimmt aber nicht 
mit unsrer sichern Erfahrung überein. Ungeachtet heftiger Re- 
genschauer in der Blüthe haben wir Obstbäume reichlich Frucht 
ansetzen sehen, wenn nur Nachtfröste während der Zeit aus- 
blieben; das Umgekehrte aber geschah beim Eintreten von 
Nachtfrösten. Niemals giebt der Haselstrauch, wenn er durch 
warme Sonnenscheintage mit Frostnächten zu 'zeitigem Blühen 
selockt wird, darauf Früchte; reichliche dagegen, wenn sein 
Blühen später trifft, nachdem die schwerern Frostnächte vorüber 
sind, wenn auch die Tage regnig ausfallen. Roggen*), Wach- 
holder u. s. w. stehen unter Regenschauern am besten in Blü- 
the. Dass aber Blühen und Fruchtbarkeit eines: Jahres auch 
einem wesentlichen Theile nach vom Wetter. des vorangegangnen 
Jahres abhängt, was man gänzlich übersehen hat, werden wir 
weiter hin mit bestimmten Thatsachen erhärten. 

Die ungleiche Ordnung, in welcher die Pflanzen an verschie- 
denen Orten blühen und die Bäume ausschlagen, verdient gleich- 
falls besondre Aufmerksamkeit. Aber leider haben wir darüber 


*) Der Befruchlungsprocess des Roggens, die Bestäubung, ist eine in 
hohem Grade merkwürdige Erscheinung. Obgleieh die Aehren 
durch mehrere lage successiv hervorschossen, findet man doch fast 
in einem Moment das gauze Feld in Blüthe, die rasch vorüber geht. 
Freunde von Analogien können darin eine Aehnlichkeit mit der- 
Föcundalion mancher Fischarten finden, 


Der Frühling. 197 


gar zu wenige völlig beweisende Facta um daraus allgemeinere 
Resultate zu ziehen. Manche dürften von eigen abweichenden 
Jahrgängen oder die Angabe derselben von Schreibfehlern her- 
rühren. Was man in diesem Punkte aufgezeichnet, habe ich 
nicht einmal bei uns übereinstimmend gefunden. Eben indem 
ich dies schreibe, öffnen hier gleichzeitig die Rosscastanie und 
die Obstbäume ihre Blüthen und schiesst der Roggen in Aeh- 
ren. Fast alle diese Beispiele sind solche von eultivirten Ge- 
wächsen und Abweichungen unter diesen sind leicht aus ver- 
schiedner Säezeit zu erklären. 

Ehe wir weiter fortfahren , erfordert es nicht allein die Bil- 
liskeit, sondern auch der eigne Vortheil unsers Aufsatzes, auf 
Linne’s Bearbeitung dieser beiden Gegenstände zu kommen, 
die unläugbar das Wichtigste ist, was bei uns bisher zu Beant- 
wortung von hierher gehörenden Fragen geschehen. Ueber das 
Weiterrücken des Laubausschlagens gegen Norden giebt Lin- 
ne’s Vernatio arborum so reiche Materialien, dass kaum grosse 
Nachlese zu erwarten zu sein scheint, und nur mehrjährige Ver- 
gleichung zu gewinnen. Ein und das andre Datum fordert auch 
offenbar Berichtigung, z. B. dass Ribes Grossularia- zu Gothen- 
burg d. %, auf der Insel Tjörn in Bohuslän aber, obgleich diese 
nur ein paar Meilen davon liegt, erst d. 2 ausgeschlagen sei, 
u. s. w. Durch Linne’s angeführte Schrift ist für das Ausschla- 
gen des Laubes der gewöhnlichern Bäume die Ordnung bereits 
bestimmt, welche, nun da man sie kennt, solchen Anomalien in 
den Beobachtungen in der Folge vorbeugen muss. Wir führen 
sie deshalb hier an: 1. Sumbucus racemosa. 2. Lonicera [Xy- 
losteum]. 3. Fibes Grossularia. 4. Bibes rubrum. 5. Spiraea 
salieifolia. 6. Prunus Padus. 7. Evonymus europaeus. 8. Po- 
tentilla fruticosa. 9. Sambucus nigra. 10. Ligustrum vulgare. 
11. Sorbus aucuparia. 12. Salix (die Art etwas unbestimmt). 
13. Alnus glutinosa. 14. Hippophae rhamnoides. 15. Pyrus 
Malus. 16. Prunus Cerasus. 17. Viburnum Opulus. 18. Betula 
alba. 19. Corylus Avellana. 20. Ulmus campestris. 21. Rosa 
canina. 22. Prunus domestica. 23. Prunus spinosa. 24. Rham- 
nus cathartica. 25. Rhamnus Frangula. 26. Tilia europaea. 
27. Fagus sylvatica. 28. Sorbus scandica. 29. Populus tremula. 
30. Acer platanoides. 31. Quercus Robur. 32. Fraxinus excel- 
sior *). 


*) Wir übergehen hier die Abweichungen, die wir beobachtet haben, 
und unterlassen es: Zusätze zu machen. Wir bemerken nur, dass 


14 


198 Der Frühling. 


Schon diese Tabelle, welche auf einer Menge gleichzeitiger 
Beobachtungen von Schonen bis Lappland ruht, gewährt meh- 
rere wichtige Resultate ausser denen, die Linne selbst daraus 
zieht. Sie bestätigt hinreichend unsre. bereits vorgebrachten 
Bemerkungen über das successive Weiterschreiten des Früh- 
lings gegen Norden, und zugleich, wie in der Entwickelung des- 
selben alles immer mehr beschleunigt wird, je näher es der 
Gränze des Sommers zu geht. So beträgt z.B. der Unterschied 
zwischen der Zeit des Ausschlagens des Johannisbeer- 
strauchs in Schonen und der in Lappland 45 Tage, bei der 
Espe aber, welche unter die zuletzt ausschlagenden gehört, 
nur 16 Tage. Und ganz zu Anfange des Sommers [im Sinne 
des Verf., s. ob.] bei vollendetem Ausschlagen der Espe, ist der 
Unterschied fast a es steht aufgezeichnet für Kalmar: ; 
d. 21. Mai, für Öland d. 22 „April“ (gewiss Schreibfehler statt 
Mai), für Upland den 23. Mai, für Finnland den 26. Mai. Was 
der nordische Frühling an Zeit verloren, das gewinnt eran Kraft. 

Linne’s Calendarium Florae enthält noch mehr grossartige 
Grundzüge der Entwickelung der ganzen Vegetation nach den 
Jahreszeiten, wie sein Horologium Florae der des Blühens nach 
den Stunden des Tages. Die Physiologie unsrer Zeit hält sol- 
che Dinge für ihrer Aufmerksamkeit wenig werth, weil sie lang- 
wierige Auhaltepite Beobachtung des Lebens in seiner Selbst- 
thätigkeit erfordern und diese Erscheinungen sich nicht aus me- 
ehanischen Gesetzen deduceiren lassen, sondern aus dem Wesen 
des individuellen Lebens abgeleitet werden müssen; aber gerade 
diese Fragen halten wir für die wichtigsten für die Biologie. 
Da indess die Beobachtungen, wonach jene entworfen sind, nur 
von einem einzigen Jahre und von einem Orte herrühren, ohne 
eorrespondirende gleichzeitige Beobachtungen, so können sie 
im Speciellen nicht von besondrem Gewichte werden *), sondern 
nur ein Muster zur Nachfolge. Ersteres sagt auch Linne selbst, 
indem er zugleich auf die Wichtigkeit der Sache für Land- und 


die Spalte für Salix bei Linne, da sie von verschiedenen Arten 
silt, unsicher ist, und dass Sambucus nigra, Acer platanoides 
u. a. elwas zu weit hinausgerückt sind. 

*) Gewiss sind diese vom Respondenten aufgezeichnet, da Irrthümer 
darin vorkommen, die man unmöglich Linne anrechuen kann, z.B. 
Blühen des er an vaginatum nach Pedicularis palustris, Plan- 
tago media u. dgl. In der ganzen Anordnung aber und vorzüglich 
in “der ideellen eemen und in der Eintheilung des Jahres in 
Vegetations - Monate erkennt man leicht Linne’s systematischen 
Scharfsinn. 


Der Frühling. 199 


Gartenbau aufmerksam macht*). Das Ganze ist dabei so mit 
geistreichen und treffenden Bemerkungen durchwebt, dass es 
überall bei offnem Natursinne Anklang finden muss. Wir können 
nicht unterlassen, seine Eintheilung des Jahres in botanische 
Monate für den Horizont von Upsala nach dessen Vegetation 
hier mitzutheilen, obgleich eigentlich nur die Stufen des Früh- 
lings (welcher übrigens hier länger ausgedehnt wird) zu unserm 
Gegenstande gehören. 


I. Winterzeit (Glaciatio), von der Winter-Sonnenwende 


bis zur Frühlings-Tag- und Nachtgleiche. (,„Ovum, 
hyalina , incipit.“) 


1. Eisaufgang (Regelatio), vom Anfang des Schnee- 


schmelzens bis zum Eisgange der Flüsse. (,‚Embryo, 
alba, reviviscit.“) 


Ill. Säezeit (Germinalio),, von der ersten Blume bis zum 


ersten Ausschlagen eines Baumes. (,Infantia, pallida, 
prodit.‘) 

Laubausschlagen (Frondescentia), vom Anfange des 
Ausschlagens bis zu dessen Beendigung. (,,Pueritia, vi- 
ridis, caulescit.‘‘) 

Blühzeit (Florescentia), von der ersten Roggenähre 
bis zum Blühen des Roggens. (,Adolescentia, puwrpu- 
rea, floreseit.‘‘) 


VI. Fruchtansatzzeit [schwed.: Karttiden] (Grossifica- 


tio), vom anfangenden bis zum aufhörenden Blühen des 
Sedum acre. („Juventus , rubra, defloreseit.“) 


VI. Heuärntezeit (Maturatio), vom anfangenden Blühen 


des Sedum album bis zu dem der Scabiosa Succisa. 


6. Virilis, fulva, fructificat.“) 


) 


„Dum plura ejusmodi Calendaria variis locis et regionibus uno 
eodemque anno conficiuntur, facile erit ex hisce florum generibus 
eorumque florescenlia, uli eliam ex vernalione arborum colligere, 
quae differentia unius regionis climatis ab altero et quare plantae 
ex climate meridionali allatae apud nos non raro vix ad frugem 
perveniunt, e boreali vero facillime. Botanici et Pharmacopolae, 
quorum est plantas sub ipsa florescentia legere, hoc modo praescire 
queunt, quo anni tempore hanc vel illam plantam colligere datur 
in suo ornatu. Ex hortorum plantis intelligere possunt, quaenam 
in pratis el campis eodem temporis articulo florent. Paucis hisce 
et similibus Calendariis niti et inaedificari debet ita dieta Practica 
rustica vulgi, quae huc usque fundamento nimis lubrico abiit, se- 
cundum haec prineipia in idem fastigium evchitur, ut illa haud 
facile bonus Oeconomus destitui queat. Hinc agricola scire tandem 
poterit justum et aplissimum temporis articulum, quo sua feliciter 
peragere potest.‘“ 


200 Der Frühling. 


VII. Aerntezeit (Messis), vom beginnenden Blühen der 
Scabiosa Succeisa bis zu dem des Colehicum. (,Con- 
sistens, flava, maturat.‘“) | 
IX. Fruchtzeit (Disseminatio), vom ersten Aufblühen des 
Colehieum bis zum Fortziehen der Schwalben. („Ef 
foeta, livida, dispergit.“‘) | 
X. Laubabfallen (Defoliatio) oder vom Anfange*) bis 
zur Beendung desselben. (,Senecta, obsoleta, tabescit.“) 
Xl. Nasse Zeit [schw.: Slasktiden ] (Congelatio ), vom 
Ende des Laubabfallens bis zum letzten Grünen eines 
Krautes. (‚Decrepita, fusca, cadit.“) 
XH. Eismonat (Bruma), vom letzten Grün bis zum Win- 
ter - Solstitium. (,„Mors, atra, perit.‘“‘) 

Man bedenke, dass dieses Calendarium für den Horizont 
von Upsala gilt; auf das südliche Schweden passt es nicht in 
allen Theilen, eben so wenig auf das nördlichste. Aber Jeder- 
mann erkennt leicht, wie interessant es wäre, mehrere der Art 
zu besitzen, nicht allein unter verschiedner Polhöhe, sondern 
mit Rücksicht auf östliche und westliche Lage der Länder, so 
wie auf die Höhe über dem Meere: ;hierüber im folgenden Ca- 
pitel. Wir erwähnten schon oben, dass man in Schonen oft das 
ganze Jahr hindurch Blumen auf dem Felde hat, u. s.w. Die 
(schmelzende) Mittagssonne [schw.: dagsmedja], welche für 
Upsala erst zum '° aufgezeichnet steht, schmelzt dort bei ruhi- 


*) Hierzu ist zu bemerken, dass wenn Linne sagt: „a casu primae 
arboris foliorum,‘“ die Ahlkirsche (Prunus Padus) auszunehmen 
ist, indem diese noch früher anfängt, ihr Laub fallen zu lassen. 
— Ein andrer bemerkenswerther Umstand beim Laubfalle ist die 
veränderte Farbe, welche das Laub vor dem Fallen annimmt: ge- 
wöhnlich wird es gelb, bei andern Bäumen roth z. B. bei Eber- 
esche, Ahus, bei noch anderen braun, so bei Evonymus. [Vgl.: 
Bot. Jahresb. üb. 1837, 8. 269 ff., n. Mohl und Berzelius.] Das 
Abfallen selbst kommt übrigens nicht, wie man gewöhnlich glaubt, 
vom Froste her, sondern hat einen innern Grund im Erlöschen der 
Lebenskraft. Dies erkennen wir deutlich theils daraus, dass, wenn 
das Laub im Frühjahre spät ausschlägt, es auch im Herbste früher 
abfällt, iheils daraus, dass es fast zu derselben Zeit auch bei den 
Bäumen abfällt, die in Gewächshäusern stehen und nicht der Kälte 
ausgesetzt sind, während dagegen die Bäume, die ihrer Natur nach 
beständig grün sind, wohl vom Froste getödtet werden, aber nicht 
ihr Laub verlieren. Vor einigen Jahren fiel hier zu Upsala frühe 
Kälte mit häufigem Schnee ein, aber Populus pyramidalıs, wel- 
che spät ihr Laub abwirft, stand die ganze Zeit über vollbelaubt 
da; erst später bei eingetretenem mildem Wetter fiel das Laub zur 
gewohnten Zeit. Manche junge Bäume mit starker Lebenskraft, 
lassen nicht im Herbste das Laub fallen, z. B. junge Buchen, son- 
lern dasselbe bleibt vergehend bis zum Frühjahre sitzen. 


Der Frühling. 201 


sem Wetter den ganzen Winter hindurch den Schnee, so oft 
die Sonne scheint. Da Linne für Upsala angiebt, dass erst d. 
3 die Steine vom Eise frei werden, so nimmt man gewöhnlich 
an, dass im südlichen Schweden dieses schon im Februar ge- 
geschieht (,,Matis kastar heta stenen“ [Matthias wirft mit heis- 
sem Stein, st. unsers: Matthais bricht Eis]). Linne’s dritter 
Monat, welcher zu Upsala erst weit im April anfängt, beginnt 
in Sehonen, nach dem Blühen des Galanthus berechnet, ge- 
wöhnlich zu Ende Februars. Bei genauer Vergleichung bieten 
sich eine grosse Menge abweichender Verhältnisse dieser Art 
dar. Hier erwähnen wir nur, dass Linne’s fünfter Monat in den 
Strichen des Landes , wo nur Sommerroggen gesäet wird, nicht 
nach der ersten Kornähre bestimmt werden kann. Dass unter 
den Ideen Linne’s Manches vorkommt, was nur Hypothese ist *), 
lässt sich nicht bestreiten; aber dies sind ahnungsvolle Blicke 
in die Zukunft der Wissenschaft, wo sie ihre völlige Erklärung 
und Bestimmung finden werden. Wir gehören nicht zu Denen, 
die alle Hypothesen, auch wenn diese für ihre Zeit Licht und 
Leben über die Wissenschaft verbreiten, verwerfen, (die absolu- 
ten Widersacher derselben werden gewöhnlich selbst unwissent- 
lich von noch crasseren Vorurtheilen geleitet); vielmehr glauben 
wir, dass, so lange die Wissenschaften fortschreiten, auch jenen 
Leitsternen auf der Bahn der Forschung gefolgt werden muss, 
und dass, wenn jenes Seher - Vermögen nicht für die Perfectibi- 
lität des Menschen nöthig gewesen wäre, es diesem nie wäre 
verliehen worden; so wie wir überzeugt sind, dass wenn auch 
die Beschränktheit gewisse Forschungsarten verwirft und aus 
Eigenliebe herabsetzt, diese doch gerade durch ihr Dasein 
ihre Nothwendigkeit am besten beweisen. Man vermenge aber 
nicht was man auf verschiedenen Wegen gefunden hat, und am 
wenigsten stelle man Hypothesen (auch wenn sie mit der Be- 
nennung höherer Ideen geadelt werden) als etwas Höheres über 


——_. 


*) Hierher gehört auch Linne’s Erklärung der öfters, tbeils im Früh- 
linge, theils im Sommer, eintretenden Nachtfröste. Linne leitet 
diese sämmtlich aus Lappland her: diejenigen, welche oft gegen 
das Ende des Laubausschlagens stattfinden („frigus plumbeum“ L.), 
erklärt Linne aus dem Aufthauen des Bodens in Lappland; die 
aber um Johannis (,, rigus aeneum“ L.) aus dem 'Thauen auf den 
Gebirgen Lapplands. Eben so werden die ersten Frostnächte im 
Anfange des Herbstes, oder in der Fruchtzeit den dann wieder zu- 
sefrornen lappl. Gebirgen zugeschrieben: doch so, dass alle diese 
Frostnächte nicht mit den in Lappland treffenden gleichzeitig wä- 
ren, sondern allmählig südwärts fortschritten und daher zu Upsala 
um acht Tage oder mehr später einträten. 


202 Der Frühling. 


Forschung oder Thhatsachen ; man suche nicht die Resultate der 
letztern durch Erklärungen den ersteren unterzuordnen oder 
sanze Untersuchungen nur zu Bestätigung der Hypothesen allein 
hinzuleiten. Nur wenige Dinge sind schwerer zu lehren als 
richtiges Beobachten ; Manchen wird dieses zu nichts Anderenı, 
als einem Meinen, und darum halten die Meinenden ihre Mei- 
nungen für eben so gut, als die wahre und reiche Erfahrung 
Anderer. Niemand unterschied genauer das Objective und das 
noch Subjective, als Linne; daher folgte Linne z. B. dem 
künstlichen Systeme, als dem einzigen, welches objeectiv 
dargestellt werden könne, wobei er aber klar einsah, dass es 
einem natürlichen weichen müsse, wenn dieses sich zur Objeeti- 
vität erhöbe und nicht bloss ein subjectives Zusammenpassen 
ähnlicher Formen wäre. Dasselbe finden wir auch in den für 
unsern jetzigen Zweck so wichtigen Abhandlungen, durch wel- 
che Linne für die Forschungen unsrer jungen Botaniker *) ein 


*) Nicht ohne Grund können diese klagen, dass, wie im alten Europa 
alles Land vergeben, so in der speciellen Botanik, das ganze Ter- 
rain, wohin sie sich auch wenden, von einheimischen Autoren schon, 
beherrscht sei, so dass es für sie weit schwerer sei, sich einen 
Namen zu machen, als in der Zoologie, die bei uns noch (mit 
Ausnahme der descriptiven Entomologie) eine fast neue Wissen- 
schaft sei, in welcher es, wie in America, noch grosse unange- 
baute Striche in Besitz zu nehmen gebe, in welcher sich auch noch 
keine Aristocratie ausgebildet, sondern alle für sich Magnaten wer- 
den, — und dass die auftretenden jüngern Botaniker, mit den Zoo- 
logen verglichen, zu kurz kämen. Dieses ist indess etwas 'Tem- 
poräres, welches sich mit der Zeit ändern wird, da die Zoologie 
eben so sehr bearbeitet wird, als die Botanik. In letzterer, als 
einer in Schweden schon alten, ansässigen Wissenschaft, wo man 
nicht durch Einführung oder Anwendung der ausser Landes gemach- 
ten Fortschritte der Wissenschaft oder durch einzelne Beobachtun- 
gen zur Ergänzung der ausländischen generellen Werke beitragen 

“kann, ist es [in Schweden | viel schwerer, Celebrität zu erlangen ; 
aber man vergesse dabei nur nicht, dass es nicht minder verdiensi- 
lich ist, das schon Bestehende zu conserviren, und dass es nicht 
weniger.Änstrengung erfordert, die Botanik im Vaterlande Linne’s 
nicht- verfallen zu lassen. Es war ein nicht geringes Glück, dass 
Linne eine ganze Schule in Schweden hinterliess; verkennen wir 
nicht.ihren Werth deswegen, weil sie nicht 'Traumbildern unsrer 
Zeit und blosser Celebrität nachjagte; es war ihr Ehre genug, dass 
sie Linne’s Lehren unter uns erhielt. Ganz ungereimt wäre aber 
‚das Vorgeben, dass die Botanik deshalb abgeschlossen wäre, dass 
ihr nichts mehr zu tihun übrig bliebe. So urtheilte man schon 
vor einigen ‚Decennien von der Astronomie, und gerade darauf be- 
gannen die grössten Entdeckungen. ‘Solches Verzagen ist ein Sym- 
. ptom schon eingetretener WVinterkälte, aber in dem Maasse, als 
‘ der Frost des Egoismus abnimmt und die Wärme der Liebe zur 
lebenden Natur steigt, wird ein neuer schönerer Frühling der Wis- 


Der Frühling. 203 


reiches und das passendste Feld eröffnete. Wir kennen, wie im 
Gesagten angedeutet worden, wohl die allgemeinen Gesetze der 
Ankunft und Ausbildung des Frühlings, aber im Speciellen bleibt 
noch unendlich viel zu thun. 


2. Verschiedenheit des Frühlings in verschiednen 
Localitäten und in verschiednen Jahren, 


Auch in Ländern von gleichem Abstande vom Aequator, 
selbst mit gleicher Mitteltemperatur, giebt es mehrerlei örtliche 
Verhältnisse, welche früheres oder späteres Anfangen des Früh- 
lings, so wie raschere oder langsamere Entwickelung desselben 
bewirken oder Einfluss darauf haben. Die wichtigsten davon 
sind: | | 
1. Höhe über dem Meere und davon abhängige Ab- 
nahme der Temperatur. Es ist bekannt genug, dass wenn am 
Fusse der Gebirge völliger Sommer blüht, auf ihren Gipfeln 
noch der Winter herrscht; dass man auf grössern Höhen eines 
Berges, die Blumen noch nicht hervorgetrieben findet, die im 
Thale darunter schon Frucht angesetzt haben; es fehlt aber 
noch an bestimmten Beobachtungen auf unsern schwedischen 
Gebirgen , wie lange Zeit zum Aufsteigen des Frühlings, z. B. 
um je 1000 Fuss, auf dieselben erfordert wird. Offenbar muss 
dieses besonders auf unsern nördlichen Gebirgen rascher ge- 
schehen als in Süd-Europa, wo die Nächte länger sind und die 
Abwechslung in der Temperatur deshalb grösser ist Aus die- 
sem Grunde ist der Abstand zwischen der Schneegränze und 


senschaft heraufziehen, und dass alsdann eine herrliche aussichtsrei- 
che Zukunft der Botanik harrt, ist unzweifelhaft. Europa’s Bota- 
niker werden dann ermüden, der ganzen Welt Special - Registraio- 
ren zu sein, die Wichtigkeit der systematischen Botanik in das 
Beschreiben getrockneter Fragmente exotischer Gewächse zu setzen, 
um sich mehr an das Generelle und das Specielle zu halten, das 
ihnen selbst am nächsten liegt. Soll die Pflanzen-Physiologie 
wirkliche Selbstständigkeit gewinnen , muss sie vom Pflanzenleben 
selbst, und weder von chemischen Erklärungen allein, noch von 
zoologischen Analogien ausgehen; die ganze Geschichte, von Em- 
' pedocles Zeiten an, zeigt den schädlichen Einfluss, den die letzte- 
ren auf jene ausgeüht. Die schwedischen Botaniker, welehe mehr, 
als die anderer Länder, in der freien Natur leben, sind, so glau- 
ben wir, vorzugsweise berufen, Linne’s Wissenschaft in 
dieser lebendigen Richtung fortzusetzen. Geben wir aus Nachah- 
mungslust diese für uns natürlichste Bahn auf, so verlieren die 
Schweden sicherlich allen ihren Einfluss auf die Wissenschaft. 
Der Zweck des gegenwärtigen Aufsatzes ist eben, unsern jJüngern 
Botanikern die erste Stufe auf dieser Bahn anzudeuten. | 


204 Der Frühling. 


der Strauch- und der Baumgränze, so wie der-Abstand zwischen 
diesen und dem Getraidebaue in den tropischen Ländern so be- 
deutend grösser, als in den arctischen. Aber auch in Bergge- 
genden überhaupt ist der Anfang des Frühlings bedeutend spä- 
ter, als im nahen Flachlande, wozu obenein der Unterschied 
kommt, dass erstere, gewöhnlich, bewaldet sind, — wobei zu- 
gleich, wenn letzteres flach und offen ist, die ganze Physiogno- 
mie der Vegetation anders ausfällt. 

2. Nähe grösserer Meere und Gewässer Wir 
erwähnten bereits, wie dasselbe Bassin den Frühling gleichmä- 
ssiger um seine Küsten verbreitet, auch ist es bekannt, wie in 
Küstenländern der Frühling zeitiger beginnt; dagegen scheint 
man nicht beachtet zu haben, wie hemmend ihr Einfluss der 
raschern Entwickelung desselben entgegen wirkt. In Schweden 
beginnt der Frühling an der Nordsee am frühsten, aber dennoch 
haben ihre Küsten eine äusserst dürftige Vegetation: man kann 
dort deutlich bemerken, wie in der Nähe des Meeres der Früh- 
ling langsam und fast unmerklich fortschreitet, so, dass an wei- 
ter im Lande gelegenen Orten, wo die Frühlings-Flora viel 
später beginnt, sie an der Gränze des Sommers eben so weit 
vorwärts gekommen ist, als an der Küste, wenn nicht jene Orte 
bedeutend höher liegen. Aber Meeresströmungen, Absetzen 
des Eises an einer Küste, u. s. w., haben den merklichsten 
Einfluss auf die Ungleichheit des Frühlings in verschiednen 
Ländern. Bekanntlich ist im westlichen America der Frühling 
sowohl frühzeitig als auch warm. während er an der gegenüber 
liegenden asiatischen Küste sehr spät eintritt und kühl ist, so 
dass, wenn im erstern alles in vollem Frühlingsschmucke steht, 
Asiens Küste noch Schnee und Eis trägt. Der berühmte Welt- 
umsegler Wormskiold, welcher, zu grossem Verluste für die 
Wissenschaft, seine scharfsinnigen Beobachtungen nicht publieirt 
hat, theilte uns mit, die Ursache davon sei die, dass ein Strom 
wärmeren Wassers aus dem Stillen Meere auf seinem Wege 
nach der Behringsstrasse und in das Eismeer der americanischen 
Küste folge, während ein andrer Strom mit kaltem Wasser 
aus dem Eismeere ins Stille Meer eindringe, welcher der asia- 
tischen Küste folge. Die Richtung des Treibeises im nördli- 
chen Polarmeere bestimmt die Beschaffenheit des Frühlings auf 
Island und Grönland ganz und gar, und dasselbe sehen wir auch, 
nur in kleinerem Maasstabe, im bottnischen Meerbusen. 

3. Eine Verschiedenheit gleicher Art, nur in noch engern 
Gränzen, findet statt zwischen dem Frühlinge im offnen Felde 
und in Hainen. Obgleich der Schnee auf ersterem bedeutend 


Der Frühling. 205 


früher wegschmilzt, man also den Frühling dort für weit eher 
beginnend nennen kann, entwickelt sich doch in letzteren die 
Frühlingsflora bald viel kräftiger und freudiger, weil der Hain 
gegen das freie Spiel der Winde und die Nachtfröste schützt, 
die der Vegetation vor Allem am hinderlichsten sind”). In sol. 
chen Localitäten, welche diesen im Frühjahre lange blossge- 
stellt sind, ist die Frühlingsvegetation immer besonders dürftig. 
Man findet Corylus Avellana und Daphne Mezereum in Hainen, 
wo noch viel Schnee liegen kann, schon blühend, wenn sie im 
offnen Felde, welches schon lange schneefrei gewesen, noch 
nicht ausgeschlagen sind. Hierin liegt auch die Erklärung, warum 
fast alle Frühlingsblumen zugleich Hainpflanzen sind, und zwar. 
die Anemonen,: Corydalis- Arten, Tussilago alba, Violae, Or 
nithogala, Pulmonariae, Lathraea, Ranunculus Ficaria, u. a. 
Dies ist es, was den Frühling in Waldgegenden so schön macht, 
während er im ebenen Lande oft so wenig Einladendes hat. 

4. Die gegen Norden oder Süden abhängige Lage 
einer Landschaft ist, als den Winkel bestimmend, unter wel- 
chem die Sonnenstrahlen die Erdoberfläche trefien, gleichfalls 
von grossem Einflusse. Abgesehen vom gar zu frühen Hervor- 
treiben der: Vegetation an gegen die Sonne gekehrten steilen 
Bergabhängen **), sieht man schon an einem Hügelchen, wie die 
Pflanzen an seiner Südseite früher ausschlagen, als am Nord- 


*) Sogar unsre ächten nordischen Föhren werden ganz unfruchtbar, 
wenn unter dem Blühen Nachtfröste eintreten r). 

+) Die Gegend um Greifswald hat mit der von Upsala in klimatischer 
Hinsicht das gemein, dass der Frühling die schlechteste Jahreszeit 
ist, indem während desselben gewöhnlich ein kalter, ausdorrender 
Nordostwind weht, der nicht selten, kurze Unterbrechungen ausge- 
nommen, 6—10 VWVochen anhält und gewöhnlich mit hellem, kla- 
rem Wetter und Nachtfrösten gepaart ist. Bei solcher Witterung 
schreitet oft die Vegetation im. Freien in 3—4 Wochen keinen 
einzigen Schritt vorwärts, während sie in Hainen und Wäldern 
nicht nur ungestört sich entwickelt, sondern wenn Sonnenschein 
damit verbunden, sogar rascher vorschreitet, als in milderen, aber 
trüben Jahren. "Die Folge davon ist, dass Haine und Wälder 
dann schon im schönsten Schmuck’ ihrer Frühlingsflor prangen, 
während die Bäume noch unbelaubt sind und die Flor der dem 
Winde ausgesetzten Oertlichkeiten höchst dürftig ist und nur ihre 
Erstlinge entwickelt zeigt. Erst Ende Mai oder Anfang Juni gleicht 
sich diese Verschiedenheit wieder aus. Anm. d. Red. 

##) Am meisten treibend und beschleunigend für die Vegetation wird 
solches Localverhältniss in kleinern von Höhen umgebenen 'Thä- 
lern, wo die Wärme zu grosser flöhe gesteigert wird, so dass sie 
oft wie aus einem Crater von da aufsteigt und ihre Wirkung bis 
auf benachbarte Fluren verbreitet, 


14 * 


206 Der Frühling. 


abhange, und grösser wird der Einfluss davon, wo ein ‚ganzer 
Landstrich sich süd- oder nordwärts neigt. Dem Botaniker ist 
deshalb der Süd-Abhang einer Höhe stets interessanter, da er 
die seltensten Pflanzen und vorzüglich eine reiche Frühlingstlora 
hervorbringt; für den Oekonomen aber hat, wenigstens im Süden, 
der nördliche grössern Werth, denn er gewährt auf den Sommer 
zu den freudigsten Graswuchs und die kräftigste Vegetation, 
während daselbst der südliche gewöhnlich vor Dürre verbrennt. 
Man findet auch stets auf zwei einander nahen Continenten auf 
der gegen Süden geneigten Küste des nördlicheren manche Pflan- 
zen, die auf der gegen Norden abhängigen des südlichern Con- 
tinents fehlen, wo wiederum solche des nöralichern vorkommen, 
die im letztern nicht bis an dessen Südküste reichen. So giebt 
es in Schonen Arten, die erst tiefer in Deutschland vorkommen; 
im nördlichsten Deutschland dagegen Pedieularis. Sceptrum 
Carol., Nymphaea pumila, Hippophaö rhamnoides u. a., die 
in Schweden erst weit jenseit Schonens anzutreffen sind. Im 
südlichsten Schonen erfolgt auch der Frühling vollkommen so 
zeitig, wie im nördlichsten Deutschland *). 

5. Die chemische Beschaffenheit des Bodens, 
welche übrigens, besonders in Kalkboden, so bedeutend zum 
sanzen Charakter der Vegetation mitwirkt, scheint auf die Zei- 
tigkeit und schnellere Entwickelung des Frühlings weniger Ein- 
fluss zu haben, als man glauben möchte. Auf Öland und Gott- 
land trifft der Frühling nicht merklich eher, als auf dem gegen- 
über liegenden Festlande, wie man wohl nach der so ausge- 
zeichnet südlichen Flora, die der Kalkgrund hervortreibt, anzu- 
nehmen geneigt wäre. Es bildet einen merkwürdigen Contrast 
in der Flora dieser Inseln, dass sie bei ihrer südlichen Vege- 
tation, die sie dem Kalke verdanken, zugleich mehrere alpine 
Pflanzen beherbergen. Dass sie eine so schöne Frühlingsflora 
haben, kommt jedoch mehr von klimatischen Verhältnissen, als 
vom Boden her. Da scheint Kieselboden, in der Form feinen 
losen Sandes (Flugsand), mehr treibend für die Frühlingsvege- 
tation zu sein, oder vielleicht sollte man richtiger sagen: auf 
Flugsandfeldern können, ausser einer oder der andern Art mit 
ausserordentlich tief gehenden Wurzeln, nur Frühlingspflanzen 
gedeihen, da im Sommer die Pflanzenwelt dort im Allgemeinen 


*) Dass manche südliche Gewächse, die im nördl. Deutschland 
kaum den Winter aushalten, sch onische Winter überstanden ha- 
ben, ist cher der insularen Lage Schenens zuzuschreiben, 


I 


Der Frühling. 207 


von der Hitze verbrennt. Schonens Flugsandfelder wenigstens, 
vorzüglich die an der nordöstlichen Seite, die auf einer mächti- 
sen Thonschicht ruhen , welche die vom schmelzenden Schnee 
her eingesogne Feuchtigkeit hinabzusinken verhindert, haben 
eine höchst interessante Frühlingsflora; aber schon auf denen 
Hallands fehlt diese (es giebt daselbst fast nur perennirende 
Gewächse mit tief-gehenden Wurzeln,) und auf den im Innern 
Smälands, z. B. bei Ljungby, vorkommenden fehlt beinah alle 
Vegetation. Die chemischen Bestandtheile des Bodens äussern 
also auf die Frühlingsflora keinen andern Einfluss als sie auf 
die Vegetation überhaupt und insbesondere auf Hervorbringung 
eigner Arten haben. 

6. Desto einflussreicher ist dagegen die Feuch- 
tigkeit der Atmosphäre und der damit zusammenhan- 
gende Niederschlag. Letzterer ist zu betrachten nach seiner 
Quantität, seiner Form und nach der Zeit. Welch bedeu- 
tender Unterschied in seiner Quantität in verschiednen Zonen 
stattfindet, ist aus der Meteorologie bekannt genug; aber auch 
in engerem Bezirke kann er sehr gross sein. So giebt Schouw 
den Niederschlag zu Bergen in Norwegen bis auf 70 par. Zoll 
jährlich an, während das Mittel für Scandinavien 18 bis 20 Z. 
jährlich. ist... In manchen tropischen Ländern steigt er bis 100 
Z. und. darüber. In Scandinavien ist er an der West-Küste 
grösser, als an der östlichen, so wie in bewaldeten Gebirgsge- 
senden grösser als im flachen Lande. Indess ist die Summe 
des Niederschlages von weit geringerem Gewichte, als seine 
Form und die Zeit, denn die Lage des Bodens und sein Absor- 
ptionsvermögen für Feuchtigkeit haben mehr Einfluss, als die 
Menge des Regens. — Dagegen hat man nicht überall genug 
Wichtigkeit dem beigemessen, ob er in der Form von Schnee 
oder von Regen, ob letzterer als heftiger Gewitterregen oder 
als gleichmässiger Staubregen erfolgt: was alles viel wirksamern 
Einfluss auf das Pflanzenleben hat. Schnee, als Nichtleiter der 
Wärme, verhindert in kalten Ländern die Abkühlung des Bo- 
dens*), das Eindringen der Kälte zu bedeutenderer Tiefe, als 
bei der Sommerwärme zum Aufthauen kommt. Das Entgegen- 
gesetzte muss auf die Pflanzenwelt im Allgemeinen, und insbe- 


*) Wahrscheinlich hat man der Schneedecke während der kalten Jahrs- 
zeit die Erhöhung der Boden-"Temperatur über das Mittel der 
Luft-Temperatur in den kältern Klimaten theilweise zu verdanken. 
In den gemässigten Klimaten sind beide bekanntlich gleich, in der 
heissen Zone die Bodentemperatur niedriger. 


208 Der Frühling. ö 


sondre auf die Frühlingsvegetation, höchst nachtheilig wirken. 
Solchem zu unbestimmter Tiefe hinabdringenden Bodeneise, wo- 
von nur die Oberfläche aufthaut, ist jene äusserste Dürftigkeit 
der Vegetation in den nördlichen Einöden Sibiriens zuzuschrei- 
ben; auch in Sümpfen des nördlichsten Lapplands hat Lästa- 
dius ein solches nie aufthauendes Bodeneis beobachtet. “Aber 
noch auf eine directere Weise ist der Schnee wohlthätig für die 
Pflanzenwelt, indem seine schlecht-leitende Eigenschaft zartere 
Pflanzen vor Zerstörung durch die Winterkälte schützt. Es ist 
nicht die Sommerwärme, was das Cultiviren von lappländischen 
und Gebirgspflanzen im südlichern Schweden hindert, sondern 
die Winterkälte, weil ihnen hier die gleichmässige: Schneebe- 
deckung fehlt, welche sie in der Heimath schützt *). Im’ Gar- 
ten zu Upsala luxuriirten früher mehrere lappländische Pilan- 
zen, welche aber durch den gelinden Winter 1833 eingingen. 
Mehrmalige Entblössung des Bodens von Schnee mit Frost den 
Winter über ist für die Frühlingsvegetation in hohem Grade nach- 
theilig. Manche Pflanzen, die in gleichmässigen Wintern am 
Leben bleiben und bei Ankunft des Frühlings aufs neue blühen, 
werden durch jene ganz zerstört, bis neue Pflanzen aus Samen 
haben aufwachsen können. Dies ist die Ursache, warum bei 
Lund nur in gewissen Frühjahren Veronica polita, V. opaca; 
Lamia u. a. in Menge vorhanden sind, in andern Jahren aber 
erst weiterhin gegen den Sommer. Auch nachdem der Frühling 
begonnen, ist Schnee mit mildem Wetter der Vegetation gün- 
stiger, als trockne warme Luft oder Regen mit Nachtfrösten 
wechselnd. Ganz anders verhält es sich in den Klimaten, ‘wo 
Schnee und Frost zu den ungewöhnlichen Erscheinungen gehö- 
ren: da wirken sie stets schädlich. Die Vegetation jedes Lan- 
des bequemt sich den gewöhnlichen Verhältnissen desselben an; 
alle davon abweichenden Extreme wirken schädlich auf sie. — 
Von nicht viel geringerer Wichtigkeit ist die Zeit des Nieder- 
schlages. Sie kann in verschiednen Ländern, so wie in ver- 
schiednen Jahren , verschiedentlich in die Jahreszeiten vertheilt 
sein. Im Herbste, wo bei uns der Niederschlag am grössten 
ist, herrscht in China, nach Meyen, ‘der trockenste, 'klarste 
Himmel. Während bei uns die Frühlingsvegetation überwiegend 


*) Bei der Cultur nordischer Gewächse, z. B. des Aubus arcticus, ist 
es nöthig, nicht bloss eine von der Sonne ahgewandte Localität 
für sie zu wählen, sondern auch sie mit Schnee - und Laubbedek- 
kung gegen schneelosen Frost zu schützen, zugleich damit sie nicht 
früher treiben als die Nachtfröste aufgehört haben. 


Der Frühling. ' 200 


ist, ist in den Ländern Nord- America's, welche sonst gleiche 
Mitteltemperatur haben, die Herbstflora am üppigsten: daher die 
grosse Menge von Astern, Solidagines u. S. w., die bei uns 
kaum zum Blühen kommen. In den Erdgegenden, wo man eine 
bestimmte Regenzeit und eine trockne warme Jahreszeit hat, be- 
ginnt der Frühling (der Flora) stets mit der Regenzeit, unab- 
hängig vom Stande der Erde gegen die Sonne. Bei uns ist der 
Niederschlag unbestimmter zwischen die Jahrszeiten vertheilt; 
dass aber ein nasser Frühling für die Vegetation vortheilhafter 
ist als ein trockner, ist hinreichend bekannt. 

7. Die Richtung der Winde wirkt, ausserdem, dass 
die heftigeren die Feuchtigkeit des Bodens gleichsam aussaugen, 
hauptsächlich durch ihre Verbindung mit der Temperatur und 
dem Niederschlage auf die Beschaffenheit des Frühlings. Es 
ist nicht überall der nördliche Wind der kalte, oder der Süd- 
wind der laue, sondern dieses wird durch dieLandstriche, durch | 
welche sie ziehen, modifieirt. Hochgebirgswinde sind überall 
kalt, so dass in Finnmarken der südliche Wind, welcher den 
Gebirgsrücken überschritten hat, der kälteste ist. Seewinde 
sind in der kalten Jahreszeit, obschon sie wegen ihrer Feuch- 
tigkeit-oft wie kalt empfunden werden, die mildesten, in der 
warmen Jahreszeit hingegen kühlend. Sie bewirken deshalb ei- 
nen frühen, aber langsam fortschreitenden Frühling. Winde aus 
Sumpf- und Moorgegenden, welche Nachtfröste mit sich brin- 
gen, sind im westlichen Schweden u. a. der Frühlingsflora äu- 
sserst nachtheilig. Die Zeit des Niederschlages wird in jeder 
Landschaft hauptsächlich durch die Winde bestimmt; es ist in 
jedem Lande gewöhnlich ein bestimmter Wind, der ihn mit- 
bringt. Im östlichen Schweden ist es der NO.-Wind, der ge- 
wöhnlich von Unwetter begleitet wird; im südlichen und westli- 
chen aber: bringt meistens der SW.-Wind den Niederschlag. 
Darin liest ein Hauptsrund zur Verschiedenheit der Vegetation 
in den grössern phytogeographischen Strichen, in welche wir 
Schweden oben eintheilten. [ Ausführlicher und in weiterem 
Umfange belehrt über diese Gegenstände bekamntlich Kämtz, 
Meteorol. I., 1U., theilweise auch Grisebach in Linnäa, 
1838, 11.] 

In Betrefi‘ ganzer Continente sind auch die Meeresströmun- 
gen zu erwägen. Diesen schreibt man das kältere Klima, aller 
Ostküsten und das mildere aller Westküsten der Continente auf 
der nördlichen Halbkugel zu. Auf der südlichen ist es umge- 
kehrt. Aber in engeren Bezirken ist dieses ohne Einfluss. 

Diese Ungleichheit des Frühlings an verschiedenen Orten 


210 Der Frühling. 


innerhalb desselben Landstriches ist jedoch gewöhnlich minder 
bedeutend, als die zwischen verschiednen Jahrgängen. "Vorzüg- 
lich bemerkenswerth ist der ungleiche Einfluss der letztern auf 
manche Gewächse. Der Anfang des Frühlings kann im südli- 
chen Schweden um zwei Monate und darüber differiren; wir er- 
innern uns mit völliger Bestimmtheit an Jahre, wo am 1. März 
die Vegetation eben so weit vorwärts war, wie in sehr späten 
am 1. Mai oder in gewöhnlichen Jahren am 1. April. ‘Im .J. 
1826 blühten zu Femsjö Anfang Februars Galanthus, Ende des- 
selben Monats Corylus, Draba verna u. a., welche in späten 
Jahren erst Anfang Mais erschienen. Die Ursache davon darf 
man nicht bloss in einer warmen Frühlings - Temperatur suchen, 
sondern im milden Wetter des vorhergegangnen Winters. Nach 
schneereichen Wintern wird der Frühling spät, aber warm; 
nach milden zeitig, aber öfters kalt. Letzteres wirkt wohlthä- 
tig; im entgegengesetzten Falle, so namentlich 1826, wird die 
Vegetation zur Frühreife getrieben und eine Menge Ungeziefer 
kann sich ungehemmt ausbilden. — Je weiter man aber nach 
Norden kommt, desto mehr trifft der Anfang des Frühlings alle 
Jahre gleichzeitig, so dass in Norrland [im schwed. Nordland, 
um und jenseit 62° Br.] der Unterschied zwischen zeitigen 
und späten Frühlingen kaum über einen Monat ausmacht. ‘Ein 
spätes Frühjahr schreitet auch rascher vorwärts, mit gleichmässig 
steigender Wärme, ohne Nachwinter, die ein frühes gewöhnlich 
unterbrechen. Für das Pflanzenwachsthum im Allgemeinen, und 
für die künftige Aernte insbesondere, ist ein Frühling, welcher 
die Mitte hält, der beste. Die kälteren Länder unter denselben 
Isothermen (gleicher mittlerer Wärme), deren Sommer warm 
und deren Winter kalt sind, haben immer eine sehönere und 
ausgezeichnetere Vegetation, als die, wo die Wärme mehr gleich 
vertheilt ist. Im nördlichsten Scandinavien giebt es noch Wald, 
wo die Mitteltemperatur unter 0° ist, aber auf Gebirgen tro- 
pischer Länder trifft dieBaumgränze bei + 12°C. Dasselbe 
Gesetz gilt für die Cultur der Getraidearten: ist nur genug Som- 
merwärme da, so gelingt sie, ohne dass die Winterkälte in Be- 
tracht kommt, während in gewissen Hochländern Süd-America’s, 
da, wo die Wärme fast nie unter den Gefrierpunkt sinkt, weder 
Weizen noch Roggen, nur Gerste und Hafer gebaut werden 
können. Es wäre wohl in öconomischer Hinsicht vom grössten 
Nutzen, wenn man in der Beschaffenheit des Frühlings ein 
Prognosticon sowohl für die Fruchtbarkeit des Jahres im Gan- 
zen, als auch für sein Zusagen für besondre Pflanzen erhalten 
könnte. Diese Seite unsers Gegenstandes ist die am wenigsten 


Der Frühling. 211 


bearbeitete, weil es an hinreichenden, durch eine lange Reihe 
von Jahren fortgesetzten Beobachtungen fehlt. Durch Achtgeben 
auf das Zusammenhangen der Naturverhältnisse haben indess 
manche ältere Landwirthe eine reiche Erfahrung gewonnen so- 
wohl in Betrefl der passendsten Zeit zum Säen, als auch der 
Wahl der Getraideart je nach Beschaffenheit des Frühlings: 
was sich jedoch nicht weiter -lehren oder vererben lässt, weil 
es mehr ein Fühlen, als ein objectives auf.klar ermittelte Gründe 
gestütztes Wissen ist. Dass der Weg zur Erforschung dieser 
durch. eine Menge Irrthümer hindurch gebahnt werden muss, 
darf nicht davon abschrecken, ihnen nachzuspüren, denn der 
Feldherr,, der nicht den Verlust einiger Mann wagen will, hat 
nie einen Sieg errungen. Dass die Beschaffenheit des Frühlings 
auf das Gedeihen einer Menge von Gewächsen entschiedenen 
Einfluss hat, ist ganz unbestreitbar; aber die, welche dem einen 
zusagt, kann einem andern höchst ungünstig sein. Durch er- 
worbene Fähigkeit, dergleichen in der Zeit einzusehen und zu 
beurtheilen, kann manchem Verluste vorgebeugt oder abgeholfen 
werden. Schon können wir aus der Beschaffenheit des Früh- 
lings auf die. Fruchtbarkeit von Bäumen u. a. schliessen. (46jäh- 
rige Listen über Säezeit und Ertrag jeder Getraideart, aus 
Femsjö, geben manche interessante Resultate) Für die Cultur 
exotischer Pflanzen lässt sich daraus manches Wichtige abneh- 
men, z. B. dass man aus einem oder dem andern ungewöhnlich 
sünstigen Jahre noch nicht auf das Anpassen einer Pflanze an 
unser Klima schliessen darf. Ich las eimal gedruckt, die Cul- 
tur des Mais könne wohl bei uns belohnend sein, bloss weil er 
auf die ungewöhnlich zeitigen und warmen Frühjahre 1822 und 
1825 .noch gerathen war. 

Wir deuteten an, wie das verschiedne Verhalten des Früh- 
lings auf verschiedene Pflanzen ungleich wirkt, und dass, was 
die eine begünstigt, der andern schaden kann. Hiervon die 
Gesetze zu kennen, muss für einen Landwirth äusserst wichtig 
sein; aber für die Erforschung derselben ist noch nichts gesche- 
hen. So war der Frühling von 1839, obgleich spät gekommen, 
einer der angenehmsten, die man im mittlern Schweden seit 
mehrern Jahren gehabt hatte, mit gleichmässig steigender 
Wärme und dem Graswuchse und. den meisten Kräutern aus- 
nehmend günstig. Aber dabei starb der meiste angebaute Klee 
aus und die Wachholdersträucher befiel im mittlern Schweden 
eine wahre Pest, so dass kaum ein Drittheil derselben am Le- 
ben blieb und selten einer zu finden war, der nicht an der Son- 
nenseite mehr oder minder verbrannt gewesen wäre. In den 


212 Der Frühling. 


Frühjahren, wo die Wärme schnell eintritt, während die Kälte 
noch im Boden steckt, kommen die Säfte zu früh in Bewegung, 
durch welchen Vorgang, oder das sogen. Eisbrennen (isbränna), 
manche zärtliche Pflanzen zerstört werden, wie es im genann- 
ten Jahre mit dem Klee geschah, — und einen ähnlichen Grund 
hatte wohl die Zerstörung des Wachholders, obgleich dieser 
zu den sonst für Kälte am wenigsten empfindlichen Sträuchern 
gehört. Sein Absterhen erstreckte sich indess nicht bis in die 
westlichen Theile des Reichs, auch nicht auf Gottland, weil in 
diesen der Frühling zeitiger begann, und die Wärme, durch 
die Seeluft gemässigt, nicht so plötzlich sties. Solche klimati- 
sche Verschiedenheiten bestimmen das ungleiche Resultat der 
Aernte in den östlichen, westlichen und nördlichen Provinzen 
Schwedens in verschiedenen Jahren. Während der in schreck- 
licher Erinnerung stehenden Misswachsjahre in der ersten Hälfte 
der 1780er Jahre*), besonders 1783, womit 1826 und 1834 gar 
nicht zu vergleichen sind, war das Frühjahr so trocken wie der 
Sommer, so dass das ausgesäete Getraide zum Theil erst im 
September aufging. Den ganzen Sommer herrschte beständiger 
Ostwind, woraus es sich erklärt, warum in demselben Jahre das 
östliche Schweden nicht durch eigentlichen Misswachs litt; 
(vgl. oben über Winde). — Aber nicht bloss die klimatischen 
Verhältnisse des laufenden Jahres, auch die des vorherge- 
sangenen greifen in das vegetative Verhalten des ihnen fol- 
genden mächtig ein. Der im Herbste aufsteigende Saft (der 
August - Saft) hat die Bestimmung, die Knospen der perenniren- 
den &ewächse und der Bäume auszubilden, und je günstiger 
das Wetter ihrer Ausbildung ist, desto reichere Anlagen sind 
dadurch für ein kommendes Jahr vorbereitet. Natürlich können 
unter nachherigen ungünstigen Umständen auch die besten An- 


*) Die jetzt lebende Generation kann sich schwerlich eine Vorstel-, 
lung von dem Elende machen, welches 1784 an der halländisch- 
smäländischen Gränze herrschte. Man kann es zum Theil in der 
„‚Stockholms-posten‘ von jenem Jahre lesen.... Nachdem das 
Volk unter mehrmaligem Misswachs seine kleinen Höfe verpfändet, 
schaffte es sein Hausgeräth und Kleider nach den Seestädten, um 
sie für Saatgetraide zu verpfänden ; aber wegen gänzlichen Futter- 
mangels war das Zuglieh zu kraftlos, die Leute selbst, kaum et- 
was kräftiger, mussten es heimschleppen...... Bewohner von 
Kronschatzgütern hatten zum Brodtbacken die Rinde von Buchen 
abgeschält, die dort der Krone vorbehalten waren; sie wurden 
von einem Kronbeamten verklagt, der Richter war aber zu mensch- 
lich, um denen Busse aufzulegen, die zu Stillung ihres Hungers 
Rinde von den Bäumen genagt halten. Im Pastorate Femsjö wurde 
in einem ganzen Jahre ein Kind geboren. 


Der Frühling. 213 


lagen fehlschlagen ; was aber nicht in der Anlage da ist, kann 
nicht zur Entwickelung kommen. Als ein Beispiel vom Einflusse 
des vorigen Jahrs auf das ihm folgende nennen wir die Buche, 
die bei uns nur nach warmen Sommern Früchte giebt. Welchen 
Einfluss die Beschaffenheit der Aussaat auf die Ergiebigkeit im 
folgenden Jahre hat, ist bekannt: aber dies hängt ebenfalls vom 
Wetter des vorigen Jahres ab. Da Misswachs am gewöhnlich- 
sten von trocknen Sommern herkommt, solche aber für die 
Qualität der Körner vortheilhafter sind, als nasse, obgleich letz- 
tere grössere Quantität geben, so findet in diesem Falle eine 
Wechselwirkung statt. Die Erklärung einer oft Verwunderung 
erregenden Thatsache, nämlich, dass manche einjährige Pflan- 
zen, die viele Jahre nach einander auf einer Stelle erschienen 
sind, plötzlich verschwinden und nachher ein paar Jahre brau- 
chen, sich zu vermehren, habe ich öfters darin erkannt, dass 
diese Pflanzen empfindlich für Nachtfröste sind, daher in einer, 
in dem einen Jahre vor der Reife der Samen eingetretenen Frost- 
nacht die ganze Samenmenge des Jahres für das folgende zer- 
stört worden. Durch diese Ursache habe ich Datura, Cheno- 
podium opulifolium, Xanthium, Setaria verticillata u. a. zer- 
stört gesehen, wo sie früher in Menge gewachsen. 

Betrachten wir den Frühling in verschiedenen Zonen, so 
begesnen wir den entgegengesetztesten Verhältnissen. Wir be- 
dauern, dass man so wenige, oder kaum irgend, Schilderungen 
der Vegetation in verschiednen Jahreszeiten hat, sondern diese 
zu einem Totalbilde zusammengemengt werden: wodurch man 
aber sehr betrogen werden kann. Gegenden mit reicher Herbst- 
flora, namentlich die Vereinigten Staaten von Nord- America, 
können eine dürftige Frühlingsvegetation haben*); andere mit 
der üppiesten Frühlingsflora, wie die Ebenen Italiens, eine dürf- 
tige Sommerflora. Meyen sagt, dass Valparaiso in Chile, das 
wegen seiner schönen Vegetation berühmt ist, zu gewissen 
Jahrszeiten aller solchen entbehrt. Dies kann genügen, an die 
Nothwendigkeit zu erinnern, bei dem Beschreiben der vegetati- 
ven Physiognomie eines Landes, diese den einzelnen Jahreszei- 
ten naturgemäss verschiedentlich zuzutheilen.. — In Polarlän- 
dern und auf den höchsten Gebirgsgipfeln herrscht ewiger Win- 
ter; folglich fehlt dort alle Vegetation. Darauf erscheint zuerst 


*) Die Baumarten blühen z. B. um das so viel südlicher liegende 
New-York [wegen dortiger südl. Beuguung der Isothermen] erst zu 
derselben Zeit wie bei nus. 


15 


214 Der Frühling. 


‚auf einzelnen der Sonne ausgesetzten Punkten oder längs der 
vom aufgethauten Schneewasser gebildeten Bäche der erste Ver- 
such einer kümmerlichen Frühlingsvegetation. Aber es giebt 
Wüsten, wo auch wegen vereinter Trockenheit der Luft und 
des Bodens alle Vegetation mangelt. Fallen in diesen dennoch 
in einzelnen Jahren, wie es im nördlichen Chile und in Bolivien 
geschieht, heftige und anhalterde Regen ein, so schiesst dort 
eine reiche Frühlingsflora auf, unabhängig von den Jahreszeiten. 
Im Ganzen tritt in allen wärmern Ländern mit einer bestimmten 
Regen- und einer heissen Jahreszeit der Frühling mit dem An- 
fange der Regenzeit ein. Auf Hochebenen in den tropischen 
Ländern und den paradisischen Südsee-Inseln fliessen fast alle 
Jahrszeiten in einander, so dass man Frühling, Sommer und 
Herbst auf einmal hat; nur der Winter fehlt. Das glücklichste 
Loos aber haben die Länder ausserhalb der Wendekreise, die 
Heimath der stets grünenden Laubhölzer , der Familien der He- 
speriden, Lorbeere und Myrten: sie vereinigen die Ueppigkeit 
der tropischen Vegetation mit der Anmuth der Flora temperirter 
J,änder. Man kann dort so zu sagen zweifachen Frühling erle- 
ben: gegen die heisse Jahrszeit tritt eine tropische Flora, ge- 
gen die kühlere die der gemässigten Länder auf. Man ärntet 
daselbst, z. B. im Innern von Ostindien, im südlichen China, 
zwei- oder mehreremal im Jahre von demselben Boden: im 
Sommer die tropischen Getraidearten, während (unsers) Winters 
die europäischen. Damit ist erklärt, wie dort auf gleichem 
Areal eine so unvergleichbar grössere Volksmenge leben kann, 
als bei uns, wo man, z. B. im mittlern Schweden, nur um das 
andere Jahr einmal ärntet. — In den kältern Klimaten ist der 
Frühling gewöhnlich von gewaltigen Kämpfen und Stürmen be- 
gleitet; in den gemässigten ist er ein ruhiges Erwachen aus 
kurzem Winterschlummer, dagegen hier der Sommer von hef- 
tigen Naturerscheinungen heimgesucht wird. Die Verschieden- 
artigkeit hierin ist aber so mannigfaltig, als die Länder der 
Erde. Durch bloss meteorologische Beobachtungen ‚erlangt man 
nur einen Grundriss davon, wird aber zugleich die Vegetation 
gezeichnet, so erhält das Gemälde erst sein natürliches Colorit. 


3 Die Frühlingsblumen. 


Mit all seinem Sonnenglanze über Land und See, mit allen 
seinen. schwellenden Strömen und rauschenden Bächen wäre 
ohne Blumen der Frühling öde und leer, wie ein Himmel ohne 
Sterne; nur Blumen geben dem bewegten Gemälde Leben und 


Der Frühling. 215 


Frische. Selbst die. Musik der beflügelten Natursänger wäre 
melancholisch, wäre sie des Winters Vorbote. Der erste An- 
blick der Erstlinge Flora’s erweckt zaubernd gesteigerte Lebens- 
lust bei den Gesunden, bei Leidenden neugeborne Hoffnung und 
Vorgefühl der Fülle des Lebens. Wessen Auge sich nicht ver- 
klärt bei ihrem ersten Begegnen, trägt Winterkälte in der eig- 
nen Brust. Aber wie einfach, wie anspruchlos sind nicht alle 
Frühlingsblumen, verglichen mit den Rosen des Sommers und 
den Sonnenblumen des Herbstes. Dennoch sind sie uns doppelt 
lieb durch ihre anspruchlose, jungfräuliche Anmuth. Im Gegen- 
satze gegen des Herbstes Blumen, die am besten an Wegen 
und wüsten Stellen (rudera) gedeihen, suchten sie schüchtern 
im Haine Schutz, wo ihre Freunde sie aufsuchen müssen. Em- 
porgehoben von einfachen schlanken Stengeln, oder aus noch 
blattlosen Knospen der Bäume hervorbrechend, bezaubern diese 
ländlichen Kinder weder durch berauschenden Wohlgeruch (die 
Frühlingsblumen sind geruchlos), noch durch die wechselnden 
Formen und das reiche Farbenspiel, womit die Natur späterhin 
unser durch Gewöhnung erschlafftes Interesse unterhält. Verge- 
bens suchte man unter den Frühlingsblumen jene bunte Ausstat- 
tung, welche die Sommerblumen schmückt; sie sind entweder 
schneeweiss wie ihre Wiege (Galanthus, Anemone nemorosa, 
weisse Narcisse, u. a.) oder azurblau wie der Frühlingshimmel 
 (Anem. Pulsatilla, die Violae, Hyacinthen [in Schw. H.botry- 
oides]| u. a.), oder erborgen ihre Vergoldung von der Sonne 
(Anem. ranımnculoides, Primulaveris [schw. gullviva, quldhvifva, 
Goldhaube], Gageae), oder Purpur von der Morgenröthe (Anen.. 
Hepatica, Corydalis- Arten). Desto reicher sind sie an Honig- 
saft, auch darin den Herbstklumen entgegengesetzt, daher sie 
beständig von Bienen und Schmetterlingen umschwärmt werden, 
die Nahrung saugen. Schauen wir nur nach den sonst so ver- 
achteten Weiden an warmem Frühlingstage! Welch summender 
Jubel um diese einfachen goldgelben Fransen! 

Aber die Frühlingsblumen bieten mehrere Eigenthümlich- 
‚keiten dar, die besondre Beachtung verdienen. Erstlich sind 
nicht alle im Frühlinge blühenden Pflanzen wirkliche Frühlings- 
blumen: viele sind Zurückgebliebene des vorigen Jahrs, die ein 
sanfter Winter verschont hat, namentlich Lamia, Veronicae, 
Stellaria media, Bellis perennis. Alle diese sind an keine be- 
stimmte Jahreszeit gebunden, während dagegen die eigentli- 
chen Frühlingsblumen schnell abblühen und verschwinden. Alle 
eigentlich zu ihrer Schaar gehörenden sind mehrjährig, wenig- 
stens zweijährig; Draba verna u. a. sind wohl als einjährig 


216 Der Frühling. 


angegeben, untersucht man sie aber genauer, so kann man nicht 
allein ihre Blattrosetten, sondern auch Blumenknospen im Spät- 
herbste ausgebildet finden; wo ich sie auch manchmal blühend 
fand. Alle eigentlichen Frühlingsblüthen liegen schon im Herb- 
ste vorgebildet in ihren Knospen, welche die Frühlingssonne 
nur entwickelt. Dies erklärt, warum sie auch zuweilen so leicht 
in milden Spätherbsten, durch Anticipation des kommenden 
Frühlings, entwickelt werden. Was aber nicht im vorhergehen- 
den Jahre vorbereitet worden, kann nicht im Frühjahre ausge- 
bildet werden. Eine jede Pflanze, die nicht in ihrer Knospe 
oder Zwiebel vorgebildet liegt und nur noch der Entwicklung 
durch die Frühlingssonne harrt, ist keine eigentliche Frühlings- 
blume, wenn sie auch im Frühjahre blüht, wie Ranunculi. 
Jene erstern heissen Frühlingsblumen deshalb, weil sie 
mit dem Frühlinge ihr individuelles Leben beschliessen, =. 
weil sie da blühen. 

Das Fortwachsen und die Blattbildung, die bei den meisten 
derselben erfolgen, zielen nicht auf die diesjährige, sondern 
auf die Generation des folgenden Jahres ab. Nur !mittelst Ein- 
sicht dessen wird es verständlich, warum die Blätter so vieler 
Frühlingspflanzen sich erst nach dem Blühen entwickeln, da die 
Blattbildung etwas ist, das der der Blüthe vorangehen muss. 
Die Blätter der Tussilago, die im Frühlinge blüht, waren Blät- 
ter des vorigen Jahres; die nachher sprossenden sind die Blät- 
ter zur Blüthe des nächsten Jahrs. Bei Anemone Hepalica u. 
a. verbleiben die Blätter des vorangegangnen Jahrs, his das 
diesjährige Blühen vollendet ist; nachher erscheinen die Blätter, 
welche die Knospen der Blumen des nächsten Jahres ausbilden 
sollen. 

Die Frühlingsblumen unsers Klimas können wir in drei be- 
stimmte Gruppen und eine collective vierte bringen, nämlich: 
Kätzchen-tragende Bäume und Nadelhölzer, Halbgrä- 
ser, Lilien, und andere Kräuter*). Unter diesen sind die 
Blüthen der Kätzchentragenden die dem Frühlinge eigenthüm- 
lichsten und ihm ausschliesslich angehörenden. Sie gehören 
auch nur den kältern Klimaten an, wo sie fast ausschliesslich 
den Wald bilden, und die, welche nicht im strengsten Sinne 
dazu zu rechnen sind, nähern sich ihnen oft in der Art des 


Blühens, nämlich Ulme, Esche, auch Daphne. Ihre Bildung 


*) Zu den Frühlingspflanzen sollten auch Musci und Lichenes, wel- 
ehe einem grossen Theile nach in dieser Jahreszeit fructificiren, 
gerechnet werden. | 


Der Frühling. 217 


ist sichtlich für den Frühling und die kürzeren Sommer der käl- 
teren Länder eingerichtet. Diese sind nämlich zu kurz, um 
Stamm- und Blätterbildung nebst Blüthe und Frucht in einem 
Jahre zuzulassen: darum verschiebt der Trieb des laufenden 
Jahres sein Blühen und Fruchtansetzen auf das nächste Jahr; 
die Früchte der noch nördlicheren Nadelhölzer gelangen erst im 
dritten Jahre von der Bildung ihrer Knospen an zur Reife. Die 
eigentliche Laubbildung des Jahres steht selten in einem noth- 
wendigen Zusammenhange mit den Kätzchen, wenn fdiese auch 
aus zugleich blattbringenden Knospen hervorbrechen; daher blü- 
hen sie auf nackten Zweigen und schliessen alle überflüssige 
Pracht aus, oder überspringen in ihren Blüthen die Kelch- und 
Blumenblattbildung. Ihre Blumenbedeckung bildet keine regel- 
mässigen Kreise, sondern die Blätter werden nur zu Schuppen 
metamorphosirt, welche die Spiralstellung der Blätter beibehal- 
ten; ein Kätzchen ist ein zusammengezogener metamorphosirter 
Blatttrieb. Dass das Blühen auf nacktem Zweige stattfindet, 
ist nicht ohne Zweck, denn die ausgewachsenen Blätter würden 
der Befruchtung der diclinischen Blumen hinderlich sein. Auch 
diese Diclinie hängt sowohl mit der Einfachheit in ihrer Blu- 
menbildung, als auch mit klimatischen Verhältnissen zusammen. 
— Die artenreichste Gattung darunter sind die Weiden, die 
vorzugsweise in Lappland ihr Maximum haben. Ihre Blüthe und 
Fruchtbildung sind den kurzen Sommern des höchsten Nordens 
besonders angepasst. Die vielen Eigenthümlickheiten dieser 
Gattung haben wir in einer besondern Abhandlung entwickelt 
[in Nov. Fl. suec. Mant. 1.]. 

Die zweite Gruppe der Frühlingsblumen bilden die Halb- 
gräser (Cyperaceae), auch einige Luzulae können dazu gerech- 
net werden. Unter ersteren sind es vorzüglich Eriophora und 
eine Menge Riedgräser, die wirkliche Frühlingspflanzen sind. 
Ihren Blüthenstand bildet auch eine Art von Kätzchen: die Blü- 
then sind bei den Riedgräsern getrennten Geschlechts und die 
Frucht vom Perianthium bekleidet; alles deutet eine besondere 
Analogie mit den Kätzchenbäumen an. Sie gehören noch be- 
stimmter dem kalten, sogar dem arctischen Klima an, wo die 
Gattung Carex ihr Maximum hat; denn die Cyperaceae der 
wärmern Länder, welche Sommergräser sind, gehören einem 
ganz andern Typus an. Obgleich gerade die frühesten meist 
an trocknen Stellen vorkommen, so machen doch Sumpfgräser 
ihre Mehrzahl und Menge aus. Von den Scirpis gehört Se. 
caespitosus auch zu diesem natürlichen Verwandtschaftskreise ; 
ich fand ihn bei Femsjö einmal Ende Aprils in voller Blüthe. 


218 Der Frühling. 


Am frühsten aber erscheint Eriophorum vaginatum),, an iman- 
chen Orten die erste Frühlingsblüthe ausser den Kätzchentra- 
senden. In den nördlichen und arctischen Ländern sind es aus- 
schliesslich Cyperaceae, welche die jenen so eigenthümliche 
Torfbildung eingehen. Charae und andre schon in Deutschland 
als torfbildend angegebene Gewächse treten hier gar nicht in 
die Torfbildung ein *). 

Die schönste Zierde des Frühlings machen die Lilien aus, 
nämlich in den wärmern gemässigten Ländern, wie Süd -Europa, 
wo sie die Bekleidung der Wiesen und Felder ausmachen. Im 
Norden, wo sie nur wenig Repräsentanten haben, ist es nicht 
so. Auch sind nicht alle Liliengewächse Frühlingsblumen. 
Diese schöne und leicht erkennbare Familie bietet eigentlich für 
alle Jahreszeiten Formen dar: Arten die im ersten Jahre aus 
der nachher vergehenden Zwiebel blühen, ‘andre, die zu meh- 
rere Jahrhunderte alten Bäumen erwachsen, ehe sie blühen 
(Fourcroya, oder erst zum Blühen baumhohe Schäfte treiben: 
Agave), um darauf abzusterben. Obgleich man in einigen grö- 
ssern Pflanzengruppen denselben Grundtypus deutlicher wieder- 
findet, als in mehreren Tribus der Lilienartigen, so ist doch 
nirgends das Ziel des Pflanzenlebens, in tausend Formen‘ und 
verschwenderischer Pracht zu wechseln, deutlicher ausgedrückt. 
Bald erkennt man aber, dass die für eine jede der Jahreszeiten 
bestimmten Arten ein danach eingerichtetes vegetatives System 
besitzen, so dass man aus dem Stengel eines Liliengewächses 
schon seine Blühzeit bestimmen kann: je früher diese, desto 
weniger ausgebildet der Stamm; den Erstlingen des Frühlings 
fehlt ein solcher, die auf Jahrhunderte berechneten werden 
(Fourcroya) gewaltige Baumstämme. Alle eigentlichen Früh- 
lingslilien liegen vorgebildet in ihrem Winterlager, der Zwiebel, 
aus welcher sie ihre einfachen blattlosen Stengel schnell hinauf 
treiben: so Galanthus, Leucoium, Narcissus, Hyacinthus, 
Muscari, Scilla, Ornithogalum, und andere, die mit einer uns 


*) Unter den eigentlichen Gräsern giebt es keine, die eigentlich dem 
Frühlinge angehörten; Poa annua überwintert nur allgemein, Die 
gegliederten Halme der Gräser müssen ihr vegetatives System suc- 
cessiv ausbilden und können daher nicht, wie die der Cyperaceen, 
vorhergebildet in ihren Scheiden eingeschlossen sein. Die hoch- 
wachsenden mit beblättertem Halme versehenen Riedgrasarten sind 
auch Sommergräser, während bei den frühesten, Carex digitata, 
montana, ericetorum, rupestris u. a. die Halme blattlos sind 
und die während des Blühens vorhandenen Blätter vom vorigen 
Jahre her stehen geblieben sind. Dieser Umstand erklärt es, wa- 
rum Carex caespitosa L. [& Fr., C. pacifica Dreier] weit ER 
blüht als C. vulgaris [Fr., C. caespitosa Auctt.]., 


Der Frühling. 219 


unbekannten Pracht Süd-Europa’s Frühling schmücken. Die 
allerfrühsten entwickeln sich sogar ohne Stengel, die lang aus- 
gezogene Blumenröhre ersetzt dessen Mangel bei Crocus, Bul- 
bocodium, Colchicum autumnale; letzteres ist, obschon es im 
Herbste blüht, seinem Typus nach eine wirkliche Frühlingslilie, 
was sowohl durch seine Gattungsgenossen bestätigt wird, als 
auch durch sein eignes Blühen an seinem natürlichsten Stand- 
orte, auf zeitig überschwemmten Wiesen. Man hat in ähnlicher 
Art in Süd- Europa ein im Spätherbste blühendes Leucoium, 
und von einer Menge Frühlingspflanzen, z. B. Cyclamen, hat 
man so nahe verwandte im Herbste und im Frühlinge blühende 
Formen, dass man über ihren Art- Unterschied in Ungewissheit 
ist. Die Zwiebel selbst gehört indess zur Stammbildung der 
Lilien, nur die einfachen Fasern, die sich am Grunde der Zwie- 
bel finden, sind ihre Wurzeln. In dem Maasse, als jene sich 
zum wirklichen Stengel verlängert (die Lauchgattung zeigt alle 
Modificationen desselben), blühen die Liliaceen später; bei den 
in der Sommerzeit blühenden, z. B. Anthericum, ist die Wur- 
zel fas’rig, nicht eine Zwiebel, und so können keine Blumen in 
einer solchen ausgebildet werden. 

Die übrigen Kräuter, welche die Flora des Frühlings schmük- 
ken, sind dem Aussehen, wie der Verwandtschaft nach, weit 
davon geschieden, haben aber das Gemeinsame, zu Familien zu 
sehören, die ihren Stammsitz (centrum) in kalten und arctischen 
Zonen haben, wo allein eine Frühlingsflora auftreten kann, und 
zwar Primulaceae, Ericinae, Violariae, Saxifrageae, Cruei- 
ferae, Ranunculaceae, u. a. Unter diesen nähern sich die im 
Frühlinge blühenden Ericinae (näml. 'Arbutus, Andromeda, 
Erica carnea, welchen auch Empetrum zugezählt werden kann,) 
-in vegetativer Hinsicht den Coniferae durch ihr beständig grü- 
nendes Laub; die sämmtlichen übrigen sind stengeltragend. 
Man kann indess bei diesen, wie bei den Lilienartigen, am 
blattlosen oder mehr oder minder beblätterten Stengel die früh 
blühenden von den gegen den Sommer hin blühenden Arten un 
terscheiden, so bei Anemone, Draba, Arabis; ja Adonis ver- 
nalis hat eine zeitigere Frühlingsform mit unausgebildeten und 
eine Sommerform mit völlig entwickelten Blättern. Bei den 
Violae giebt es eine fortlaufende Reihe von Arten nach der 
Ausbildung des Stengels, ganz der Blühzeit ‘entsprechend. 
(Ebenso verhält es sich mit den ZHieracien, die zwar keine 
Frühlingspflanzen sind.) Bei einigen von diesen, näml. Cory- 
dalis, Cyclamen, nimmt die Wurzel Zwiebelgestalt an, und 
wie bei den Liliaceen liest in dieser die hervorwachsende Pflanze 


220 Der Frühling. 


in dem Jahre vorher ausgebildet. — Alle verschiedenen Formen 
der Frühlingsblumen durchzugehen würde zu weitläuftig; wir 
fügen nur hinzu, dass man im vegetativen Systeme jeder Pflanze 
den deutlichsten Plan oder, wenn man so sagen darf, die wei- 
seste Berechnung zu ihrer Angemessenheit für ihr Klima, Lo- 
calität, bestimmte Blühzeit u, s. w. in ihrem Baue erkennt. 
Jene unzähligen, schönen und wechselnden Formen, welche die 
Pflanzenwelt aufweiset, sind nicht Ergebniss einer Laune oder 
ein Phantasiespiel der Natur, welchem ein bestimmter Zweck 
fremd wäre. Aber eben darum, weil die Pflanzen alle ihre 
Mannigfaltigkeit nach aussen richten, von aussen ihre Nahrung 
nehmen, muss der Zweck ihrer verschiednen Bildun- 
gen inihremVerhältnisse zuräussernWeltgesucht 
werden. Sowohl dieses, als auch dass den Pflanzen keine 
willkührlichen Functionen zukommen, ist der Grund der Ein- 
fachheit in der innern Organisation der Pflanzen. Ganz das 
Entgegengesetzte findet bei den Thieren statt: ihre Ausbildung 
ist eine innere. der Zweck derselben sind äussere, freiwillige 
Handlungen. Treffend nannten daher die Alten das Thier eine 
umgekehrte Pflanze mit individueller Freiheit. Darum muss das 
Thier alle seine edlern Organe im Innern verbergen, um sich 
von der äussern Welt zu isoliren. Nicht bloss zu jeder seiner 
Veränderungen, auch zu jeder äussern Handlung giebt es einen 
innern Grund, daher sein Steigen zur Vollkommenheit von einer 
stets mehr und mehr ausgebildeten inneren Organisation beglei- 
tet ist; — woraus sich denn die überwiegende Wichtigkeit der 
Anatomie und Physiologie für das Studium der Zoologie ergiebt. 
Diesen entsprechen in der Botanik vornehmlich die Morpholo- 
gie und die Phytonomie, von welcher die Pflanzen - Geogra- 
phie ein Theil ist: denn bei den Thieren die Organisation, bei 
den !Pflanzen aber die nach Klima und Jahrszeit wechselnde 
Gestalt sind die Bedingungen zum Siege des Lebens über die 
äussere Natur. 


VIE. 


Botanisch - antiquarischer Ausflug zu den 
Nymphaeaceen der Griechen *). 


Von 
Dr. Elias Fries. 


Uebersetzt von Dr. €. T. Beilschmied. 


vorwort. 


Weiche Wichtigkeit Ueberreste und Denkmäler aus der Vor- 
zeit für die Geschichte haben, ist allgemein bekannt. Auch in 
Ruinen sind sie bleibende Zeugen längst vergangener Zeiten, 
oft hinweisend auf Ereignisse, wovon die Annalen schweigen, 
oder, wo diese reden, sie bestätigend, die Oertlichkeit feststel- 
lend u. s. w. Aber es giebt noch eine andere Art Monumente, 
grossartiger, ‚dauerhafter, nämlich in der Natur: grossartiger, 
weil sie nicht von Schmeichelei und von Launen der Zeit er- 
richtet werden, sondern im einfachen Bilde die Gestalt der Erde 
in Weltperioden zeichnen oder Zeugniss geben von Fortschritten 
menschlicher Cultur; dauerhafter, weil die Natur aus ihren eig- 
nen Ruinen alljährlich neu geboren wird, und unter den grossen 
Katastrophen, wo eine schönere Schöpfung auf den Katakomben 
der vorhergegangenen erstanden, auch die letzteren von der Na- 
tur selbst mit Sorgfalt der Wissbegierde der Nachwelt aufbe- 
wahrt worden sind, auf eine Weise, wogegen Mumien des Al- 


*) Nach drei zu Upsala i. J, 1836 herausgegebenen Dissertationen, 
im Auszuge, [Auszug aus letzierm s. im Schwed. botan. Jah- 
resber. üb. 1836, 5. 324—331. — Die neue Ausgahe oder Bear- 
beitung steht in Tries’s Botaniska Utflygter (Ups. 1843), S- 
83 —112.] 


15 * 


222 Nymphaeaceen der Griechen. 


terthums Stückwerk bleiben. Dadurch hat man erst in neueren 
Zeiten, als die Archive der Menschheit erschöpft schienen, ein 
neues unerschöpfliches für die allerältesten Zeiten gefunden, 
Quellen gefunden für die Geschichte der Welt vor dem Auftre- 
ten des Menschengeschlechts auf derselben im grossen Alter- 
thumsmuseum der Natur, der Erde. Wie unzweideutig und in- 
haltsreich ist nicht diese hiereglyphische Steinschrift der Natur 
gegen die der Tempelgrotten Indiens und der ägyptischen Py- 
ramiden! Reden die letzteren von den Anstrengungen der Men- 
schenkraft, so zeugt die erstere von der Allmacht des Schöpfers. 
Sie liegt aber hinter aller Geschichte zurück ; der Menschengeist 
schwindelt bei dem Versuche, nur die Zeit zwischen den ersten 
und letzten Riesenbäumen der Lepidodendren zu bestimmen. 
In den ältesten Jahrbüchern des Menschengeschlechts sind 
die Natur und die Geschichte so in Mythe zusammengewebt, 
dass die sparsamen :und leicht abreissenden Fäden, wenn irgend, 
nur durch Vergleichung mit der Natur, aus welcher die Mythen 
entsprossen, entwickelt werden können. Gehen wir über zum 
Sagenalter der Menschheit, so begegnen wir manehem Wider- 
spruche, manchem Wunder, das die Naturwissenschaften lösen 
müssen und das beim ersten Ansehen gegen historischen Grund 
der Sage zu sprechen scheint, aber gelöset ihre Glaubwürdig- 
keit, verstärkt”), wie Herodot's Nachricht von der Umseglung 
Africa’s gerade durch die natur-nothwendige Thatsache wahr- 
scheinlich wird, die er selbst als einen Beweis gegen ihre Zu- 
verlässigkeit ansah. Wie die Astronomie die Chronologie bei 
Bestimmung der Zeit manches Ereignisses der Vorzeit (z. B. 
hinsichtlich der Schlacht bei Sticklarstad) unterstützt, so schei- 
nen auch die übrigen Naturwissenschaften zur Ermittelung des 
Ortes mancher, Begebenheit, der Heimath weit verbreiteter 


EZ mm I A 


*) So würde Jedermann das Erkranken. der Soldaten Xenophon’s an 
Honig bezweifeln, wenn nicht in derselben Gegend noch heut die 
Bienen von der Azalea pontica einen giftigen Honig sammelten. 
Ebenso Arrian’s Nachricht, dass beim Hinziehen des Heers Alexan- 
ders durch Gedrosien [Beludschistan] die Luft vom Wohlgeruch er- 
füllt gewesen, wenn nicht noch heut zu Tage Nardostachys dort 
duftete. — Die Erzählungen der Bewohner des Nordens von Wein- 
land (Tinland) scheinen anfänglich ihre Glaubwürdigkeit zu 
verliereu, da es vor den Europäern eigentlichen Weinstock in 
America gar nicht gegeben; es giebt aber daselbst so ähnliche und 
nah-verwandte Yitis- und Cissus-Arten, dass, wer sie nicht näher 
vergleicht, sie verwechseln muss. Sie gehen nicht weiter hinauf, 
als bis in Canada; so weit also wenigstens südwärts muss Wein- 
land gelegen haben. 


Nymphaeaceen der Griechen. 223 


Traditionen *) und besonders religiöser Culte, beitragen zu ’kön- 
nen. Die Ausbreitung. der Civilisation und Colonien in entfernten 
Ländern werden immer von einer Menge Pflanzen begleitet, 
welche beständige Zeugen nicht bloss des ausländischen Ur- 
sprungs beider, sondern auch ihrer frühern Heimath, ja wirkli- 
che Denkmäler bleiben, wenn auch Civilisation und Colonisten 
ausstürben **). Sobald sich ein Europäer in einer entlegenen 
Waldgegend America’s niederlässt, findet sich bald Plantayo 
major dort. ein, welche dann nicht mehr verschwindet, wenn 
auch der Colonist weiter zieht; die Indianer nennen sie deshalb 
„Fussstapfen der Weissen,“ weil sie glauben, sie wachse auf, 
wo eines Europäers Fuss nur einmal hingetreten. Wie weit 
Communicationen und Handelsverbindungen der Vorfahren sich 
erstreckt haben, lässt sich am besten aus den Naturerzeugnissen 
schliessen, die ihnen bekannt gewesen. Wie man heut zu Tage 
oft an Handelsorten Pflanzen aus den Gegenden angesiedelt an- 
trifft, wohin Schifffahrt getrieben wird, so findet man noch in 
der Ausbreitung gewisser Pflanzen Spuren der Handelswege des 
Mittelalters: Corispermum intermedium (die Gattung gehört ei- 
gentlich den Ländern am schwarzen Meere an) geht bis zur 
Mündung der Weichsel an der Ostsee; die orientalische Coch- 
learia glastifolia war, nach Ray, noch vor einem Jahrhunderte 
bei Regensburg zu finden***). Zwar giebt dergleichen keine 


*) Schon an den Blättern, welche die Verzierungen auf den corinthi- 
schen. Säulen ausmachen, kann man sehen, dass sie aus einem 
‚Lande herstammen, wo Acanthus mollis eine einheimische Pflanze 
ist; in Salomo’s Dempel aber waren es Lilien, und Plinius nennt 
Pelscins das Land der Lilien. 


##*) Beispiele hiervon giebt es unzählige: in Grönland z. B. zeichnet 
Vicia Cracca, die sonst nicht im Lande vorkommt, die Trümmer 
von Vohnmenn der allen norwegischen Golonisten aus. Horne- 
mann, Desk ökon. Plantel. II. (Zus.) S. 232. — In alle Län- 
der, So ‚europäische Colonien ausgegangen sind, ist auch euro- 
päische Vegetation: theilweise mitgezogen. WVestindien besitzt An- 

..,. „.siedler sowohl aus Europa als aus Africa. 

#%%) , Bemerkenswerth ist es auch, dass manche Nationen sich nur so 
‚weit haben niederlassen können, als die Gewächse, die zu ihrem 
Lebensunterhalte (victus et amictus) gehören, gedeihen, z. B. die 
Araber so weit die Dattelpalme und Sesamum angebaut werden. 

‚Ferner: mehrere Pflanzen finden sich gerade so weit verbreitet, 
als gewisse Volksstämme vorgedrungen sind, gleich als hätten sie 
deren Streifzüge begleitet. So hat man in Kusländ im Pflanzen- 
reiche noch lenerde Andenken an die Mongolen; des orientalischen 
Tatarenkohls (Crambe Tataria) u. a. westlicher Gränzpunkt ist 
‘die Türkenschanze bei Wien, und erst nach dem letzten europäi- 
schen Völkerkriege siedelte sich die russische Bunias orientalis 
um Paris an, nächdem diese grosse und ihren Nachbarn beschwer- 


224 Nymphaeaceen der Griechen. 


brauchbaren Materialien für die Geschichte ab, bildet aber doch 
eine eigne Ülasse vorzeitlicher Andenken, die sich zunächst.an 
die fortlebende Tradition anschliesst ,, aber viel zuverlässiger ist 
Schon die Namen der Naturproducte, auch der Pflanzen, tragen 
oft eine Hinweisung nach der Gegend in sich, von wo sie,ein- 
geführt worden; sind es einheimische von mythologischer Be- 
deutung, so beweisen sie, wenn sie allgemeine Volksnamen 
sind, dass auch der Mythus Volksglaube gewesen. Noch lebt 
unter dem gemeinen Volke in Schweden Baldur’s. Andenken“) 
im Reiche der Blumen, wie das der Freya in den Sternen 
(Orion), seitdem sie bei der Einführung des Christenthums 
ihren ganzen irdischen Blumenkranz der. Jungfrau Maria.hat ab- 
treten müssen **). — Dass die Urkunden der Geschichte oft.Ge- 
genstände enthalten, welche naturhistorische Untersuchung; er- 
fordern, ist ohnehin bekannt; — ja wir möchten fast fragen : was 
sind die Schöpfungen des Denkers, des Dichters und des Künst- 
lers anders, als mehr oder minder freie und geglückte. Ueber- 
setzungen derjenigen der Natur, zu deren richtiger Auflassung 
und Beurtheilung man oft nöthig hat, das Original zu vergleichen. 

Dass zoologische Fünde und Untersuchungen zu ‚manchen 
neuen Ansichten in der ältern schwedischen Geschichte, geführt 
haben, nicht bloss in Betreff des frühern Ansehens des’ Landes; 
sondern auch seiner Einwohner, ihrer Lebensart u. s.. w., ist 
durch Prof. Nilsson’s Forschungen bekannt. Dass nach die- 
ser Seite aus dem Reiche der Pflanzen etwas von Wichtigkeit 
zu erholen sei, glauben wir zwar nicht; aber beim Durchgehen 
sowohl älterer als neuerer botanischer Schriftsteller sind wir oft 
auf isolirte Angaben gestossen, die sich mit historischen Bege- 


liche Pflanze sich vorher in den meisten mitteleuropäischen Län- 
dern -eingenistet. Wenn man Europa nach der Verschiedenheit 
der Vegetation in mehrere europäische Specialfloren eintheilt, so 
fallen deren Gränzen genau mit denen der verschiednen Nationali- 
täten zusammen: die dänische und die deutsche Sprache bezeich- 
nen die natürliche Gränzscheide zwischen der scandinavischen und 
der deutschen Flora, die deutsche und die italiänische Sprache‘ die 
der gleichnamigen Floren u. s. w. Und welche verschiedene Phy- 
siognomie hat nicht die Natur in den slavischen Ländern gegen 
die des übrigen Europa. 2 

=)  Ballerbro, Baldurs br (Baldurs Augenbrauen) ist im südlichen 
Schweden [Balders braa im Dän.] der Name von Anthemis-Ar- 

ten, eigentlich der Matricaria Chamomilla. 

*#) Die Blumen, welche iu der christlichen Zeit die der Jungfrau 

Maria oder ‚„Unsrer Lieben Frauen „....“ heissen, waren. in der 


heidnischen Zeit nach der Freya benaunt. Hornmem., Dansk ök. 
Plant. 1. 236. 


Nymphaeaceen der Griechen. 225 


benheiten verbinden zu lassen schienen. Wir wollen diesesmal, 
im 'Gedränge der Zeit, nur. bei den Nymphaeaceen der Alten 
im Einzelnen verweilen. Da, wir uns zu Ausflügen auf ein uns 
ziemlich fremdes Feld verleiten liessen, so bitten wir um des 
Lesers Nachsicht 'hei, fast unvermeidlichen, Irrungen. Nach so 
zahlreichen Commentatoren ist keine reiche Nachlese zu erwar- 
ten. Können wir einen oder den andern Irrthum berichtigen, z. 
B. die Annahme der Identität des Lotus des Nils und des Gan- 
ges [s. Trattinnick im schwed. bot. Jahresb. üb. 1822: Ue- 
bers. der JBB. über 1820— 24, S. 118 f.], oder gelingt es uns, 
einen. neuen naturhistorischen Beweis für den indischen Ursprung 
des ältesten ägyptischen Cultus darzulegen [worüber zu vergl.: 
Link, die Urwelt u. d. Alterthum, durch d. Naturk. erl., 2. 
Aufl.], so mag dies in unsern dürftigen Zeiten Stoffes genug sein. 

Um so bedeutender, glauben wir, kann die Aernte aus dem 
Pflanzenreiche für die Geographie und die Culturgeschichte aus- 
fallen. Zu Ermittelung der Naturwesen, die in die Mythen und 
symboliseben' Vorstellungen der alten Völker Eingang gefunden 
oder theilweise sie veranlasst haben, müssen besonders die Na- 
turwissenschaften den historischen Forschungen zu Hülfe kom- 
men; nicht allein bei Bestimmung der Species, sondern fast 
noch. mehr zu) Aufklärung über ihr Stammland und über ihr bio- 
logisches Verhalten, welches zu kennen sowohl zum Ermitteln 
ihrer, Heimath,, als auch der Begriffe, die sie ausdrücken, nö- 
thig ist*).. Eben so wichtig für die ältere Geschichte ist die 
Untersuchung über Ursprung und Stammland der Culturgewächse. 
Der Beginn ihres Anbaues bezeichnet einen der wichtigsten 
Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit, den Uebergang 
vom Nomadenleben zur Civilisation, von der mythischen Zeit 
zum Zeitalter der Sagen und weiter zur eigentlichen Geschichte, 
die letztern zu Grunde liegt. Sie sind nachher den verschied- 
nen Volksstämmen auf ihren Wanderungen treu gefolgt. Ein 
merkwürdiger Umstand, den ich nicht anderwärts berührt gefun- 
den, ist, dass von den verschiedenen Menschenstämmen ein 


et, Be das Christonrhuit Be mehrere in heilige REN ungen 
| aufgenommene 'Gewächse , auch. Individuen. derselben, die der Ge 
' gensland religiöser, Verehrung ‚gewesen. Dahin gehört z.B. der 
mehr ‚als tausendjährige Bio Sean vemcch (A. canına) an 
einer Capelle im Domhofe; zu Hildesheim (s. Eschweil. Bot. Lit.- 
., Blätt. od. Anu. der Gewächsk. V.. (1830) .S. 467.);5 der ‚Stamm 
verliert sich in einer scheinbar absichtlich ‘dafür gelassenen Ocfl- 
nung, in der ‚Mauer.: Die Gapelle isı aber noch: älter als; der Dom, 
welcher um. d,. J. 818 durch Kaiser Ludwig den Frommen ‚gegrün- 

det wurde. 


226 Nymphaeaceen der Griechen. 


jeder seine eigenen Culturpflanzen und Getraidearten besessen *) 
hat, die Tschuden ausgenommen, welchen alle solche gefehlt. 
So sind Mais und Kartoffeln die der Americaner,, Durra u. a. 
die ursprüngliche Getraideart der Negervölker ,: Eleusine cora- 
cana die der Malaien, Reis der Mongolen (in Hochasien’aber 
Buchweizen) , Weizen und Roggen die der Caucasier. ' Im nörd- 
lichen Europa ist indess Roggen das älteste Getraide; er ist 
auch (südost-) europäischen Ursprungs, in Asien (ausser Cauca- 
sien) als einheimisch unbekannt und erst ostwärts hin eingeführt.’ 

Beiläufig berühren wir die ältesten bekannten lebenden 
Monumente aus der Pflanzenwelt. Einige derselben sind wahre 
Andenken, an geschichtliche Vorfälle geknüpft; die Jahrringe 
der Bäume geben hierbei die zuverlässigste Chronologie, nicht 
verfälschbar durch Abschreiber. Von den ältesten Zeiten an ist 
es nämlich Gebrauch gewesen, zum Andenken froher, so wie 
trauriger Ereignisse Bäume zu pflanzen, oder mit dem Schau- 
plätze derselben ausgezeichnete Naturproducte zu verknüpfen, 
die dadurch der Geschichte mit-angehörten. Gewöhnlich wählte 
man Bäume langsamen Wuchses und dadurch grösserer Dauer. 
Nur in der französischen Zeit des Umsturzes wählte man wegen 
der Namenähnlichkeit mit peuple, Volk, die am schnellsten 
wachsende aber am meisten vergängliche‘ Pappel**), peuple, 
wie aus Ahnung, zum Symbol der Volksfreiheit; indess, wo der 
Baum tiefere Wurzeln geschlagen, treibt er immerfort neue 
Wurzelschosse. Die Schweizer dagegen, die noch heute den 
Baum zeigen ***), unter welchem ihre Vorfahren 1424 die Frei- 


*) Dadurch fällt die (an sich ungereimte) Behauptung eines der Schle- 
gel, dass die Gulturpflanzen nie wild, sondern dem ersten Men=‘ 
schenpaare ursprünglich überlassen gewesen, von selbst zusammen. 
Wie dieses Paar jene alle, welche alle erh. Klimate und 
Oertlichkeiten der Welt erfordern, hätten pflegen und warten 
können, bliebe ein Räthsel. 

**) In der alten Zeit, wo das Volk im Allgemeinen keine Stimmng 
hatte, war die Pappel dem Hermes geheiligt (Virg. Ecl. 7. 61.); 
unstreitig ist sie aber mit ihrem stets beweglichen Laube ein IT 

fendes Bild der Volkslaune. 

+) Sowohl. die ältesten Urkunden, als auch die Inschrift einer Tafel, 
die sich in einer Gapelle unter eben diesem Baume zu Bewahrung 
des Schanplatzes dieser Begebenheit befindet, sagen, die ersten 
Eidgenossen seien unter einer Linde zusammengetreten; aber der 
Baum ist doch keine Linde, sondern Bergahorn (Acer Pseudopla- 
tanus), der wohl von weitem einer Linde ähnelt. Die botanische 
Bestimmung berichtigt hier eine bestimmte historische Angabe, oder 
'setzt auch, wie zu Daniels Zeit, die Glaubwürdigkeit des Zeug- 
nisses in Zweifel. Inzwischen hat J. G. Ebel in der Bibl, univ. 


Nymphaeaceen der Griechen. 297 


heit ihres Landes beschworen, wählten die Linde, und zum 
Andenken an die Besiegelung jener, die Schlacht bei Murten 
1476, ward in dems.' J. zu Freiburg in der Schweiz eine Linde 
gepflanzt (doch fehlt hierüber volle historische Gewissheit), wel- 
che noch steht, obschon nicht mehr so kräftig. Noch weit älter 
ist aber eine Linde im Dorfe Villars - en - Moing unweit Freiburg, 
die schon zur Zeit der murtener Schlacht wegen ihres: Alters 
und: ihrer. Stärke berühmt war; nach einer Verstümmlung i. J. 
1476 trieb der Stamm 6’ über dem Boden zwei Aeste, die als 
grosse Massen , 70’ hoch, noch heute stehen. Die freiburger, 
1476 gepflanzte, hatte 1831 13° Fuss Umfang: danach berechnet, 
könnte die zu Villars, von 36’ Umfang, 1240 Jahre alt sein, was 
indessDe Candolle selbst für zu hoch hält, von welchem diese 
und einige der folgenden Angaben entnommen sind*. De. 
führt unter andern **) mehrere alte Linden auf, von denen wir nur 
noch die zu Neustadt am Kocher in Würtemberg berühren. 
Diese Stadt wurde nach sichern Handschriften im Stadt- Archiv, 
nachdem die alte Stadt Helmbundt 1226 zerstört worden, 1229 
neben dem (damals also schon) grossen Baume erbauet, der 
noch heute. grünt und nach welchem sie auch N. an der grossen 
Linde heisst. Schon 1664 beschrieb J. Evelyn diese Linde 
und seitdem hat sie wenig zugenommen. 1831 hatte sie 6 Fuss 
über dem Boden 374 F. Umfang; der Wipfel deckt einen Raum 
von 400 F. Umfang. Nach der murtener Linde berechnet könnte 


1831 die Glaubwürdigkeit der Angabe, dass es unter dem genann- 
ten noch grünenden Ahorn gewesen, wo die schweizer Freiheit 
zuerst gekeimt, mit einer Menge von Beweisen bestärkt. 

.*) [S- Pflanzen-Physiol. II. 819—47; Biblioth, univ. Mai 4831; 
Schwed. hot. Jahresber. üb. 1831, S. 109— 19, vgl. aber in Be- 
trefE dieser und folgender Altersberechnungen Bowman, im bot. 
Jahresb. üb. 1836, 5. 296. — Anm, d. Uebers;] 

*#) In Schweden, wo man auf solche curiosa nicht Acht gegeben, 
fehlt es an allen Notizen von Bäumen, die wegen ihres Alters, 
oder wegen an sie geknüpfter Traditionen merkwürdig sind; wir 
haben nicht einmal Nachrichten über ‚‚die grosse Linde“ zu Ste- 
garyd in Smäland, von welcher der Linnäische Name nach Linn&’s 
eisner Angabe hergenommen ist. Wir glauben darauf aufmerksam ma- 
chen zu müssen; mehrere solche einzelne Facta können zu interessan- 
ten Resultaten führen. So wird man z. B. mit der allergrössten 
Gewissheit das Minimum des Alters einer Ruine durch Zählen 
oder Berechnen der Jahrringe eines Baums, welcher auf derselben 
aufgewachsen, erfahren können. Im alten Finwed fe. Walde in 
Upland] giebt es viele durch Volksglauben vor der Axt geschützte 
so genannte Opferhaine, deren uralte Stämme, von noch sichtba- 
ren Gräbern und Steinsetzungen aufgewachsen, in ihren Jahrringen 
das geringst-mögliche Alter der Gräber ansagen würden. Baum 
und Grab dürften gleichjährig sein. 


228 Nymphaeaceen der Griechen. 


sie 1229 schon 546 Jahre alt gewesen sein, aber zu durehschnitt- 
lich jährlich 2 Lin. Zunahme des Durchmessers gerechnet bis 
heute nur 764 J., und ebenso kommt sie nach Urkunden auf 
7800 J., bis jetzt gerechnet. Die Aeste sind von gemauerten 
Säulen gestützt, deren jetzt 106, im J. 1408 bereits 671 — 
Solche Bäume werden mitunter ein lebendiges Album von Au- 
tographen. Die Inschriften werden oft überwachsen und bleiben 
dann dauernd im Innern *). — Manche Erinnerung, manche Sage, 
ist nur durch Bäume auf uns gekommen: so eine aus der Zeit 
des letzten maurischen Königs, Abu Abdallah (Boakdil), zu 
Granada, wo an den Liebeshandel einer Sultanın mit einem 
Abenceragen Üypressen erinnern, „los cipreses de la reina 
sultana,“ seit jetzt 33 Jahrhunderten. | 

Die ältesten Bäume in Europa, die man kennt, sind Ei- 
benbäume (Taxus baccata) in England und Schottland, und 
zwar: 1. mehrere bei Fountain Abbey unweit Ripon in York, die 
schon 1133 beim Baue der Abtei den Mönchen Obdach gaben: 
der diekste, von 1214 Lin. Durchmesser im J. 1770 nach Pen- 
nant, konnte 1214 Jahre alt sein; 2. einer zu Fotheringal in 
Schottland, i. J. 1770 nach Pennant von 2588”' Durchm. und 
so nach De Candolle 2588 Jahre alt; 3. einer zu Braburn in 
Kent, der nach Eveiyn’s Messung i. J. 1660 damals schon 
9880 Jahre alt zu rechnen gewesen. Schade dass wir nicht 
wissen, ob diese Eiben noch existiren. Unter den tropischen 
Biumen aber mit ihrem z. Th. ausserordentlich harten Holze 
und fast unerkennbaren Jahrringen, wie Mahagoni, Hymenaca 
Courbaril u. a. in americanischen Urwäldern, giebt es Stämme, 
deren Zeitberechnung man kaum wagt: als wären sie mit der 
jetzigen Schöpfung geboren! Am genauesten (nach den Jahr- 
ringen) ist eine Adansonia digitata am Senegal berechnet wor- 
den, welche, obgleich nicht von hartem Holze, im J. 1757 an 
5150 Jahre alt geschätzt wurde; und noch giebt es stärkere 
Stämme derselben. Als das älteste oder eins der ältesten Mo- 
numente der Erde sieht De Candolle den wunderbaren Drachen- 


*) Vgl. Agardh „über Inschriften in lebenden Bäumen [Om In- 
skrifter .... Lund, 1829. 18 $. 8. Ausz. im Bot. Jahresb. über 
1829, 8. 89—- 94], wo, gezeigt wird, dass Inschriften awf diese Art 
am sichersten der Nachwelt aufbewahrt werden: (nur die Nachwelt 
findet sie), indem, wenn alle Spuren in der Rinde verschwunden 

"sind. sie im Holze. von neuen Jahrringen bedeckt. eben =6 sicher 
verwahrt erhalten werden. wie Peirificate in Schichten von Ge- 
birgesarten. In den Ardenner. sell. mar, nach den Zeitungen, vor 
einigen Jahren ın einer aıten Eiche hineinsewachsene Druideu- 
Opfergefässe geiunaen naben, ; 


Nymphaeaceen der Griechen. 239 


blutbaum (Dracaena Draco) zu Orotava auf Teneriffa an, wel- 
cher zur Zeit der Entdeckung der Insel, 1402 ein Gegenstand 
der Verehrung der Einwohner war. Al. v. Humboldt giebt 
seinen Umfang zu 45° Fuss an, und da seine Zunahme so aus- 
serordentlich langsam erfolgt, dass 4 Jahrhunderte ihn kaum 
geändert haben, so sagt S. Berthelot in seiner ausführlichen 
Nachricht darüber in N. Act. Acad. Nat. Cur. XIII. p. 773 sagq. 
(c. tab. 35— 39), dass bei seinen Berechnungen des Alters durch 
Vergleichung mit jungen Bäumen die Resultate „mehr als ein- 
mal seine Einbildungskraft überflügelt hätten.“ 

So ungeheuer dieses Denen vorkommen mag, welche die 
von der Wissenschaft aufbewahrten unzähligen analogen Bei- 
spiele und ihre sichre Begründung nicht kennen, so ist es doch 
mathematisch wahr, dass die Pflanzenwelt lebende Denkmä- 
ler aufzuweisen hat, die älter sind als die Pyramiden oder si- 
cherlich als irgend Menschenwerk. Das Leben widersteht aller 
Verwitterung durch die atmosphärische Luft, und für alle Ge- 
wächse, die jährlich neue Knospen ansetzen, giebt es keinen 
innern Grund ihrer Zerstörung, indem diese nur mechanisch 
oder von äussrer Gewalt abhängig ist. Dieses gilt nicht allein 
von Bäumen, sondern fast noch mehr von Flechten, mehreren 
Kräutern (z. B. Orchis- Arten) und Sträuchern, die der Zerstö- 
rung weniger blossgestellt sind. Aber mit ganz andern Empfin- 
dungen, als man einen Stein betrachtet, schaut man auf ein 
solches lebendes Monument. Noch heute kann man z. B. im 
Schatten derselben Cypresse ruhen, wie einst Montezuma zu 
Chapultepek in Mexico, oder unter der noch stärkern zu S.-Ma- 
ia de Tesla unweit Oaxaca, worunter Cortez nach eignem Be 
richte mit seinem kleinen Heere gerastet; beide sind Taxodium 
distichum: die von Oaxaca kann 4—6000 Jahre alt sein; die 
erstere heisst noch heute Montezuma’s Cypresse. Es giebt eine 
Menge Bäume in America, die mit der Geschichte der Invasion 
der Europäer in das Land verknüpft sind, weil die Wunder 
seiner Natur die Aufmerksamkeit der Fremdlinge zuerst auf sich 
lenkten, zumal da nur sie zu jener Zeit die nöthigen geographi- 
schen Anhaltspunkte gewährten. Unter diesen verdient beson- 
ders der Cheirostemon platanoides von Tolucca in Mexico Er- 
wähnung, von welcher Baumart man von Cortez Zeiten an bis 
unlängst nur dieses einzige Individuum in der Weltjgekannt hat, 
so dass es gewiss eingeführt worden, wahrscheinlich durch die 
Azteken, wonach die Heimath dieser durch das Stammland des 
Baumes angedeutet werden könnte. Gleichfalls merkwürdig sind 
ausserdem manche Wunder in den Urwäldern America's, wie 

16 


230 Nymphaeaceen der Griechen. 


z. B. dass Baumstämme auf einem Piedestal aus ‚einem gegen 
den Boden gekehrten Wipfel stehend, empor steigen, woyon 
jetzt kein analoges Beispiel in Europa zu finden ist, obschon 
Plinius ganz eben so die Urwälder des alten Germaniens be- 
schreibt: ,„Hereyniae silvae roborum vastilas, intacla aevis et 
congenita mundo prope immortali, forte miracula exeedit. 
Constat attolli colles occursantium inter se radicum repereussu; 
aut ubi secuta tellus non sit, areus ad ramos usque .et ipsos in 
ter se rixantes curvari, porlarum patentium mode, ut turmas 
eguitum transmittant.“ Plin. XVIL ce. 2. Dies. konnten wir 
nicht begreifen, bis man in America gerade dasselbe zu sehen 
bekam. 

Während Geschlechter aussterben, Völker verschwinden, 
Einrichtungen der Menschen vertilgt werden , ist es eben die 
Natur, welche alles überlebt als das versöhnende Element in 
dieser Tragödie der Geschichte. Was wäre die älteste Ge- 
schichte, wenn wir nicht noch heute ihren Schauplatz in allen 
Zügen wiedererkennten, wenn die ganze Bühne vergangner Er- 
eignisse verändert wäre? Wohin wir aber in der Geschichte 
zurückblicken, finden wir, dass in der Natur „alles ist, wie frü- 
her; nur wir sind anders.“ Noch in unsrer Zeit schwitzt die 
Tamarix ihre Manna aus in der arabischen Wüste; noch heute 
bekleidet die Trauerweide, dieses Symbol des Kummers und der 
Trauer, die Ufer der Flüsse Babylons, ob sie gleich als Fremd- 
ling eben so weit umher verbreitet worden, wie Israels Geschlecht; 
noch jetzt grünt die Geder auf dem Libanon und der Oelbaum 
im Garten zu Gethsemane. Chateaubriand (Jtiner. a Jerus. 11. 
200.), von welchem die letztere Angabe entnommen ist, sagt: 
„der Oelbaum ist gleiehsam unsterblich, denn durch neue Wur- 
zeltriebe wird er immerfort verjüngt;“ und er bestätigt mit po- 
sitiven Beweisen, dass die dortigen Oelbäume älter sind, als 
die Einwanderung der Muselmänner in Palästina. Der alte Theo- 
‚ phrast beklagte sich daher über die Kürze des menschlichen 
Lebens (s.: Cie. Tuse. Quaest. 3. 28.); wir aber, höherer Hoft- 
nung, sehen in der Wirklichkeit das Entgegengesetzte von sei- 
nen Klageworten: „uses, unor' agyousda Cyv, zor amodvmaxousr. 


(Diog. V. 41.) 


$. 1. Naturgeschichte der Nymphaeaceen. 


Schriftsteller des Alterthums lieset man mit ganz andern 
Augen, wenn man die Geschichte eines Naturwesens, von wel- 


Nymphaeaceen der Griechen. 231 


chem die Rede ist, vorher kennt, als wenn man nachher 
naturhistorische Belehrung darüber. zu suchen hat. Darunı haben 
wir geglaubt, erst etwas im Allgemeinen über das Ansehen die- 
ser Pflanzen , ihre geographische Verbreitung und ihre Anwen- 
dung sagen zu müssen, weil es gewöhnlich entweder ihr Nutzen 
oder etwas so zu sagen Symbolisches in ihrem Habitus und 
Standorte ist, was den Naturwesen eine historische Bedeutung 
erworben hat. . 

Die Nymphaeaceen stehen hinsichtlich ihres Keimens und 
vegetativen Systems gleichsam an der Gränze zwischen Blüthen- 
pflanzen mit einem und denen mit zwei Samenblättern. Blume 
und Frucht weisen ihnen indess ihren Platz unter den letzteren 
an, und bei näherer Untersuchung findet man auch, dass sie 
typisch zwei Samenblätter haben, obgleich diese, wie mehrere 
im Wasser wachsende Dicotyledonen von einem Sacke umgeben 
sind und dadurch wie einfach erscheinen. Mit den Lilien sind 
sie also, im botanischen Sinne, nicht verwandt, obgleich ältere 
Quellen und ihre Commentatoren sie Liliengewächse nennen, 
wie wir: Wasserlilien. Sie haben keinen Stengel, sondern einen 
dieken, gewöhnlich horizontalen Wurzelstock (rhizomu), der sich 
mit Wurzelzasern im Boden befestigt. Die Blätter sind breit, 
sross, auf dem Wasser schwimmend, entweder schildförmig, 
oder, auch wenn sie herzförmig sind, so: tief eingeschnitten, 
dass sie schildföürmiges Ansehen haben; auf der Oberseite slän- 
zend und glatt. Blatt- und Blumenstiele sind völlig einfach, oft 
mehrere Ellen lang: die letztern stets einblüthig Die Blumen 
gross (in Scandinaviens Flora ist Nymphaea alba die grösste 
Blume), gewöhnlich ausgezeichnet prächtig, oft wohlriechend, 
dem Aussehen nach zwischen Päenien, den ausländischen Magno- 
lien und dem Mohne stehend, zwischen welchen sie auch nach 
der Ansicht der meisten Botaniker ihren Platz im Systeme haben. 
Vor und nach dem Biühen sind sie unter das Wasser gesenkt; 
öfters tauchen sie auch bei trübem Wetter oder bei Nacht zu- 
sammengeschlagen unter, um in der Morgensonne wieder in der 
Höhe aufzubrechen. Die Frucht, welche bei den meisten einfach 
zu sein scheint und inwendig schleimig ist, besteht aus mehre- 
ren Früchtchen, die in einen gemeinschaftlichen Fruchtboden, 
welcher wie eine Mohnkapsel aussieht, eingeschlossen oder 
theilweise leingesenkt sind. Die Samen sind gross, inwendig 
meistens mehlig. en; | 

Alle Nymphaeaceen wachsen in süssem Wasser, und gleich 
den meisten Wasserpflanzen kommen sie, im äussern Ansehen 
wenig abgeändert, in allen Zonen und in den meisten Ländern 


232 Nymphaeaceen der Griechen. 


der Erde vor. Indess sind sie auf der südlichen Halbkugel, wo 
grössere Binnenseen fehlen, seltner: von dort kennt man nur 
wenige Arten vom Cap, von Madagascar und aus Peru. In grö- 
ssern und wärmeren Gewässern finden sich auch die grössten 
und prächtigsten Arten, worunter die in der letzten Zeit im 
tropischen America entdeckte Victoria Regina (od. V. regia 
Ldl.) unbestreitbar die Königin der Wässer ist, auf deren 'Spie- 
gel sie mit ihrer rosenfarbigen Krone auftaucht, umgeben von 
den grünenden Schilden. Die grössten Ströme der alten Welt, 
der Ganges und der Nil, sind wegen ihrer schönen Wasserlilien 
berühmt gewesen; auch an der Mündung der Wolga kommt das 
prachtvolle Nelumbium vor. In die Mythen und den Sagenkreis 
jedes Volkes sind sie verflochten worden und den Wassergott- 
heiten geheiligt gewesen, sowohl in der neuen Welt, als in der 
alten von der Küste Malabar bis an das Eismeer. Ausser be- 
stimmten Angaben hat man den Beweis davon schon in ihren 
Namen Neckros [schwed., Rose des Wassergottes Necken ], 
Nymphaea (Plin. XXIV. c. 7.) u s. w. Aber in den ältern 
Natureulten hatten sie eine noch höhere Rolle. Wie Nymphaea 
pubescens das Symbol des Ganges”), so war N. Lotus das des 
Nil’s. Im Isis - Cultus war Nelumbium speciosum ein wesentlich 
integrirender Theil. Nach ägyptischem Mythus stieg Osiris 
zwischen den Wogen aus der Blume des Nelumbium und Isis 
wird mit einer Lotus-Krone abgebildet. Auch Harpocrates wird 
auf Lotusblättern ruhend dargestellt, ebenso thront noch heute 
der Fumbo der Chinesen auf der Blume des Nelumbium. (Kir- 
cher, Chin. p. 191.) Die merkwürdige, bei den Chinesen gleich- 
falls heilige Euryale ferox wurde, nach sichern Urkunden vor 
3000 Jahren in China eingeführt, wo sie seitdem eultivirt wor- 
den ist; erst in neuster Zeit ward sie in den Seen zwischen 
Nepal und Lackno (in Audh im nördl. Ostind.) wild gefunden. 
Doch nicht allein durch ihre prächtigen, oft wohlriechenden 
Blumen und das Symbolische in ihrem Oeffnen und Herauftauchen 
bei Tagesanbruche, sondern auch durch ihre Anwendung als Nah- 
rungsmittel, haben die Nymphaeaceen ihre historische Wichtig-. 
keit erlangt. Das dicke Rhizom enthält eine Menge Stärkmehl, 
welches nährend ist; bei unsern einheimischen giebt es daneben 


er 


*) Jones in Asiat. Research. Ill. p. 288.; Creuzer, Comm. in 
Herod. IV. p. 17-; aber mit Unrecht nimnt man an, dass die 
Pflanze und ihr Cultus zu den Hindu’s von den Aegyptiern aus 
gekommen sei, was, ausser innern Gründen, dadurch wewerfent 
re dass die indische Pflanze eine andere Art ist. 


Nymphaeaceen der. Griechen. 935 


einen bittern und zusammenziehenden Stoff, der sie zur Nahrung 
wenig tauglich macht”), von den ausländischen aber dienen 
mehrere dazu, wie der Wurzelstock des Nelumbium speciosum 
in Ost- Asien (im Geschmacke Artischocken gleichend), der 
von Nymphaea Lotus wird von armen Leuten zu demselben 
Zwecke gesammelt; beide waren früher noch mehr geschätzt. 
Die Samen des ersteren haben als Leckerbissen gegolten; auch 
standen sie in der Arzneikunde des Alterthums in hohem Anse- 
henals antiaphrodisiacum, jetzt gerade um des Gegentheils willen. 


S.2. Ueber die den Griechen bekannten 
Nymphaeaceen. 


Ausser den zwei durch ganz Europa verbreiteten, sowohl 
ın Schweden als auch, nach Dioscorides, in Griechenland ein- 
heimischen Nynıphaeaceen, N. alba und /utea, von welchen 
Theophrast von Eresos**) undeutlich, bestimmt aber Dioscorides 


*) Dass sie indess an Orten im nördlichen Schweden benutzt worden 
sind, ist bekannt,; ob sie gleich im natürlichen Zustande wenig 
dazu gceignet sind, Gelänge es, einen leichten Weg zu Entfernung 
des adstringirenden bittern Stoffes ausfindig zu machen, so würden 
sie, bei ihrer Grösse, wichtig werden. Das nach Vegetation und 
Eigenschaften mit den Nymph., übereinstimmende Arum Colocasia 
hat mehr scharfe Eigenschaften, wird aber durch deren Abschei- 
dung völlig anwendbar, wie Nyınphaea Lotus in Aegypten. 
[Dürfte wohl bei jenen Einweichen und Auswaschen der zermalm- 
ten Masse in vielem Wasser helfen ?] 


3%) Die Beschreibungen des Dioscorides (ed. Colon. 1529, p. 439 
sg. lib. III. c. 139, 140.) haben nie einem Zweifel unterlegen, 
desto mehr aber die des Theophrast. Dass dessen (yAvxsia) 
vvupaia (lib. IX. e. 13. ed. Amstel. 1644, p- 1093.), eine Nym- 
phaea ist, hat man nach dem Namen, seit der ältesten Zeit her 
angenommen, obgleich eine Beschreibung fehlt, die Eigenschaften 
aber dagegen streiten, indem die Wurzel nicht süss, die Früchte 
nicht essbar sind u. s. w. Nicht ein Wort giebt Berechtigung, 
sie einer bestimmten Art zuzuweisen, obgleich Sprengel (Hist. 
rei herb. I. 94. [u. auch noch in s. GCommentar zum Diosc. II. p. 
556.] annimmt, sie sei die Nyınphaea lutea, wozu es keinen 
andern Grund giebt, als dass, wenn er einmal die Zion Theophr, 
lih. 1V. c. 411. [c. 10. ed. Wimm. & al.] zur N. alba gezogen, 
auf keine andere mehr zu rathen übrig blieb. Nach Dioscorides 
war aber eben N. alba die eigentliche Nvugpaia der Griechen, in 
Böotien wachsend, wohin T’heophrast die seinige auch versetzt 
(nur diese fand Sibthorp in Griechenland); und dass 'Theophrast’s 
oiön keine Nymphaea ist, ist völlig klar und von Bodaeus im 
Comment. in Dioscor. p. 462. schlagend bewiesen. Sprengel’s Be- 
stimmungen der Pflanzen der Alten sind mitunter willkührliche. 


234 Nymphaeaceen der Griechen. 


spricht, waren zwei Arten aus Aegypten hekamnt, deren von 
den meisten historischen Schriftstellern gedacht wird, nämlich: 
1. Nelumbium speciosum Willd., welches als besondere 
Gattung unterschieden wird, weil seine Früchtchen (halb-) ge- 
sondert stehen und nicht, wie bei Nymphaea, gänzlich im Blu- 
menboden eingeschlossen sind. Sonst ist das Aussehen gleich, 
aber die Blätter sind ganz (nicht beim Stiele eingeschnitten ), 
kreisrund, schildförmig, von 1—2 Fuss Durchmesser. Die Blu- 
men sind gross, prächtig, gewöhnlich rosenfarben, aber auch 
weiss variirend, und verbreiten einen sehr angenehmen anisähn- 
lichen Geruch. Das Stammland dieser Art sind die wärmeren 
Länder Ost- Asiens, wie Siam, China, Japan, die Philippinen, 
Molucken und die übrigen Inseln des indischen Oceans; man 
hat aber keine sichre Angabe, ob sie westlicher als in Indien 
wild vorkommt (die americanische Pflanze ist eine ändre Art). 
Höchst merkwürdig ist es daher, dass sie in ältern Zeiten, 
ohne in dazwischen liegenden Ländern gesehen worden zu sein, 
in Aegypten existirt hat richt allein nach Herodot und mehrern 
gleichzeitigen Zeugen, sondern auch nach nicht zu verkennenden 
Abbildungen auf ägyptischen Denkmälern und Münzen aus jener 
Zeit. Jetzt aber ist die Pflanze dort ganz und gar verschwunden. 
Dieser Umstand besonders hat die Aufmerksamkeit der Botani- 
ker erregt; indess glauben wir glücklich eine Erklärung gefunden 
zu haben. Sowohl aus geographischen Gründen, als auch nach 
bestimmten Zeugnissen alter Autoren (s. $.3.)' ist sie in Aegy- 
pten nie wild gewesen, sondern als eine heilige Pflanze 
dahin eingeführt worden; als der Isis-Cultus, worin sie 
gepflegt und erhalten wurde, aufhörte, verschwand sie auch aus 
dem Nil. Eine Stütze mehr gewinnt diese Ansicht darin, dass 
mehrere indische Gewächse, die kaum anderwärts vorkommen, 
von entfernteren Zeiten her, als dass die Geschichte um ihre 
Einwanderung wüsste, in Aegypten angebaut worden sind, z. B. 
die indische Tamarinde, Lawsonia, u. a.; den sprechendsten 
Beweis liefert aber die andre dem Isisdienste eben so we 
sentlich angehörende Cordia Myxa [s. u.]. — Noch wird Ne 
lumbium speciosum an einem einzigen, von seinem Stammlande 
noch weiter abgelegenen Punkte, Tschulpan in einer der Mün- 
dungen der Wolga in’s caspische Meer, angetroffen. Da bekannt 
ist, dass auch in jenen Gegenden Buddha - Cultus bestanden hat, 
so hat man allen Grund, anzunehmen, dass es auch dorthin an- 
fänglich eingeführt gewesen, um so mehr, als es nur an einer 
eingeschränkten Stelle vorkommt. | 


2. Nymphaea Lotus L. Diese und die folgende Art haben 


Nymphaeaceen der Griechen. 235 


die Früchtchen in den Blumenboden (nachherige Frucht, in die 
Fächer derselben) eingeschlossen, wie unsre einheimischen, da- 
her sie mit N.alba in einer Gattung bleiben, auch wenn N. lutea 
generisch davon getrennt wird. Die Blätter sind. kreisrund, 
schildförmig, aber am Grunde tief eingeschnitten, stumpf gesägt, 
unten dünn-behaart. Die Länge des Blumenstiels (bis zu 3 Fuss) 
ändert sich nach der Tiefe des Wassers und mit dieser nimmt 
auch die Ueppigkeit der Pflanze zu: was alles als ein Zeichen 
für eine gute Aernte gilt, mit gutem Grunde, da beides von ho- 
her Ueberschwemmung des Nils abhängt. Die Blumen sind 
gross, weiss, vom grünen, am Rande rosenfarbenen Kelche um- 
geben. — Diese Art gehört nur Africa an; ihr Stammland seheint 
der Nil zu sein, dessen Sinnbild sie bei den Alten war. Wie 
weit sie sich in das innere Land verbreitet, ist nicht sicher be- 
kannt; gesehen hat man sie aber im Reiche Oware, an Africa’s 
Westküste (Palisot de Beauv., Fl. d’Ow. et de Ben. 2. p. 50.). 
Ausser Africa kennt man nur einen Standort derselben: die (19° 
bis 28° warme) Quelle Pecse bei Grosswardein in Ungarn, wo- 
hin sie doch unsrer Meinung nach sicher ursprünglich erst ver- 
pflanzt worden ist, wie man weiss, dass dies im Kaiserbade bei 
Ofen der Fall ist, wohin Kitaibel sie gebracht*). — Dagegen 
ist der Lotus des Ganges eine besondere Art: N. pubescens 


*) S.: Waldst. & Kitaib., Pl. rar. Hung. I. p. 13. — De Candulle 
hält sie für eine eigne Art, N. thermalis, aber unsre von Sadler 
erhaltenen Exemplare zeigen keinen wesentlichen Unterschied vom 
ägyptischen Lotus. Man hat mehrere Beispiele von südlichen 
Pflanzen, die an warmen Quellen weit gegen Norden hinauf, über 
ihren natürlichen Verbreitungsbezirk hinaus, vorkommen, So fin- 

‚ det sich z. B. der eigentlich africanische Cyperus badius Desf. an 
den 'Thermen von Aachen, wo er auch für eine besondere Art, als 
C. thermalis Dum., genommen worden ist. Von Wormskiold 
besitzen wir eine indische Fimbristylis aus heissen Quellen Kam- 
tschatka’s. Da man nun diese beide nicht für eingewandert halten 
kann, so könnte man darin eine Stütze für die Hypothese der Abnahme 
der Erdwärme?) und dadurch veranlassten Kränkelns und Ausge- 
hens mancher Gewächse im Norden finden, von welchem leiztern 
wir mehrere Beweise haben (auch in Trapa, Xanthium ,' die noch 
im vorigen Jahrhunderte in Schweden vorhanden waren), — wäh- 
rend andre Pflanzen noch bei uns geblieben an Stellen, wo die 
Wärme durch eine so zu sagen künstliche Bodentemperatur ersetzt 
wird, Im Thierreiche findet dasselbe statt. Die Affen haben sich 
in Europa so weit südwärls zurückgezogen, als sie gekonnt: bis 
auf die Felsen Gibraltar’s; Canis aurea bis in Morea. Aallus 
aquaticus, welcher im ganzen kalten und gemässigten Europa ein 
Zugvogel ist, bleibt nach Faber an Islands heissen Quellen über 
Winter, 

7) [Die in Jahrtausenden nur Bruchtheile eines Grads 
beträgt. — D. Uebers.] 


236 Nymphaeaceen der Griechen. 


Willd., deren richtige botanische Bestimmung umso wichtiger 
ist, als dadurch Passow’s und Anderer Annahme ihrer Ein- 
führung aus Aegypten nach Indien (welche schon aus manchen 
innern Gründen sehr verdächtig war,) als erwiesen falsch ganz 
in sich zerfällt*). Ihre Blätter sind mehr nierenförmig, gezähnt, 
auf der Unterseite gefleckt und seidenhaarig, die Zipfel am 
Grunde mehr aus-einander-stehend, die Blumen kleiner, den 
ganzen Tag offen, mit einem stechenden Wohlgeruche begabt. 
Sie wächst nicht bloss in Indien, sondern scheint auf den Inseln 
im indischen Oceane weiter verbreitet zu sein, auch bis auf sol- 
che, wohin indische Cultur nie gelangt ist, so dass nicht der 
geringste Zweifel darüber aufkommen kann, dass diese Erdge- 
gend ihre ursprüngliche Heimath ist, wie Africa die der 
ächten N. Lotus. — Diese letztere ist der zuerst von Herodot 
und nachher von den meisten griechischen Schriftstellern bespro- 
chene weitberühmte Awzos aryunrıos und mass von den vielerlei 
Lotis, von welchen bei den Alten die Rede ist **), genau unter- 


*) [,„N. pubescens (Willd.): Blätter scharf gezähnt, nierenf.-kreis- 
förmig: Unterseite dicht- und sanft weichhaarig, gefleckt; Lappen 
divaricali; Blattstiel intramarginal; Blumen weiss; Connectiv der 
Anth. nicht in e. Anhang verlängert; Narbe ungefähr 20strahlig.‘ = 
N. pub. W., DC. Prodr., Spr. Syst. N. Lotus Burm., Roxb- 
Fl. ind. HI. & Ic. ined. — Rheed. Mal. XI. t. 26. — So nach 
Wight & W. — Arnott’s Prodr. Fl. penins. Ind. or. ], 
(1834) p- 17., nach welchem die vordere ind. Halbinsel südl. vom 
48° N. Br. ausser dieser noch 3 andre Nymphaeen: N. stellata 
W., rubra Rxb. und edulis DC., und das Nelumbium spec. besitzt: 
— zum letztern sind als Abbildd. Rheede’s Ht. mal. XI. t. 
30., Rumph. Amboin. VI. t. 73., Pluken. t. 207 f. s.u. Gärtn. de 
fruct. I. t. 19. eitirt; in Tandschor sei es häufig.] 

Anm, d. ÜUebers. 

+*) Obgleich diese von den älteren Commentatoren bereits aus 
einander gesetzt und nach denselben von Sprengel (in seinen 
Antigu. bot. und s. Geschichte d. Bot.) unter die den einzelnen 
zukommende Linneische Nomenclatur gebracht worden sind, so 
glauben wir doch, sie hier aufnehmen zu müssen, weil die Anga- 
ben darüber z. B. in De Gand, Syst. r. veg. II. 53, 54. nicht we- 
nig verwickelt, auch unvollständig sind und erst durch Verglei- 
chung mit den Quellen vollends verständlich werden. Sie lassen 
sich, nach der eignen Anweisung der Alten, eintheilen in 


A. Bäume 

41. Rhamnus Lotus L. oder Zizyphus Lotus Lam.: ein dor- 
niger Strauch welcher rund -eiförmige, süsse, essbare Beeren trägt, 
die eigentlich mehrkernige Steinfrüchte sind. Er wächst haupt- 
sächlich in Nord-Africa, doch auch etwas im südlichsten Europa, 
wie in Portugal, Sicilien. Die Frucht macht noch heute ein Haupt- 
nahrungsmittel mehrerer nordafricanischen Völker aus (vgl. Des- 
fontaines in Mem. de l’Acad. de Par. 1788. p. 443.), die also 
wohl den Namen Awrogayos verdienen, unter welchem sie bei Ho- 


Nymphaeaceen der Griechen. 237 


schieden werden. Merkwürdig aber ist, dass sie nur auf den 
allerältesten ägyptischen Münzen und Denkmälern vorkommt, so 
dass sie späterhin vom Nelumbium speciosum verdrängt worden 
zu sein scheint. 

3. Nymphaea coerulea Savigny. Sie unterscheidet sich 
von den vorigen sehr wesentlich durch ihre an der Spitze ver- 
längerten Staubbeutel und wird an den blauen Blumen sogleich 
erkannt. Der Wurzelstock ist birnförmig. Die Blätter kreis- 


mer '(Odyss. IX. 83.) und Herodot (IV. 177.; vgl. 1I. 96.) vor- 
kommen. Polybius, 12. 2., und Athenäus (edit, Casaub, 1597, pP» 
651.) geben eine treffiende Beschreibung davon unter dem Namen 
des libyschen Lotus. 

2. Celtis australis L. In ihrer Heimath, den Gegenden am 
mittelländischen Meere, erwächst sie zu einem Baume von 40 Fuss 
Höhe (in unsern schwedischen Gärten bleibt sie nur ein niedriger 
Strauch) mit hartem Holze und ist ohne Dornen. Die Frucht isı 
eine einsamige Steinfrucht, von Erbsengrössc, schwarz , essbar. 
Der natürlichen Verwandtschaft nach steht sie von unsern Bäumen 
der Ulme am nächsten. Dies ist der Awrös Vheophr. IV. c. 4. 
ed. Amstel: 1644: p. 321. [cap. 3. ed. Wimm. & al.] 'Th.s Be- 
schreibung ist deutlich, und ebendas. wird auch gesagt, die Frucht 
dieses Baumes werde gleichfalls von den Lotophagen gegessen, wo- 
nach der Leizteren Name nicht so ganz richtig bloss vom vorigen 
Baume hergeleitet wird. Dioscorides, Hib. J. c. 39. (ohne 
Beschr.), nennt ihn zur Unterscheidung von den übrigen Auros 
Öevdgov. Wahrscheinlich ist es auch der Awros bei Hippocrates. 

3. Diospyros Lotus L., nach ihrer Heimath Italien, Süd- 
Frankreich u. s. w. gewöhnlich Lotus italica genannt: dieser 
Art erwähnen keine griechischen Autoren, sondern nur Virgil und 
Columella. Es ist auch ein Strauchgewächs mit süssen essbaren 
Früchten, woraus noch heute Wein und ein Syrup bereitet wird; 
es sind aber keine ‚Steinfrüchte, sondern mehrsamige Beeren, von 
unsern schwedischen denen der Arbutus Uva ursi am nächsten 
kommend. 

’B- Kräuter. 


4. Nymphaea Lotus L.. oder Lotus aegyptia; — und 5. 
Nymphaea coerulea Savigny, oder Autos #va'vsiog bei Athenäns,ge- 
wöhnlich mit Nelumbium verwechselt oder übersehen: s. oben. 

6. Mehrere Diadelphisten aus der Gruppe der Trifolieen, wie 
Lotus-, Melilotus-Arten u. a. der heutigen Botanik, waren wohl 
die in Griechenland am gewöhnlichsten und eigentlichsten Awros 
benannten Gewächse,. Sie zu nur einer bestimmten Art brin- 
gen zu wollen, ist um so unrichtiger, als Theophrast (lib. VII. 
c. 14.5 [ed. Wimm. &ec. c. 45, 3.]) ausdrücklich sagt, dass unter 
diesem Colleclivnamen es deren vielerlei gebe, worunter u weiidn- 
os. Alle diese Pflanzen gelten noch für die ersten Kutlterkräuter, 
wie der griechische Lotus eben deshalb berühmt war. Dieser ist 
s, welchen Homer in der Iliade unter Aumros meint, obgleich des- 
sen Lotophagen in der Odyssee nicht von diesem den Na- 
men haben. — Nur Dioscorides, lib. IV, c. 106, 107. [ed. 
Spreng,.: IV. 109, 110.], versteht bestimmte Arten darunter [nach 
Sprengel eine Melilotus und Trigonella elatior Sibth.]. 


16 * 


238 Nymphaeaceen der Griechen. 


rund, schildförmig, weil die Seitenzipfel der herzförmigen Basis 
zusammengewachsen sind, an der Unterseite meistens purpur- 
farben. Diese Art wird nur als in Aegypten wachsend angege- 
ben, obgleich es sehr zweifelhaft ist, ob die südafricanische 
Nymphaea scutifolia DC. nicht auch zu derselben gehört. Die 
N. coerulea ist erst in der letzten Zeit als neue Art beschrie- 
ben worden; sie kommt aber nebst den übrigen oft abgebildet 
unter den Hieroglyphen Aegyptens und auf dessen ältesten Denk- 
mälern vor. Wie alt sind nicht viele neue Sachen! — 
Ausser diesen Nymphaeen gehörte Cordia My.:xa dem Isis- 
eultus an. Diese ist die Persea der Alten [ses« Diose., auch 
rr2oow0v b. Theophr.], die auch sowohl auf ältern Bildern und 
Statuen, als selbst auf Umkleidungen der Mumien abgezeichnet 
ist. Sie ıst gleichfalls indischen Ursprungs. Von ihr bezeugt 
Diodorus Siculus I. 34. ausdrücklich, dass ‚sie mit den ersten 
aus Aethiopien eingewanderten Anbawern Aegyptens eingeführt 
worden.“ Dieser Baum erhält sich aber noch heute in Aegy- 
pten; ist da nicht noch mehr Grund vorhanden, die andere zu 
demselben Cultus gehörende, aber mit demselben verschwundene, 
Pflanze auch für eingeführt zu halten? Dass ausdrückliche 
Zeugnisse darüber fehlen, erklärt sich leicht aus der gewöhnli- 
chen Verwechselung dieses Baums und der Nymphaea Lotus. 


S.3. Wichtigere Stellen bei griechischen 
Autoren. 


Herodot gewährt die ältesten schriftlichen historischen 
Urkunden (denn die bildlichen auf ägyptisehen Denkmälern sind 
wenigstens zum Theil bestimmt älter) zur Geschichte dieser 
merkwürdigen Gewächse. Hierher gehört Herod. lib. Il. c. 92. 
(ed. Lips. 1828. p. 193.), wo sowohl Nymphaea Lotus, als 
auch das nunmehr ausgegangene Nelumbium speciosum unter 
den Merkwürdigkeiten Aegyptens ausführlicher abgehandelt wer- 
den. (In ob. Dissert. in extenso mitgetheilt.) 

Theophrast handelt in Zist. ptl., Iib. IV. ce. 10. [cap. 8 
ed. Wimm. p. 159 sqq. ] hauptsächlich von diesen beiden Pflan- 
zen. Zuerst vom zUauos (Nelumbium spee.) welchen er so, dass 
er gar nicht zu verkennen ist, beschreibt. Merkwürdig ist be- 
sonders folgende Stelle: ov unv aAla zaraßaklovow Zv nnlo, ayv- 
eWoevres £v ucha mous Tu zarsveyönvaı ye nal usivar xol*) Gagdaeire: 


*) [Hier haben Wimmer’s und einige andere Ausgaben ein „un“ 
nach zo, wodurch ein besserer Sinn in die wohl immer etwas 


Nymphaeaceen der Griechen. 239 


“u our xaraonevalovaı Tovs zvauuwes’ welche beweiset, dass es 
eigentlich eine angebaute Pflanze gewesen ist, wenn sie auch 
daneben sich von selbst ausgesäet. — Die Angabe, dass sie 
auch in Syrien und Cilicien vorkomme, gilt nicht für unsre Zeit; 
dass sie auch dert eine Culturpflanze gewesen, scheint aus 
Theophrast’s eignen Worten, dass sie dort nicht gut ge- 
deihe, hervorzugehen. — Darauf folgt die Beschreibung des 
Joröos (Nymphaea Lotus). Dieser wachse häufig im flachen 
Lande, während es überschwemmt sei; vom Aubaue desselben 
ist nichts gesagt. Er wurde also als völlig einheimisch betrachtet. 

Dioscorides spricht vom „auyurzıos zuauos“ (Nelumbium) 
in lib. IH. cap. 97. [c. 128. ed. Spr.] und vom Awros aryumruos lib. 
IV. c. 109. [e. 112. ed. Spr.] Die Naturgeschichte*) beider ist 
unvollkommner als bei Theophrast (nach der Angabe des Vor- 
kommens des ersteren in „Cilieien “ scheint sie von Letzterem 
entlehnt zu sein); die Anwendung aber ist weiter ausgeführt 
und ganz mit dem gegenwärtigen Gebrauche in Aegypten über- 
einstimmend. ER 

Bei Strabo, lib. XV. (ed. Basil. 1549: p. 661.), finden wir 
wie beiläufig eine Notiz gegeben die nicht unwichtig ist. Er erzählt 
nämlich, dass, als Alexander auf seinem Zuge im Acesines [jetzt 
Dschönab oder Dschinab,, in Lahor, in NW. v. Indien] »vauss 
oiyurrtiss (Nelumbium) gefunden, er geglaubt habe, dem Ursprunge 
des Nils nahe zu sein, Es folgt daraus, dass das Nelumbium 
ein im ganzen dazwischen liegenden Gebiete unbekanntes Ge- 


dunkel gewesene Stelle kommt, welche Wimmer in s. Ausgabe 
der Hist. pl. so hat: „ov umv aAla xai naraßahkovoıw Ev mmAd 
Eyvovioavrss &0 udla MOOS TO zarsveyInvai re zal ueivaı xal 47 
diepdaonvarı zal oven“ xrh. Bei den varr. lectt. bemerkt W.: 
„Si genuina est vulgata sic explicanda est: semina nelumbii in- 
volvebantur limo tecta paleis, ut ne a nimia humiditate perde« 
rentur sed certius germinarent.‘““ Die Spreu konnte dabei zugleich 
als Düngmittel nützen. Die ganze Stelle besagte also, mit dem 
Vorangehenden, etwa: Es wächst viel Kyamos wild; aber die Ein- 
wohner thun auch (die Samen) in Lehm, nachdem sie gut Spreu 
daran gethan, damit sie sich hinabsenken und dabei dauern und 
nicht verderben; und so bereiten sie die Kyamos- Pflanzungen oder 
Teiche zu. Anm. d. Uebers.] 
*) Durch Dioscorides erfahren wir, dass das Cibotinm oder Cibo- 
rium der Alten eigentlich die Frucht des Nelumbium speciosunt 
gewesen (weshalb auch Galen, de alim. 2., Cibotium als Nah- 
zungsmittel mit Colocasia zusammenstellt). Es wurden aus der- 
selben auch kleine 'Trinkgefässe verfertigt, die man gleichfalls 
eibotia nannte. Zu Anfertigung derselben gab es eigne Werkstät- 
ten in Alexandrien. Vgl. Strabo, lib. XVII., welcher ebenfalls 
bezeugt, dass sie vom Nelumbium herrühren. 


240 Nymphaeaceen der Griechen. 


wächs sein musste. Ferner wird in lib. XVII.*) auch der Ver- 
fertieung der Cibotien aus den Früchten des Nelumbium erwähnt. 

Diodorus Siculus (ed. Rhodom., lib. I. p. 9, 30.) schätzt 
zvauns und Aoros als Nahrungsmittel betrachtet besonders hoch. 
Sie sollen sogar als Beweis für die Behauptung der Aegyptier 
dienen, dass Aegypten das Stammland des Menschengeschlechts 
sei, weil diese Pflanzen seiner Meinung nach Neugebornen se- 
gleich eine passende und fertige Nahrung darböten. 

In den Jsirvooogiorei des Athenäus finden wir Eimiges 
über diese Gewächse angegeben, was anderwärts nicht vorkommt. 
Der Anfang des Il. Buches bringt ein Citat aus Niecander’s 
Georgica, 

Ireiosias zUauov alyvrrtiov, vg0@ VEgeing 

avdsa uEv oTEpavovSs avUnS, aTa FR). 
welches schon für unsre Beweisführung,; dass das Nelumbium 

eigentlich als Culturpflanze bekannt gewesen, Zeugniss giebt. 

Weiterhin wird nach Plutarch erzählt, dass, obgleich sie ausser 
Aegypten nirgends angebaut würden oder ansehe wachsen soll- 
ten (wieder eine Anddikmk ihres Pflanzens daselbst), man sie 
doch einmal in Epirus durch einen Zufall aufgekommen gesehen 
habe, und Aehnliches auch zu Aedepsus [auf Euböa] ***) vor- 
gekommen sei. Wir glauben aber nicht sehr an Zufall und 
Wunderwerk in der Natur, sondern nehmen vielmehr an, dass 
die Samen von Aegypten aus dorthin gebracht worden. — In 
Athenaeus’ XV. Buche [ed. Casaubon. 1657. fol.] pag. 677. 
wird nicht allein des Nelumbii, sondern auch einer klauen Nym- 
phaea erwähnt: die einzige Stelle dafür, dass die Griechen die 
N. coerulea gekannt haben *,*). 


*) [Im lib. XVHO. von Strabo’s Geogr. findet sich in edit. Paris. 
1620. die längere einschlagende Stelle p. 790., eine kürzere 


pe 92. > Der Uebers.] 
**) [Das Weitere auch in Nicandri 'Theriaca etc. ed. Schneid. 1816. 
P- 282. — Der Uebers.] 


*##) 70 maoonAmorov Ey&vero nal &V Avsya. Um dies noch kräfliger 
zu machen, überselzt Gaza in seiner lateinischen Version das ra- 
gasimoıov mit Wunder. 

*4#) Doeror 0 Ovros &v Aluvans, dgovs GR, al Eiolv Kvrov ygosai 
dvo, n7 ulv co 6odw goınvia , &x Tovrov Ö 0 srÄsxöuevos oT£pavos 
vgios "Avtiwösios naheiton" 0 0° Ereoos Avrtıvos ovouaberat, AV&- 
veav 240v Tnv yoorav. Da wir hier die Stellen übergangen haben, 
welche die hinreichend bekannten Nymphaea alba und lutea be- 
treffen, so müssen wir doch erwähnen, dass sie auch bei Aristo- 
teles vorkommen und zwar unter dem ursprünglich persischen 
Namen (s.: Koch, Deutschl. F1.IV.S.32.) ro vsyag To etoınov, 
wie der Name Nuphar auch bei den Autoren des Mittelalters der 
gewöhnlichste ist, 


Nymphaeaceen der Griechen. 941 


An mehreren Stellen bei den Alten wird daneben der Fa- 
bae aegyyptiae als eines besondernLeckerbissens gedacht. Diese 
sind die Früchte des Nelumbium speciosum. Das unerklärbarste 
in der Geschichte derselben ist: aus welchem Grunde Pythago- 
ras seinen Schülern die Benutzung derselben verboten habe: es 
mag dahin gestellt bleiben, ob aus medicinischen Gründen, weil 
sie in Sumpfgewässern wachsen (Galenus, Alim. 1., sagt von 
der Faba aegyptia, sie sei natura humidiori el excrementitia, 
wie er auch in Alim. 2. Colocasia und die Cibotia verwirft), 
oder ob, wie man auch angenommen, seine Meinung gewesen 
sei, dass sie sich nicht in Politik mengen sollten, weil man die 
Fabae aegyptiae bei politischem Stimmensammeln gebraucht 
haben soll. Das eigne Leben des Pythagoras entsprach zwar 
nicht der letztern Meinung; indess warnt auch Mancher am 
stärksten vor dem, was er an sich selbst als Fehler erkennt. 


S. 4. Commentatoren der griechischen 
Schriftsteller. 


Zu diesen ist zuerst Plinius (Zist. nat.) zu rechnen, ob- 
gleich er in vielen Stücken wohl mehr als Compilator ist. Ueber 
Nelumbium schreibt er von Theophrast ab, schliesst aber Eini- 
ges aus, verändert Andres, so dass er T'heophrast’s Meinung 
nicht ganz richtig wiedergiebt. Eine merkwürdige neue Angabe 
treffen wir indess an: nämlich dass man damals angefangen, die 
Pflanze in Italien zu cultiviren *) — ein Zeugniss dafür, dass sie 
als Culturgewächs gegolten. 

Als man im Anfange der Wiederherstellung der Wissen- 
schaften versuchte, durch Aufsuchung und Bestimmung der im 
Mittelalter fast gänzlich auch den Namen nach vergessenen Na- 
turerzeugnisse der Alten auf richtigsem Wege den Grund der 
Naturwissenschaften zu legen, gab es kaum ein Gewächs, das 
mehr Unruhe machte, als die Faba aeyyptia der Alten — denn 
sie war bereits aus Aegypten verschwunden. Man fand. nichts 
‚Entsprechendes in der Natur. Matthiolus, welcher nicht 
sern zugeben wollte, dass er nicht alles kenne, was die Alten 
gesehen und gewusst hatten, gab eine, nach den Beschreibungen 


*) Weitere Angaben zu Bestätigung dieses Umstandes sind nicht vor- 
handen. Von späterhin hat mau keine Spur davon in Italien. 
Zwar erzählt J. Bauhin, lib. 38. c. A11., als Gerücht, das Ne=- 
lumbium sei angeblich zu der Zeit in Venedig cultivirt worden; 
dieses ist aber nachher nie bestätigt worden. 


242 Nymphaeaceen der Griechen. 


der Alten gemachte, erdichtete Zeichnung derselben. Casp. Bau- 
hin (Pin. p. 196.) gestand aufrichtig zu, dass man nicht wüsste, 
was die Alten gemeint hätten, nahm aber wie ausgemacht an, 
es müsse eine Arum-Art, mit Ar. Colocasia nahe verwandt, 
sein, wozu er auch durch frühere Verwechselungen Veranlassung 
hatte. Man findet daselbst summarisch, wie auch bei andern 
Commentatoren der Alten, alle die Scrupel vollständig berührt, 
welche es bei der Bestimmung dieser Pflanze gegeben. Inzwi- 
schen hatte schon damals Clusius durch helländische Schiffer 
eine unbekannte Frucht aus Ostindien erhalten, in welcher er 
mit seinem gewöhnlichen bewundernswerthen Scharfsinne die 
Faba aegyptia der Alten ahnte. Als nachher Ostindien bota- 
nisch untersucht wurde, war aller Zweifel über die Identität mit 
der alt-ägyptischen*) gehoben, denn sowohl die ägyptischen 
Zeichnungen, als auch die Beschreibungen der Griechen sind 
nicht zu verkennen. 

Nicht viel glücklicher war man in der Entzifferung der wei- 
ssen Lotus-Blume (die blaue blieb bis zu den letzten Decen- 
nien unbekannt). C. Bauhin erwähnt derselben nicht einmal in 
seinem Pinax; Joh. Bauhin schreibt die Alten ab, doch mit 
seinen gewöhnlichen, fast immer ungehörigen, Ausfällen gegen 
seine Vorgänger, welche sie als Art von der gewöhnlichen 
Nymphaea alba unterschieden hatten. Alpinus, welcher Ae- 
syptens Flora für seine Zeit gut beleuchtet, hatte die Pflanze 
schon damals beschrieben und sowohl auf ihren Unterschied von 
N. alba, als auch ihre Aehnlichkeit mit derselben aufmerksam 
gemacht **). 


S.5. Einheimische Volkssagen mit denen 
der Griechen verglichen. 


Bekannt genug ist, dass auch in der schwedischen Volks- 
sage, zum Theil noch jetzt im Volksglauben der Wassergott 
Necken [welcher den Nixen der Deutschen entspricht] seine 
Wohnung zwischen den Seerosen [die in Schweden Neckrosen, 
in Dänemark Nökkerosen heissen ]| hat und noch zuweilen in 
Mondscheinnacht mit seinem Saitenspiele den Zuhörer bezaubert. 


*) Morison gab in seiner Hist. plant. zuerst vollständige Beschrei- 
bung derselben. 

**) Vollständig soll Delile in seiner Florae aegypt. illustr. p. 159 
—169. die Geschichte dieser Arten aus einander gesetzt haben ; 
wir bedauern, dieses Werk, welches uns gewiss viel Mühe erspart 
hätte, nur aus Kecensionen zu kennen. 


Nymphaeaceen der Griechen. 243 


Aber die Uebereinstimmung dieser einheimischen Sage mit de- 
nen der Vorzeit steht nicht allein: unzählige solche Naturmy- 
then haben gelebt, ja, leben noch in abgelegenen Winkeln des 
Landes, oder, wie eine Greisin sagte: „sie kennte wohl die Ge- 
senstände des geheimen Glaubens der Aelteren, aber sie traute 
ihnen [den Kobolden] nicht; sie wüsste wohl, wie Hülfe von 
ihnen zu erlangen sei, aber das wäre sündlieh.“ — Da diese 
Uebereinstimmung in der symbolischen Auffassung der Naturge- 
schöpfe eins der Resultate ist, worauf wir im Vorliegenden aus- 
gehen, so wollen wir aus mehrern ähnlichen ein paar das Pflan- 
zenreich betreffende Züge noch in Erwähnung bringen. Linne 
hat in seinen Reisen mehrere aufgezeichnet; aber, als Kind an 
entlegnem Orte auf dem Lande aufgewachsen, glauben wir den 
Unterschied zwischen den verschiednen Naturgeistern richtiger 
gefasst zu haben, als es in Linne’s Gottländ. Reise S. 312. 
[Uebers., Halle 1764: S. 332.] geschehen, wo Linne die Grund- 
züge des Systems der einheimischen Naturmythik giebt, wie 
sie noch in Mysterien „der Klugen‘‘ fortlebt. Ihre Genesis 
' (eine Art Platonismus), welche richtig dargestellt ist, hat wohl 
durch das Christenthum eine neuere Färbung, aber die Wurzel 
ist deutlich heidnisch. Die Hauptarten dieser Naturwesen sind: 

Geister (Ri [im schwed. sprachlich gen. neutrius]): reine 
Naturgeister, welche in Bäumen (skogsrä d. i. Waldgeister, nicht 
„unter“ den Bäumen, wie Linne sagt), in Steinen (bergsrä, Berg- 
männchen), im Wasser (sjörä, Wassernymphen), in der Luft 
(Zuftskott) u. s. w. wohnen. Sie haben nie menschliche Gestalt, 
kaum sichtbare Form, und schaden nur, wenn man sich gegen 
ihre Natur vergangen (wie Linne a. a. O. sagt, nach der klugen 
Frau in Mjärhult entstehe Krankheit unt. a. daraus, wenn man 
sich gegen den Geist eines Baumes vergangen). Die Waldgei- 
ster leben und sterben mit dem Baume; wenn dieser gefällt wird, 
hört man sie zuweilen wehklagen: in Pindar’s Aamadryaden 
sind sie bis auf den kleinsten Zug getreu gezeichnet. 

Elfen [in Schweden weiblich, deutsch männl. ] sind eine 
nahverwandte Art Naturgeister: sie spielen und tanzen bei Nacht 
im Grase; wovon oft Spuren im Thaue auf dem Grase zu sehen 
— Elfengras, Sessleria coerulea. Bei Tage sinken sie, nach 
verschiednen Erzählungen, in die Erde hinab oder sehen sie wie 
Blumen aus, oder verwandeln sich in Erlen-, Weiden- oder 
teiser. Wie noch in den meisten Ländern Europa’s wer- 
ihnen in Schweden Pflanzen zugeeignet, die truppweise 
oder in Ringen wachsen, wie Waldhähnchen (Anemone nemo- 
rosa), [Juncus filiformis] ete. Sie sind dieOreaden der Alten. 


244 Nymphaeaceen der Griechen: 


„Vettar“ dagegen [,‚vette: Waldnymphe,“ nach dän. Lexi- 
cis, hängt wohl damit zusammen?] sind wirkliche Persönlich- 
keiten, so wie die Trolle (Zaubergeister), die ein dem des 
Menschen analoges Leben führen: die erstern oder die unterir- 
dischen (die Wetter) haben auch Menschen -Gestalt, sind aber 
kleiner, haben keine unsterbliche Seele, worüber sie betrübt 
sind, haben aber grössere Macht über die Naturals - 
der Mensch. Sie wohnen in Steinhaufen. unter Menschenwoh- 
nungen und Höfen, sind zwar eigensinnig, aber keine böse We- 
sen. Der Rainfarn (Tanacelum, von den Alten bei Entbin- 
dungen gepriesen — bei solchen standen in den Sagen auch oft 
die Wettar bei) ist ihnen geheiligt (?). Am meisten sind sie 
den Laren der Älten analog; die Trolle dagegen den Fau- 
nen und Satyrn, sind aber böser, im Verbande mit dem bö- 
sen Geiste. Die Trolle wohnen in Waldestiefen oder Gebirgs- 
klüften. Unter ihrer Macht stehen von den Pflanzen: Viburnum, 
Taxus, Viscum, Botrychium Lunaria (?) und die Pappel (Pop. 
nigra). Vertrieben werden sie aber durch Lauch, Seidel- 
bast und Baldrian. — Eine Menge Pflanzen haben noch my- 
stische Eigenschaften und Beziehungen denen der Vorzeit gleich 
und mit dieser gemeinsam; einige solcher Beziehungen sind je- 
doch einheimischen Ursprungs bei uns, z.B.: Ledum unter dem 
Tische bei Gästmählern nimmt den Gästen den Appetit, Gelium 
verum auf den Fussboden gestreut verursacht Schlägerei, u.s.w. 

Der Necken [dän.: Nökken, Nokken |, welcher theils als 
Mann (Flussmann), theils als ein Pferd (Bachhengst) erscheint, 
— der Tomt, ein altes Männchen in grauen Kleidern und ro- 
ther Mütze, in hohlen Bäumen bei Häusern und in Scheuern 
wohnend, und die Waldfrau (Skogsnufva, — Cybele?) führen 
ein Anachoretenleben, sind aber wirkliche Persönlichkeiten. Die 
letztere ist vorn eine schöne Jungfrau, hinten aber hohl; sie 
sucht Liebhaber zur Untreue gegen die Geliebte zu verleiten, 
wird aber, wenn umarmt, zum Föhrenreis. Analoge Fabel bei 
den Griechen bei Longos, Housvıza, II. p. 37. 

Bei einzelnen Gewächsen ist jedoch die Aehnlichkeit be- 
merkbarer: 

Die Eiche ist der Bin des Allvaters. ( ae fulminan- 
tis“) daher er stets die Trolle erschlägt, wenn sie unter ihr Zu- 
flucht suchen, wogegen er unter er Buche keine Macht über - 
sie hat. (Hier liegt die erst in neuern Zeiten beobachtete That- 

sache zu Grunde, dass der Blitz verhältnissmässig 20mal i in die 
Eiche schlägt gegen lmal in die Buche.) 
Attich (‚Sambueus Ebulus, schwed. Mannablod, ‚Männer- 


Nymphaeaceen der, Griechen. 245 


blut) ist bei Kalmar aus 'dem Blute ‚der. erschlagenen Helden 
aufgewachsen. :So 'entsprang auch ein Kraut aus dem Blute des 
telamonischen Ajax. S.: Athenäus. 

Wucherblume (Chrysanthemum segetum, schwed. Haäla- 
bäcker) entstand dadurch , dass, als die Leute in Hälabäck, ei- 
nem Dorfe im Pastorate Harplinge in Halland, ein gestrandetes 
Schiff geplündert, das mit Getraide beladen gewesen, letzteres 
ausgesäet in jene Landplage Hallands verwandelt wurde. Diese 
Sage ist neueren Ursprungs; aber als Kind hörte ich deren 
mehrere, die sich den Metamorphosen der Alten anreiheten, wo- 
runter die vom Stiefmütterchen (-Veilchen) sich an die des Grie- 
chen Nicander vom Ion anschliesst [Athen. I. XV. p.683. (ed. 
Casaub.); Nicandri Theriae. etc. ed. Schneid. p. 277, 292.]. 
Die Sage vom Kreuzdorn (Rhamnus cathartica, schwed. 
Getappel ü 1. Ziegenapfel — „dem Strauche, bei welchem der 
"Teufel die Ziege [get, dän. ged] schund“ [dies ein norweg. 
Name dess.] — Linn. Fl. suec.) ist der vom Marsyas analog. 
Dachwurz (Sempervivum tectorum) wurde schon zu Hip- 
pocrates Zeiten auf die Dächer gepflanzt und zwar, nach Festus, 
um das Haus vor Unglück zu schützen — und noch jetzt pflanzt 
man sie aus derselben Absicht bei uns. 

Die Griechen hatten ein Kraut Telephilon oder Telephium, 
welches, wie noch heut zu Tage allgemein im südlichen Schwe- 
den das ihm zunächst verwandte Sedum Telephium, als Orakel 
befragt wurde um Gegenliebe und Treue der Geliebten; unzäh- 
ligemal sah ich selbst es um Rath fragen. Die Griechen benann- 
ten treue Liebe nach der Pflanze, in Schweden nennt man 
die Pflanze Liebeskraut (kärleksört). Die in Schweden ge- 
bräuchliche Art, sich Antwort zu erholen, weicht jedoch von 
der ab, die Theocrit 3. 30. besingt. 

Solcher Beispiele liessen sich ‚noch manche hinzufügen. 
Eben so treffen wir alle Legenden des Mittelalters von 
unsern schwedischen Pflanzen noch unter unserm Volke lebend 
an, ja sogar die Sage von der Usnea und dem Muscus eranü 
humani finden wir im Volksglauben an die wunderbaren Eigen- 
schaften des Mooses auf Kirchthürmen und Galgen wieder. 
Diese sind zwar fremden Ursprungs, haben aber ein einheimi- 
sches Gepräge angenommen; die Legende von der Wurzel der 
Orchis maculata hat bei uns eine calvinische Dolmetschung er- 
halten. Andre sind völlig einheimisch, z. B. folgende smäländi- 
sche: die Birke, womit der Heiland gegeisselt worden, wurde 
deshalb verbannt und musste verkimmert am Boden kriechen 
(Betula ‘nana, smäl.: Längfredagsbjörk,, Charfreitagsb.); die 

17 


a a 


246 Nymphaeaceen der Griechen. 


Trauerbirke aber, die daneben stand, war so betrübt, dass 
sie ihre Zweige herabsinken liess, wie seitdem noch ‚heute. 


S. 6. Besultate aus dem Gesagten sind: 


1. Dass Nelumbium ‚speciosum ‚oder der »#vauos aiyuntuos, 
Faba aegyptia der Alten, in Aegypten niemals eigentlich ein- 
heimisch gewesen, sondern als ein rein SM oder in- 
disches Gewächs mit der ältern Cultur daselbst eingeführt und 
als eine heilige Pflanze cultivirt worden, — nachher aber mit 
demselben Cultus auch wieder von da verschwunden ist. 


2. Wenn man einem Cultus Naturproducte, die nicht in dem 
Lande einheimisch sind, als Symbole angehören sieht, so hat 
man allen Grund anzunehmen, dass auch der Cultus selbst frem- 
den Ursprungs sei (obgleich ein solcher, je sinnlieher er ist, 
sich desto mehr örtlichen Verhältnissen anpassen muss,) und 
zwar aus eben dem Lande, von wo die heilige z. B. Pflanze 
herstammt. Nun wissen wir, dass das im Isisdienste ein se 
wesentliches Ingrediens ausmachende Nelumbium speciosum eine 
ostindische Pilanze ist: und so giebt der Anbau: desselben zu- 
gleich mit dem der Cordia und sonstiger indischer Pflanzen von 
den ältesten Zeiten her in Aegypten eine neue Stütze für Hee- 
ren’s Hinweisung auf indische Herkunft des ägyptischen Cultus. 
In Indien, wo derselbe Cultus stationär gewesen, ist er noch 
heilig. Ä 
3. In der Familie der Nymphaeaceen finden wir noch die 
Uebereinstimmung zwischen dem indischen und dem ägyptischen 
Cultus, dass in der dem Nelumbium ähnlichen Gattung Nym- 
phaea die N.Lotus und N. pubescens jede fur sich dem Haupt- 
strome eines der beiden Länder geheiligt waren. Dass die sym- 
bolische Bedeutung der Arten dieser Gattung eher aus dem in- 
dischen Culte in den ägyptischen herübergenommen sein müsse, 
als umgekehrt, halten wir gegen die Behauptung Einiger für 
sicher. Die Angabe hingegen, dass Nymphaea Lotus aus Ae- 
gypten nach Indien verpflanzt worden, erscheint uns als erwie- 
sen falseh, zumal da der’ indische ‚‚Lotus“ nicht mit dem. ägy- 
ptischen identisch ist. / N 

4. Gleichwohl scheinen die Nymphaeaceen, nebst mehre- 
ren andern Gewächsen, anzudeuten, dass wegen der Aehnlich- 
keit, die man in den mythologischen Vorstellungen verschiede- 
ner Völker entdeckt, man nicht unwillkührlich eine Entlehnung 
von dem einen zum andern anzunehmen nöthig hat, sondern eine 


4 
Br ) 
ee. 


Nymphaeaceen der Griechen. 247 


Art angeborner gemeinsamer Auffassung ihnen zum Grunde liegt, 
oder.mit andern Worten, dass die Naturwesen selbst eine sym- 
bolische Zeichensprache sind, die von jedem Natursinne auf 
gleicher Bildungsstufe gleich gedeutet wird. Je näher der Natur 
letztere noch liegt, sowohl in der Jugend des  Menschenge- 
schlechts ‚. als des Individuums, desto offner ist der Sinn für 
diese Bildersprache der Natur. Eine halbe, zersplitternde Re- 
flexion: leitet davon ab, aber, um in Baco’s Worten über das 
Verhältniss der Philosophie zur Religion fortzufahren,, ein gan- 
zes, ein gründliches Studium führt: zum Kindheitssinne und zur 
Nätur zurück. | 


WIEN. 


‚Verwahrung gegen manche über einzelne schwedi- 
sche Pflanzen hier oder da angenommene Ansichten. 


Von 
Dr. Elias Fries*). 


Uehersetzt von Dr. €. T. Beilschmied. 


— .... Bei der Subjectivität, welche anjetzt die Wissen- 
schaft. De ist es natürlich, dass Vieles verschiedenen 
Forschern (der Nachsprecher und Liebhaber hier ‚nicht zu ge- 
denken) in verschiednem Lichte erscheinen muss; ‚„aliü plus 
vident, quam alü,“ sagt schon. Dillenius, „gquia imaginatione 
pollent““ — einer Quelle sowohl hellerer, als auch noch nicht rei- 
fer Erkenntniss. Im Allgemeinen scheint es mir in der speciel- 
len Botanik ein Fehler zu sein, einerseits wenn Jemand die be- 
kanntesten und entschiedensten Dinge, ohne andern Grund als 


“) Aus Lindblom’s Bot. Notiser 1844, Nr. 1., 2, S. 1—26- 


248 Verwahrung geg. angen: Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


eigne Unbekanntschaft mit “denselben, bezweifelt, "andrerseits 
wenn in jedem concreten Falle ein positives Urtheil’ gewagt 
wird *), — bei welchem Verfahren man Gefahr‘ läuft, sein posi- 
tives Urtheil geradezu zu wechseln oder sich indem einmal ge- 
fällten zu versteinern, wodurch man selbst nur antiguirt‘ wird, 
weil die Wissenschaft, so lange sie innres Leben hat, nie con- 
servativ wird, sondern nur der Einzelne, sobald er aufgehört 
hat, jugendlich und progressiv zu sein. Dieses muss einen Je- 
den treflen, der ein allgemeines’ Werk verfasst hat, das er als 
etwas Festgestelltes angesehen wissen will; als ununterbrochen 
progressive Männer nenne ich Linne und Koch, dennoch be- 
kennt Letzterer, Manches könnte oder sollte anders dargestellt 
werden, aber er „habe so wenig wie möglich abgeändert.“ Wer 
nun nicht ganz so offen ist, verhält sich eben so (gewiss oft 
unbewusst, weil es stets mehr Anstrengung erfordert, sich in 
andere Ansichten, als denen man bisher gehuldigt hat, zu ver- 
setzen), doch noch stabiler: und daraus erklärt es sich, warum 
auch die Besseren Vieles beibehalten, was sie kaum frei von 
Antecedentien nun niederschreiben, wie z. B. Dr. Hartmann: 
dass Linne bei Aufstellung des Potamogeton marinus den P. 
zosteraceus |Fr.] vor Augen gehabt hätte, Die Prüfung aller 
neuen Ansichten komnit deshalb eisem ;jüngern; rührsamern, 
scharfsichtigern Geschlechte zu, welches, nicht in jene Fesseln 
geschmiedet, sein Urtheil in.der Schule der Natur selbst fest- 
stellen muss, denn nur ‚unter dieser Bedingung gehört es der Zu- 
kunft an; so lange man eine Autorität zur Leitung bedarf, ist 
man unmündig und ohne Stimmrecht in der Wissenschaft. 


*) Ich wünschte die Leser auf meiue Art und Weise aufmerksam zu 
machen, da, wo eine Sache non liquet oder mit gleichem 
Rechte unter zweierlei ‚Form: darstellbar ist, wie‘z. B. die Ver- 
wandten der Festuca ovina, Rosa canıina, Tlhni u. a., nur Vhat- 
sachen zu mehren und zu ermitteln zu suchen, ohne ein 
Urtheil abzugeben. Dies übersieht man immer,;weo-man 
die Form der Darstellung dazu benutzen kann, eine. Sache als. irrig 
darzustellen. (Ich ei man hielte sich mehr -an die SS, 
als nur an eine gleichgültige Form, und sähe die Sache. für ‘das 
Wesentliche au- ohne kleinlich an’ der Person zu nagen.) ‘ In obi- 
gen Fällen ist meine Darstellung nach'Baco’s Gebote „ta com- 
posita ut examini subjiciatur,“ und bestimmt,werden die, die sich 
nur zu Gerichte gesetzt haben, etwas sichrer wissen. Man scheint 
mich nicht verstanden zu: haben, wenn; ich in, Nonit. : Mant., IH. 
die Rosa collina und dumetorum zwar unterschied, doch dies mit 
der bestimmten Erklärung, dass dieses nicht so anzusehen sei, als 
werde damit meine Darstellung derselben als Varr. der A. canina 
in den Novit. Fl. suec. ritbchöben. [S. unt.: 30:] ° 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 249 


"st Die Menge uniarer neuen Fünde und Aufstellungen für die 
schwedische Flora macht, dass man sich auf's längste sträubt, 
alles das anzunehmen, was von gefassten Ansichten und auslän- 
discher Autorität abweicht. Wir finden dies natürlich, zumal 
bei der Geneigtheit unsrer Nation, einheimische Autorität nicht 
anzuerkennen, glauben aber, man werde es mit Vergnügen an- 
sehen, dass die ausländischen Quellen, denen man folgt, schon 
in der kurzen Zeit andern Verlauf genommen haben, d. h., dass 
sie'zu unsern Ansichten übergegangen sind und übergehen, z. 
B: in Betreff der Matricaria maritima L., des Senecio barba- 
raeifolius: Krock, ‘der Silene maritima und inflata petraea, 
Arenaria gothica, Thalictra, Fumaria capreolata, Rosa to- 
mentosa, Salix finmarkica, Betula glutinosa, Orchis incarnata, 
Alopecurus nigricans, Poa sudetica' remota u. s. w., oder auch 
dass‘man sie nur missverstanden hat, wie bei Zieracien, Sene- 
cio barbaraeifolius, Rosa collina, Poa caesia, Juncus atratus, 
J. nigritellus ,u. s. w.; und man halte es uns zu gut, wenn wir 
in ‘der frohsten Ueberzeugung leben, ‘dass es in den meisten 
Fällen so kommen wird. ‘Wir finden jene Behutsamkeit viel- 
mehr lobenswerth,, sofern man nur nicht läugnet, was man nicht 
kennt; für uns selbst halten wir dies für einen wahren Vortheil: 
denn es ist immer ein Unglück für einen Schriftsteller, ‘wenn 
seine’Meinung bald auf guten Glauben angenommen wird, weil 
alles Neue um sein Bestehen kämpfen muss: und so ist es für 
jeden Autor ein Unglück, wenn diese kritische Prüfung aus- 
bleibt bis er selbst an der Erledigung derselben nicht mehr Theil 
nehmen kann; denn alsdann wird immer Vieles missverstanden, 
wie es'Linne gegangen ist, weil. nur Wenige den Instinet ha- 
ben, dessen es: zum Versetzen in den Ideenkreis und: den Ge- 
dankengang Anderer bedarf. Mancher sieht nicht selbst ein, 
‚dass: der Grund, warum er nicht Verfahren und Leistungen An- 
'drer eben so gut fassen kann, in gerade entgegengesetzter Auf- 
fassung sowohl der Natur als der Wissenschaft liegt, indem 
von verschiednen' Standpunkten aus der Gegenstand 'sich ver- 
schieden ausnehmen muss. Nicht allein ın den wichtigsten Fra- 
‚gen der Wissenschaft gilt dieses, sondern auch im Speciellen, 
worin die rein phytographische und die biologische Auffassung 
zu verschiedenen Resultaten führen. Die erste Bedingung dazu, 
selbst Achtung und Vertrauen in die Zuverlässigkeit eigner An- 
gaben zu gewinnen, ist, dass man selbst nicht leichtsinnig An- 
dere unter dem Werthe schätzt. Niemand, der nicht sich. 
selbst mehr liebt als die Wissenschaft, kann es übel empfinden, 
wenn andre Ansichten sich geltend zu machen suchen: strei- 


250 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed.. Pflanzen. 


tende Ansichten können recht. gut neben warmer. Freundschaft 
und persönlicher Achtung bestehen; dagegen ‚wird es stets zur 
Quelle wissenschaftlicher Erbitterung , wenn. man. Ansichten. und 
Zuthun Anderer nur in falschem Lichte darzustellen. sucht. Lie- 
ber höre man auf, Andre zu citiren, wenn man nur auf alle Fälle 
sich still alles aneignet, was nicht :tadelbar ist, als dass man 
eines Schriftstellers Ansichten nur auf «eine verwirrende Art 
darstellte. 

Zu klarer Einsicht in die schwedische Flora ist eine treue 
Darstellung der successiven Ermittelung der Arten "unser erster 
Bedarf. Das gangbare Verfahren ist mehr verwirrend als’ aufnel- 
lend, indem es sich mehr an das ‚Formelle hält und bei der 
Sache nur. die abweichende Darstellung Andrer, ohne Rücksicht 
darauf, ob der gemeinte Autor sie jetzt wirklich. so auflasse, 
angiebt.: So. folgt man z. B. nur meinen. Angaben über die 
nicht gekannten Jusione perennis. Lam., Equisetum  pratense 
Rchb. et Schldl., u. a.; aber ich bin es nicht, der diese als Ar- 
ten aufgestellt, sondern ich habe nur darüber referirt und oben- 
ein sie als Varietäten [erstere bei J. montana;, letzteres unter 
E. palustre in Bot. Not. 1841, 195; s. a. unt.: :60.] unterge- 
bracht. Im Herbar. normale Fl. suec. handelt es sich, wie ich 
oft gesagt, nicht darum, meine Bestimmungen darzulegen, son- 
dern die Synonymie zu fixiren;. Salix tenuifolia, Drosera. obo- 
valta sind darin nicht einmal als Arten von mir dargestellt, letz- 
tere vielmehr erst von mir zur Dr. longifolia gezogen. Manche 
untergeordnete Schriftsteller, welche die Quellen nicht kennen, 
gehen darum stets in ihren Angaben fehl. Auch soll man nicht 
fremde Angaben durch ein „soll, wird , dürfte“ u. .dgl.'als min- 
der zuverlässlich wiedergeben, denn sie dürften besser doeu- 
mentirt sein, als man ahnet. 

Wie die rein phytographische oder zugleich bielokische Ar- 
tenbestimmung zu verschiedenen Htesultaten führen müsse, ward 
oben angedeutet: hier zur Erläuterung ein paar Beispiele. Die 
erstere verhält sich zur letztern, wie. ein künstliches zn einem 
natürlichen Systeme: im erstern ist der Character die Haupt- 
sache, im letzteren die Naturwahrheit, die nicht vom.-Chara- 
cter, sondern durch die Geschichte und das biologische‘ Verhal- 
ten der Pflanze bestimmt wird, wobei die Charactere, obschon 
wichtig, nicht wie bei der erstern als Zweck, sondern nur als 
Mittel zur Unterscheidung der Arten betrachtet werden. :Man 
kann:wohl niemals sagen, eine Pflanze verdiene wegen Man- 
gels an Characteren nicht als Art zu gelten, .denn Pilanzen reeh- 
nen nicht nach Meriten , sondern um eine positive Art zu 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 251 


sein, muss sie nach beiden obigen Rücksichten geprüft werden. 
Subjective Arten sind solche, die sich wohl in der Natur 
bestimmt unterschieden zeigen (z. B. Potentilla opaca, Rosa 
dumetorum, R. collina, u.a.), aber für jetzt absoluter Charactere 
entbehren,. wenn gleich diese wahrscheinlich einmal zu finden 
sein dürften. Aber in den Characteren allein liegt keine Wich- 
tigkeit, denn „nullum datur in rerum natura signum ubique 
eonstans;‘ nicht auf die Summe der einzelnen Exemplare, son- 
dern auf ideelle Auffassung der Art basirt sich die Diagnosis ; 
Abweichungen davon machen nicht Uebergänge aus. Hat man 
in der Natur die Geschichte der Gattungsgenossen aufgefasst, 
so kann man wohl auch nach getrockneten Exemplaren Arten 
bestimmen; schwerlich aber entgegengesetzten Weges. Ueber 
veränderlichere Gattungen lässt sich jedoch selten etwas ent- 
scheiden, wofern man nicht in grössern botanischen Gärten Ge- 
legenheit gehabt, sie während ihrer ganzen Entwickelung zu 
studiren, indem nur dort sie richtig comparativ aufzufassen sind: 
solche Gelegenheit hatte ich für die meisten streitigen Arten, 
z, B. Thalictra, Epilobia, Arenariae, Matricariae u. a. Bei 
solchen nahe verwandten Arten ergeben die biologische und die 
- rein ‘phytographische Betrachtung gerade Entgegengesetztes. 
Nach der erstern wird Scirpus uniglumis eine eisne Art, Se. 
glaucus dagegen nur Varietät, indem ersterer z.B. auf Bolmens 
Strand zu Tausenden auf ganz gleicher Localität mit Se. palustris 
ohne alle Mittelformen , sondern mit verschiedner Entwickelungs- 
bahn, wächst, während Se. glaucus nie auf gleichem Standorte mit 
Se. lacustris vorkommt und je nach der Localität mehrere Mit- 
telformen zeigt. So wird nach der erstern der Juncus atratus 
[s- u.: 20] eine sichere Art, aber der sogen. J.nigritellus (nicht 
Don’s) eine ganz unbedeutende Form, obgleich die phytogra- 
phischen Merkmale dieser Junci ausgezeichneter scheinen. — 
Dass die biologische Naturbetrachtung in der Morphologie und 
allen Theilen der Wissenschaft sich mehr und mehr geltend 
macht, ist uns ein erfreuliches Vorzeichen, denn nur dadurch 
wird die Naturgeschichte zur Wissenschaft und kann sie die 
Wärter der höheren Bildung, welche in der rein formellen Be- 
handlung nur ei empirisches Namenregister und nicht Begriff 
und Gedanke gesehen, mit sich versöhnen. 

In den: Bemerkungen, die wir im Folgenden für diesmal 
vorlegen, beschränken wir uns auf diejenigen unsrer Bestimmun- 
gen, die man missverstanden, verworfen oder bezweifelt hat. 

1. Wir hatten geglaubt, eine Menge vom Urheber selbst 
erhaltener Exemplare des Zriophorum Chamissonis von ver- 


252 Verwahrung geg. angen: Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


schiednen Fundorten her würden genügen, die Identität dessel- 
ben mit dem E. capitatum. Suecor. zu erhärten; 'da-man aber die 
Zuverlässigkeit derselben in Zweifel zieht, so fügen wir hinzu, 
dass Hooker in seiner Fl. bor.-americ. gleichfalls nach Origi- 
sinalexemplaren es für vollkommen synonym mit E.. capitatum 
erklärt, von welchem das E. capitatum: C. A. Mey. eine viel 
zartere Abart ist; Z. russeolum. |Fr., Hartm.] hat Hooker unter 
E vaginalum y ohne irgend ein Synonym; — auf Verlangen 
können wir auch Mever’s eigne Anerkennung der Identität 
seines E. Chamissonis mit unserm schwed. E. capitatum vorlegen. 

2. Im Herb. norm. IV. erwähnten wir schon der bei uns 
gewöhnlichen. Verwechselung des Alopecurus pratensis  nigre- 
scens mit dem A. nigricans, welcher eine besondere Art ist. 
Der erstere wächst rasenförmig, indem das Rhizom am Gipfel 
mehrere Halme und Blattbüschel trägt, was A. nigricans nicht 
thut, welcher lange kriechende Ausläufer treibt, ‘die in einen 
einfachen gesonderten Blattrasen enden, der das folgende Jahr 
blüht. Deshalb stehen seine Halme, obgleich unter der Erde 
zusammenhangend, immer einzeln, welches biologische Merk- 
mal (noch ohne die andern) ihn am leichtesten und sichersten 
unterscheidet. Koch erkannte den A. nigricans, sobald erden 
wahren gesehen, sogleich als eine vor dem A. prat. nigrescens 
ausgezeichnete Art. S.: Taschenb. d. D. Fl. 

3._. Dass unsre Poa sudetica 8 remota | P. remota. For- 
selles, Hartm., = P. hybrida Gaud.] nicht jvon P. sudetica « 
zu trennen ist, zeigten wir schon früher in diesen Blättern 
[Lindbl. Bot. Not. 1841, S. 193., wo Fr. auch angiebt, der äl- 
teste Name der P. hybrida sei P. quadripedalis Ehrh.]; in 
Schweden wollte man nicht daran glauben, aber Koch, welcher 
beide lebend vergleichen konnte, wie ebenso die P. Aybrida, 
die er aber für von beiden verschieden erklärt, bringt die P. 
sudetica remota zur wirklichen P.sudetica und sagt ohne irgend 
einen Zweifel: „P. sudetica 8 remota Fr. habe ich mit Unrecht 
zu P. hybrida gebracht:“ s. Taschenb. D. Fl. — Aber die 
Hauptsache ist, dass gerade unsre Form die primitive 2. sude- 
tica ist laut Exemplaren von Hänke’s und Ehrhart’s Fund- 


- orten, die vor uns liegen, Willdenow’s und Schrader's Beschrei- 


 bungen gemäss; erst durch die zahlreicheren von Sieber, Hoppe 
u. A. ausgetheilten Exemplare der Alpenform wurde diese für 
die normale genommen. BETT 

4. Poa depauperata (Brown? nach) Blytt [? Poa abbre- 
viata Br. Melv.? Blytt in N. Mag. f. Naturv. I. 344., Bot. Jah- 
resb. üb. 1837, S. 420.] hahen wir, nach Anleitung dieses hell- 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 253 


sehenden Forschers und nach Einholung des Urtheils der ersten 
Gräserkenner, mit P. cenisia |P. flexuosa Wbg., Blytt a. a. O. 
419.] vereinigt, wegen der langen kriechenden Ausläufer, welche 
sie von aller P, la.ca, der solche durchaus fehlen, weit entfer- 
nen. Parnell nimmt sie als eigne Art, welehe Ansicht wir 
nicht so zu verwerfen wagen, wie die Vereinigung mit P. la:xa. 

3. FPoa caesia Sm. ist, wie wir auch bereits in Bot. Notis. 
sesagt, nach der Abbildung in Zingl. Bot., englischen Exem- 
plaren und nun nach dem Zeugnisse aller englischen Autoren, 
unverkennbar identisch mit P. Gaudini RS.; die Berufung auf 
Hooker’s Autorität für das Gegentheil ist ein Irrthum, denn 
dieser vereinigt P. caesia und glauca zu einer Var. der P. ne- 
moralis und beweiset also nichts, 

6. Als wir in Novit. Mant. Il. die unter Festuca ovina 
vermengten Formen aus einander setzten, nahmen wir drei be- 
stimmte Arten an, näml. F, ovina, duriuscula und rubra, ohne 
über" F, glauca Auctt. und F. dumetorum L. ein bestimmtes 
Urtheil zu wagen, worüber wir noch jetzt kein cempetentes ab- 
geben können, Meinem Vermuthen nach wird indess wohl die 
F. dumetorum (zu welcher F. duriuscula Steenstr. ex Islan- 
dia, nach von I. Vahl mitgetheilten Exemplarer, gehört,) künf- 
tighin als besondere Art genommen werden, F. glauca aber als 
Unterart-der F. ovina. Wir glaubten darüber nur, mit Benutzung 
der bekannten Namen darlegen zu müssen, was wir wüssten; 
hätten wir sie als Abarten dargestellt, so hätten wir nicht ehr- 
lich gehandelt, sondern eine Erfahrung anticipirt, die wir nicht 
hatten. Will man indess nur die drei erstgenannten annehmen, 
so menge man die letzteren nur nicht unter die bloss zufälligen 
Formen der andern und erinnere sich vor allem, dass von ihnen 
allen formae glaucae, curvifoliae etc, vorkommen. So kann 
die im Herb. norm. gegebene F, glauca nie unter F. duriu- 
scula gestellt werden, obschon auch diese eine glauke Form hat, 
sondern unter F. ovina, wovon es noch eine andre ausgezeich- 
nete forma glauca giebt; auch wäre F, dumetorum nicht zwi- 
schen F. rubra und ihre zufällige Form sguarrosa zu stellen 
(F. arenaria Osbeck ist das entgegengesetzte Extrem und viel 
ausgezeichneter), sondern die F. rubra müsste in zwei Reihen 
aufgelöset werden, so: | 

Festuca rubra 1. vera $. squarrosa, y. arenaria. 
- - 11. dumetorum, 8. scopulorum, y- caesia. 

Die im Herb. norm. gegebene caesia lässt sich nicht zur 
F. duriuscula ziehen. 

7. Bromus racemosus Engl. Bot. ist sicher identisch mit 

17 * 


254 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


dem unsrigen, nicht mit Dr. hordeaceus, den wir für eine be- 
sondre nicht mit Br. mollis leiostachys zu verwechselnde Art 
halten. 

8. Nach Beschreibung, Standort (Expl. von Käseberga sa- 
hen wir, und bei Helsingborg wächst kein 7r. acutum) und dem 
Citate Herb. norm. können wir kaum zweifeln, dass Triticum 
affine Hartm. in Bot. Not. [1840, S. 173.] nur zu Tr. laxum 
[Fries, Herb. n. FV., Mant. IIl.] gehört und, was seitdem zu 
Tr. affine gerechnet worden, nur die aufrechte Form desselben 
ist: beide übrigens ausnehmend gemein. Tr. acutaum hingegen 
ist äusserst selten, obgleich an den Stellen, wo sie einmal 
wächst, in Menge: wo beide bei einander wachsen, fällt ihr 
Unterschied sogleich in die Augen. 7’r. aeutum unterscheidet 
sich, wie Meyer in Chlor. Hanov. sagt, durch seine Steifheit 
und ‚die Blätter (sind) im frühern Zustande canaliculato -trique- 
tra, carina valde acuta, nur völlig entwickelt werden sie plana 
und stehen fast unter rechtem Winkel sperrig ab:“ dies ist 
nach dem Leben. So kommt das weiche, flachblättrige Tr. 
laxzum nie vor. Weit problematischer ist seine Verschiedenheit 
von Tr. repens, denn dessen Blätter haben zuweilen dieselbe 
Bekleidung [also „puncta densa scabra “ des Zaxı], wie ich letz- 
ten Sommer auf westgothl. Bergen fand. Meyer’s Bemerkung, 
Tr. repens hitorale sei eher eine Var. des Tr. acutum als des 
repens, verdient auch alle Beachtung. Koch erkennt unser Tr. 
acutum für das ächte, ist aber unsicher, ob Tr. laxum davon 
zu unterscheiden sei oder nicht. 

9. Das einzige Exemplar, welches Prof. Wahlberg von 
der Alchemilla vulgaris mit tief eingeschnittnem Wurzelblatte 
auf dem Dovrefjeld fand (welehe Form als A. vulgaris kybrida 
aufgetreten ist), hat er mir freundlichst zur Vergleichung mitge- 
theilt, mit der Bemerkung, es sei nur eine zufällige Form *). 
Sie ist freilich weit von der A. fssa Schumm., Günth., Wimm., 
die bei Bergen (?) und auf den Färöern vorkommt, verschieden, 
und keine von beiden zeigt die geringste Spur von Hybridität. 
Nur ein Wurzelblatt ist tief handförmig getheilt, wie einge- 
schnittene Blätter sehr gewöhnlich spielen, z. B. bei Acer pla- 
tanoides, den Endblättchen des Geum rivale, sämmtlichen Be- 


*) Dass ich sie, ohne sie gesehen zu haben, A. fissa nannte [Mant. 
II. 16.], war freilich übereilt, jedoch Folge davon, dass man 
mich versichert, A. fissa sei von Prof. W. gefunden worden. was 
zu bezweifeln ich kein Recht hatte. Meine Exemplare von Schu- 
bert sind ächt, doch der Fundort scheint unsicher zu sein. 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflunzen. 255 


lulis und Alnis, welche Formen man auch früher für Bastarde 
nahm. 

10. Von Galium Aparine giebt es zwar eine zufällige Form 
mit glatten etwas gekörnten Früchten; diese ist aber nicht Ga- 
lium spurium L.: bei letzterem sind die Früchte „absolute lae- 
vissimi,“ glänzend, reif sueculenti, wodurch sie unter dem Pres- 
sen am Papiere fest ankleben: dies ist die Ursache, warum man 
sie in Sammlungen niemals mit reifen Früchten sieht. — @. te- 
nerum Schl. ist als Var. des @. Aparine erwähnenswerth. 

ll. Das bei Upsala wachsende Symphytum patens oder 
S. officinale Fl. upsal. habe ich als das wahre S. orientale L. 
bestimmt, und dieses ist eine ganz andre Pflanze als die, welche 
Willdenow und neuere Autoren so nennen. Seine Standörter 
sind ganz dieselben wie die des $. officinale: am häufigsten in 
alten Gärten und auf Grasplätzen längs Bächen, aber oft auch 
im Freien und nicht bloss in und ausser Upsala, sondern in der 
ganzen Gegend: bei L. Gottsunda, Lurbo, lastenweise bei 
Quarnbo, Mariälund u. a.; ferner um Enköping. Zuweilen ist es 
wohl gepflanzt, wird aber jetzt nicht cultivirt; es ist ganz unaus- 
rottbar; an manchen Stellen scheint es völlig wild zu sein. 
| 12. Gentiana obtusifolia Willd.! halte ich für Varietät 
der @. germanica Willd. Vergl. Bot. Not. 1841. 

13. Von Verbascis haben wir in Schweden 3 Bastarde, die 
um so merkwürdiger sind, als sie die einzigen zuverlässig hy- 
briden Pflanzen sind, die Schweden besitzt. (Dass Cirsium de- 
coloratum ein Bastard sei, hält Koch für problematisch, und 
da es jetzt in Gegenden gefunden worden, wo seine vermeintli- 
chen Aeltern beide fehlen, und es in Schonen sehr häufig ist, 
so stimmen wir darin bei. Geum intermedium ist nach Koch 
zweifellos kein Bastard. Die übrigen früher für muthmasslich 
hybrid erklärten, z. B. Lamium intermedium (in Schottland die 
gemeinste Art) sind nur als warnende Beispiele in Erinnerung.) 
Wir wollen diese hybriden Verbasca nicht zwischen die wirkli- 
chen Arten einreihen. Verbascum seminigrum umfasst V. ni- 
gro-Thapsus und nigro-thapsiforme: diese sind nicht durch 
- deutliche Charactere, aber doch durch das ganze Ansehen vom 
V. Thapso-nigrum, welches V. collinum Schrad. ist, verschie- 
den; Schrader erklärte die Exemplare des V. seminigrum für 
Bastarde von T'hapsus, hielt aber V. collinum für eigne Art. 

14. Viola canina y. stricta Hartm. [Skand. Fl. ed. 4.? V. 
can. 8. strieta Hn. in Bot. Notis. 1841, p.82. (V. strieta Hn. Sk. 
Fl. ed. 3.? excl. synon.)] ist nicht unsre V. strieta [Hornem.], 
‘sondern eine wahre V. canina lucorum Rehb.! Dagegen gehört 


256 Verwahrung yeg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


die unter V. pratensis aus Westgothland eitirte [in Sk. Fl. ed. 
4.2] zur wahren V. stricta und zwar V. str. humilis. 

15. Ausser Ulmus effusa findet man von den ältesten Zei- 
ten her eine U. campestris und eine U. montana unterschieden. 
Nachdem Linne alle europäischen Ulmi auf eine redueirt hatte, 
wurden jene drei Arten wiederhergestellt und angenommen, als 
man aber diese z. B. in England bis zu sieben, in Oesterreich 
bis auf neun vermehrte, zogen diese die übrigen mit sich in’s 
Verderben. Ich habe ihre Vereinigung nicht bestritten , aber 
auch nicht geglaubt, darin folgen zu müssen, sondern unter Vor- 
bringung sehr wichtiger Gründe auf genauere Prüfung derselben 
Sedrungen, weil es immer leichter ist, das, was man nicht 
kennt, auf den Haufen zu werfen, als wirklich zu untersuchen. 
Es giebt nämlich, ausser zwei normalen Formen, zwei suberöse 
Formen und zwei kahlblättrige Formen, welche man sehr unbe- 
dachtsam zusammenschlägt; zu einer jeden der normalen gehört 
eine suberöse und eine kahlblättrige. Unsre U. montana [| U. 
campestris der Deutschen | hat stets solche reife Früchte wie 
die Figur in Svensk Bot. t. 13. zeigt; nur unausgewachsen er- 
scheinen sie etwas eingeschnitten, membranacei wie die Blätter, 
ausgewachsen aber werden sie immer steißk Dr. Hartman’s 
Darstellung [der der Deutschen im Ganzen gleich, mit nur we- 
niger Synon.] verstehe ich eben so wenig, als er die meinige, 
mit welcher die Abbildungen sämmtlicher englischen Arten tref- 
lich übereinstimmen. Letztere machten mich zuerst auf die Un- 
terschiede aufmerksam, die ich dann ın der Natur bestätigt 
fand. [ Vgl. dies. Arch. H. 1. S. 82, m. Not.; Fr. nennt die 
U. effusa W. in Mant. Ill. 18.: U. campestris; in der Synony- 
mie sind aber Formen darunter gekommen (TU. tetrandra Schk. 
und suberosa Ehrh.), welche Koch u. A. unter der Ü. cam- 
pestris der Deutschen haben.] _ 

16. Der Unterschied zwischen Heracleum ‚Sphond: ylıum 
und HH. sibirieum UL. ist in einem Aufsatze von Drejer in 
Kröyer's Tidsskrift am besten erörtert. Ausser dem ächten 4. 
sibiricum haben wir nach Koch in Schweden noch eine damit 
verwandte dritte Art [ M. swecicum Fr., H. sibir. Herb. norm. 
IV.]. Ich habe unter den Autoren, welche beide, 4. Sphondy- 
lium und sibiricum, kennen, nicht einen gefunden, der an ihrer 
Verschiedenheit zweifelte: und das unsrige weicht in der Frucht 
bedeutend davon ab. S.: Koch’s Synops. ed. 2. 

17. Als wir zuerst die beiden bei uns unter Statice Lime- 
nium verwechselten Arten aus einander setzten, Be wir 
uns nicht zu entscheiden‘, welche von beiden Linne’s Art 


Verwahrung geg. angen: Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 257 


gewesen, da die Standörter gleich sehr auf beide hindeuten. 
Nunmehr ist es ausgemacht, dass die in Linne’s Herb. vorkom- 
menie die schonische ist, welche auch alle ausländischen Auto- 
ren als St. Limonium angenommen haben: wonach ein Umtau- 
schen der Namen schwerlich recht wäre [ St. Limonium Sm., 
K., Fr. = St. scanica Fr. = St. Behen Drej.]. Unsre andre 
Art, St. bahusiensis [s.: Fr. Mant. 1.], ist nicht bloss durch 
vierfache Grösse, sondern auch durch breite Blätter mit dem 
mucro unterhalb der Spitze u. s. w. sehr von Drejer’s St. rari- 
flora, welche schmale apiculirte (in den Mucro ausgehende) 
Blätter hat, verschieden; dennoch vereinige ich beide unter St. 
rariflora: die Hauptform wird die bohuslän’sche, und Drejer’s 
St. rariflora: var. danica; [auch St. reticulata Hk. Fl. scot. 
gehört n. Fr. zu dieser Art.]. 

18. Dass all unser schwedisches wildes Allium Schoeno- 
prasum zum 4A. sibiricum gehört, suchte ich im Herb. norm. 
darzuthun, wie ich auch andeutete, dass es in das wahre, bei 
uns nur eultivirte, im westlichen Europa aber wilde A. Schoe- 
noprasum nicht übergeht; aber über ihren Art- Unterschied 
habe ich nichts geäussert, weil ich keinen andern kannte, als 
den biologischen, welchen schon Linne in derÖländischen 
Reise p. 53. von den Blättern angiebt. Nach einem neueren 
Autor sind bei A.sibirieum die sterilen Zwiebeln einblättrig, bei 
A. Schnenoprasum zweiblättig. Wildes A. Schoenoprasum 
ist in Schweden wohl nicht zu suchen. 

19. Koch’s Gagea pratensis ist nicht identisch mit der 
im Herb. norm. ausgegebenen, denn sie hat Scheidenblätter wie 
Orn. stenopetalum, daher Koch sie wieder damit vereinigt; 
während dagegen die schonische die untern folia floralia so, wie 
bei @. lutea, gegenüberstehend hat und darin, wie durch das 
Aussehen der G. Zutea, mehr mit Persoon’s Art überein- 
stimmt. 

20. Unsre verschmähten Beobachtungen über den Ueber- 
gang des Juncus nigritellus |Koch Syn. et Al.] in J. supinus 
sind nun von Koch bestätigt worden, wie auch, dass es nicht 
der wahre J. nigritellus Don ist; dagegen erkennt auch Koch 
den J. atratus Kr., welcher der wahre nigritellus ist, für eine 
besondre Art. Unsre halländischen Exemplare des letztern hat 
Wimmer als ächte anerkannt. 

21. Alle deutschen Botaniker, welche die schwedische 
Lazula spadicea gesehen, erklären sie für verschieden von der 
deutschen, aber für einerlei mit Z. glabrata. Zahlreiche deut- 
‚sche Exemplare und Blytt’s Untersuchung dieser Arten in der 


258 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


Natur bestätigen diese Bestimmung. Schon Prof. Wahlenberg 
erklärte in seiner Fl. suecica die schwedische für verschieden 
von der ächten südeuropäischen L. spadicea, aber für identisch 
mit dem Juncus intermedius Host, welcher als BE Ssy- 

nonym zur L. glabrata gehört. 

22. Die Gattung Epilobium bleibt, phytographisch behan- 
delt, immer duükekit die Narbe variirt bei den meisten Arten 
ganz und gespalten, die Kanten des Stengels werden oft durch 
die Pubescenz obliterirt, wodurch unzählige scheinbare Ueber- 
gänge und Mittelformen entstehen. Viel klärer werden diese 
Arten, wenn man auf die biologischen Verhältnisse sieht, z.-B. 
ob die flores virginei aufrecht stehen oder hangen, auf die ver- 
schiedne Vermehrungsart u. s. w. Das wahre E. purpureum 
(s.: Nov. Mantiss. III. [caule opposite lineato - sulcato, fol. sub- 
sessilib. dilatato -lanceol. dentato -serratis acutis, flor. arrectis, 
stigm. indiviso. Fr. Fl. halland. p. 65.]) unterscheidet sich von 
dem ihm ähnlichen E. roseum sogleich durch jederzeit (auch 
jung) steif aufrechte Blumen und durch die zufälligen Kanten 
des Stengels, die nicht von den herablaufenden Blattstielen, son- 
dern von den Rückennerven der Blätter herrühren. Merkwürdig 
ist ferner der Umstand, ob bestimmten Arten Ausläufer durch- 
aus fehlen, wie dem E. montanum, E. roseum und E. hyperi- 
cifolium, oder ob sie gegen den Herbst nach dem Abblühen 
unter der Erde Ausläufer (Wurzeltriebe) treiben, die sich in 
'Blattrosetten enden, wie E. tetragonum, E. lineare, E. alpi- 
num, oder ob fadenförmige Ranken über der Erde mit sparsam 
zerstreuten Blättern: E. viryatum, E. origanifolium, E. pa- 
lustre. 

23. Epilobium alpinum Suecorum umfasst die beiden Ar- 
ten, die zuerst Lamarck unter den Namen E.alpinum und E. 
origanifolium unterschied, welche Benennungen nun so fest und 
allgemein angenommen sind, dass alle Versuche sie zu ändern 
gewiss misslängen, daher auch ich sie annahm (nicht den des 
E. alsinifolium, wie Hartman). Dass diese 2 bestimmt ver- 
schiedne Arten sind, hat seit 50 Jahren kein ausländischer Al- 
pen-Botaniker bezweifelt, und Scandinaviens gebirgsbewandertster 
Botaniker, Blytt, ist auch ganz überzeugt davon. Zwar sind, 
mit Misslingen, Versuche gemacht worden, sie zu reduciren, z. 
B. E. alpinum zu E. lineare, zu E. palustre (Wimmer hat 
dies brieflich für irrig erklärt), zu E. tetragonum bei %&. W. 
Meyer; aber E. alpinum und E. origanifolium zu vereinigen ist 
Niemanden eingefallen, und konnte auch nicht.‘ Die Ursache 
ihrer Verwechselung bei uns liegt darin, dass man’ eine Ste var. 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen 2359 


Beihisana annimmt, welche, als aus Zwergformen der beiden 
Arten zusammengesetzt, aufgelöset werden und verschwinden 
muss: gewöhnlich gehört diese zum wirklichen E. alpinum, 
aber im upsaler Garten geht auch E. origanifolium in eine sol- 
che pygmäische Form über, ohne sich jedoch im Geringsten dem 
E. alpinum verum zu nähern. Dies letztere scheint bei uns 
wirklich das gemeinste zu sein, nicht E.. origanifolium, wenn 
gleich letzteres mehr in die Augen fallt. Dass jenes auch den 
Namen E. alpinum behalten muss, bestätigt nicht allein das 
einstimmige Zeugniss aller Autoren, sondern auch vollkommen 
Linne s Herbarium und Schriften. Zum E. alpinum gehört näm- 
lich Linn. Lapp. n. 150., während zum E. origanifolium nach 
Adj. Lindblom’s trefiender Bemerkung Linn. Lapp. n. 147. 
gehört, das Linne später mit E. montanum vereinigte, welches 
jedoch nach Wahlenb. F!. Zapp. nicht in Gebirgen wächst. 
(Linn. Lapp. n. 148. ist E. palustre, und n. 149. E. lineare 
Mühl., Fr., welches in Fl. swec. mit der im flachen Lande 
wachsenden ähnlichen Form des E. palustre verwechselt und 
damit vereinigt wurde.) Was endlich E. nutans Schm. betrifit, 
so ist es nicht synonym mit E. alpinum, denn dies letztere hat 
Schmidt unter diesem seinem Linneischen Namen; sondern 
es ist nach Tausch und Reichenbach eine besondre Art, 
nach Koch aber eine eigne merkwürdige Unterart, die bei uns 
äusserst selten vorkommt. Abgesehen davon, dass Schmidt’s 
Name nicht hierher gehört und er viel jünger ist als der allgemein 
angenommene Lamarck’sche, so ist der Name E. nutans, als 
allen den verwandten Arten zukommend, eben so unpassend, 
als, weil er einer Menge verschiedner Formen beigelegt worden, 
verwirrend, Epilobium nutans Hornem.!, E. Hornemanni 
Rchb.!, ist eine Form des E. origanifolium und darf nicht mit 
E. lineare verwechselt werden..... [Vgl. Fr. Mant. 111.183 sqg.] 

24. Polygonum Persicaria minus Herb. norm. IV. gehört 
bestimmt zum P. Persicaria, nicht zum P. mite. Eine var. 
incana vom P. lapathifolium zu unterscheiden ist misslich , da 
von diesen 3 Arten jede ihre Forma incana hat und selbst an 
einem Exemplare kahle und unten graufilzige Blätter, oft ein 
Blatt halb kahl, halb graufilzig, vorkommen. 

25. Polygonum tataricum wird ia Schweden weder Aebant, 
noch kommt es unter andrem Buchweizen vor, sondern wächst 
nur verwildert auf Kartoffeläckern, unter Saaten u. s. w. Be- 
kanntlich ist es in Hannover, Westphalen u. a. jetzt das schlimm- 
ste Unkraut. 

26. Silene maritima ist nach unsrer biologischen Darstel- 


260 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


lung jetzt von allen deutschen, englischen! französischen u. a. 
Botanikern anerkannt (der erste Kenner der Familie, A.Braun, 
welcher sie viele Jahre eultivirt hat, nennt sie eine wahre Zier- 


pflanze!); ihre Vereinigung mit $. inflata v. petraea aber würde 


gewiss Niemand recht finden. S.: Koch Syn. ed. 2. Ist eine 
solehe vorgeschlagen worden, so muss eine Form der $. mari- 
tima vorgelegen haben. |S.: Fr. Mant. Ill. 188.] 

27. Lepidogonum medium Fr. ist eins mit L. medium 
Koch, und L. marginatum K. ist höchst wahrscheinlich unser 
L. salinum. Es ist ziemlich subjectiv, wie man die vier sicher 
eonstanten Formen, die diese Gattung darbietet, betrachten 
will; das einzige Consequente ist, alle zu unterscheiden oder 
alle zu vereinigen. Vgl. Novit. Mant. III. 32 sqgg. 

28. Arenaria ciliata L. und A. gothica |Fr. A. ciliata os 
Hn. Sk. Fl.] hatte ich Gelegenheit, cultivirt mit einander zu 
vergleichen: erstere war von Alters her in botanischen Gärten 
vorhanden, die andre wurde von mir in mehrere verbreitet. 
Ueberall zeigen sich diese als bestimmt verschiedene Arten, 
ungefähr wie Cerastium trigynum und C. semidecandrum , wel- 
chen einzeln jede derselben dem Wuchse nach analog ist. A. 
ciliata bildet fussbreite Rasen mit Tausenden von sterilen Sten- 
geln, die niemals im ersten Jahre blühen; A. gothica schiesst 
im Frühjahre rasch aus dem Samen vom vorigen Jahre auf, 
blüht und verschwindet. Sterile perennirende Stengel sieht man 
von dieser eben so wenig, als zugespitzte Kelchblätter an Sa- 
gina strieta. Sollten aber auch Exemplare derselben perenniren 
oder durch Bildung von Knospen in den Blattwinkeln fortdauern, 
so zeigt doch der Bau der fas’rigen Wurzel hinreichend, dass 
sie sich nie durch Theilung in eine Menge von Stämmchen 
nach oben verzweigen und den rasenartigen Wuchs anneh- 
men kann, welcher , ausser den übrigen Merkmalen, die A. ci- 
liata so deutlich unterscheidet. Auch ist ihre absolute Verschie- 
denheit von allen anerkannt, welche die wahre A. eiliata kennen. 
Vgl. Koch’s Synops. ed. 2.! 

29. Auch Arenaria norvegica Gunn., dieich früher als Un- 
terart betrachtete, ist, nach Untersuchung grosser Massen von 
Exemplaren, die ich sowohl von dieser, als auch von 4. ciliata 
erhalten, eine sicher verschiedene, nicht mit Aren. eiliata mul- 
ticaulis vergleichbare Art. S. alle englische Floristen und spe- 
ciell Engl. Bot. Suppl.*). 


*) Seitdem die Monographen der Cerastien und der _Alsinaceen über- 
haupt, Grenier und Fenzl, Curtis?’s erste klare Feststellung 


Verwahrung yey. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. %1 


30. Dass Rosa inodora, wie schon der erste Anblick des 
lebenden Strauches lehrt, nicht mit #2. rubiginosa, sondern nur mit 
R. canina zu vergleichen ist, kann nun wohl für völlig ausgemacht 
selten. Inwieweit dieselbe und R. dumetorum und R. collina 
als Unterarten der R. canina oder als eigne Arten zu betrach- 
ten seien, hängt ganz und gar von der verschiednen Auflassung 
des Species -Begrifles ab. Dass sie keine scharfen Charactere 
darbieten, ist eben so gewiss, wie, dass sie in der Natur be- 
stimmt getrennt sind und, wenn auch zu Hunderten gemengt bei 
‚einander, nie zusammenfliessen. Darum führte ich sie in den 
Novwit. Fl. suec. als Varietäten auf und verwahrte ich mich, als 
ich in Nov. Mant. Ill. sie getrennt hinstellte, ausdrücklich 
gegen ein Missverstehen, als widerriefe ich die frühere Be- 
stimmung. Einzusehen, wie die Arten in der Natur sich wirk- 
lich verhalten, ist etwas viel Wichtigeres, als alle Form der 
Darstellung. Dass Rosa collina mit einfach-, doppelt- und 
dreifach - gesägten Blättern variirt, sahen wir oft, und Koch 
führt solche Formen ausdrücklich auf. Dass Jaequin sie mit 
einfach gesägten abbildet, ist blosser Zufall. 

31. Nachdem Koch nunmehr unsre Angabe bestätigt, dass 
Rosu tomentosa Suecor. oder R. villosa L. [? R. eiliatipetala 
Bess., Koch, s. mollissima Fr. (non W.)?] nicht seine tomen- 
tosa ist, dürfte die Sache wohl erledigt sein. Rosa tomentosa 
Koch et Fr. Nov. Mant. Ill. 197. ist nicht damit zu vergleichen, 
aber die in Herb. norm. VI. gegebene R. collina könnte, wie 
ich dort auch sage, vielleicht zu dieser (A. tom.) gehören. 

32. Potentilla sordida a. Fr. ist P. collina | Wib.] Koch! 
Syn. ed. 1., P. sordida b. Nov. Mant. ist P. Güntheri Koch 
Syn. ed. 1. Die erstere ist [in Schweden] die Hauptform die- 
ser Species, denn wenigstens 100 Exemplare derselben kommen 
[in Schweden | gegen 1 P. Güntheri vor, die auf angebautem 
Boden wächst. Jene Hauptform ist einfach, hat keine centrale 
Blätterrosette; die Stengel sind aufsteigend oder aufrecht, der 
Rand der Blätter umgerollt u. s. w.*). S.: Herb. norm. VII. 


des Cerastium vulgatum angenommen haben, ist kaum zu zwei- 
feln, dass auch Alle, die nicht schon andere augenommen, sie bei- 
behalten. Dass C. strigosum nicht Persoon’s C. brachypetalum 
(= C. viscosum eglandul.) ist, giebt auch Koch zu, obgleich er 
ob usum den letzteren Namen beibehält. 

‘ #*) [ÜUebrigens wären für Pot. Güntheri Pohl, Spr., wenn sie nicht 
zu P. collina Wib., worunter sie Koch in Syn. ed. 2. zieht, ge- 
hörte und damit eins wäre, die Namen P. Hiemanniana Günth, 
(nach Dr. Wiemann in Breslau, nicht Wimann) in Centur. pl. 


18 


262 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


und Nov. Mant. Il. Auch P. argentea bekommt an feuchten 
angebauten Stellen äusserst verzweigte niederliegende Stengel 
um einen centralen Blattrasen, auch flache Blätter u. s. w. 
Pot. collina Lehm.! ist Koch nicht näher bekannt. | 


33. Zu den ausgezeichnetsten und sichersten in den letzten 
Jahren in Schweden und gleichzeitig von Koch unterschiedenen 
Arten rechne ich Thalietrum minus L., Th. Kochit [Fr. Mant. 
III. Th. Jacgwinianum K. in Fl. od. bot. Z. 1841, Syn. ed. 2., 
collin. K. Syn. ed. 1.] und T’h. flexuosum [Rehh. (non Berph.), 
Fr. Mant. IIl., wo Fr. das T'h. majus Koch Bot. Z. 1841 (Syn. 
ed. 2.) damit meint, und es nebst Var. darunter hat, während 
Koch bei diesem majus das flexuosum Rehb. eher ausschliesst]: 
ein einziges Carpidium ist hinreichend , sie zu unterscheiden, 
und Wuchs (aphyllopodischer und phyllopodischer Stengel), 
Blühzeit u. a. bestätigt die Verschiedenheit. Aber mit unvoll- 
ständigen Exemplaren in Herbarien hat man Noth sich zu hel- 
fen, wenn man sie nicht vorher kennt. Alle 3 finden sich seit 
langer Zeit zu Upsala cultivirt. Weiss man nur einmal, wo die 
Stipellen zu suchen sind, so findet mar sie nachher sehr leicht: 


34. Alle in Schweden wirklich wilde Mentha silwestris ge- 
hört zur M. nemorosa W.; M. silvestris W. kommt an einigen 
Stellen verwildert vor. — Dass alle Menthen zottig und völlig 
kahl variiren, ist nun bekannt; M. silvestris und viridis können 
nicht danach unterschieden werden. Obgleich etwas grauzottig, 
muss doch n. 9. b. des Herb. norm. VII. zu 7. viridis kommen, 
sofern diese als Art von M. silvestris getrennt gehalten werden 
soll. Ausser dem, bei älteren Exemplaren verschwindenden, 
Ueberzuge hat sie alle übrigen Merkmale mit M. viridis gemein. 

35. Die Mentha Herb. n. IV.nr.17., welche Dr. Hartman 
zur M. sativa zieht, ıst ebendieselbe Pflanze von Slaka, die 
auch unter M. gentilis angeführt steht. Eher glaube ich, ist 
sie als eine grossblüthige Varietät der letztern anzusehen. — 


— 


Sil. V. und P. Güntheri Pohl (1810) et Spreng. (Pug. !. 1813) 
die ältesten; und da der Name der ganzen Art gilt, so umfasst 
er alle Formen derselben, auch die schwedischen, die übrigens 
kaum mannichfacher sein können, als in Schlesien die der ur- 
sprünglichen Art. Pot. sordida Fr. kommt zuerst in Fries Nov. 
Fl. sv. Part. VI. (1823) und in Aspegren’s Blek. Fl. (1823) vor, 
dann als Var. unter P. argentea in Fr. Nov.Fl. sv.cd.2. (1828), 
zuletzt als Art in Fr. Mant. IM. (1842). In Schlesien hat sie, 
mit P. argentea vergiichen, lebend und von oben gesehen, kein 
sordides Ansehen, sondern ein lebendigeres, zwar zarteres, aber 
dadurch schöneres, als jene. Anm. d. Uebers.] 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 263 


Von Mentha arvensis nehme ich vier Varietäten an: 1. M: agre- 
stis Sole, Hartm.; 2. silvatica gracilis, foliis lanceolatis glabriu- 
sculis; 3. riparia Herb. norm.; 4. M. lapponica. Die 3 letztern 
haben die Blumenstiele ganz kahl. Es kommt mir wenig pas- 
send vor, Namen von Varietäten so oft umzutauschen und nicht 
die vom ersten Bestimmer beizubehalten. 

386. Die Exemplare, die ich von Ajuga pyramidalis gla- 
brata erhielt, sind nur eine zufällige Form dieser Art, welche 
oft kurze Seitentriebe hat; und sie haben nichts Gemeinsames 
mit A. alpina Nov. Mant. 11I., die dem Standorte nach bei 
Hartman darunter gefasst scheint. Diese letztere kann nur 
mit A. replans verglichen werden, von welcher sie sich fast 
nur durch noch mehr rankigen (sarmentösen) Wuchs und klei- 
nere Blumen unterscheidet. 

37. Das rechte Lamium incisum, welches eine unbezweifelte 
Art ist, unterscheidet sich vom L. purpureum incisum durch 
gerade, inwendig kahle Blumenröhre und nur einen Zahn am 
Schlunde; Z. purpureum hat gekrümmte Röhre, mit Haarkranz, 
zwei Zähne u. s. w. 

38. Die um Upsala und wohl überhaupt in Schweden ge- 
wöhnlichste Galeopsis ist G. bifida, welche Bentham (gewiss 
mit Recht) für die eigentliche @. Tetrahit L. hält. — Die @. 
Tetrahit neuerer [schwed.?] Schriftsteller scheint mir der @. 
versieolor viel näher und nur durch die Farbe der Blumen (näml. 
var. pallens von G.bifida) verschieden zu sein, denn die Grösse 
ist äusserst veränderlich. Die wenig steifhaarige, mit rosenro- 
then Blumen, die in Felsklüften, z. B. am Bösseberge bei Femsjö 
wächst, ist G. pubescens. Entweder müssen hier drei Arten, 
oder eine, angenommen werden. 

39.. Von allen neuern Botanikern ist angenommen, dass 
man nie von einblättrigem Kelche oder solcher Blumenkrone 
spricht, wenn diese hetero-sepalisch oder -petalisch sind. Aus 
diesem Grunde beschreiben auch alle Orobanchographen die 
Arten von Osproleon mit zwei sepalis, obgleich diese an einer 
Seite mehr oder weniger verwachsen. Hierdurch fällt Hartman's 
Bemerkung gegen meine Beschreibung der Orobanche major 
ganz weg. Koch beschreibt diese Art (O. stigmatodes Wimm.) 
ganz so wie ich. S. Koch Taschenb. d. D. Fl. 

40. Cochlearia anglica 8. Hartm. ist ‘C. fenestralis RBr. 
et DC., die auch ich zur ©. anglica bringe. Hb. .n. X. Von 
dieser ist C. arctica Schldl., DC., Fr. sicherlich verschieden :. 
sie ist zunächst mit C. officinalis verwandt. 

41. Ueber die Camelinae vergl. Nov. Mant. II. [p. 66 — 


264 Verwahrung geg. angen. Ansichten. üb. schwed., Pflanzen. 


73]: daselbst ist Herb. n. V1I. 21. vielmehr zu C. sativa. zu 
bringen. — C. sativa y. Hartm. scheint zur C.. foetida [Fr., 
Myagr. foet. Bauh., M. sat. y. L. Sp.] zu gehören;..d, australis 
Hn. Sk. Fl. ed. 4. kann nicht mit C. sativa Hu. vereinigt wer- 
den. Dieser letztere Name, als ein collectiver , ‚sollte ,. wie.es 
am zweckmässigsten wäre, verschwinden und nach Koch’s 
Ansicht die C. sativa Mant. IH. 72. den Namen  C. dentata 
[Hornem., My. dent. W.] behalten. 

42. Unter Barbaraea vulgaris y. acidula Htn. muss es 
heissen: Sie ist das ursprüngliche Erysimum s. Barbaraea 
praecox Sm., dieser Name aber ist später auf eine in Süd-Eu- 
ropa vorkommende Art mit Blumen der D. stricta, aber abste- 
henden Schoten und eingeschnittnen Blättern wie bei 2. areuata 
übergetragen worden. Dass diese B. praecox oder B. arcuata 
Recent. jetzt allgemein für eine besondre Art angesehen wird, 
ist bekannt. Vgl. Nov, Mant. Il 

45. Ueber die unter Arabis hirsuta vereinigten Formen s. 
Bot. Not. 1843, Nr. 8. [Daselbst stehen p. 115. unter A. hir- 
suta: a. A. sagittata DC., Koch!, wovon eine Form glaberrima 
in Herb. norm. X., von Öland; b. A. hirsuta L., Koch! davon 
f. glaberrima von Öland in Hb. n. IV.; c. A. glastifolia Rchb.,. 
Hb. n. X. — Arabis ciliata RBr., K.! verhält sich zu obiger 
Art (der A. hirs. Fr.) wie die (Unterart) A. hirsuta zur sagittata 
durch kleinern Wuchs, doppelt kleinere Schoten, und aurieulis 
ad basin nullis; zur behaarten Var. gehört nach Fr. die A.cur- 
lisiliqua DC.! Syst., welcher Name, sagt Fr., für die ganze Art 
besser passt, als „ciliata.“ — A. Gerardi Bess,, K., fehlt der 
schwed. Flora noch.] 

44. In frühern Auflagen seines Handbuchs der Skand. Fl. 
hat Dr. Hartman gesagt, das Sisymbrium arenosum L. Fl. 
suec. wäre nicht Arabis arenosa, sondern eine Var. der Arabis 
Thaliana. Bei unsrer Darstellung entgegengesetzter Ansicht in 
Nov. Mant. III. ist angenommen, dass A. T’haliana $. (8- urbi- 
cola schwed. Herbarien) mit Arabis arenosa identisch: sei [wo- 
bei aber ausserdem unter A, T’haliana var, lyrata (nicht A. y- 
rata L.) noch die A. Thal. 8. urbicola der ersten Aufl. v. Hartm. 
Sk. Fl. nebst #. hispidior Wbg. Suec. als grösserntheils dazu 
gehörig genannt wird]. Indess bleiben mir doch beide sehr deut- 
lich verschieden, ich habe aber nichts dagegen, wenn die strei- 
tige A. Thaliana 8. als eigne Art aufgeführt wird. 

45. Obgleich De Candolle nach der Steifhaarigkeit oder 
Kahlheit der Schoten die Formen der Sinapis arvensis in 
zwei Arten theilt, halte ich doch Poiret’s und Reichen- 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 265 


bach’s Eintheilung derselben in 2 Varietäten oder Unterarten 
nach der Blattform und der Länge der Schoten für natürlicher. 

Bei beiden Unterarten kommen sowohl kahle als steifhaarige 
 Schoten vor: die Form mit letzteren ist die typische Form der 
Species, aber die Uebergänge ergeben sich so zufällig, dass 
sie nicht gesondert werden können, 

46. Unsre rothblüthige Fumaria capreolata stimmt mit 
englischen Exemplaren unter diesem Namen, welche De Gan- 
dolle für seine F, media erklärt hat, und zugleich mit Son- 
der’schen der F. Petteri Koch überein, | 

47. Ungeachtet wiederholter fremder Versicherungen, dass 
Pflanzen ohne Gränze zusammenfliessen, sieht man doch oft 
solehe: bald nachher als Arten anerkannt: und dieses passt ohne 
Zweifel auch auf Corydalis laxa |Fr. Mant. Ill. 86., als Unter- 
oder Nebenart bei ©. solida s. digitata, Herb. norm. VI. 
25.] und C. pumila Host. Hier muss man zuerst bestimmen, 
was man unter ©, pumila oder Lobelii (Tausch) verstehe, denn 
die Synonymie ist noch schwankend; wenn die Gränzen (wie 
z. B. des Ranunculus reptans) nicht richtig aufgefasst sind, so 
führt auch die richtige Beobachtung zu unrichtigem Resultate. 
Wiewohl ich auf einmal mehrere Hunderte lebender Exem- 
plare der ‚©, laxa und C. pumila vor Augen hatte, waren diese 
doch so bestimmt unterschieden, dass es mir nicht einkam, an 
ihrer Verschiedenheit zu zweifeln, wohl ‘aber an der der ©. Zara 
von C. fabacea; auch C. pumila scheint bei Nontuna ohne Ab- 
gränzung in C. fabacea überzugehen, aber €. lara und C. pu- 
mila unter sich berühren einander nicht. C. pumila hält sich 
immer niedrig, aber üppiger wird sie stärker und fester, mit 
aufrechter Blüthentraube, kurzen herabgebognen Stielchen. C. 
lawca dagegen wird, je grösser und üppiger, desto schlanker und 
schlafier, hat stets hangende Traube, so dass die Fruchtstiele 
nicht eigentlich zurückgebogen werden, ob sie gleich schlaf 
und hangend sind; die Traube oft nur 2—3-blüthig mit ganzen 
Deckblättern, und dann schwer von ©. fabacea zu unterschei- 
den. ©. pumila zeichnet sich vor allen verwandten durch eigne 
Blässe der Seiten-Kronblättehen aus, durch welche sie getrock- 
net mehr oder minder gelbscheckig wird: vor der C. laxa au- 
sserdem durch ganz andere Physiognomie: denn während die 
Seitenkronblätter bei ©. pumila an der Spitze ganz 
sind mit vor dem Ende verschwindendem Kiel, sind 
dieselben bei C. /axa, wie bei C. fabacea, an der Spitze aus- 
gerandet, mit auslaufendem Kiele; andrer Unterschiede 
zu geschweigen. Es scheint wohl möglich, dass man die C. 


’ 


266 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


pumila in der ©. laxa gesucht hat (denn nach’ Koch’s Be- 
schreibung komme ich erst auf diesen Gedanken), und dann er- 
klärt es sich leicht, wie man sie zusammenfliessen zu sehen 
geglaubt hat. Der Name ©. pumila, welcher der li ist, 
passt ungemein gut auf die unsrige ... 

48. = upsaler Garten gesammelte Exemplare ‘beweisen, 
dass alles, was Linne in demselben als Ononis arvensis und ©. 
spinosa vor Augen gehabt hat (und noch jetzt sind beide darin), 
dornige und dornlose Formen der O. repens Recent. gewesen 
sind. Unstreitig hat er diese bei Aufstellung seiner O. arvensis 
S. N. XII. vor sich gehabt, und danach hat Smith diese Art 
trefflich dargestellt. Ich glaube hier am richtigsten zu gehen, 
wenn ich Linne und Smith folge, denn die Namen spinosa 
und repens sind zu sehr. verwirrend. Sie wächst oft ganz ge- 
rade, aufsteigend, bei uns seltner kriechend. : O. arvensis Retz. 
bekommt dann ihren allgemein angenommenen Namen O. hircina 
wieder. Dass die O. spinosa der Neueren Linne bekannt ge- 
wesen sei, ist mir nicht glaublich; ich habe sie in Schonen (auf 
Flugsand) äusserst sparsam eingesammelt: für diese wünschte 
ich Koch’s Benennung O. campestris angenommen zu sehen. 

49. Tragopogon pratensis v. minor Fr. Nov. Fl. suec. ed. 
1. nahm ich in Nov. ed. 2. nur deshalb unter besonderer Num- 
mer, weil Wahlenberg dargethan, dass Miller sie unter 
dem Namen Tr. minor unterschieden; und als Dr. Hartman 
für die 2. Auflage seiner Flora Notiz darüber wünschte, erklärte 
ich ihm bestimmt, dass ich sie doch noch für Varietät ansähe 
und sie so aufgeführt wünschte. Dr. H. selbst hatte die Pflanze 
nicht gesehen. | 

50. Ueber die Zieracien sind die Ansichten im Ganzen 
noch wenig festgestellt; indess ist bei der herrlichen Eintheilung - 
derselben in mehrere bestimmte Untergattungen in 'Koch’s 
„Taschenbuch“ über die Hier. Pulmonaria ein neues Licht auf- 
gegangen, durch welches wir erkennen, dass viele bisher ver- 
einigte Formen nicht einmal mit einander zu vergleichen sind, 
indem sie nur analoge Ausbildungsformen in verschiednen Rei- 
hen vorstellen. So gehören Hieracium glanduliferum (welches 
im Verhältnisse zu HZ. alpinum eher A. eglandulosum heissen 
sollte) und andre unter H. alpinum vereinigte zu ganz andern 
Untergattungen; wie 4. Pilosella, mit welchem man 4. alpi- 
num lange verglichen hat, so verhält sich 4. alpinum zu H. 
prenanthoides; durch H. nigrescens, cydonüfolium, dentieula- 
tum und prenanthoides ist diese Reihe völlig eben so zusam- 
menhangend, wie die der Püosellae, dabei von allen andern 


v 


Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 267 


‚durch die an der Spitze mit Gliederhaaren besetzten Zigulae voll- 
kommen geschieden; während 7. ylanduliferum sich auf die- 
selbe Weise an die glauken Pulmonaria und ein anderes an 
die Gruppe des A. vulgatum anschliesst. Nach diesen Gründen 
werden die Arten zugleich reformirt und vermehrt werden. So 
gehört 4. boreale v. latifolium Hb. norm. 1. als eine vielblät- 
trige Form (denn ein-, zwei- und vielblättrig variiren alle Pul- 
monaria) vielmehr zu H. diaphanum. Von jedem H. vulgatum 
ist es sicher durch seine ausgesperrte Rispe, schwarzgrüne 
(nicht grauzottige) Hüäll- oder Kelchschuppen u. a. verschieden. 
Die übrigen in Nov. Mant. II. unter 4. diaphanum. vereinigten 
Varietäten machen nach Koch fast eben so viele Arten aus: 
darüber nächstens. 

Mehr bekannt sind die Pilosellae.. Will man H. auricu- 
liforme oder Auriculo-Pilosella Nov. Fl. suee., so wie HM. 
echioides (H. cymosum Hn. Skand. Fl. ed. 4.) und H. Nestleri 
(H. cymosum Fröl., Fr.) unterscheiden, so haben wir wenig da- 
gegen, müssen aber gestehen, dass wir für das erstere keine 
bestimmten Charactere, für das letztere aber keine Gränzen in 
der Natur haben finden können. 

5l. Wie Prof. Wimmer mich versichert hat, stimmt 
der im östlichen Schonen sehr seltene Senecio barbaraeifolius 
mit dem schlesischen vollkommen überein. Die Aussage, dass 
Koch ihn nicht vom S$. aguaticus Huds. unterscheide, beruht 
auf einigem Missverstande: schon jin der 1. Aufl. seiner Syno- 
psis hat er ihn unter dem Namen $.erraticus Bertol., den auch 
ich citirt habe, als, vom aguaticus geschieden; das Anführen des 
$. barbaraeifolius unter S. aquaticus ‘wurde leicht als Schrift- 
fehler erkannt, der nun auch in der 2. Aufl. berichtigt ist. 

52. Die von uns [Mant. IH. 115 sq. ] wiederhergestellte 
Matricaria maritima L., ist von allen ausländischen Autoren 
als eine ausgezeichnete Art anerkannt worden (‚von Chrys. ino- 
dorum ß..salinum ist Matr. maritima L., Fries Herb. norm. 7. 
verschieden:“ Koch), aber noch bemerkenswerther ist, dass 
sie, unabhängig von unsern Beobachtungen, gleichzeitig in Eng- 
land von Babington, in Frankreich von Gay, restituirt wor- 
den ist. Da Letzterer der anerkannt erste Kenner dieser Pflanze 
ist, so dürfte ein Auszug aus seinem Briefe dat. Paris % von 
Interesse sein: ‚„Votre Chrysanth. maritimum est parfaitement 
identigue avec le vrai Pyrethrum maritimum. Les Anglois Font 
bien distingue dans lorigine, mais ils ont eu tort ensuite d’en 
. faire une variete de cette derniere espece. Tous deux se trou- 
vent en France, le maritimum partout sur la cöte de Focdan 


268 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


jusquw'a la frontiere d’Espagne; le völre est la premiere forme 
Raji.“ In Frankreich sind die ligulae gewöhnlich eingeschnit- 
ten, ohne dass dieses im geringsten auf den Artunterschied 
einwirkt! | 


53. Matricaria suaveolens L. verdient zwar als eine be- 
stimmte Abart aufgeführt zu werden, denn ausser ihrem eignen 
Aussehen weicht sie durch gänzlichen Mangel der abfallenden 
Samenkrone, die sich bei M. Chamomilla an den Randblümchen 
und bei M. coronata auf allen Früchten findet, ab ; selbst Gay 
hält sie aber nur für Var. der M. Chamomilla und die uns mit- 
getheilten Exemplare sind, ausser jenem Merkmale, nicht davon 
zu trennen. 


54. Unsre Orchis latifolia L. (Koch), z. B. von Segeholm 
in Schonen, stimmt aufs genauste mit französischen und mit 
Exemplaren von Koch überein. Die in Herb. norm. VI. mitge- 
theilte var. elatior weicht zwar bedeutend davon ab, kann aber 
schwerlich zu einer andern kommen. Der scharfsichtige P. C. 
Afzelius, welcher diese Arten lebend genau verglich, erklärte 
sie für von aller O. incarnata (worunter O. latif. Rchb., angu- 
stif. Wimm. non Lois. et Rchb.) bestimmt verschieden, war aber 
über ihren Unterschied von ©. maculata unsicher; mit dieser 
gehört sie indess, da ihr (der Zatif.) Stengel röhrig, nicht zu- 
sammen. Mit gedehnterem Wuchse stehen die schmälern Blät- 
ter in Zusammenhang, wie O. incarnata sowohl, breit - als 
schmalblättrig vorkommt. 


55. In unsrer Orchis cordigera |Fr. Mant. 111. 130.]. ver- 
muthen wir nicht bloss Rochel’s ©. cruenta, sondern wir be- 
schrieben sie eben nach Rochel’schen Exemplaren, welche 
Heuffel und Koch uns mitgetheilt. Sie ist die Hauptform, 
welcher zwei gottländische Exemplare sich nähern, wie in Mant. 
Ill. ausdrücklich gesagt ist. 


56. Unter dem Namen der unsichern Epipactis atrorubens 
Hoffin., worunter Hoffmann selbst die seimnige nur als Farbenab- 
änderung der E. latifolia auflührt, werden mehrere in Farbe 
verschiedene Formen vereinigt. Die vom Stygfoss in Darlekar- 
lien ist gewiss E. lat. 8. rubiginosa Koch; E. purpurata Sm. 
u. a. gehören auch zu dieser Gruppe. Da die Farbe der Blumen 
sowohl bei E. latifolia als auch bei E. media [Fr. Mant. II., 
Bot. Not. 1840, p. 15., E. atrorub. H. et Auctt. et viridiflora 
etc.] in hohem Grade veränderlich ist, so halten wir es für das 
geeignetste, die Formen der letzteren unter dem letztern gemein- 
samen Namen (media) zu vereinigen, da keiner der älteren der 


Verwahrung ge geg: angen. Ansichten üb. schwedh Pflanzen. 269 


Art in ihrem: ganzen Umfange zukommt oder darauf a son- 
dern diese nur einzelnen Abänderungen gelten. 

57. In einem der herrlichen Thäler Norwegens entdeckte 
des unermüdlichen Prof. Blytt scharfes Auge drei Mittelformen 
zwischen Carex loliacea, tenuiflora und canescens, welche 
ich, da sie auf gleicher Localität wachsen und jede einzeln 
einer der genannten entspricht, der Analogie wegen nach Blytt’s 
Andeutung provisorisch unter einem Collectivnamen, und zwar 
als Carices Blyttii zusammengefasst habe, dabei völlig über- 
zeugt, dass dieselben nach weitern Untersuchun- 
gen als Arten oder Unterarten jede für sich ihrem 
Seitengliede unter den genannten neben- oder unter- 
seordnet zu stehen kommen werden. Deshalb wurde 
keine speciell Carex Bilyttii genannt, sondern eine jede als 
Unterart hingestellt! Die mit C. loliacea zunächst verwandte 
wird in Herb. norm. X. ausgegeben, die an €. tenuiflora sich 
anschliessende wurde als Unterart macilenta gegeben (dass 
diese nicht identisch mit C. tenuiflora ist, zeigen ausser andern 
Merkmalen. ihre. an der Spitze tief zweispaltigen Früchte, die 
bei Ü. tenuiflora ganz sind), und die mit C. canescens am 
nächsten verwandte unter dem Namen C. vitilis [Fr. Mant. Hl. 
137. = C. Gebhardi. Hartm. Sk. Fl., non Hopp., nee Schk.; 
ebds. soll, statt C. sulina Bong., nach Fr.s späterer Berieltt 
sung C. glareosa Bong. als synon. stehen]: denn dass diese €. 
vitilis keine ©. Gebhardi ist, wofür man sie früher bei uns ge- 
nommen, war klar. [Vgl. Fr. in Bot. Not. 1845, 149 fi., regensb. 
bot. Zeit. 1843, 739.] Nachher hat O. F. Lang gezeigt, dass 
unter C. canescens brunnescens eine besondere Art C. Persoonü 
Sieb. vorkommt. Dass diese mit C. vitilis identisch sein könne, 
will ich zwar nicht geradezu bestreiten, doch scheint es mir 
zweifelhaft: 1. weil alle Exemplare, die ich- von auswärts her 
als C. canesc. brunnescens erhielt, ausser der Farbe und tiefer 
gespaltnem Schnabel, der C. canescens gleich und von unsrer 
©. vitilis bestimmt verschieden sind; 2. weil der-Haupteharacter 
der C. Persoonü, ein seiner ganzen Länge nach gespaltner 
Schnabel, nicht auf ©. vitilis passt; 3. weil Died Lang, noch 
Koch, welcher das Hb. norm. kennt und. es anderwärts_ citirt, 
unsre C. vitilis zur C. Persooniti citiren. — Ueber Carices wäre 
noch viel zu sagen, wenn hier Raum wäre; hier nur das eine, 
dass Lästadius unter ©. acuta ripensis verschiedene Formen 
mitgetheilt haben muss, denn was wir von ihm erhieiten, ist 
nicht ©. hyperborea Drej., sondern hat schärfere Halme als ir- 
send eine der verwandten (Hartman hat sie unter ©. aquatilis); 

18 * 


270 Verwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 


Beschreibung und Fundort in Nov. Act. Ups. deuten an, dass 
die uns mitgetheilte die richtige ist. — Dass unsre C. bullate 
nicht ganz mit Schkuhr’s übereinstimmt, ist sehr richtig: 
darum haben wir sie auch als besondre Unterart C. laevirostris 
aufgeführt; durch Prof. Wahlberg und Kunze sind wir aber 
nun vergewissert, dass sie völlig verschieden ist und eine aus- 
gezeichnete neue Art bildet | ©. laevirostris Fr., Kz.: Wahk 
berg entdeckte sie in Lulei-Lappmark ; Nylander und Angström 
fanden sie im russ. Lappland, z. DB. zw. Peljervi u. Tiudje, und 
Nylander nennt sie C. robusta und rechnet C. ampullace« 
v. robustior Weinm. Fl. petrop. dazu, nach Dot. Not. 1844, S. 
50, 53; 1842, 153.]. 2 

58. Wie bei uns Detula alba die seltnere ist und in Ge- 
birgen und den nördlichsten Theilen Scandinaviens ganz fehlt 
nach dem Zeugnisse von wohl 100 durch Blytt, Lindhlom, 
Lästadius mir mitgetheilten Formen, die alle zur D. ylulinos« 
[nordischen Form der DB. pubescens]| gehören, so ist dies nach 
Babington auch in England, nach Nylander in Finnland, 
und so gewiss in allen nördlichen Ländern der Fall. Es ist 
auch nur diese ylutinosa, die Linne als B. alba beschrieben 
hat: wobei es übrigens jetzt nieht mehr recht wäre, die nun 
einmal angenommenen Benennungen zu ändern, wenn wir gleich 
«len unglücklichen Namen B.pubescens nicht annehmen können. 
Dass es, nach Meyer in Chlor. hanov., eine dieser analoge 
Form der #. alba gäbe, sehien mir zweifelhaft, bis ich letzten 
Sommer diese selbst zu sehen bekam. — Inwieweit B. pubescens 
Ehrh., Wallroth nach den Zeugnissen dieser Autoren Abart der 
B. glutinosa ist, bleibt noch sehr ungewiss. Sie variirt zwar 
auch kahl, wächst aber immer in Strauchform und hat die 
Kätzchenschuppen eher wie B. alba. Diese pubese. ist es, die 
hier auf dem Örlösa- Walde bei Upsala wächst (in Süd-Schwe- 
den sah ich keine solche); sie soll genauer untersucht werden. 

59. Ueber Salices verweisen wir auf unsre Abhandlung in 
Bot. Not. 1840, Nr. 9, 11 f. und bemerken hier nur Folgendes 
summatim: Salix cuspidata Schultz, Koch, ist eigne Art, 
am nächsten mit $. fragilis verwandt, ganz verschieden von 8. 
pentandra cuspidata Suecor. — S. Russeliana Sm., die auch in 
Schweden vorkommt, ist eine üppige Form der $. fragilis var. 
decipiens, deren Drüsen auf den Blattstielen zu Stipellen aus- 
wachsen (s.: Engl. Bot.!), und mit unten grünen Blättern. — 
S. viridis ist nach Babington’s Bestimmung $. deeipiens 
Sm., nee. Hoffim. — Alle unsre in Herb. norm. I. beschriebene 
und in Hb. norm. IX. App. ausgegebene $. hippophaifolia hat 


Verwahrung geg. ungen.- Ansichten üb. schwed. Pflanzen. 271 


Koch für die ächte erkannt. — Die ächte $S. punctata! muss 
zu den C'hamelices versetzt werden, neben 8. Myrsinites, mit 
welcher allein sie verwandt ist trotz einiger äussrer Merkmale 
der 8. nigricans, denn die Kätzchen sitzen an der Spitze be- 
hlätterter, knospentragender, wirklicher Zweige! — Ich sehe 
len Grund nicht ein, warum man die Namen $. glauca pullala 
|B. Not. 1840, 204.] und S. caprea sphacelata, die so treflend 
sind, mit andern vertauscht hat. — SS. finmarkica, wovon ich 
bei Herausgabe der Mant. I. nicht wusste, dass sie in Finmar- 
ken gefunden worden, ist wirklich dort zuerst entdeckt worden 
durch Vahl (s.: Bot. Not. 1844, 200.) und dies ist die ächte ur- 
sprüngliche; die S. finm. des berliner Gartens ist falsch, ist 
nur eine Form der $. repens, nicht der $. ambigua, wie auch 
der edle Koch jetzt anerkennt. — S. canescens Willd. Herb. 
gehört, auch nach Kocch, nicht allein zur S. Seringeana, son- 
dern zu mehreren; aber die des berliner Gartens gehört zu un- 
srer canescens oder zu einer ihr analogen Form der 8. limosa; 
da, wie ich schon in Nov. Mant. I. bemerkte, $S. canescens 
Willd. ein unbestimmter Name war, so glaubte ich mich völlig 
berechtigt, ihn auf eine bestimmte Art zu übertragen, und dies 
mit mehr Recht, als es mit Rubus horridus [Hn. Sk. Fl. ed.-2., 
infestus Hn. ed. 3. nec Al.] u. a. geschehen. — Glücklicherweise 
hat sich mir nun eine sichre Quelle eröffnet, dass ich S. pli- 
cata a. Bot. Not. 1. c. in vollständigem Exemplare im Herb.norm. 
liefern kann (seit langer Zeit konnte ich nicht im Frühjahre die Orte_ 
besuchen, wo sie in Menge, nicht sporadisch wie S. ambigua, 
wächst), wodurch sowohl ihre Identität mit 8. incubacea Linn. 
Fl. suec. (nicht der Sp. pl., welche S. angustifolia ist), als auch 
ihre Verschiedenheit von S. ambigua einem Jeden klar werden 
muss; aber gewiss wird man dann eine luxuriirende $. repens 
daraus machen. — Alles was ich von S. silesiaca von Koch mit- 
getheilt gesehen habe, sind cultivirte Exemplare; aber wirklich 
wilde schlesische habe ich von Wimmer. 

60. Equisetum prostratum Hoppe, welches an sehr trock- 
nen Stellen wächst, hat nichts mit E. riparium gemein; es ist 
bekanntlich synonym mit E. palustre v. arenarium Fr. (E. pra- 
tense Rchb., Schldi. Fl. berol.). Dieses hat die jüngern frucht- 
tragenden Stengel nackt wie E. pratense, daher es in Deutsch- 
land allgemein für Ehrhart’s E. pratense genommen wurde, bis 
aus Ehrhart’s Herbar dargethan ward, dass dieses mit E. um- 
brosum W. eins ist. Dieses hat, wie so vieles andre, den Ge- 
genstand schiefer historischer Darstellung abgegeben; ich habe 
es nicht als E. pratense bestimmt, nur referirt, dass E. prat. 


22V erwahrung geg. angen. Ansichten üb. schwed.. Pflanzen. 


der Deutschen bei uns vorkommt, es aber ‚früher und später 
als Var. des E. palustre bestimmt. — Zuletzt muss ich erklä- 
ren, dass ich bei E. riparium unter caulis vascularis einen 
Stengel verstehe, der Spiraigefässe hat, unter ec. evascularis ei- 
nen, dem solche fehlen. Vgl. Reichenb. Fl. exeurs. p. 154. 
Upsala, 1. December 1843. rel 


EX. 
Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna, 


gesammelt in dem nördlichsten Skandinavien vom 24. Jan. 1841 
bis zum 26. Juli 1842 | 


von 
A. W. Malm*). 


(Aus dem Schwedischen übersetzt von Hornschuch.) 


Einleitung. 


Ehe ich direet zu dem Gegenstand übergehe erscheint es 
mir nothwendig im Allgemeinen die Naturbeschaffenheit, sowohl 
von Enares, als Utsjokis**) Lappmark, so kurz und fasslich, 
als möglich, zu schildern. 


EEE EEEEEEESEEEEEESSEEEEESESESEEEE SEES EEE EEE EEGEEEEEBESEEE 


*) Der Titel dieser Abhandlung im Original ist: „‚Ornithologiska 
bidrag till Skandinavisk fauna, samlade i det Nordligaste Skan- 
dinavien frän den 24. Jan. 1841 till den 26. Jul, 1842 afA.W. . 
Malm,“ und sie findet sich in ,„Naturhistorisk Tidsskrift. 
Tdgivet af Henrik Kröyer. Ny Raeckke. 1ste Bindet. 2. u. 3. 
Häfte. Kjöbenhavn. 1844“ auf pag. 180 u. f. abgedruckt, | 

Anm. d. Uehb,.. 

*#) Enare (auf Schwedisch) wird von den Lappländern Anare, von den 
Norwegern Indiager und von den Finnen Inara genannt. Das letz- 
tere kommt wahrscheinlich von dem finnischen Wort Ina, welches 
mit dem dänischen Not (eine Art Fischereigeräth) gleich ist. 
Utsjoki bezeichnet einen kleinen Fluss, 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 273 


In Enare Lappmark finden sich eigentlich keine hohen Al- 
pengebirge und in Folge davon ist beinahe jeder Gipfel mit star- 
kem, ja auf manchen Stellen sehr schönem Kieferwald, unbedeu- 
tendem Birkenwald, und nur bei Iwalajoki, welches im Süden 
in-den Enare Sumpf abfällt, mit Fichtenwald bewachsen. 

Mancher hat sich wohl Enares Sumpf und dessen Umge- 
bungen, als ein grünendes Thal, einen Aufenthalt für Millionen 
See- und Strandvögel vorgestellt; aber niemals sah wohl eines 
Reisenden Auge einen waldbewachsenen Strand, eine Insel in 
einem See so steril und arm an Blumen und Naturkörpern ed- 
leren Lebens, als dieser. Nicht ohne Schauder wandert man in 
den düsteren Nadelwäldern, zwischen ungeheuer grossen, scharf- 
kantigen Granitblöcken, welche gleichsam herumgestreut, von 
einer heftigen Revolution zeugen. Wohin man kömmt breitet 
das krause Rennthiermoos [Flechten aus der Gattung Cenomyce] 
seine weisse Decke und Polster aus, wie wenn es sagen wollte 
„hier herrsche ich“ und an den Strändern des Enare Sumpfs 
wächst selbst das Riedgras (Carex) sparsam. Heumangel ist 
also die Ursache der geringen Anzahl des, von den Ansiedlern 
gehaltenen Schaafviehs, und:der Lappe kann nur einige zwerg- 
artige Schafe ernähren. 

Der Boden der Seen ist steinig wie das trockne Land und 
beinahe frei von Wassergewächsen; nur in den kleineren z. B. 
Muddus, Pada und Pjälpajärwi und mehreren dergleichen habe 
ich Ranunculus aquatilis gefunden, und im Enare Sumpf sieht 
man nicht einmal diesen an der Mündung des Iwalo-jokis 
Hieraus kann man schon auf einen bedeutenden Mangel an En- 
ten (Anas) schliessen, und die geringe Anzahl von Conchylien 
und Würmern, welche die Sümpfe und Moore besitzen ist die 
zureichende Ursache des Ausbleibens der Wadvögel davon. 
Haubenenten | Anas: Fuligula L.] und Tauchenten (Arten der 
Gattung Fuligula C. Bonap.) kommen dagegen gerne dahin und 
werden auf verschiedenen Stellen sehr häufig getroffen; denn zu 
kleinen Fischen und Weichthieren, ihrer eigentlichen Nahrung, 
haben sie guten Zugang. 

Aececipitres und Gregarii sind während der Brütezeit sehr 
weit umher zerstreut; denn die Wälder und die von Menschen 
bewohnten Stellen sind besonders arm an Etwas nach ihrem Ge- 
schmack. Und die kleinen Vögel sind im Allgemeinen mehr 
selten, als häufig. 

Ferner ist der Boden auf höchst wenigen Stellen eben, son- 
dern blos eine Fortsetzung von grösseren und kleineren Ber- 
sesgipfeln. 


274 Ornüthologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Utsjoki Lappmark. dagegen, welche durchgängig ein zusam- 
menhängendes mittelhohes Gebirgsland, und nur an den Ufern 
der Flüsse zum grössten Theil mit Weiden- und Birkenwald 
bewachsen ist, ist während der Sommerzeit mehr von Raubvö- 
geln besucht, als Enare Lappmark, denn dort ist mehr zu jagen 
und des Falkens spähendes Auge darf auf dem kahlen Gebirgs- 
lande nicht so lange einen Raub suchen. Was die übrigen Vö- 
gel betrifit, werden wir künftig aus dem Folgenden lernen. 

Als etwas geologisch Bemerkenswerthes will ich anführen, 
dass dergleichen Granitblöcke, wie man sie in Enare Lappmark 
findet, daselbst nicht angetroffen werden. Noch weniger einige 
spitzige Gebirgsgipfel und so jäh abschüssige Abhänge, sondern 
das Land ist eine ziemlich regelmässig wellenföürmige Gebirgs- 
masse. 


Verzeichniss 
über die Standvögel Skandinaviens, welche während meiner Hinauf- 
reise nach dem 24. Jan. 1841 noch gesehen wurden. Geschrieben in 
Karesuando den 10. März. 


Die Gränze im Norden. 


Für 1. Corvus Cornüce L. 2 Exemplare wurden zum letzten- 
mal in der Stadt Umeä bemerkt. 

Emberiza eitrinella L. 2 (22) in Luled. 

Parus major L. 1 (8) in Kengis. 

- palustris L. Mehrere Exemplare in Kengis. 
Corvus Pica L. 2 Exemplare in Muonioniska. Ä 
Fringilla domestica L. 3 Exemplare in Muonioniska. 
Tetrao Bonasia L. Einige bei Haaparanda. 

- Tetrix L. Einige bei Peldewuoma. 

-  TUrogallus L. 2 (&&) Exempl. bei Karesuando. 
Falco palumbarius L. 1 Expl. ($) bei Karesuando. 


! 
ei 
SER NS $BuN 


Die Gränze im Süden. 


Für 1. Strix liturata Thunb. 1 Exemplar wurde zum ersten- 
mal in- Sundsvall bemerkt. 
- 2. Lagopus subalpina Nilss, Auf dem Küstenlande habe 
ich sie nicht südlicher gesehen, als bei Umeä. 
- 3. Lagopus alpina Nilss. 1 Expl. ($) bei Karesuando. 
Anm. Bisweilen geschieht es, dass ganze Schaaren bis nach Haa- 
paranda herab kommen. Diess ist jedoch nicht alle Jahre und 
nur während sehr strenger und anhaltender Kälte der Fall. 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 375 


Für 4. Parus sibirieus Gmel. ist sogar bei Upsala geschossen 
worden; aber ich traf ihn nicht früher als bei Kare- 
suando. 


Die Ankunft einiger wenigen Arten zu Karesuando Lapp- 
mark, niche ich, w rad meines kurzen Aufenthaltes daselbst, 
anzuzeichnen Gelegenheit hatte. 

(Karesuando zwischen dem 10. März und dem 9. April). 


Emberiza nivalis L. 1 Exempl. ($) traf zu Karesuando den 24. 
März ein. 
- eitrinella L. 1 Expl. (8) den 3. April. 
Fringilla Linaria L. 1 Expl. (2) den 3. April. 
Corvus Pica L. 2 Expl. den 6. April. 
-  Cornix L. 2 Expl. den 10. April. 


Die Ankunft der Zugvögel zu Enare Lappmark angezeichnet, 
zugleich mit der Temperatur nach dem Celsius’schen Thermo- 
meter und dem Winde, von und mit dem 16. April bis zum 
Ausgang des Monats Mai oder dem Schlusse der Strichzeit. 


Apr.| Kl 7. Kl. 12. Kl. 7. . 
17. | +5. SW. | +7. +6. Cygnusmusicus, Bechst. meh- 


rere Individuen. 
+6. Emberizanivalis, L. verschie- 
dene. 


Een 


| 
el; 1850 \-b6 +5. 
18... +52 = | 


00 REN VaRro MER ER Br u Pond BEA EC: 
oo. | +a.sw.| +2. w. +6. SW. 


21. 0.1W.| +6. +5. 

| +2N. +6. W. —2. N. |Corvus Pica, L. 1 Expl. Sie 
ist nach Angabe der Lap- 
pen niemals früher dort 
gesehen worden. 

3, | —4+NO. | +7. S. +1. Fe Enucleator, Cuv. 4 


Expl. 
BETEN. +9. W. +1ıN Falco Lagopus, Brünn. 2Expl. 
>5.| +t1.W. +9. 0. +2.N. |Corvus Cornix, L. 1 Expl. 
26.| —2N +13.0. +6. W. |Saxicola Oenanthe, Mey. 1 
Expl. 


276 


Apr. 
2 
28. 


DEN DINGE 


Ne) 


13. 


| 
| 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Kl. 7. 
+5. SW 
+4. W. 


+5. W. 


Kl. 12. 
+9. W. 


+9. SW. 


+9. W. 


+3. W.: 


+3. W. 
+9. 0. 
+5.N. 


+8. SW. 


+5. W. 


+5. NW. 
+5. NW. 


+18. S. 
+14. 8. 


+14.SW. 


+14. S. 


+20. 8. 


+14. S. 


/ 


Kl. 7. j 
+4. W. | Fringilla Linarie, L. viele. 


+5. W. - Coelebs, L. 1.(2). 
Einberiza citrinella, L. 1 
(2). Motacilla alba, L. 
1. (8). 

+3. W 


+2. W. |Der Tag war stürmisch und 
die Zugvögel hatten sich 


zurückgezogen. 
— 2, W. | Während allen diesen stür- 
0.NO. mischen Tagen sind die 
:#$1. N; Zugvögel fort gewesen, 
+3.N. mit Ausnahme von Mo- 
+2. W. tacilla albaL. (kein Weib- 


+2. NW. chen) Corythus Enuclea- 
2. NW. tor Cuv. und Falco La- 
+3. S. /)  gopus. 
+10. S. | Anser leucopsis, Bechst., 2 
Exempl., Falco Lithofalco, 
Gmel. 3., Charadrius apri« 
carius, L.1, Motacillaalba 
1 Expl. (?)- Der Tag war 
frühlingsmässig und die 
vorher genannten Arten zeig- 
ten sich ohne Ausnahme. 
+9. SW.| ErsterRegentag. Turdus ilia- 
cus, L. 1 Expl. 


+7.8. | Totanus fuscus, Bechst. 1 
Expl. 


+15. 8. | Emberiza lapponica, Nilss.Orn. 
Sv. 2Expl. Emberiza Schoe- 
niclus, L. 1 (8) Turdus 
pilaris, L. 2 Expl. Cha- 
radrius Morinellus. 1 Expl. 
Anthus pratensis, Bechst. 
viele. 

+10. S. | Hirundo urbica, L. 1 Expl. 
Anas fusca, L. 2 Expl. 
Anas Crecca, L. 2 Expl. 
Motacilla flava, L. 4 
Expl. (&). Anser albifrons, 
Bechst. 2 Expl. 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 277 


Mai | Kl. 7. Kl. 12. Kl. 7. 

ber. w | #&N:| +3N. 

15. | +1. N. +4 N. +1. N. |Anas acute, L. 
2.Expl. (89). 


17. | +1. W. +5. W. +2. W, 

18. | +2. 8. +6. NO. | +5. 0. | Anser segetum, 
2 Expl. 

+7. W. +11. ©. +7. NO. | Alle die Vögel, welche früher 
bei den Höfen und in Wäl- 
dern waren hatten sich nun 


hatten nun wieder _ 
der Kälte des Nordens 


Die kleinen Vögel 
weichen müssen. 


19, 


wieder eingefunden und der 


16. HirIN..) “E3.°NW.! | 0. W. 


anhaltende lauwarme Regen 


liche Wärme lockten noch 


einige Species mehr, z. B. 
Numenius phaeopus, Lath. 3 
Expl. 
Totanus Glottis, Bechst. ei- 


\ 


des Tages und die behag- 


nige. 

Sylvia Phoenicurus, Lath. 3 
(8). 
20.1+7.W. | +15. S0.| +9. 0. 

21.1+9.0. | +14.S. +10.W. |Carbo Cormoranus, Mey. 1 
Expl. (einer oder mehrere 
| von dieser Art sollen, nach 
| der Sage der Lappen, jeden 
' Frühling sich in Enare 
Lappmark zeigen). Sylvia 
suecica, Lath. 1 (&). Frin- 
gilla Montifringilla, L. in 
Menge. Sylvia Trochilus, 
Lath. 1Expl. Mergus Mer- 
ganser, L. 4 Expl. Mer- 
sr gus Serrator, L. einige. 
N . TDotanus Glareola, Temm .2 
Pa, Expl. Charadrius Hiaticula, 
L. 2 Expl. Hirundo ru- 
N “ser, DT pl (E). 
Anas Clangula, L. 3 (J). 

1. Q)- 
22. | +9. SW. | +14.SW. | +10.SW. | Fringilla montana, L. 1 
Expl. Sterna arctica, Temmı. 

19 


278 Ormithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Kl. 7. 2Expl. Anas Penelope , L. 
2 Expl. Anas nigra, L. 
4 Expl. Anas glacialis , L. 


Mai Kl. 7. Kl. 12. 


einige. Totanus hypoleucos, 

Nilss. Orn. Sv. 1 Expl. ‘Falco 

Lithofalco, Gwmel. 1: Expl. 
+10. W. +18.SW | + 16.SW. Cueulus canorus, L. 1 Expl. 

Cypselus Apus, Nlig.3 Expl. 
+ 9. SW.| +14.SW. 


+12.SW. 
25. | +12.SW. 


+ 12.SW. 
+5. NW. 


+20. SW. 


+10. W.|- +9. NW. 


27.1 +6. NW-) +11.NW.| +10.NW. 
28.| +11.W. | +6. NW.| + 10.NW. 
29.1 +9. W. | +11.W. | +8. W. 

30.| +8. W. } +14.NW.| +6.NW. 
31.! +10.8. | $14&S. | +9, NW. 


Der Sommer ist nun da und die Vögel kommen zu ihrer 
Brütplätzen. Es ist deshalb nicht Zeit länger sich mit ihnen 
aufzuhalten, sondern diejenigen, welche zufälligerweise meiner 
Aufmerksamkeit entgangen sind werden künftig angemerkt werden. 


—— ——[_-0[.0..: 


Des nordöstlichen Skandinaviens Fauna 
oder 
kurze Aufstellung der Vögel von Enare und Utsjoki 
Lappmarken *) 

Anm. Um nicht allzu weitläufig zu sein, will ich im Zusammenhange 
mit diesen die Beobachtungen des Jahres 1842 während meiner 
Reise in einem Theil des übrigen Nordens, so wie die Ankunft 
der Zugvögel zu Juckasjärwi in diesem Jahre verbinden. 


Falco Gyrfalco L. 


nistet nicht in Enare Lappmark, sondern wird daselbst nur als 
Strichvogel während der kalten Jahreszeit getroffen, und in Uts- 


*) Um etwas mehr Ganzes zu erhalten, habe ich auch diejenigen auf- 
genommen, welche ich während meiner Reise an der Küste des 
Eismeeres, zwischen dem Nordkap und dem Passwigelv, ange troflen. 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 279 


joki Lappmark ist er sehr selten; an der Küste des Eismeeres 
dagegen und in allen abschüssigen Gebirgsgegenden ist er gemein, 
sowohl zur Sommers- als Winterszeit. Er ist sehr vorsichtig 
und lässt den Jäger nicht gerne in Schussweite kommen. 


Falco peregrinus Lath. 


habe ich blos ein einzigesmal zu bemerken Gelegenheit gehabt, 
(in Juekasjärwi den 17. Mai 1842) und weil dies während der 
Striehzeit war, und er weder früher noch später gesehen wurde, 
nehme ich ihn hier nur als einen Vogel auf, dessen Gränze ge- 
gen Norden ein Nachfolgender näher bestimmen zu können suchen 
muss. Das Exemplar war ein Weibchen, Länge 163 Zoll*), 
Flügelbreite 38} Zoll, vom Ellbogen bis zur Schwanzspitze 13 
Zell, von der Ferse bis zur Schwanzspitze (in sitzender Stel- 
lung) 65; Zoll. Iris dunkelbraun **). 


Falco Lithofalco Gmel. 

(Auf Finnisch: Pissi Haukka , übersetzt: kleiner Habicht) 
wird überall getroffen, sowohl in Enare und Utsjoki Lappmark, 
als am Eismeere, soweit die Birke (Betula alba L.) wächst. 
Zur Brütestelle wählt er jedoch solche steile Abhänge, welche 
gegen Süden und Westen abfallen. 

Altes Männchen. L. 113 Z., B. 24 Z.; Ellb. — Schz.-Spitze 
9 Z., Ferse — Schz.-Sp. 53 Z. lris dunkelbraun. 


Falco palumbarius L. 


habe ich nur während der kalten Jahreszeit getroffen. Ein jun- 
ges Männchen den 25. März 1841 bei Maunu in Karesuando 
Lappmark und ein altes Weibchen den 14. April letztes Jahr 
bei Skjetsomjärwi auf der Gränze zwischen Muonioniska und 
Enare Lappmark., Ich bin deshalb vollkommen überzeugt, dass 
er keineswegs in den nördlichsten Lappmarken brütet. 


| Falco fulvus L. 
ist in dem Innern des Landes sehr selten. Häufiger kommt er 
an der Seeküste vor wo er brütet. Falco Chrysaätos Nilss. ill. 
Fig. wird dagegen öfter getroffen. 


Falco ossifragus Nilss. Orn. Sv. 
habe ich auf einer isolirten Klippe in Torneä Sumpf nistend ge- 
troffen. Ungefähr 500 Fuss über der Meeresfläche sass auf 


*) Schwedisch Maass. 
*%*) Diese Messungen sind zur Erleichterung für diejenigen genommen, 
welche ausstopfen oder ausgestopftie Exemplare abzeichnen. 


280 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen: Fauna. 


einem frei hervorstehenden Haufen Klippenstücken sein: ansehn- 
liches Nest von Aesten und kleinen Zweigen, inwendi ig mit Moos 
und Riedgras belegt. Rings umher lagen verstümmelte Theile 
und Skelette von Hasen, jungen Rennthieren, Auerhühnern und 
Seevögeln. Im Nest fanden sich weder Eier noch Junge. Und 
obgleich ich mich mehrere Stunden dort aufhielt, in der Hoff- 
nung einen von den Einwohnern dieser Insel zum Schusse zu 
bekommen, waren doch alle Versuche fruchtlos, und die Adler 
schwebten triumphirend unter ihrem scharfen er 
errii—i in der höheren Atmosphäre. 


Falco albicılla L. 


nistet an der Seeküste und wird nur im Frühling in dem Inneren 
des Landes getroffen. Er lebt im Sommer besonders: von Fi- 


schen, welche er theils selbst tödtet, theils beil’den Fische- 
reien stiehlt. 


Falco Haliaetos L. 
kennen die Fischerlappen in Enare sehr gut, und mehrere haben 
mir versichert, dass sich jeden Sommer bestimmt ein Paar’in 
der Nähe des Enare Sumpfes finden soll. Ich selbst habe nie- 
mals ein einziges Individuum weder dort, noch weniger in Uts- 
joki Lappm. angetroffen. In Karesuando und Juckasjärwi Lappm. 
brüten sie, jedoch nur sehr sparsam. 


Falco Lagopus Brünn. 
(Auf Finnisch: Riekko haukka, übers.: Schneehuhnhabicht) 

hat seine eigentliche Heimath in den klippigen Gebirgsthälern 
des Nordens worin er in einer schwer zugänglichen Bergeskluft 
baut und brütet. Er lebi von Ratten und Mäusen, und wo der 
Zugang zu diesen mangelt, findet er bald Nahrung in Insecten, 
Fröschen und den Küchlein von Schneehühnern. Während sol- 
chen Sommern, wo die Gebirgs-Lemminge im Norden wandern, 
machen diese kleinen, immer fetten T'hiere, beinahe ohne Aus- 
nahme seine hauptsächlichste Nahrung aus. 


Strix nyctea L. 


kömmt nur während des Winters in Enare Lappm. vor, in Uts- 
joki dagegen und auf allen eigentlichen Hochgebirgeu bis hin- 
auf zum Nordkap, trifft man während jeder Tagesreise ein oder 
mehrere Paar. Sie ist scheu und vorsichtig und lässt den Jäger 
nicht gerne innerhalb Schussweite kommen. Ihre Nahrung be- 
steht vorzüglieh aus Alpen-Schneehühnern und jungen Hasen. 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 281 


In Lemmings - Jahren sind diese kleinen Thiere ihre leckerste 
Nahrung. 

-Anm. Eines Abends kurz nach Sonnenuntergang sah ich eine solche 
Eule 2. Sammtenten (Fuligula ‚fusca) heftig verfolgen. 


Strix funerea Lath. 


Die Habichtseule trifft man überall so weit Kiefern (Pinus 
sylvestris L.) Wald bilden. Ihr Flug und Aussehen um einen 
nackten Gipfel haben die grösste Aehnlichkeit mit denen des 
Finkenhabichts (Falco Nisus L.). Sie ist scheu und aufmerk- 
sam, und: wählt immer einen trocknen Kieferngipfel zur Ruhe- 
stätte so bald sie sich niedersetzt. In diesem Augenblick be- 
* kömmt man fast immer ihre gellende Stimme pyi—pyi—pyi 
zu hören. 

Fortpflanzung. Tief innerhalb in dichten und düstern 
Nadelwäldern, in welchen Unglückshäher [Garrulus infaustus] 
und  Auerhühner wohnen, bereitet sie ihr von Zweigen und 
Flechten zusammengesetztes Nest in einer alten Kiefer oder 
Fichte, und legt darein, im Anfang vom Mai, 4 weisse Eier. 
Die Jungen werden mit Lemmingen und kleinen Vögeln (beson- 
ders Bergfinken) aufgefüttert. 


Strix brachyotus L. 


habe ich nirgends gefunden , weder während der Brütezeit noch 
Zugzeit, und die Lappen haben mir versichert, dass sie niemals 
vorkomme, ausser in Gesellschaft mit dem Lemming. Ge- 
trocknete Exemplare habe ich. an mehreren Stellen an. die Häu- 
ser der Lappen angenagelt gesehen, welche während des Lem- 
mingszuges der Jahre 1839 und 1840 geschossen worden waren. 


Strix Lapponica Sparm. 


In den Jahren 1839 und 40 war die lappländische Eule in 
allen Wäldern Lapplands häufig, aber als der grosse Lemmings- -. 
zug aufhörte, so verschwand auch diese interessante Eule. 
Nichts desto weniger habe ich mehreremale Gelegenheit gehabt, 
theils direct und theils durch Vogelkenner in Lappland, mit ih- 
rer Lebensart Bekanntschaft zu machen. Sie jagt sowohl am 
Tage, als bei Nacht, ist durchaus nicht scheu und lebt aus- 
schliesslich von Lemmingen und Mäusen. Sie kommt oft; gleich 
wie Sirie Aluco L. in dem südlicheren Schweden, des Nachts 
zu den Wohnungen der Menschen hervor. Unser Landsmann, 
A. Durchmann hat bei einer solchen Gelegenheit von dem 
Dache seiner Meierei 2 Stücke an einem Abende erukgdsähapsen 


282  Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Ein Weibchen geschossen bei Maunu den 25. März; 1841. 

Länge 28 Zoll, vom Handgelenk bis zur Schw.- Sp. 213 Z., 
von der Flügel-Sp. bis zur Schw.-Sp. 4 Z., von der Fer bis 
zur Schw. -Sp. 123 Zoll, Breite 9 Z., Dieke 73 Z. Der abge- 
balgte Körper, Länge 8 Z., Breite 43 Z., Dicke 43 Z. Iris gelb. 


Strix liturata Thunb. 

Was den Aufenthaltort und die Lebensart dieser Eule be- 
trifit, so hat sie die grösste Aehnlichkeit mit der vorigen, aber 
sie ist mehr scheu und sieht besser am Tage oder gleich so 
gut, als die Habichtseule. Ich habe sie nirgends: nistend ge- 
troffen. Es ist deshalb zweifelhaft ob und wieweit diese zuletzt 
genannten zwei Eulenarten im nördlichsten Skandinavien brüten. 

Ein Weibchen geschossen den 20ten März 1841 bei: Kare- 
suando. 

Länge 233 Z., vom Handgelenk bis zur Schw.-Sp. 18 Z., 
von der Flügel-Sp. bis zur Schw.-Sp. 34 Z., von der Ferse bis 
zur Schw.-Sp. 12 Z., Br. $SZ., Dicke 62. Der ee Kör- 
per: Länge 7 Z., Breite 4 Z., Dicke 4 Z. ' 


Cuculus eanorus Ei 


Den Kuckuck habe ich überall getroffen so weit die Birke 
wächst, ja bis hinauf nach Nordkyn bekommt man während der 
warmen Jahreszeit seinen Ruf zu hören. 


Picus minor L. 


kömmt zuweilen als Strichvogel nach Enare Lappmark, ist aber 
nirgends nistend weder dort noch in Juckasjärwi. 

Ein Weibchen wurde am 11. Nov. 1841 bei der Kirche in 
Enare geschossen. 5 


Picus trıdactylus L. 


et Standvogel und wird in allen dichten Nadelwäldern bis hinab 
an die Mündung des Passwigelvs getroffen. 


Corvus Corax L. 
(Auf Finnisch: Korpi). 
Der Rabe findet sich überall und unter allen Jahreszeiten; 
z. B. auf: Peldewuoma tunturi*) in Muonioniska Lappmark sah 
ich Raben während des stärksten Unwetters. 


Deu ee >> SESESESSEEEEEESEEEEBEREE 


*) Bedeutet: Hochgebirg.' 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 283 


Corvus Cornix L. 


Die Krähe brütet im Norden überall wo Fichtenwald wächst, 
so z. B. bei Iwalojoki, Padajärwi; an den Buchten des Eismee- 
res hält sie sich in Gesellschaft der Raben und Möven (Lari) 
bei allen Fischereien auf. 


Corvus Pica L. 
(Auf Finnisch: Harakka) 
nistet nicht in Enare Lappmark und der 68. Breitegrad scheint 
ihre Gränze gegen Norden. 


Garrulus infaustus Boie’s Reise d. Norw. 
(Auf Finnisch: Kuukainen) 

kömmt hie und da so weit als die Kiefern Wald bilden Vor, 
B. am Passwigelv .in Enare Lappmark , an den Quellen des Uts- 
jokielvs und bei Maunu in Karesuando Lappmark. Wenn man 
in den düsteren Kiefernwald hinein kömmt, worin alles so stille 
ist, als das Grab, ist er beinahe immer der erste Vogel, wel- 
cher, durch seinen heiseren Schrei und sein Herumhüpfen auf 
den Bäumen, die tiefe Stille unterbricht. Man wende das Auge 
nach der Gegend woher der Laut kömmt und man wird sofort 
die rothbraune Gestalt gewahr, welche, gleich einem Eichhörn- 
chen sich neben einen Baumstamm schmiegt. Endlich auf die 
mit Flechten bewachsene Spitze des Nadelbaums hinaufgekom- 
men schreit er aus vollem Halse, und bald wird man mehrere 
aus ihren Verstecken in Flechten und abgehauenen Nadelholz- 
zweigen hervorgekrochene Kameraden zu sehen bekommen. Sie. 
richten nun alle ihre Aufmerksamkeit auf den Jäger und werden 
endlich so nahe laufen, dass man im Stande sein würde sie mit 
einem. Stocke oder dergleichen zu erschlagen. Sie haben ihre 
ausgewählten Stellen im Walde wo man sie beinahe während; 
allen Jahreszeiten finden kann. Dort bauen sie schon während 
der Wintermonate ihr kunstloses Nest von Flechten und Gras- 
halmen und kommen, am, Schlusse des Mai mit fliggen Jungen 
hervor. Diess Nest, welches ich auf mehreren Stellen ange- - 
troffen, bin ich unglücklich genug gewesen immer leer zu finden. 
Sie sind gleichzeitig raubgierige und starke Fresser und neh 
ren beinahe alles was ihnen vorkömmt. | 

Altes Männchen: Länge 12 Z., Flügelbreite 174 Z., vom 
Handgelenk bis zur Schw.-Sp. 83 Z., von der Ferse bis zur 
Schw.-Sp. 53 Z. Iris dunkelbraun. 


Altes Weibchen: L. 113 Z., Fl.-Br. 16! Z., von dem Hand- 


284  Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Forma. 
} N 


gelenk_bis zur Schw.-Sp. 84 Z., von’ der Ferse bis zur Schw.- 
Sp. 54 2. " 

Junger Vogel, Männchen geschossen den 3. Juni: Länge 
10:5 Z., Flügelbreite 16 Z., vom Handgelenk bis zur Schw.-Sp. 
7; Z., von der Ferse bis zur Schw.-Sp. 43 Z. 

Die Jungen haben vor der Mauserung keinen Glanz, und in 
Folge hiervon weniger reine Farben, als die Alten. Der Schna- 
bel verhält sich ansserdem zu dem der letzteren wie 2:3. 


Cypselus Apus 1. 
(Auf Finnisch: Musta päskynen) 


brütet, obgleich selten, in Enare Lappm., den 11. Juni wurde 
z. B. ein Paar bei Pada -järwi und ferner den 23. Juni ein Paar 
in dem Dorfe Kyre bei Iwalojoki beobachtet. In Juckasjärwi 
Lappm. kömmt die Thurmschwalbe dagegen etwas häufiger, aber 
in Utsjoki Lappm. und in Finmarken gar nicht vor. 


Hirundo rustica L. 

(Auf Finnisch: Haarz päskynen) R 
brütet innerhalb des Bezirks Enare nirgends nördlicher, als in 
Kyre und Iwalojoki und dort sparsam genug. Als: Zugvogel 
zeist sie sich dagegen in weit nördlicheren Gegenden, zieht sich 
aber bei Annäherung der Brütezeit sogleich zurück. 


Hirundo urbiea L. 
(Auf Finnisch: Päskynen) 

ist bei Kyre sehr häufig und baut zu Hunderten auf die Kirchen 
„in Karesuando und Juckasjärwi. 

Anm. In Juckasjärwi fiel ich eines Tages auf die Idee ‚einen Theil 
der vorjährigen Schwalbennester auf derKirche zu untersuchen. 
Einige waren leer und in einer gleichen Menge fand ich halb- 
erwachsene Junge in derselben Ordnung liegend, wie sie wäh- 
rend ihres lebendigen Zustandes gelegen hatten, Man ersieht 
hieraus, dass die Eltern nicht immer ihre Jungen mit sich be- 
kommen, sondern genöthigt werden, wegen der schnellen An- 
kunft des Winters ihr Liebstes dem Hunger und dem Rue 
Klima des Nordens zum Opfer 'z zu überlassen. 


Hirundo riparia. L. | 
brütet in grosser Menge bei Kyre. Kömmt auch am re 
und Tana-Fluss vor. 


Muscicapa Grisola L. 
Die einzigen, welche ich während der ganzen Reise wahr- 
nahm, waren ein brütendes Paar in Kyre den 22. Juni 1811. 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 285 


Lanıus Exeubitor L. 


Ist sehr selten in Enare Lappm. — Bei dem Gute Varan- 
‘ser (Nyborg) habe ich auch einen nistend gefunden. 


Turdus pilarıs L. 


ist sehr allgemein in allen Wäldern, sowohl am Eismeer, als in 
Enare, Utsjoki und. Kola Lappm. 


Turdus ilıacus L. 


wie der Vorhergehende. Er ist des Polarlandes zweiter Sänger 
und während der Paarungszeit singt das Männchen Tag und 
Nacht hindurch. Bisweilen sitzt er da in einem Baumsgipfel, 
aber eben so oft in Nadeln und Flechten versteckt. 


Cinclus aquaticus Bechst. 
(Auf Finnisch: Koski harakka (übers. Wasserfall-Elster) oder mör- 
köinen) 
ist in dem eigentlichen Norden selten. Er wird jedoch gleich 
oft im Winter als während der Brütezeit : an starken Wasserfäl- 
len getroffen. 

Ein Exemplar beobachtete ich den 14. Apnil 1811 an den 
Quellen des Tana-Elvs. Ein Paar traf ich den 18. Juli des 
letztgenannten Jahres bei der Mündung der kleinen Alpenbäche, 
welche gleich hinter der Kirche von Utsjoki in’ den Mendusjärwi 
ausfallen. Er hatte fünf flügge Junge. 

Drei Individuen hatten sich den 2. Dec. des letztgenannten 
Jahres in dem Fischnetze gefangen, welches der Pfarrer Sten- 
' bäck in dem nördlichen Ende des Mendusjärwi, 4 Meile von der 
Kirche von Utsjoki, hatte auslegen lassen. Alle diese sind etwas 
kleiner gewesen, als diejenigen, die ich i im mittleren Schweden 
geschossen. 


Motacılla alba L. 
(Auf Finnisch: Wästä rekki) 

Die Bachstelze trifft man beinahe überall bei den Wohnun- 
gen der Menschen bis hinab zum_Eismeer, z. B. an der Mün- 
dung des Passwig-Elvs, in Vadsöe, und an mehreren andern 
Stellen. 


Motacilla rn L. 
(Auf Finnisch : Kelda firka, übers. Gelber Heller) 
wie. die Vorhergehende. Die graue Bachstelze findet sich nicht 
in der Wildniss, dagegen habe ich diese bis weit hinauf in die 
Alpen auf Mooren und Morästen getroffen. 
19 * 


286 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Anthus rupestris Nilss. 


kömmt sehr häufig an den Küsten des Eismeeres vor, . hin- 
auf zum Nordkap. 


Anthus pratensis Bechst. 


nistet überall, bis hinauf auf die höchsten Alpenmoore, sowohl 
in Finmarken auf Vardöe, Nordkyn u. s. w., als in Lappland. 
Er ist unter den kleinen Vögeln derjenige, welcher den Norden 
am spätesten verlässt. In Utsjoki verschwanden die letzten den 
17. October 1841. 


- — Anthus arboreus Bechst: 
ist nicht selten in Enare Lappm.; in Utsjoki dagegen habe ich 
ihn nicht gefunden. 


Anthus montanus [K.] 

ein Neuling für die Fauna Skandinaviens, ist nur einmal beob- 

achtet, am 16. Juli bei Seus-järwi in Enare Lappm., 4 Meilen 

nördlich von der Kirche. Dort bauete ein einzelnes, Paar dicht - 
bei eines Lappen Hütte. Sie wurden beide geschossen und ein- 

gepackt, weil ich im Begriff stand nach Utsjoki zu, reisen und 

die Mücken, so wie der unaufhörliche Regen mich verdriesslich 

und beinahe halb krank machten. Seine Stimme war ein klares 

aber ängstliches plyi — plyi. 


Saxicola Oenanthe Mey. 
(Auf Finnisch: Kivi rastas) 


trifft man überall sogar auf den höchsten Gebirgen, so z. B. auf, 

Rastigajsa in Finmarken. | 

Anm. In Enare Lappm. habe ich einmal ihr Nest in einer hohlen 
Kiefer gefunden. 


Sylvia suecica Lath. 

Der erste Sänger innerhalb des Polarcirkels, gemein an al- 
len waldbewachsenen Fluss- und Bachufern bis hinab zum Eis- 
meer. Am Schluss des Augustmonats, wo die Zugzeit naht, 
kommen sie hervor zu den Wohnungen der Menschen um Flie- 
gen und andere Insecten zu suchen. 

ihr Nest habe ich am Ende Juni’s in dichtem ee 
flecht gefunden. Der Gesang ist abwechselnd und an mehreren 
Stellen melodisch wohlklingend, z. B. der schöne Glockenlaut, 
den sie bisweilen bei schönem Wetter während der Paarungszeit: 
hören lässt, kling — kling — kling— kling..... aber 
darauf folgt gewöhnlich ein minder behagliches tjää — tjää— 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 287 


tjää —tjää —,... während welchem sie den Schwanz aus- 
breitet und niederschlägt und sich bald auf die eine bald auf die 
andere Seite wendet. Das Weibchen ist stille und lässt sich 
nicht gerne sehen. 


Sylvia Phoenicurus Lath. 


Der Rothschwanz ist sehr gemein in Enare Lappmark und 
kömmt in Utsjoki Lappm. bis unter den 70° vor. 


Sylvia Trochilus Lath. 


wird überall häufig getroffen so weit die Birke wächst, sogar 
am Eismeer, an der Mündung des Tanaelvs und auf mehreren 
andern Stellen. 


Accentor modularıs Koch. 


Ein. Männchen wurde bei der Kirche in Utsjoki Lappm. 
den 10. Oct. 1841 geschossen; aber nirgends habe ich ihn nistend 
getroffen, weder dort noch in den übrigen von mir besuchten 
Gegenden. 

Parus major L. 

Ein Männchen wurde bei Paxoma (69° in Enare Lappm.) 

am 6. Novbr. 1841 geschossen. Im Uebrigen gleich mit dem 


 Vorhergehenden. 


Parus sibirieus Gmel. 
(Auf Fimisch: Warpiainen übers.: Zweigsitzer) *) 


Die sibirische Meise ist während des Sommers gemein so 
weit Kiefernwald wächst (sogar an der Mündung des Passwig- 
elvs habe ich sie nistend gefunden). In der höheren Birkenre- 
gion kömmt sie dagegen nur während der kalten Jahreszeit vor 
und am meisten in Gesellschaft mit der Sumpfmeise (P. palustris 
L.), mit welcher sie in der Lebensart, Gemüthsart und dem 
Lockton die nächste Aehnlichkeit hat. Sie ist sehr neugierig 
und gar nicht scheu, und mehreremale habe ich sie höchst ge- 
neigt gefunden zu scherzen. Einmal hatte ich über eine halbe 
Stunde unter einer grossen Fichte gelauert, in deren Nadeln 
- eine solche herum kletterte, und ich war nicht im Stande sie 
zu sehen zu bekommen. Endlich kam sie auf den Gipfel des 


*) In OQwickjock Lappm. wird er 'Talvi tiainen (übers. Winter- 
finke ), Pierko tsitsas ( Tannenfinke) oder Puöite tsitsas, welches 
Fettfinke bedeutet, genannt. 


288 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Baumes hinauf, und ich, welcher ganz stille ‚mit der Flinte unter 
dem Arme stand, erstaunte nicht wenig; als sie, wie ein Pfeil'nie- 
derstürzte und auf dem Gewehr, ganz nahe der'Mündung ‚ Platz 
nahm. Hier blieb sie eine lange Zeit ganz unbeweglich'sitzen und 
erst nachdem ich sie mit der Hand fortgejagt, bekam ich Ge- 
legenheit sie zu schiessen. Ein ander Mal war ich auf der . 
Schneehühnerjagd aus und hatte also‘ groben Hagel in beiden 
Läufen. Plötzlich fand sich eine sibirische Meise ein und wäh- 
rend ich mit dem Umtausch des Hagels beschäftigt war, kam 
sie mir so nahe, dass ich ohne Schwierigkeit sie mit dem Lad- 
stock niederschlug und meinen Schuss sparte. | 

Ihr Nest habe ich ausschliesslich in einer hohlen Kiefer ge- 
- funden. Das Unterlager besteht aus Moos, welches ohne Ord- 
nung in den Baum hineingestopft wird. Oben auf diesem findet 
sich eine gute Portion Gebirgslemmingshaare, ja bisweilen ganze 
Stücken Fell von demselben Thier. Die Eier, an Zahl 7—9, 
sind in der Form gleich mit denen des Baumläufers, weiss mit 
lichtrothen Punkten und Flecken. 

Altes Männchen. Länge 5} Z., Flügelbreite 82 Zi vom 
Handgelenk bis zur Schw.-Sp. 4; Z., von der Ferse zur Schw.- 
Sp. 27 Z. Iris dunkelbraun. 

Altes Weibchen. L. 53 Z., Fl.-Br. 8 Z., vom Hialesllaf 
bis zur Schw. - Sp. 4 Z, von Her Ferse bis zur Schw.-Sp. 24 Z. 
Im Uebrigen dem Meuschen ganz gleich. 


Parus palustris L. 
‚ (Auf Fimnisch: Mocka tiainen) 


habe ich nur als Strichvogel während der Winterzeit getroffen, 
aber dann bis hinab zum Eismeer so weit Birkenwald wächst. 
Er ist dann zahlreich, aber sobald der Schnee anfängt wegzu- 
schmelzen, ziehen sie sich nach südlicheren Gegenden zurück. 


Alauda arvensis L. 


Die Feldlerche brütet nirgends weder in Enare ah Utsjoki 
Lappın. In Karesuando und Juckasjärwi ist sie dagegen sehr 
semein auf den Aeckern der Ansiedler. Als etwas Bemerkens- 
werthes muss ich ein Exemplar (ein Märnchen) anführen, wel- 
ches den 15. Oct. 1841 bei der Kirche in Utsjoki geschossen 
wurde. Sie war wahrscheinlich von dem damaligen milden Wet- 
ter mit Südwind getäuscht worden. Als Zugvogel habe ich sie 
am Lyngenfjord in Norwegen schon den 2. April 1842 bemerkt, 
aber zu Juckasjärwi kömmt sie erst um den 1. Mai an. 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 28) 


Anm. Dises ist im Allgemeinen mit allen Singvögeln der Fall, dass 
sie ganze drei: Wochen früher zu Tromsöe, als in Juckasjärwi 
Lappm.ankomnıen, ‚obgleich die letztgenannte Gegend bedeutend 

„südlicher liegt, als die erstere. Es ist dennoeh in der Ordnung, 
weil das Klima im Binnenlande bedeutend härter ist, als an 
der Secküste. 


Alauda alpestris L. 
(In Ostfinmarken nennt man sie Sandlerche) 

Die Sandlerche brütet nur an der Meeresküste und man 
trifft sie nır während der Zugzeit in den inneren Landschaften. 
Als Zugvogel langt sie in Juckasjärwi Lappm. im Anfang vom 
Mai an, und setzt, nach einem Verzug von nur wenigen Tagen, 
ihren Zug nach dem höheren. Norden fort, 

Anm. Ich habe sie niemals weder in Enare noch in Utsjoki Lappm. 
getroffen. 

Ueber Sommer hält sie sich Ar und brütet auf sumpfigen. 
Alpenbrüchen in Ostfinmarken und baut ihr Nest, gleichwie die 
Feldlerche, an die Seite eines kleinen Erdhügels oder derglei- 
chen. Dieser ihrer Verwandten gleicht sie bedeutend in ihrer 
Lebensart, und wenn sie singt erhebt sie sich, gleich dieser, 
unter abwechselnden Trillern. Während des Frühlings und 
Herbstes ist sie still und verbirgt Sich gerne an der Seite eines 
Steines oder in einer Höhle in der Erde und lässt bloss, wenn 
sie von einem Verfolger aufgeschreckt wird, während ihres Flu- 
ges von einer Stelle zur andern, ein kurzes Trrril oder Tillirl 
im Herbst, und tjui terrr im Frühling hören. Sie liegt fest und 
ich bin ihr mehreremale auf nur einige Ellen Entfernung nahe 
gekommen. Sie lebt von Insecten und Sämereien. Auf den 
Hochgebirgsbrüchen zwischen Märtenäs und Vadsöe ist sie nicht 
selten. Auf Vardöe sah ich während einer Excursion 1 Exempl. 
und in Juckasjärwi bin ich glücklich g genug gewesen zwei ge- 
schossen zu erhalten. Das eine ein Weibchen den 7. Mai das 
andere ein dergleichen den 13. Dechr. 1842. 

Altes Weibchen geschossen den 7. Mai 1842. Beschreibung. 
Länge 6; Z., vom Handgelenk zur Schw.-Sp. 5 Z., der Schwanz 
ausserhalb der Flügelspitzen 1? Z. Iris braun. Die Grundfarbe 
des Schnabels bleischwarz; die Spitze dunkler; der Oberschna- 
bel etwas lichter; der Unterschnabel bis 2 von der Wurzel blau- 
weiss. Vom Fersenglied bis zur Schwanzspitze 23 Z. Die erste 
und dritte Schwungfeder gleich lang, die zweite die längste. 
Schwanzfedern 12, von welchen die zwei mittelsten rostbraun 
sind mit weissen Kanten und schwarzen längs den Spulen, wel- 
ches gegen die Spitze immer mehr zunimmt. Die übrigen haben 


20 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen. Fauna: 


alle eine lichte Kante an der äusseren Fahne, welche immer 
deutlicher und deutlicher wird und endlich ist die erste Schwung- 
feder ganz weissgrau an der Spitze. Am ''Schlusse des’ Augusts 
ziehen sie nach südlichern Gegenden und ich möchte beinahe 
annehmen, dass sie dann der Küste des Eismeeres folgen bis 
hinab nach Archangel und so weiter gegen Süden, weil ich 
während dieser Zeit nicht ein einziges Individuum in dem Inne- 
ren des Landes getroffen. 


Emberiza citrinella L. 
(Auf Finnisch: Kelda tiainen.) 
In Enare Lappm. ist der Goldammer selten und man triflt 
ihn nur- nistend bei Iwalojoki. Aber in Juckasjärwi ist er schon 
etwas häufiger. Er brütet also nicht innerhalb der Kieferregion 


Emberiza Sehoeniclus L. 


ist häufig bis hinab zum Eismeer so weit die Stränder der Al- 
penbäche mit Birken- und Weidengebüsch gesäumt sind. 


Emberiza nivalıs L. 

(Auf Finnisch: Pulmukainen) 
findet sich während der Brütezeit oben oberhalb alles Waldes 
unter den ewigen Gletschern, Schneetriften und Steingerölle, bis 
hinauf zum Nordkap. Vom Schlusse des Märzes bis Mitte April 
sieht man sie in grossen Schaaren um die Wohnungen der An- 
siedler, aber sie verweilen nicht lange dort; denn sobald der 
Schnee anfängt wegzuschmelzen, und eine oder die andere Stelle 
blos wird, verschwinden sie und ziehen sich weiter hinauf auf 
die Gebirge. 


Empberiza lapponica Nilss. Orn. Sv. 


Der lappländische Ammer brütet überall auf den höheren 
Alpenmooren, sowohl in Utsjoki Lappm., als in Finmarken. In 
Juckasjärwi und Karesuando Lappm. ist er dagegen weniger ge- 
mein. Gegen Schluss Septembers oder im Anfang vom Octbr. 
begiebt er sich gegen südlichere Gegenden. 

Anm. Am Varangerfjord habe ich ihn nur wenige Ellen vom Strande 
brütend gefunden. | 

Altes Männchen: Länge 6} Z., v. d. Fl.-Sp. zur Schw.-Sp. 
1::Z. Das Weibchen: L. 6% Z. Iris: braun. 


Fringilla domestica L. | 
habe ich nirgends innerhalb der Kiefernregion getrofien. In den 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 291 


Dörfern von Kittila und Juckasjärwi hält sie sich dagegen Som- 
mer und Winter auf. 


Fringilla montana L; 


gleich mit Emberiza citrinella L. 


Fringilla coelebs L. 
wie die Vorhergehende. 


Fringilla Montifringilla L. 


kömmt in allen Wäldern bis hınab zum Eismeer vor. 


Fringilla Linaria L. 

gleich mit der Vorhergehenden. 

Anm. Da ich während zweier Sommer Gelegenheit gehabt habe die 
genauesten Beobachtungen über diese Species anzustellen, und 
nachderı ich Männchen mit gezähnteın Schnabel brütend mit 
Weibchen mit zahnlosem Schnabel und umgekehrt , und gross- 
schnäblige Männchen mit kleinschnäbligen Weibchen und umge- 
kehrt, angetroffen und gefunden, dass des Vogels Schnabel nieht 
vor dem 3. oder 4. Jahr vollkommen ausgebildet ist, so will 
ich bemerken, dass wir von Linaria nicht mehr als eine Spe- 

‘“ cies in Skandinavien besitzen. 


Der gelbe Scheitel ist eben so häufig im Norden, als der rothe. 


Corytlus Enueleator Cuv. 


findet sich hie und da in den Nadelwäldern von Juckasjärwi und 
Enare, obgleich sehr selten. | 


Tetrao Urogallus L. 
ist sehr häufig in Enare Lappm. bis hinauf zu dem nördlichen 
Ende: des Enare Sumpfs, ın Juckasjärwi ebenso; aber in Kare- 
suando ist er selten und in Utsjoki Lappm. kömmt: er gar nicht 
vor. Mit einem Wort: ich habe ihn gefunden, Winter und Som- 
mer, so hoch hinauf als die Kiefern Wald bilden. 


Tetrao Tetrix L. 


brütet nicht innerhalb der Kieferregion und nicht einmal 'wo Kie- 
fern und: Fichten sieh mit einander mischen. ' Am nördlichsten 
habe.ich ihn angetroffen bei Kittila. 


Lagopus subalpina Nilss. 
kömmt überall vor so weit die Weide wächst. 


292  Ornithologischer. Beitrag zur: skandinavischen Fauna. 


Lagopus alpina ‚Nilss. 
nur in den eigentlichen Alpengegenden. 


Charadrıus Hiaticula L. 


brütet sowohl am Eismeer als an den sandigen Seesträtkierm von 
Enare und Utsjoki Lappm. 


Charadrius Morinellus L. 
ist überall selten, obgleich ich ihn auf allen Alpen, die ich be- 
sucht, bis hinauf nach Nordkyn, gesehen habe. Während sei- 
nes Zuges, sowohl im Frühling, als Herbst, folgt er ganz sicher 
den eigentlichen Alpenrücken; denn ich habe ihn nur einmal 
während der erstgenannten Jahreszeit in den tieferen Gegenden 
gesehen. | 


Charad ii ap rıcarius L. 


ist dagegen sehr häufig so wohl in den. höheren, als tieferen 
R gionen bis hinab zum Eismeer. 


Charadrius helveticus C. Bonap. 
kömmt nur am Strande des Eismeeres und da äusserst selten 
vor. Den 30. August 1841 wurden zwei Exemplare bei Vejnäs 
(zwischen Nordkyn und Vardöehuus) gesehen. 


Strepsilas collarıs Temm. 


kömmt selten *) in die nördlichsten Gegenden unsrer Halbinsel und _ 
brütet, meines Wissens, niemals in Ostfinmarken. : ı: 

Altes Männchen. L. 10 Z., Fl.-Br. 20 Z.,.v. Handgelenk z. 
Schw.-Sp. 67; Z., von der Ferse zur Schw.-Sp. 3 Z. Iris dun- 
kelbraun. | 


Numenius plıoeopus Lath. 


kömmt häufig auf allen Alpenmooren ‘vor so weit die un 
wächst, bis innerhalb des 70. Br. Grades. 0 


Tringa marıtıma Brünn. 


Während der Brütezeit soll man den Meerbusen - Strandläu- 
fer auf den höheren Gebirgsebenen in Ostfinmarken suchen, und 
er ist dort häufig; aber gegen den Herbst und während des gan- 
zen Winters hält er sich in grossen Schaaren unten an der 
Meeresküste auf. Aber zuweilen bekömmt man auch dann’ ein 


*) Ich habe sie nur einmal und da während der Zugzeit gesehen. 
Juckasjärwi d« 4. Juli 1842. 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 293 


und das andere Exemplar innen im Lande zu sehen, so z. B. 
schoss ich ein Männchen im Dorfe Utsjoki den 9. Octbr. 1841. 


Tringa alpına L. 


brütet auf den höheren Alpenmooren, jedoch überall sparsam. 
Eben so habe ich sie an der Meeresküste getroffen, z. B. bei 
Vadsöe in Ostfinmarken im August 1841. 


Tringa Temminckii Leisl. 
findet sich auf den meisten Alpenmooren und Brüchen, obgleich 
sehr sparsam. 


Altes Männchen: L. 63 Z., Fl.-Br. 123 Z., vom Handgelenk 
bis zur Schw.-Sp. 4: Z., von der Ferse bis zur Schw.-Sp. 2 Z. 
Iris dunkelbraun. 


Tringa Islandica L. 


habe ich niemals in den nordöstlichen Theilen unserer Halbinsel 
gesehen. Auf den nördlichsten Mooren des Kölens habe ich sie 
dagegen nistend gefunden. 


Machetes pugnax Cuv. 


ist sehr häufig auf niedrigen Alpenmooren so weit Kieferwald 
wächst. | 


Totanus hypoleucos Nilss. 
ist sehr gemein bis hinab zum Eismeer. 


Totanus fuscus Bechst. 


findet sich häufig auf Mooren in Kieferwäldern, so weit diese 
Baumart zu einiger Bedeutendheit erwächst. Am häufigsten habe 
ich ihn in Enare Lappm. gefunden. 


Totanus Glareola Bechst. 


ist sehr häufig so weit Kieferwald wächst bis hinauf zum 70° an 
der Mündung des Passvigelvs 


Totanus Glottis Bechst. 
(Auf Finnisch : Kliwi) 
gleich wie der Vorige. Sein Nest baut er an die Seite eines 
kleinen Erdhügels oder unter eine Birke oder einen Weidenbusch, 
und legt darein 4 schmutzig wachsgelbe, birnförmige, mit schwar- 
zen und dunkelbraunen Flecken überstreute Eier. 
20 


294  ÖOrnithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Limosa rufa Briss. 


Die rostrothe Limose kömmt sehr allgemein in Enare Lappm. 
vor und brütet dort zusammen mit Tot. Glottis; aber ich bin 
nicht so glücklich gewesen ihr Nest zu finden. In den übrigen 
Theilen von Skandinavien habe ich sie nieht nistend gefunden. 


Scolopax Gallinago L. 


Einzelne Bekkasinen habe ich hie und da getroffen bis zum 
68°, jedoch überall selten. Ä 


_ Phalaropus hyperboreus Lath. 
(Auf Finnisch: Wesitiainen übers. Wasserfink.) 


Den Wasserfink trifft man in allen nördlichsten Gegenden 
Skandinaviens, sowohl in den inneren Landschaften und auf Al- 
pen, als an der Meeresküste, wiewohl überall sehr selten. 

Altes Männchen geschossen in Enare den 9. Juni 1841. 
L. 72 Z., Schwanz ausserhalb der Flügel 4 Z. Die zusammen- 
gelegten Füsse und der Tarsus auf der äusseren Seite schwarz- 
grau, auf der inneren gelbgrau. Iris dunkelbraun. Er ist nicht 
scheu und schwimmt leicht beinahe ganz und gar oben auf dem 
Wasser. 


Sterna Hirundo Gmel. 


habe ich besonders in den westlichen Lappmarken (Karesuando 
und Juckasjärwi) getroffen. 


Sterna arcetiea Temm. 
ist dagegen in den nördlichsten Gegenden unserer Halbinsel hei- 
misch. (Enare und Utsjoki Lappm. bis hinauf zum 70°.) 
Larus eburneus Gmel. 
brütet nirgends in Ostfinmarken, sondern wird daselbst nur 
während der kältesten Jahreszeit, als Strichvogel von Spitzber- 
gen, getroffen. ; 
Larus tridactylus L 
ist sehr häufig an den Küsten des Eismeeres, Sommer und 
Winter. 
Larus canus L. 
ist dagegen sehr selten. 


Larus argentatus Brünn. 
kömmt an der Seeküste sehr häufig mit seinen Gattungsverwand- 


Ornithologischer Beitrag = zur ira Fauna. 29 


ten vor und bisweilen wird man ihn auch, als seh im 
Binnenlande sehen. 


Larus glaucus Brünn. 


wie der Vorige, jedoch habe ich ihn niemals im Binnenlande 
gesehen. Er brütet auf Rehnöe in Ostfinmarken in Gesellschaft 
mit Tausenden anderer Seevögel. Nachdem die Jungen flügge 
sind bekömmt man sehr oft unzählige Schaaren von dieser Mö- 
venart zu sehen. 

Lestris pomarina Temm. 


kömmt häufig an den Küsten des Eismeeres vor. 


Lestris parasitica Nilss. 


gleich wie die Vorige. Nachdem die Jungen erwachsen sind 
bekömmt man zuweilen sowohl diese, als die Vorige in dem 
Inneren des Landes z. B bei Utsjoki zu sehen. 


Procellaria glacialis L 
könmt während des Winters häufigst ausserhalb der Küsten des 
Eismeeres vor. Niemals im Sommer. 
Cygnus musicus Bechst. 
(Auf Finnisch: Juokkainen) 
findet sich in allen den von mir besuchten Lappmarken hie und 
da auf wilden abgelegenen Mooren. 
Anser segetum Mey. 
(Auf Finnisch : Hanhi) 
ist nicht selten, weder in Enare noch Utsjoki Lappm., wo er 
auf abgelegenen Alpenmooren brütet. 
Anser albifrons Bechst. 


ist häufiger, als der Vorige. Er brütet ebenso auf abgelegenen 
Mooren und Alpengewässern. Die Blässengans kommt auch i in 
Karesuando und Juckasjärwi Lappm. vor. 


Anser leucopsis Bechst. 

Die Gebirgs- [Alpen-] Gans brütet in Enare Lappm., aber 
sehr selten. Auf Kamasjoki sah ich ein Paar den 16. Jun. 1841. 
Sonst habe ich sie während der Brütezeit nicht gesehen. 

Anas Boschas L. 
kömmt hie und da in Karesuando und Juckasjärwi Lappm. vor, 


296 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


indessen sehr selten. In Enare Lappm. habe ich nur ein einzi- 
ges Paar den 15. Juni 1841 bemerkt. 


Anas acuta L. 
ist gemein auf allen Flüssen und Seen, bis hinauf zur Mündung 
des Passwigelvs. 
Anas Penelope L. 


wie die Vorhergehende, jedoch viel zahlreicher. 


Anas Orecca L. 
ist ganz gemein in den Lappmarken bis zu dem 69°. 


Fuligula eristata Bonap- 


wie die Vorhergehende, jedoch am zahlreichsten in Enare Lappm. 


F uligula Marıla Bonap. 
wie Anas Crecca. 


Fuligula fusca Bonap. 
(Auf Finnisch: Merilainen) 


wie Anas Penelope. Ferner ist sie diejenige unter den Enten, 
welche am längsten im Norden bleibt, und es ist das Eis und 
nicht die Kälte, welche sie südwärts drängt. 


Fuligula perspicillata Bonap. 
brütet in Enare Lappm., aber sehr selten. 
Fuligula nigra Bonap. 
(Auf Finnisch: Walkia fiipi, Weissflügel) 
kömmt sehr häufig vor, bis hinab zum Eismeer. 


Fuligula Clangula Bonap. 


ist in Enare Lappm. gemein, auch trifft man sie hie und da bis 
zum 70° in Finmarken. 


Fuliguia Stelleri Nilss. 


habe ich niemals im Binnenlande getroffen. An der Küste ist 
sie dagegen ganz gemein, sowohl zur Sommer- als Winterzeit. 


Fuligula glacialis Bonap. 


(Auf Finnisch: Alli) 


Ist die gemeinste Ente auf den eigentlichen Gebirgssüm- 
pfen, und man findet sie auch bisweilen nistend in Enäre 


Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 297 


Lappmark. Auf den Buchten in Ostfinmarken habe ich sie im 
Herbste getrofien. 

Fuligula mollissima Bonap. 
‚ist sehr gemein auf den Buchten in Finmarken, wo man sie un- 
ter allen Jahreszeiten trifft 

Fuligula speetabilis Bonap. 


wie die Vorhergehende, doch weniger häufig. 


Mergus Merganser L. 
(Auf Finnisch: Lehmäkoskelo) 
ist ganz gemein so weit Kieferwald wächst (70° am Passwigselv). 


Mergus Serrator L. 
(Auf Finnisch: Koskelo) 
wie der Vorhergehende. 


Mergus albellus L. 
soll bisweilen in Karesuando Lappm. brüten, aber ich habe ihn 
nirgends selbst, während irgend einer Jahreszeit, gefunden. 
Sula Bassana Biriss, 


kömmt an den Küsten des Eismeeres vor, jedoch nur während 
der kalten Jahreszeit. 


Phalacrocorax Carbo Briss. 


kömmt zahlreich an der Küste vor, wo er auf den Vogelbergen 
und an steilen Gebirgsstränden in Menge brütet. 


Podiceps arcticus Boie. 
trifft man hie und da bis zum Eismeer, jedoch überall sehr 
selten. 

Colymbus glacialis L. 


ist gemein an der Küste, aber innerhalb des Landes habe ich 
ihn nie gesehen. 


Colymbus aretieus L. 


trifft man überall im Binnenlande. An der Küste dagegen hahe 
ich ihn nie gesehen. 


 Colymbus septentrionalis L. 
brütet sowohl im Binnenlande, als an der Küste. 


298 Ornithologischer Beitrag zur skandinavischen Fauna. 


Uria Troile Temm. 
kömmt sehr häufig auf den Buchten in Finmarken vor. 


Uria Brünnichit Sabin. 
wie die Vorhergehende. 


Uria Grylle Lath. 


ebenso, jedoch weniger gemein. 


Mergulus Alle Ray. 


kömmt nur während des Winters an der Küste des Eismeers, 
aber dann in unzähliger Menge, vor. 


Mormon arecticus llig. 
brütet auf den Vogelbergen in Ostfinmarken, jedoch nirgends 
häufig. 
Alca Torda L. 


wie der Vorhergehende, aber häufiger. 


X. 
Kürzere Mittheilungen. 


Boheman’s Bericht 


über seine Reise in Lappland im Jahre 1843*). 


(Aus dem Schwedischen übersetzt von dem Universitäts - Gärtner 


Dotzauer.) 


Die Reise wurde am 24. Mai von Stockholm aus mit dem 
Dampfboot nach Umeä angetreten und von da zu Land nach Luleä. 
Während derselben wurden in der Nähe von Söderhamn einige 
Schnecken, als Helix fruticum und Vitrina pellucida, so wie 
ein und der andere Schmetterling von den Boten des Frühlings, 
als Vanessa Antiopa, Urticae und Zephyrus Rubi, die noch 
sparsam aufgeschlossenen Blumen umschwärmend, bemerkt. In 
der Umgegend von Säfvar wanderten auf den Brüchen Totanus 
Glareola und ochropus, so wie die Heer- Schnepfe (Scolopax 
Gallinago) die ihres blöckenden Geschrei’s halber hier vom Volk 
Myrbägger (Sumpfschaaf) genannt wird. Die Zwergbirke, so 
wie Salix Lapponum blühten und Caltha war fast aufgeschlos- 
sen. Auf den Palmweidenbüschen ( Salix caprea) zeigten sich 
einige Zweiflügler- Arten, nämlich /teaphila Macquardi, Empis 
borealis, Scaeva lasiophthalma und mehrere Hummeln, als 
Bombus terresiris, hortorum und hypnorum. Bei Skellefteä 
wurde der Mornellregenpfeifer (Charadrius Morinellus) geschos- 
sen, der auf seinem Zuge nach Norden begriffen war. Der Un- 
glücks-Häher (Garrulus infaustus) und der dreizehige Specht 


*) Aus Öfversigt af Kongl. Vetenskaps- Akademiens Förhandlingar. 
& 8 p 
Nr. 5. (8. dies. Archiv Th. I. H. 1. S. 182. D, Red.) 


300 


(Picus tridactylus) waren in den Wäldern allgemein. Die Ve- 
getation zeigte sich in dem Skelleftei Thal weiter vorgeschritten, 
als auf dem Wege dahin. Auf sandigen Stellen wurde Antho- 
myza unilineala gefangen. An den Ufern eines kleinen Seees 
Cordylura Kunzei; Anthomyza myopina nebst Hydrophorus 
litoreus var. $ Zett., der wahrscheinlich eine eigene Art aus- 
macht. In derselben Gegend zeigten sich unter nordischen Co- 
leopteren: Colymbetes arcticus; Elater rivularis; Tachinus elon- 
gatus und Omalium luridum. Bei Abyn wurde zuerst Pterosti- 
chus borealis und Aphodius piceus bemerkt. Bei Kinbäck flog 
auf trocknen Hügeln der schöne Polyommatus Helle in mehrern 
Veränderungen, so wie Lita Virgella. Auf Palmweidenblüthen 
war Bombus Schrimshiranus allgemein. Bei Lulei, wo die An- 
kunft am 3. Juni erfolgte, wurden folgende seltneren Insekten an 
den Flussufern gesammelt: Pterostichus borealis; Bembidium 
Grapü; Aleochara humeralis; Tachinus elongatus, so wie auf 
Weidenblüthen Ceroctenes Masculella; Bombus arcticus; Vespa 
norvegica;s Brachyopa dorsata; Anthomyza denticauda u. m. 
Von hier wurde während der Reise nach Quickjock der Luleä- 
Elf verfolgt, auf dem sich Schaaren von Mergus- Arten, Anas 
Crecca, Fuligula und Penelope mit mehrern Seevögeln zeisten. 
Die schroffen sandigen Ufer wurden von Hirundo riparia, die 
sich bereits zahlreich eingefunden hatte, bewohnt. Bei Räbäcken 
schien die Vegetation weiter vorgeschritten, als in der Nähe 
des Meeres, und entwickelte sich während meines siebentägigen 
Aufenthaltes mit in Erstaunen setzender Hast. Die Birke trieb 
ihre Blätter, der Boden grünte und Caltha, Trientalis, Rubus 
arcticus, Ribes rubrum, hier allgemein, O.alis u. m. blühten. 
Salix Lapponum war bereits verblüht und die Traubenkirsche 
(Prunus Padus L.) stand in Knospen. Die Wärme war biswei- 
len sehr stark. Regen kam plötzlich auf und fiel mit starken 
Tropfen. Das emporschossende Getraide wuchs so, dass man 
mit jedem Tag die Zunahme bemerken konnte. Das Merkwür- 
digste, was in entomologischer Hinsicht hier gefunden und bis- 
her bestimmt werden konnte, war Folgendes: Cicindela silva- 
tica; Amara torrida, Quenselü; Lebia Crux minor; Elater 
affinis, costalis, melancholicus; Aphodius depressus; Platyce- 
rus caraboides ; Catheretes bipustulatus ; Boletophagus erena- 
tus; Hylesinus glabratus; Lina lapponica; Orsodachna Betu- 
lae; Coccinella bottnica, trifasciata; Cydnus biguttatus ; Seio- 
coris umbrinus; Chermes picta; Argynnis Freija; Polyommatus 
Helle; Endromis versicolora; Anarta cordigera; Fidonia am- 
nicularia; Caradrina palustris; Hercyna holosericalis; Enny- 


301 


chia Smaculalis; Perla bicaudata; Cimbex aenea; Bombus 
arclicus; Rhamphomyza dentipes; Brachyopa viltata, dorsata, 
einerea Wahlb. nov. spec.; Helophilus bottnicus Wahlh.; 
Scaeva nitidicollis?, podagrata, decora, macularis, arctica, 
larsala, Gmaculata, lapponica, nitidula, Lineola, ambigua; 
Pipiza anthracina und rufimana, die wahrscheinlich die ver- 
schiedenen Geschlechter einer Art sind; Psilota nigra 49; Ay- 
lota femorata, nigripes; Hydrophorus nebulosus; Opomyza 
gultipennis (gemein); Anthomyza scatophagina; Cordylura pro- 
boscidea, ustulata, caudata, rufimana; Psiloconopa Meigenii 
nebst einer Art eines früher unbekannten Geschlechtes, Sela- 
chops flavocineta W ahlb. der Familie Agromyzides angehörend. 
Von Vögeln wurden bemerkt: Sylvia abielina; Sterna caspia. 
Corvus Pica wird hier seltener und scheint gegen den Polarkreis 
hin aufzuhören. 

Bei Bredäiker, woselbst ich am 1. Juni anlangte, begann 
die Traubenkirsche zu blühen und Alnus incana sich zu belau- 
ben. Unter den Gewächsen wurden bemerkt: Salix hastata: 
Botrychium rutaceum ; Peltidea urctica, und von seltenern, vor- 
her nieht getroffenen Insekten: Leiochiton arcticus;  Elater 
Quercus; Aphodius lapponum; Elophorus tuberculatus; Eri- 
rhinus salicinus; Thamnophilus phlegmaticus; Bostrychus ge- 
minatus , Gonioctena affinis; Haltica femorata ; Coccinella hy- 
perborea; Cimbex femorata; Scaeva topiaria und eine neue 
Art mit ausgebreiteten Hintermetatarsen, zwei neue Arten Me- 
deterus, Musca sordida, groenlandica; Cordylura Friesü u. nm. 
Alauda arvensis und Muscicapa atricapilla schienen hier aufzu- 
hören. Bei Harads, wo die Ruderer wechselten, wurden am 
Ufer .Notiphila guttipennis nov. spec., Ihamphomyza nitida 
nebst Lita caesiella gefangen. Bei Storsand wurden gesammelt: 
Buprestis acuminata; ÜClerus femoralis; Hylecoetus dermestoi- 
des; Elater serraticornis; Erirhinus bituberculatus; Dendro- 
phagus crenatus; Upis ceramboides; Satyrus Embla (in Nadel- 
hölzern) Psyche nitidella (in der Paarung), wovon das Weibchen 
fast der Larve gleicht, auch während der Paarung in dem Cocon 
bleibt; von Pachyneura fasciata, von welcher das Männchen bis 
dahin unbekannt und das Weibchen vorher nur einmal gefunden 
worden war, flogen beide Geschlechter um trockne Nadelholz- 
stämme; Aylota nigripes; Scaeva rostrata?; und auf den Blü- 
then der Salix glauca: Helophilus bottnieus Wahlb. n. sp.; 
Brachyopa ferruginea, dorsata, testacea, die vorher bei R4- 
bäcken gefundene 3. cinerea; Scaeva arclica; Tachypeza Win- 
themi; Ikhamphomyza. Aethiops, fuliginella u.m. Während eines 

20 * 


302 


kurzen Aufenthaltes bei Porsi wurde Zarpalus torridus; Lita 
caesiella und von der seltenen Tluchina ocypterina ein Exem- 
plar getroffen. Bei Nelkerim wurde unter Steinen das Gehäuse 
einer Osmia, das aus mehrern zusammengeleimten Cocons be- 
stand, gefunden; Cymindis basalis; Elater costalis; Necropho- 
rus morluorum: Cidaria hastata; Ayela pusilla; Hilara pili- 
pes. In der Gegend von Jockmock kamen Salix myrtilloides ; 
Saxifraga Hirculus; Schoenus fuscus; Norna borealis; Lyco- 
podium alpinum vor. In der Nähe des Pfarrhofes wuchs eine 
besondere Varietät der Pinus silvestris, mit kurzen in Kränzen 
sitzenden Nadeln. Die Ausbeute an Insekten war nicht von Be- 
deutung, doch verdienen angeführt zu werden: Elater linearis; 
Olistophus megacephalus, substriatus; Haltica Erichsoni; Do- 
lichopus Stenhammari, maculipennis; Pachygaster minutissimus 
vel nov. spec. In der Nähe des Polarkreises schienen Sazicol« 
Rubetra und Sylvia Rubecula aufzuhören. Parus sibiricus war 
hier in Nadelwäldern gemein. Beim Bootplatz von Purkijaur 
wurde zuerst Anarta melaleuca gefangen und bei Randijaur 
Nebria Gyllenhalii; Pelophila borealis; Tetratoma Ancora; 
Chrysomela Armoraciae; Nemalus Deutschü; Hilara niti- 
dula; Cordylura Kunzei und flaveola. Am südöstlichen Ende 
des Skalka-See’s kamen von Pflanzen Salix lanata und Tussi- 
lago friyida und von Insekten Elater fasciatus; Euteia trunca- 
tella, für Schweden neu; Adela ammanella und Ctenophora 
nigricornis vor. Um Tjomotis zeigte sich eine reichere Alpen- 
vegetation. Von Insekten kam hier Leptura borealis vor, selten. 
auf Weidenblüthen; Helophorus fennicus, gemein in kleinen 
Wasserpfützen; Anthophagus alpinus, globulicollis: Pieris 
Bryoniae flog zahlreich auf Cardamine pratensis; Plusia diver- 
gens; Anthomyza aculeipes und triangulifera sparsam. Die 
letzten Sperlinge (Fringilla domestica) zeigten sich hier. Die 
Ankunft zu Quickjock geschah am 27. Juni. In den niedrigern 
Gegenden waren nun die Weidenarten grösstentheils verblüht. 
Die Traubenkirsche und der Johannisbeerbusch standen im Be- 
griff Blüthen zu entwickeln. Astragalus alpinus und andere 
frühzeitigere Alpenpflanzen, 7’rollius u. m. hatten zu treiben be- 
sonnen. Die Flora der Gegend von Quickjock ist herrlich und 
mannigfaltig, besonders auf dem sich weit erstreckenden Alpen- 
Gebirge. Folgende so hoch im Norden vorher noch nicht beob- 
achteten Pflanzen wurden bemerkt: Veronica officinalis (auf der 
Südseite des Njammats); Triticum caninum (auf Inseln in Sag- 
gat und unterhalb Njunnas); Plantago major (bei den Gebäu- 
den); Zpilobium montanım (am südlichen Abhang des Njam- 


303 


mats); Paris quadrifolia (im Valliskog); Lychnis silvestris 
carnea (Valliskog und unterhalb Njunnas); Melampyrum sil- 
vaticum (gemein in Wäldern); Anthyllis vulneraria (Njunnas); 
Hieracium murorum (gemein); HA. boreale (Njammats, Njunnas) ; 
Aspidium Filix mas (Njumnas) ; Botrychium rutaceum (Snjerak). 
Die Blüthen, z. B. von Leontodon, schlossen sich gegen Abend 
ungeachtet der fortwährenden Tageshelle. 

Wie bedeutend die Artenanzahl der Insekten in den höhern 
Gebirgsgegenden abnimmt, erweist sich daraus, dass bei einem 
sechswöchentlichen Aufenthalt zu Quickjock nur gegen 200 Ar- 
ten Coleopteren gesammelt wurden. Mehrere der auf dem 
niedrigen Lande allgemein vorkommenden, als z. B. den Mist- 
käfer ( Scarubaeus stercorarius) vermisste man ganz und gar. 
Von der Gattung Carabus fand sich nur €. glabratus, dieser je- 
doch hoch auf dem Gebirge. Orthopteren waren nicht zahlreich. 
Gryllus pedestris, die einzige hier vorkommende Art dieses Ge- 
schlechtes, geht bis auf die Höhe des Gebirges. Die Ordnung 
der Hemipteren hat zwar einige ausgezeichnetere Formen auf- 
zuweisen, ist aber an Arten wenig zahlreich; von Lepidopteren 
kommen Tag- und Nachtfalter in wenigen Species vor; aber an 
Microlepidopteren sind die Gebirgsgegenden reicher; Aymeno- 
pteren sind mit Ausnahme der Hummeln und Parasiten im ÄAll- 
gemeinen selten; die Dipteren machen die grösste Menge aus. 
Sind der Arten wenige, so ist dagegen die Anzahl der Indivi- 
duen um so viel grösser, wovon die lästigen und in so unerhör- 
ter Menge vorkommenden Mücken und Beissmücken ( Culex 
canlans, pipiens, silvaticus; Simulia reptans, nana; ÜCeratopo- 
gon Pulicarius), nebst mehrern andern Arten der Dipteren ein 
Beispiel geben. Von zwei kleinen Cicaden, C. abdominalis und 
pallens, erhielt man zuweilen im Kescher eine solche Menge, 
dass mehrere Tausende den Boden desselben bedeckten und 
die Untersuchung des sonst noch Aufgefangenen verhinderten. 

Flüsse und Seeen zeigten grosse Armuth an Insekten, wo- 
von die Ursache ohne Zweifel in dem reinen und eiskalten Was- 
ser, das mit grosser Schnelligkeit von den Gebirgen stürzt, zu 
suchen ist. Die bemerkungswürdigsten der darin vorkommenden 
sind: Dyticus lapponicus und septentrionalis, welcher letztere 
sicherlich eine schlichte weibliche Form des erstern ist: unter 
mehrern Hunderten gesammelter Exemplare fanden sich nur 8 
bis 10 weibliche mit gereiften Flügeldecken; Agyabus fuscipen- 
nis, arcticus, maculatus; Hydroporus griseostriatus, quinque- 
striatus, alpinus, bidentatus und Haliplus impressus in den 
tiefer liegenden Wässern, wogegen die Gebirgsseeen Colymbetes 


304 


dolabratus; Agabus aretieus, affinis, bipunetatus ; Hydroporus 
alpinus, 'Striola ü. m. enthielten. Von Helophorus fennicus. 
der bei Tjomotis gemein war, wurde hier nur em Exemplar auf- 
gefunden. 

Die hauptsächlichst von Poa pratensis und Aira caespitosa 
gebildeten und mit üppigem Wachsthum bekleideten Wiesen 
sind durch natürliche Hecken von Weiden, Traubenkirschen und 
weissen Erlen, zwischen denen Aconitum septentrionule; Son- 
chus alpinus,; Epiüobium angustifolium; Geranium silvatieum 
u. m. in grosser Menge und Ueppigkeit wachsen, eingeschlos- 
sen. Unter den Insekten wurden daselbst gefunden: Amara tor- 
rida, @Quenseli; Simplocaria pieipes; Antherophagus pallens; 
Catops nigrita, fuliginosa und 2 neue Arten; Colon languidum, 
fuseulum, dentipes; Philonthus parumpunctatus; Malthinus sul- 
cifrons; FAulecoetus dermestoides, Anisotoma picea, longipes, 
multistriata, und eine neue Art; Aydnobius punetatus, sutura- 
lis; Anaspis arclica; Letridius angusticollis; Saperda scalaris, 
populnea; Pachyta interrogalionis, sexmaculata; Crepidodera 
femorata; Cocecinella trifasciata; Opkthalmocoris Sahlbergü; 
Pieris Bryoniae, Larven von Notodonta Ziezac, camelina; Py- 
gaera curtula und Orgyia Coryli; Hepialus Velleda; Xylina 
Solidaginis; Aplecta occulta, die Larve von Apamea luecipara 
und Hadena frigida; Plusia divergens; Ennomos illunariazy die 
Larve von Nyssia lapponaria (ausgebrütet in Stockholm); Chau- 
liodus Pontificellus; Tortrix Penziana; Phyeis auriciliella; 
Megachile lagopoda; Tabanus albo-maculatus, boreulis, auri- 
pilus, confinis; Sargus nov. speec.; Thereva Vetula 89, lunulata 
und eine neue Art; Psilocephala imberbis; Tachydromia atra 
Wahlb. Macula, confinis, sliigmatella; Hilara infans; Ieham- 
phomyza paradozxa und poplitea W ahlb.; Chrysotoxum faseio- 
latum; Helophilus lapponicus Wahlb. nov. spec., Eristalis lu- 
corum, longula, ruficornis; Parayus punctulatus, Aylota ni- 
gripes, Pipunculus flavipes und 1 neue Art; Oestrus Trompe, 
Tarandi (selten); Tachina futilis, ruficauda, nebst einer neuen 
Art; Dezia triangulifera; Aricia ignobilis Zett. nov. spec., 
didyma Zett. n. sp.; Scatophaga Morio; Photomyza elegans; 
Trineura, mehrere neue Arten; Hirtea Umbellatarum; Nephro- 
toma dorsualis. 

Die mit kleinen Weidenbüschen bewachsenen Sümpfe und 
Flussufer lieferten reiche Ernte und es kamen daselbst vor: 
Elaphrus lapponicus; Pelophila borealis; Agonum ‚consimile; 
Anthobium flavipenne; Omalium fossulatum und zwei neue Ar- 
ten; Olophrum boreale, consimile; Arpedium quadratum ‚ bra- 


305 


chypteruiu; Anthophagus rotundicollis; Othius melanocepha- 
lus; Tachinus elongatus; Podabrus alpinus, lapponicus; Cry- 
ptocephalus decempunctatus; Hippodaniia strigata; Hylobius ar- 
elicus; einige Arten von Salda, die bis jetzt noch ‚nicht be- 
stimmt sind; Phytocoris marginata; Cicada pallens; Colias 
Palaeno; ne Pales ; Hesperia Fritillum ; Acidalia implu- 
viata; Larentia paludala; Sericoris Schulziana ; Tortrix. argil- 
laceana.; Chilo Ocellellus nebst: mehrern ausgezeichneten Micro- 
lepidopteren; Aeschna borealis, arctica; Phryganen reticulata 
m. m. Arten; Tabanus plebejus; Chrysops nigripes in Menge, 
die vorher nur in der Nähe des Nord-Cap’s gefunden worden war. 
Hilara, abdominalis; Brachystoma Westermanni, Bohemani, 
tenellaW ahlb.; Rhamphomyza anomalinaundmodestaWahlb.; 
Hydrophorus spinimanus; Medeterus paradoxus Bhn. nov. 
sp.; Rhaphium elegantulum, crassipes, tarsatum; Dolichopus 
Mannerheimi, urbanus, Stenhammari, Fraterculus, maculipen- 
nis und zwei neue Arten; Scaeva podagrata, dubia; Scopolia 
nova spec.; Aricia maculipennis, Zett. nov,sp., brunneisguama 
hett. nov. sp;, hirsutula, nigritella, ‚duplicata, nigriventris 
Bhn. n. sp., scoparia Wahlb. n. sp.; Cordylura caudala, 
Hircus, Friesü, atrata Wahlb. n. sp.; Coenosia nov. sp.; 
Lispa tentaculata; Lonchea Deutschiü; Sciomyza bicolor; Si- 
mulia ferrugineaWahlb. n. sp.; Sciara bicolor Meig:: Aedes 
cinereus; Chironomus rufipes; zonellus , frigidus u. m.; Erio- 
ptera faseipennis;: Dicranota Guerini. 

Die auf den: Gebirgsabhängen aus ziemlich schlanken Fich- 
ten (Pinus Abies Lin.) bestehenden. Wälder und die kleinern 
Thäler um die von den Alpen-Gebirgen herabrinnenden Bäche 
enthielten viele bemerkenswerthe Arten, als: Synlomium aeneum ; 
Aphodius Lapponum, Pigeus; Cetonia aenea; Trichius fascia- 
tus; Elater: bifasciatus, Ampedus nigrinus; Dietyopterus Au- 
rora; Anthocomus Cardiacae; Ludius affinis; Dasytes tarsalis; 
Anobium zwei, neue Arten; Aylastes glabratus und. eine neue 
Art; Apate substriatus, elongatus; Biophloeus dermestoides; 
Asemum striatum; Pachyta borealis, marginata, smaragdula 
(in. Menge); Lina lapponica; Geocoris lapponica; T’hamnotet- 
tx tincta; Argynnis Thore; Anarta melaleuca, funesta; Botys 
numeralis (sehr gemein); Scopula albidalis, pinetalis; Geome- 
Ira ziezacata; Cidaria hastata; Larentia decrepitata, inciliata ; 
Cidaria Propugnaria; Coccyx arbulana; Chilo n. sp.; Adela 
circulella, Naezenella; Haemylis Viduella; Nematus septentrio- 
nalis; Lyda zwei Arten; Xyela pusilla; Alomya Debellator ; 
Ryssa persuasoria; Spalangia nigra; Crabro lapponieus; Bom- 


306 


bus consobrinus, Lapponum, Schrimshiranus, hortorum, prato- 
rum, hypnorum, und höher nach den Alpen hinauf 2. nivalis; 
Antalia Gyllenhali; Tachypeza Winthemi; Hilara spinimana; 
Rhamphomyza hybotina, plumifera, Morio, dentipes; Wiede- 
mannia borealis, appendiculata;, Microcera rostrata; Dolicho- 
pus Mannerheimi, festinans; Scaeva latimana Wahlb. n. sp., 
Pelococera scaevoides; Helophilus affinis Wahlb. n. sp., lap- 
ponicus Wahlb. n. sp.; Eristalis lucorum, rostrata; Sphegina 
clunipes; Callomyza boreella, speciosa und dives; Platypeza 
picta; Tachina futilis und eine neue Art; Trixa limbata; 
Sarcophaga mortuorum; Mesembrina mystacea, resplendens 
Wahlb. n. sp.; Aricia Morio, umbratica, longipes, aculeipes, 
nigritella, separ Zett. n. sp.; Dryomyza decrepita; Scato- 
phaga Audouini; Lefebvrü; Piophila lonchaeoldes; Macro- 
chira flava 2, wovon das Männchen früher nicht bekannt war. 

In Wäldern auf abgebrannten Plätzen wurden gesammelt: 
Thymalus limbatus; Cychramus ferrugineus; Nitidula boreella, 
breviuscula n. sp.; Olistophus substriatus; Bolitobius speciosus 
n. sp., lunulatus, cingulatus, rufus; Leiodes glaber; Agathi- 
dium nigripenne; Tetratoma Ancora; Mordella atomaria; Hal- 
lomenus micans; Bromius obscurus; Triplax bicolor, aenea; 
Acridium dorsuale, obscurum, hilare; Cicadula Dahlbomi, stri- 
gipes; Chermes picta; Botys numeralis; Xiphydria Camelus; 
Thereva Vetula; Asilus variabilis u. m. 

Das Alpengebirge hat zwar nicht so viele Arten aufzuwei- 
sen, aber der grösste Theil davon gehört demselben ausschliess- 
lich zu, so dass als von besonderm Werth aufzuzählen wären: 
Nebria nivalis ; Cychrus rostratus; Leiochitum arcticum , Amara 
alpina; Patrobus septentrionis; Colymbetes dolabratus; Hydro- 
porus Lapponum, Striola; Anthophagus rotundicollis; Oma- 
lium n. sp., Silpha lapponica; Podabrus alpinus; Lina lappo- 
nica, alpina; Gonioctena affinis in mehrern schönen Varietä- 
ten; Cicada n. sp., Argynnis Freija, Pales; Erebia Manto, 
Norna (var. Hilda); Lycaena n. sp., nächst Pheretes; Zygaena 
exulans; Anarta melaleuca, menalopa; Psodos trepidaria, fu- 
scaria, von welcher letztern das bis jetzt unbekannte Weibchen, 
welches mit kurzen Flügeln versehen und unvermögend ist zu 
fliegen, hier zuerst gefunden wurde ; Fidonia sordidaria; Tor- 
trix boreana; Chilo furcatellus und eine neue Art; Adela eir- 
culella; Sericoris Schulziana nebst mehrern Microlepidopteren, 
die bis jetzt noch nicht konnten bestimmt werden; Bombus ni- 
valis, Lapponum, eine ausgezeichnet schöne Tenthredinee mit 
sesägten Fühlfäden, wahrscheinlich eine neue Gattung, mehrere 


307 


Nemati und Ichneumonen;  Tabanus borealis, alpinus; T'hereva 
fuscinervis; Rhamphomyza alpina, Morio, pusilla; Hydropho- 
rus spinimanus, alpinus Bhn. n. sp.; Dolichopus Stenhammari, 
maculipennis; Eristalis melanopa; Oestrus Tarandi (in der Be- 
gattung) und T’rrompe (ebenfalls sich paarend); Echinomyia al- 
pina Bhn. n.sp.;. Tachina cornula; Sarcophaga alpina; Aricia 
Alpicola, contractifrons nebst mehrern neuen Arten; Cordylura 
clavata Bhn. n. sp. und eine andre neue Art; Hirtea Umbella- 
tarum; Tipula nubeculosa. Auf der höchsten Spitze gegen die 
Schneegränze hin zeigten sich von diesen: Nebrina nivalis; Cy- 
chrus rostratus; Leiochitum arcticum; Amara alpina;. Patrobus 
septentrionis; Lina alpina; Argynnis Pales; Psodos trepidaria ; 
Geometra polaria vel nov. spec.; Chilo furcatellus; Oestrus 
Trompe; Echinomyia alpina; Anthomyza nov. sp. und Tipula 
nubeculosa. 

Ungeachtet genauer Nachforschungen konnte über das Vor- 
kommen einiger Muscheln in der Lappmark keine Aufklärung 
erlangt werden, mit Ausnahme der Perlmuschel (Unio |mar- 
garitifer) welche in ziemlicher Menge im Silbojock oder Perl- 
elf sich findet. An Schnecken ist ebenfalls in den höhern Ge- 
birgsgegenden Mangel. Nur bei Quickjock bemerkte ich Helix 
arbustorum L., H. ruderata Stud., H. fulva Müll:; Bulimus 
lubricus Müll.; Vertigo edentula Drap.; Succinea amphibia 
Drap.; Limnaea ovata Pfeiff. var. 

Die Rückreise von Quickjock wurde am 14. Aug. auf dem 
Wege der Hinreise angetreten. Bei dem Sumpf von Saggat 
wurden getroffen: Hyphydrus alpinus, bidentatus und Ichneumon 
Monticola; bei Tjomotis: Buprestis appendiculata; Helophorus 
fennicus; in der Nähe von Randijaur: Simplocaria picipes; 
Bomby:x lobulina (die Puppe); Dolichopus Sahlbergü; Cor- 
dylura livens; in der Gegend von Storsand: Upis ceramboides; 
Pytho depressus; Tetradoma Ancoru; Mwycetophagus mulli- 
punctatus; Bombus .arclicus; Phasia flavipennis Wahlb. n.sp.; 
Cryptophagus clavatus; . Oxytelus caelatus; Ennomos apicia- 
ria; Aylina Solidaginis; Coccyx decorana; Eristalis longula; 
Scaeva Grossulariae, alneti, annulipes , lapponica 42 und eine 
Varietät mit schwarzem. ungeflecktem Bauch, gutiata; Aylota 
bifasciata ; Anthomyza haemorrhoum; Simulia nana;. Perla vi- 
ridis; bei Bredäker: Bembidium nanum;, Dasytes obscurus; 
Haltica Praticola (gemein); Crı yptocephalus quadripustulatus, 
Pini; Cicadula Germari; Aeridium scriptum; Ophion ( Pani- 
scus) glaucopterus; Scopolia picta Wahlb. n. sp.; in der 
Nähe von Heden: .Cicada lineigera; Bombus Derhamellus; 


308 


Phasia muscaria, flavipennis und bei Räbäcken: 'Starabaeus 
stercorarius; Aphodius fimetarius; Colymbetes arctieus; Orso- 
dachna Betulae; Stenolrachelus aeneus; Miselia culta; Aylina 
Solidaginis; Corizus miriformis, Cercopis campestris,; Coceyz 
decorana (gemein auf Blumen von Solidago); Psocus vittatus; 
Sciodes n. sp. (ganz klein, weiss mit einem dunkeln Fleck auf 
jedem Oberflügel); Hydrophorus nebulosus; Echinomyia Mar- 
klini; Dexia triangulifera 2: Tachina discolor; Phasia flavi- 
pennis, convexa Wahlb. n. sp., nebst einer wahrscheinlich 
neuen Art der Gattung Helix, ausgezeichnet unter Anderm 
durch scharf erhöhte Ränder, die den Spiralwindungen folgen. 


Hämozoön des Hechtes. 


Hr. Dr. Berg in Stockholm hat dem Hrn. S. Loven Fol- 
gendes über gewisse, im Blute aus dem Herzen des Hechtes 
von ihm beobachtete — angebliche — Thierchen mitgetheilt: 

„Die Form des Thierchens ist wegen der Lebhaftigkeit sei- 
ner Bewegungen schwer zu bestimmen; wenn diese aber schwä- 
cher werden, so zeigt sie sich als ein etwas abgeplatteter, 
schmaler Cylinder, von welchem seiner ganzen Länge nach eine 
Art von dünnem Kamm oder einer Mähne ausgeht. Dieser 
Kamm, dessen Breite auf der Mitte des Thierchens am grössten 
ist und dort sich wohl bis zur doppelten Breite des Körpers oder 
Cylinders zu erheben scheint, verschmälert sich nach den bei- 
den Enden des Thiers. Am einen Ende des Cylinders meine 
ich eine kleine ringförmige Anschwellung gefunden zu haben, 
welche sich durch eine stärkere Lichtbrechung zu erkennen giebt. 
Auf der Mitte des Körpers sah ich auch bei einigen Individuen 
einige Puncte, welche innere Organe anzudeuten scheinen. Das 
kammförmige Gebilde scheint das vorzüglichste Bewegungsorgan 
des Thiers zu seyn. Es ist in einer gleichmässigen, wellenför- 
migen Bewegung, welche von dem einen Ende des Körpers bis 
zu dem andern fortgeht und die grösste Aehnlichkeit mit der 
Wimperbewegung besitzt. Wenn das Thier sich lebhaft schlän- 
gelt, wendet und rollt, so zeigt es sich, von oben angesehen, 
in den verschiedensten Gestaltungen und mit jeder Art von Aus- 
biegungen und Ecken, welche man am besten mit allen den For- 
men vergleichen kann, die ein im Wasser nach allen Richtungen 
herum geschleudertes Stück Leinwand annimmt. Die Grösse 
der mir zu Gesichte gekommenen Exemplare wechselte; die 


309 
Länge betrug etwa zwischen 1! bis 3mal die Breife eines der 
ovalen Blutkörperchen. Noch am sechsten Tage sah ich die 
Thierchen in einem zwischen zwei Glasscheiben hermetisch ein- 
geschlossenen kleinen Blutstropfen bei der gewöhnlichen Tem- 
peratur meines Zimmers von 12° leben. Was ihre Menge im 
Blute betrifft, so habe ich in®&inem kleinen Blutstropfen wenig- 
stens 8 bis 10 gesehen. Da ich unter fünf untersuchten Hech- 
ten sie bei vieren fand, so ist zu vermuthen, dass sie sehr oft 
vorkommen. Ansehen und Geschmack der Fische haben mir 
eben keine Veranlassung gegeben, auf etwas Krankhaftes bei 
ihnen zu schliessen.“ (Aus der Ärsberättelse om Zoologiens 
framsteg under ären 1840-—42 etc., 3dje Delen, | Crustacea, 
Vermes Linn.] af S. Loven, Stockh. 1844, p. 107—8, mitge- 
theilt vom Dr. Creplin.) 

Bemerkung des deutschen Mittheilers. Loven rech- 
net die hier beschriebenen kleinen Wesen zu der Infusoriengattung 
Amoeba Ehrenb., nach Valentin’s Vorgange, welcher andere, 
ähnliche, 'von ihm im Blute der gemeinen Forelle entdeckte zu 
derselben bringen zu müssen glaubte. Ich suchte im Herbste vor. 
J., nachdem ich die Berg’sche Beobachtung gelesen hatte, 
jene im Herzblute eines noch lebenden Hechtes (von etwa 1’ L.) 
auf und fand sie auch sogleich, obzwar ihrer nur wenige Exem- 
plare; bei einem zweiten, nur wenig grüssern, eben gestorbenen 
Hechte suchte ich sie vergebens; aber im Biute eines dritten, 
lebendigen, welcher noch kleiner war, als der zuerst untersuchte, 
traf ich sie wiederum. und zwar in grösserer Anzahl, als bei 
diesem, an. Die Gestaltung derselben scheint mir im allgemei- 
nen von Ber’ naturgemäss aufgefasst zu seyn und hat viele 
Aehnlichkeit mit den Zeichnungen, welche Gruby (Ann. d. sc. 
nat., 3eme serie, 1, auf Pl. 1, B, unter Fig. 1—3) von den ana- 
logen Gebilden aus Froschblute gegeben hat. Gruby nennt 
diese —, wie die aus dem Hechtsblute, höchst beweglichen, — 
Gebilde Trypanosoma sanguinis, sie als eine neue Gattung und 
Art von Infusionsthierchen betrachtend. Ohne Zweifel dieselben 
waren es, welche Mayer in seinem Spicilegium obss. anatom. 
de Organo electrico in Rajis anelectricis et de Haematozois, 
Bonnae, 1843, p. 11, unter dem Namen Amoeba rotatoria (e 
sanguine Ranae esculentae) beschrieben und Tab. III, Fig. 11, 
abgebildet hat, und die auch Gluge schon vor ihm — im Herz- 
blute eines Frosches — (s. Müller’s Archiv f. Anat. etc., J. 
1842, S. 148,) gefunden hatte. 

Ich kann mich nicht davon überzeugen, dass diese, mit 
dem alleinigen Namen Hämozo&n (wenn man das Zoo» in dieser 
21 


310 


Zusammensetzung nur in der allgemeinen Bedeutung eines mit 
Leben begabten Wesens. nimmt) gewiss. ganz gut bezeichne- 
ten. Gebilde wahre Thiere seien. Es fehlt denen aus dem 
Hechte, so viel ich gesehen habe, an allen thierischen Organen. 
Puncte, deren Berg erwähnt, habe auch ich bei. mehren gese- 
hen; sie zeigten sich aber nur, wenn sich diese Hämozoen aufs 
lebhafteste bewegten, und ich glaube nicht zu irren, wenn ich 
sie einer Täuschung zuschreibe, welche durch die ‘sich: schnell 
erhebenden und wieder senkenden ‚Spitzen. des Kammes entste- 
hen; bei den schwächeren Bewegungen. und. in den. ruhenden 
Hämozo@n kamen sie nicht zum Vorscheine, und Alles war dann 
homogen. Von einem ringförmigen Wulste bin ich gar nichts 
sewahr geworden. In einem einzigen Exemplare sah ich etwa 
in der Mitte des Körpers eine grosse, kreisrunde, helle Stelle, 
welche sich auch während der heftigen Bewegungen kugelförmig 
erhob und ohne Zweifel den Vacuolen zu vergleichen war, ‚die 
man in so vielen niederen Infusorien entstehen und wieder ver- 
schwinden sieht, und die nur eine ‚Eigenschaft der Materie, aus 
welcher sie, wie unsere Hämozoen, gebildet sind, zum Grunde 
haben, keinesweges aber Organe seyn können. Die Bewegung 
schien mir auch gar auf keiner thierischen. Willkühr zu beruhen; 
es war ein beständiges, äusserst schnelles, immerfort abwech- 
selndes Zusammenfalten und Ausbreiten, Ausdehnen und Einzie- 
hen der einzelnen Theile, Verbreitern und Verschmälern, Biegen 
und Strecken des ganzen Körpers, und bei allem diesem Treiben 
kam keine andere Ortsbewegung zu Stande, als die wenig be- 
deutende, welche eben nur durch die Heftigkeit jenes. schnellen, 
gleichsam convulsivischen Formwechsels erzeugt ward. —. Die 
Vergleichung dieser Hämozoen mit der Amoeba diffluens scheint 
mir gar nicht recht passend zu seyn, obzwar diese auch gewiss 
kein, ja noch weniger ein, Thier ist. Unsere Hämozoön stehen in 
der Reihenordnung lebenbegabter Bildungen etwas höher, als 
Amoeba diffluens, durch ihre, ebzwar sehr veränderliche ‚doch 
bestimmte Gestaltung: ferner unterscheiden sie sich von ihr dureh 
die Schnelligkeit der Bewegungen. Amoeba diffliens ist nichts 
Anderes, als — wie Voigt (Lehrb. d. Zoologie.) richtig‘ sagt 
— „ein helles Schleimklümpchen “ ohne alle’ bestimmte Gestalt, 
welches aber, vermöge seiner äusserst langsamen und dabei zu- 
gleich mannichfaltigsten Ausdehnungen und Zusammenziehungen 
eine Menge von Gestalten, die immer nur kurzen Bestand haben, 
annimmt. Sinnreich ist der Name Chaos Proteus, mit welchem 
Linne diese kleine ‚„rudis indigestague moles “ bezeichnete. 


3ll 


ısRemak hat die vom Dr. Berg beschriebenen Hämozoen 
im 'Blute der meisten von ihm untersuchten Flussfische, und 
zwar constant in dem des Hechts, schon früher gefunden; ich 
wurde aber, obgleich sein Fund schon von Sieb old in dessen hel- 
minthologischem Jahresberichte für 1842 (in Erichson’s Archi, 
1843, Bd. II, S. 333 —4,) angeführt worden ist, auf denselben 
erst, nachdem ich das Obige niedergeschrieben hatte, aufmerk- 
samer 'und 'verschaflte mir Remak’s eigene Notiz über den 
Gegenstand, in Canstatt’s medicinischem Jahresberichte, 
Jahrg. 1, H. 3. (1842), Leistungen der Physiol. i. J. 1841, S. 10, 
Anm. "Er nennt diese Wesen ebenfalls nur Gebilde, nicht Thiere, 
da es ihm nie geschienen, dass ihre Bewegungen für willkühr- 
licher zu halten seien, als die der Spermozoen; auflallendere 
Ortsbewegung habe ihm dort immer nur durch äussern Impuls 
bedingt geschienen; u. 8. w, 


Ueber ‚den Zug der Kraniche und die Namen Grus, 
Numenius und Graculus *), 


In der Sitzung der Akademie am 10. Octbr. v. J. theilte 
Hr. Sundevall eine Zusammenstellung der, in Folge einer 
Aufforderung der Akademie, aus verschiedenen Gegenden des 
Landes eingegangenen Beobachtungen ‚über den Zug der Krani- 
che mit, welche jedoch nicht so vollständig ausgefallen, als man 
wünschte und hoffen kann sie im folgenden Jahre zu liefern, in- 
dem die Aufforderung der Akademie zu diesen Beobachtungen 
aus mancherlei Ursachen verspätet wurde und an viele Orte erst 
dann gelangte, nachdem der Zug schon begonnen hatte. Inzwi- 
schen geben sie doch ganz gute Aufschlüsse und besitzen zu 
viel Werth, um sie nicht zu beachten, Sie haben gezeigt, dass 
die Kraniche während ihres Zugs nicht jede Stelle in Schweden 
zu so bestimmten Zeiten des I: passiren, wie einige Mit- 
theilungen aus Deutschland w Kuren des nächstvorhergegangenen 
Jahres zu beweisen schienen, dass sie es daselbst zu machen 
pflegen. Ferner kann es von Interesse sein bemerkt zu haben, 
dass eine sehr geringe Anzahl von diesen Vögeln in diesem 
Jahre über eine Gegend des südlichen Schonens eingezogen 
sind, woselbst, wie Hr. S. aus eigner Erfahrung weiss, sie frü- 
her (wenigstens vor 20 Jahren) in grosser Menge zu kommen 


) Öfversige af Kongl, et Förhandlingar, Äre. 
ANt. 8: 168. u. f. 


312 


pflegten. Eine Vergleichung der Beobachtungen einiger ‘Jahre 
in Schweden und Deutschland wird ohne Zweifel zu einer nähe- 
ren Kenntniss über den Vögelzug leiten. 

In Verbindung mit der Mittheilung der Beobachtungen über 
den Zug der Kinniche hielt es Hr. S. für passend deren guten 
Namen zu vertheidigen. Hr. G R. Gray hat nämlich in seinem 
Werke: List of the Genera of Birds, dafür gehalten, Grus 
pavonia aus Afrika müsse ein eigenes Genus ausmachen, für 
welches er den Gattungsnamen Gras beibehält. Er hält dafür 
dieser Name bezeichne ursprünglich bei Linne diese angeführte 
Art, indem Linne, in der Ed. I. (1735) vom Systema Naturae, 
in die Diagnose der Gattung Grus, das Wort „ceristata“ aufge- 
nommen habe. Gray schlägt daher einen neuen Gattungsnamen: 
Megalornis, für die eigentlichen Kraniche vor. Aber was das 
Wort „eristata“ hier bedeutet ergiebt sich aus dem Syst. Nat. 
Ed. Il, woselbst die Diagnose für Grus ist: „caput cristatum cu- 
te nuda,‘“ welches, obgleich etwas ungewöhnlich ausgedrückt, 
wohl auf Grus cinerea passt, aber nicht auf Grus pavonia. 
Ausserdem führt Linne als Typus für die Gattung, in Ed. 1ma, 
den Namen „Grus“ und „Trana“ (Kranich) an. Der Gattungs- 
name Grus muss also in seiner gewöhnlichen Bedeutung beste- 
hen bleiben und der von Gray gebildete wegfallen. 

Aus gleich falschem Grunde hat Gray den Namen Nume- 
nius auf die Gattung übertragen, deren Typus Scolopax galli- 
nago (Telmatias Boje) ist. Er sagt nemlich, dass unter der 
Gattung Numenius, im Syst. Nat. Ed. 1. der Name Gallinago 
zuerst unter den Arten angeführt werde. Aber was der Name 
Gallinago dort bedeutet, ergiebt sich aus der Ed. 11., woselbst 
Linne, als dessen Synonym, den schwedischen Namen Vind- 
spole hinzusetzt, welcher nur unserem Numenius arguata zukömmt. 
Ausserdem findet sich gerade der Name ‚arguata‘“ unter den 
Arten von Numenius in der Ed. 1. und im Fall Gray die Ab- 
leitung dieses letzteren Namens (von vorwnvıa, Neumond) bedacht 
hätte, so hätte er gefunden, dass er hauptsächlich den darunter 
angeführten krummschnäbligen Arten zugehörte. Der Name Nu- 
menius muss also seine gewöhnliche Bedeutung beibehalten, und 
der von Gray vorgeschlagene Cracticornis muss verworfen werden. 

Endlich kann noch bemerkt werden, dass die Gattung Carbo 
oder Phalacrocorax der Neueren, im Syst. Nat. Ed. 1. Gracu- 
lus heisst, welcher Name, als der älteste, beibehalten werden 

muss. Gray und Strickland haben unrichtig hier den Namen 
Graucalus; angewandt, welcher später durch einen Druck - oder 
Schreibfehler bei Moehring entstanden ist. [Hsch.] 


Derselbe zeigte eine Sylvia suecica vor, welche der Con- 
servator beim Reichsmuseum,, Hr. Meves, in dem Garten des 
Garten - Vereins in Stockholm am 27. Septbr. gefangen. Hr. M. 
hatte das Jahr vorher um dieselbe Zeit ein Paar Exemplare, 
welche sich nun im Museum ausgestopft finden, gesehen und er- 
halten; aber ihre Scheuheit und Fähigkeit sich zu verbergen 
und ihr Aufenthalt auf dem Boden, unter Gebüsch, auf feuchten 
Stellen, macht, dass man sie nicht leicht findet. Die Farbe des 
Schwanzes ist es woran man sie indessen immer erkennt. Letzt- 
verflossenes Jahr hielten sich mehrere Stücke auf derselben Stelle 
14 Tage , während des Schlusses vom September und Anfangs 
October, auf. Durch diesen Fund hat also Hr. M. den vorher 
unbekannten Zug dieses Vogels, worüber oft ungewisse Vermu- 
thungen aufgestellt worden sind, aufgeklärt. Ohne Zweifel wird 
man. sie bald an mehreren Stellen niederwärts in Schweden, im 
Herbste, während der Zugzeit von Lappland nach Afrika, finden. 

[Hsch.] 


Briefliche Mittheilung des Hrn. Assessor C. Fr. Plagemann in 
Umeä, an den Gärtner des Garten- Vereins in Stockholm, Hrn. Mül- 
ler; mitgetheilt von diesem. 


| Umeä, den 15. September 1844, 

Hienebst nehme ich mir die Freiheit Ihnen beifolgende Saa- 
men zu senden, die ich in meiner kleinen Garten - Anlage ge- 
sammelt habe (Trollius europaeus, Prunella alba grandiflora, 
Linum perenne fl. albo, Scabiosa caucasica), und wünsche, Sie 
mögten dieselben in dem grossen herrlichen Garten, welcher 
Ihrer so würdigen Aufsicht anvertraut ist, anwenden. Der Saame 
von Trollius europaeus ist jedoch in Jemtland gesammelt, wo 
dieses Gewächs überall wild wächst, aber auch in Gärten gezo- 
gen, viel schöner wird. Der Winter ist hier in Umeä gewöhn- 
lich scharf und ausdauernd, jedoch halten ihn folgende von mir 
hier gezogene Gewächse gut aus: z. B. Primula elatior, Auri- 
cula; Stenactis speciosa; Scabiosa caucasica; Oenothera fruti- 
cosa; Aquilegia canadensis, speciosa, stellata; Aconit. Napel- 
lus; Polemonium gracile; Hesperis matron. und tristis; Lychnis 
dioica; Agrostemma coronar.; Paeonia; Hemerocallis; Hyacin- 
thus botryoides; Dianth. barbatus,, plumar.; Spiraea salicifol.; 
Hyperic.elegans (3Fuss hoch); Papav. nudicaule ; Iris german. ; 
Potentilla pilosa, P. atrosanguinea; Salvia Tenorü; Lupinus 
polyphyll., L. Milleri; Saussurea pulchella (4 Fuss hoch); 
Achillea magna (3 Fuss hoch). 


314. 


'’Ich habe meinen Garten jetzt etwas‘ erweitert ,”und' werde 
mir im künftigen Frühjahre eine Einrichtung machen, um’früher 
als sonst Pflanzen zu bekommen von eirca 200 Sorten Blumen- 
Saamen, welche in gläsernen Röhren verwahrt’sind, welche an 
der Glasblaser-Lampe zugeschmolzen sind, und da’ die Luft und 
Feuchtigkeit dadurch abgehalten wird, hoffe ich die Saamen da- 
durch weit länger, als gewöhnlich , frisch erhalten zu wer rs 
wenigstens einige Jahre länger. 

Bei dem Gebrauche schneide ich ‘das Ende der Röhre mit 
einer Feile ab, nehme so viel ee als ich brauche und ge 
die Röhre wieder zu. ; 

{m nächsten Jahre werde ich mir zur Auktheilhs meiner- 
seits Topfgewächse , anstatt Saamen, ausbilten, wur: wünsche 
mir Salvia patens, Lobelia fulgens, Lyehnis fulgens und Rosen. 
Könnte ein Steckling von Jasminum officinale mit weissen stark 
riechenden Blumen erhalten werden, so wärs mir sehr lieb. Ich 
werde im nächsten Frühjahr der Vereinigung ein 4jähriges gro- 
sses Exemplar von Justicia Adhatoda senden, welches noch 
nicht geblühet hat, vermuthlich an Mangel erforderlicher Wärme 
(da ich ‚kein Treibhaus besitze). Ich habe selbst 50 Topfge- 
wächse, worunter folgende: Malva Capensis, M. Alcea rosea; 
Salvia coccinea; Fuchsia coccinea; Nerium splendens (bekömmt 
jährlich Knospen aber kömmt nicht zur Blüthe); Celsia grandi- 
flora; Rosa semper florens; Nelken; Lavatera arborea , 10 Fuss 
hoch, gab dies Jahr viel Saamen. Eine Rosa Provincialis 
blühte vor zwei Jahren, als ich sie in Stockholm kaufte, treibt 
seitdem jährlich neue Zweige aber will nieht blühen. Lupinus 
Cruckshanksii mit weiss, blau und gelben wohlriechenden Blu- 
men, wird im Freien beinahe 3 Fuss hoch, blüht herrlieh, aber 
muss im Herbst eingeschlagen werden, da der Saame sonst 
nicht reif wird. Zupinus hirsutus, Lobelia Erinus und ED 
lina coelestis habe ich auch in Töpfen gezogen. 

Im Freien habe ich diesen Sommer einige 70 Arten gehabt. 

Nachdem wir einige Wochen Südwind gehabt haben; wobei 
die Blumen sich gut befunden, hat heute der Boreas' sich einge- 
funden, und da wird die Blumenfreude folglich bald zu Ende seyn. 

Die Saamen, die ich’ im Frühjahr für den Küchengarten bei 
‚Ihnen kaufen liess, waren alle gut, allein der Blumenkohl und 
Zucekerhutskohl ist bis dato blos in Blättern, vermuthlich weil 
der Saame aufs freie Land ausgesäet wurde. Die Küben, Majo- 
ran, Mohrrüben und alles Uebrige ist gut gelungen. Weisser 
Kohl oder sogenannter Kopfkohl, gelingt in dieser Gegend nie- 
mals, sondern muss von Stockholm verschrieben werden. 


315 


| Verzeichnis ‚der Pflanzen, 


woloi die Hrn. Assessor C. F. Plagemann und J. Linder 
173 -in-Umeä' im Jahre 1843 kultivirten. 


Sträucher. 
Acer platanoides 


Berberis vulgaris 
Corylus Avellana 


Lonicera Periclyme- 
num 
Populus balsamifera 


Ribes aureum 
- nigrum 
-  rubrum 
-  TUva crispa 
Robinia Caragana 
Rosa canina 
- centifolia 
- alba 
- pimpinellifolia 
Pyrus Malus (Kern- 
'wildlinge) 
- baccata (Kerm- 
""wildlinge) 
Sambucus nigra 
(Kernwildlinge) 
Spiraca salicifolia 
- fl. albo 
Syringavulgaris - 
b. Staudengew, 
Aconitum Napellus 
Achillea magna 
- Ptarmica 
Agrostemma Corona- 
ria 
-- Flos Jovis 
M. Alcea rosea 
Aquilegia canadensis 
- vulgaris 
- speciosa 


Im Freien. 


a, Bäume und |Ob und wann 


‚sie geblüht: 


noch nicht ge-} 


blüht. 
im Juni. 


noch nicht ge-f 


blüht. 


im Juni. 


noch nicht ge-| 


blüht. 


Juni. 
nicht gebl. 
Mai. 


Juni. 
Juli. 


Juni. 


Juli. 


Juni. 


Juli. 
August. 
Juni. 


ilris germanica 


#Malva sylvestris 


'Ob und wann 


Staudenge- 
wächse. sie geblüht: 
Artemisia Abrotanum| August; 
IPhalar. arund. pieta Inos 
jAstrantia major Juli. 
IBellis perennis Juni, 
|Campanula Medium 
(&) Juli. 
ICentaurea dealbata | noch nieht 
geblüht. 
1 - macrocephala = 
iColchicum autumnale DET 
IDianthus barbatus Juli. 
- chinensis te 
- Caryophyllus Juli. - 
- . plumarius den Sommer 
hindurch. 
|Digitalispurpurea (&)| noch nicht - 
geblüht. 
| - aurea — 
iDelphinium elatum Juli. 
jHemerocallis fulva - August. 
iHesperis matronalis Mai. 
I - teistis Juni. 
Hyacinthus botryoi- 
\ des - 


mit En: 
Mai und Juni. 


Var. 
| - graminifolia ? 
i - Pseudacorus nicht in die- 
sem Jahre 
Lilium bulbiferum Juni. 
| - Martagon Juli. 
- candidum August. 
-  croceum - 
Linum perenne 
Lupinus polyphyllus Juli. 
ALychnis chalcedonica|) August. 


Myosotis scorpioides |d.ganz.Somm, 


316 


Staudenge- Ob und wannf Einjährige. [Wann sie gbl. 
wächse. sie geblüht. |Cerinthe minor den Sommer 
Oenothera fruticosa Juli. hindurch. 
Oxalis esculenta August. |Cheiranthus annuus August. 
Papaver bracteatum Juli. Clarkia elegans Juli. 

- nudicaule Juni. - pulchella - 
Potentilla atrosangui- Collomia coccinea August. 

nea - Collinsia bicolor Juli. 

-  pilosa Juli. Convolvulusmajor (?2)| August. 
Paeonia officinalis Juni. - tricolor - 
Polemonium caeru- Coreopsis tinctoria Juli. 

leum - - Drummondi - 

- caeruleum fl. albo - Datura Tatula September. 

- gracile - Dracocephalum mol- En 
Primula acaulis - davicum August. 

- elatior Mai. Echium violaceum -. 

- veris = Erodium moschatum Juni. 

- Auricula - Erysimum Perofskia- 
Ranunculus repens Juni. num August, 
Rubus arcticus - Eschscholtzia pallida Juli. 

- ‚odoratus September. fEutoca Wrangeliana - 
Salvia Tenorii Juli. Gilia achilleifolia - 
Saussurea pulchella | September. - tricolor - 
Scabiosa caucasica noch nicht [Godetia lepida August. 

geblüht. - BRomanzovii - 
Stenactis speciosa September. | - rubicunda E 
Viola violacea (?) Juli. Gypsophila elegans - 
- tricolor Juni. Helianthus annuus September. 
Helichrysum fulgi- 

e. Einjährige. | Wann sie gbl. dum August. 

Anagallis latifolia den ganzen |Iberis amara Juli. 
Sommer. - umbellata Juni. 

Anoda Dilleniana August. jIpomoea purpurea September. 

Amaranthus caudatus September. Lathyrus odoratus August. 

- monstrosus August. Lavatera trimestris - 
Astragalus baeticus - Limnanthes Douglasii Juli. 
Aster chinensis, mit Juli. Linaria bipartita - 

Var, Lobelia Erinus August. 

- ‚tenellus - Lupinus mutabilis 
Briza maxima August. Crucksh. - 
Cacalia sonchifolia Juli. - hirsutus - 
Calendula officinalis August. - Juteus - 

- pluvialis - Malope grandiflora ie 
Centaurea Cyanus Juli. - trifida Juli. 

- moschata - Malva mauritiana - 

- suaveolens - Nemophila atomaria August. 


BEN Tr 
ART 

Nemophila insignis 
Nigella damascena 


Nicandra physaloides 


Nicotiana' alata 


Nolana atriplicifolia 


Omphalodes linifolia 
Oxyura chrysanthe- 
. moides 
Papaver Rhocas 
- somniferum 
Phacelia tanacetifolia 
Prismatocarpus Spe- 


culum 
Rudbeckia amplexi- 
| caulis 
Scabiosa atropurpu- 
rea 


Senecio elegans 
Schizanthus pinnatus 
Silene Armeria 


- noctiflora 
- ornata 
. - pendula 
. Tagetes erecta 
- patula 


Trifolium incarnatum 

Tropaeolum atrosan- 
guineum 

Tolpis barbata 

Zinnia elegans 

4 Topfpflanzen: 

Aloe variegata 


\ 


Antirrhinum imajus 
Cactus alatus (Cereus) 
= Speciosus = 
= flägelliformis = 
Campanula pyramida- 
lis 
Canna indica 
Celosia cristata 
Celsia grandiflora 
Döntäurea macroce- 


phala:; 


Einjährige. » 


Ob und wann} 
sie geblüht. 


Juli. 


August. 


September: 


August. 
? 


‘ 


Juli. 


August. 


Juli. 


September. 


Angust. 


Juli. 


Juni. 
Au gust. 


Juli. 


zu ungleichenf 


Zeiten. 
2 


Juli. 


noch nicht gb.! 


August. 
Juli: 


Juli. 


317 
are S Ob und wann 
| Topfpflanzen. | sie geblüht. 


| Cheiranthus Cheiri | den Sommer 


hindurch. 
- ineanus August. 
5 Commelina coelestis Juli. 
| Cytisus alpinus i ? 
i - nigricans Faitur 
| Dahlia variabilis Juli. 
Fuchsia gracilis d.ganz.Somm. 
I - Zulgens August: 
| Gnaphalium panicu- | 1. 
latum ? 
i - foetidum 2 
ı Heliotropium peruvi- 
anum Juli. 
i Hemimeris speciosa August. 
I - urticifolia d.ganz.Somm. 
| Leucojum aecstivum August. 


I Tinaria latifolia noch nicht eb. 


| Lupinus Marschallia- 


nus August. 

| Malva Alcea - 

| - capensis noch nicht gb: 
| Melissa officinalis ? 

| Mimulus Iuteus. August. 

{| - moschatus d.ganz.Somm. 
| Nareissus poeticns Juni. 


1 Oenothera bifrons [noch nicht gb. 


- grandiflora = 
- tetraptera PR 
i Passiflora cocrulea August. 
i Pelargonium zonale April. 
- grandiflorum Mai. 
- Niobe Juli. 
i Phlox paniculata September: 
| Primula Auricula Juni. 
| Prunella alba gran- 
N difl. Juli. 
i Pyrola maculata Ro 
| Reseda lutea Juli. 
1 - odorata Juni. 
| Rhodopsis speciosa noch nicht gb. 


E Rubus caesius nicht in die- 


sem Jahr. 


| Salvia coceinea d.ganz.Somm; 


u 


318 


Ob und wann 


Topfpflanzen. | siegeblüht. 
Salvia patens September. 
Sedum aizoides August. 
Streptocarpus Rhexii| Juli. 


Trifolium Melilotus |noch nicht gb. 


Viola tricolormaxima Juni. 
Dianthus Caryophyl- 

lus - 
Cupressus sempervi- 

rens noch nicht gb. 
Cineraria maritima Mai. 


Ob und wann _ 


Topfpflanzen. | siegeblühet. 
Ficus Carica trägt Frucht 
jährlich. 
Gnaphalium orientale Mai. 
Justicia Adhatoda n.n. 
Lavatera arborea -. 
Myrtus communis Juli. 


Nerium Oleander - 

Rosa semperflorens | ganze Jahr: 
- tenuifolia mit Var. Mai. 
Viburnum Tinus - 


Anm. Die bei den Pflanzen verzeichnete Blüthezeit bezeichnet den 
Zeitpunkt, wo die erste Blume sich zeigte. Viele fahren fort 
zu blühen, tief hinein in unsern Herbst, besonders die Einjäh- 
rigen, und ist der Herbst bei -uns oft der blumenreichste 


Monat. 


J. Linder 


Umeä, den 10. September 1843, 


BN-E23) 


xE. . 


ie Vaterland der Gewächse. 


\ 


Von 
Dr. Elias Fries. 


Aus dem Schwedischen übersetzt von Mornschuch'*). 


Befreie bloss die Dinge und Du wirst frei, 
Befreie Dich selbst und Du machst sie frei. 
Stagnelius. 


„BBie Pflanzengeographie,“ sagt Schleiden, ‚ist ein ziem- 
„lich wunderbares Ragout von meteorologischen, geologischen, 
„Pflanzenphysiologischen , statistischen, historischen und noch 
„mehreren Brocken. Ich will nicht bezweifeln, dass ein solches 
„Gemenge unter A. von Humboldt’s Zubereitung einen 
„recht köstlichen und pikanten Geschmack bekommen kann, aber 
„das Recht desselben, als eine eigene Disciplin oder als ein 
„integrirender Theil der Botanik aufzutreten, muss ich. ganz 
„und gar bestreiten.“ Auch diese Aeusserung scheint mir zu 
streng und auch einseitig, obgleich wir nicht läugnen können, 
dass diese Wissenschaft noch auf unfreiem, fremdem (besonders 
meteorologischem) Grunde ruht; dass die Lehre von den Statio- 
nen der Pflanzen von Meyen so unwissenschaftlich, als mög- 
lieh behandelt wurde; dass die sogenannte Pflanzenstatistik, 
wo sie Alles auf Zahlen setzt, wo bloss die Beobachtung eines 
Jahres gefordert wird um Alles zusammen zu verrücken, wohl 
eine nützliche Uebung in der Berechnung des Decimalbruchs 
sein kann, aber im übrigen eine höchst veränderliche Arbeit 
ist und unendlich richtiger: zur physischen Geographie gehört. 


*) Aus E. Fries Botaniska Utflygter B. 1. 8. 299— 328. 
22 


320 Das Vaterland der Gewächse. 


Aber da die Geographen bisher diese interessanteste Seite ihrer 
Forschungsart übersehen haben; da die Botaniker, in Folge 
von ihren speciellen Studien, am geschicktesten sind dieses 
für Kultur und Produetionsvermögen des Landes so wichtige 
Feld zu bearbeiten, so scheint es uns ihnen mehr zum Verdienst 
angerechnet werden zu müssen, als zum Tadel. Auch können 
wir unmöglich uns vorstellen des Vfs. Absicht sei gewesen, 
mit dem angeführten etwas freien Urtheil einen Schatten von 
Spott über die Sache oder die verdienten Männer zu werfen, 
welche die von den ältesten Zeiten in der speciellen Botanik 
niedergelegten Materialien für diesen Zweck geordnet. Aus ei- 
nem für alle empirischen Wissenschaften richtigen Instinkte hat 
man zuerst eine Menge specielle Facta gesammelt, sie mit an- 
deren, gewiss ausserhalb der Botanik liegenden, jedoeh nahe 
verwandten verbunden — und man wird nicht bestreiten können, 
dass gerade dieses während der letzten Decennien der speciel- 
len Botanik Leben und Schwung gegeben und ein grösseres 
Publikum für sie interessirt hat. 

Die Geographie, in ihrem ausgedehntesten Umfang z. B. 
auch die Geologie umfassend, ist der Boden, worauf alle histo- 
rischen Diseiplinen ruhen und sich bewegen, und deshalb wur- 
den am natürlichsten diese botanischen Beobachtungen damit 
verbunden. Aber wir sind für unser Theil überzeugt, dass die 
Pflanzengeographie in einer Zukunft auch auf rein botanischem 
Grunde wird aufgeführt werden, wo sie der specielle, ange- 
wandte Theil der Phytonomie wird. Der Gegenstand der Phy- 
tonomie ist das Verhältniss des Pflanzenreichs zur Aussen- 
welt; sie nimmt, ausser mehreren neuen, die Fragen auf, wel- 
che früher zur @ewächsphysiologie (welches Wort Schleiden, 
nicht ohne Grund, als unpassend, aus der Botanik ausgestrichen 
hat) gerechnet wurden; aber nicht der Morphologie gebühren. 
Der Phytonomie specieller, angewendeter Theil wird die Pflan- 
zengeographie; und wäre es erlaubt den Werth einer Wis- 
senschaft nach ihrem Einfluss auf die menschliche Kultur zu 
beurtheilen, dürfte sie wohl einen der ersten Plätze verdienen; 
da sie gerade die Hauptbedingung zur Erfüllung von der Be- 
stimmung des Geschlechts, den Zweck von der Mission des 
Menschen auf der Erde, abhandelt. 


$. 2. 
Die Natur wurde dem Menschen in der Schöpfung zum 
Königthum überlassen; aber jede Herrschaft, welche nicht zu- 
gleich Schutz ist, wird Gewalt und wirkt zerstörend. Der 


Das Vaterland der Gewächse. 32 


verwilderte, rohe Naturmensch steht zu Allem ausser sich im 
feindlichen Verhältniss; er will die Natur tyrannisiren, nicht 
schützen; gleich dem Raubthier findet er ein Vergnügen an der 
blossen Zerstörung. Dornen, Disteln und die so treflend be- 
nannten Ruderalpflanzen, hässliche oder giftige, folgen der Spur 
“der Zerstörung; mit Recht kann man dann sagen: die Erde sei 
des Menschen wegen verflucht. Diesen Fluch zu lösen, die 
verlorne Schönheit wieder herzustellen und ihre Producte zu 
veredeln ist der Zweck der Kultur; eine unumgängliche Bedin- 
gung für das Gedeihen der ganzen organischen Natur und noch 
mehr für die höhere, geistige Entwicklung des Menschen. Wo 
der Mensch die Natur von seiner eigenen Zerstörungslust be- 
freit, tritt er auf die Bahn der Civilisation. Aber um die Na- 
tur in ihrer ursprünglichen Schönheit wieder herzustellen, ihr 
Productionsvermögen auf die höchste Höhe zu treiben, wird 
nicht bloss Arbeit und Kampf erfordert, sondern auch die hö- 
here Einsicht, welche die oben genannte Wissenschaft verleiht. 

Dass die Natur, deren äusserer Ausdruck die Vegetation 
ist, aus der Hand des Schöpfers ausgegangen oder primitiv, in 
allen Ländern, in ihrer Art reich und schön gewesen, haben 
. wir viele Anleitungen anzunehmen. Auch wo das Klima nun 
mehr allen menschlichen Anstrengungen entgegenwirkt, z. B. 
in den öden Gegenden Sibiriens und auf den in Schnee gehüll- 
ten Küsten des Südmeeres, finden sich unverkennbare Beweise 
von einem glücklicheren, verronnenen Zeitalter. Die Oasen in 
Zara sind zurückgebliebene Denkmäler von der ursprünglichen, 
verschwundenen Herrlichkeit. der Wüste; das blühende Palmyra 
und viele andere reiche Orte sind durch das sich ausbreitende 
Scheusal der Verwüstung gefallen. Aber wir besitzen auch 
viele Beweise für das Vermögen der Menschenkraft (wenn sie 
ihren Beruf kennt) dieser entgegen zu wirken, ja! sie zu über- 
winden*). Beinahe überall, wo wir der Verödung von ihrem 
Beginn an folgen können, wie auf unseren Flugsand- und Hun- 
ger- Feldern **), finden wir, dass sie die Strafe für das Verbre- 


*) So wurde die Stadt Engelholm im vorigen Jahrhundert mit Zer- 
störung von dem Krebs des Flugsandes bedroht, aber durch ihre 
Pflanzungen wird sie jetzt von herrliehen Hainen umgeben. Die 
Besitzungen zweier grossen Dörfer in Christianstadts Lehn wurden 
davon aufgefressen bis der Besitzer von Vidschöfle einen Damm 
dagegen setzte. Während der späteren Lnstra hat die Akademie 
des Laandbaues überall mit besonderer Fürsorge und Erfolg die 
"Dämpfung des Flugsandes umfasst. 

Die meisten von diesen sind innerhalb der historischen Zeit durch 
die Zerstörung des Menschen entstanden. Ursprünglich sind sie 


*F) 


22 * 


9322 “ Das Vaterland der Gewächse. 


chen des Menschen gegen die Natur sind. Bei der Entdeckung | 
‚Islands war das Land noch.unbetreten von des Menschen Fuss, 
waldbewachsen mit kräftiger Vegetation; die ‘ersten Eroberer 
zerstörten mit Feuer den Wald, welcher nunmehr verschwun- 
den ist und die Vegetation nimmt mit jedem Tag ab*). Allein 
späteren Zeiten entdeckten Länder haben, in Hinsicht auf das 
Klima, in dem Verhäftriss in welchem der Mensch darin nicht 
zerstörend eingegriffen hatte, eine reiche und üppige Vegetation 
gehabt; die Gewalt des Menschen bewirkt ihre Verwilderung 
um so mehr, je mehr das Klima hart und ungünstig ist; aber 
ihre Veredlung führt auch in demselben Verhältniss reicheren 
intellectuellen Gewinn mit sich. Alle die ältesten, blühendsten 
Kulturstaaten, z. B. Assyrien, Palästina und sämmtliche unter 
türkischer Gewalt befindlichen Länder, sind verwildert worden, 
als sie in raublustige Hände fielen, welche nur die Natur aus- 
zuplündern suchten. Spanien, diess von der Natur mit einem 
'so glücklichen Loose beschenkte, ist schuldhelastet dadurch, 
dass es nach Vertreibung der Araber, deren schönere Siege 
über die Natur des Landes zu verfolgen, im Streben nach dem 
Golde Amerikas ausser Acht gelassen. Die Geschichte weist 
nicht ein einziges Volk, als im Genuss von dem Glück der 


waldhewachsen gewesen, durch die Zerstörung des Waldes und 
die Verheerungen des Feuers sind sie geworden, was sie sind. 
Noch heute will der Wald wiederwachsen auf den kahlen Heiden 
z. B. in Sunnerbo u. a. O., aber ein beständiges Abschwenden F) 
von der Oberfläche hat auf mehreren Stellen den Boden aller ed- 
leren Vegetation beraubt. Bei Ljungby ist diess Uebel in eine of- 
fene, fressende Wunde, den Flugsand, ausgebrochen. Am Sce- 
strande werden dergleichen dadurch gebildet, dass der für neuen 
Landgewinn gleich dem Sande aufgeworfene Verband, der 'Vang, 
abgekratzt wird. — Wir werden künftig noch mehrere Beispiete 
liefern. Auch das Klima wird durch Vernachlässigung der Natur 
» verpestet, Z. B. an mehreren Orten in Italien. a 

+) Abschwrenden, schwenden (svedja) nennt man dag’in Schweden 
häufig stattfindende Verfahren die Bäume abzuhauen, trecken 
werden zu lassen, sie dann anzustecken, Zweige, Nadeln und 
das auf dem Boden wachsende Heidekraut abzubrennen "und 

dann in die Asche davon zu säen. 

Anm..d. Red. 
*). Unsere [Schwedens] westliche Küsten, vorzugsweise Bohuslehn, 
" bezeugen, dass jetzt kein Wald hervorkommen kann wo er früher 
üppig gewesen ist. Die genannte Landschaft ‘giebt. gleichwohl 
während der letzteren 30 Jahre einen erfreuenden Beweis davon was 
0 ©. die Kultur vermag; nachdem man auch den Reichthum des Meeres aus- 
“ “geplündert, wendet man sieh zur Würdigung der Vegetation seines 
‘"Landes', wodurch dieses Land nun schöner und mehr gesegnet st, 
als während. der reichsten Fischzeit.:- Vergl. Bar. M, v. Dübens 
‚Reise - Bemerkungen in Bohus. 


Das Vaterland der Gewächse. 323 


Kultur gewesen, nach, welchem diese nicht als Erbtheil durch 
Erfüllung seines ersten irdischen Berufes seines Landes Natur 
zu veredeln und dessen vegetative Kraft zu erhöhen, zugefal- 
len. Gottes Friede über die Natur, worauf die politischen und 
wissenschaftlichen Weltstürmer, mit den absoluten Ansprüchen 
mit Verachtung niederblicken, wie der wirkliche Eckstein der 
Kultur — und eben so gewiss, wie für die moralische und gei- 
stige Welt das Gebot am höchsten gilt: suchet zuerst das 
Reich Gottes, so gilt für die physische und leibliche der 
schon vor des Menschen Abfall von daher gegebene Befehl: 
herrschet über die Natur, ohne dessen Erfüllung der Se- 
gen der Kultur, mit seinem Füllhorn, niemals Volk und Land 
zufallen kann*). 

Man möge es uns nicht zur Last legen, dass wir über die 
Idee der Wissenschaft hoch zu denken wagen, denn dadurch 
werden wir selbst gedemüthigt, indem wir einsehen, wie viel 
uns mangelt unsern wahren Zweck erreicht zu haben. Die Zeit, 
das Geschlecht, welches sich am höchsten schätzt, seiner Weis- 
heit und Stärke schmeichelt, hat durch diess Vertrauen auf 
diese schon seine Herrlichkeit und den höheren Beistand’ ver- _ 
loren, welche die unbezwingliche Kraft der Unschuld und Re- 
signation ist. Und Keiner erfährt diess im reicheren Maasse, 
als die Arbeiter in den Weingärten des Geistes und der Natur, 
deren ideeller Beruf ist, dass Jeder auf seinem Wege das Pa- 
radies auf Erden wiederherstelle. Die Naturforschung, welche 
nicht religiös, friedenstiftend zwischen dem Menschen und der 
Natur ist, muss. gleich wie jede Religion , welche nicht frieden- 
stiftend zwischen Gott und dem Menschen ist, dem Egoismus 
und dem Princip der Zerstörung huldigen. In der doppelten 
Bedeutung des Wortes: Kultur und Paradies, wird angedeutet, 
dass das irdische und. geistige Fortschreiten unscheidbar sind, 
ja nach den Gesetzen der Natur muss des ersteren Zuwachs 
der Blüthe des letzteren vorhergehen. "3 


6. 8 


Auch wo der Mensch nicht mit Vorsatz feindlich gegen die 
Natur verfährt, giebt es kaum einen Moment, welcher tiefer in 


*) Der Schutz über die Natur, welcher eine Bedingung für die 
Entwicklung der Menschheit, für die Herrschaft der Kultur und 
den Frieden auf Erden ist, ist in diesen Tagen unter uns öffentlich 
erheben und mit geistiger Wohlredenheit nachgewiesen 
worden, 


324 Das Vaterland der Gewächse. 


eines Landes Physiognomie eingreift, als des Menschen Besitz- 
nahme desselben. Schutzlosigkeit und Unkenntniss stiften eben 
so viel Böses in der Welt, al Bosheit; höhere Eimsicht ist 
die Bedingung für alles Fortschreiten. Der Wilde, stolz wegen 
seiner rohen Kraft, führt mit der ganzen organischen Natur 
Krieg; der Nomade schützt nur ihren einen Theil, aber feind- 
lich gegen die Vegetation untergräbt er das Mittel für seinen 
eigenen Bestand. Nur der Ackerbauer, welcher die ganze 0T- 
ganische Natur umfasst, kann zu dem Genuss der höheren Vor- 
theile der Kultur kommen. Auf derselben Erdfläche, wo ein 
Wilder, anbetend seine am meisten gefürchteten Naturfeinde, 
z. B. Schlangen, Gewitter u. s. w,, sein elendes Leben fristet, 
leben 10 Nomaden gewiss ein glücklicheres, dennoch unruhigeres 
Leben, freundlichere Mächte, die Sterne und die mit ihnen 
verbundenen Thiere, verehrend. Aber wo 10 Nomaden sich er- 
nähren können, da können 100 Ackerbauer wirklich leben, das 
Ganze umfassend zuerst sich zur Quelle alles Daseins erheben 
— und so die Wiedergeburt ihres Eigenthums wie die der Na- 
tur versuchen. Wie die Nomaden von den Ackerbauern ganz 
vertrieben wurden, nachdem Kain den Abel erschlagen, so ver- 
drängten die edleren Erndten der Kultur die wilde Vegetation; 
die Civilisation vertilgt, so viel als möglich, sowohl die Eigen- 
thümlichkeiten in der Flora des Landes, als in dem Geist des 
Volkes. 

Während dem der Mensch sich das ganze Land unterwarf 
und zu seinem Schutze das fruchtbarste anbauete, musste ein 
srosser Theil der gerade auf diesem vorkommenden, ausgezeich- 
netesten, edelsten Pflanzenproducte verschwinden. Vorzüglich 
gilt diess von denjenigen Naturproducten, welche der Mensch 
für seinen Bedarf am fleissigsten aufsucht; so lange die Natur 
selbst sie in Menge hervorhringt, denkt Keiner auf ihren Schutz, 
z. B. noch heute in Schweden an den des Waldes; sondern 
erst nachdem die von der Natur erzogenen beinahe ausgerottet 
worden, nimmt man auf deren Wiedererzeugung Bedacht, wie 
des Waldes in Dänemark und Norddeutschland. Man wählt 
dann die für sie am meisten passenden Stellen und nachdem 
sie auf diese Art Kulturpflanzen geworden, verschwinden sie 
als eigentlich wildwachsende, und der nunmehr selbstgesäete 
Bestand davon wird für verwilderte*) angesehen. So, unter 


*) Viele von unseren angebauten schwedischen Gewächsen z.B. Aepfel, 
Birnen, Berberitzen, Akeley, Moorrüben, Rüben, Pastinacken, 
Spargel, Sellerie, Waid und mehrere, sind unbestreitbar vollkom- 


Das Vaterland der Gunitchr 325 


unzähligen Beispielen, ist das Verhältniss mit den Nadelbäumen 
in Dänemark. Dieses ist die wirkliche Ursache, weshalb so 
viele Kulturgewächse nun als wildwachsende ausgegangen sind; 
ihr eigentliches Vaterland kann nicht durch empirische Beweise, 
aber durch rationelle*) von allgemeinen pflanzengeographischen 
Gesetzen erörtert werden. So ist der Lein (die Gattung Lein 
hat ihr Maximum in Europa; wo eine Gattung ihr Maximum 
hat, da ist das Vaterland für ihre ältesten Arten) eine europäische 
Pflanze, ältere Botaniker sahen sie für wild an, sogar Rajus, 
welcher in diesem Fall sehr genau war; nun. hält man sie über- 
all für verwildert, obgleich man kein anderes Vaterland als 
„in Europae agris“ für sie angeben kann. In Amerika hat man 
angefangen zu bezweifeln, ob die Kartoflel (Solanum tuberosum) 
wild sei. Während des letzteren Jahrhunderts haben wir meh- 
rere Beispiele von Pflanzen gehabt, welche in gewissen Ge- 
genden durch begehrliches Nachsuchen beinahe ausgerottet 
worden und Gegenstand der Kultur werden mussten, z. B 
Oxalis Acetosella in der Nachharschaft der Oxalsäure-Fabriken; 
ja, sogar Alpengewächse, z. B. Gentiana Iutea und purpurea. 
Inula Helenium war noch vor 50 Jahren in den westlichen 
Provinzen [Schwedens] nicht besonders selten, ist aber jetzt 
grösstentheils ausgegraben. Asarum, welches zu Leche’s 
Zeit häufig bei Heckeberga und damals zugleich eine begehrte 
Arzneipflanze war, wurde schnell beinahe ausgerottet. Es sind 
gerade die ausgezeichnetesten, für den Menschen wichtigsten 


men einheimisch bei uns, obgleich man sie gewöhnlich für einge- 
führt hält, nachdem sie allgemein angebaut werden; mehrere haben 
sich vortrefllich in den einsamsten nördlichen Wäldern wild erhal- 
ten, z. B. Hopfen, Johannisbeerarien u. s. w.; die Vogelkirsche 
findet sich irn den wildesien Wäldern in Nord-Smäland und auf 
dem Holberge in Ost-Gothland. Man hat auch vermuthet dass die 
Mehlbeere (Crataegus Aria) bei uns eingeführt sei, bloss deshalb, 
weil sie zugleich angebaut wird; aber sie findet sich nicht ausser 
Schweden wild. Fragaria elatior ist auch. sicher einheimisch ; se 
fand ich sie letziverflossenes Jahr auf einem Bergrücken bei Fun- 
bosjö in Upland. 

*) Als ein Beispiel wollen wir Brassica campestris und Drassica 
Napus anführen, deren Vaterland man ausserlands als unbekannt 
annimmt. Da sie vor der Entdeckung Amerikas gekannt waren 
und dort fehlen, so können sie nicht davon herstammen. Von der 
südlichen Hemisphäre können sie es aus derselben Ursache nicht; 
alle Cruciferen von daher gehören zu einer eigenen weit davon 
verschiedenen Gruppe, und zwischen den Wendekreisen gedeihen 
keine Cruciferen, Also müssen sie von den kalten, temperirten 
Zonen herstammen, wo die Familie ihr Maximum hat. Aber in 
Nordasien sind sie erst von den Europäern in den spätesten Zeiten 
eingeführt worden, folglich sind sie europäischh 


326 Das Vaterland der Gewächse. 


Pflanzen, welche die empfindlichsten , die am leichtesten ver- 
schwindenden sind; hierin liegt ein directes Gebot für den Men- 
schen sie in seinen Schutz zu nehmen, ehe Unkräuter und Un- 
geziefer ihre Stelle einnehmen, welche endlich die Plünderer 
selbst vertreiben. Die alten Kulturländer z. B. Griechenland, 
der Orient, Egypten haben relativ eine dürftige Flora, dagegen 
die noch im Naturzustande befindlichen eine reiche, wilde Ve- 
getation, z. B. Neuholland, Amerika, auch in den kälteren Ge- 
senden, gegen die Isothermen in der alten Welt. Das erstere 
kann man von dem ganzen mehr angebauten Europa sagen, wo 
der ursprüngliche Reichthum nur zum Theil noch in Berggegen- 
den übrig geblieben ist, in welchen man gewöhnlich die auf 
dem ebenen Lande angebauten Bäume u. s. w. wild findet.: 
Diess erklärt zugleich, weshalb man in Schweden nicht bezwei- 
felt, dass eine grosse Menge Pflanzen hier wirklich wild sind, 
welche man in Dänemark, Norddeutschland, Eugland für ver- 
wildert ansieht; aber man braucht deshalb diese nicht für ein- 
geführt alrznsehkir; sie sind nur die geschützten Ueberbleibsel 
von der einheimischen Vegetation, nachdem der Mensch sich i in 
Besitz von ihren besten Bihostitaten gesetzt hat. 

Ganz dasselbe Verhältniss ist es und noch mehr in die 
Augen springend mit der Fauna eines Landes, obgleich diese 
ausser unserem Gegenstande liest. Wie der Reichthum von 
edleren Thieren durch Berührung mit dem Menschen immer 
ärmer und ärmer wird, ist hinreichend bekannt. Das Ungezie- 
fer nur vermehrt sich später von selbst. Die nützlichen Thiere 
z. B. das Elendthier, der Edelhirsch, der Auerhahn, Birkhahn, 
die Fischerei musste er entweder in Ruhe lassen oder unter 
seinen Schutz nehmen, z. B. das Rindvieh, Schwein, die Biene, 
welche wir mit Gewissheit als ehemals bei uns wild kennen. 
Die früher so häufigen Blutegel hat man in den letzten Jahren 
an manchen Stellen ausgerottet, und fängt nun an sie in eine 
Art Wasser - Hausthiere zu verwandeln. Es ist eine grosse Ver- 
wirrung bei Vielen anzunehmen, dass Alles, was angebaut wird 
und beschützt werden muss, deshalb ausländischen Ursprungs sei. 

Es ist unläugbar eine Einseitigkeit der Naturforscher, über 
diesen Einfluss des Menschen auf die wilde Natur zu klagen, 
wenn er mit der ausgebreiteten Herrschaft der Kultur im Zu- 
sammenhang steht; er ist gerade eine Bedingung für die Wie- 
dergeburt und Veredlung der Natur. Es ist ganz, als wenn 
die Philosophie über die Ausbreitung der Civilisation klagte, 
durch welche die Individualität so vieler kleiner Volksstämme 
vertilgt wird; die Theologie über die Bestimmung der :christli- 


Dus Vaterland der Gewächse. 327 


chen ‚Religion zur Weltreligion, weil ‘dadurch so’ viele andere 
Kulten untergehen. Es ist nicht schwer einzusehen, dass die 
höhere Entwickelung des Lebens durch den Landbebauer mehr 
befördert wird, als von den Nomaden und Wilden. Der Bota- 
niker kleines Interesse muss sich hierbei dem grossen Zweck 
der Kultur unterordnen, sie müssen den auf Vorurtheil, nicht 
in der Natur begründeten, scharfen Unterschied zwischen wil- 
den und angebaueten Pflanzen *) aufgeben. Erst dann, wenn 
die Kultur ihren Schutz über die Natur in ihrer Totalität ver- 
breitet, kann der Mensch sich im edleren Sinne den Beherrscher 
der Natur nennen. Er umfasst dann auch das Einzelne, jeden 
Gedanken der Schöpfung, aber er ordnet diess Einzelne seinem 
höheren Zwecke unter. 

Es muss nämlich richt übersehen werden, dass dieser 
Schutz zugleich eine Bedingung für die Pflanzenwelt ist, ihre 
typische Vollkommenheit und Mannigfaltigkeit zu gewinnen, ob- 
gleich die Botaniker die Sache gewöhnlich von einem anderen 
Gesichtspunkte betrachten; wie viel edler sind nicht die durch 
die Kultur hervorgebrachten Formen, oft so abweichend, dass 
die Botaniker selbst ihre Identität mit den wilden **), oder viel- 
leicht vielmehr durch den gegenseitigen Streit ‘der Natur ver- 
wilderten, nicht wiedererkennen. So kommen mir alle unsere 
Fruchtbäume in ihrer wilden, zur Wehre gegen die Gewalt der 
Thiere stachlichen Buschform mit sauren, wiıdrigen Früchten, 
als ihre ursprüngliche,. typische Schönheit. verloren habend, 
vor, welche unter der Hand, des Beschützers wieder hergestellt 
wird, indem sie, ihre für den Kampf nothwendige Stachelbe- 
wafinung ablegend,, zu schlanken Stämmen erwachsen, des Er- 


*) Sie verwickeln sich dadurch in eine Menge unauflösliche Wider- 
| sprüche. So will man in mehreren Floren den Lein und den Ho- 
pfen nicht anerkennen, nimmt aber ohne alles Bedenken Cuscuta 
epilinum und Orobanche ramosa auf, welche niemals anderwärts 
vorkommen. Viele Ackerpflanzen sind gleich untrennbar von an- 
gebauten Getreidearten. Wird eine Pflanze angebaut, so erkennt 
man sie nicht für einheimisch an, z. B. YFicia sativa, aber wohl 
wenn sie sparsamer vorkömmt, aber nicht angebaut wird. 

*#) So ist die stachliche Lactuca Scariola die "Stammpflanze zu der 
! angebauten 'Lactuca sativa, crispa, capitata und laciniata; Bras- 
sica campestris zu B. Rapa u. m.; wir zweifeln kaum daran, 
Avena sativa unter einer der wilden Avena-Arten aufsuchen zu 
"können; den Roggen in Secale fragile, denn der Roggen ist eine 
ursprünglich europäische Getreideart und das auf den trocknen 
Sandfeldern Ungarns, der Wolga wildwachsende $. fragtle unter- 
scheidet sich nur durch seine zerbrecbliche Achre, ganz wie unser 
wildes Triticum junceum auf unseren Flugsandfeldern hat, verliert 


aber diese Eigenschaft durch einen längerem Anbau auf fruchtbarem 
Boden, 


328 Das Vaterland der Gewächse. 


ziehers Mühe mit den herrlichsten Früchten lohnend. So. ist 
das Verhalten mit unseren angebauten Wurzelsewächsen (z.B. 
Moorrüben, Pastinack, Rüben) und Stengelpflanzen (Spargel, 
Kohl u. s. w.); im wilden Zustand sind sie baumartig, herbe; 
im angebaueten [durch reichliche Nahrung ] fleischig, saftig, 
wohlschmeckend. Diese Erhebung des Wilden, verbunden mit 
Hass gegen den Einfluss des Anbaues, unter den Botanikern, 
leitet die Wissenschaft so leicht vou dem grossen Zweck der 
Menschheit ab, ganz wie Rousseau, durch Vergötterung des 
Naturzustandes des Menschen, die ganze menschliche Kultur 
als verderblich beurtheilte. 


$. 4. 


Ein unter unsern Botanikern ziemlich allgemein verbreitetes 
Vorurtheil ist, dass die älteste Vegetation Schwedens dürftig, 
einförmig und arm gewesen; dass alle üppigeren Gewächse in 
späteren Zeiten oder zufälligerweise eingeführt worden. Es 
sründet sich auf eine nach unserm Dafürhalten unrichtige An- 
sicht über den Ursprung der Pflanzen, als durch den Boden 
und das Klima des Landes hervorgebracht; und da keines von 
beiden dieser besonders begünstigend erscheint, hat man sich 
den grösseren Theil der Pflanzen als eingewandert gedacht 
Die Frage von dem Ursprung der Pflanzen muss ganz und gar 
von der Lehre über das Vaterland der Pflanzen geschieden 
werden, und die Untersuchung über das Ursprüngliche liegt 
auch ausser der Gränze unserer Forschungen. Die Lehre von 
der Wanderung der Pflanzen, wenn man sich dabei nur eine 
zufällige Vermehrung des Vorhandengewesenen denkt, und sie 
nicht als eine grössere, periodische, auf bestimmten Gesetzen 
in der ungleichen Natur der Gewächse beruhende Umwechslung 
auffasst, muss nicht minder nachtheilig auf diese Frage einwir- 
ken. Wir kennen keinen Theil der speciellen Botanik, welchen 
man weniger im Zusammenhang, ohne Rücksicht auf Geschichte 
oder das grössere pflanzengeographische Verhältniss behandelt. 
Ist eine Pflanze ausgezeichnet, einmal angebaut oder kömmt sie 
am gewöhnlichsten auf angebauten Stellen oder in der Nachbar- 
schaft der Menschenwohnungen vor, so ist man gleich mit der 
Vermuthung bei der Hand, dass sie nicht als einheimisch zu 
betrachten, dass sie eingewandert sei. Es würde zu einer 
ausserordentlichen Weitläufiskeit führen alle Missgriffe auf die- 
sem Wege von Linnes Flora suecica und Coloniae plantarum*) 


*) Linne scheint mir in den meisten Fällen mehr eingesehen zu ha- 
ben, dass die Pflanze in dem angegebenen Stammlande ihr Maxi- 


- Das Vaterland der Gewächse. 399 


bis zu Sv. Botanik aufzurechnen*). Gewöhnlich hat man dazu 
keinen andern Grund, als dass die Pflanze früher nicht gesehen 
worden oder einer Provinz angehört, welche an ein anderes 
Land gränzt, wo sie allgemeiner vorkömmt, ohne zu erwägen, 
ob die erste innerhalb ihrer natürlichen Ausbreitungszone liegt. 
Von dieser Art sind alle, welche in Linn. Fl. p. IIL, IV. auf- 
gezählt werden. Innerhalb der aretischen Flora kann man nicht 
über einige Wanderungen deshalb sprechen, dass eine Art frü- 
her in dem einen Lande, als in dem andern gesehen worden. 
Besonders vorsichtig muss man in Folge eines Theils der hier- 
auf bezüglichen Traditionen sein; in Vestbo hat man eine Tra- 
dition über die Einwanderung der Heide, die jetzt eine Land- 
plage ist. Nach einer dergleichen Sage hat Retzius in der 
El. Oec. angegeben, dass die Buche von den Mönchen einge- 
führt worden, obgleich sowohl alte Urkunden, wie der älteste 
Kalktuff bei Benestad bezeugen, dass sie in der Vorzeit allge- 
meiner war und nach einer blossen Vermuthung lange nach 
Linnes Zeit, ist es eine Sage, welche nicht den geringsten 
Grund hat, geworden, dass der ältere Rudbeck Fritillaria 
Meleagris auf die Königswiese bei Upsala eingeführt. Sie fin- 
det sich nicht bloss überall auf niedrigen feuchten Wiesen 
um Upsala, sondern auf unzähligen der !entferntesten Orte, 
sogar in tiefen Tannenwäldern wo der Boden umfriedigt ist, 
über ganz Upland zwischen Gefle und Stockholm. 

Gewöhnlich stellt man sich die älteste Vegetation Schwe- 
dens, als einen Urwald von Nadelbäumen, nebst den in diesen 
vorkommenden Waldpflanzen, vor. Wir sind im Gegentheil 
überzeugt, dass die wilde Vegetation reicher und dem Laubwald 
mehr allgemeiner war, als jetzt. So ist auch das Verhalten 
auf dem Harz und an mehreren Orten, mit Plinius’s und Ta- 
citus’s Beschreibungen verglichen. Die älteste Ausbreitung 


mum habe, als dass eine Uebersiedlung im buchstäblichen Sinne 
stattgefunden. In der letzteren Arbeit werden zwar einige zufälli- 
gerweise verwilderte angenommen, aber da Linne in Folge seiner 
Theorie über den Ursprung der Pflanzen (nach welcher gleichwohl 
alle eingewandert sein mussten) allzuviel Gewicht auf die WVan- 
derungen legte, müssen sie vorsichtig benulzt werden. So werden 
Humulus und Berberis für aus Gärten ausgewanderte gehalten. 
In mehreren Fällen fand sich später, dass in dem Lande, von 
welchem man eine Art herleitete, nur eine ganz andere Art wächst, 
z. B. Astragalus arenarius von England, Cynomorium coccineum 
von Jamaica hergeleitet. 

##) In Svensk Botanik, besonders in den acht älteren Bänden sind aus 
Mangel an Untersuchungen in der Natur unzählige Pflanzen als 
nicht einheimische angegeben, welche diess ohne Zweifel sind, 


330 Das Vaterland der Gewächse. 


‘unseres Laubwaldes wurde in späteren Zeiten !eingeschränkt, 
nicht erweitert. In einem uralten Tannenwald, in dessen Nach: 
barschaft jetzt keine Eichen mehr gefunden werden, habe ‘ich 
unter einem der dieksten Mooslager so gewaltige Eichenstämme 
gefunden, dass ich zweifle, dass ihre Zeitgenossen jetzt in 
Schweden leben; bei Femsjö finden sich jetzt nicht ein Zehntel 
Eichen gegen vor 50 Jahren noch, und wie abzehrend, mit 
vertrockneten Kronen, stehen nicht die Eichen an den Ufern 
des Dalelfs, ohne dass man eine einzige jugendliche und freu- 
dig gedeihende sieht. Das gleiche Verhältniss ist es an meh- 
reren Orten mit der Buche; die Tradition erwähnt ihrer, wo 
sie sich nun nicht mehr findet. In Mooren, welche eine eigene 
Art von Wüstenbildung darstellen, finden‘ sich ja in allen Ge- 
genden des Landes Ueberreste von nun verschwundenen Laub- 
wäldern*). Die Menge von Namen der Dörfer von Eiche, Ahorn, 
Linde, Esche, Eller u. s. w., wo diese Bäume nun mangeln, 
bezeugen, dass bei ihrer Anlage von diesen Bäumen da Wald- 
haine waren. Auf unseren grösseren angebauten Landebenen 
sind sie gewöhnlich verschwunden; in den wildesten Berzgegen- 
den z. B. Nord-Smäland ist die grösste Abwechslung und 
Reichthum an Laubwald. Durch die Kultur ist der Nadelwald 
in Dänemark verschwunden. Hornemann giebt auch die 
Esche u. m. als dort eingeführt an; in England giebt man so 
die Linde u. m. an; bei Berlin den Apfel u. s. w., alles sicher- 
lich unrichtig; obgleich sie sich jetzt gegen die fortschreitende 
Kultur allein durch Schutz erhalten. Mit einem reicheren Laub- 
wald muss eine reichere Flora vereinigt gewesen sein. Viele 
Dickichte, Bergschluchten, Inseln und Klippen [skär, Scheeren] 
waren den grasfressenden Thieren auch lange unzugänglich, bis 
das Bedürfniss und die Verschlagenheit des Menschen Auswege 
fanden von Allem Gewinn zu ziehen. Noch erhält sich jedoch 
eine und die andere Pfianze friedlich an diesen Stellen. Meh- 
rere unserer ausgezeichnetesten Pflanzen, welche sich noch in 
wenigen Exemplaren an zersireuten Orten oder auf einer ein- 
zelnen Stelle erhalten z. B. Vicia pisiformis, V. dumetorum, 
Stipa, Betonica, Elymus europaeus u. m. sind Ueberreste von 
der älteren, reicheren, wilden Vegetation und diese gehen wahr- 


*) Wo Laubwälder über dem Boden gefällt werden und zur Verrot- 
tung liegen bleiben und der Ablauf des Wassers gehindert ist, be- 
ginnt gewöhnlich die Moorbildung; wo Laubwald abgeschwendet 
und der Boden nachher zur Weide benützt wird, wächst später 
Nadelwald, wird er eingehegt, wieder Laubwald. 


Dis Tieldrkikil iin Geikichsä. 331 


scheinlich ihrem Untergang entgegen , gleich ‚wie innerhalb der 
letzten 50 Jahre Trapa, Xanthium, Ilex u. m. Das Merkwür- 
digste ist, dass dieses nicht eine bei uns isolirte Thatsache 
ist, sondern dieselben Pflanzen auch in nahe liegenden Ländern 
abnehmen. Die Stipa ist in England ausgegangen ‚ das Xan- 
thium früher in Dänemark nicht selten ist dort jetzt beinahe 
verschwunden, die Trapa nimmt in Norddeutschland (vergl. 
'Schwaegrich. Topogr. Lips.) von Jahr zu Jahr mehr ab, so 
dass sie gegenwärtig als Kulturpflanze aufgenommen ist. 

‘Eine 'noch wichtigere Stütze erhält diese Ansicht von den 
Pflanzen, welche unzweifelhaft einheimisch, nunmehr selten 
‘oder niemals bei’ uns blühen. 8. $. 7. 

$. 5 

Die ursprüngliche Vegetation eines Landes bleibt uns gleich- 
wohl immer ünbekannt; was wir ursprünglich nennen ist nur 
relativ älter, als etwas später Hinzugekommenes. So nennen 
wir die Atzteken relativ zu den Spaniern die Ureingebornen 
Mexicos, aber wir wissen gleichwohl, dass diese relativ zu einem 
älteren Volksstamm eingewandert waren. Ganz dasselbe Ver- 
halten ist es in der Natur; in dieser findet sich nichts stillste- 
hend, am wenigstens in der Vegetation eines kultivirten Landes. 
Man darf blos die Vegetation 50—100 Jahre in einem solchen 
beobachten, um bedeutende Ungleichheiten zu finden, z. B. in 
Schonen nach Leche’s und Linne’s Zeit. Ein Theil Pflan- 
zen ist ausgegangen; viele haben ihre Standorte verändert: 
aber sie sind auf diesen eben so einheimisch, denn man muss 
nicht glauben, dass jede Pflanze nun auf demselben Fleck steht, 
wie vor Tausend Jahren früher. In wie weit einige klimatische 
‘Veränderungen hieran einen Theil haben, können wir aus Man- 
gel sicherer Thatsachen nicht entscheiden. Man 'sagt zwar, 
dass auf den Alpen Norwegens jetzt grosse Baumstämme hoch 
über der gegenwärtigen Baumgränze gefunden werden, aber 
man schreibt diess jetzt der successiven Erhöhung des Landes 

' Wenn während dieser die Alpenpflanzen weiter abwärts 
Hear! sind sie da eben so einheimisch, wie auf ihren ‚,ur- 
‚sprünglichen “ Standorten. Durch andere Naturbegebenheiten 
kann auch die wilde Vegetation verändert ’werden, bald sich 
weiter ausbreiten, bald eingeschränkt, ja auf ganz andere Lo- 
kale übertragen werden. Nach einer Ueberschwemmung habe 
ich auf grösseren Stellen Nadelwald aussterben und Ellern auf- 
wachsen sehen; und diese Ellern waren eben so wild, als wenn 


332 Das Vaterland der Gewächse. 


sie von ewigen Zeiten da gewachsen wären. Denn wild ist 
diejenige Vegetation, welche von der Natur inner- 
halb der natürlichen Ausbreitungsregion jeder Art 
selbst gesäet ist. Und damit ist alles weitere Forschen 
nach ihren Wanderungen unnöthig. 

Worüber man sich bei Beurtheilung des fremden Teenies 
einer Pflanze erst vorher Rechenschaft. geben muss, das sind 
die ungleichen Gesetze für Wachsthumsart und Ausbreitung un- 
gleicher Pflanzen. Die Bestimmung eines Theils derselben ist, 
die unveränderte Jahr für Jahr verbundene Erdoberfläche zu be- 
kleiden. Diese wachsen, wie alles Dauernde, langsam, Sie 
werden dadurch beständig und so lange die Erdoberfläche 
nicht einige gewaltsame Veränderungen, entweder durch Men- 
schenhand oder Naturereignisse, durchlaufen, finden sie sich 
immer, während Jahrtausenden auf derselben Stelle, denn durch 
Knospenbildung können sie sich, so zu sagen, in Ewigkeit ver- 
jüngen und in: ihrer inneren Natur liest keine natürliche Ursa- 
che zu ihrem Tode. Solche Pflanzen sind die Bäume und alle 
Kräuter, welche Knospen ansetzen. Die Bestimmung Anderer 
ist die lockeren Erdlagen der der Veränderung unterworfenen 
Erdoberfläche einzunehmen (z. B. der Berge und Flüsse, Sand- 
felder, Stellen, welche durch Waldfeuer, Ueberschwemmungen 
u. Ss. w. ihre beständige Vegetation verloren), oder auf welchen 
sich ein so unzureichender Humus findet, dass eine beständige 
Vegetation nicht das ganze Jahr über Nahrung findet. ‚Diese 
bekleiden schleunig die, durch die angeführten Ursachen, ihrer 
beständigen Vegetation beraubte Erdoberfläche; sie müssen des- 
halb einjährig oder zweijährig sein; in dem Verhältniss wie die 
Oberfläche fester wird, werden sie von der beständigen Vege- 
tation verdrängt um neue, für sie passende Plätze einzunehmen. 
Zu diesem Zweck pflanzen sie sich fort und vermehren sie sich 
ausserordentlich leicht durch Samen, welche auch lange Zeit 
in der Erde liegen können ohne zu keimen, bis sie den Platz 
gefunden für den sie bereitet worden sind. Diess sind die 
Nomaden des Pflanzenreichs, welche sich gewöhnlich nur 
eine kurze Zeit auf einer Stelle aufhalten, aber wenn; diese 
nicht länger für sie passt, ziehen sie zu anderen, oft weit ab- 
gelegenen. Sie wandern auch, wie die Zigeuner, von Land zu 
Land; verschwinden sogar in den Ländern, in weichen sie in 
der Geschichte zuerst auftreten, z. B. Geranium bohemicum, 
welches nunmehr vergeblich in Böhmen gesucht wird, aber ge- 
genwärtig nirgends häufiger vorkömmt, als in Schweden, wo.es 
zu Linne’s Zeit unbekannt war. Ihre Veränderungen: der 


Das Vaterland der Gewächse. 333 


- Wohnplätze werden sowohl durch die Natur.des Samens, als 
durch die Bekleidung der Frucht mit einer Haarkrone, Hüllen 
(Cynoglossum, Echinospermum, Aparine), und ihr Vorkommen, 
am liebsten in der Nachbarschaft der Menschen und Thiere, 
erleichtert. Nirgends will man, in Folge des einseitigen Be- 
sriffs den man sich von der beständigen Vegetation über ein- 
heimische Pflanzen gebildet, sie für solche anerkennen; denn 
nirgends sind sie mehr einheimisch als wo sie nun gegenwärtig 
(auch bei uns) auftreten. Es sind beinahe nur diese Pflanzen, 
welche zu der Vegetation eines Landes hinzukommen; äusserst 
selten finden sich einige neue mit festen Standorten ein und 
verbreiten sich. Aus einem alten Vorurtheil will man alle diese 
Pflanzen von Asien herleiten, ohne zu bedenken, dass die spo- 
radischen Arten Europas gewöhnlich dort fehlen; erst in den 
spätesten Zeiten mit den Europäern eingewandert sind. Der 
grössere Theil, wie die Mohnarten u. m., werden schon von 
Theophrast erwähnt, und dass Datura eine uralte europäi- 
sche Pflanze ist hat Bertoloni bewiesen. Man hat den Ur- 
sprung (mit welchem wir nichts zu thun haben) dieser sowohl 
nach Ost-, als Westindien verlegen wollen, aber in keinem die- 
ser Länder will man sie als wahrhaft einheimisch anerkennen, 
indem sie nirgends anders vorkömmt, als bei uns. Das wahr- 
scheinlichste ist, dass sie jetzt nicht mehr auf den Puncten 
angetroflen wird, wo sie zuerst auf der Erde aufgetreten. Hier- 
her gehören unsere meisten Ruderalpflanzen, welche man ge- 
wöhnlich zweifelt für einheimische ansehen zu können, indem 
sie meistens in der Nachbarschaft des Menschen vorkommen. 
Sind die meisten von diesen nicht einheimisch bei uns, so sind 
sie es auch nicht anderwärts, denn überall kommen sie unter 
gleichartigen Verhältnissen vor. In den Ländern, wo die für 
sie passenden Lokalitäten gewöhnlich sind, trifft man sie jähr- 
lich in Menge, wie die Pflanzen des abgeschwendeten Landes 
bei uns, obgleich sie ihre Wohnorte wechseln; aber wo die 
ersteren mehr zufällig, zeigen sie sich auch mehr zufälliger- 
weise und an der äussersten Gränze der Ausbreitungszone einer 
Art wird jede Pflanze sporadisch (beständige kommen da 
selten zur Entwicklung oder werden meteorische), diese müssen 
aber nicht minder für einheimische angesehen werden. 


$. 6 
Am gewöhnlichsten bezweifelt man das Recht der Ruderal- 
und Ackerpflanzen, als einheimische oder Eingeborne des Lan- 
des angesehen zu werden, indem man die Möglichkeit nicht 


er 


3 
ae 


334 Das Vaterland der 'Gewächse. 


einsieht passende Lokale für sie vor der Besitznahme‘.des Men- 
schen von dem Lande zu finden. ÜUnverkennbar hat diese ihnen 
eine grössere Ausbreitung, als sie vorher gehabt, ‘möglich ge- 
macht; man muss sich aber hierbei nicht in eine vorhistorische 
Zeit verlieren. Wir kennen ausser Island kein bewohnbares 
Land; welches nieht vor aller Geschichte bevölkert war. "Was 
man sich mehr einprägen muss, ist, dass in allen wilden Län- 
dern die Natur einen ganz anderen Charakter hat, über welchen 
wir uns schwerlich einen Begriff machen können.  Waldhbrände, 
Ueberschwemmungen, Flussausschnitte, Bergstürze u. s. w. 
sind da gewöhnlicher, wie wir in den wilderen Gegenden Ame- 
rika’s sehen können; in den grossen Urwäldern häufen sich 
Baumstämme über Baumstämme, deren vermoderte ' Stämme 
einen passenden Standort für sie bilden; auf solchen Stellen 
und auf Bergstürzen finden sich in unseren Bergwäldern immer 
eine Menge Ruderalpflanzen z. B. Cardui, Lithasperma, Urti- 
cae, Cynoglossum, Galeopsis, Lamia u. s. w. Die‘ Ruderal- 
pflanzen kommen da unter den eignen Ruinen der Natur vor; auf 
dergleichen kommen im nördlichsten Amerika mehrere von unseren 
Ruderalpflanzen vor, ohne dass wir annehmen können, dass 'sie 
von da zu uns übergeführt worden. Der grösste Theil von unseren 
Ackergräsern findet sich wirklich wild auf dem Ackerfeld’ der 
Natur, den Seesträndern. (8. Fl. Halland. Coroll.). Ja! auf 
den genannten Stellen kann man noch heute die meisten 'auffin- 
den, aber da man sie häufiger in seiner Nachbarschaft hat, so 
übersieht man sie auf ihren natürlichsten Standorten; als zufällige. 

Aber in einem wilden Lande treten mehrere Verhältnisse 
ein, über welche wir uns nun kaum einen Begriff machen können 
Die Thiere, ungestört von den Menschen, leben dort in einer 
Art von Gesellschaft, nicht bloss der Biber u.m., sondern auch 
die grasfressenden sammeln sich an gewissen bestimmten 'Stel- 
len, wo durch das Festtreten des Bodens und den gehäuften 
Mist eigene, besonders fruchtbare Lokalitäten entstehen. Auf 
dergleichen kommen um die Sennhütten in den Schweizer-Alpen 


mehrere eigenthümliche Pflanzen, z. B Aconita, vor, auf einer 


einzigen solchen in Kärnthen hat man die stolze, prächtige 
Wulfenia carinthiaca beobachtet*). In den Bergwäldern Smälands, 


*) Diese Angabe ist nicht ganz genau und richtig, denn die F7’ulfenia 
carinthiaca findet sich auf der Kühweger-Alpe im Gailthale in 
Kärnthen, wie ich aus eigner Erfahrung weiss, indem ich sie selbst 
dort gesammelt, nicht unmittelbar. um die Sennhütte auf der. aus 
den angehäuften Excrementen entstandenen Düngererde, dem Staud- 
orte der AJconita, des Aumex alpinus u, s. w., sondern in einem 


Das Vaterland der Gewächse. 338 


wo grosse Hirschbestände weiden, finden sich, wo sie über 
Nacht oder zu gewissen Tageszeiten sich sammeln um wieder- 
zukäuen, solche fruchtbare Stellen und auf diesen findet man 
zugleich mehrere Ruderalgewächse. Auf einer solchen Stelle 
bei Odensjö habe ich Hyosceyamus niger gefunden, welcher 
übrigens in dem mageren, westlichen Smäland nicht vorkömmt. 
Ihn und Solanum nigrum findet man oft auf öden Scheeren 
[Erdzungen, Inseln, Felsen und Klippen am oder im Meere ], 
wo oft eine Ruderal- Vegetation gefunden wird. 

Ein anderes merkwürdiges Verhältniss in einem wilden Lande 
ist, dass die Arten mehr in Massen, aber auf weit eingeschränk- 
teren Orten, wachsen. Jede Art nimmt beinahe ausschliesslich 
ihre eingeschränkte Region ein, ohne sich mit anderen zu ver- 
mischen. Selbst die Pflanzen leben dadurch in einer Art Staat. 
So ist, nach Preiss in der Flora 1842, das Verhältpiss in den 
ganz unangebauten Theilen von Neuholland, welches sich übri- 
gens durch scheinbaren Artreichthum auszeichnet. Die Aus- 
breitung jeder Art ist gleichwohl äusserst beschränkt, oft auf 
einen kleinen Fleck, aber sie herrscht da unumschränkt; ausser- 
halb dieser fängt eine andere Art an, welche da gleich aus- 
schliesslich vorkömmt. So hat sicherlich ein grosser Theil von 
unseren Pflanzen eine weit ausgedehntere Ausbreitung erhalten, 
als er ursprünglich besessen. Diess ist besonders wichtig zu 
erwägen, damit man nicht eine Pflanze bloss deshalb für frem- 
den Ursprungs halten möge, weil man sie in ihrer nächsten 
Umgebung verwildert finde. Man erinnere sich an die Ribes- 
Arten, Humulus, Polemonium, Berberis, Agquilegia u. m., 
welche in den wildesten Berggegenden unzweifelhaft vollkom- 
. men einheimisch sind. Dass viele Pflanzen, welche in dem 
mittleren Schweden mehr zufällige sind, im südlichen Schweden 
auf dem Feide, dem Strande und unbearbeiteten Stellen unzwei- 
felhaft wild sind, z. B. die Mohnarten, Echium, Viola odo- 
rata, Delphinium Consolida u. m. ist bekannt, aber die Bota- 
niker Südschwedens wissen nicht , dass dasselbe Verhältniss 
im mittleren Schweden stattfindet mit mehreren, welche sich 
im südlichen Schweden nur mehr zufällig zeigen, z. B. Anthe- 
mis tincloria, Campanula rapunculoides (gemein auf den Ebe- 
nen Uplands, auch in offenen Wäldern), Onopordon Acanthium, 


daran gränzenden, lichten, aus hohen Bäumen bestehenden Laub- 

holzhaine, in lockerer. Lauberde an schattigen Stellen, welches 

ich in Bezug auf ihre Kultur hier bemerken zu müssen glaubte. 
Anm. d. Red, 


23 


336 Das Vaterland der Gewächse. 


welches hier auf Steinhügeln wächst, wie Carduus lanceolatus 
u. m. Weil man dergleichen gewöhnlich zuerst zunächst dem 
Hause oder um dasselbe findet, glaubt man gerne, dass sie von 
da sich in die wilde Umgegend verbreitet, obgleich am häufig- 
sten ein entgegengesetztes Verhalten in der Wirklichkeit: statt- 
findet. 


7 


Es giebt ausserdem verschiedene Verhältnisse, welche während 
kürzeren oder längeren Perioden das Aeussere der Vegetation, 
aber nicht ihre innere Natur verändern. Viele Pflanzen, mit 
übrigens festen Standorten und unzweifelhaft einheimische, er- 
scheinen nur in gewissen Jahren, oft nach langer Zwischenzeit, 
was auf ungleichen meteorologischen Verhältnissen beruht. Sol- 
che Gewächse haben wir meteorische genannt und hierher 
gehören vorzugsweise ein Theil Pilze und die pilzartigen Pha- 
nerogamen: "Sie finden sich wirklich in potestate obgleich sie 
nicht zur Entwicklung gelangen. Dieses Verhältniss ist weit 
allgemeiner, als man sich gewöhnlich vorstellt und hat oft An- 
leitung zum Reden über generatio aequivoca und fremden Ur- 
sprung gegehen. Auf den ersten Platz müssen wir eine Menge 
Wasserpflanzen setzen, welche nur in gewissen Jahren in dem 
ausgetrockneten Schlamm erscheinen, aber in den Jahren, wo 
der Wasserstand hoch ist gar nicht. Solche können ganze 
Jahrhunderte fortleben und sich durch Knospen fortpflanzen, im 
Fall sie mehrjährig sind, z. B. Juneus supinus*). Sind sie im 


*) Merkwürdig istin dieser Hinsicht der See Frillen, auf der hal- 
ländisch -smäländischen Gränze. Dieser ziemlich bedeutende See 
liegt auf einer Laudhöhe und hat eigentlich keinen Zufluss, das 
Wasser ist krystallklar, welches wahrscheinlich die Ursache dazu 
ist, dass der ganze Bnden desselben mit Gras bekleidet 
ist, obgleich diese Pflanzen niemals zur Blüthe kommen. Lobe- 
lia [| Dortmanniana]| versucht es am weitesten, mit ellenlangen 
spiralgewundenen Stengeln, aber da der Wasserdruck stärker 
wird, muss sie auch damit’aufhören. Die übrige Vegetation wird 
von Isoötes, Sceirpus acicularis, Ranunculus Flammula. (beide ohne 
Blumen) und einigen Blättern, deren Bestimmung ich mir .nıcht 
zutraue, gebildet. In Verbinduug hiermit dürfte ich auch den 
Bastesjö bei Femsjö erwähnen müssen, einen kleinen WValdsee, 
aber wegen des äusserst häufigen Scirpus multicaulis und Aira 
uliginosa und morasligen Bodens und schlammigen Wassers merk- 
würdig. Der Grund des See’s ist zum grossen Theil mit fest ge- 
wachsenen und deutlich mit der Axt abgehauenen Fichtenwurzeln 
bedeckt und mir ist es vorgekommen, als wäre Aira uliginosa ein 
Ueberbleibsel von Aira flexuosa, von der Zeit her wo der See- 
grund fester Boden war. Auf grösserer Tiefe gelangt auch sie nie- 
mals zur Blüthe, 


Das Vaterland der Gewächse. 337 


Gegentheil einjährig, so können die Samen mehrere Decennien 
im Schlamm liegen ohne zu keimen*). Von dieser Art sind 
Coleanthus subtilis, Scirpus Michelianus, Cyperus fuscus, Ca- 
rex cyperoides, Lindernia pyzidaria u. m. Coleanthus wurde 
zuerst 1812 in Böhmen entdeckt, mit dem äussersten Fleiss alle 
Jahr vergebens wiedergesucht bis 1517, wo er in grosser Menge 
wiedergefunden wurde. In Norwegen fand man ihn 1836, und 
nachher zeigte er sich erst 1842. Seirpus Michelianus erschien 
auf dergleichen Stellen in Schlesien 1822, 1830 und 1834. Car- 
damine kirsuta gehört auch zu dieser Kategorie. Aber in den 
Ländern, wo das Wasser alljährlich austrocknet, erscheinen 
sie alle Jahre, gleichwie die sporadischen Pflanzen, wo deren 
Stationen mehr gewöhnlich sind. Bisweilen wird ein Theil 
Pflanzen dadurch sporadisch, dass sie in gewissen Jahren im 
Frühling, andere im Herbste vor der Reife des Samens erfrie- 
ren, wodurch sie entweder ganz ausgehen oder doch mehrere 
Jahre erfordert werden, ehe sie wieder in ihrer früheren Menge 
sich darstellen. | 

Nicht minder hemerkenswerth erscheint es, dass mehrere 
unzweifelhaft einheimische Pflanzen gefunden werden, welche 
entweder niemals oder äusserst selten zur Blüthe gelangen. So 
verhält es sich auf der Insel Gottland nach Hrn.. Nyman, mit 
Iris sibirica und Ajuga reptans. Die erstere ist äusserst selten, 
die letztere niemals mit Blumen dort gefunden worden. Trifo- 
lium alpestre ist in Schonen nur wenige Male blühend gefunden 
worden und Stipa ermangelt in gewissen Jahren in Westgoth- 
land aller Blüthen. Dieses Verhalten ist weniger selten, als 
man vermuthet; man giebt nicht besonders Acht darauf, wenn 
eine Pflanze nicht sehr selten ist. Möglicherweise liegen so in 
poteslate in Schwedens Erde Pflanzen, die uns bisher entgan- 
sen sind, indem man auf Blätter und dergleichen nicht Acht 
siebt. Wenn aber die Ländereien aufgebrochen werden, wel- 
che seit Jahrhunderten abgeweidet worden, und geschlossen 
bleiben, zeigen sich da desto manmnichfaltigere Pflanzen, welche 
vorher nicht gesehen wurden, obschon sie in der Erde lagen 
und sich durch die Wurzel fortpflanzten, obgleich der aufstei- 


#*)  Diess ist wohl die Ursache, dass man auf ausgegrabenem Schlamm 
eine grosse Menge vorher nie gesehener Pflanzen findet, Nach der 
Ausräumung des Flusses bei Upsala in dem vorigen Jahre wuchsen 
in dem Schlamm schnell eine unzählige Masse Polygona, Cheno- 
podia auf, welche sich dort nicht so von naheliegenden Orten ver- 
breiten konnten. Darunter waren einige hier vorher, wenigstens 
in den späteren Jahren, nicht gesehene Pflanzen, z. B. MMelilo- 
tus officinalis, Atriplex hastata, Coronopus depressa. 


23*7 


338 Das Vaterland der Gewächse. 


gende Stock nicht zur Entwicklung kam. Nachdem der ange- 
pflanzte Nadelwald in Dänemark aufgewechnällt hat man zu sei- 
ner Verwunderung in ihm die dort vorher nicht gesehenen und 
den Nadelwäldern eigenthümlichen Pyrolae gefunden. Sie sich 
durch eine generatio aequivoca entstanden zu denken wäre un- 
gereimt [2], wenig minder, dass sie von aus Schweden 'herbei- 
Befthrien Samen entstanden. Die natürlichste [?] Erklärung 
ist wohl, dass sie seit der Zeit wo Dänemark wilden Nadelwald 
besass in der Anlage in der Erde fortgelebt. Deutlicher sieht 
man diess auf allen in späteren Zeiten eingehegten Meeressträn- 
dern in Süd-Schweden, wo das nächste Jahr Pflanzen mit aus- 
gezeichnet langen, kriechenden Wurzeln erscheinen, so, dass 
diese sich seit Jahrhunderten im Boden ausgebreitet haben 
mussten, ohne dass sie vorher zur Entwicklung gekommen. 
Lathyrus maritimus war weder auf dem Kullen noch in der 
ganzen Gegend gesehen worden, aber wo der’ Seestrand einge- 
hest wurde stand er im folgenden Jahre wie der gediehenste 
Erbsenacker. Schon hieraus kann man sehen, wie vorsichtig 
man mit der Behauptung, dass eine Pflanze ausgegangen sei, 
sein muss. In der Natur der sporadischen Pflanzen liegt ein 
Zwang die Wohnörter zu wechseln; in der der meteorischen 
sich mehrere Jahre zu verbergen; die beständigen sind ausser- 
ordentlich leicht zu übersehen. Wenn die Natur in ihrer ur- 
sprünglichen Freiheit wieder hergestellt wird, zweifeln wir kaum, 
dass die vergangene Vegetation von neuem auferstehen würde, 
gleich wie die Pyrolae in Dänemark, die Trapa in den Seeen, 
worin sie durch das Fischen mit dem Netze zerstört worden. 
Gleichwie in diesen Seeen die Trapa-Nüsse noch in grösserer 
Menge liegen, liegen wahrscheinlich viele Samen im schwedi- 
schen Boden, welche ihre künftige Entwicklung abwarten. 


$. 8. 


Das Vaterland der Pflanzen wird also für uns jeder Punect 
innerhalb der natürlichen Ausbreitungszone der Art, wo sie von 
der Natur selbst ausgesäet auftritt. Die Frage über ihre Ur- 
sprünglichkeit auf einem gewissen Puncte ist etwas, welches 
wir niemals entscheiden können; ob sie wirklich einheimisch 
sind oder nicht, kann entweder nur durch das Zeugniss der Ge- 
schichte oder durch allgemeine pflanzengeographische Gesetze 
entschieden werden. Darauf gleichwohl in der Pflanzengeogra- 
phie ein ausschliessendes Gewicht zu legen ist eine Verwechs- 
lung der Geschichte und Geographie. Dunias orientalis und 


Das Vaterland der Gewächse. 339 


Dipsacus pilosus*) nunmehr nicht als einheimisch anerkennen 
zu wollen, wäre dasselbe, als in die englische Geographie die 
grossen, jüngeren Fabrikstädte nicht aufzunehmen, sondern bloss 
“die alten, verrotteten Marktflecken. Von der Art des Wachs- 
thums oder dem Standort einer Art kann nicht mit Zuversicht 
über ihre spätere Einwanderung geschlossen werden. Wer 
würde nunmehr aus dem Standort schliessen, dass Bunias 
orientalis und Acorus eingewandert seien, wenn wir darüber 
nicht das Zeugniss der Urkunden besässen? wer nicht Oxalis 
stricta auf Seeland für neuerlich eingewandert halten, wenn 
sie nicht 2 Jahrhunderte alte Ahnen besässe? hätte man bloss 
50 Jahre später angefangen die schwedische Flora zu untersu- 
chen, so hätte wohl Dunias als von der Erschaflung der Welt 
an, in Schweden gewachsen gehalten werden können. 

Wo eine Pflanze, ausser ihrem natürlichen Ausbreitungskreis, 
sich verbreitet und wirklich festsetzt, z.B. Coronopus didyma, 
Dracocephalum thymiflorum, Elsholtzia in Schweden, oder 
Wiborgfh acmella bei Berlin, kann sie nicht für wirklich wild 
gehalten werden, so lange ihre Ausbreitung mit ihrem eigentli- 
chen Vaterlande nicht ein Continuum bildet. Wir bestehen des- 
halb nicht darauf, dass sie aus einer Flora des Landes ausge- 
schlossen werden soll; denn »darin ist es nicht möglich eine 
scharfe Gränze zwischen wilden und verwilderten zu ziehen. 
Dass im Gegentheil eine Pflanze bisweilen bloss zufälligerweise 
aus der Fremde erscheint, verdient gar keine Aufmerksamkeit. 
Mit weit mehr Recht hat man in den meisten neuern Floren 
allgemeinere, im Grossen angebaute Kulturpflanzen aufgenom- 
men, nicht bloss deshalb, weil die Flora des Anfängers erstes 
Handbuch und ihre Kenntniss ihm ausserordentlich wichtig ist, 
sondern hauptsä@hlich deshalb, weil es für Manchen ein unun- 
terscheidbarer Umstand ist, welche für wild vorkommend gehal- 
ten wird. Hörte Linum in Schweden zu wachsen auf, so hörten 
auch. Cuscuta Epilinum, Camelina foetida u.m. auf. Ich will 
nicht dabei verweilen, dass die Kenntniss von der möglichen 


*) In wie fern Dipsacus nach Lund u. s. w. gekommen, ob von au- 
sserhalb oder von einem (vielleicht schon abgehauenen) Waldhain, 
denn Schonen liegt innerhalb der natürlichen Ausbreilungszone der 
Pflanze, kann nicht mit Gewissheit entschieden werden. Was ich 
mit vollkommener Gewissheit weiss, ist, dass die Pflanze sich früher 
ausserhalb der Stadt, als in dem botanischen Garten einfand. Merk- 
würdig ist, dass sie gerade die beiden Plätze bei Lund und 
Ystad einnimmt, wo schon vor einem Jahrhundert Xanthium 
wuche. Es frappirte schon Linnd während seiner schonischen 
Reise, dass Xanthium seit 20 Jahren abgenommen. ve 


340 Das voldrland der Gewächse. 


Ausbreitung der Kulturgewächse für die Kultur wichtiger ist, 
sondern mehr dabei, dass sie für die Pflanzengeographie selbst 
lehrreicher ist, als in den meisten Fällen die der wilden Vege- 
tation; denn diese beruht auf einer Menge Zufälligkeiten, welche 
nicht so unter allgemeine Gesetze geordnet werden können ‚als 
die der Kulturpflanzen. 


$ 9. 


Die Lehre von den Stationen der Pflanzen findet man am deut- 
lichsten dargestellt in Schouws Pflanzengeographie,;, Meyens 
Abweichungen davon in minder wesentlichen Theilen haben die 
logische Conseguenz in der Darstellung des ersteren zerstört. 
Mir scheint jedoch, dass man mehrere Arten davon unterschei- 
det, als mit strenger Genauigkeit bestimmt werden können, z.B. 
plantae parietariae, tectorum, stagnariae u. m., welche kaum 
einige ihnen ausschliessend eigne Pflanzen haben; alle Beispiele, 
welche Meyen von plantae limitum, sepicolae u. s. w. anführt, 
wachsen an andern Orten auf ganz andern Pflanzenplätzen. 
Zwischen Wiesen- und Weidelands - Pflanzen, plantae pratenses 
und pascuae, die Meyen unterschieden, ist wohl kein anderer 
Unterschied, als dass auf der letzteren Stelle eine Menge ahge- 
weidet werden, welche auf der ersteren zur Ausbildung kommen; 
ein eingehegtes Weideland hat dieselben Pflanzen das erste 
Jahr nachdem es eingehegt worden, wie eine nahe liegende 
Wiese, Schouw hat viel richtiger die von Menschenhand her- 
vorgebrachten Stationen von den natürlichen unterschieden; aber 
da jede Art ursprünglich einer von den letzteren angehörend an- 
genommen werden muss, so scheinen uns die ersteren richtiger 
als eine Modification von diesen untergeordnet zu werden. Für 
eine strenge wissenschaftliche Behandlung wird nothwendig das 
einzelne physische Verhältniss von seinen verschiedenen Ge- 
sichtspuncten aufgefasst und nachgehends darnach jede solche 
Station die in der Natur vereinigt vorkömmt aufgelöst. Wir 
unterscheiden also nicht Süsswasser-, Salzwasser-, Sumpfwas- 
ser-Pflanzen (plantae stagnariae), indem diess zusammengesetzte 
Verhältnisse sind; Sumpfpflanzen sind plantae humoso - aqua- 
ticae, Salzwasserpflanzen pl. salino-aqualicae u. Ss. w. Wir 
sind hier nicht zufällig ins Einzelne über diesen Gegenstand 
eingegangen; sondern da es so nothwendig mit der Beurthei- 
lung von dem Vaterlande einer Pflanze zusammenhängt, dass 
auf ihrem natürlichen Standort verkömmt, haben wir uns 
ichtet geglaubt, denselben nicht gınz zu übergehen. 


Das Vaterland der Gewächse. 341 


Zuerst müssen die Pflanzen nach dem ungleichen Medium 
betrachtet werden, aus welchem sie hauptsächlich ihre Nahrung 
aufnehmen, welches unläugbar das in ihre Vegetation am mei- 
sten Eingreifende ist. Darnach unterscheidet man die Pflanzen 
in: 1) Wasserpflanzen, welche beständig im Wasser leben, 
entweder ganz und gar in diesem untersinken (pl. submersae) 
oder theilweise auf dessen Oberfläche schwimmen (pl. emersae). 
Ob diese nun auf dem Boden befestigt sind, oder frei auf der 
Oberfläche schwimmen, z. B. Lemnae, Pistia, Salvinia, ver- 
ändert keineswegs die Station, sondern gehört zur eigenen Ge- 
sehichte der Pflanze. Diese können, ohne theilweise in das 
Wasser eingesenkt zu sein, längere Zeit nicht zu leben fortfah- 
ren. 2) Amphibische Pflanzen dagegen sind solche, wel- 
che sich sowohl in der Luft, wenn bloss der Boden feucht ist, 
und im Wasser entwickeln können, bald überschwemmt, bald 
ausser dem Wasser, während eigentliche Landpflanzen eine län- 
gere Zeit überschwemmt aussterben. Hierher gehören mehrere 
der von Meyen aufgenommenen Trennungen von Sumpf- und 
Strand-Pflanzen u. s. w., zwischen welchen sich weder ein 
physiologischer Unterschied noch eine Grenze in der Natur fin- 
det. 3) Landpflanzen, welche ihre Nahrung nur aus der 
Erde (und der Luft) nehmen, aber nicht auf längere Zeit auf 
überschwemmten Stellen wachsen können. Man kann sie in die 
über der Erde (pl. epigeae) und unter der Erde (pl. hypogeae), 
wie einige Schwämme, ausgebildeten scheiden. Zu den letzte- 
ren müssen auch Monotropa, Lathraea u. m. gerechnet werden, 
indem diese, wo sie aus der Erde hervorbrechen, vollkommen 
ausgebildet sind, so dass sie sich in der Luft nur verlängern 
und entwickeln. 4) Luftpflanzen, welche nur aus der Luft 
ihre Nahrung aufnehmen, z. B. Flechten, ein grosser Theil 
der Moose, und wahrscheinlich die sogenannten uneigentlichen 
Parasiten. Eine und dieselbe Flechte z. B. kann auf Bäumen, 
Stein und Erde wachsen. Diese sind nur ihre Anheftungsge- 
genstände und die in den feuchten tropischen Wäldern auf 
Baumstämmen wachsenden Phanerogamen können mit ihren 
Luftwurzeln gleichfalls sich auf anderen Gegenständen, z. B. 
Stein u. s. w. befestigen. 5) Eigentliche Parasiten, wel- 
che aus anderen lebenden Pflanzen ihre Nahrung aufnehmen, 
wobei man unterscheiden kann diejenigen, welche im Boden 
wachsen, z. B. Cuscuta, und sich nachher an andere Pflanzen 
festsaugen, theils diejenigen, welche schon keimend in andere 
Pflanzen eindringen, z. B. Viscum. 

Darauf folgt die chemische Beschaffenheit des Mediums, 


342 Das Vaterland der Geikichdä 


welche mit jeder der vorhergehenden, mit Ausnahme der para- 
sitischen, verbunden sein kann, wodurch so viele Stationen ent- 
stehen, als zwischen ihnen Combinationen möglich sind. "Die 
chemischen Stoffe in der Natur, welche der Vegetation den 'un- 
gleichen Character geben, sind Alkalien und die allgemeineren 
Erdarten z. B. Kalk, Thon, Kiesel oder Sand und endlich Hu- 
mus, wovon dessen unvollkommene Formen als Torf, halbver- 
moderte Bäume und Dünger Modificationen sind. So entstehen 
plantae salino-aquaticae — Meeresgewächse, pl. salino- am- 
phibiae = Meerstrandspflanzen, Salzquellenpflanzen, pl. salino- 
terrestres — Steppenpflanzen, pl. salino-aöreae — Meerstrands- 
flechten u. s. w., und hierher würden wir auch geneigt sein die 
wunderbaren Mangrove- Wälder der tropischen Länder zu rech- 
nen, welche sich durch Luftwurzeln ernähren und fortpflanzen 
(pl. amphihio-aöreae). Das Wasser kann aber auch mit den 
übrigen Erdarten vereinigt werden. 

Zuletzt in der Ordnung folgt der Conglomerat-Zustand der 
Erde, welcher durch neue Verbindungen mit allen den vorher- 
gehenden, ins Unendliche varürt. Die wichtigste Unterscheidung 
ist diejenige zwischen der festen Erdoberfläche und den losen 
Erdlagern, welche nicht mit einer beständigen Vegetation be- 
kleidet sind, worüber wir oben gesprochen. Durch den Anbau . 
der Erde durch den Menschen haben die lockeren Erdlager sich 
bedeutend erweitert und die Pflanzen derselben eine grössere 
Ausbreitung erhalten. Mauerpflanzen sind jedoch dieselben wie 
Felsenpflanzen; über die Ruderalpflanzen ist schon gesprochen, 
die Ackergewächse (plantae arvenses, agrestes, hortenses u. s. w. 
halten wir keineswegs für trennbar) kommen natürlich theils 
am Meeresstrande, theils in loser fruchtbarer Erde der Wälder, 
z. B. Stellaria media, Galium Aparine, Polygonum u. Ss. w. vor. 

Zu der Wissenschaft gehört durchaus nicht das Zufällige: 
alle möglichen Stationen aufzuzählen oder welche Pflanzen zu- 
fällig sich auf der einen oder anderen finden; sie muss nur die- 
jenigen Umstände angeben und erklären, welche in Vereinigung 
zu dem Gedeihen einer Pflanze nothwendig sind. So aufge- 
fasst wird sie für die Kultur von dem höchsten Gewinn, wäh- 
rend die gewöhnliche Behandlung in jeder Hinsicht unzufrieden- 
stellend ist. — Dem Vaterland der Kulturpflanzen wird eine 
eisne Abhandlung gewidmet werden. 


$. 10. 
Das Interesse der Kultur fordert, dass die Ausbreitung 
jedes Naturkörpers so weit, als möglich ist, ausgedehnt, aber 


Das Vaterland der Gewächse. 343 


jeder von der höheren Intelligenz innerhalb zweckmässiger Grän- 
zen geordnet werden muss: Nur dadurch entsteht der grösste 
Reichthum und die grösste Mannichfaltigkeit von Leben auf der 
Erde. Wie die Gesundheit des Körpers und der Seele untrenn- 
bar verbunden sind, so sind es auch die ideellen und materiel- 
len Fortschritte der Kultur. Nur die Beschränktheit kann einem 
oder dem anderen, als für die Menschheit wichtig, ausschlies- 
send huldigen; es würde einseitig sein wenn der Botaniker, in 
der Blumenwelt schwärmend, sich zu einem unwirksamen con- 
templativen Leben absondern wollte, sein Vereinigungshand mit 
der Menschheit verachtend. Preisen wir nur die Wildheit der 
Natur, so sind wir nicht ungleich dem Wilden, welcher die Frei- 
heit darein setzt, zu thun, was ihm gelüstet. 

Nur der Mensch selbst kann die Beschwerden jedes Klimas 
bis zur Gränze alles Lebenden besiegen. Verschiedenen Zonen 
gab die Natur verschiedene Producte; nirgends fehlen dem 
Menschen, wenn er sie richtig ergreift, Mittel zu seiner Ausbil- 
dung. Durch seinen Schutz kann er viel weiter als die wilde 
Natur das Gedeihen der Naturproducte ausdehnen. In ihrer 
höchsten Potenz nimmt die Menschheit die ganze Natur in ihren 
Schutz; wird dieser Zweck erreicht ist die Wildheit, d. h. das 
Zufällige, von der Erde verschwunden. Auch die Wüsten er- 
freuen uns, denken wir sie uns in einer weit, weit entlernten 
Vorzeit wimmelnd von des Lebens Fülle. Eine Siegessäule ist 
ehrenvoller als die des grössten Weltstürmers. Eines Volkes 
schönste Eroberung ist die von seinem Lande und sich selbst. 
Dem Menschengeist, hat er das Ziel für seine Perfectibilität 
erreicht, sind alle Erzeugnisse der Erdoberiläche unterthänig; 
da ist Friede auf Erden und dem Menschen ein Wohlgefallen. 
Aber um die Natur recht frei zu machen, d. h. die Wildheit zu 
besiegen, muss er lange in die Schule der Natur gehen und 
während der Zeit sich selbst von den Banden des Egoismus 
befreien. 


XERn. 


Die schwedischen Weiden-Arten, nach ihrer na- 
türlichen Verwandtschaft geordnet, mit kritischen 
Bemerkungen. 


Von 


Dr. Elias Fries‘). 


Uebersetzt von ©. T. Beilschmieds 


,— 0000 


Bie Riedgras- und die Weiden - Gattung sind unter den Pha- 
nerogamen die Pflanzentypen, welche die Natur in. den nordi- 
schen Ländern am meisten vervielfältigt hat. Durch Zähigkeit 
im vegetativen Systeme, frühzeitige diclinische Blüthe und ra- 
sches Reifen der in eigenthümlicher Weise verwahrten Samen 
sind beide auf ein hartes Klima und die kurze Blühzeit des 
Nordens besonders berechnet. Alle solche bestinmten Gegen- 
den eigenen grössern Pflanzengruppen müssen vorzugsweise in 
ihrer eigentlichen Heimath, wo sie am formen- und artenreich- 
sten auftreten, studirt werden. Darum ist es der nordischen 
Botaniker Pflicht, auf beide genannte Gattungen vorzügliche 
Aufmerksamkeit zu richten; Schwierigkeiten dürfen nicht ab- 
schrecken, sondern nur zu eifrigerem Studium anregen, welches 
unter Besiegung jener nur belehrender ausfällt. 

Die Riedgräser sind auch mit Vorliebe bearbeitet worden, 
so dass die Zahl der bekannten einheimischen Arten mehr als 
das Doppelte der hier bekannten Weiden ausmacht, wovon der 
Grund nicht bloss in der geringen Mannigfaltigkeit der letzteren 
liegt, sondern auch in der Verschiedenheit der bei der Arten- 


#) [Aus Lindblom’s Botaniska Notiser, 1840, Nr. 9. 11., 12. 8. 
445 —152., 177 — 188., 193—206. Mit Zusätzen nach neueru Ah- 
handlungen von Fries. Vgl. a. dieses Archiv, 5. 270. £.] 


Die schwedischen Weiden- Arten ele. 345 


bestimmung befolgten Prineipien. Da die Riedgräser weniger 
veränderlich sind, so ist jede äusgezeichnetere Form bald als 
Art genommen worden; bei den Weiden aber hat man für die 
Mannigfaltigkeit der Formen nur Haupttypen unterschieden und 
nicht selten Zwischenformen für Uebergänge genommen. Wollte 
man die Arten der Riedgrasgattung in gleicher Weise behandeln 
wie die der Weidengattung, so würde es einen grossen Theil 
der ersteren*) treflen, dass sie nur als Unterarten angesehen 
würden, von gewiss nicht höherer Bedeutung, als manche der 
als Unterarten betrachteten Weiden. Gerade weil das Ansehen 
jener so einförmig ist, übersieht man so leicht die Mittelformen 
dazwischen, die unter den grossen baumartigen Weiden so leicht 
in die Augen fallen. 

Nieht bloss die grosse Veränderlichkeit im vegetativen Sy- 
steme der Weiden, auch nicht die Schwierigkeiten, die aus der 
Verschiedenheit ihrer Blüh- und Blattbildungszeit entspringen 
(weshalb sie auf Reisen nicht auf derselben Stelle in beiden 
Zuständen beobachtet werden können), haben ihre Artenbestim- 
mung verwickelt gemacht, sondern hauptsächlich die falsche 
Richtung, die das Studium derselben wegen eines unrechten 
und künstlichen Eintheilungsgrunds genommen hat. Hätte Linne, 
welcher zuerst Arten sicher aufstellte, der Eintheilung und Ar- 
tenumschreibung die Fruchtorgane zu Grunde geiegt, so würde 
‚das Studium der Gattung gewiss einen andern Gang genommen 
haben: die Linneischen Arten wären dann nicht so verwech- 
selt und verkannt worden, sogar von Linne selbst””). Nach 
den Blättern die Arten einzutheilen und aufzustellen, ist be- 
stimmt schädlich, wie alles was unter dem Scheine ein Studium 


#*) Z. B. Carex ornithopa (ornithopus), speirostachya [bei Englän- 
dern selbst jetzt als $ unter fulva], Oederi, laxa, livida, rotun- 
data, pulla, saxatilıs [| auctt. — rigida Good., Fr.], strieta & aff., 
Gebhardi [hier Gebh. Hartm. gemeint, die spätere C. vitilis Fr. 
als eigne Art], virens, glareosa, teretiuscula u. s. w. [lIndess 
führt der Hr. Verf. selbst mehrere hiervon auch später noch unter 
den Arten auf: Mant. III. und Bot. Notis. 1843, Nr. 7., noch 
vermehrt durch neue, z. Th. in Folge von Dreier’s Mevis. crit. 

’ Caricum bor. iR 

#*) So erkannte z.B. Linne niemals in den im ganzen Lande äusserst 
gemeinen Formen der Salix aurita und $. nigricans die Formen 
wieder, welche er in der Fl. lappon. beschrieben hatte. Dagegen 
glaubte er die nur nordischen $. arenaria, fusca und myrtil- 
loides in Formen der gewöhnlichen S. repens gefunden zu haben. 
Hätte man auf die Befruchtung geachtet, so hätte Scopoli nie- 
mals die Vermuthung geäussert, dass alle Weiden des flachen Lan- 
des von Samen der S. serpyllifolia herstammten, der von den höch- 
sten Gebirgen herab geflogen wäre. 


346 Die schwedischen Weiden- Arten etc. 


zu erleichtern, es nicht zu einer naturwahren Auffassung kom- 
men lässt. | | 

Der Verfasser dieser Zeilen suchte zuerst, nachdem Prof. 
Wahlenberg vorher auf die Wichtigkeit der Fructification 
für Eintheilung und Artenfeststellung hingewiesen hatte, eine 
natürliche Eintheilung dieser Gattung darzulegen *), die nachher 
von Koch und [vom Vf. selbst ] in Novitiar. Mantissa I. wei- 
ter ausgeführt wurde. Nachdem aber der Grund zu einer sol- 
chen gelegt worden, bleibt immer noch Mehreres im Einzelnen 
festzustellen, weil nicht alle wesentlichen Merkmale auf einmal 
klar da liegen. So hofie ich nun, dass es mir geglückt ist, in 
Griffel und Narbe einen bestimmten Unterschied zwischen den 
Salices viminales und den S. capreae, woran es bisher gefehlt, 
zu finden, wodurch die für jedes natürliche System wichtige 
Regel bestätigt wird, dass es ein grösserer Fehler ist, die Ver- 
wandtschaft-, als das Abweichen der Charactere zu übersehen. 

So nothwendig unsrem eingeschränkten Fassungsvermögen 
für die unermessliche Einheit der Natur ein System ist, so 
wichtig ist es auch einzusehen, dass jedes System dennoch ein 
Flickwerk ist, ein Zerhauen des für uns unauflöslichen Knoten, 
und dass alle sogenannten natürlichen Systeme doch keine Sy- 
steme oder nur künstliche sind. Von den höchsten Standpunk- 
ten der Wissenschaft aus verschwinden alle Systeme, ob sie 
gleich Anfängern (und solche sind im Ganzen wir alle) unent- 
behrlich sind: Ersteres ist die esoterische Lehre der Wissen- 
schaft, letztere sind die exoterische. Meinestheils betrachtete 
ich jederzeit alle Systeme, es sei in Philosophie, Botanik oder 
anderwärts, fremde und eigne, nicht als etwas absolutes, sondern 
nur als provisorische subjective Auflassungen der Offenbarung 
des Ewigen, welche kein Menschengeist fassen kann. Darum 
können nicht allein mehrere Systeme neben einander bestehen 
und gleichen Werth haben, sondern sie sind sogar noth- 
wendig, um von der Einseitigkeit abzulenken, die von 
jedem Enthusiasmus für ein bestimmtes System 
oder blindem Glauben an dasselbe unzertrennlich 
ist. Es giebt mehrere Wege, sich einem verbesserten Systeme 
anzunähern. So urtheilte auch schon Linne (s. dessen Classes 
Plantarum) in Bezug auf damalige Enthusiasten für irgend ein 


*) [Physiograph. Sällskapets Ärsberätt. 1824 und Sylloge zur regensk. 
bot. Zeit. II. p. 34 sqq.; s. a. botan. Jahresb. üb. 1825, üb. 1826, 
4832; dann in Fries Fl. scan. Mehreres zur Characteristik der 
Amentaceae. ] 


0 


Die schwedischen Weiden- Arten etc. 3417 


bestimmtes sogenannt absolutes System; und die zahllosen spä- 
teren haben seinen Ausspruch mehr bestätigt als widerlegt. — 
Meine botanisch-systematischen Ansichten sind so zu sagen 
monarchisch unter dem Zwange eines bestimmten Prineips in 
allen allgemeinen Verhältnissen, doch mit grösster Freiheit 
(unabhängig von Characteren) in den besonderen; die in der 
Zeit am meisten beliebten dagegen sind republicanisch: völlig 
subjectiv in dem Allgemeinen, mit vieler Unfreiheit im Beson- 
deren. Beide sollten nicht ferner behaupten, sie seien, jedes 
für sich, absolut natürlich und Jie einzige rechte Form: diese 
liegt weit über beiden. Alle Formen sind menschliche Beschrän- 
kungen, aber darum nicht verwerflich. Aber alle Formen ohne 
Auffassung des darin lebenden Geistes versteinern: To yoduur 
anoxreive, TO be nveüua Swomolel. 

Eine vollständige Beschreibung der schwedischen Salices 
liegt bei uns in Reinschrift fertig, ursprünglich für dieses Blatt 
[ Bot. Notiser] bestimmt; da sie aber zu voluminös geworden, 
so folgt nur hier die Anordnung mit Ausschliessung aller Be- 
schreibungen, Fundörter und überflüssigen Synonyme *), so wie 
der Gründe für meine Annahmen: diese wären nun auch unnö- 
thig, da Koch sie angenommen und anerkannt hat; nur solche, 
‚denen man in Schweden mit Zweifeln begegnet ist, werde ich 
genügend zu beweisen suchen, da in Novit. Mant. I. Mangel 
an Raum dieses nicht zugelassen. Dort findet man die Beschrei- 
bung etc. der Arten und Abarten; hier aber nehmen wir man- 
che Abarten von mehreren polymorphen Arten !auf, deren For- 
men wir uns damals [1832] nicht zu bestimmen getrauten. 

Bei Anordnung der Species der Weiden dürfen nach unsrer 
Meinung die Hauptabtheilungen derselben nie übersehen werden, 
wenn gleich unvollständige Exemplare ohne Frucht hinsichtlich 
ihrer Stellung schwer zu bestimmen sind, was übrigens ja von 
den Gattungen der Umbellaten, Cruciferen u. a. gleichfalls 
gilt: nach unsrer Ueherzeugung sind die Abtheilungen der Salices 


*) Im Anführen der Synonyme herrscht viel Willkühr; es wäre mehr 
Einheit zu wünschen. Freilich muss bei verschiedenen Werken 
auch ein verschiednes Princip herrschen: ein andres in der Flora 
eines Landes, als in einem allgemeinen Systeme. Gewöhnlich ci- 
tirt man Autoren, die in Umgränzung und Benamung abweichen; 
richtiger wäre es: nur die, welche des Verfs. Ansicht bestätigen. 
In einer Special-Flora sollte wohi nächst dem Aufsteller der Art 
stets auch die erste Quelle für die Einheimischkeit derselben eitirt 
werden, dann einheimische Abbildungen und getrocknete Sammlun- 
gen. Alles Andere ist, sofern es nicht kritische Pflanzen betrifft, 
nur Ballast, 


= 
£ 


348 Die schwedischen Weiden- Arten etc. 


eben so wesentlich und bestimmt, wie die der genannten und 
vielleicht auch natürlicher begränzt. — Wir fangen hei den 
höchsten an, deren eigentliche Heimath Tropenländer sind, und 
steigen zu den niedrigen Gebirgs- Weiden herab, die an der 
äussersten Gränze der lebenden Natur die letzte und niedrigste 
Baumvegetation bilden. Nicht leicht dürfte eine Bäumegattung 
so ausgedehnte geographische Verbreitung haben. Die Geschichte 
der Weidengattung bietet ausserdem eine Menge interessanter 
Thatsachen dar, wie die Gesetze ihrer Veränderungen, ihre 
Abhängigkeit von verschiedener Behandlung, ihre ungleiche 
Ausbildung nach Verschiedenheit des Klima’s, das Wechseln 
der Geschlechter u. s. w., zu deren Betrachtung hier nicht 
Raum ist. 

Um die Unterschiede der Abtheilungen klarer hervortreten 
zu lassen, ist es wohl nöthig, die Kennzeichen aller einzelnen 
hier zusammenzustellen, wobei wir uns indess nicht bloss an 
die einheimischen, sondern an sämmtliche bekannten Arten hal- 
ten müssen. 


1. Amerina (eigentliche Pilar*) |der Schweden; pil, pl. 
pilar: grosse kohlblättrige W.]. Die Kätzchen wachsen an der 
Spitze der beblätterten Spitzenzweige des Jahres hervor. Kätz- 
chenschuppen gelbgrün, nicht an der Spitze verbrannt, mei- 
stens kahl oder nur gewimpert. Honigschuppen zwei, einander 
gegenüber. Staubfäden gewöhnlich mehrere, aber im Norden 
oft nur 2, immer frei, mit gelben Staubbeuteln. Griffel und 
Narben kurz. 

Zu dieser sehr natürlichen Abtheilung, welche Bäume oder 
höhere Sträucher in sich schliesst, die, im erstern Falle, in 
den Zweigachseln sehr zerbrechlich sind, gehören fast alle Wei- 
den der wärmeren Klimate. Sie sind indess den Gebirgsweiden 
(Abth. V.) sehr analog. Dass Extreme in Kälte und Wärme 
ähnliche Verhältnisse hervorbringen, davon haben wir zahlrei- 
che Beispiele. 

A. Fragiles. B. Amygdalinae. 


En un 


*) Es ist bemerkenswerth, dass in der schwedischen Sprache die Wei- 
dengattung mehr eigene Namen hat, als in den südlich@xen Ländern, 
wo die Bedeutung der Weiden in der Mannigfalligkeit der reiche- 
ren Flora verschwindet. So hat Pil meines Wissens nichts Ent- 
sprechendes in andern europ. Sprachen. JSalix der Lateiner finden 
wir im schwed. Salle oder Sälg (engl. sallow, deutsch Söl |?], 
franz. saule) wieder; Vetrix in unsrem Vide [pl.: Viden] (deutsch 
Weide, engl. willow). Unser Hilster oder Jelster [Sal. pentandra] 
dürfte mit £Aı£ der Griechen stammverwandt sein, 


» 


Die schwedischen Weiden- Arten etc. 349 
I. Helix (schwed. Rödvie |pl.: Rödviar]|). Die Kätz- 


chen wachsen aus den Seiten der vorjährigen Zweige, aber auf 
erst wenig ausgewachsenen beblätterten (mehr oder minder ) 
ausgezogenen Stielen hervor. Kätzchenschuppen sitzenbleibend, 
schwarzgebrannt,, wenig behaart. Honigdrüse einfach. Staub- 
fäden 1 oder 2 verwachsene; Staubbeutel nach dem Verblühen 
schwarzwerdend. Samenkapseln stiellos oder kurzgestielt, mit 
sitzenbleibenden Griffel und Narben. 

Sieht man nur auf die in Schweden wachsenden Salices 
purpureae, die zwischen den S. amygdalinae und den vimina- 
les in der Mitte stehen, so scheinen diese zu wenig eine eigne 
Abtheilung zu bilden; betrachtet man dagegen die bekannten 
Arten der ganzen Welt, so wird dieselbe höchst ausgezeichnet, 
indem sie den grössten Theil der eigenthümlichen Weiden 
Nord-America’s umfasst. Die der Abtheilung Salices griseae 
haben Wuchs und Ansehen ganz von den $. fragiles, obgleich 
die Uebereinstimmung mit den 8. purpureae nicht zu verken- 
nen ist. 

Ü©. Griseae Borr. D. Purpureae. 

IH. Vetrix (Vide-Pil). Kätzchen aus den Seiten der vor- 
Jährigen Zweige, ungestielt und gewöhnlich blattlos. Schuppen 
schwarzgebrannt, sitzenbleibend, sehr dicht vollhaarig. Honigdrüse 
einfach. Staubfäden 2, frei, mit gelblichen Staubbeuteln. Kap- 
seln stiellos oder kurzgestielt (der Stiel kaum länger als die 
Honigdrüse). Griffel ausgezogen, haardünn, mit den 
sehr langen schmalen linienförmigen Narben von der 
reifen Kapsel abfallend. 

Bäume oder höhere Sträucher, mit sehr frühzeitigen wolli- 
gen Kätzchen, die vor dem Blühen in dieser Abtheilung eigen- 
thümliche, ungewöhnlich grosse Knospen eingeschlos- 
sen sind. Griffel und Narbe unterscheiden diese Abtheilung 
von der folgenden, mit welcher sie sonst zusammenzufliessen 
scheinen. Nur wenige Arten gehören eigentlich dem Norden 
an; die rechte Heimath der Abtheilung scheinen die Flussge- 
biete im mittlern Europa zu sein, von wo sämmtliche viminali- 
sche Arten sowohl dieser als der vorigen Abtheilung herstam- 
men — oder: der langgestreckte freudige ruthenartige Wuchs, 
welcher diese Arten auszeichnet, ist nur in den wärmern Fluss- 
thälern Europa’s ausgebildet worden, während die kalten Wald- 
moore des Nordens die ihnen eigenthümlichen Arten zu einem 
knotigen reisigartigen Ansehen zusammenschrumpfen lassen. 
Als Beispiel dient die hierher gehörende $. Lapponum, die 
mit Unrecht zu den S. frigidae gebracht worden ist; auch in 


350 Die schwedischen Weiden- Arten ei 


geographischer Hinsicht ist diese keine eigentliche Gebirgsweide: 
sie. ist deutlich eine verkümmerte viminalische Weide, die wei- 
ter südlich angebaut zum Wuchs einer solchen gelangt. Die 
verwandte 8. incana wird auch in kälteren Gegenden torulosa, 
nicht viminalis. 8S.: Wahlenb. De Cl. et Veget. Helv.! 

E. Chrysanthae. F. Viminales. 

IV. Caprea (Viden |Sing.: vide]). Kätzehen aus den‘ 
Seiten vorjähriger Zweige, ältere gewöhnlich gestielt (im höhe- 
ren Norden, mit dem Eintritte in die Zone oder Region der 
Gebirgsweiden bekommen sie gewöhnlich gleich diesen beblätterte 
Stiele). Kätzchenschuppen verbrannt, sitzenbleibend. Honig- 
drüse einfach. Staubfäden 2, frei, mit gelben Beuteln. Kap- 
seln lang- und frühzeitig-gestielt, mit schmalem Stiele, 
welcher doppelt oder mehreremal so lang als die Honigdrüse 
ist; Narben kurz, dick, eiförmig, zugleich mit dem steifen 
oft unmerklichen Griffel sitzenbleibend. 

Diese Abhtheilung ist in den inferalpinen Regionen der käl- 
teren Länder am reichsten, leicht zu unterscheiden an den schon 
früh während des Blühens gestielten Fruchtknoten und den 
kurzen Narben. Ausser der gewöhnlichen Eintheilung nach der 
verschiedenen Wachsthumsart (die incubaceue, z. B., besonders 
in dem mehr treibenden Süden, die S. rosmarinifolia und 8. 
angustifolia, freudige Formen der $. repens, u.a., entsprechen 
deutlich den viminalischen der vorhergehenden Sectionen), 
könnte eine vielleicht bestimmtere nach dem Griffel aufgestellt 
werden, worin man die analogen Arten einander parallel gegen- 
über stellte’). 

G. Capreae. H. Incubaceae. 

V. Chameliz (Gebirgsweiden [schwed.: Fjäll-Pilar], oder 
Sirka, um für lappländische Arten eine lappländische Benen- 
nung aufzunehmen). Kätzchen an der Spitze der beblätterten 
Jahreszweige. Schuppen verbrannt, stumpf, sitzenbleibend. 


*) T) Cinerascentes, mit graulichem, beim Trocknen gar nicht dunkel 
oder schwarz werdendem Ansehen, Blattnerven auf der Oberseite 
eingesenkt, Griffel unmerklich ($. caprea, grandifolia, ci- 
nerea, aurita, livida, incubacea, finmarkica, myrtilloides). 
JI) Nigricantes, grün (oder durch Behaarung weiss), beim 'Trock- 
nen dunkler oder schwarz-werdend, Blatinerven auf der Oberseite 
erhaben mit deutlichem Griffel ($. silesiaca, nigricans, lau- 
rina, phylicifolia, hastata, fusca, repens, angustifolia und ros- 
marinifolia). Das Schwarzwerden der Blätter kommt von kleinen 
harzigen Punkten her: je deutlicher diese sind, desto mehr wird 
die Species schwarz, z. B. $. Helix; werden jene zu Haaren aus- 
gebildet, so wird sie weniger dunkel. 


Die schwedischen Weiden- Arten ete. 35l 


Honigdrüsen gewöhnlich 2, bei einander sitzend, Staubfäden 2, 
zuweilen mehrere, mit nach dem Verblühen dunkel werdenden 
{während des Blühens oft blauen!) Staubbeuteln. Kapseln fast 
stiellos (Stiel kürzer als die Honigdrüsen), jünger gewöhnlich 
kurz und stumpf, älter ausgezogen oft hornförmig (das Entge- 
gengesetzte der vorigen, deren Fruchtknoten schon im jüng- 
sten Alter lang aber schmal sind und nachher aufschwellen). 
Griffel und Narben schmal, gewöhnlich gespalten.“ 

Blätter im jüngern Zustande gewöhnlich langhaarig, älter 
kahl, netzadrig; der Stamm gewöhnlich niedrig, nur $. glauca 
erreicht etwas bedeutendere Höhe. — Diese Abtheilung umfasst 
alle eigentlichen Gebirgs- Salices, welche nicht, wie die der 
vorigen Abth., in’s flache Land herabsteigen, wenn sie auch in 
niedrigern Gebirgsregionen vorkommen. Auch in dieser Hinsicht 
weichen S. Lapponum und 8. hasltata von denen dieser Abthei- 
lung ab; sie steigen wohl in unteren Gebirgsgegenden hinauf, 
aber ihre eigentliche Heimath ist unterhalb der Hochgebirge. 

I. Frigidae. L. Glaciales. 


Mehrere Arten, die bisher in Schweden nur als angepflanzt 
“bekannt gewesen, z. B. S. fragilis, alba, daphnoides var., 
kennen wir jetzt als auch in Scandinavien wirklich einheimisch. 
Oksgleich diese, wie Berberis, Aquilegia, Rosa pomifera u. a., 
in Provinzen der Ebene nicht anders als cultivirt oder verwil- 
dert vorkommen, so ist doch kein Zweifel, dass sie in unsern 
Berg- und Hochgebirgsgegenden wirklich einheimisch sind. Zu 
entscheiden, welche Pflanzen ursprünglich einheimisch seien, so 
weit sich diese Frage irgend beantworten lässt, gehört gewiss 
zu den schwierigsten Aufgaben in der Geschichte der Pflanzen 
(zur Pflanzen - Geographie gehört sie nicht), und wird nicht durch 
empirisches Dünken, sondern nur durch klare Einsicht in die 
Geschichte der fraglichen Art und allgemeine phytogeographi- 
sche Verhältnisse entschieden. Unsre Flora ist arm, der Sü- 
den ist viel reicher, aber eben dadurch wird man so leicht ver- 
leitet, für alle Pflanzen einen südlichern Ursprung zu suchen, 
und ein Gewächs für verwildert zu halten bloss deshalb, weil 
es zugleich eultivirt wird. So sind Apium graveolens, Aspa- 
ragus, Pastinaca, Bellis und unzählige andre, die da eultivirt 
werden, dennoch “unbestreitbar eingeborne, während dagegen 
eine Menge nicht eultivirter, noch dazu sehr gemeiner Pflanzen, 
wie Bunias orientalis, Salvia pratensis u. a. in neuerer Zeit 


24 


352 Die schwedischen Weiden - Arten ete. 


eingeführt sind. Jede Pflanze, die ein Gegenstand all- 
gemeiner Cultur wird, muss dadurch als eigentlich 
wild wachsende zu verschwinden scheinen. Dieser 
merkwürdige Umstand verdiente wohl in einer eignen Schrift 
behandelt zu werden: es erklärt sich dadurch, warum die mei- 
sten Culturgewächse jetzt keine bestimmte Patria haben ;+warum 
man z. B. in Deutschland Zweifel hegt, inwieweit Drassica, 
Camelinae u. a. dort wild seien; warum man in Schonen nicht, 
wie im ganzen übrigen Schweden, die Vicia sativa für wild hält, 
und das, weil sie im ersteren allgemein angebaut wird. — Da 
indess, was die Salices betrifit, noch einige Arten bleiben, 
die man bei uns nicht völlig wild gefunden hat, so nehmen wir 
in folgender Darstellung alle auf, die auf ungebautem Boden 
vorkommen, auch wenn sie ursprünglich angepflanzt sind. Von 
einem Theile ist nur ein Geschlecht da: in diesem Falle deutet 
die weibliche Pflanze auf südlichern, die männliche auf nördli- 
chern Ursprung hin. Schon daraus hätte man einsehen sollen, 
dass die im südlichen Schweden gewöhnlich oder nur allein 
vorkommenden männlichen Bäume der S. alba, $. fragilis, 8. 
amygdalina, S. daphnoides u. s. w. auf einen subalpinen ÜUr- 
sprung hinweisen. Möglich indess, dass einige Arten, wovon 
nur die weibliche Pflanze bei uns vorhanden, wild sein könnten 
(in Deutschland finden sich gewöhnlich nur weibliche Exem- 
plare von $S. mollissima, Aippophaifolia u. s. w.), wie von 
mehreren Gewächsen nur die weibliche Pflanze im Norden aus- 
gebildet wird; aber in allen Fällen deutet dieses an, dass sie 
ausserhalb ihrer natürlichen Zone oder Region sich befindet. 
M. vgl. was wir anderwärts über Geschlechtsveränderung in der 
Weidengattung, als durch klimatische Ursachen bedingt, ent- 
wickelt haben [Fr. Nov. Mant. 1. 35 sgq.] 

Von einigen der vieigestaltigsten Arten ist es mir, wie ich 
hoffe, geglückt, gewisse bestimmte klimatische Abarten zu un- 
terscheiden, die sich mehr ausgezeichnet darstellen, wenn man 
die Natur im Grossen betrachtet, als in einzelnen Exemplaren 
der Herbarien, aber eben dadurch merkwürdiger sind, als die 
nach Bekleidung der Blätter, der Fruchtknoten u. dgl. gewöhn- 
lich angenommenen Abänderungen. — Indem ich diese im Fol- 
genden darstelle, bekomme ich zugleich Gelegenheit, solche 
von mir in früheren Schriften gethane Annahmen, deren Gründe 
von Andern noch nicht recht erkannt zu sein scheinen, aus- 
führlicher zu rechtiertigen. Mir war es besonders schmeichel- 
haft, dass der edle berühmte Koch, welcher früher die euro- 
päischen Salices bearbeitet hat, in seiner Synops. Fl. Germ. 


Die sofa Weiden - Arten etc. 353 


nicht allein unsre Bestimmungen angenommen hat, sondern auch 
zu meiner Ansicht über S. Russeliana, viridis, angustifolia, 
Waldsteiniana, die sonst gewiss von den meisten verworfen 
worden, übergegangen ist. Indess bleiben zwischen uns noch 
einige kleinere Abweichungen, die ich weiter unten zu erläutern 
suchen werde. — Ich gehe nun zur Aufstellung der scandina- 
vischen Arten über. 
l. Amerına. 

*Fragiles, mit endlich abfallenden Kätzchenschuppen. 

1. S. pentandra L. Fl. lapp. t. 8. fig. z. 

*tetrandra Linn. It. öland. p 13. Fl. fen b. 8. fie. b. 

Anm. Die Unterart (für selbstständige Art halte ich sie 
nicht, obgleich es nach dem Citate in Hadın Skand. Fl. so 
schiene) ist an dem Linneischen Fundorte gesammelt, dieser 
Name also völlig sicher. Sehr ungewiss ist es, ob S. cuspi- 
data Schultz hierher gehöre (vgl. G. W. Meyer Chlor. hano- 
ver.) |nach Fries’s späterer Meinung u. nach Koch besondere 
Art, verschieden von S. pentandra var. euspidata Suecor.]. 

2. 8. fragilis L. — It. scanic. p. 200. Fl. Herb. norm. 
I. n. 60. 

— decipiens. S. decipiens Hoflm. S$. vitellina Linn., sed 
synon. ad analogum statum S. albae. Smith’s S. decipiens 
gehört nach Babington zur folgenden Art (8. viridis). 

*pendula Ser. — Linn. Fl. suec. ed. 1. n. 812. 

Anm. Deutsche Autoren halten die Abart deeipiens, mit 
unterhalb grünen Blättern, für die typische Form, bei uns sieht 
man diese nur an ein paar Stellen in Schonen, während die 
von uns aus theoretischen Gründen als Hauptform angenommene 
(vgl. S. amygdalina) zugleich im ganzen Lande gemein ist; 
ausser den nördlichen Orten: im westl. Upland in Westmanland, 
Dalekarlien u. s. w., scheint sie wirklich wild zu sein. Dage- 
gen ist die Unterart pendula die, welche in den magern west- 
lichen Provinzen und in Norwegen am meisten vorkommt. Sie 
ist die S. Ehrhartiana Sm. nach Meyer, welcher die wahre 
S. Russeliana Sm. für einen Bastard dieser und der 8. alba 
hält. Die Kochschen Exemplare, die ich von $S. Russeliana 
gesehen, kommen der S$. alba näher, als irgend eine in Schwe- 
den gefundene Form der Russeliana. Diese und andere Um- 
stände bewegen mich, die bestimmte und äusserst treflende Be- 
nennung von Seringe vorzuziehen; Russeliana gilt von meh- 
reren Formen; [s. a. vor. Heft S. 270 d. Archivs nach Fries: 
„8. Russel... eine üppige Form der $. fragilis var. deci- 
piens‘“]. 

24* 


354 Die schwedischen Weiden - Arten etc. 
3. S. viridis Fr. — Nov. p. 28. Herb. norm. I. n. 61. 


— corallina, mit dichter Krone, zähen korallenrothen Aesten. 

Anm. Die in jedem Alterszustande aufrechten Kätzchen 
unterscheiden diese Art deutlich von sämmtlichen verwandten. 
Sie gehört den Waldgegenden des Göta-Reiches [ gothischen 
R., südl. Schweden | an, tritt zwar bei Kalmar auch an das 
Meer hervor; wild bildet sie einen hohen Strauch; auf Scho- 
nens Ebenen zugleich mit S. alba gepflanzt wird sie zu einem 
Baume, der durch wiederholtes Abstutzen der Krone die var. 
corallina bildet. 

4. S. alba. ; 

— sativa L. It scanie. p. 200. Fr. Herb. norm. I. n. 62. 

Anm. Die Stammform oder der wilde Typus dieser Art, 
welcher am Lerelv in Norwegen vorkommt, hat kürzere und 
breitere Blätter, als die angepflanzte Form, die eine merkwür- 
dige Abart bildet. Diese steht zu der wilden in demselben 
Verhältnisse, wie $. fragilis * pendula zu der in Schweden ge- 
wöhnlichen 8. fragilis. Es ist gerade diese wilde strauchartige 
Form, die Smith unter $S. alba versteht, wenn er sie von 8. 
coerulescens oder der cultivirten hochstämmigen unterscheidet. 
Meines Wissens hat kein Autor das Verhältniss dieser Smith’- 
schen Arten zu einander verstanden, sondern man hat beide in 
der gepflanzten gesucht. ‘ 

** Amygdalinae. Kätzchenschuppen sitzenbleibend. 

5.8. amygdalina L. Fl. suec. n. 8831. Fr. Hb. n. M.51. 

— angustata. — b. Novit. Mant. (P. undulata Hartm.). 

Anm. Normal sind die Blätter bei uns immer unten weiss- 
oder eisgrau, zufällig habe ich sie jedoch auch unten ganz und 
gar oder zur Hälfte grün gesehen. Meyer nimmt in der Chlo- 
ris hanov. bei dieser, der $. fragilis u. a. die unterhalb grüne 
Form für die typische, die eisgraue für eine Ahart. Wir sind 
überzeugt, dass sowohl von dieser, als auch von $. pAylieifo- 
lia, S. repens und den übrigen Arten die unterhalb eisgraue 
Form stets die typische ist.- Merkwürdiger scheinen mir die 
Abweichungen in der Blattform. Eine kleinblättrige Abänderung 
mit elliptischen wen’g zugespitzten Blättern (8. amygdalina 
Smith Engl. Fl.) findet sich in den höhern Gebirgsgegenden; 
eine grossblättrige mit ablang-lanzettlichen lang zugespitzten 
Blättern ($S. Hoffmanniana Sm.) wächst am untern Laufe der 
Flüsse- und wird in den südlichen Provinzen cultivirt. Die Ab- 
art angustata ist schmalbhlättriger als $S. triandra Sm.; sie ist 
mit der folgenden Art verwechselt, aber die Blätter sind nicht 
wellenförmig. Obgleich die Art eigentlich den (schwedisch-) 


Die schwedischen Weiden- Arten etc. 355 


nordländischen Flüssen angehört, findet sie sich doch in Lapp- 
land nicht eher als innerhalb der russischen Gränze bei Kemi. 

6. S. undulata Ehrh. — Fr. Nov. Mant. p..62. Hb. 
norm. Il. 55. 

* S. hippophaifolia Thuill. — Fr. Herh. norm. IX. App. 

Anm. Im südlichen Schweden ist sie nur sparsam gepflanzt; 
aber auf Öland ist sie im südlichen Theile auf Weidendämmen 
häufig; um den Mälarsee hingegen findet sie sich an mehreren 
Stellen am Ufer und an Flussrändern (S. fragilis 2 Myrin Co- 
roll. Fl. upsal.). — Nach meiner Ueberzeugung gehört S. hip- 
pophaifolia hierher als Unterart; sie verhält sich ganz ebenso 
zur S. undulata, wie S. purpurea zur S. Helix: die Kätzchen 
sind nämlich doppelt kleiner und die Blätter undeutlich gesägt 
Wo sie gemischt wachsen, unterscheiden sie sich nicht durch 
ungleiches Aussehen, daher sie auch Ehrhart nicht unterschied. 
Dass die von mir in Nov. Mant. beschriebene S. hippophai- 
folia dieselbe ist, wie Koch’s, zeigt jedes Wort der Be- 


schreibung. no 
. Hei. 


(Von den * Griseae Borr. ist keine in Schw. einheimisch.) 

** Purpureae. 

+8. rubra Huds. — S. viminalis A. Liljeblad Sv. Fl. 

Kommt nur angepflanzt in Schonen , Westgothland und an- 
derwärts vor, aber nirgends verwildert oder in solcher Menge, 
. dass man sie für einheimisch halten könnte. Sie giebt indess 
bessere Ruthen, wenigstens zu feineren Korbmacherarbeiten, 
als irgend eine andere Art. Sie verdient in Menge gezogen zu 
werden. 

7. 8. purpurea L. It. scan. p. 252. — Herb. norm. II. 56. 

— Helix L. — Herb. norm. II. n. 57. 

Anm. Eigentlich ist $S. Zelix die Stammform, $S. Lam- 
berliana eine breitblättrige Abänderung derselben, und $. 
purpurea eine durch Kappen hervorgebrachte Abart, wie von 
der 8. viridis die corallina, u. a. 

Il. Verrix. 

* Chrysanthae. Verästete, hochnordische (lee alpine) 
Arten. 

8. S. daphnoides Vill. — Fr. Mant. I. p. 46. Hb. norm. 
v1. 54. 

 * acutifolia Willd. 

Anm. Die auf südlichen Hochgebirgen vorkommende zot- 
tige Abart findet sich nicht im Norden; die kahle dagegen am 
Glommen und mehreren Flüssen im mittleren Norwegen, und 


356 Die schwedischen Weiden- Arten etc. 


auf Uferwiesen am See Siljan und Dalelf im Kirchsp. Mora in 
Dalekarlien kommt eine Form mit lanzettlichen Nebenblättern 
vor, die deutlich zur $S. acutifolia gehört oder offenbar einen 
Uebergang in diese zeigt, welche, obschon erst unlängst einge- 
führt, an mehreren Stellen im südwestlichen Schweden gepflanzt 
ist. Sie verhält sich zur eigentlichen $. daphnoides ganz so, 
wie S. pendula zur gewöhnlichen 8. fragilis. In Weinm. Fl. 
petropol. wird S. daphnoides auch als an Flussufern wachsend 
und 8. acutifolia als eine schmalblättrige bei den Dörfern an- 
gepflanzte Varietät derselben aufgeführt. — Als schwedisch er- 
spähten wir diese Art zuerst in einer vom Hrn. Notar Ola@sson 
uns mitgetheilten Sammlung blühender Weidenzweige, und nun 
hat für das Herb. norm. VI. Fräul. Arosenius sie gütig in 
Menge gesammelt. 

9. S. lanata L. — Fl. lappon. n. 368. t. 7. fig. 7. 

— glandulosa Wahlenb. 

* depolita Wahlenb. 

Anm. Obgleich diese Art von der vorigen verschieden und 
unzweifelhaft davon gesondert zu halten ist, so ist es doch 
schwer, eine bestimmte characteristische Differenz zwischen bei- 
den anzugeben. Form und Bekleidung der Blätter, Weiss- und 
Gelbhaarigkeit der Kätzchen u. s. w. variiren bei beiden in 
gleicher Weise. Die Unterart depolita hat eiförmige und herz- 
förmige Blätter, welche ausgewachsen völlig kahl sind, unter- 
halb eisgrau, die jüngern so wie die Kätzchen weichhaarig 
(pubesc., nicht Jangwollig). 

10. S. Lapponum L. — Fl. lappon. n. 366; t. 8. fig. t. — 
Harim. S. limosa Wahlenb. 

— [y.] ovalifolia Wimm. (Blätter meistens kahl). 

* lTeucophylla Willd. — L. Fl. lapp. n. 362. t. 8. fig. o., q. 

Anm. Auch Prof. Trautvetter hat (ohne dass er von 
Dr. Hartman’s Bestimmung Kenntniss haben konnte) bemerkt, 
dass Linne’s S. Lapponum zu dieser Art gehören müsse. — 
Die Unterart, welche Linne für eine eigne Art nahm, ist bei 
den Neueren ganz verschwunden, ist aber ausgezeichneter als 
manche geringere, die oft für Arten erkannt werden. Die 
Hauptform (und nur diese habe ich aus Lappland erhalten,) ist 
ästiger; die Blätter (oft linealig-lanzettlich) nach beiden Enden 
gleich - sehr verschmälert, ausgewachsen besonders steif, auf 
der Oberseite der Länge nach gefurcht, dunkelgrün, beim 
Trocknen schwarz - dee unterhalb mit dichtverfilzter Be- 
kleidung, am Rande wellenförmig und herahgebogen; die Kätz- 
chen blühend eiförmig, fruchttragend kurz, oft gekrümmt, mit 


Die schwedischen Weiden - Arten ete. er / 


dichtstehenden ausgesperrten spitzigen Kapseln; Nebenblätter, 
wenn deren vorhanden, halb-herzförmig. Die Unterart hat 
dünne ruthenförmige Aeste, die Blätter bedeutend breiter be- 
sonders nach dem Grunde zu (eiähnlich), nur nach oben zuge- 
spitzt, im jüngern Zustande fein netzadrig runzlig, im älteren 
glatt, flach, hellgrün, beim Trocknen nicht schwarz werdend, 
immer ausgezeichnet weich und biegsam, unten schneeweiss 
seidenhaarig; blühende Kätzchen ablang, fruchttragende kurzge- 
stielt ausgezogen gerade; Kapseln nach dem Abfallen des Grif- 
fels stumpf, nicht ausgesperrt; Nebenblätter, wo deren vorhan- 
den, klein, eiförmig. Sie scheint am meisten Norrland [schwed. 
Nordland], Dalekarlien, Westmanland (n. Sjöstrand) anzugehö- 
ren; die upsaler aber ist, wie schon Ehrhart bemerkt hat, 
S. Lapponum. f 

1l. S. canescens s. S. Linnaeana Fr. Novit. Mant. p. 58. 
(1832) [., fol. oblongo -lanc. rugulosis recto-acuminatis crenul. 
subtus tomentosis,, imis obtusiuse., amentis subpeduneculatis den- 
sis. eylindr. bracteatis , caps. hrevi - pedicellatis conicis albo -to- 
ment., stylo elong.“]. Salix. Linn. Fl. lapp. n. 367. et Herb. 
Liun. „Species distineta““ Smith. 8. caprea ß. Linn. Fl. 
suec. n. 900. S. cinerea A. Liljebl.! Sv. Fl. 2. p. 303. 8. di- 
mosa cinerascens Whlnb. Fl. suec. ed. 2. SS. cinerea ß. Lästad.! 
in Nov. Act. Ups. XI. — Fr. Herb. norm. V. n. 64. 

— obtusifolia, Blätter verkehrt- eiförmig, stumpf, fast kahl. 
L. Fl. lapp. t. 8. fig. u. $. obiusifolia W. 8. capreo- limosa 
Lästad. in litt. 

* Lästadiana, Blätter gross häutig lanzettlich - ablang ganz 
randig spitzig fein-weichhaarig, älter oben kahl und so wie die 
dünnen ruthenförmigen Zweige sehr weich, Kapseln weniger zu- 
sespitzt. S. cinereo-limosa Läst. in litt. Sie ähnelt gar sehr 
der S. Seringeana u. ist schwer davon zu unterscheiden; ent- 
spricht aber vollkommen der leucophylla unter der vorigen Art. 

Anm. 1. Die Hauptart kommt in den nördlichen Lappmar- 
ken an mehrern Orten, aber sparsam, und, nach Sommerfelt, 
in Saltdalen [Norw., 67° Br.] vor. Sie ähnelt sehr der 8. cine- 
rea, steht aber in natürlicher Verwandtschaft der S. Lapponum 
am nächsten, was auch durch den völlig übereinstimmenden 
Varietäten-Cyclus bestätigt wird. Die Abart obtusifolia gleicht 
sehr der S. caprea alpestris; sie wurde in Tornei -Lappmark 
gefunden, von Liijeblad! und bei „Pawrajaur [665°] in Luleä- 
Lappm.“ vom Pastor Lästadius; die Unterart nur von Letzterem 
hei Arfvidsjaur [653°], am Längträsk, aber sparsam. Die Be- 
kleidung ist bei allen sehr veränderlich; die Hauptart besitze 


358 Die schwedischen Weiden- Arten etc. 


ich mit langen schmalen Blättern ohne ein einziges Haar 
selbst unter der Lupe; auch die Abart kommt kahl vor; (die 
Hauptart von S. Zapponum findet sich an überschwemmten 
Stellen ohne nur ein Haar auf den Blättern). 


Anm. 2. Diese von Linne zuerst entdeckte Art nannte 
ich anfänglich $. Linnaeana (Novit. Mant. I. p. 59.); aber 
nachdem die einige 60 auf — ana gegebenen Weidenbenennun- 
gen zum Glück verschwunden sind, wollte ich nicht ihre Zahl 
“vermehren, sondern nannte sie S. canescens, was am meisten 
characteristisch. Nachdem Willdenow’s S. canescens verschwun- 
den ist, wie ich schon in Nov. Mant. bemerkte, oder sie nach 
seinem Herbarium in mehrere Arten aufgelöset worden [die des 
Hb. Willd. gehört n. Fr. zu $. Seringeana K. u. and., s. dies. 
Arch. S. 271.] (wobei die typische im Berliner Garten! eultivirte 
bestimmt zu dieser Gruppe [,‚zu dieser $. canescens Fr. oder 
zu einer ihr analogen Form der $. limosa,““ ebds.]|, nicht zur 
S. Seringeana gehört: vgl. Link Hort. berol. und Koch Salie. 
europ.), so muss dieser Name am richtigsten hier erhalten 
werden, wenigstens ist kein Grund da, einen neuen einzuführen; 
viel eher wäre es nöthig, den Namen $S. acuminata Sm. und 
unzählige andere zu verwerfen, die vorher andern Arten beige- 
legt gewesen. Wünschte man dennoch einen neuen Namen, so 
müsste wohl der nach dem ersten Entdecker vom ersten 
Bestimmer der sichern Art vorgeschlagene, S Linnaeana, 
beibehalten werden. 


** Viminales. Mit geraden ruthenförmigen Zweigen. 
Südliche, meistens cultivirte Arten. 


12. 8. mollissima Ehrh. — Fr. Nov. p. 283. Herb. 


norm. 1. 65. 


13. S. viminalis L. Fl. suec. n. 901. — Fr. Herb. 
norm. 1. 64. 


Anm. S. viminalis v. latifolia Retz. Suppl. Fl. Scand. 
gehört, nach den Exemplaren, die Retzius unter diesem Namen 
in Paradislyckan selbst cultivirt hat, zu S. stipularis Sm.; dass 
er aber in der Fl. oecon. die folgende Art damit vereinigte oder 
verwechselte, ist offenbar. S. stipularis gleicht bei schnellem 
Ansehen der folgenden am meisten, steht aber bestimmt der 
S. viminalis näher. Man soll sie in Halland auf Flugsand ge- 
pflanzt haben. 


14. S. lZanceolata Dee. Fl. fr. (e loco: Parisüs! sed 


exclus. synon. et deser. Seringei, ad $S. Seringeanam referendis). 
Fr. Fl. hall. 


Die schwedischen Weiden - Arten ete. 359 

— Smithiana (S. Smithiana W. S. mollissima Sm.) Hb. n. 
1. 63.; II. 59. 

— Kochiana. SS. mollissima Koch in Regensb. Bot. Zeit. 

Anm. Wir besitzen 3 Formen von dieser Art: eine nie- 
drige ästige mit kleinern auf beiden Seiten grau-behaarten Blät- 
tern, welche die Stammform ist und in Mooren wächst (s. Nov. 
Mant. 1. 61.); S. Smithiana ist die gewöhnliche Culturform, 
grösser und mit grössern Blättern die oben kahl sind; endlich 
eine mit braungelben glätteren Zweigen und grünen auf beiden 
Seiten fast kahlen Blättern. Koch, welcher sie anfänglich un- 
ter dem Namen S. mollissima beschrieb, hat sie selbst mit S. 
Smithiana vereinigt. — Gewöhnlich wird De Candolle’s S. lan- 
ceolata nach dem Synonyme dabei zu S. Seringeana gezogen, 
aber diese alpine Art wächst gewiss nicht auf Dämmen um 
Paris, welchen Standort allein De Candolle für seine S. /an- 
ceolata angiebt. 

IV. Caprea. 

*I Capreae sensu striet.| Bäume oder Sträucher mit deut- 
lichen Stämmen, aufrechten Aesten und (typisch) mit gesägten 
Blättern. 

15. S. caprea L. — FI. lappon. n. 365. 

— sphacelata. S. sphacelata Willd. 

— alpestris Novit. Mant. 1. 54. 8. caprea ß. Whlnb. 
Fl. Carp. 

Anm. Die Abart alpestris darf weder mit der folgenden 
Art noch mit S. caprea coaetanea, welche eine zufällige Form 
ist, die man auch in Schonen gefunden, verwechselt werden. 
In Gebirgsgegenden hat Lästadius eine niedrige oder ver- 
krüppelte (wie es scheint immer sterile,) Form gefunden: S$. 
caprea v. subdepressa Läst., deren Aeste russfarbig sind. 

16. S. grandifolia Ser. Saul. n. 20. — Linn. Fl. lap- 
pon. n. 348. t. 8. fig. a. optima! 

Blätter ablang oder verkehrt eiförmig, an beiden Enden sehr 
ausgezogen, zugespitzt, mit kurzem Stiele, papierdünn, gekerbt- 
gesägt, ausgewachsen auf beiden Seiten kahl, oberhalb glän- 
zend, auf der Unterseite nur im jungen Zustande so wie die 
Zweige und Knospen weichhaarig; Nebenblätter gross, nieren- 
förmig -herzförmig; blühende Kätzchen eiförmig; Kapseln sehr 
lang gestielt, fast pfriemenförmig, seidenhaarig, mit unmerkli- 
chem Griffel. 

Anm. Eine etwas zweifelhafte Art, die sich sowohl der 
vorhergehenden als auch der folgenden nähert und nur spora- 
disch vorkommt. Ich nehme sie nach Koch als eigene Art 


360 Die schwedischen 


Weiden - Arten etc. 


auf, weil sie 1) in südlicherem Klima eultivirt sich unverändert 
erhält und 2) nur in der [subalpinen | Hochgebirgsregion vor- 
kommt, wo S. caprea nur als verkümmerter Strauch oder 
als var. subdepressa auftritt, siehe regensburger Botanische 
Zeitung 1830, Seite 130; während $. grandifolia dagegen 
das ganze Ansehen einer freudigern S. caprea |[.,‚cujus for- 
tasse varietas est,“ Koch] hat, doch die Blätter mehr 
ablang , zugespitzt, auf beiden Seiten grün. Was ich von Hrn. 
Lästadius unter dem Namen ,$S. caprea v. cinereaeformis“ 
erhielt, dürfte auch eine jüngere Form der S. grandifolia sein. 
— Die Beschreibung der $. fagifolia (‚mit unmerklichem Grif- 
fel“) in Wahlenb. Fl. Carp. passt ganz genau auf unsre 9. 
grandifolia. | | 

17. 8S. cinerea L. — Fl. suec. n. 902. (a., b.: s. unt.) 

— virgata Fr. Fl. halland. (a. b.) 

Anm. Die Abart virgata gehört der Westküste an; sie ist 
sehr ausgezeichnet durch ihren ästigen Wuchs, im jungen Zu- 
stande dünne, im älteren kahle unten eisgraue Blätter und klei- 
nere Nebenblätter. Sowohl von dieser als von der gewöhnlichen 
Form kommen einander entsprechende Abänderungen vor: eine 
mit schmälern langspitzigen, eine mit breiteren verkehrt - eiför- 
migen stumpfen Blättern. Zu diesen Abänderungen der gewöhn- 
lichen Form gehören $S. acuminata Hofim. und S. aqualica 
Willd. & vulgo; zu denen der virgata 8. oleifolia Sm. und die 
S. aquatica Sm., welche nicht mit Willdenow’s gleichnamiger, 
wohl aber mit S. rufirervis DC. identisch ist. Von der virgata 
besitze ich auch eine, beim Eisenwerke Näs in Norwegen ge- 
sammelte, kahlfrüchtige Abänderung. 

185. 8. aurita L. — Fl. lappon. n. 369. 

— nemorosa Nov. Mant. I. 

— uliginosa. 8. uliginosa Willd. 

* ambigua Ehrh.! — 8. ambigua „ad S. auritam accedens“ 
Koch Comm. 

— sublivida Lästad. 

Anm. 1. Ebenso wie S. cinerea nimmt diese Art an Uep- 
pigkeit gegen Norden hin merklich ab und findet sich nicht in 
den nördlichen Lappmarken oder den Hochgebirgsgegenden 
(ganz entgegengesetzt verhält sich darin die ihr mehr analoge 
als verwandte S. depressa). Die davon aufgestellte $. uligi- 
nosa W. ist ein freudiger Strauch, mit sehr grossen aufrechten 
grubig-runzligen wellenförmig-grobgesägten oder am Rande 
krausen Blättern, die im ältern Zustande oben kahl oft glän- 
zend, unten grün sind, wie er im südl. Schweden allgemein 


Die schwedischen Weiden- Arten elc. 361 


vorkonmt: es ist eine klimatische Abänderung. Dass Linne, 
welcher die S. aurita nur für [schwedisch-] nordländisch ansah, 
die südliche zur S. cinerea gerechnet hat, ist um so sichrer, 
da sie gegen Süden die gemeinste Art ist und die ökonomische 
Anwendung, die in der Fl. suec. von S. cinerea angegeben 
steht, eigentlich von 8. aurita gilt. 

Anm. 2. Ein anderes Extrem dieser Species ist $. ambi- 
gua Ehrh., die gewöhnlich mit $S. incubacea vereinigt wird und 
nach Blattform und Nebenblättern schwer davon zu unterschei- 
den ist, daher auch Koch 2 Formen derselben annimmt: eine 
die der S. aurita, und eine die der S. repens näher steht. 
Ich für meinen Theil bin mit Seringe, Trautvetter u. A. der 
Ueberzeugung, dass die erstere oder S. ambigua Ehrh. nicht 
von S. aurita unterschieden werden kann, wohl aber die andere 
(Seringe ist zwar in Irrthum, wenn er sie mit $. spathulata 
Wbs. vereinigt). Auch S. spathulata Willd. ziehen wir zur 
Unterart der S. aurila: denn sie ist „ein 5 Fuss hoher aufrech- 
ter Strauch mit unterhalb zottigen Blättern“ u. s. w. und in 
Willd. Berl. Baumz. ist sie mit an der Spitze dreispaltigen 
Nebenblättern abgebildet, was etwas Gewöhnliches ist, auch bei 
S. cinerea viryalta, wenn die Nebenblätter schmal werden. — 
Unsre S. plicata [s. unt.: n. 27.], welche nicht Koch’s $. am- 
bigua, sondern bei Koch eine Var. oder seine 2te Hauptform 
derselben ist, hat unterirdischen kriechenden Stamm, so dass 
sie wie S. repens einen dichten Wald in der Erdoberfläche bil- 
det, die Blätter unterhalb angedrückt- seidenhaarig und doppelt 
so kurze und dicke Kapseln. Wollte man sie nicht als Art an- 
nehmen, so müsste sie eher zur $S. repens kommen [vgl. Arch. 
ob. S. 271.]. Ich vermuthe, dass die schwedischen Autoren, 
die unsrer Unterscheidung der $. ambigua und S. plicata keine 
Aufmerksamkeit geschenkt haben, die erstere nicht Gelegenheit 
hatten wachsen zu sehen. In Schonen wurde S. ambigua erst 
letzten Sommer an der Mündung des Köpinge-Flusses gefunden. 

19. S. silesiaea W. — Fr. Nov. Mant. I. Linn. Fl. lapp. 
n. 358. 

Anm. Obgleich die papierdünnen, ausgewachsen auf bei- 
den Seiten kahlen und grünen Blätter nebst dem deutlichen 
Griffel diese Art der folgenden zu nähern scheinen, steht sie 
doch der 8. caprea und der $. grandifolia weit näher. Vgl. 
Wahlenb. FI. Carpat. — Sie kommt sehr vereinzelt vor: in 
Lindblom’s an norwegischen Gebirgs - Salices reicher Samm- 
lung sah ich nur ein, bei Mandal im südlichen Norwegen ge- 
sammeltes, Exemplar, und Sommerfelt sandte sie mit der 


362 Die schwedischen Weiden- Arten etc. 


Aufschrift: ‚„ Salix. Non est caprea. Unica arbor.“ Ausser 
der normalen Form hat man von verschiedenen Orten her einige 
ähnliche, die, weil Früchte fehlen, nicht ganz sicher bestimmt 
werden können, z. B. $S. Rudbeckiana Läst. in litt.: [von die- 
ser $. Arudb. sagt Hartman in Bot. Not. 1841, 159.; sie habe, 
mit Koch'schen (eultiv.) Exemplaren der $. silesiaca verglichen, 
„nichts mit dieser letztern gemein, sondern sei, nach Lästa- 
dius’s Angabe, eine serotine Form der S.nigricans, zwar höchst 
ausgezeichnet; die Fructification, welche Prof. Fries nicht ge- 
sehen, ist ganz die der letzteren, nicht die kleinen äusserst 
lang gestielten Kapseln der S. silesiaca; sie unterscheidet sich 
aber von der vorigen hauptsächlich durch ausgezogene grossbe- 
blätterte Kätzchenstiele und fast verkehrt-eiförmige Blätter, die 
denen einer kleinblättrigen S. caprea nicht unähnlich sind.“]. 

20. 8. nigricans Sm. — Fr. Nov. Mant. 1. p. 52. — 
Linn. Fl. lapp. n. 350. Fr. Herb. norm. V. n. 62. (var. cam- 
pestris). 8. phylicifolia et S. nigricans altera Whlnb. Fl. lapp. 
n. 482., 485. 

Anm. Von dieser vielgestaltigen Art müssen, nach Wah- 
lenb. FT. suec., die (der zuerst zu nennenden folgenden) 2 aus- 
gezeichneten klimatischen Abarten unterschieden werden: 

— borealis: üppigern Wuchses, die Blätter mehr lang ge- 
streckt, die jüngern nebst den ältern Aesten behaart, Kätzchen 
gross, gleichzeitig mit den Blättern, die ausgewachsenen Früchte 
sehr gross. Diess ist die best- ausgebildete lappländische Form; 
S. rupestris Smith (S. nigricans cinereiformis Lästad.) ist eine 
alpine Form derselben mit auf beiden Seiten grauen rauchhaa- 
rigen Blättern. 

— campestris Whlnb.: schmächtiger, die Blätter meist ge- 
rundet, zuweilen herzförmig; die ein Jahr alten Aeste kahl, nur 
die diesjährigen Zweige weichhaarig; Kätzchen gleichzeitig mit 
Hüllblättern; Früchte doppelt kleiner als bei der vorigen. Diese 
ist es, die in allen Wald- und Berggegenden des Landes vor- 
kommt. S. Andersoniana, Forsteriana, hirta und cotinifolia 
Sm. sind Formen derselben. 

— majalis Whlnb.! Fl. suec. (excl. synon. Fl. lappon. |s. 
d. bei der folg. Art]): die Zweige nebst den Knospen kahl und 
glänzend, am öftersten gelbbraun; Blätter kahl, wenig (oder 
spät) schwarz werdend ; die Kätzchen sehr frühzeitig auf nack- 
ten Zweigen ohne Stiel und ohne Hüllblätter blühend. Diese 
Abart ist es, die sich in Küstengegenden oder an grössern Ge- 
wässern findet, wo der Frühling zeitig beginnt aber langsam 
vorschreitet. Zu Hässlunda in Schonen blüht sie 14 Tage eher 


Die schwedischen Weiden- Arten etc. 363 


als die Blätter anfangen sich zu zeigen. — Hierzu kommt eine 
örtliche Abart in dichten und feuchten Hainen, durch welche 
sie bedingt ist, nämlich: 

— prunifolia Liljebl.: Blätter dünn, auch ausgewachsen 
häutig und auf beiden Seiten grün; sie blüht mit erwachsenen 
Blättern und kleinblättrigen Kätzchen. Diese letztere ist die 
S. damascena Forbes & Hook. Wir haben volle Gewissheit, 
dass amenla praecocia und coaelanea bei dieser und allen ver- 
wandten Arten vom Verhalten des Frühlings in der Provinz oder 
der Oertlichkeit, wo sie wachsen, abhangen. — Die ausge- 
zeichnet langen Kapsel-Stiele, der ausgezeichnet lange 
Griffel, die weisslichen seidenartig-angedrückten 
Haare auf den jüngern Blättern, die, bei dem Trocknen 
schwarz werden, unterscheiden diese Art leicht von allen 
verwandten. Die Behaartheit nimmt von Norden gegen Süden 
ab (wie bei S. depressa), aber unter dem Blühen sind die Blät- 
ter immer gewimpert, die Blattstiele verlieren nie völlig die 
Behaarung; auf den jüngern getrockneten geschwärzten Blättern 
bildet sie gewöhnlich einen weissen Fleck oder Rand längs der 
Mittelrippe. Der Kätzchenboden (receptac. amentac.) ist, so 
wie die Kätzchenschuppen, auch bei var. majalis! wollhaarig. 
Die Früchte dieser letztern sind immer kahl; die der andern 
Abarten variiren auch in der behaarung. 

Anm. 2. Auch die „Ss. majalis vera“ e Vestrobothnia, 
welche Hr. Lästadius gesandt, scheint mir wegen der aus- 
gezeichnet langen Fruchtstiele zur Abart majalis zu gehören, 
obgleich die gelbliche Färbung der jüngeren Blätter sie der 
S. tenuifolia |s. bei folg. Sp.] nähert. Gehören die ‚„vollstän- 
digern‘“ Exemplare, deren Koch in seiner Synopsis p. 654. 
erwähnt, etwan hierher? Dem widerspricht jedoch, dass Lä- 
stadius nach seinem Zeugnisse sie niemals in voliständigen 
Exemplaren eingesammelt hat. Durch gütig zugestandene Ver- 
gleichung der Originale in Prof. Wahlenberg’s Sammlung 
bin ich völlig überzeugt worden, dass er Exemplare der 8. ni- 
gricans vor Augen gehabt hat, als er die $. majalis zu dieser 
Art gezogen, dass er aber in der Flora lappon. sie richtig als 
eine von derselben verschiedene Art betrachtet hat. 

21. S. phylieifolia L. — Smith! Fr. Nov. Mant. p. 50. 
— Linn. Fl. lapp. n. 351. [Koch Taschenb.]. — S. Zaurina 
Sm.! 8. nigricans Wbg. Fl. lapp. n. 485. (excl. nigricante 
dasycarpu). | 8. bicolor Ehrh. Koch Syn. ed. 1. 653. (incl. $. 
 Weigeliana &ec., wie auch bei Fr. |. c.).] 

— leptophylla: Blätter dünn, häutig. $. punctata? Som- 


364 Die schwedischen Wieltbeiten etc. 


merf. in litt. $. tenwifolia Sm. nur zum Theil, näml. die be- 
haarte Form. 

Von $. nigrieans unterscheidet sich diese Art durch die 
ablangen meist aufrecht-stehenden Blätter, die im jüngern Zu- 
stande weichhaarig, aber nie angedrückt-seidenhaarig sind 
oder nach dem Trocknen schwarz werden, ausgewachsen unter- 
halb grau sind, besonders aber durch ihre merklich kürzern 
Kapselstiele und Griffel; — im Ganzen steht sie der folgenden 
S. tenuifolia näher, aber schon der kürzere Griffel unterschei- 
det sie, und ausserdem die in der Jugend zottigen Zweige und 
Blätter, wovon die erstern dunkelbraun und runzlig, die letz- 
teren dunkelgrün sind und beim Ausschlagen den gro- 
ssen rostbraunen Fleck haben, welcher die S. caprea, 
cinerea u. a. vor den vorhergegangenen auszeichnet; bei der 
folgenden fehlt dieser ganz; da aber ältere und getrocknete 
Exemplare oft sehr schwer zu unterscheiden sind und mir das 
Verhältniss dieser Formen zu einander noch nicht genug aufge- 
klärt zu sein scheint, so glaube ieh die S. tenuifolia hier, wie 
in Nov. Mant., als Unterart der 5. pAylicifolia aufführen zu 
müssen. Die Samenkapseln habe ich nur seidenhaarig gesehen. 

* S. tenuifolia Linn. Herb. — Linn. Fl. lapp. n. 352. — 
Fr. Nov. Mant. I. 51. Herb. norm. IH. n. 54. $. Arbuscula 
Whlnh. lapp. n. 476. 

— majalis Whlnb. lapp.! n. 483. (non S. phylicifolia ma- 
jal. Fl. suee.). 

Anm. Verschieden von $. phylicifolia durch ihre im zar- 
testen Alter kahlen glänzenden Zweige, Blattstiele und Blätter: 
die letztern im jüngern Zustande ungemein dünn, gelblich, 
durchscheinend, ohne rothbraunen Fleck, älter dunkelgrün, 
aber unter dem Trocknen nicht schwarz werdend; ferner kurze 
Kapselstiele, lange Griffel. Sie variirt wie jene: an Ufern mit 
freudigerem Wuchse, dabei mit frühzeitigen ungestielten blatt- 
losen Kätzchen; Gebirg- aufwärts aber wird sie niedriger, Blät- 
ter und Blüthe werden mehr gleichzeitig und die Kätzchenstiele 
endlich kleinbeblättert. Die Salices n. 48—61. Hook. Brit. Fl. 
gehören zu dieser und der $. phylicifolia. 

S. Wulfeniana W. oder richtiger $. glabra Scop. ist eine 
Mittelart zwischen S. phylicifolia und der folgenden ($. hastata). 
Auch diese hat, in der Ebene gezogen, nach Willd. Berl. Baumz. | 
frühzeitige und blattlose Kätzchen; in Gebirgen werden sie aber 
auch gleichzeitig und beblättert-gestielt. Nach Past. Fell- 
man soll sie im Kola-Distriete im russischen Finnmarken vor- 
kommen; doch ist vielleicht die var. majalis der S. tenuifolia 


Die schwedischen Weiden- Arten etc. 365 


gemeint, auf welche Willdenow’s Beschreibung auf's genau- 
ste passt. 

22. S. hastata Linn. Fl. lapp. n. 364. — Fr. Hb. norm. 
IH. 53. (var. gothica). Sie hat wie die meisten ‘Arten dieser 
Abtheilung mehrere bestimmte klimatische Abarten. In Norr- 
laod und den lappländischen Waldgegenden kommt die Haupt- 
art vor, aber in den tiefen Mooren des [südschwed.] Göta-Rei- 
ches (auch Jütlands u. s. w.) wird sie zu einer ausgezeichne- 
ten Abart ausgebildet, näml. zur: 

— gothica: niedrigen Wuchses; Kätzchen frühzeitig (vor 
den Blättern), fast stiellos mit kleinen Hüll- oder Deckblättern; 
die Blätter meistens herzförmig (auch die der blühenden 
Zweige): ausgewachsen dick, glänzend, erhaben-netzadrig, 
dicht- und tiefer gekerbt-gesägt. Sie steht im botan. Garten 
eultivirt unter dem Namen S. hastata; ebds. die Hauptart u. d. 
N. S. serrulata. — Ihr entgegengesetzt ist die 

— alpina: niedrig, mit kleinen lanzettlichen fast ganzran- 
digen Blättern und frühzeitigen beblättert- gestielten Kätzchen. 
— Noch merkwürdiger ist: 

* hyperborea: die Zweige nebst den Schuppen der ausge- 
zogenen schmalen und dünnblüthigen Kätzchen kahl; die Kap- 
seln kurz, eiföürmig, mit sehr kurzen Stielen und Griffeln. Sie 
- kommt mit den analogen S. punctata |n. 33.] und S. myrtoides 
[bei n. 27.] in Finnmarken südwestwärts bis Lyngen [691 ° Br.] 
vor (Lästadius); hat schmale Blätter, sehr kleine Nebenblät- 
ter und die Befruchtungstheile der 5. amygdalina oder der 
fragilis. 

** Incubaceae. Niedrige Sträucher, mit schmalen danie- 
derliegenden oder ruthenförmigen Zweigen und, normal, ganz- 
randigen Blättern.. 

Anm. Obgleich das Merkmal vom Blattrande bei mehreren 
Formen nicht Stand hält, so ist es doch deutlich, dass ganz- 
randige Blätter in dieser Abthe:lung die typischen 
sind; nur die üppigen Wurzelschossblätter sind dünn gezähnt. 
Vom Griffel liesse sich eine bestimmtere, aber künstli- 
chere, Eintheilung hernehmen. S. d. Eingang: Abth. IV. 

23. 8. depressa Linn. Fl. suec. n. 899. Fr. Nov. Mant. 
I. p. 56. — Linn. Fl. lapp. n. 361. S. livida cinerascens 
Wahlenb. 

Anm. Im Gegensatze gegen S. aurita wird diese Art im 
höhern Norden vollkommner ausgebildet. In Gebirgen wächst 
sie als daniederliegender Strauch, mit grossen dieken stumpfen 
auf beiden Seiten (zugleich mit den Zweigen) dicht- und scharf- 


366 Die schwedischen Weiden- Akten etc. 


graubehaarten Blättern. Sie hat dann auch die grössten, und 
am längsten gestielten Kapseln und in Folge dessen die dünn- 
blüthigsten Kätzchen. Es ist unverkennbar diese Form, die 
Linne in der Fl. suec. als S. depressa beschrieben 
hat! Sie ist Formen der S. caprea und lanata ähnlich, mit 
denen sie verwechselt worden ist. An die Flussränder und in 
die Haine des Flachlandes herabsteigend wird sie ein schmäch- 
tiger Baum mit schlanken herabgebogenen Zweigen und glatten 
dünnen schlaffen an beiden Enden zugespitzten Blättern, die im 
jüngern Zustande nebst den Zweigen nur weichhaarig, älter 
kahl sind. Beide Formen finden die ihnen entsprechenden hei 
S. aurita. Die letzte der beiden ist unverkennhar die in 
Linn. Fl. lapp. n. 461. beschriebene, was auch durch 
Linne’s Herkarium ausser Zweifel gesetzt wird; und da Linne 
sie selbst mit seiner S8. depressa vereinigt hat, so sehe ich 
gar keinen Grund, wie dieses Synonym in Frage gestellt wer- 
den kann. - 

* 8. livida a. Whlnb. — Linn. Fl. lapp. n. 356: Fr. Hb.. 
norm. V. n. 63. Diese Unterart ist von den südlichen Lapp- 
marken an bis Schonen zerstreut, nimmt jedoch dabei an Freu- 
digkeit gegen Süden hin ab, wo sie endlich kleineren Formen 
der S. repens gleicht und dann noch südlicher nicht vorkommt. 
Sie tritt auch in 2 Formen auf: der eigentlichen v. livida, üp- 
piger, mit gelben ausgesperrten Zweigen, gelblichen glatten 
Blättern; und v. glaucescens, mehr danieder liegend, mit brau- 
nen Zweigen und unterhalb eisgrauen Blättern. Die erstere 
kommt in Norrland am meisten vor. — 6. bicolor soll nach G. 
W. Meyer's Behauptung mit der letztern identisch sein; es ist 
aber wahrscheinlicher, dass sie zur S. phylicifolia gehört. 

24. S. incubacea Linn. Fl. suec. 898. [non Sp. pl., 
quae — $. angustifolia Wulf. s. ineubacea Willd., ef. n. 29. 
infrä]. — Fries Nov. Mant. I. p. 66. S. plicata Fr. Fl. halland. 

— plicata. — Fr. Herb. norm.. 1. n. 58. 

Anm. 1. Die Stammform dieser Art, ein 1—?2 Fuss hoher 
Strauch mit daniederliegenden sehr ausgesperrten dünnen Zwei- 
gen und zolllangen lanzettlichen Blättern, scheint kaum von 
neueren Autoren wieder beschrieben zu sein ($. glauca Engl. 
Bot. t. 810., die gewöhnlich zu S. Lupponum gezogen wird, 
stellt wenigstens nach der Abbildung, mit kurzen eiförmigen 
stiellosen Narben, keine andere als diese vor); im westlichen 
Smäland und südl. Halland ist sie jedoch in den Waldgegenden 
nicht selten, aber bei Mariaeberg bei Halmstad auch auf Sand: 
und dass Linne sie am letztern Orte gesammelt, ist um so 


Die schwedischen Weiden- Arten ete. 367 


wahrscheinlicher, da sie schon in seinen ältesten Schriften auf- 
geführt steht, in seinen späteren aber er nirgends speciell der- 
selben erwähnt. Diese und keine andre passt auf's genauste zu 
Linne’s Beschreibung der $. ineubacea. Die Aehnlichkeit mit 
S. Lapponum, die graugrünen Zweige, die eiförmigen Neben- 
blätter — alles Linne’s eigne Worte — unterscheiden sie be- 
stimmt von allen kleinblättrigen Abänderungen der S. repens. 
Anm. 2. Die Abart plicata ist im ganzen Süden und im 
mittlern Theile Schwedens gemeiner. Sie ist nicht identisch 
mit S. ambigua Koch, sondern mit der S. ambigua .alteru ad 
S. repentem accedens Koch Comm. de Sal. eur., d. h. sie ver- 
hält sich zur S. ambigua Ehrh. (welche wir unter $S. aurita 
aufgenommen) wie S. viridis zur $. Russeliana, welche letztere 
wir zuerst zu S. fragilis gezogen, obschon auch sie lange mit 
S. viridis verwechselt wurde. Eine Abänderung der $. plicata 
mit kahlen Kapseln findet sich in Menge bei Estra in Halland 
(ist jedoch nicht 5. fnmarkica Koch & Hit. berol., die wir nach 
Orig.-Expl. zu 5. repens ziehen). — Beide, Haupt- und Abart, 
waren unter S. plicata unsrer Fl. hallund. begriffen, wo diese 
Art zuerst klar als schwedisch unterschieden wurde; 
man wagte zwar in Schweden dem guten Rathe sapere. aude 
nicht eher zu folgen, als man ausländische Autorität dafür er- 
hielt, wie. bei der Frage über S. viridis und in unzähligen an- 
dern Fällen (man glaubt dagegen gewöhnlich etwas Neues ent- 
deckt zu haben, das man sich rasch aneignen muss, wenn man 
bei Ausländern eine etwas abweichende Ansicht findet, wie z. 
B. über Cirsium decolorans, Potentilla procumbens u. a., wo- 
von das erstere zuletzt eine Abart oder höchstens ein Bastard 
von ©. acaule wird!). — Da indess Linne’s S. incubacea, eine 
neueren Autoren unbekannte Art, sehr gut auf diese unsere 
passt, ja „‚mit aller der Wahrscheinlichkeit, die jetzt zu erlan- 
gen steht,‘ eben diese ist, so ist es wohl am richtigsten, Lin- 
ne’s Benennung wieder aufzunehmen. Durch Befolgung die- 
ser Methode ist es uns schon gelungen, mehrere vage Linnei- 
sche Arten auf festere Bestimmung zu bringen, während das 
diesem entgegengesetzte Bemühen, Linneische Arten in un- 
bedeutenden Formen umfassenderer Arten zu suchen und die 
wirkliche Art nachher unter neuem Namen zu beschreiben, 
(wovon flagrante Beispiele in allen braunfrüchtigen Becherilech- 
ten vorliegen, die zu Cladonia pyzidata von Flörke gezogen 
wurden, welcher nachher der Cl. pyzidata, cornuta L. &e. 
neue Namen gab,) wenig Beifall erlangt hat. — Mir scheint es 
25 


368 Die schwedischen Weiden - Arten ete. 


verdienstlicher, unbestimmte Arten zu fixiren, als ihnen nur 
neue Namen zu geben. | 

25. S. finmarkica Willd. e fonte. — Fr. Nov. Mant. 1. 
68. S. paludosa Hartm. Skand. Fl., nee Schl., nec Lk. & Ht. 
berol., nec Nuttall. 

Anm. Willdenow stellte eine Weidenart, nach Vahl, 
welcher sie zuerst in Finnmarken fand, als $. finnmarkica auf, 
und da es in Finnmarken und dem ganzen nördlichen Scandina- 
vien keine andere Art giebt, worauf sie bezogen werden könnte, 
so kann gewiss keine andere Art diesen Namen behalten, als 
diese in Finnmarken wachsende (ex analogia Hieracü sabaudi 
&e.); — und da ferner unter den unbestimmten Formen, die 
sonst für S. finnmarkica genommen worden sind, keine eine 
selbstständige Art ist, so giebt es auch nicht die geringste Ver- 
anlassung, diesen Namen zu verwerfen. [Lästadius nimmt sie 
für ,„S. auritae frigidissima forma.“ S.: Fr. Mant. II. 160.] — 
Was ich von Koch als S$. finnm. an Dr. Hartman gesandt 
gesehen habe, ist eine Form der S. repens! [und die des her- 
liner bot. Gartens und Link’s ist nach Fr.’s neuerer Bemer- 
kung, dies. Arch. I. 2. 271., dieselbe, nicht aus Finnmarkenr 
eingeführt ]. 

26. S. myrtilloides L. Fl. lapp. n. u (Von Linne 
mit Formen der S. repens verwechselt, s.: Fl. suec. n. 889., 
Fl. äkeröensis [1769. 20. pp. 4.] u. s. w.; zum Glück hat man 
indess nicht davon Anlass genommen den Namen zu vertauschen:) 

27. 8. fusca L. (optima). Fl. lapp. n. 364. t. 8. fig. r. 
(Die Hauptform mit ovalen stumpfen Blättern ohne Spitze, wie 
die kahlen Kapseln beim Trocknen dunkel werdend: S. myrtil- 
loides Liljebl.! Sv. Fl. II. p. 306. „Blätter in der Jugend be- 
haart‘“ &e.) 

— major, Blätter doppelt so gross, lanzettlich, mit ausge- 
zogener gerader Spitze, etwas schwarzwerdend, Kapseln sei- 
denhaarig. Fr. Hb. norm. IH. n. 56. 

— versifolia: Blätter ablang oder elliptisch, schiefspitzig, 
beim Trocknen dunkler, Kapseln dünn-behaart. $. versifolia 
Whlnb. Ä 

* myrtoides Er. Nov. Mant. I. [p. 70.: = S. Arbuscula . 
Vahl in Fl. dan. t. 1055.] (von Hartman als selbstständige Art 
unterschieden). 

Anm. 1. Sie kommt erst jenseit der nördlichen Gränze der 
S. repens vor, nicht selten in Waldgegenden Dalekarliens, 
Jemtlands und Lapplands: ist in den Mooren um Karesuando 
[682° Br.] eine der am häufigsten vorkommenden Arten. Sie 


Die schwedischen Weiden- Arten etc. 269 


ist unzweifelhaft eine selbstständige Art (Meyer hat sie, wahr- 
scheinlich nach Seringe, mit $. plicata vereinigt,) und eben so 
vielgestaltig wie S. repens. — Dr. Lundmark hat 1780 eine 
Form unter dem Namen S. arenaria, die der v. argentea der 
folgenden Art analog ist, nach Hause gebracht; wir besitzen 
auch eine kriechende kleinblättrige Form, die nur am Grifiel 
von S. repens zu unterscheiden ist. Dass diese Art, welche 
fast Alle, die den Norden besucht, mitgebracht haben, von 
Wahlenberg erst auf seiner letzten Reise, die hauptsächlich 
der Untersuchung der Waldgegend galt, gefunden wurde, kam 
daher, dass die frühern Reisen mehr der Strand- und den 
Hochgebirgs -Regionen gewidmet waren. 

Anm. 2. Dass diese Art die Salix Linn. Fl. lapp. n. 
364. (fons S. fuscae!) „in humidis silvarum Lapponiae“ 
ist, kann wohl unmöglich bezweifelt werden, sofern irgend Ue- 
bereinstimmung der Beschreibung und des Standortes Zeugniss 
seben soll, zumal da sie zu keiner andern in den Waldmooren 
Lapplands vorkommenden gezogen werden kann. Aber eben so 
unbestreitbar ist es, dass Linne Formen der S. repens mit den 
lappländischen S. Lapponum, S. myrtilloides u. a. verwechselt 
hat, und eben so klar auch, dass eine Zeit lang Formen der 
S. repens zu S. fusca gerechnet worden. Dass jedoch Linne 
nach Herausgabe der Fl. suec. ed. 2. [1755] gefunden hat, dass 
S. repens die im ganzen südlichern u. unteren Lande gemeinste 
und 8. fusca fast nur lappländisch ist, erkennt man sowohl aus 
mehreren spätern Bestimmungen, als auch aus seinem Frutetum 
Sueciae [Ups., 1758. 26. pp. 4., Amoen. acad. V. 204—231.], 
wo dieses richtig so angegeben ist; wie S. repens auch in der 
Fl. anglica steht, $. fusca aber in keiner von Linne’s spätern 
Special-Floren. Smith’s Beschreibung, nach Linne’s Exem- 
plare, gehört deutlicher hierher, aber Borrer, welcher von _ 
Smith’s Bestimmungen Linneischer Salices mehrere berichtigt 
hat, sagt ausdrücklich, die englische $. fusca sei S. repen- 
tis var. und von der Linneischen verschieden. 

28. 8. repens Linn. — Fl. suee. n. 8%.; ef. Frutet. 
suec. (a. eriocarpa, b. leiocarpa). 

— parvifolia: niederliegend, kriechend, Blätter klein ohne 
Nebenblätter und deutliche Spitze, unterhalb seidenhaarig. Die 
Form der Blätter variirt zugleich mit der Bekleidung der Früchte 
in’s Unendliche, auch die Zweige zuweilen aufrecht. Möglich 
ist es, doch nicht erweislich, dass Linne manchmal Formen der- 
selben mit $. incubacea (die jedoch von Linne später nirgends 
speciell angegeben wird: er hatte sie längst vorher unterschie- 


25* 


370 Die schwedischen Weiden- Arten ete: 


den, wahrscheinlich schon im südl. Smäland; ob. n. 24.) ver- 
wechselt hat, obgleich die Beschreibung nicht missdeutbar auf 
eine andre weiset. Dagegen lässt sich darthun, dass schmal- 
blättrige Formen für $. rosmarinifolia genommen worden sind. 

— glabrata: aufsteigend, die Blätter kreisrund oder ellip- 
tisch, platt, kahl, ohne Spitze; Fruchtknoten kahl (bei allen 
übrigen Abarten bald mit Ueberzug bald kahl). Mit $S. myrül- 
loides verwechselt: z. B. die in Linn. Fl. akeröens., Osbeck 
Fi. halland. [in Physiogr. Sällsk. Handl. 1. 1. (1776) 57—64.] 
könnte man eben so gut für Linne’s S. myrtilloides nehmen, 
wie die folgende für seine S. fusca. | 

— fuscala: Aeste aufrecht, braun; Blätter grösser, ellip- 
tisch, mit schiefer Spitze, unten seidenhaarig. S. fusca. Linn. 
Skanska resa [1751.] p. 79. und Herbat. upsal. [1753.20. pp-4.]; 
aber nicht die ursprüngliche aus Lapplands Waldmooren, wie: 
Linne auch später eingesehen, s.: Fruiet. suec. 

— argentea: der vorigen ähnlich, aber Zweige und Blätter 
überall mit Ueberzug und seidenweiss. S. arenaria L. nach 
der Benennung selbst und Gott. resan |1745] p. 206., Sk. resa 
p- 237., Frutet. suee., Fl. angl., Fl. dan., Fl. belg., mit Aus- 
schlusse des Char. u. Synon. aus Fl. app. | 

Anm. Sie erscheint von grösserem Wuchse auf trocknen, 
von niedrigerem an feuchten Stellen: v. fuscata meist in der 
Ebene; v. argentea auf Flugsand am Meere. Der unterirdische 
Stamm ist allezeit kriechend, daher diese Art ein dichtes Busch- 
werk am Boden bildet. Die Schiefheit der Blattspitze finde ich 
nicht constant; die Blätter sind zuweilen rund ohne Spitze. 
Eine Abart mit kahien Kapseln besonders aufzuführen halte ich 
für unrecht: diese Abänderung kommt bei allen Abarten vor: 
auch die weisseste argentea findet sich bei Halmstadt mit den 
kahlsten Fruchtknoten. Die Blüthenkätzchen erscheinen sowohl 
auf nackten Zweig n als auch gleichzeitig mit den Blättern, auf 
überschwemmten Stellen erst mit ausgewachsenen Blättern ge- 
sen den Sommer. Hiermit sind die an der halländischen Küste 
nicht seltenen Fälle nicht zu vermengen, wo der Strauch gegen 
den Herbst noch einmal blüht mit alten Blättern, wie man das- 
selbe auch (früher wenigstens) an einem Strauche der $S. amyg- 
dalina zu Verpinge unweit Lund alljährlich sah. 

29. 8. angustifolia Wulf. — Fr. Nov. p. 285. Herb. 
norm. HI. 60. | Koch. — S. incubacea L. Sppl., W., Wbe. Fl. 
carp. (non L. Fl. suec.).] 

— elatior: grösser, mit aufrechten ruthenförmigen gelben 
Aesten; Blätter breiter, lanzettlich. Herb. norm. V. 65. 


Die schwedischen Weiden- Arten -ete. 371 


"Die Blätter der gewöhnlichen Form gleichen denen der Ab- 
art S. stipularis von S. viminalis. Sie wird gewöhnlich für S. 
incubacea L. genommen, mit welcher sie anch in der Blattform 
nahe übereinstimmt — und der Standort in Frutet. suec. (,,in 
Flugsand mit der S. arenaria‘“) passt vollkommen darauf, aber 
die Beschreibung ebds. weicht deutlich ab, so dass diese we- 
nigstens nicht die ursprüngliche $. incubacea sein kann. Als 
Linne die Fl. suec. ed. 1. [1745, Stockh.] herausgab, hatte er 
noch keinen der Punkte [im südlichsten Schweden auf Flugsand 
am Meere, z. B. Mündung der Köpinge-ä, und in Halland] be- 
sucht, wo S. anguslifolia vorkommt. — Smith’s Angabe, 
diese liege in Linne’s Herb. für S. Arbuscula, hat Borrer un- 
richtig befunden, indem es. vielmehr die rechte S. Arbuscula 
sei. [Als $. ineubacea läge darin nach Fr. in Bot. Notis 
1842, S. 24. diese S. angustifolia aus Holland.] 

30. S. rosmarinifolia Linn. — Fr. Novit. I. p. 285. 

Anm. Das von uns angegebene Merkmal der während des 
Blühens kleinen kugelrunden Kätzchen ist das sicher- 
ste Kennzeichen der Art. Linne kannte diese nicht als schwe- 
disch, nur als finnländisch. Die Abänderung concolor hat auf 
beiden Seiten kahle Blätter: in Mooren bei Roslätt in Schonen. 
Eine grössere und breitere Abänderung fand Hr. Nyman 1840 
auf Gottland. 

Anm. 2. S. rosmarinifolia Engl. Bot. t. 1365. (welche mit 
der S. Arbuscula ibid. t. 1366., wenn man davon die, zur 8. 
hastata gehörenden, untern Blätter ausschliesst, völlig identisch 
ist,) kann nicht zu unsrer Art citirt werden, denn sie hat bo- 
gsenförmig gekrümmte Kätzchen, stammt auch eigentlich, wie 
8. petiolaris, aus America. In Betrefi der englischen Weiden 
herrscht viel Verwirrung, weil den Abbildungen und Beschrei- 
bungen oft Linneische Exemplare zu Grunde gelegt worden sind, 
obgleich die engl. Arten selbst davon abweichen, auch weil 
fast alle Exemplare, die man aus England erhält, cultivirte, 
darum aber noch nicht englischen Ursprungs sind. 


V. CHamELı. 

* Frigidae. Die Blüthenzweige entspringen auch aus 
Seitenknospen. 

31. S. glauca L. — Fl. lapp. n. 363. Fr. Herb. norm 
IM. n. 52. (a. stipulata s. appendiculata. b. exstipulata.) 

— nivalis, Nov. Mant. 1. S. glauca y Lapponum Whlnb. 

* pullata: Blätter ablang oder lanzettlich, dicht, klein - ge- 
sägt, spitzig, dünnbehaart, unten eisgrau nach dem Trocknen 


n 


372 Die schwedischen Weiden- Arten ete. 


schwarz werdend (besonders die jüngern); Kapseln’ deutlicher- 
aber kurz -gestielt (a. seidenhaarig; b. kahl!), im jüngern Zu- 
stande schmal, pfriemenförmig, zugespitzt; Kätzchenstiele kurz, 
beblättert (S. nigricanti-glauca). Lästad. (Auch vom Funnes- 
dalsberge in Herjeädalen: Thhedenius.) 

** pallida: Blätter lanzettlich, ganzrandig, Ben glän- 
zend, im zartesten Alter so wie die Zweige völlig kahl, nach 
dem Trocknen hochgrün; Kätzehenstiele kurz mit Hüllblättern ; 
Kätzchen dichtblüthig; Staubbeutel und Griffel gelb. Nov. Mant. 
1. 45. (S. phi EEFaREO glauca.) 

Anm. Die Unterarten pullata und pallida dürften Bastarde 
sein; man darf sie nicht übersehen oder verschwei- 
gen, wie dies mit der pallida geschehen ist, weil sie in Mant. 
J. nur als Abart aufgeführt worden; diese ist so ausgezeichnet, 
dass, wenn sie von Andern als Art aufgestellt worden wäre, 
wir in der That kaum Bedenken getragen hätten, sie als solche 
anzuerkennen. Die beiden verhalten sich zu einander ganz wie 
S. phylicifolia zu S. nigricans. — Die Hauptform der S. glauca 
hat zottige Zweige, wollige Kapseln; die jüngern Blätter sind 
seidenhaarig mit langen angedrückten Haaren; ob sie gleich 
älter kahl werden, a sie doch nie mit denen der S. pallida 
zu vergleichen. Dass beide Unterarten der .$S. glauca am näch- 
sten stehen, beweisen die kurzgestielten Kapseln, die Zweizahl 
der Nectarien, zweispaltigen Griffel und kleinen Narben. 

32. 8. Arbuscula Linn. Herb. — Spec. pl. p. 1445. y. 
Fl. lapp. n. 360. t. 8. fig. m. — Fr. Herb. norm. V. n. 61. 
S. prunifolia Sm., sec. Fries Nov., wo die Synonymie dieser 
Art zuerst festgestellt wird. 

— vaccinüfolia Smith!: niedrig, kriechend, mit kleinen 
entfernt- aber tief-gekerbten Blättern; die Kapseln eiförmig- 
kegelförmig, zuletzt kahl. [,,‚In Ost-Finnmarken.] 

Anm. Sie gehört am meisten den norwegischen Gebirgen 
an; aber auch auf der schwedischen Seite wächst sie auf dem 
höchsten Gebirgsrücken in Herjeädalen (Sjöstrand! Thedenius!) 
und in Pitei- und Torneä-Lappmark (Lästadius!). Ausgebildet 
wird sie ein 3 Fuss hoher Strauch, alsdann dem Ansehen nach 
der S. phylicifolia am nächsten, so dass es sich leicht erklärt, 
warum sie vereinigt worden. Auf subalpinischen Bergen des 
südlichern Europa wird sie noch üppiger, bekommt grössere 
dünne dicht kleingesägte Blätter, die denen der S. depressa so 
sehr ähneln, dass sie kaum zu unterscheiden sind; s.: Nov. 
Mant. I. p. 49. Diese Art ist in Schweden die gemeinste und 
bekannteste von den Arten, die man zu $S. Arbuscula gerechnet 


Die schiwedischen Weiden- Arten etc. 373 


‚hat; ‚von schwedischen Botänikern ist sie wenig erkannt worden, 
(S. Arbuscula B. Liljehl. Sv. Fl. 1. ed. gehört hierher, aber 
die S. Arbuscula selbst und die var. A. bei Liljeblad! ge- 
hören zu S. depressa,) bis der Prediger Lästadius zeigte, 
dass diese unsre S. Arbuscula die n. 360. von Linn. Fl. lapp., 
quae ‚„eresecit. in formam arbusculae,“ ist, welche sowohl von 
Linne selbst in seinem Herb., in Fl. lapp. ed. 2., als auch von 
den Meisten für die ächte $. Arbuscula angenommen worden 
ist. — S. Arbuscula Whlnb. Fl. Helv. und die der Fl. Carpat. 
gehören auch hierher, aber nicht die in Whlb. Fl. sueec.; und 
in Fi. lapp. gewiss nur die der finnmärkischen Localitäten.. 

33. 8. punctata Wahlenb.! Fl. lapp. n. 481. Fl. dan. 
t. 1052. | 

Anm. Die völlige Kahlheit (auch der Kätzchenboden und 
die Schuppen sind nackt), die auf beiden Seiten grünen und 
glänzenden Blätter, die auf der Oberseite erhaben-netzadrig 
sind, die [in den Blattwinkeln] knospentragenden Kätzchenstiele, 
dabei das ganze Ansehen der S. Myrsinites, unterscheiden diese 
Art von | der gleichfalls punktirt-blättrigen ] S. nigricans. Sie 
ist nach Prof. Wahlenberg’s eigner Bemerkung eine zweifel- 
hafte Art; da aber dieser ausgezeichnete Forscher, welcher sie 
in der Natur studirt hat, sie als eigne Art behält, so habe ich 
wohl am meisten Grund, dem ersten Entdecker zu folgen. Hr. 
Lästadius hält sie für einen Bastard von S. nigricans und 
S. Myrsinites. Mit der erstern hat sie nur einiges Aeussere 
gemein [s. d. Archiv, H. 2. 271. Gefunden in Ost- Finnmarken 
a. m. O., 703° Br., in der Birkenregion]. 

‚34. S. Myrsinites L. Fl. lapp. n. 353. Fr. Hb.n. V. 66. 

— arbutifolia (Nov. Mant. 1. p- 793.): Blätter kleiner, ver- 
kehrt eiförmig, stumpf, in der Jugend sehr langbehaart, fast 
sanzrandig. Sie gleichen in Grösse und Form denen der Uva ursi. 

* procumbens Forbes (—-Nov. Mant. I. e. d.): Blätter dünn, 
oval, glatt, flachgedrückt; Kätzchen kurzgestielt; Kapseln ke- 
gelförmig, pfriemenförmig, seidenhaarig, mit kurzem Griffel und 
stumpfen Narben. 

Anm. Die Unterart hat ein sehr eigenthümliches Ansehen, 
bleibt nach Hooker (cui $. Zaevis) cultivirt unverändert und 
könnte eine eigne Art sein. Sie wächst in Norwegen und in 
Tornei-Lappmark. Es war diese, die Pastor Lästadius an- 
fänglich für $. arclica nahm. 

35.8. pyrenaica * norvegica Fr. Nov. Mant. 1. p. 77. 

Anm. Blätterexemplare, die mit S. arctica Br. und wahr- 
scheinlich auch des Pallas, welcher sie in Sibirien weit ver- 


374 . Die schwedischen Weiden- Arten etc. 


breitet fand, übereinstimmen, wurden, von Lom in Norwegen 
[SW. v. Dovrefj.], durch Sommerfelt mitgetheilt; Blytt 
glaubt sie auch, doch nur einmal fruchttragend, auf dem Dovre- 
fjeld aufgenommen zu haben. | 

.** Glaciales. Blüthenzweige aus der Spitze der Aeste 
(aus der äussersten Knospe des vorigen Jahres hervorwachsend, 
die sich zwischen dem äussersten Blatte und dem eigenen Blü 
thenstiele bildet). 

86. S. reticulata Linn. — Fl. lapp. n. 359. 

37. 8. retusa * sarmentacea Fr. Nov. Mant. I. p. 74. 

38. S. herbacea Linn. Fl.lapp.n. 355. Fr. Hb. norm. V. 67. 

Anm. Hr. Ac.-Adj. Lindblom hat auf dem Dovrefjeld 
eine ausgezeichnete Abänderung mit behaarten Kapseln gefun- 
den. Letztere kommen jedoch mit fast kahlen Früchten an 
demselben Stämmchen vor. 

39. 8. polaris Wahlenb. Fl. lapp. n. 473. — Fr. Herb. 
norm. V. n. 68. S. herbacea A. Liljebl. 

Anm. Die Weiden verdienen fernere genaue Untersuchung: 
die zahlreichen neuen Nachträge oder Bestimmungen, welche uns 
beizubringen geglückt ist, nachdem man geglaubf es sei für 
diese Gattung nichts mehr zu thun, bestärkten es uns zur Ue- 
berzeugung, dass noch manche Arten ins Klare zu setzen übrig 
bleiben, auch dass es unter den angeführten Unter- und ver- 
meintlichen Bastard - Arten noch wirkliche Arten geben dürfte *). 


*) [In Mant. III. 159 sy. vergleicht der Herr Verfasser das Ver- 
hältniss einander sehr nahe stehender Arten mit dem der Planeten 
um eine Sonne, die sich einzeln um dies Centrum drehen, ohne 
zusammen zu fallen. So umgeben die Salix repens folgende: $. 
myrtilloides versifolia 5. fusca prim. L., plicata [incubacea L., 
Fr.], angustifolia u. rosmarinifolia. Beiläufig: Ehdas. wie auch 
in Lindbi. Bot. Notis. 1842, S. 24. wird die $. angustifolia Wulf. 
noch einmal für $. incubacea Linn. und obige n. 24. ($. incub. L. 
Fl. suec.) plicata genannt, in Bot. Not. 1844 aber (s. d. Arch. 
H. 2. 271.) zu der hier im Obigen gebrauchten Nomenclatur zu- 
rückgekehrt. — Die Hybridität mancher Formen bestreitet Fr. 
in Mant. III. in den meisten Fällen : zuweilen komme eins der 
angeblichen Aeltern erst in Provinzen weit davon entfernt vor. Lieber 
würde Fr. annehmen, dass $. Sragilis, pentandra, amygdalina 
u. a. jede in doppelten Formen auftreten Könnten : einer tiefer ge- 
sägten latifolia und einer schwachgesägten angustifolia. wovon 
eine hier, die andre dort herrsche: auch $. purpurea, daphnoi- 
des, lanata u. a., sagt Fr., bieten analoge Formen wie die für 
Bastarde der erstern erklärten S. cuspidata, Russeliana undulata. 
So sei auch S. herbacea v. fruticosa Herb. norm. VIII. 64., die 
man für Bastard von $. herbacea und hastata gehalten, nur eine 
„forma elata $, herbaceae in climate marino et rorido.“ Sichrer 
scheinende Bastarde hat Wimmer beobachtet. Anm. d. Uebers.] 


Xınl. 


Einige Worte über Zumex acutus und R. aquaticusL. 


Von 
Dr. Elias Fries‘). 


Uebersetzt von €. T. Beilschmied. 


Seit man angefangen, Linneische Pflanzen in mehrere Arten 
zu zertrennnen, wurden Linne’s Benennungen gewöhnlich ein Ge- 
gsenstand des Streites, weil man nicht einsah, dass Linne’s Art 
keiner einzelnen der nachher daraus unterschiedenen gleich 
kam, sondern der Name in den meisten Fällen allen den so- 
genannten neuen nah-verwandten Arten zusammen angehörte. 
Nirgends kann dieses sonnenklarer sein, als hei den Rumices. 
Unter R. acutus begriff Linne ursprünglich alle gemeineren Ar- 
ten der Abtheilung Ozxylapathum, wie R. cristatus, BR. oblusi- 
folius, und unter R. aquaticus alle unsre sehr grossen, im mitt- 
leren. Schweden gemeinen (so dass sie Linne möglicherweise 
entgehen konnten) Arten der Abth. Hydrolapathum, wie R. 
domesticus Hrtm., conspersus Hıtm., Hippolapathum Fr. **), 
mazimus und Hydrolapathum, was schon daraus klar ist, dass 
in der ersten Auflage der Flora suecica Rumex maritimus als 
eine schmalblättrige krause Varietät des ersten, so wie R. cri- 
spus als solche des letzten derselben aufgeführt ist. Wie Linne 
zu dieser Ansicht gekommen, wird klar, wenn man weiss, dass 
es um Stenbrohult und an allen den Orten, wo Linne in seiner 
Jugend botanisirte, nur zwei Arten giebt, diese aber in grosser 


m ln ll ll DL mm 


*) [Aus Lindblom’s Botaniska Notiser, 1841, S. 129 — 136.] 
**) [Allein Fr. Mant. JII,, mit Berichtigung von Nov. Fl. svec., — 
u. in Hartm. Skand. Fl,: Zus. dazu in Bot. Notis. 1841. 5. 85. 
‚#5; bei H. heisst A. Hippolapathum Fr. (— R. Friesii Aresch.): 
„A. aquaticus L.“ Vgl. d. Schlass dieses. ] 


376 Einige Worte über Rumex acutus und #t. aquaticus L. 


Häufigkeit, nämlich R. obtusifolius und R. domesticus, welche 
so die ursprünglichen Quellen der genannten Arten sind. Da 
der letztere 2 ausgezeichnete Formen hat: eine breitblättrige an 
nassen Stellen, die man im südlichen Schweden (s.: Retz. 
Suppl. u. Fl. oecon.) immer als den wirklichen R. ee 
angesehen hat und die mir auf den Excursionen, welche sowohl 
in Schonen bei Roslätt im Moore der Sazifraga Hirculus, als 
auch in Halland ‘(am Bache zwischen Halmstad und Söndrum) 
mit Professor Wahlenberg machen zu können mir vergönnt war, 
von diesem scharfsichtigen Forscher als R. aguaticeus oder als - 
ein deutlicher Uebergang zwischen R. domesticus und aquaticus 
gezeigt wurde; und eine schmalblättrige krause an trockneren 
Stellen: so erkennt man leicht, wie Linne dazu gerieth, mit 
R. aquaticus den R. crispus zu vereinigen, welcher auch von 
Linne und bis in die neuste Zeit bei uns mit R. domesticus 
verwechselt worden ist. Erst in der 2ten Auflage der Fl. sue- 
cica wird R. maritimus vom R. acutus und R. crispus vom R. 
aguaticus unterschieden, und endlich nach dem Erscheinen eben 
ders. der R. acutus in 2 zertrennt: R. acutus (= cristatus s. 
pratensis) und obtusifolius. Obgleich der letztere ganz erweis- 
lich Linne’s ursprünglicher R. acutus war (und nach Kunth’s 
Versicherung giebt es nichts anderes als ein oberes Stück von 
diesem unter dem Namen R. acutus in Linne’s Herb.), so legte 
Linne doch, bei seiner bekannten Achtung gegen seine Vor- 
gänger bei Annahme von Speciesnamen, Lupathum folio acuto 
der Alten (R. ceristatus) den Namen R. acutus bei, und dem 
Lap. folio obtuso der Alten den Namen R. obtusifolius Dass 
Linne bei dem letzten Bestimmen seines R. acutus den R. cri- 
status vor Augen gehabt hat, ist daraus mehr als wahrschein- 
lich, dass Linne’s Beschreibung ganz genau auf diesen, aber 
keinen andern passt, und dass er aus älterer Zeit her im upsa- 
ler Garten cultivirt vorhanden war und auch, obschon sparsam, 
wild im mittlern Schweden vorkommt. Dass Linne niemals 
einen der R« Hydrolapatha, z. B. R. Hydrolapathum, zu 
seinem R. acutus gerechnet hat, wird ganz einleuchtend, wenn 
man betrachtet, welche Wichtigkeit Linne in seiner Definition 
auf valvulae dentatae lest (und an so unbedeutenden Zähnchen, 
wie R. Hydrolapathum oder R. mazximus zuweilen bekommen, 
hätte sich Linne gewiss niemals gehalten); ferner dass Linne 
ihn ein beschwerliches Unkraut auf Aeckern in Schonen nennt, 
wo noch heut zu Tage wohl R. obtusifolius wächst, aber R. 
Hydrolap. nie vorkommen kann; dass Linne den R. maritimus 
anfänglich als eine Var. davon ansah, die eben so gut mit R. 


Einige Worte über Rumex, acutus und R. aquaticus L. 377 


obtusifolius ‘vereinigt werden , könne, wie R. cerispus mit R. 
aquaticus.  Linne verband oft von Natur. verschiedene Arten, 
‚doch waren es immer noch verwandte; es ist aber eine 
' arge Beleidigung seines Andenkens, ihm die Ungereimtheit ZU- 
zutrauen, R.. maritimus mit R. Hydrolapathum zu vereinigen. 
Da jedes Wort, jedes Citat, jeder speciell angegebene Fundort 
bei Linne, da. Linne’s Herbarium auf R. cristatus und odtusifo- 
lius hinweiset, so kann R. aculus nie anderwärts gesucht 
werden. 

Nachdem der R. crispus ee worden, blieb R. ayua- 
ticus immer noch bei Linne eine collective Benennung für die 
5 andern obigen R. Hydrolapatha oder wenigstens alle die, 
welche Linne vorgekommen sind, und dies müssen die meisten 
sein, da sie in der upsaler Gegend und den Provinzen, die er 
bereiset, gewöhnlich sind. Sie sind auch se nahe verwandt 
und bilden eine so zusammenfliessende Reihe, dass sie in Lin- 
neischem Sinne unter eine Art zusammengefasst werden müssen. 
Wahlenberg, welcher sie alle gut kennt, unterscheidet nur 
2, eben so G. F. W. Meyer in seiner Chloris hanov.; dieser 
hält aber für möglich, dass sie nur eine Art ausmachen. Die 
Frage ist nun, ob es nicht schon wahrscheinlicher ist, dass 
Linne (wovon es: übrigens in Linne’s Schriften und in den unter 
seinen Augen gesammelten Herbarien directe Beweise hinrei- 
chend giebt,) aus dieser Gruppe eng verwandter seinen R. 
aqualicus gebildet habe, als dass er ein und das andre Glied 
mitten aus dem Kreise gerückt hätte, um es mit R. obtusifo- 
lius und maritimus . zu verkinlens Der ursprüngliche R. aqua- 
tieus ist, wie schon gesagt, der #m Nassen wachsende R. do- 
meslicus, wie Retzius, Rafn und alle südwestlichen Botani- 
ker angenommen haben und was auch von Wahlenberg, wel- 
cher ihn mit R. Hippolapathum vereinigt, eher bestätigt als 
bestritten wird. Wenn. Linne seinem R. aquaticus folia radi- 
calia acuta beilegt, so passt dieses auf A. domesticus, nicht 
auf R. Hippolapathum, welcher sie obtusa hat. Jener war es, 
der Linne zuerst vorkam:; er wuchs nicht 100 Schritte von sei- 
ner Wiege; er liegt, in seinem Herbarium; er ist es deshalb, 
der in neuern englischen Floren,, wie von Hooker, als der 
wahre R. ayuaticus angenommen ist. Wie einseitig es aber 
wäre, in ihm allein den R. aguaticus zu sehen, findet ein 
Jeder, der in der Gegend von Upsala botanisirt, wo die ganze 
Reihe bis. zum R. H ydrolapathum wahrhaft luxuriirt, so dass 
sie keinem vielmal weniger Sehenden als Linne entgehen kön- 
nen. ‚Und wie man verneinen kann, dass R. Hydrolapathum 


378 Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L. 


mit den übrigen nahverwandten von Linne unter R.’aquaticus ° 
mit inbegriffen worden, mag ein Scharfsichtigerer als ich erklären, 
da es doch diese Art ist, welche die ausgezeichnetste und ge- 
meinste ist, da sie es ist, die so recht eigentlich im Wasser 
wächst, da Linne’s eitirte Synonyme und Abbildungen zu die- 
ser gehören, da EursAarr und Linne’s Schüler sie als Lin- 
ne’s R. aquaticus gesammelt, und vor allem da dieser in 
Menge, aber keine andere von den verwandten Arten an 
allen den vielen Fundörtern, die Linne selbst ex autopsia 
in seiner schonischen Reise dafür angiebt, zu finden ist, u. s.w.— 
Linne sagt zwar von seinem R. agualticus, er habe granula auf 
den Valveln, und diese fehlen bei R. Hydrolapathum selten, 
aber auf den jüngern sind sie wenig ausgezeichnet; überdies 
nahm Linne, wie schon gezeigt, den Artcharacter nach dem . 
R. domesticus in seinem Herbar., und später wurde die Sache 
nicht so genau nachgesehen. — So stellten wir das Verhältniss 
in Nov. Fl. suec. dar; es wurde widersprochen, doch keine Wi- 
derlegung versucht, die auch nicht möglich. 

Welche Arten sollen nun die Linneischen Namen behalten? 
— Dass R. cristatus den Namen R. acutus wiederbekommen 
muss, scheint kaum zu bezweifeln. In Linne’s spätesten Schrif- 
ten ist er so rein dargestellt, dass man nicht einmal sagen 
kann, die Benennung sei eine collective. Auch finden wir ihn 
bei fast allen südeuropäischen Botanikern PR. acutus genannt, 
eben so bei fast sämmtlichen nach selbstständiger Prüfung und 
mit kritischem Blicke schreibenden Floristen, wie Marschall 
v. Bieberstein, Sprengel, Koch und Ziz, in der Fl. d. Wette- 
rau u. a., desgl. bei dem ersten kritischen Bearbeiter der Ru- 
mices in Scandinavien, Rafn, welcher unter dem Namen R. 
acutus sehr deutlich den R. cristatus beschreibt... 

Schwieriger ist die Frage um R. aquaticus. Auf etwas 
allgemein Angenommenes kann man sich zwar nicht berufen: 
im südlichern Europa, in Frankreich, wie bei De Candolle, so 
wie bei allen Aelteren, wird dieser Name dem R. Hydrolapa- 
thum beigelegt, in England und im südl. Schweden dem R. 
domesticus, von Vielen dem R. Hwydrolapathum; gewöhnlich 
ist er indess collectiv: bei Wahlenberg für R. domesticus 
und R. Hippolapathum, bei Meyer in Chlor. hanov. für R. 
Hydrolapathum und R. maximus. Ginge es nach dem Gebrau- 
che, so wäre wohl die Mehrzahl für R. Hydrolapathum. Aber 
Linne hat uns selbst hinreichend angedeutet, wie er den Na- 
men hat angewandt wissen wollen. Welchem Rumex Linne, 
wenn er R. aquaticus in mehrere Arten zerlegt hätte, letztern 


Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L. 379 


Namen beigelegt hätte, darüber verbleibt kein Zweifel. Wie 
bei R. acutus behielt L. stets. den Namen nach den älteren Sy- 
nonymen, und es ist nicht im geringsten zweifelhaft, dass Linne 
gewollt hat, dass das Lapathum aqualicum aller seiner Vor- 
sänger durch zwei Jahrhunderte diesen Art-Namen behalten 
solle, und da bei diesen die Arten klar gesondert sind, die 
Linne vereinigt hat, so müssen sie wohl einige Autorität hahen; 
— Linne wollte, dass die oflicinelle Art einen bekannten Na- 
men behielte: und R. Hydrolapatkum ist überall der officinelle 
gewesen; — Linne hielt sich gern an die eigne Naturauflas- 
sung des Volkes bei seinen Benennungen: und es ist diese Art, 
die in allen Sprachen ihren Trivialnamen nach dem Wasser er- 
halten; — Linne liebte vor allen die Benamungen, welche die 
meiste Naturwahrheit in sich tragen: und %&. Hydrolapathum 
ist es, der am meisten im Wässer wächst, wie ausserhalb des- 
selben. Aus diesen sprechenden Gründen behielt ich den Namen 
für R: Hydrolapathum, mit den meisten Vorgängern und nicht 
ohne Nachfolger unter kritischen Botanikern. Will man den 
Namen nicht dieser Art erhalten, so muss er an R. domestieus 
kommen, welcher eben so gut am Wasser wächst, weil dieser 
Linne’s und auch Wahlenberg’s ursprüngliche Form desselben 
ist: dieser ist es, welchem Linne’s Definition entnommen ist; 
er ist es, der in Linne’s Herbar unter diesem Namen liegt und 
im südl. Schweden immer so benannt gewesen (vgl. Retzius, 
Osbeck, Aspegren, auch Wahlenberg, u. A.), so wie 
jetzt in England; Lästadius sendet ihn auch als R. ayuati- 
cus. Für meinen Theil möchte ich dem doch nicht beipflichten; 
aber. noch einseitiger ist es, den R. Hippolapathum als R. 
aquaticus bestimmt haben zu wollen. Dass Linne sonderlich 
mehr Gewicht auf R. Hippolapathum bei Upsala als auf alle 
andern dortigen Formen, die er sämmtlich unter seinem R. 
agquaticus befasste, gelegt hätte, dafür giebt es keinen Beleg, 
wohl aber dafür, dass er dort unter diesem Namen den R. Ay- 
drolapathum ausgetheilt hat, z. B. Ehrhart's Zeugniss (siehe 
Meyer Chlor. hanov.! [schwed. bot. Jahresb. üb. 1837, S.114.]). 
Die Folge von allem diesem wird wohl, dass man zuletzt ge- 
nöthigt wird, Linne’s Namen R. aguaticus ganz aufzugeben, da 
er, als ein: collectiver, in streng Linneischem Sinne auf keine 
einzelne Art ganz passt, und ihn nur zu brauchen, wenn man 
die Collectiv-Art meint: diess hält Meyer für das Richtig- 
ste. Ich verlange nicht, dass gerade meine Meinung durch- 
sehe, sondern dass man von vorgefasster Meinung sich los 
mache, um meine Gründe zu prüfen. Ä 


380 Einige Worte über Rumex acutus und R. aquatieus L. 


Eine kritische historische Darstellung des Fortschreitens in 
der Kenntniss einer Flora und besonders ihrer kritischen Gat- 
tungen ist von grosser Wichtigkeit für die Kunde derselben. 
Nur dadurch kommt sie zur Klarheit: Vieles, was nach gewöhn- 
lichem Citiren als Irrthum erscheint, stellt sich dadurch als er- 
spriesslich dar. So wichtig es ist, die erste Quelle der Auf- 
stellung einer Art zu kennen, ist es auch, die erste ihres Auf- 
zeichnens als einheimisch zu wissen. Es zeigt, ‚‚quantae molis 
erat Suecanam condere Floram,“ und ist eine gerechte Steuer 
für die Kosten und Mühe, welche die Entdeckung jeder Art 
erfordert. Gaudin’s Fl. helvetica ist hierin ein würdiges Mu- 
ster. Es bedarf dazu grösserer Unpartheilichkeit und Genauig- 
keit, als man gewöhnlich in einem willkührlichen Verfahren 
findet: so begegnet man zuweilen einer Scheu, einen unwill- 
kommnen Autor zu citiren, selbst wo diesem gefolgt worden, 
sofern nieht für dabei mögliche Fehler ihn haften zu lassen 
nöthig geschienen. So schreibt man gewöhnlich dem Professor 
Retzius eine Menge Aufstellungen zu, die nicht ihm, sondern 
Linne (z. B. Orchis pallens, Rosa arvensis) und Afzelius 
angehören, übergeht ihn aber bei desto mehr eignen Entde- 
ckungen. | 

In Betreff des Geschichtlichen über die Abtheilung Lape- 
iha der Gattung Rrumex wurde hinsichtlich des R. aguatieus 
bereits gezeigt, wie Linne diesen genommen: dabei blieb es 
nachher lange in der für die schwedische Flora unkritisehen Zeit 
nach Linne. — Erst als man gewahr wurde, dass man im mitt- 
lern Schweden keinen R. acutus als verschieden vom R. obtu- 
sifolius besass, fing man an, ihn in einem Theile der frühern 
Formen des R. agquaticus zu suchen, und es wurde als solcher 
der R. maximus dargestellt: dieser ging bei uns als acutus, bis 
der Vf. dieses ihn in Nov. Fl. suec. unter dem jetzigen Namen 
(R. mazximus) zugleich mit dem Beweise dafür vortrug, dass 
der R. acutus in diesen Gegenden nicht zu suchen sei. Retzius 
unterschied ferner den R. Hydrolapathum und Dr. Hartman 
stellte 2 neue Arten auf: R. domesticus und R. conspersus. 
So war die Anzahl auf 5 gestiegen (und im letzten oder 39sten 
Faseic. der Fl. danica fügt Drejer einen 6ten, PR. Heleola- 
pathum, eine Mittelform zwischen R. domesticus und R. Hip- 
polapathum, hinzu). Diese wurden in Wahlenb. Fl. suec. 
auf 2 reducirt, und da der Verf. dieses damals nicht mehr als 
3 wirkliche Arten gesehen, so wurden auch in der Monographie 
dieser Gattung in Nov. Fl. suec. nicht mehr als 3 angenommen. 
— Als wir aus obengenannten Gründen den R. acutus -Whlnb. 


Einige Worte über Rumex acutus und RB. ayuaticus L. 381 


[R. Hydrolap.] für den wahren Pr. aquaticus annehmen zu müs- 
sen glaubten, nahmen wir für den R. aguaticus Whlnb. seine 
Benennung bei den Alten, Hippolapathum, wieder auf. Hier 
im mittlern Schweden haben wir gefunden, dass dieser R. Hip- 
polapathum in zwei Arten getheilt werden kann, näml. Hippo- 
lapathum der ältern Botaniker, zu welchem die Hauptart 1. c. 
[ed. 2. p. 105 sq.] nach Synon. und Defin. gehört, und R. do- 
mesticus Hartm.; die beiden das. p. 106. besonders darunter 
angemerkten Formen [«. et ß.] aber gehören zum letzteren: ß ist 
nämlich der in Schweden am Wasser gewöhnliche R. domesti- 
cus, welchen Linne und Wahlenberg zum R. aguaticus e. 
gerechnet. So war es dort ganz richtig sie zusammenzustel- 
len*). Auch mit R. crispus wurde R. domesticus lange ver- 
wechselt, und Areschoug hat ferner davon einen R. pro- 
pinquus abgetrennt, welcher den Uebergang zu den Oxylapa- 
iha bildet. Diese Arten gehören den südlichen und westlichen 
Provinzen an, wo R. obtusifolius ohne Vergleich das häufigste 
aller Lapatha ist. Von diesen hat Linne wahrscheinlich nur 
diesen und R. maritimus gesehen, denn. R. acutus wurde wohl 
im upsaler Garten unterschieden. Die übrigen Arten sind so- 
wohl selten als auch wenig in die Augen fallend. Retzius 
fügte erst J&. Nemolapathum. als schwedisch hinzu; endlich der 
Verf. dieses R. palustris verus, Ft. conglomeratus und R. cri- 
status (aculus). 


[Späteres von Prof. Fries über Rumices, aus Bot. Not. 
1842, S. 23.:] — Rumerx divaricatus L. soll nach jetziger all- 
gemeiner Annahme eine Form des PR. pulcher gewesen sein, 


*) Der A. Hippolapathum der Novit. Fl. suec. ist völlig synouym 
mit A. aguaticus Wahlenberg’s, welcher, nach Ausweis sowohl 
lappländischer Exemplare, als auch zahlreicher lebender mir 
bestimmter, den A. domesticus aquaticus für den ächten A. agua- 
ticus hält und davon nicht unterscheidet, was ich später in der 
Fl. scan. und im Herb. norm. im engeren Sinne A. Hippolapa- 
thum genannt habe. Wenn R. Hippolapathum Nov. Fl. suec. 
eilirt wird, muss die Hauptart mit allen ihren Synonymen unter 
dem Namen A. Hippolapathum oder A. Friesii Aresch. angeführt 
werden, den ich auch in zahlreichen Exemplaren vor Augen hatte, 
aber nicht gegen Prof. Wahlenberg’s bestimmte Aeusserung zu 
sondern wagte; — dagegen sind die beiden speciell nach leben- 
den Exemplaren angemerkten Abarten domesticus und aquaticus 
[ worunter zugleich der A. aguat. der Deutschen! citirt ist] unter 
A, domesticus zu citiren. 


382 Einige Worte über Rumex acutus und R. aquaticus L. 


obgleich die Beschreibung nicht recht darauf passt und Linne 
ihn nicht damit, sondern mit R. acutus (cristatus Wallr.) und 
obtusifolius vergleicht. Der Grund zu jener Annahme ist Lin- 
ne’s Synonym: dieses fällt aber ganz weg, wenn man bedenkt, 
dass Linne selbst es in Mant. ll. ausgeschlossen und zu R. pulcher 
gezogen hat, was schon beweiset, dass dieser nicht gemeint 
sein konnte. Da Linne seinen R. obtusifolius von Äkerö be- 
schrieb und dort nur R. silvestris Wallr. vorkommt, welcher 
unzweifelhaft Linne’s ER. obtusifolius ist, so wird Linne’s R. 
divaricatus Wallroth’s R. obtusifolius! Man vergleiche die Be- 
schreibungen Beider, um sich zu überzeugen, wie gut Linne’s 
Worte auf Wallroth’s Art passen, zumal da Linne jenen zu- 
nächst neben seinen R. obtusifolius stellt. Dieser R. divarica- 
tus ist bis jetzt im alten Linneischen Garten vorhanden geblie- 
ben, und ist gewiss so gut unterschieden, wie die meisten der 
Lapatha. 


SV. 
Bestimmung der Divergenz von Blättern und Knospen. 


Von 
Gustaf Silfverstrahle [Hof-Ger.-R.]*). 


Uebersetzt von ©. T. Beilschmied. 


Buange bemüht, die geometrischen Verhältnisse von Pflanzen- 
theilen zu bestimmen, glaubte der Verf. zur Berechnung der 
Lage der Blätter und Knospen auf der Oberfläche der Pflanzen 
darin eine Grundlage gefunden zu haben, dass dieselben auf 
manchen walzenförmigen Theilen, z. B. Zapfen, Kätzchen und 


*)  Kongl. Vetenskaps- Acad. Handlingar för är 1838. 3. 202— 212. — 
Auch in besondern Abdrücken: Stockholm, 1839. 11 S.8 — 
[Vgl. damit nun A. Braun’s neueste Aeusserung in Betreff rechter 
Betrachiungsweise der. Blattstellung in v. Leonh. u. Braun’s N, 
Jahrb. £. Mineral. etc. 1842, IV. 418—425., in Bezug auf e, Abh. 
C. Fr. Naumann’s; s. a.: Bot, Jahresb. üb. 1838, S. 523.] 


Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 383 


Nadelholztrieben in ordentlichen um den Cylinder gewundenen 
Linien, deren drei parallel nach der einen und fünf nach der 
andern Richtung ‚liefen, gestellt erschienen. , Unter der An- 
nahme, dass der Ahstand zwischen diesen spiralförmigen Linien 
nach der einen oder der andern Richtung gleich wäre, wurde 
als Grundlage der Berechnung aufgestellt: dass, wenn die drei 
Spirallinien die fünf (was, ohne Veränderung der horizontalen 
Lage der Blattpunkte, nur vom Ausziehen des Gewächseylin- 
ders abhängt) auf der Oberfläche dieses Cylinders winkelrecht 
schneiden, dort ein rechtwinkliges Dreieck entsteht, worin die 
Peripherie des Pflanzeneylinders die Hypotenuse ist, und von 
den den rechten Winkel umfassenden Seiten die eine 3 und die 
andre 5 Spiralenabstände ausmacht, die Peripherie also gleich 
ist der Quadratwurzel aus 34 solchen Abständen, woraus wei- 
ter folgte, dass der 3öste Blattpunkt senkrecht über dem ersten 
sitzen würde. Nachdem der Verf. auf dieser Grundlage die 
Verhältnisse zwischen nicht nur der 3fachen und 5fachen Spi- 
rale, als auch weiter sowohl der 2fachen und beiden einfachen 
Spiralen, als auch der Sfachen, 13fachen und 2lfachen berech- 
net hatte, versuchte er, einige Pfilanzentheile diesen Berechnun- 
gen gemäss zu construiren, und fand die Berechnungen so ge- 
naue Erklärungen: von, sonst‘ ganz unregelmässig scheinenden, 
Pflanzentheilen gewährend, dass z. B. ein Tannzapfen, nach 
jenen Berechnungen construirt, nicht allein die beim ersten Be- 
trachten leichtfasslichern Formen der Seitenschuppen aufwies, 
sondern auch die mehr verdeckten Verhältnisse zwischen den 
in der Spitze des Zapfens zusammengedrückten Schuppen. 

Als der Verf. darauf im letzten Frühjahre von Dr. Alex. 
Braun’s „Vergleichender Untersuchung über die Ordnung der 
Schuppen an den Tannenzapfen, als Einleitung zur Untersuchung 
der Blattstellung“ [N. Acta Ac. C. L.-C. Nat. Cur. XV. 1. 
195 —402., t. XIX —L.] Kenntniss nehmen konnte, sah er 
wohl, dass Dr. Braun’s Angaben von seinen (des Vfs.) Berech- 
nungen insofern abweichen, als Dr. Braun die 2lste Schuppe 
als lothrecht über der ersten stehend angenommen hatte, wäh- 
rend er selbst durch obige Berechnung dazu gelangt war, dass 
es die 3öste Schuppe wäre, die senkrecht über der ersten sässe; 
da jedoch nicht allein, nach demselben obigen Berechnen, der 
2lste Blattpunkt der senkrechten Linie so nahe trifit, dass 
leicht eine Irrung beim Beobachten hatte stattfinden können, 
ausserdem auch Braun selbst erwähnt, wie er auch Zapfen 
gefunden, wo theils die l4te, theils die 3öste Schuppe lothrecht 
über der ersten gesessen, so konnte der Vf. nicht anders als 

26 


384 Bestimmung der Divergen: von Blättern u. Knospen. 


seine Berechnungen für durch die Beobachtungen Dr. Braun’s 
bestätigt halten, so wie, dass diese Berechnungen demnach 
nicht allein bei den wenigen Pflanzen, die er untersucht, An- 
wendung fänden, sondern auch bei der grossen Anzahl von so- 
wohl Dicotyledonen und Monoeotyledonen als auch Acotyledo- 
nen, auf welche Dr. Braun seine Forschungen ausgedehnt. 
Als der Verf., mit dadurch vermehrtem Eifer, seine Berechnun- 
gen nun weiter erstreckte, entstanden bei ihm, zuerst hei dem: 
Construiren der Blume einer Paeonia, dann der eines Chrysan- 
ihemum, Zweifel an der Richtigkeit der Grundlage, worauf diese 
Berechnungen fussten. Die Staubfäden der ersteren und die 
Blümchen des letztern müssten nämlich, sobald das 3öste loth- 
recht über dem ersten stände, in 34 Reihen stehen; aber auch 
diese 34 Linien krümmten sich: die Abweichung des 3östen Blatt- 
punktes von der senkrechten Linie wurde merklicher, je mehr 
sie vervielfacht wurde, beim 69sten, 103ten u. s. w., und die 
Linien von 55 andern noch weniger gebogenen geschnitten wur- 
den. So wurde der Verf. veranlasst, die Richtigkeit der Grund- 
lage selbst von seinen Berechnungen zu bezweifeln (nämlich 
dass der Abstand zwischen :den drei parallel laufenden Spiralen 
dem Abstand zwischen den anderseitigen fünf gleich wäre), ob- 
schon der Fehler zu gering ausfiele, um durch Anschauung eher 
wahrgenommen zu werden als in den Fällen, wo man mehrere 
Hundert Blattpunkte auf einmal überblicken kann wie in obigen 
zwei Fällen. 

Unter erneuetem bemühen, eine zuverlässige Grundlage 
für die Berechnungen zu finden, bemerkte der Verf. erstlich: 
dass der 22ste Blattpunkt, welcher nach A. Braun’s Beobach- 
tungen auf die gegen den I1sten Blattpunkt lothrecht gefällte 
Linie treffen, nach des Verfs. Rechnung aber etwas davon ab- 
weichen sollte, wirklich letzteres that, wobei indess eine Ab- 
weichung, zwar kleiner und nach der entgegengesetzten Rich- 
tung, auch bei dem 3östen Blattpunkte stattfand; und ferner: 
dass der 56ste und der 90ste Blattpunkt sich, ersterer, zwischen 
dem 22sten und der senkrechten Linie und, der letztere, zwi- 
schen dem 3östen und derselben Linie befanden, so dass die 
senkrechte Linie von diesen beiden Blattpunkten noch näher 
begränzt wurde; und so kam er endlich zu dem en 
welches diese kleine Abhandlung darlegt. 


Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 385 


Die Punkte an der Oberfläche der Pflanzen, aus welchem 
Blätter und Knospen hervorkommen, stehen (der Regel gemäss) 
in Ordnung, wenn gleich die Mannigfaltigkeit der Form der 
Gewächse es mit sich bringt, dass diese Orduung nicht immer 
leicht überschaut und aufgefasst werden kann. 

Die allgemeinste Form der Gewächse lässt sich auf den 
Kegel beziehen, von dessen einem Extreme, der unendlich aus- 
gezogenen Axe (dem Cylinder) an, bis zum andern, der Ein- 
drückung der Axe auf Null (wo die Spitze des Kegels mit dem 
Mittelpunkte in seiner Basis zusammenfällt und der Kegel also 
in eine runde Ebene übergegangen ist). Die Spitze des Kegels 
ist hier der obere Theil der Pflanze, seine Basis ihr unterer 
(der. Wurzel zugekehrter) Theil. | 

Die Ordnung. der Blattpunkte ist am leichtesten bei den 
Pflanzen aufzufassen, die sich der Cylinderform nähern, und 
diese Ordnung wird anschaulicher, wenn die Blattpunkte durch 
Linien verbunden werden. 

Behält eine Linie, die zwei Blattpunkte verbindet, densel- 
ben Abstand von der Wurzel (Höhe), so sind die Blätter, wel- 
che aus diesen Punkten im Quirle entspringen (folia verticil- 
latim posita), zwei, drei, vier u. m. Blätter auf gleicher Höhe 
(folia in verticillo bina, terna, quaterna, &c.). 

Blattpunkte, die sich senkrecht über einander befinden, 
stehen in Zeilen, und die Linie, die mehrere senkrecht über 
einander stehende Blattpunkte verbindet, heisst Zeile. 

Blattpunkte, die weder in Quirle noch in Zeilen (weder auf 
gleiche Höhe, noch gleiche Breite) treffen, stehen in schräger 
Windung (fol. alterna). Ihr Abstand (die gerade Linie, die 
sie verbindet,) ist die Hypotenuse ihres horizontalen und ver- 
ticalen Unterschiedes. 

Der horizontale Unterschied (die Divdkna) der Blattpunkte 
wird gemessen durch den Winkel an der Axe des Kegels, und 
dieser Winkel ist unveränderlich sowohl bei Ausziehung und 
Eindrückung (verticalen Veränderungen) der Pflanze, als auch 
bei Zunahme ihrer Dicke (horizontaler Veränderung). 

Der verticale Unterschied (die Distanz) hingegen ist allen 
Modificationen unterworfen, die durch Ausziehen oder Nieder- 
drücken entstehen können, und wird nur durch sein Verhältniss 
zum horizontalen Unterschiede gemessen. 

Linien, die solche Blattpunkte verbinden, die weder auf 
gleicher Höhe noch auf gleicher Breite sitzen, laufen gewunden 
(in Spirale) auf der Oberfläche des Kegels von unten nach 
oben, entweder rechts oder links. 

26 * 


386 Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 


Rechts [im ältern Linn. Sinne] läuft eime Spirale, die 
sich von Ost durch Nord nach Westen, der Sonne entgegen, 
erhebt; links: die von Osten durch Süd nach West, mit über 
Sonne, geht. 

Die rechts- und die links - laufenden Spiralen ee 
einander in Blattpunkten und bilden zwischen sich‘ Parallelo- 
gramme, die, wenn die Spiralen einander rechtwinklig schnei- 
. den, Rechtecke sind, welche Reehtecke aber, wenn der Cylin- 
der, worauf jene Spiralen sich winkelrecht schneiden, ausgezo- 
gen oder zusammengedrückt wird, zu Rhomboiden werden: mit 
spitzen Winkeln oben und unten und stumpfen zur Seite bei 
Ausziehung des Cylinders, und umgekehrt mit stumpfen: W. 
oben und unten &e., wenn er eingedrückt wird. 

Wird das Ausziehen oder Eindrücken des Cylinders Berka, 
setzt, so werden die Blattpunkte, die einander nah gewesen, 
in verticaler Richtung (obschon denselben horizontalen Unter- 
schied stets behaltend) so von einander entfernt, dass sie.sich 
nicht weiter leicht dureh Linien verbinden lassen, dagegen zu 
andern Blattpunkten in solche Stellung kommen, dass, wenn sie 
mit diesen durch Linien verknüpft werden, daraus neue Spira- 
len entstehen, die bei einem gewissen Grade von Ausziehung 
oder Niederdrückung des Üylinders einander winkelrecht schneiden. 

' Bei der grössten Ausziehung des Cylinders, wo die Blatt- 
punkte die grösste verticale Distanz haben (z. B. bei Jahres- 
trieben von Bäumen), werden die Blattpunkte am leichtesten 
so verbunden, dass daraus eine einzelne Spirale nach rechts 
entsteht, welche eine andere einzelne Spirale nach der Linken 
schneidet: von diesen Spiralen läuft aber doch die eine dichter 
als die andere, so dass bei dem Grade der Ausziehung, wo sie 
einander rechtwinklig schneiden, die dadurch entstehenden Pa- 
rallelogramme nicht Quadrate, sondern nur Rechtecke sind. 

Wenn ein Pflanzencylinder mehr zusammengedrückt vor- 
kommt, so gerathen die Blattpunkte in die Stellung gegen ein- 
ander, dass sie mit grösserer Leichtigkeit sich so verbinden 
lassen, dass aus den Nerbindimprliiien zwei parallele Spiralen 

nach der Richtung entstehen, wo bei dem stärkern Ausziehen 
die dichter laufende Spirale ging, welche zwei Spiralen von der 
in entgegengesetzter Richtung verlaufenden ‚einzelnen Spirale 


geschnitten werden. Wenn diese Spiralen einander winkelrecht‘ 


schneiden, so entstehen wohl auch Rechtecke, aber der Ünter- 
schied zwischen Länge und Breite dieser Rechtecke ist kleiner, 
als bei den Rechtecken, die zwischen den einzeln laufenden 
Spiralen entstehen. 


= 


Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 387 


Wird der Cylinder noch weiter zusammengedrückt, so ent- 
stehen dabei, auf einerlei Weise, zuerst drei Spiralen anstatt 
der beim zuletzt - besprochenen Ausziehungsgrade einzeln laufen- 
den Spirale, und diese drei schneiden die zwei Spiralen; dann 
fünf Spiralen statt der zwei, und diese fünf schneiden dann die 
‚drei; alsdann acht Spiralen statt jener drei, und diese acht 
schneiden die fünf, u. s. f. Je mehr der Cylinder eingedrückt 
wird, desto mehr erhalten die Rechtecke, die beim winkelrech- 
' ten Schneiden der dann entstehenden Spiralen gebildet werden, 
Gleichheit in Länge und Breite (gehen zum Quadrat über), und 
wird also der Abstand zwischen den successiv entstehenden 
Spiralen immer mehr gleich. 

Wenn man, um zu ermitteln: ob von diesen so geordneten 
Blattpunkten sich einer senkrecht über dem andern 
befinde, Pilanzen betrachtet, so findet man, dass z. B. der 
Ote mehr lothrecht über den I1sten zu stehen kommt, als einer 
der frühern; dass der l4te noch senkrechter über dem ersten 
befindlich und dass der 22ste beinahe ganz senkrecht darüber 
steht: Geht man in der Untersuchung weiter, so ergiebt sich 
gleichwohl, dass der 3öste, der 56ste, der 90ste Punkt u.s.w. 
der senkrechten Linie noch näher treffen. 

Bleibt man dabei stehen, dass man annimmt, der 3öste 
Blattpunkt stehe senkrecht über dem ersten*), so wird die 
Folge davon, dass die Divergenz zwischen dem ersten und dem 
zweiten Blattpunkte 35 nach der einen Richtung und 34 nach 
der andern wäre. Diese Zahlen geben auch so nahe das wirk- 
liche Verhältniss, dass man durch Messung nicht eher einen 
Fehler dabei entdecken kann, als bis man ein Gewächs mit 
mehr als hundert Blattpunkten zu überschauen bekommt: dann 
aber wird man wohl des Irrthums gewahr: denn stände wirklich 
der 35ste Blattpunkt lothrecht über dem ersten, so würden (die 
Anzahl ihrer Zwischenräume, Interstitien, ist 34) aus 340 


*) Die 35ste Knospe trifft dahin, wo eine von der ersten Knospe aus- 
gehende, durch alle übrigen Knospen laufende, Spirale nach einer 
Seite eine solche nach der andern Richtung laufende Spirale schnei- 
det: von diesen Spiralen hat dann die eine 13, die andere 21 Um- 

‚ läufe um den Pflanzencylinder gemacht. — So trifft die 90ste 
Knospe, wo solche Spiralen nach 34 Windungen nach einer — 
und 55 nach der andern Seite einander schneiden, u. s. w. 

Wenn die Peripherie = p 

die Anzahl der Windungen —= w 

die Anzahl der Zwischenräume der Knospen —= k 
wp 


k 


so ist ein solcher Zwischenraum — 


388 Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 


Blattpunkten 34 Zeilen mit 10 Punkten in jeder Zeile entstehen 
und also am andern Ende des Kegels (der runden Fläche) diese 
340 Blattpunkte in 34 Radien mit 10 Blattpunkten in jedem 
stehen; nun findet man aber auch diese 34 Radien (m.‘s. die 
Staubfäden eines Polyandristen, die Blümchen eines Syngene- 
sisten) sich spiralig windend. Selbst der 90ste Blattpunkt steht 
nicht vollkommen lothrecht über dem Isten, denn auch die 89 
Radien in einer Sonnenrose winden sich, und Gleiches ergiebt 
sich der Beobachtung, soweit Gelegenheit und Vermögen solche 
zulässt. Es stellt sich also mehr als wahrscheinlich dar, dass 
ein Blattpunkt nicht vollkommen lothrecht über einem andern 
stehe und demnach die Divergenz zwischen zwei Blattpunkten 
nicht durch eine rationelle Zahl ausdrückbar ist. 

Bei obiger Annahme, als stände der 3öste Blattpunkt senk- 
recht über dem ersten, enstand zwischen dem ersten und zwei- 
ten Blattpunkte nach der einen Seite eine Divergenz von 35, 
nach der andern eine von 2!. 

Würde dagegen angenommen, der 90ste Blattpunkt stände 
senkrecht über dem ersten, so fiele die Divergenz als 3% und $2 
aus; bei Annahme des 234sten als lothrecht würde die Diver- 
genz 25, und 123, 

Die Divergenz wird durch diese Zahlen beinahe die nämliche 
(denn 32 =0,382352941 = 137°38’49” ,; 32 —0,38202247=137°31’41” 
und 35 — 0,38197424=137°30'38”); scheint aber doch durch 
Fortsetzung dieses Rechnens immer mehr Bestimmtheit zu ge- 
winnen. i 

Ol man gleich bald zu solcher Genauigkeit gelangt, dass 
sie nicht weiter durch Beobachtung weder bestätigt noch wider- 
legt werden kann, so ergiebt sich doch, dass diese Rechnung 
in’s Unendliche fortzusetzen nöthig wäre, wenn die Divergenz 
auf diesem Wege vollkommen richtig bestimmt werden sollte, 
und dass sie auch mit folgenden Zahlen nicht völlig recht aus- 
gedrückt ist: 

83621143489848422977 
218922995834555169026 
135301852344706746049 
218922995834555169026 

Da nun diese Divergenz, in sofern ein Blattpunkt nie loth- 
recht über einen andern zu stehen kommen kann, durch eine 
irrationelle Zahl ausgedrückt werden muss, so ist, bei Betrach- 
tung der Folge von Zahlen, womit diese Divergenz auf obigem 
Wege bestimmt, ausgedrückt wird, leicht einzusehen, dass diese 
Zahlen in steter Progression, je weiter die Rechnung fortgesetzt 


und 


Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 389 


wird, sich den Zahlen @ und a? (Peripherie=a° und a+a?—a®°) 
nähern, so wie, dass, wenn man diese Zahlen nur für den völ- 
lig correcten Ausdruck der Divergenz nimmt, die Divergenz der 
der senkrechten Linie sich am meisten nähernden Blattpunkte 
oder des 3ten, Aten, 6ten, I9ten, 1lAten, 22ten, 3östen u. f. fol- 
gende wird: a’, a*, a’, a’, a’, a°,-a’, u. 8. w. 

Auf diesen Grund wird angenommen, dass die Divergenz 
zwischen zwei unmittelbar auf einander folgenden Blattpunk- 
‚ten: sei | 


er (- " >) —_.0,618033988749894848204586834365638117720 


_ a*—0,381966011250105151795413165634361882279 
oder a—=229°29'32” ; 
| a? = 137°30'28". 
Zur nähern Erläuterung hiervon werden folgende zwei Ta- 
bellen beigefügt. 


Interstitien. Divergenz. 
0 
1 = 137° 30' 28" 
27279 56 
= 52 31 24 
4 = 190° 152 
5 = 327 32 20 
6 = 105 248 
7 = 2M2 33 16 
204 
9= 157 3412 
10 = 2% 440 
11:7 72935 7 
12 = 210 535 
13 = 347 36 3 


390 Bestimmung der Divergenz von Blättern u. Knospen. 


„Ordnungszahl 


der Interstitien. Divergenz. 
0, a = 360° 
1, a: = 222 29! 32% 
1, a? im 137 30 28 
2, ah =. —: 84 5% 4 
3, ae 52 31 24 
5, —0’ = — 32 2740 
8, ad. 20 344 
13, —ua'" =— 1223 57 
91, a 7 39 47 
34, — a’ = — 4410 
55, Be 2 55 37 
89, —al = 14 3 
144, a. — 1.7.8 
233, — a’ = — 41 28 
377, at 25 37 
610, — u!’ = — 15 50 
087, FE 9.47 
1597, —u!T = — 6 3 
2584, — 344 
4181, — u!’ = — 2 19 
6765, ad. 1 26 
10946, — a1 — 53 
17731; NR ac 33 
28657, — a’ = — 20 
46368, I Om 13 
75025, al 7 8 
121393, | a8; — 5 
196418, —u:!!7 = — 3 
317811, al — 2 
514229, —(19:— bi;; 


xV, 


Ueber pompejanische Pflanzen. 


Von dem 
Professor Schouw. 


Aus dem Dänischen übersetzt von Hornschuch?*). 


Wor ungefähr 18 Jahrhunderten kannte man den Vesuv noch 
nicht als einen wirksamen Vulkan; sein Fuss und seine Abhänge 
boten eine grosse Fruchtbarkeit dar, sein Gipfel war ziemlich 
flach, jedoch zeigte sich die Wirkung des Feuers in der Berg- 
masse und man ‚vermuthete, es sei ein Vulkan dessen Thätig- 
keit aufgehört habe, gleich wie man nun solche Schlüsse über 
die. ausgebrannten Vulkane in Auvergne, am Rhein, oder im 
Albanergebirge und mehreren Orten in Italien macht. 

Im Jahre 63 nach Christi Geburt, unter Nero’s Regierung, 
erschütterte ein sehr starkes Erdbeben die Umgebungen. des 
Vesuvs; ein Theil von Pompeji wurde zerstört, Herculanum litt 
viel, Neapel. und die entfernter liegenden Städte weniger. Aber 
diess war nur ein Vorläufer einer weit gewaltsameren Natur- 
Umwälzung. 

Als im Jahre 79 nach Christi Geburt unter Titus’s Regie- 
rung, der Naturforscher Plinius, als Anführer der römischen 
Flotte, bei: dem Misenischen Vorgebirg, westlich vor Neapel, 
lag, machte seine Schwester, des jüngeren Plinius’s Mutter, 
eines Abends ihn auf eine Wolke von ungewöhnlicher Grösse 

d. Aussehen aufmerksam, die ‚sich wie eine Säule lothrecht 
in die Luft erhob und sich nach oben zu in eine Krone ausbrei- 


*) 8 ‚Förhandlingar vil de skandinaviske ee tredje 
Möte, i Stockholm d. 13.—19. Jul. 1842. $toekholm. Bil. G. 
Om de pompejanske Planter. Af Professor Schouw p.104—112. 


392 Ueber pompejanische Pflanzen. 


tete, wodurch sie Aehnlichkeit mit einem Pinienbaum erhielt. 
Plinius liess sogleich ein schnellsegelndes Schiff zubereiten 
und steuerte damit gegen den Vesuv, von wo, wie sich bald 
zeigte, diese Wolke oder richtiger Rauch ihren Ursprung hatte. 
Der dichte Aschenregen, Bimstein und die ausgeworfenen Stein- 
blöcke zeigten sich bereits und setzten die ganze Umgegend in 
Schrecken. Unerschrocken ging der Naturforscher der Gefahr 
entgegen. ‚Das Glück steht den Muthigen bei,“ war die Auf- 
munterung an seine Mannschaft. Bei Stabiae übernachtete er 
in einer Villa und schlief so sorglos, dass man ausserhalb der- 
selben seinen Athemzug hörte; er schlief bis man ihn am Mor- 
gen weckte um nicht in das Haus eingeschlossen zu werden, 
denn die gefallne Asche hatte bereits beinahe die Thüre ge- 
sperrt. Er begab sich mit Anbruch des Tages, wo es jedoch 
in Folge des Aschenregens so dunkel war, als in der Nacht, 
heraus ins Freie um die Phänomene zu beobachten und aufzu- 
zeichnen. Die Flammen und der Schwefeldampf, welche die 
Anderen verjagten, erweckten ihn; aber als er sich von seinem 
Lager erhob und sich auf seine zwei Sclaven Se fiel er 
todt um, wahrscheinlich erstickt. 

Es war bei diesem gewaltsamen Ausbruche des Vesuv’s 
— dem ersten, den die Geschichte kennt — dass die Städte 
Pompeji, Herculanum und Stabiae untergingen, Pompeji und 
Stabiae durch Aschenregen, Herculanum durch einen Lavastrom. 

Die Städte lagen 16— 1700 Jahre also begraben, man wusste 
nicht einmal genau ihre Lage, bis der Zufall am Schlusse des 
I7ten und im Beginn des 1Sten Jahrhunderts zu deren Wieder- 
auffindung führte. Nun liegen sie, und besonders Pompeji, 
zum grossen Theil offen, indem die Asche fortgeschafft ist; man 
wandert in Pompeji s Gassen, Plätzen, Theater ‚ Tempeln und 
Privatgebäuden, wie in einer Stadt der Gegenwart, man lernt 
die Haupteinrichtung der Alten, ihre Meubeln, Küchengeräthe, 
Damenputz, Handwerksgeräthe und ihre zum Theil ausgezeich- 
neten Kunstgegenstände kennen, und man erhält hier, besser, 
als irgend anderswo, ein anschauliches Bild von dem öffentli- 
chen nd Privatleben des Alterthums. | 

Auch die Kenntniss der den Pompejanern Baht Pflan- 
zen dürfte vielleicht einiges Interesse haben; und hiezu bieten) 
sich. besonders zwei Hauptquellen dar, theils nemlich die in 
Pompeji und den zwei andern untergegangenen Städten gefun- 
denen Malereien und andern Darstellungen von Pflanzen, theils 
Ueberreste von Pflanzen selbst. In Hinsicht auf das erste 
Hülfsmittel muss einige Vorsicht angewendet werden. .Natürli- 


Ueber pompejanische Pflanzen. 393 


cherweise sind manche Pflanzendarstellungen so wenig kennt- 
lich, dass sie nicht können bestimmt werden, wie solches ja 
auch heutigen Tages der Fall sein würde. Wenn demnächst 
die Pflanze kenntlich ist, so ist es noch nicht ausgemacht, dass 
sie im Alterthum bei Pompeji gefunden worden, denn oft wird 
die Vegetation fremder Länder dargestellt. So findet man häu- 
fig die Nilnatur dargestellt: morastige Gegenden mit Lotus und 
der ägyptischen Bohne ( Nelumbium), dem Flusspferde, Kroko- 
dille, Ichneumon, Enten und am Ufer des Wassers die Dattel- 
palme, z. B. in dem Fussstück zu der berühmten grossen Mo- 
saik, von welcher man glaubt, dass sie Alexander und Darius 
darstelle. Zuweilen sind auch die Darstellungen Phantasie- 
Zeichnungen, z. B. ein Lorbeerbaum, der aus einer Dattelpalme 
hervorwächst, ja als Wurzelschuss von ihr hervorkömmt — 
eine physiologische Unmöglichkeit; vielleicht deutet diess, wie 
Tenore meint, auf den wunderlichen Gebrauch, den die Alten 
hatten, hin, die verschiedenen Gewächse so dicht an einander 
zu pflanzen, dass sie das Aussehen erhielten, als gehörten sie 
zusammen. 

Zu den Bäumen, welche jetzt besonders dazu beitragen der 
Landschaft in Italien Character zu geben, gehören Pinien und 
Cypressen. Beide fanden sich bei den Alten, davon zeugen die 
Schriftsteller und davon liefern auch die Abbildungen in Pom- 
peji den Beweis, denn Pinienzapfen finden sich mehrere Male 
dargestellt; eben so hat man verkohlte Pinienkerne in Hercu- 
lanum gefunden. Cypressen findet man sehr häufig in den Land- 
schaften dargestellt, sie zieren die Wände in den Zimmern der 
Pompejaner, zuweilen im Verein mit Pinien. Ein dritter für 
die Länder des Mittelmeers bezeichnender Baum, die aleppische 
Föhre, findet sich auch in Pompeji abgebildet. 

Der Oleander (Nerium On welcher jetzt die F luss- 
ufer ziert, der Epheu (Hedera Helix), welcher die Mauern und 
Baumstämme bedeckt, sind beide in Pompeji dargestellt. 

Dagegen sind es zwei Gewächse, welche jetzt eine bedeu- 
tende Rolle in den Landschaften spielen, aber in dem Alter- 
thum nicht in Italien wuchsen. Die sogenannte Aloe (richtiger 
Agave), die durch ihre grossen, fleischigen Blätter und ihren 
‘hohen candelaberartigen Blumenstengel sich so beliebt in den 
Landschaften gemacht hat und rings um das Mittelmeer vor- 
kömmt, sowohl angehaut, als verwildert ‚‚stammt aus Amerika 
und konnte also nicht den Pompejanern bekannt sein. Die indische 
Feige (Opuntia vulgaris) aus der Gruppe der Cacteen, Auffal- 
lend durch ihr besonderes Aussehen, nemlich ihre flachgedrück- 


394 Ueber pompejanische Pflanzen. 


ten, blattartigen Zweige, eine Pflanze, die nun in’ den Mittel- 
meers-Küsten ebenso allgemein ist, wie die Aloe und gleicher- 
weise verwildert, ist auch von Amerika gekommen. Es findet 
sich in Pompeji eben so wenig eine Spur von einer Darstellung 
dieser so eigenthümlichen Pflanzenform, als von der Aloe. 


Ob von der Dattelpalme im Alterthum, wie jetzt, einzelne 
Bäume ohne reife Früchte sich fanden, ist zweifelhaft. Sie 
findet sich zwar häufig in Pompeji dargestellt, aber im Allge- 
meinen in Verbindung mit ägyptischen Gegenständen, oder in 
symbolischer Bedeutung. Die Zwergpalme dagegen hat ohne 
Zweifel dieselbe Rolle wie jetzt gespielt, denn Theophrast 
berichtet, dass sie sehr allgemein in Sicilien war; dasselbe ist 
nun der Fall, während sie nur sparsam in der Bucht von Nea- 
pel hervortritt. | 


Wenden wir den Blick auf die angebauten Gewachee, dann 
machen die meisten Reisenden die erste Bekanntschaft mit der 
Baumwollenkultur wenn sie Pompeji besuchen. Dicht bei 
dessen Ruinen finden wir Baumwollenäcker, und hier ist die 
Nordgrenze der Baumwolle in Italien. Von dieser wichtigen 
Bekleidungspflanze finden wir keine Spur in den Denkmalen des 
Alterthums. Aus anderen Quellen wissen wir, dass sie dem 
Alterthum nur als eine indische und nach den späteren Schrift- 
stellern zugleich als eine ägyptische Pflanze bekannt war, und 
dass es erst die Araber waren, welche sie in den Ländern des 
Mittelmeeres verbreiteten. 


Ein anderes Gewächs, das mittelbar, nemlich als Futter 
für die Seidenraupen, nun eine wichtige Kleidungspflanze in Ita- 
lien ist, ist der weisse Maulbeerbaum.. Auch dieser war 
den Pompejanern unbekannt. In der Zeit sah man die Seide 
als einen ausländischen Luxusartikel. Erst in dem sechsten 
Jahrhundert kam die Seide - und Maulbeer -Kultur nach Europa. 


Unter den Getreidearten war bei den alten Römern der 
Weizen die durchaus herrschende, auch die Gerste war allge- 
mein; dagegen fehlten die mehr nordischen Getreidearten: Ha- 
fer und Roggen. Verkohlte Weizen- und Gerstenkörner sind 
in Pompeji gefunden. Eine schöne Abbildung von einer Wach- 
tel die ein Gerstenkorn abpflückt und von einer Aehre finden 
sich auf einer Wand. Ein Seitenstück dazu stellt eine Wachtel 
dar die in einer Hirseähre (Panicum italicum) klaubt, welche 
also damals hier auch bekannt war. | 


Dagegen vermissen wir Abbildungen von der durch zB 
Form so kenntlichen Getreideart Mais, aber wir wissen auch, 


Ueber pompejanische Pflanzen. 395 


dass sie aus Amerika stammt. Jetzt ist deren Anbau in der 
Umgegend von Pompeji ausgebreitet. 

- Auch der Reis fehlte im Alterthum; er war damals auf 
Ostindien beschränkt. Er wird auch nicht bei Pompeji, aber 
wohl anderwärts in Italien angebaut. Ob Durra (Sorghum ) 
den Alten bekannt war oder erst von den Arabern nach Europa 
gebracht wurde ist zweifelhaft; die pompejanischen Abbildun- 
gen geben keinen Aufschluss darüber. 

Von Hülsenfrüchten finden wir Pferdebohnen im 
verkohlten Zustand, die vollkommen den gegenwärtigen gleichen. 

Von Küchen - Gegenstände darstellenden Malereien findet 
sich ein Büschel Spargel abgebildet, welches jedoch wahr- 
scheinlich der: wilde ist, der jetzt, wie damals, gegessen wird, 
wogegen es scheint, dass die Alten den angebauten Spargel 
nicht gekannt haben. Auf anderen Abbildungen von Küchen- 
Gegenständen kommen Zwiebeln, Rettige, Rüben undeine 
Art kleiner Kürbisse ‚vor. Unter den Küchengewächsen 
haben die Alten Pomi d’Oro (Lycopersicum esculentum) nicht 
gekannt, die von Amerika eingeführt sind. 

Der Oelbaum hat zur Zeit der Pompejaner, wie es scheint, 
dieselbe wichtige Rolle gespielt wie jetzt; davon zeugen die 
Schriftsteller. Oelbaumzweige werden häufig dargestellt, und 
in einem ausgegrabenen Glas hat man eingemachte Oliven, den 
gegenwärtigen vollkommen gleich, gefunden, welche noch, als 
sie ausgegraben wurden, ihren Geschmack hatten. 

Die Fruchtarten, welche in gegenwärtiger Zeit am meisten 
genossen werden sind Weintrauben und Feigen, das sind 
auch diejenigen, welche am häufigsten auf den vielen Frucht- 
stücken dargestellt sind, die sich auf den pompejanischen 
Wänden finden. Weinranken spielen ausserdem eine wichtige 
Rolle, da sie dem Bacchus geheiliget waren und in Verbindung 
mif dem Dienst dieser Gottheit, finden wir sie in vielen Dar- 
stellungen. 

Häufig findet man auch auf Frucht- und Thier- Gemälden: 
Birnen, Aepfel, Kirschen, Pflaumen, Pfirschen, 
Granatäpfel und Mispeln. 

Einige haben gemeint Ananas in Pompeji abgebildet zu 
finden, aber da diese für eine amerikanische Frucht angenom- 
men wird, würde diess auflallend sein. Aber der Gegenstand, 
welchen man für eine Ananas angenommen hat und welcher 
in eine Schale gestellt ist, ist, nach Tenore’s unzweifelhaft 
richtiger Vermuthung, die Spitze von einer jungen Zwergpalme, 
die auch jetzt in Sicilien gespeist wird. 


396 Ueber pomnejanische Pflanzen. 


Weit wichtiger ist der Mangel der zur Familie der Agrumen 
gehörenden Pflanzen: Apfelsinen, Pomeranzen, Citronen 
und Cedraten. Es ist ohne Zweifel zureichend aufgeklärt, 
dass man zu Plinius Zeit nicht eine von ihnen kultivirte; er 
äussert, dass man vergebens versucht habe die medischen 
Aepfel (Cedraten) nach Europa zu verpflanzen. Es war nicht 
früher , als ungefähr in dem dritten Jahrhundert, dass ihr An- 
bau in Italien begann, später kamen die Citronen und Pomeran- 
zen nach Europa, wahrscheinlich durch die Araber, zuletzt die 
Apfelsinen, die von China stammen und von den Portugiesen 
nach Europa gebracht wurden. . 

Wir schen also, dass die Pflanzenwelt und besonders die 
angebauten Pflanzen seit der Zeit wo Pompeji blühte theilweise 
Veränderungen erlitten haben und dass, während die alten Pom- 
pejaner in Hinsicht auf viele Lebensgenüsse und namentlich 
aber mit Hinsicht auf Kunstgenüsse so viel vor den gegen- 
wärtigen voraus hatten, ihnen ein Theil wichtiger Gewächse 
mangelte, welche die erweiterte geographische Kenntniss und 
der erweiterte Handelsverkehr ihren Nachkommen verschafft hat. 
Die wichtigsten unter den neu hinzugekommenen sind der Reis, 
Mais, die Baumwolle, die Seide und die Orangen. Italien war 
also damals noch nicht | 


— das Land wo die Citronen blühn 
im dunkeln Laub die Gold- Orangen glühn. 


xVvL 


Ueber Auer-, Birk- und Pfau-Hennen und weibliche 
Enten mit männlichem Gefieder, so wie über Bastarde 


von Auer-, Birk- und Schnee - Hühnern *). 


Von 
Professor Nilsson. 


Aus dem Schwedischen übersetzt von Hornschuch. 


Gelthenne vom Auerhahn ( Tetrao Urogallus, femina 


sterilis”*). 


Wer Vogel, von welchem hier ein treues Bild geliefert wird, 
dürfte für den Physiologen, wie Jäger und Zoologen gleich 
merkwürdig sein. Schon auf den ersten Blick findet man, dass 


*) 


) 


Hr. Isidore Geoffroy Saint- Hilaire hat in mehreren Arti- 
keln in verschiedenen Werken über diesen Gegeustand gehandelt, 
aus welchen in Froriep’s Notizen a. d. G. d. Nat. u. Heil- 
kunde (B. XIV Nr. 9, S. 129—134, — die jedoch irrthümlich mit 
113—118 bezeichnet—) und Froriep’s Neuen Not.a.d. G.d. Nat. 
u. Heilkunde (B.XX Nr. 3. 5.33—39 u. Nr. 4. S. 49—53.) Auszüge 
und Uebersetzungen mitgetheilt worden sind. Aus diesen erhellt, dass 
die in Skandinavien in dieser Beziehung beobachteten Fälle dem 
V£. unbekannt waren. In Folge hiervon sehe ich mich bei der 
Wichtigkeit des Gegenstandes um so mehr veranlasst diese, soweit 
sie mir bekannt geworden, hier zusammen zu stellen, als, meines 
Wissens, dieselben noch nicht anderweitig in einem ausserskandi- 
navischen Werke mitgetheilt worden sind und selbst Gloger (5. 
dess. Yollst. Handb. der Naturgesch. d. Vög. Europas m. bes. 
Rücks. a. Deutschl. 'Th. 1. S. 516), der doch sonst die skandina- 
vischen Quellen sehr gut benützt hat, der Auerhenren mit männ- 
lichem Gefieder nur mit folgenden, noch dazu einen Irrthum aus- 
drückenden Worten erwähnt: „— Weibchen im sehr hohen 
Alter unfruchtbar (Gelthühner) und mit Hahnengefieder.“ — 
Anm. d. Ueb. 

Illuminerade Figurer till Skandinaviens Fauna med Text utgifne 
af S. Nilsson. B. 1. innehallande 25 Plancher med figurer af 
Däggdjur och 75 af Foglar. Lund. 1832. kl. fol. T. 21. 


398 Gellkienin vom Auerhahn. 


er mit der Grösse der Auerhenne eine Farbe vereinigt, welche 
der des Auerhahns am meisten gleicht, und dass es beinahe 
nur die unteren Körpertheile sind, welche eine bedeutende Un- 
gleichheit zeigen. Man dürfte deshalb, ohne nähere Untersu- 
chung mehr geneigt sein diesen Vogel für einen jungen Auer- 
hahn oder eine eigene, kleinere Auerhahnart oder Bastard an- 
zusehen als zu vermuthen was er eigentlich ist — eine sterile 
Auerhenne. 

Weil Alles was ich über diesen Vogel anführen werde auf 
der Gewissheit beruht, die ich besitze, dass er dem Huhnge- 
schlecht angehört, dürfte ich mit Anführung der Thatsachen 
beginnen müssen, auf welche diese Gewissheit sich gründet. 

lch habe eine ganze Suite von diesen Vögeln gesehen und 
gesammelt; jedoch sind sie alle im ersten Lebensjahr getödtet 
worden. Die jüngsten gleichen etwas mehr den Auerhennen, 
die ältesten dagegen gleichen beinahe ganz dem Auerhahn. Den 
ersten, welcher zugleich der jüngste und in Wermland während 
des Herbstes geschossen ist, erhielt ich 1826 von dem Herrn 
Hofjägermeister Falk. Diess ist der einzige, welchen ich nicht 
selbst untersucht; aber dass er ein Huhn war, schliesse ich 
theils aus dessen Aehnlichkeit mit dem folgenden, und theils 
daraus, dass er für eine Henne des Rackelhahns (Tetrao hybri- 
dus L. Faun. Sv. p. 72.) angesehen worden war. Das andere 
Exemplar wurde im Monat December 1829 von einem Bauer 
aus Helsingland gekauft, darin wurde bei der Untersuchung kein 
Eierstock, sondern bloss Eierleiter gefunden. Das dritte Exem- 
plar, welches hier abgebildet worden, erhielt ich während des 
darauf folgenden Januars aus Dalekarlien; auch in diesem 
fanden sich Eierleiter, aber der Eierstock war oblitterirt. Das 
vierte, welches ich im Monat März erhielt, und welches also 
das älteste (indem alle Küchlein vom vorigen Jahre sind), ist 
auch dasjenige, welches von allen dem Auerhahn am. meisten 
gleicht. In diesem fanden sich Eierleiter und Eierstock; aber 
sie waren in krankhaftem Zustande und die Eier hatten ihre 
sphärische Form verloren; sie waren eckig und gleichwie zu- 
sammengedrückt. Dieser Eierstock mit seinen Eierleitern 
gleicht einem andern von einer gewöhnlichen Auerhenne; beide 
von Hrn. Prof. Retzius herausgenommen und präparirt, wer- 
den im Museum in Stockholm aufbewahrt, wo auch die drei 
zuletzt genannten Exemplare aufgestellt gefunden werden. 

Es unterliegt also nicht dem geringsten Zweifel, dass die 
in Frage Seinen! Vögel Hennen sind. 

Auch ist diess nicht etwas Neues, ader ein ungewöhnliches 


Gelthenne vom Auerhahn. 399 


Phänomen, dass Hennen die Farbe und das Aussehen der 
Hähne annehmen. Man hat schon längst beobachtet, dass ge- 
wisse Fasanhennen, in einem höheren Alter, nachdem das 
Fortpflanzungsvermögen aufgehört, ein Federkleid erhalten, wel- 
ches dem der Fasanhähne gleicht. Dasselbe Phänomen hat 
man bei einigen Singvögeln beobachtet, aber man glaubte lange, 
dass dieser Farbenumtausch niemals früher eintreffe, als wenn 
der Vogel so alt geworden, dass er aus Alter das Fortpflan- 
zungsvermögen verloren. Hr. Yarrell hat jedoch gezeigt, dass 
ein weit vorgeschrittenes Alter nicht eine nothwendige Bedin- 
sung für diese Veränderung bei den Fasanhennen ist. Von den 
sieben, welche Hr. Yarrell untersuchte, waren zwei noch nicht 
jährig; aber bei allen befand sich der Eierstock in einem krank- 
haften Zustand und die Theile des Eierleiters, welche dem 
 Eierstock am nächsten lagen, waren oblitterirt. Die hier in 
Frage seienden Auerhennen sind, wie ich schon erwähnt, auch 
junge, welches man an ihren Skeletten sehen kann, welche auch 
in dem genannten Museum aufbewahrt werden. 

Obgleich es also unter den zahmen Hühnervögeln beobach- 
tet worden ist, dass Hennen, unter gewissen Umständen, -die 
Tracht der Hähne annehmen, so ist diess dennoch, meines 
Wissens, niemals bei einer wilden Hühnerart und wenig- 
stens niemals bei unserem Auer- oder Birkhuhn bemerkt wor- 
den. Diess ist es, weshalb ich es für wichtig halte die Auf- 
merksamkeit der Jäger und Zoologen hierauf zu lenken. Auf 
meinen Reisen in Norwegen hat man an verschiedenen Orten 
davon gesprochen, dass dann und wann eine ungewöhnlich kleine 
Auerhahnsorte sich zeige; auch hat man einer ungewöhnlich 
kleinen Birkhahnsorte erwähnt, welche man deshalb Halbbirk- 
hahn nennt; diese Vögel sind ohne Zweifel nichts Anderes ge- 
wesen, als solche Auerhennen und Birkhennen, welche die 
Tracht ihrer Hähne angenommen. — In einigen Gegenden von 
unserem Norden habe ich die Sage im Gange gefunden, dass 
zweierlei Arten von Rackelhähnen gefunden würden, von wel- 
chen die eine am meisten dem Birkhahn gliche, und ihn 
zum Vater und die Auerhenne zur Mutter hätte; die andere 
gliche am meisten dem Auerhahn und man sagte sie sei von 
ihm und der Birkhenne erzeust. Dass die erstere mein T'etrao 
(hybridus) Urogalloides ist, findet man leicht, und wenn ich 
mich nicht irre, entdecken wir die letztern in der in Frage 
seienden sterilen Auerhenne. 

Die Krankheit im Eierstock, welche der Grund zu dem hier 
beschriebenen Phänomen ist, scheint bei unserem Waldvogel 


27 


400 Gelthenne vom Auerkahn. _ 


in gewissen Jahren allgemeiner zu sein und dagegen in anderen 
Jahren sich gar nicht zu zeigen. Während des Sommers von 
1829 ist sie in gewissen Gegenden nicht selten gewesen; aber 
alle die norrländischen Vogelhändler, welche die erwähnten 
_ Exemplare verkauften, versicherten jeder für sich, dass sie 
früher niemals solche Vögel gesehen*). 


Nachdem das Phänomen nun erkannt worden, bleiben noch 
dessen Ursache und Folgen zu erforschen. Liegt die Ursache 
zu dieser Krankheit, wie es scheint, in der eignen Beschaffen- 
heit des Jahres? und ist diess der Fall: ist es die Eigen- 
thümlichkeit des vorhergehenden Winters und dessen Einfluss 
auf die Aeltern, oder ist es die Constitution des Som- 
mers und dessen Einfluss auf die Küchlein, welcher diese 
Kränklichkeit im Eierstock verursacht? Nach welcher Beschaf- 
fenheit der Winter oder nach welcher Beschaffenheit der Som- 
mer zeigen sich besonders diese Phänomene? Sind sie jemals 
in dem Grade zahlreich, dass der Waldvogel während des fol- 
genden Jahres merkbar vermindert erscheint? zeigen sich 
nicht auch Gelthähne und wie sehen diese aus? gleichen sie 
nicht mehr den Hennen, als den Hähnen? — — Siehe da eine 
Menge Fragen, welche noch nicht beantwortet werden können, 
welche abermicht ohne Interesse sind und auf welche wir des- 
halb wünschen gebildete Jäger aufmerksam zu machen. 


Beschreibung: An Grösse gleicht dieser Vogel einer 
gewöhnlichen Auerhenne: seine Länge beträgt 2 Fuss 25 Zoll; 
die Flügelbreite 3 Fuss; die Flügel vom Gelenk bis zur Spitze 
1 Fuss 2 Lin. Der abgerundete Schwanz beinahe 8 Zoll. Es 
ist hloss individuell bei dem hier abgebildeten Exemplar, dass 
der Schwanz wenig abgerundet ist. Bei den anderen, beson- 
ders bei den älteren, ist er viel mehr abgerundet. Der Tarsus 
2 Zoll 2 Linien, die Mittelzehe mit der Kralle 2 Zoll 3 Linien. 
Der Schnabel gleicht in der Form ganz dem des Auerhahns 
und ist, wie er, weiss von Farbe. | 


Hals, Hinterrücken, Oberkörper und die kürzeren Schwanz- 
deckfedern, so wie die Seiten der Brust aschgrau und schwarz 
gewässert; der Kopf vorwärts dunkler, so dass die Stirne, die 
Wangen und besonders das Unterkinn und die Kehle rein 


” 


*) Seitdem hat das Reichsmuseum in Stockholm mehrere Exemplare dieser 
Gelthühner erhalten, auch einige an andere Museen abgegeben und 
auch das hies. zool. "Museum verdankt demselben ein solches. 

Anm. d. Ueb. 


Gelthenne vom Auerhahn. 401 


schwarz sind. Das untere Augenlied weisslich und vorne über 
dem Auge einige weisse Flecken. Auf dem Kropfe ein grosser 
schwarzgrüner Fleck mit schönem Metallglanz, welcher nach 
ungleichem Lichte in Blau und Violett schillert. Dieser Brust- 
schild erstreckt sich an den Seiten bis nahe zur Armhöhle, auf 
welcher sich ein reiner weisser Fleck findet. Flügel und Schul- 
tern rothbraun und schwarz gewässert und ihre meisten länge- 
ren Federn an der Spitze weiss gerandet. Die Schwungfedern 
dunkelbraun auf der äusseren Fahne rothbraun gesprenkelt und 
‚die der zweiten Ordnung weissgerandet. Der Schwanz schwarz, 
am Ende weissgerandet und auf der inneren Hälfte entfernt grau 
gesprenkelt; dessen lange Deckfedern schwarz mit grau oder 
‘ braun gesprenkelt am Ende weiss gerandet. Die Brust unter 
dem Brustschild schwarz mit breiten weissen Federrändern und 
weissen Strichen längs den Spulen; Unterleib und Weichen 
mehr weiss mit schwarzen Flecken; untere Schwanzdeckfedern 
schwarz mit breiten weissen Rändern. Die Keulen weiss. Die 
Beine bis zu den Zehen mit dunkel graubraunen Dunenfedern 
mit schmutzig weisslichen Rändern. 

Aus dieser Beschreibung ersieht man, dass diese Varietät 
dem Auerhahn gleicht, ausser darin, dass das Vordertheil des 
Kopfes weniger schwarz ist, die unteren Körpertheile mehr 
Weiss haben, die Beine lichter sind und der Schwanz kürzer 
ist. In allen diesen Puncten gleicht das zuletzt (im März) er- 
haltene Exemplar, welches also am meisten entwickelt ist, noch 
mehr dem Auerhahn. Alle weisse Flecken um die Augen sind 
beinahe verschwunden; die unteren Körpertheile sind weniger 
weiss und die schwarzen Flecken haben zugenommen: die Be- 
kleidung der Beine ist graubraun, gleich der des Auerhahns, 
und der Schwanz ist viel länger, als bei den früheren, stärker 
gerundet und nur seine mittelsten Federn sind weiss gerandet. 

Dagegen sind die jüngeren Exemplare von Gelthühnern dem 
Auerhahn noch ungleicher: der Schnabel ist nach Form und. 
Farbe wie bei der gewöhnlichen Auerhenne, nämlich konvex 
ohne Rückenkante, mässig gekrümmt und von schwarzer Horn- 
farbe: der Kopf ist mehr gesprenkelt, als bei dem vorherge- 
henden: die Kehle ist nicht rein schwarz, sondern mehr oder 
minder rostgelb gesprenkelt; der Brustschild weniger gross und 
"weniger schön, seine Federn innerhalb des schwarzgrünen Ran- 
des brauuroth oder mit dieser Farbe gesprenkeit; auf den Schul- 
tern eine und die andere schwarze, gelbgesprenkelte Feder und 
die langen Schulterfedern mit grösseren weissen Flecken. Der 
Schwanz mit Rothbraun gesprenkelt, und die grösseren oberen 


27* 


402 Gelthenne vom Auerhahn. 


Deckfedern rothbraun mit weisser Spitze und undeutlichen gel- 
ben und schwärzlichen Querstrichen. Die unteren Körpertheile 
haben mehr Weiss und die Seiten sind rostbraun gesprenkelt. 


Ein Umstand auf welchen ich besonders die Aufmerksam- 
keit des Physiologen zu lenken wünsche, ist die ungleiche Form 
welche sich in gewissen Theilen bei der gewöhnlichen Auer- 
henne und den älteren Gelthühnern findet. Bei dem ausgewach- 
senen Auerhahn ist der Schnabel sehr stark, von dem Nasen- 
loche bis zur Spitze 1 Zoll 3 Linien lang, 1 Zoll 3 Linie hoch und I 
Zoll breit; oben und an den Seiten sehr convex mit deutlichem 
Schnabelrücken, perpendikulär niedergebogener Spitze und wei- 
sser Farbe. Bei der gewöhnlichen Auerhenne ist der Schnabel 
viel kleiner und schwächer, vom Nasenloch bis zur Spitze 63 
Linien lang, über letzterem 5 Linien hoch und 4} Linien breit, 
oben rund, ohne Schnabelrücken, an den Seiten weit weniger 
angeschwollen, an der Spitze weit weniger gekrümmt und von 
hornbrauner Farbe. Bei den älteren Gelthennen ist der Schna- 
bel nicht bloss weiss, wie bei dem Hahn, sondern er hat ganz 
dieselbe Form mit angeschwollenen Seiten, deutlichem Schnabel- 
rücken (Leiste) und perpendikulärer Spitze, und obgleich er 
nicht so gross ist, als beim Auerhahn, ist er doch in allen Di- 
mensionen grösser, als bei der gewöhnlichen Auerhenne, näm- 
lich 7} Linien lang (vom Nasenloche), 6 Linien hoch und 5; Linien 
breit. Der Schwanz ist viel länger und gewöhnlich mehr zu- 
serundet bei der Gelthenne, als bei der gewöhnlichen Auerhenne. 
Bei dem Auerhahn ist der Schwanz 13 Zoll, bei der gewöhnli- 
chen Auerhenne 7} Zoll und bei der ältesten Gelthenne nahe 
an 10 Zoll lang. Auch die Krallen und Tarsen sind bei der 


letzteren etwas länger, als bei der ersteren. 


Aus allem diesem glaube ich mich berechtigt den Schluss- 
satz ziehen zu können, dass wenn die Generationsorgane bei 
einem Individuum zerstört worden, sei es durch Krankheit, ‘Ope- 
ration oder Alter, so wird nicht bloss die Farbe bei diesem 
Individuun verändert, sondern auch die Form, besonders in 
den Theilen, welche zur Hautbekleidung oder zu dem Hormbil- 
dungssystem gehören. 


Hr. Yarrell hat, als Resultat seiner Beobachtungen an 
Fasanenhennen, den allgemeinen Satz aufgestellt: bei allen 
Thieren, welche äussere sexuelle Charaktere dar- 
bieten, verschwinden diese Charaktere und beide 
Geschlechter werden gleich, wenn die Wirksamkeit 
der Generations- Organe aufhört, habe diess ent- 


Gelthenne vom Pfau- und Birkhuhn. 403 


weder seine Ursache im Alter, in Krankheit oder 
künstlichen Operationen. 

Dieser Satz scheint jedoch eine Modification zu erleiden 
und auf die Art ausgedrückt werden zu müssen, dass wenn 
die Wirksamkeit in den Fortpflanzungsorganen bei 
einem der beiden Geschlechter verschwindet, so 
nimmt dieses ein Aussehen an, welches am meisten 
dem anderen Geschlecht gleicht. 

Mannichfaltige Beweise können ‚hiezu angeführt werden: 
Eunuchen, welche das Unglück gehabt haben, als Kinder der 
grausamsten Gewalt geopfert zu werden, erhalten während der 
Entwicklung ein weibliches Ansehen, bartloses Kinn, und zarte, 
weibliche Stimme. Weiber dagegen, welche entweder einen 
angebornen oder erworbenen Fehler in den Ovarien haben, oder 
auch solche, welche Jungfrauen verbleiben bis ins Alter, erhal- 
ten mehrentheils Bart, Schnurrbart und eine tiefe Stimme. 
‘Junge Hirsche, welche kastrirt werden ehe sie Geweihe auf- 
setzen, bekommen sie niemals; aber Gelthindinnen erhalten da- 
gegen das Geweih des Hirsches u. s. w. 

Deshalb sollte ıch glauben, dass wenn man einen jungen 
Auerhahn kastrirte ( welches wahrscheinlich eben so leicht sein 
würde, als einen gewöhnlichen Hahn zu kapaunen) er nicht die- 
selbe Tracht annehmen würde, wie die hier beschriebenen 
Gelthennen, sondern eine andere, welche sich mehr der der 
gewöhnlichen Auerhenne näherte. 

Anm. Als Zulage zu dem vorstehenden Artikel dürfte ich 
erwähnen müssen, dass auch Pfauenhennen bisweilen derselben 
Art Veränderung unterliegen, und eine Tracht annehmen, wel- 
che zunächst der des Pfauhahns gleicht. Ich habe eine solche 
Gelthenne gesehen, welche die Farbe des Hahnes angenommen 
hatte. Sie wurde 1822 auf einem von des Herrn Baron von 
Gyllenstjerna Gütern in Schonen geboren. Während der 
ersten Jahre war sie einer anderen Pfauenhenne vollkommen 
gleich, welche in derselben Brut geboren war; aber allmählig 
fing die Veränderung an: 1825 zeichnete sie sich von ihrer 
Schwester durch eine blauere Farbe auf dem Halse aus, und 
1826 zeigten sich Augen auf den Schwanzdeckfedern. Gegen 
den Frühling 1827 entwickelten sich jedoch diese Farben noch 
mehr und hernach behielt sie immerfort ihre neue zierliche 
Tracht, worin sie beinahe einem Pfauhahn vollkommen glich, 
ausser darin, dass sie kleiner war. 

Das ausgestopfte Exemplar, welches nun im Museum in 
Stockholm aufbewahrt wird, zeigt folgende Farben: der Kopf 


404 0 8terile Ente. 


und der Hals sind grün, metallglänzend und in Indigoblau gpie- 
lend; die Krone ist bläulich mit rothbraunem Querstrich und 
breitem metallgrün glänzendem Rande. Der Rücken meist braun 
gewässert, hat jedoch einige metallgrüne, glänzende Federn mit 
dunklem Rande. Brust und Seiten schwärzlich mit grünem Glanze 
und grauen Federrändern. Die Schwanzfedern wie bei (dem 
Hahne, aber etwas gesprenkelt: die untersten und längsten 
Schwanzdeckfedern gesprenkelt; die oberen prächtig geschildert 
mit denselben Farben wie bei dem Pfauhahn, obgleich die Au- 
genflecke kleiner sind, der Schnabel hat dieselbe Farbe wie 
beim Hahn, und die Beine tragen Spornen. 

Dieser Vogel war also während der drei ersten Lebensjahre 
Henne und wurde darauf im Aussehen: Hahn. Während keiner 
dieser Perioden sah man sie jemals zur Paarung sich anbieten. 
Der Hahn hieb sie so oft sie in seine Nachbarschaft kam, wes- 
halb sie ihn auch scheuete und sich einsam zu den anderen 
Hennen hielt. Endlich wurde sie 1829 von dem Hahne todt- 
gehackt. — | 

Für diese in wissenschaftlicher Hinsicht interessanten An- 
gaben bin ich Hrn. Baron Gyllenstjerna dankbar verpflichtet. 

[Bei der Versammlung der skand. Naturforscher in Gothen- 
burg bewies Prof. Nilsson durch Vorlegung von Abbildungen 
zweier Exemplare, dass auch die sterile Birkhenne die Tracht 
des Birkhahnes annimmt. Von den Originalen zu diesen Ab- 
bildungen war das eine in Smäland, das andere in Finnland er- 
legt worden. Auch zeigte eben daselbst derselbe eine illumi- 
nirte Abbildung einer zahmen Ente vor; welche die 
Farbe und das Ansehen des wilden Enterichs ange- 
nommen hatte, wovon man bis jetzt nur ein Beispiel kannte. 
Die erwähnte Ente pflanzte sich während der sechs ersten Le- 
bensjahre fort; im 7ten wurde sie unfruchtbar und fing an die 
Tracht des Männchens anzulegen, welche 1839, im 10ten Jahre, 
ganz ausgebildet war. Dabei zeigte sie noch eine Erscheinung, 
welche man früher bei keinem sterilen Vogel bemerkt hat, dass 
sienemlich jeden Sommer die Sommertracht, und jeden 
Winter die Wintertracht des wilden Enterichs anlegte. 
S. Förhandlingar vid det af skandinaviska Naturforskare och 
Läkare hällna möte in Götheborg ir 1839. Götheb. 1840. 8. 
p- 133.] 


Bastard- Waldhühner. 405 


Dastauil - Waldhühneır. 


1. Bastard des Auer- und Birkhuhns, der Rackelhahn, Te- 
trao (hybridus) Urogalloides Nilss.*). 
Tetrao hybridus L. Sparrm. — Nilss. Orn. Suec. — T. iuter- 
medius Langsdorff. — T. medius Meyer. — T.hybridus ex uro- 
gallo et tetrice Glog. 


In Skandinavien hielt man sich seit Linne davon überzeugt, 
dass dieser Vogel ein Bastard des Auer- und Birkhuhns sei 
und wenn es auch begreiflich ist, dass Langsdorff und 
Meyer ihn für eine eigne Art ansahen, so ist es um so auflal- 
lender, dass einige Ornithologen, wie Temminck und Brehm 
dieser Ansicht noch beipflichteten, nachdem bereits Nilsson 
die für die Ansicht der skandinavischen Naturforscher spre- 
chenden Gründe in seiner Ornith. Suec. und noch ausführlicher 
in der ersten Auflage seiner Skand. Fauna angegeben hatte. 
Neuerlichst scheint man sich jedoch von der Richtigkeit der 
letzteren Ansicht auch in Deutschland immer mehr zu überzeu- 
gen und auch Gloger ist ihr beigetreten. In Skandinavien, 
wo dieser Vogel alljährlich erlegt wird, hält man sie ausser 
allem Zweifel und zwar, wie Nilsson anführt, weil: 1) dieser 
Vogel nur in Gegenden gefunden wird, wo Auer- und Birk- 
hühner vorkommen und selten anderwärts, als wo die Auer- 
hähne während der Balzzeit zu einem gewissen Grade oder 
gänzlich ausgeschossen worden; 2) er keinen eigenen Balzplatz 
hat, man ihn nie in Familie oder mit eigenen Hühnern umge- 
ben, sondern allein, entweder einsam oder auf fremden Balz- 


v 


*) Die Beschreibung dieses Vogels nach seinem verschiedenen Alter 
und Geschlecht findet sich bei Gloger a. a. O. ausreichend; ich 
glaubte deshalb sie hier übergehen zu können und nur dasjenige auf- 
nehmen zu müssen, was auf Lebensart, Geschlechtsbildung und 
Fortpflanzung Bezug hat. Bemerken muss ich jedoch, dass Glo- 
ger irrthümlich den Glanz vom Kopf, Hals und Brust violett 
oder purpur angiebt, er ist vielmehr purpur ınit bronz, wie 
Nilsson ihn richtig beschreibt und ich mich bei einem lebenden, 
von Herrn Nilsson in Gefangenschaft schaltenen und einem 
Exemplare auf dem hies, zool. Museum überzeugt habe. Die nach- 
folgenden Mittheilungen gründen sich auf die Angaben in Nils- 
sons Skund. Faun. Vögel. B. 2. p. 72—83; Dess. Il. Fig. till 
Skand. Faun. Planch. 4. Text und von verschiedenen Berichter- 
stattern in der Tidskrift för Jägare och Naturforskare utgifven 
af Jägare-Förbundet i Stockholm. Är 1832 Nr. 2., 1833 Nr. 2. 


Us 3., 6., 9u 10., 11. U. 42;; 1834 Nr. 1. 
Anm. d. Red. 


406 Bastard - Waldhühner. 


plätzen sieht; 3) man sichere Beweise hat, dass Auerhennen 
sich auf Balzplätzen der Birkhühner einfinden und sich von 
dem Birkhahn treten lassen und sogar ein solehes ungleiches 
Paar während der Begattung auf einen Schuss erlegt worden 
ist; endlich 4) auch ein Bastard vom Birk- und Schneehuhn 
gefunden wird. 

Der Rackelhahn findet sich nur in wilden, bergigen mit Hoch- 
wald bewachsenen Gegenden. Am häufigsten hat man ihn in 
späteren Jahren in dem nördlichen Theil von Wermland, in 
einem bergigen und wilden Theil von Linköpings- und Kalmar- 
Lehn, so wie in Röslagen und Södermanland gefunden. In 
Norwegen kömmt er auch in einigen Gegenden vor, und um 
Kungsberg, wo er Kniv-tiur genannt wird, soll er nicht selten 
sein. Höchst selten trifft man einzelne in den nördlichen, wal- 
digen Theilen von Schonen; und man ist sicher, dass, wo einer 
da geschossen wird, immer eine Auerhenne sich in derselben 
Gegend zeigt. An manchen Orten in Schweden und Norwegen, 
wo man noch vor 20 Jahren niemals einen Rackelhahn gesehen 
oder davon sprechen gehört hatte, ist er in späteren Jahren er- 
schienen und er wird offenbar weniger und weniger selten in 
den Wäldern des Nordens, in demselben Verhältniss, wie die 
Raubschützen während der Balzzeit daselbst zunehmen. Zahl- 
reich ist er jedoch nirgends; selten trifft man mehrere beisam- 
men und niemals sieht man ihn von eigenen Hühnern umgeben. 
Auf einer und derselben Stelle trifft man ihn nicht alle Jahr, 
sondern er zeigt sich zerstreut bald hier bald dort. Am häufig- 
sten bemerkt man ihn im Frühjahr, wo er durch ein eigenes, 
besonderes Spiel entdeckt wird, welches in einem röchelnden 
oder einer Art grunzendem Laute besteht: farrfarrfarr- 
ferrfarrfarr und etwas mehr Aehnlichkeit mit dem Spiele des 
Birkhahns, als mit dem des Auerhahns hat. Er schleift nicht 
und thut auch keinen Hauptschlag, wie der Auerhahn, aber er 
bläst am Schluss des Spiels, beinahe wie der Birkhahn; jedoch 
viel stärker. Aber ungeachtet er während des Frühlings eine 
schallende Stimme hat, wie andere Waldhähne, hat er doch 
niemals einen eigenen Balzplatz, sondern findet sich nur auf 
den Balzplätzen der Birk- und Auerhühner. Bisweilen finden 
sich Mehrere auf einem und demselben Balzplatz. Am öftesten 
wirft sich der Rackelhahn auf die Balzplätze der Birkhühner, 
schlägt sich mit den Hähnen, zerstreut und verjagt sie; aber 
man hat niemals bemerkt, dass er sich mit den Hühnern paart. 
Auch auf die Balzplätze der Auerhühner wirft er sich und ver- 
treibt den Auerhahn; denn er verbindet mit der Keckheit des 


Bastard- Waldhühner. 407 


Birkhahns beinahe die Stärke des Auerhahus. Es ist nichts 
auf dem Balzplatz zu machen, sagen die Schützen, wenn ein 
Rackelhahn sich dort eingefunden. Sie suchen deshalb ihn 
zuerst zu Schiessen; aber er ist schwer anzukommen ‚ indem 'er 
wild und unruhig ist, und nie stille sitzt, sondern von Baum 
zu Baum fliegt um die spielenden Hähne zu verjagen. 

Ein vom Prof. Nilsson in Gefangenschaft mehrere Jahre 
beobachteter Rackelhahn war mehr träg als lebhaft. Mehren- 
theils sass er den ganzen Tag in ruhender Stellung auf seiner 
Stange, mit herabhängendem Schwanz, etwas aufgesträubten 
Federn und geschlossenen Augen. Obgleich er 5 Jahre im 
Bauer gewesen, war er gleichwohl wild und scheu. Gegen Per- 
sonen, welche sich dem Bauer näherten, zeigte er sich mehr 
scheu, als zornig und böse; aber gegen kleinere Thiere und 
Vögel, welche sich dem Bauer näherten oder sein Futter fres- 
sen wollten, zeigte er besonders eine böse und mürrische Laune. 
Im Frühling liess er bisweilen seine rülpsende oder grunzende, 
sein Spiel vorstellende Stimme hören. Seine Mauser begann 
im Anfang des Monats Juli und währte lange. Seine Nahrung 
bestand in Preusselbeeren und anderen Waldbeeren, wenn sie 
zu bekommen waren; auch frass er gern zerschnittene Aepfel, 
Weisskohl und anderes Gemüse, so wie Kiefernadeln und Ge- 
treide*). 

Wenn es nun wohl hiernach als völlig ausgemacht ange- 

nommen werden darf, dass der Rackelhahn ein Bastard des 
Auer- und Birkhuhns ist, so bleiben doch noch zwei Fragen 
zu beantworten, nemlich: 1) ist er das Erzeugniss einer Paa- 
rung des Birkhahns mit der Auerhenne, oder des Auerhahnes 
mit der Birkhenne, oder endlich findet die Paarung zwischen 
diesen beiden Arten Waldhühnern auf diese doppelte Weise 
Statt? für alle drei Meinungen fehlt es nicht an Vertheidigern; 
2) sind die Rackelhühner unter sich oder mit den beiden Arten 
ihrer elterlichen Verwandten einer Paarung überhaupt oder we- 
nigstens einer fruchtbaren fähig? auch diese Frage ist noch 
lange nicht genügend genug beantwortet. 

‘Nilsson erklärt den Rackelhahn gerade zu und bestimmt 


*) Im. Jahre 1839 sah ich bei Hrn. Nilsson ein zweites von ihm 
in Gefangenschaft gehaltenes Exemplar (das erste, von welchem 
oben die Rede ist, hatte er bei seiner Rückkehr von Stockholm 
nach Lund dem Reichsmuseum in Stockholm zurückgelassen ) die- 
ses interessanten und prächtigen Vogels, von dem mir aber späler 
nichts weiter bekannt geworden und von dem ich auch nicht weiss, 
ob es noch lebt, Anm..d. Red. 


408 Bastard - Waldhühner. 


für einen Bastard des Birkhahns und der. Auerhenne und für 
diese seine Ansicht spricht allerdings, dass man sichere Be- 
weise von: der Begattung beider hat, indem man nicht nur öf- 
ters Auerhennen auf den: Balzplätzen der Birkhühner gesehen, 
sondern auch mehrmals beobachtet hat, dass sie von.den Birk- 
hähnen getreten wurden und zwei Fälle bekannt sind, wo Birk- 
hahn und Auerhenne in dem Moment der Begattung auf einen 
Schuss erlegt wurden. Dieser Ansicht schliessen sich die mei- 
sten nordischen Naturforscher und Jäger an, und alle diejenigen, 
welche diese Ansicht theilen, nehmen an, dass die Ursache 
der unnatürlichen Paarung, von welcher der Rackelhahn das 
Erzeugniss sei, in dem, durch das Wegschiessen der Auer- 
hähne durch Raubschützen während der Paarungszeit entstan- 
denen Mangel an Auerhähnen bestehe, indem in Folge hiervon 
die Hennen, von unbefriedigtem Geschlechtstrieb angetrieben, 
die Paarungsplätze der Birkhühner aufsuchten und von diesen, 
wie die erwähnten Fälle beweisen, getreten würden. Sie be- 
haupten ferner, dass der Rackelhahn in neuerer Zeit viel häu- 
figer vorkomme, als früher und glauben die Ursache davon in 
der Ueberhandnahme der Raubschützen und der vermehrten 
Nachstellung des Auerhahns von Seiten derselben zu finden, 
indem dieser viel leichter zu schiessen sei, als der Birkhahn. 
Es fehlt jedoch im Gegentheil auch nicht an Solchen, wel- 
che allen diesen Behauptungeu widersprechen und im Gegen- 
theil behaupten, der Rackelhahn habe den Auerhahn zum 
Vater und die Birkhenne zur Mutter und diese nehmen als Ur- 
sache dieser Paarung gerade das entgegengesetzte Verhalten, 
nemlich den unbefriedigten Geschlechtstrieb der Auerhähne an, 
indem sie als eine ausgemachte Thatsache anführen, dass, so 
lange ein alter Auerhahn sich in einer Gegend finde, die jün- 
geren Hähne sich nur in einer bedeutenden Entfernung, wo sie 
dem alten keinen Abbruch thun, den Hühnern nähern dürfen. 
Der gereizte, aber unbefriedigte Geschlechtstrieb dieser jünge- 
ren Hähne erzeuge die meisten Rackelhühner, denn sie suchten 
hernach die leicht zugänglichen Birkhennen in ihrer Nähe auf 
um sich durch diese zu entschädigen. Zwar hat noch Niemand 
die Paarung des Auerhahns mit der Birkhenne wirklich beob- 
achtet, wie es mit der Paarung des Birkhahns mit der Auer- 
henne der Fall gewesen ist, allein diejenigen, welche den Auer- 
hahn für den Vater des Rackelhahns halten, gründen diese 
ihre Behauptung darauf, dass man zu wiederholten Malen Rak- 
kelhühner unter einer Brut Birkhühner gefunden und erlegt habe, 
welches allerdings nicht bestritten werden kann, so wie ferner 


Bastard- Waldhühner. 409 


auf die grosse Aehnlichkeit des Rackelhahns mit dem Auer- 
hahn; auch finde sich der Rackelhahn in Gegenden, wo es 
durchaus nieht an Auerhähnen fehle, sondern vielmehr ein Ue- 
berfluss davon vorhanden sei. Sie bestreiten ebenso, die von 
der anderen Seite behauptete, Zunahme des Rackelhahns in 
neuerer Zeit und suchen die Erklärung zu seinem unbestreitba- 
ren häufigeren Bemerktwerden in dieser in der vermehrten orni- 
thologischen Bildung der Jäger und der in Folge davon grösse- 
ren Aufmerksamkeit. Sie geben endlich auch die Paarung des 
Birkhahns mit der Auerhenne und die Abstammung mancher 
Rackelhühner von dieser Paarung zu, halten diese aber für den 
seltneren Fall und behaupten dem zufolge’das Vorkommen zweier 
Sorten von Rackelhähnen. Die eine, welche den Auerhahn 
zum Vater, die Birkhenne zur Mutter habe, sei beinahe so gross 
wie ein junger Auerhahn, 61% bis 7 Pfund schwer, und gleiche 
dem Auerhahn bis auf den Mangel der grünen Brust, des zu- 
gerundeten Schwanzes und gelblichweissen Schnabels; diese 
halte sich in grösseren Wäldern auf, knappe gleich dem Auer- 
hahn und balze, jedoch nicht mit so hartem und schallendem 
Schlage, aber statt des Schleifens röchle sie dem Grunzen eines 
Schweines nicht unähnlich, und ihr könne man sich während 
des Spiels nähern, wie dem Auerhahn , ja sogar noch leich- 
ter, denn sie röchle länger. Diess ist, wie man leicht ein- 
sehen wird, der gewöhnliche Rackelhahn. Die andere Sorte 
sei viel seltener, halte in Hinsicht der Grösse die Mitte zwi- 
schen dem Auerhuhn und Birkhahn, sei dem Auerhahn mehr 
unähnlich, am Halse dem Birkhahn mehr ähnlich und habe des- 
sen Schwanz, halte sich im Frühjahr auf Mooren auf, wo sie 
sehr oft die Balzen der Birkhühner, durch ihr neidisches, un- 
nützes Jagen nach den nützlichen Birkhähnen störe. 

So viel Wahrscheinlichkeit nun auch die zuletzt angegebene, 
doppelte Paarungsart zwischen den Auer- und Birkhühnern und 
die dafür angegebenen Gründe für sich haben, indem kein ver- 
nünftiger Grund vorhanden ist, welcher derselben widerspräche, 
vielmehr der bekannte, feurige und heftige Geschlechtstrieb des 
Auerhahns nicht ohne Grund voraussetzen lässt, dass derselbe, 
im. Falle der Unmöglichkeit innerhalb der Grenzen der eignen 
Art befriedigt zu werden, Befriedigung bei den Nächstverwand- 
ten suche, so bleibt es doch immer auffallend, dass bisher noch 
von keinem wirklichen Naturforscher eine Verschiedenheit zwi- 
schen den Rackelhühnern beobachtet worden ist, im Gegentheil 
findet Nilsson in seinen letzten Werken es bemerkenswerth, 
dass alle Individuen vom Rackelhahn einander vollkommen gleich 


410 Bastard- Waldhühner. 


seien und nur nach dem Alter Verschiedenheiten zeigten, und 
fügt hinzu: ‚‚unter den Jägern im Norden geht die Sage, dass 
„sich ‘dort zwei Sorten Rackelhähne fänden, von welchen 
„die eine Sorte mehr dem Birkhahn, die andere dem Auerhahn 
„gleiche. Die erstere sagt man, werde erzeugt durch die Paa- 
„tung des Birkhahns mit der Auerhenne, die letztere glaubt man 
„entstehe durch die Paarung des Auerhahns mit der Birkhenne. 
„Die erstere Sorte betreffend, so ist es der hier abgebildete 
„und beschriebene Vogel; die letztere Art ist nach aller Wahr- 
„scheinlichkeit die sterile Auerhenne.‘““ Auch noch in der, im 
Jahre 1835 erschienenen 2ten Ausgabe seiner Skand. Faun. er- 
klärt Nilsson den Rackelhahn bestimmt für einen Bastard des 
Birkhahns und der Auerhenne und da mir seitdem nichts Nähe- 
res über diesen Gegenstand bekannt geworden, wage ich nicht 
darüber zu entscheiden. Gloger hat a. a. ©. das che 
zweier Sorten Rackelhähne angenommen. 

Die zweite Frage betreffend, nemlich: ob der Rackel- 
hahn sich mit Rackelhennen, oder Auer- oder Birkhennen fort- 
pflanzen kann, und ob die Rackelhenne steril sei, oder mit 
Rackel-, Auer- oder Birkhähnen gepaart fruchtbare Nachkom- 
men zu erzeugen vermöge? so sind der zur Lösung derselben 
nöthigen Beobachtungen, aus leicht begreiflichen Gründen, noch 
sehr wenige vorhanden. Zwar hält man im Norden allgemein 
den Rackelhahn für unfruchtbar , weil man ihn, wenn er auf die 
Balzplätze kömmt, sich nie hat paaren, sondern nur die Hähne 
vertreiben gesehen, er selbst aber keine eigenen Balzplätze hat; 
an directen Beweisen seiner absoluten Sterilität fehlt es jedoch 
gänzlich. Bei den Hühnern würde es mit Hülfe der Anatomie 
leicht sein, sich hierüber im Voraus Gewissheit zu verschaffen, 
wenn es Kundigen gelänge eine während der gewöhnlichen Balz- 
zeit im Frühling geschossene Henne zu erhalten. Diess ist 
jedoch, so viel mir bekannt bis jetzt noch nicht geglückt, ob- 
gleich der verstorbene Prof. Fries, als damaliger Vorsteher 
des Reichsmuseums in Stockholm, bereits im Jahre 1832 eine 
Aufforderung zur Einsendung in dieser Jahreszeit geschossener 
Rackelhennen ergehen liess. Die einzige mir bekannt gewor- 
dene directe Untersuchung in Bezug hierauf ist die von den 
Professoren Fries und Retzius vorgenommene Untersuchung 
der Geschlechtstheile zweier im Winter geschossener Rackel- 
hennen, worüber ersterer in dem erwähnten Jahre folgendes 
berichtet: ,;Die Untersuchung der Geschlechtstheile der zwei 
„erwähnten Rackelhennen, welche Prof. Retzius und ich an- 
„gestellt, hat folgendes Resultat geliefert: der Eierstock, wel- 


Bastard- Waldhühner. all 


„cher kaum wahrgenommen werden konnte, zeigte sich als ein 
 „gelblicher Fleck von dem Durchmesser einiger wenigen Linien 
„nachdem er in frischem Wasser ausgespühlt worden, konnte 
„man erst kleine, zusammengedrückte, warzenähnliche Figuren 
„entdecken, welche höchst unvollkommene Andeutungen von 
„Eiern waren. Verglichen mit dem Eierstock einer Gelthenne 
„des Auerhahns, einem solchen, der sich an dem vom Prof. 
„Nilsson an das Museum abgegebenen Präparate findet, zeigte 
„sich der der Rackelhennen weit weniger entwickelt. Der Eier- 
„leiter war nicht grösser, als der linke Uringang und sehr dünn- 
„häutig; seine Franse und trichterförmiges Ende waren auch 
„unvollkommen gebildet.“ 

'„Physiologisch merkwürdig scheint der Umstand, dass die 
„sterile Auerhenne die Farbe des Hahns annimmt, die sterile (2) 
„hackelhenne aber die ursprüngliche bunte Farbe beibehält, 
welche zuverlässige Hennen der Gattung Tetrao characterisirt.“ 

Es ist gewiss höchst wünschenswerth, dass die skandina- 
vischen Ornithologen und Jagdfreunde es ferner nicht mögen 
an Bemühungen fehlen lassen, die in Bezug auf diesen interes- 
santen Vogel noch obwaltenden Zweifel zu beseitigen, welches, 
wie schon Nilsson ausgesprochen, am sichersten dadurch ge- 
schehen könnte, wenn man an hiezu geeigneten, eingezäunten 
Orten die Paarung des Auerhahns mit der Birkhenne, des Birk- 
hahns mit der Auerhenne, des Rackelhahns mit der Auer-, 
Birk- und Rackelhenne und der letzteren mit dem Auer- und 
Birkhahne versuchte. 


2. Bastard des Birkhahns mit der Weiden- Schneehenne, 
Tetrao (hybridus) lagopoides Nilss.*). 


Diesen sonderbaren Vogel könnte man, ohne nähere Unter- 
suchung, wenn man ihn ausgestopft sieht, für eine Zusammen- 
setzung vom Birkhahn und Schneehuhn halten, aber auch bei 
näherer Untersuchung ist er ein wunderbares Mittelding zwi- 
schen beiden, so, dass man ihn mit gleichem Rechte zu welcher 
von diesen beiden Gattungen man will würde rechnen können; 
denn er vereinigt auf eine merkwürdige Art die Charaktere Bei- 
der. Gleich wie bei dem Birkhahne, ist der nackte Fleck über 
dem Auge mit Warzen belegt; aber, gleichwie bei den Schnee- 


*) Die ausführliche Beschreibung dieses Vogels nach verschiedenem 
Alter, Geschlecht und verschiedener Jahreszeit. S. d. Arch. H. 1. 
P» 160 — 162. 


412 Bastard- Waldhühner. 


hühnern ist er nach oben mit einem gezähnten Kamme versehen. 
Wie bei den letzteren sind seine Zehen mit Federn bekleidet, 
aber ihre äussere Hälfte ist wie bei den Birkhühnern, oben mit 
hornartigen Ringen, und auf den Seiten mit grossen Schuppen 
belegt, unter welchen eine Reihe von hornartigen Zähnen liegt. 
Gleichwie der Birkhahn hat er 18 Schwanzfedern, einen ge- 
spaltenen Schwanz und die äusseren Seitenfedern dieses sind 
ein wenig nach aussen gebogen; aber der Schwanz ist weniger 
gespalten, als bei dem Birkhahne und die mittelsten Federn 
sind an der Spitze weiss gerandet, wie bei dem Schneehuhne. 
Auch in der Grösse steht er zwischen dem Birkhuhne und dem 
Weiden - Schneehuhne in der Mitte. 

Dieser Bastard findet sich nur selten und nur in solchen 
Gegenden wo Birkhühner und Weiden -Schneehühner sich auf- 
halten. Die obere Grenze des Birkhuhns liegt nemlich weit 
über der unteren Grenze des Weiden-Schneehuhns, diese gehen 
oft aus der Weiden- und Birken-Region in die der Kiefer und 
Tannen herab. Nur in dieser Gegend, welche für beide Arten 
gemeinsam ist, kömmt dieser Bastard vor. Nach dem Zeugnisse 
vieler gebildeten Jäger, sowohl in Norwegen, als Finnland, fin- 
den sich die Schneehennen nicht selten auf den Balzplätzen 
der Birkhühner ein, und es ist höchst wahrscheinlich, dass, 
wie man vermuthet, dieser Bastard ein Erzeugniss eines solchen 
Besuchs ist. 


3. Bastard des Birkhahns mit der Haushenne. 


Glaubwürdige Personen versichern, dass bereits vor 50 
Jahren, bei einem Pastor Vigelius in Wermland, ein zahmer 
Birkhahn sich mit einer Haushenne gepaart habe; die Jungen 
glichen mehr denen des Birkhuhns,, als des Haushuhns, wurden 
vollwüchsig und waren von beiden Geschlechtern, pflanzten sich 
aber nicht weiter fort. [Die Richtigkeit dieser Angabe wird 
dadurch zur höchsten Wahrscheinlichkeit erhoben, dass in der 
mir so eben zukommenden Nr. 4. des zweiten Jahrganges der 
Öfversigt af K. Vetensk. Akad. Handl. unter den S. 113 aufge 
führten, für das Reichsmuseum eingegangenen Geschenken ein, 
von dem Hrn. Brukspatron Hartman eingesendeter Bastard von 
dem Birkhahn und der Haushenne angeführt wird, wodurch zu- 
gleich die Möglichkeit einer solchen Paarung und Bastarderzeu- 
gung auf das Bestimmteste nachgewiesen erscheint.] 


xvE. 


Nachrichten von reisenden Naturforschern. 


Herr Freiherr Berzelius theilte in der Sitzung der Akade- 
mie am 12. März d. J.*) den folgenden Auszug aus einem Schrei- 
ben des Hrn. Generalconsuls Tottie in London mit: 

‚Mein lieber Freund, der Herr Pastor Schreuder, er- 
wähnt in einem Briefe, dat. Umlasi bei Port Natal d. 16. Nov.: 
Wahlberg wird jetzt bald von seiner weiten Reiseunterneh- 
mung tief in’s Land hinein hier in der Stadt Port Natal zurück 
erwartet. Er wird sich sehr glücklich gefühlt haben, naturge- 
schichtliche Merkwürdigkeiten einsammeln zu können, und bringt 
gewiss drei grosse Wagen voll mit.‘ 

Zwei "Tage danach ging auch der folgende Brief, dat. Kap- 
stadt den 5. Januar 1845, vom Herrn Wahlberg selbst, ein. 

„Durch mancherlei nicht in Berechnung gezogene widrige 
Ereignisse aufgehalten kam ich erst nach einer Abwesenheit von 
17 Monathen von meiner Reise in das innere Land nach Port 
Natal zurück. Von dort langte ich gestern in hiesiger Stadt an 
und machte damit den Anfang zu dem so lange verschobenen 
Heimzuge, so dass ich, wenn Alles gut geht, mit den Zugvö- 
geln im Lande der Sage einzutreflen hoffe, wenn die Frühlings- 
sonne dort die Anemonen hervorzulecken beginnt. — Im Anfange 
des Junius 1843 begab ich mich von Port Natal nach Pietermo- 
ritzburg. Hier traf mich auser einer Menge anderer Widerwär- 
tiskeiten auch die, dass Willem, welcher mich begleiten sollte, 
erkrankt war und ich dadurch und durch Klauenseuche bei mei- 
nen Ochsen bis zum 5. Julius aufgehalten wurde, an welchem 
Tage ich mit zwei Wagen aufbrach, deren jeder von zwölf 


”) Öfversigt af K. V. A. Förhandl. Ärg. 2. Nr. 3. S. 56. 


414 Nachrichten von reisenden Naturforschern. 


Ochsen gezogen wurde, und dieselbe Richtung, wie bei meinem 
frühern Zuge in das Innere des Landes, verfolgte. Bei den 
Drakensbergen angekommen stiess ich auf das Commando der 
Booren, welches kam, um, wie sie sagten, die Engländer aus 
ihrem Lande zu verjagen, und würde hier gewiss zum Umkeh- 
ren mit ihnen genöthigt worden seyn, wenn ich nicht einen Pass 
vom Commandanten Gert Rudolph gehabt hätte. Am 23. 
wurde meine eine Doppelbüchse, welche ich auf einen Augenblick 
unter eine Felswand gesetzt hatte, durch einen grossen Stein 
zerschmettert, welchen Koos Joubert, mein zweiter Kutscher, 
ein 1Sjähriger Jüngling, in seiner Unschuld von oben herabge- 
wälzt hatte. Das Gras war trocken und schlecht und die Kälte 
sehr empfindlich; dies konnten meine Ochsen, welche durch die 
Klauenseuche abgezehrt waren, nicht ertragen. Als ich an den 
Moiie-Fluss (Moiie -Rivier) im Anfange des Augusts kam, wa- 
ren sie so mitgenommen, dass ich genöthigt war, still zu lie- 
gen, um ihnen Zeit zu verschaffen, sich zu erholen. Am 17. 
August fiel hier fusshoher Schnee, und am Tage darauf starben 
sechs meiner Ochsen; die übrigen waren zum grössern Theile 
ziemlich ausser Stande, sich von der Stelle zu rühren, und: es 
entstand die Besorgniss bei mir, ‚dass mir hier‘ bereits die 
Gränze für meine Reise gesetzt worden sei. Doch glücklicher- 
weise änderte sich das Wetter, und ich fing am 1. September, 
nach einer Verhinderung von beinahe einem Monathe, die Reise 
wieder langsam fortzusetzen an. Bei der Ankunft am Makkalis- 
berge beim Commandanten Potgieter drohte mir dieser Sou- 
verain, dass er mir mein Pulver nehmen wollte, welches er, 
wie er sagte, nöthig hätte, und wollte mir auch keine Erlaub- 
niss ertheilen, weiter in das Land vorzudr.ngen, verkaufte mir 
aber doch endlich sechs Ochsen und liess mich ziehen, nach- 
dem er in meiner Gegenwart den bei ihm anwesenden Leuten 
des Basuto-Königs Sichela angekündigt hatte, dass dieser 
alle Reisende, welche sein Land durchziehen wollten, gefangen 
nehmen und zu ihm bringen sollte. Ich begab mich nun in 
westlicher Richtung zum Könige Motlophn nahe beim Mori- 
qua-Fluss im Motitle-Gebirge. Au einer Stelle auf diesem 
Wege sank der eine Wagen so tief in den Schlamm, dass wir 
uns genöthigt sahen, seinen ganzen Inhalt auszupacken und ihn 
darauf mit Hülfe aller Ochsen, 24 an der Zahl, rückwärts 
herauszuziehen. In den Motitlebergen hausete die Antilope ni- 
gra ziemlich zahlreich, und dies sehöne Thier war hier der 
vorzüglichste Gegenstand meiner Jagd. Verschiedene Male 
liessen sich Truppe von 15 bis 20 blicken, und wir erlegten 


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3 4 „ Nachrichten von reisenden Naturforschern. 415 


verschiedene Individuen. Verwundet vertheidigte sie sich un- 
ig gegen die angreifenden "Hunde und schlug mit ihren lan- 
gen Hömern mit ungeheurer Stärke hinter Eh oft tief in die 
Erde hinein und sich selbst bisweilen im Hintertheile verwun- 
dend, wobei sie unaufhörlich ein grobes und starkes Urr! Urr! 
hören liess. — Hier traf ich den französischen Naturforscher 
“Delegorgue an; da wir aber getheilter Ansichten waren, 
trennten wir uns nach wenigen Tagen, und ich nahm meinen 
Weg nördlich zum Könige Pillaan am Leroma-Berge. Ich 
traf ihn im Kraale mit seinen Rathsherren an; er würdigte mich 
erst keines Blicks, sondern ging stolz vorüber und setzte sich 
auf einen ausser dem Kraale befindlichen Felsen, umfasste seine 
Kniee mit den Händen und bewegte die Füsse auf und nieder. 
Ich folgte ihm dahin zurück, und nun erwiederte er meinen 
Gruss freundlich, brachte auch Itjoalla (Kaffeegetränk) welches 
er zuerst selbst kostete und sodann mir reichte. Er trug einen 
Kross von Genetiehaut über die Schultern geworfen. Ich er- 
hielt zwei von seinen Leuten zu Wegweisern und setzte darauf 
meinen Wes nach dem Mohopaani fort, wo Pillaan einige 
Jahre hindurch residirt hatte; ven Masilikari aber geplündert 
hatte er sich nach seinem gegenwärtigen Aufenthaltsorte zurück- 
gezogen. In den Mohopaani - Bergen waren Antilope nisra und 
A.eqguina auch ziemlich zahlreich; heide aber kamen sehr schwer 
in Schussweite. Eines Tags war ich hier nahe daran, alle 
meine Ochsen, und zwar a eine ganz eigne Weise, zu verlie- 
ren. Sie weideten nämlich auf einer weiten Ebene, und da die 
Wächter eingeschlafen waren, hatte sich ein Trupp blauer 
Wildbeester [| Blauböcke ; Antilope leucophaea Pall.] und Elen- 
thiere [Antilepe Oreas Pall.] zu ihnen gesellt. Der Schläfer 
erwachte und näherte sich dem Truppe; als aber die wilden 
Thiere ihn erblickten, begaben sie sich auf die Flucht, und die 
Ochsen folgten ihnen in vollem Galeppe, völlig die Natur der 
wilden Geschöpfe annehmend. Glücklicherweise nahmen sie 


ihren Weg nach einem nahen Walde, wo es uns endlich, nach 


Verlauf einiger Stunden, gelang, sie von den wilden zu tren- ; 
nen. Ihre Furcht verschwand darauf auch sogleich, und sie 
liessen sich, wie gewöhnlich, zurücktreiben. Ich brach von 
neuem auf, ging über die An Berge und lagerte mich 
nach einigen Tagen, am 2. December, am Ufer des Limpopo; 
dies ist. Ehe, Fluss, welchen ich auf meinem ersten Zuge 
in das Land schon kennen gelernt hatte, damals aber in der 
Gegend. seiner Quellen, unter dem Namen des Krokodilflusses 
oder Ooli. Bier war er ein gewaltiger Strom, welcher während ' 


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416 Nachrichten von reisenden Naturf ‚sche 


der Regenzeit über seine Ufer bis auf mehre hundert Schritte 
weit austritt, und wurde von ungeheuren Acacien, den grössten, 
welche ich in Südafrika gesehen habe , wie überhaupt von einer 
üppigen Vegetation eingefasst. Mit Lust und Vergnügen brachte 
ich hier die ersten 14 Tage zu, nach deren Verlauf eine Reihe 
von Widerwärtigkeiten folgte. Ich begann, mich auf die Abreise 
nach der Vereinigung des Limpopo mit dem Moriqua durch dies 
sränzenlose blaue Waldebene vorzubereiten, welche ich von 
den Höhen des Mohopaani so manchen Tag mit Entzücken 
überschaut hatte; aber am 15. in der Nacht entwischten meine 
beiden Basutos, und am 20. des Morgens waren meine beiden 
Kaffern, welche mich von Port Natal begleitet und mir als 
Ochsenführer gedient hatten, verschwunden. Ihr Dienst war 
mir so unentbehrlich, dass ich ohne ihn nichts ausrichten 
konnte. Ich schickte mich desshalb nebst Koos Joubert an, 
sie zu Fusse zu verfolgen, und liess Willem mit einem jungen 
Kafferburschen allein bei den Wagen. Wir blieben bis zu einem 
im Gebirge nahe liegenden Basutokraale beisammen, um da- 
selbst Wegweiser zu erhalten, und schlugen von dort verschie- 
dene Richtungen ein, da wir nicht gewiss wussten, nach wel- 
cher Gegend sich die Flüchtigen begeben hatten. Koos war 
schon fort, als mein Wegweiser, vom Häuptlinge des Kraales 
begleitet, Einwendungen zu machen anfıng. Er sagte, er hätte 
Sandalen nöthig, und kehrte um, sie zu holen; er verzögerte 
sich lange, und als ich nach ihm fragte, antwortete der Kaflfer- 
häuptling, dass er nicht wiederkommen würde. Nun war keine 
Zeit zu verlieren. Ich sagte dem Häuptling auf nachdrückliche 
Weise, dass, wenn er nicht sogleich Einen von seinen Leuten 
zum Begleiter für mich herbeiriefe, er selbst genöthigt werden 
sollte, mit mir zu gehen; aber er kehrte sich hieran nicht. Ich 
gab darauf Befehl zum Aufbruche, und da man mir nicht so- 
gleich gehorchte, ging ich dem Häuptlinge mit meinem Stock 
zu Jieibe, griff auch nach meinem Gewehre, welches er trug. 
Nach einem kurzen Handgemenge glückte es mir, ihn zu ent- 
waffnen, während dessen die im Kraale sich befindenden Wei- 
ber ein Klagegeschrei erhoben, da sie das Leben ihres Häupt- 
lings in Gefahr glaubten. Mit gespanntem Hahn und angeleg- 
tem Gewehr (welches jedoch nicht geladen war) erzwang ich 
mir endlich Gehorsam, und er wanderte vor mir her. Als seine 
Leute dies aber sahen, kam sogleich Einer von ihnen und löste 
ihn ab. Als er sich zurückwendete, schenkte ich ihm Glas- 
ad um meine etwas hastige Ne or ei 


Nachrichten von reisenden Naturforschern. 417 


ind wir schieden als anscheinend gute Freunde. Mein Proviant- 
sack enthielt nur einige Stücke Rhinocerosfleisch, welches in 
hohem Grade Durst erregte, und da meine Füsse bereits voll 
von Blasen waren, trug ich meinem Wegweiser mehre Male 
auf, nach Wasser zu suchen, während ich selbst ausruhte; 
er suchte, kehrte aber immer mit dem Ausspruche zurück, dass 
‚er keines gefunden hätte. Ich ging dann endlich selbst und 
fand Wasser im Ueberflusse. Wir kamen nun zu einem klei- 
nern Flusse, und mein Wegweiser watete zuerst hindurch, indem 
er meine Büchse trug. Ich bat ihn, nun zurückzukommen und 
meine Kleider zu holen; aber vergebens; er setzte vielmehr 
seinen Weg unbekümmert um mich fort, und obgleich er sich 
für einen Augenblick zurückwendete und während der Flucht 
meine Hülfe gegen ein schwarzes Rhinoceros (dessen Gleichen 
hier in Menge vorkamen) anrief, erlangte er einen so grossen 
Vorsprung, dass ich, während ich hindurchwatete und mich an- 
kleidete, ihn nicht einholen konnte. Als die Abenddämmerung 
eintrat, verlor ich ihn bald aus den Augen. Auf mein Rufen 
erhielt ich einige Male eine Antwort aus der Entfernung, aber 
allmählich hörte auch dies auf, und ich war ganz allein, von 
wilden Thieren und Finsterniss umgeben, ohne andere Waffen, 
als mit einem Stock, in meinen Händen. Endlich verlor ich 
den Fusssteig und fand mich genöthigt, eines der kleinen knie- 
hohen Acaciengebüsche herauszusuchen, welche so gern von dem 
schwarzen Rhinoceros gefressen werden, schnitt mir in demsel- 
ben mit meinem Messer einen Fleck bloss, welehen ich mit et- 
was Gras, wie mit einem Bettkissen, bedeckte, und legte mich 
von Hunger und Durst geplagt, um den Anbruch des Tages zu 
erwarten, dort nieder. Verschiedene Male versuchte ich, Feuer 
durch das Zerschlagen von Zündhütchen zwischen zwei Steinen auf 
einem mit Pulver bestreuten leinenen Lappen zu erhalten. Hyänen 
und Jakale beunruhigten mich unaufhörlich, und ganz in meiner 
Nähe fing ein Löwe einen Blaubock, dessen Todesgeschrei, 
vereint mit dem Brüllen des Löwen, eine Weile hindurch ein 
grässliches Concert machte, obgleich es meine Rettung veran- 
lasste. Die Hyänen näherten sich besonders ungescheut, und 
ich ward verschiedene Male genöthigt, aufzuspringen, um sie 
etwas zu entfernen. Das Wetter war kühl, aber still, der Him- 
mel bewölkt, und entfernte Blitze erleuchteten dann und wann 
mein elendes Lager. Endlich nahete der Tag heran und ich 
machte mich, so erstarrt ich auch war, und so schwer mir das 
Gehen wurde, da meine Füsse stark geschwollen waren, sogleich 
auf, um nach Wasser'in einem entfernten kleinen Thale zu 


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418 Nachrichten von reisenden Nuturforschern. 


suchen, aus welchem ich das laute Geschrei der Frösche dumpf 
erschallen hörte, welches mir jetzt aus den melodischsten Tö- 
nen zu bestehen schien. Nachdem ich meinen Durst gestillt 
hatte, kehrte ich um und stiess auf einen Trupp Basutos, wel- 
che, durch die Geier geleitet, dem Löwen den Rest seines 
Raubes weggenommen hatten. Sie gaben mir nun die Richtung 


an, welche ich zu verfolgen hätte, um zu ihrem Kraale zu ge- 


langen. Ich kam endlich in diesem ganz und gar ermattet an 
und fand daselbst mein Gewehr und die übrigen Sachen, welche 
mein entlaufener Wegweiser getragen hatte; ihn selbst aber sah 
ich nie wieder. Nachdem ich etwas geruht und mich erquickt 
hatte, bekam ich einen neuen Wegweiser und erreichte beim 
Sonnenuntergange einen kleinen Kraal, in welchem ich mich, 
ermüdet, vor eine der Hütten niederlegte. Ich liess den Häupt- 
ling des Dorfes rufen und durch ihn den Flüchtlingen nachspü- 
ren , doch ohne Erfolg. Ich war in Wahrheit beinahe hoffnungs- 
los; aber wie erstaunte ich, als ich kurz darauf meine beiden 
Kaffern in den Kraal treten und sich meinen Händen überliefern 
sah. Sie hatten meine Fussspuren auf den Fusssteigen gese- 
hen und, beim Kraal angekommen, einige Weiber nach mir ge- 
fragt. Nachdem diese geantwortet hatten, dass ich nicht lange 
zuvor hindurch gegangen wäre, waren sie in aller Zuversicht 
hereingegangen, um Nachtquartier zu nehmen, und waren so 
überrascht, mich anzutreffen, dass augenblicklich alle ihre Pläne 
zur Fortsetzung der Flucht verschwanden. Ich’ war nun schon 
auf halbem Wege zum Commandanten Potgieter nnd beschloss 
daher, ihn zu besuchen, um einige Männer vom Basutostamme 
zu erhalten, auf welche ich mich verlassen könnte, und die mir 
beim tiefern Eindringen in das Land nothwendig waren. Ich 
kam auf's neue in Pillaan’s Residenz und nahm in derselben 
Nachtquartier; er war aber nicht Willens, mir Wegweiser zu 
seben, und ich setzte daher allein mit meinen beiden Kaffern 
auf gut Glück meinen Weg fort. Der Elen-Fluss (Elands-Ri- 
vier), welcher viel Wasser hatte, hielt uns auf; nach einigem 
Suchen aber fand ich eine Stelle, welche in der Nacht von einem 
Truppe von Büffeln benutzt worden war, und 'an welcher wir 
durchwateten, nachdem ich erst einen Schuss abgefeuert hatte, 
um die Krokodile von einem Anfall auf uns abzuschrecken. 
Nun folgte eine sich weit erstreckende Ebene, auf welcher wir 
vom Durste geplagt wurden, bis ein starker Gewitterschauer 
uns etwas Wasser in Felsenhöhlen ergoss, welches wir begie- 
rig austranken. Endlich kamen wir zum Kraale des Königs 
Makatao am Makkalis-Berge, und nachdem ich die Nacht 


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Nachrichten von reisenden Naturforschern. 419 


hindurch dort geruht hatte, begab ich mich zum Hofe des Com- 
mandanten Potgieter an der andern Seite des Berges, empfing 
aber daselbst die Nachricht, dass er mit einem grossen Theile 
der Booren zu einer Expedition nach der Dalagoa-Bai aufge- 
brochen wäre. Diess war vermuthlich vortheilhafter für mich, 
als wenn er zu Hause gewesen wäre, denn ich erhielt durch 
die Veranstaltung Eines seiner Anverwandten drei von Maka- 
tao’s Leuten. Ich bezahlte den König dafür zum Voraus mit 
einer Kuh, wogegen er sich verpflichtete, dafür einzustehen, 
dass die Leute vor der bestimmten Zeit, welche vier Monathe 
betrug, nicht entwischten; falls dies geschähe, sollte er die 
Kuh verlieren und diese dann an mich zurückfallen. Nun kehrte 
ich so eilig, als möglich, zu meinen Wagen zurück und kam 
am Neujahrsabende bei ihnen an. Schon in der Entfernung 
liessen sich Schaaren von Aasvögeln über meinem Lager sehen. 
Ich verstand sogleich die traurige Verkündigung. Koos war, 
nachdem er ein paar Tage lang gesucht hatte, zu den Wagen 
zurückgekehrt, und er sowohl, als Willem, waren unpässlich. 
Alle Ochsen waren mehr oder weniger krank und einer schon 
todt, welches Schicksal auch von den Eingebornen allen übri- 
gen prophezeiht ward, wonach ich, obzwar zu spät, beschloss, 
so eilig, wie möglich, von dieser den Ochsen so verderblichen 
Stelle wegzuziehen. Nur acht waren noch so gesund, dass sie 
vorgespannt werden konnten, und durch sie ward erst der eine 
Wagen ein paar Stunden Weges weit fortgezogen, dann wurden 
sie zurückgeleitet, um den andern Wagen zu holen. Auf diese 
Weise glückte es, in acht Tagen mit vieler Mühe meine Wa- 
gen nach der Stelle zurückzubringen, an welcher ich zuerst am 
Mohopaani angekommen war. Die Wegesstrecke für diesen 
meinen unglücklichen Rückzug war durch zehn Ochsenleichname 
bezeichnet. Doch starben auch alle Ochsen, deren Erhaltung 
mir bis dahin geglückt war, obzwar einige sich noch über einen 
Monath lang hinschleppten. Die Ursache dieser Sterblichkeit 
war, wie einige Eingeborne mich versicherten, eine fatale Art 
Fliegen, von ihnen Zeze genannt, von welcher ich einige Exem- 
plare mitgenommen habe; sie ist von der Grösse der gemeinen 
Stubenfliege und findet sich an jener ungesunden Stelle in Menge. 
Ich habe sie nirgends anderswo bemerkt. Auch Hunde werden 
von ihr getödtet, aber erst nach einer abzehrenden Krankheit. 
Für den Menschen ist ihr Stich zwar lästig, aber übrigens nicht 
gefährlich. Auch die Auswanderer sehen diese Fliege für die 
Krankheitsursache an; doch scheinen mir eine ungesunde Ve- 
getation und ein ungesundes Klima eher als solche zu betrach- 


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dur; 


420 Nachrichten von reisenden Naturforschern. 


ten zu seyn. Ich war nun von Zugvieh, und, was: noch schlim- 
mer war, von Geld, um mich mit demselben auf’s neue zu ver- 
sehen, entblösst. Hier gab es keinen andern Ausweg, als ent- 
weder den einen Wagen im Tausche wegzugeben, oder auch 
Elephanten zu erlegen und mir für Elfenbein Zugyieh einzutau- 
schen. Ich beschloss das Letztere, brach zu Fusse mit: Wil- 
lem, meinen beiden Kaffern und beiden Basutos, am 31. Ja- 
nuar auf und liess Koos zurück, um nach den Wagen zu sehen. 
Wir zogen von neuem über die Mohopaaniberge und von da in 
nordwestlicher Richtung durch die blaue Waldebene. Meine 
Basutos trugen mir zwar allerhand Geschichten vor, um mich 
von meinem Vorhaben abzuschrecken; aber vergebens. Sie 
sagten unter Anderm, man verfiele, während das Gras so hoch 
stände, allgemein in eine gefährliche Krankheit, und in diesen 
Monathen wagte Niemand aus ihrem Stamme, sich in diese Ge- 
genden zu begeben. An jedem Abende liess ich sie eine Laub- 
hütte errichten, in welcher ich und Willem schliefen. Unser 
ganzer Mundvorrath bestand in einem kleinen Beutel voll Reiss 
und einer Ochsenblase mit gebranntem und gemahlenem Kaffee; 
aber es fand sich Wild im Ueberflusse, so dass wir immer 
Fleisch vollauf hatten. Am vierten Tage nach unserm Aufbru- 
che, da wir bei einem starken Gewitterregen Quartier in einem 
alten verlassenen Kraale genommen und eine der Hütten, nach- 
dem wir zuvor deren Bewohnerin, eine Schlange, todt geschla- 
gen, eingerichtet hatten, tranken wir zum ersten Male Kaffee, 
welcher in einem alten, schlecht beschaffenen Kaffer-Thonkruge 
zubereitet worden war, zu dessen Deckel ein Stück vom Schä- 
del eines Rothbocks benutzt ward. Am fünften Tage kamen 
wir an den Vereinigungspunct des Moriqua und des Limpopo, 
nahmen dort für einige Tage Quartier, entdeckten frische Ele- 
phantenspuren und erhielten einen dieser Riesen, Wir zogen 
nun drei Tagereisen weit aufwärts längs des Moriqua durch 
einen ununterbrochenen Wald, in welchem es uns glückte, ver- 
schiedener Elephanten habhaft zu werden. Bei den Äsern ge- 
sellte sich zu den Geierschaaren die ansehnliche Ciconia Argala. 
Rhinoceros - und Büffelfleisch war unsere vorzüglichste Speise, 
oder sonst auch Rothbocksfleisch, welches geröstet in geschmol- 
zenem Elephantenfett umgekehrt wurde. In unseren Hütten 
plagte uns manche Nacht hindurch eine Art grosser schwarzer 
Ameisen, welche einen sehr starken Knoblauchsgeruch verbrei- 
tete, und deren Biss schmerzhaft war. Einmal stach mich auch 
ein Skorpion; doch war die Geschwulst nicht von Bedeutung. 
Da wir merkten, dass unsere Basutos, welche jetzt eine an- 


' Nachrichten von reisenden Naturforschern. 421 


sehnliche Menge Fett zusammengebracht, auszureissen Lust 
hatten, so liess ich alle Abende ihre Hassagaien und Aexte in 
meine Hütte bringen und verhinderte sie solcherweise daran, 
uns im Stiche zu lassen, indem sie einen zu grossen Werth auf 
jene ihre Waffen legen. Ich wandte mich nun zur Vereinigungs- 
stelle der Flüsse zurück, und meine Leute waren in Wahrheit 
mit Fett und Elephanteuzähnen schwer beladen. Am 2. März 
dort angelangt schickte ich fünf Basutos nach meinen Wagen, 
jeden mit einem Elephantenzahne beladen, um Koos, welcher 
dort geblieben war, Nachricht von uns zu geben. Das übrige 
Elfenbein wurde nebst einigen Sammlungen in einem Kraale 
gelassen, welcher unter der Herrschaft des Königs Sichela 
stand, und wir wandten uns von neuem, längs des Limpopo 
ziehend, gegen N.W. Bald setzte uns der Moriqua ein Hinder- 
niss in den Weg; es fand sich, dass dieser Fluss tief und was- 
serreich war. Ich dachte zuerst an die Verfertigung einer Flösse, 
um hinüber zu kommen; da aber das Baumaterial spärlich war 
und ich eine Stelle fand, an welcher Weidenbäume bis beinahe 
zur Mitte des Flusses standen, wurde der Plan geändert. Ein 
hoher Baum ward gefällt, welcher mit grossen Aesten versehen 
war. Diesen brachten wir an das Ufer, richteten ihn dort mit 
vieler Mühe auf und liessen ihn über das Wasser fallen, so 
dass er eine Brücke bildete, welche freilich in das Was- 
ser hinabsank, auf welcher wir aber doch knietief hinüber- 
kletterten. Ich und Willem brachten zuerst die Gewehre und 
die Ammunition nebst den übrigen Sachen hinüber; dann folg- 
ten meine Leute. Schon waren alle glücklich auf der andern 
Seite, mich, der ich zurückgekehrt war, und meine beiden Zoo- 
lukaffern, ausgenommen. Ich ging nun hinüber und war eben 
am andern Ufer angelangt, als ich ein schreckliches Plätschern 
hinter mir hörte und den Einen meiner Kaffern, welcher mir gefolgt 
war, in einem der Weidenbäume aufspringen sah und zugleich 
ein ungeheures Krokodil erblickte, welches wieder in’s Wasser 
hinabtauchte, nachdem es versucht hatte, den Kafler zu pa- 
cken, woran aber die Aeste meiner Brücke es verhindert hatten. 
Es erhob den Kopf noch mehre Male aus dem Wasser, nach 
einem andern Opfer umschauend, erhielt aber statt dessen einen 
Schuss, nach welchem es sich nicht wieder blicken liess. Mit 
der grössten Schwierigkeit vermochte ich nun nur, den an der 
obern Seite sich befindenden Kaffer dahin zu bringen, über den 
Fluss zu gehen, obgleich ich sowohl, als Willem, mit scharf- 
geladenen Gewehren zu seinem Schutze bereit standen; er 
weinte und klagte laut und beschuldigte mich, ich wollte ihu 


422 Nachrichten 'von reisenden Naturfors ‚her S 


vorsätzlich umbringen lassen. Endlich war ich genöthigt, zu 
drohen, dass ich ihn im Stiche lassen würde, da er dann zu- 
letzt Muth fasste und auch unbeschädigt herüber kam. Die 
beiden Mohozutzen. welche bei uns waren, äusserten die höch- 
ste Verwunderung über die Kraft des Schiessgewehrs, mit wel- 
cher sie ganz unbekannt zu seyn schienen. Der Limpopo nahm 
nun mehr und mehr eine grossartige Natur an; sein Bett war 
von ansehnlicher Breite, reich an kleinen Inseln, und seine Ufer 
waren mit» den schönsten Bäumen von der Welt bewachsen. 
Wildprett war hier im Ueberflusse. Am fünften Tage nach dem 


Uebersetzen über den Moriqua und beständig dem Ufer des. 


Limpopo folgend gelangte ich an einen andern Fluss, den Not- 
toaan, welcher von Westen kommt und sich in den Limpopo 


ergiesst. Hier fanden sich Elephanten, Flusspferde, Nashörmer 


und Büffel in Menge, und zwei der Erstgenannten wurden er- 
legt. Hier erhielt ich auch den schönen Tantalus rhodinopterus. 
Ich durchwatete den Nottoaan und folgte dem Limpopo noch 
eine starke Tiagereise weit. Der Lauf des letztern war die 
ganze Zeit hindurch nach N.N. W. gegangen; nun aber wendete 
er sich für eine kurze Strecke schnell nach beinahe S.O., wo- 
nach er eine nordöstliche Richtung nahm. Am folgenden Tage, 
an welchem meine Basutos nieht dazu vermocht werden konn- 
ten, weiter mitzugehen, aus Furcht vor Masilikari, dessen 
Gebiete wir jetzt nahe waren, wanderte ich mit Willem eine 
Höhe hinan, kletterte auf einen hohen Baum und überschaute 
das Land von dieser Stelle, an welcher mir durch unglückliche 
Umstände die Gränze für mein weiteres Vordringen in dieser 
Richtung gesetzt ward. Unermessliche Wälder zeigten sich 
auf allen Seiten; gerade im Norden blickten drei hohe, tafel- 
förmige Berge hervor, und nach ©.N.O. befanden sich eben- 
falls ansehnliche Berge in der Entfernung einer Tagereise, in 
ihrer Nähe aber strömte, nach der Aussage ‘der Eingebornen, 
der starke Motozifluss nach Osten, um sich mit dem Limpopo 
zu vereinigen, welcher noch drei andere ansehuliche Zuflüsse 
aus Norden, nämlich durch den Tsjatsje, den Tuulue und den 
Mozingoane, empfängt. Von Süden her ergiessen sich der Ma- 
halakoäne, vun den Booren der kleine Nilfluss genannt, der 
Mokeezi, Djätälä, Levubu und Lepenula in ihn, und nach ihrer 
Aufnahme soll der Ooli oder Limpopo eine Breite von 16—1700 
Schritten bekommen. Er ergiesst sich schliesslich in das Meer, 
oberhalb der Dalagoabai. — Ich trat nun meinen Rückzug an, 
worüber die schwarzen Begleiter so erfreut wurden, dass sie 


all Abende beim Feuerscheine tanzten und sangen. Hier bekam 


TER TEE FEED 


re 4 a dr Di de 


Nachrichten von reisenden Naturforschern. 423 


ich Ciconia Argala und Haleyon rufiventer., Als ich nahe an 
einem von Sichela’s Kraalen vorüber kam, erhielt ich sieben 
Kaffern, um meinen Leuten die Elephantenzähne und übrigen 
Sachen tragen zu helfen; aber schon in der ersten Nacht ent- 
wischten vier von ihnen. An einem der folgenden Tage, an 
welchem ich zur Kost für die Leute nicht eher, als gegen Abend, 
Wild erlegen wollte, weil ich aus Erfahrung wusste, dass ich 
sie dann von demselben vor dem Ablaufe vieler Stunden nicht 
_ abbringen würde, und wir gegen Sonnenuntergang in eine Ge- 
gend kamen, in welcher das Wild sparsam war, hatte ich das 
Unglück, keines zu erhalten. Als wir nun Nachtquartier mach- 
ten, suchten meine hungrigen Basutos ein Stück in der Sonne 
getrockneter Büffelhaut, von einem beim Einzuge erlegten Büf- 
fel, hervor, brieten es, schlugen es zwischen zwei Steinen 
mürbe und verzehrten diese in Wahrheit trockne und unappe- 
titliche Speise; aber am folgenden Tage liess ich sie an ver- 
schiedenem Wilde sich enischädigen. Nachdem wir wieder über 
den Moriquafluss gegangen waren, und zwar etwas höher hin- 
auf, als das erste Mal, durch eine Furt, indem der Fluss jetzt 
nicht so wasserreich war, empfing ich durch Einige von Si- 
cehela’s Leuten die verdriessliche Nachricht, dass Koos Jou- 
bert, welchen ich bei den Wagen gelassen hatte, krank wäre. 
Ich beeilte desswegen meinen Rüchmarsch so sehr, als möglich, 
und kam am Mittage des 22. März bei meinen Wagen an, wo 
ich zu meiner grossen Freude Koos schon wiederhergestellt 
fand. Ich schickte nun Willem mit einer hinreichenden Menge 
Elfenbeins zu den Booren, um mir für dasselbe ven ihnen Och- 
sen einzutauschen. Am 30. begab ich mich nebst Koos wie- 
derum von den Wagen weg, nachdem ich zwei Kaffern bei ih- . 
nen zur Aufsicht gelassen hatte. Wir lagerten uns in mehr als 
einer Tagereise Entfernung vom Lager an einem kleinern Flusse. 
Hier wurden mehre Giraffen erlegt. Ich präparirte eine Haut 
und ein Skelett von diesem schönen Thiere und legte ein paar 
Fetus in Weingeist. Vergebens suchte ich hier den von Smith 
beschriebenen Rhinoceros Keithloa, obgleich wir eine ansehn- 
liche Anzahl schwarzer und weisser Nashörner tödteten. Am 
21. April begab ich mich etwas näher an die Wagen, wobei die 
auf dieser Excursion von mir gesammelten Sachen von den Ba- 
sutos getragen wurden. Das Lager wurde auf's neue am Inko- 
lubefluss aufgeschlagen, und ich präparirte daselbst verschiedene 
Exemplare der Antilope ellipsiprymnos, hatte auch endlich am 
24. die Freude, Willem mit 18 Ochsen zurückkommen zu 
sehen. Um, wenn es möglich wäre, Aufklärungen über das 


424 Nachrichten von reisenden Naturforschern. 


Keithloa-Nashorn zu erhalten, beschloss ich, noch einen ver- 
zweifelten Versuch zu machen, eine Excursion nämlich zu Fusse 
nach dem Montili-Flusse, an welchem nach der Benachrichti- 
sung einiger Eingebornen dies Rhinoceros sich aufhalten sollte. 
Ich brach demzufolge am 14. Mai mit Willem und Koos auf 
und richtete meinen Weg nach S.O. Nachdem wir aber die 
Gegend vis zum Tjoane und Moritili hin vergebens durchsucht 
hatten, wendeten wir uns zu den Wagen zurück und kamen bei 
ihnen am 28. an, nachdem wir nur zwei Elephanten nebst ge- 
meinem Wildprett erlegt hatten. Am 11. Junius begannen wir 
mit unseren Wagen langsam den Rückzug. Wir erlegten fast 
alle Tage schwarze Nashörner, weil ich die Haut von einem 
solchen zu erhalten wünschte und es beinahe unmöglich war, 
eine vollständige zu bekommen. An der einen fehlte der halbe 
Schwanz, eine andere hatte verstümmelte Ohren, eine dritte 
war voll von grossen Wunden, die Hörner waren beschädigt, u. 
s. m. Am Ende erhielt ich eine in ziemulich gutem Zustande. 
Am 14. Julius kam ich durch den Aufenthaltsort des Comman- 
danten Potgieter; er selbst war wegen der Expedition nach 
der Dalagoa abwesend. Am 21. wäre um ein Haarbreit am Moiie- 
flusse alle meine Mühe zu Wasser geworden. Meine Wagen 
standen abgespannt in dem dürren und hohen Grase, und dieses 
fing durch die Unvorsichtigkeit Eines meiner Kaffern beim Essen- 
kochen Feuer, welches, da ein starker Wind wehte, augenblicklich 
um sich griff und Alles in ein Feuermeer verwandelte. Ich und 
Koos, die wir in der Nähe mit der Zubereitung einer Blau- 
bockshaut beschäftigt waren, eilten sogleich hinzu und waren 
so glücklich, vom Winde begünstigt, das Feuer von den Wa- 
gen abzuwehren, obzwar unsere Kieider ganz verbrannten. Es 
ist mehrmals geschehen, dass Wagen auf diese Weise zu Scha- 
den gekommen sind. Am 25. kam ich zu Walmarans am 
Moiieflusse, demselben Manne, von welchem Willem die 
Ochsen erhalten hatte. Es kam mir jetzt in den Kopf, dass 
ich nach so lange versäumter Zeit nicht zurückreisen dürfte, 
ohne die angenommenen und beschriebenen Rhinocerosarten 
ausgeforscht zu haben; ich beschloss daher, hier ein Haus für 
meine Sammlungen zu miethen, diese dort zu lassen und mich 
auf eine neue Expedition in nordöstlicher Richtung zu begeben. 
Dies wurde auch bewerkstelligt, und ich brach nach einigen 
Vorbereitungen mit meinen beiden Wagen am 1. August auf. 
Bei den Makkalisbergen angelangt wurde ich vom Commandan- 
ten Gerdt Krüger angehalten, welcher sagte, er hätte Be- 
fehl bekommen , mich nicht passiren zu lassen, mir aber doch 


Nachrichten von reisenden Naturforschern. 425 


nach einiger Unterredung Erlaubniss ertheilte, bis zum Affenflusse 
zu reisen, auch hinzufügte, dass, wenn die nach der Dalagoa- 
bai abgegangene Sendung der Booren unter Potgieter zurück- 
gekommen seyn würde, ich so weit, als ich es wünschte und 
vermöchte,, in’s Land eindringen könnte. Sehr froh über diese 
ungewöhnliche Willfährigkeit gegen mich setzte ich meinen Weg 
über den Tjoane und Moritili fort, und, nachdem ich erfahren 
hatte, dass das erwähnte nach der Dalagoabai bestimmt gewe- 
sene Commando im Anzuge wäre, ging ich demselhen entgegen, 
um Neuigkeiten aus jener Gegend zu hören. Aber wie wurde 
ich hier empfangen!? Potgieter berichtete zuerst im allgemei- 
nen, dass die Eingeborenen Feindseligkeiten wider ihn angefan- 
gen hätten, und äusserte, dass er gleich nach der Heimkehr ein 
Commando gegen sie beordern würde, ferner, dass es unter 
solchen Umständen seine Pflicht gegen mich wäre, mich nicht 
weiter ziehen, noch dort verweilen zu lassen, wo mich ein ge- 
wisser Tod erwartete. Da ich aber dem Verhalten der Dinge 
etwas genauer nachforschte und deutlich befand, dass Alles Un- 
wahrheit und nur zusammengeschmiedet war, um mir in meinem 
Vornehmen hinderlich zu seyn, und ihm dies zu verstehen gab, 
'ertheilte er mir sogleich Befehl, umzukehren,, wollte mir auch 
anfangs nicht einmal erlauben, einige Tage an der Stelle, an 
welcher ich jetzt war, zu verweilen. Ich sagte ihm von der 
Erlaubniss, welche Krüger mir gegeben hatte; aber das half 
zu nichts. Er erklärte, dass, wenn ich nicht gehorchte, er 
einen Feldcornett mit Mannschaft ausschicken müsste, um mich 
gefangen zu nehmen, und die Kosten dafür würde ich gezwun- 
gen werden zu bezahlen, Dies fürchtete ich, die Wahrheit zu 
sagen, weit weniger; was mich hier aber beinahe zum Nachge- 
ben zwang, war die Gewissheit, dass er, falls ich nicht nach- 
gäbe, den Eingebornen heimlich Befehl ertheilen würde, mir zu 
schaden, welchem diese gewiss eifrig würden nachgekommen 
seyn. Am ersten Abende blieb er unbeweglich, und ich hatte 
eine schlaflose Nacht über den Gedanken an die Vereitlung 
meiner Hofinungen; aber am folgenden Morgen, wo ich ihn noch 
einmal vor seiner Abreise besuchte, erlaubte er, dass ich einige 
Tage da, wo ich war, bleiben könnte, doch nicht weiter ziehen 
dürfte. Aber schon am zweiten Tage nach seiner Abreise setzte 
ich meinen Weg nach dem Mahallakoäna fort, bei welchem ich 
zwei Tage darauf ankam. 

Hier war das Gras so schlecht, dass ich für meine Och- 
sen zu fürchten anfing, deren Abmagerung mich zwang, bald 
nach der Stelle hin wieder umzukehren, von welcher ich 


426 Nachrichten von reisenden Naturforschern. 


gekommen war. Dort beschloss ich, weil das Gras daselbst ziem« 


lich gut war, die Ochsen und die Wagen zurückzulassen und wie- 
der eine Excursion zu Fusse zu machen. Ich liess Willem 
bei den Wagen und begab mich mit Koos zum Könige Ran- 
dequan, welcher neben den Quellen des Moritili wohnte, und 
kam nach einem Marsche von sechs Tagen dahin; aber auch 
dort konnte ich über die Nashörner keine nähere Auskunft er- 
halten. Der König und seine Leute redeten die Zulu- Sprache, 
wohnten in einer an Bäumen sowohl, als Gesträuchen, ganz 
leeren Gegend und benutzten zur Feuerung trocknes Schilfrohr, 
Schilfgras und Kafferkornstengel. Ich miethete von dem Könige 
zehn Mann zu meiner Begleitung, und wir schlugen nun. die 
Richtung nach dem Musi-Fluss ein, gingen durch denselben 
und begaben uns nach dem Umslabezi. “Unterwegs entfernte 
ich mich zu weit beim Verfolgen des Wildpretts und kam von 
meinen Leuten ab, denen ich nach ungefährer Richtung folgte. 
Nach dem Umslabezi gekommen ‚schoss und schrie ich, erhielt 
aber keine Antwort und sah mich gezwungen, wieder ganz allein 
Nachtquartier zu machen. Ich bereitete mein Lager recht auf 
dem Flussufer am Rande eines Gebüsches und hatte Truppe 
von Perlhühnern und Affen, welche in den Bäumen über mei- 
nem Feuer schliefen, zur Gesellschaft. In der Nacht hörte ich 
Krokodile sich auf dem Sande hinschleppen und auch im Was- 
ser plätschern. Zeitig am Morgen erstieg ich eine kleine Höhe, 
feuerte dort einen Schuss ab und hatte die Freude, kurz darauf 
Koos mir antworten zu hören. Wir fanden uns, und ich em- 
pfing die Nachricht, dass neun von Randequan’s Leuten in 
der Nacht ausgerissen wären. Nun hatte ich nicht mehr, als 
vier Schwarze bei mir, welche allein schwere Lasten tragen 
mussten. Wir setzten unsern Weg dessenungeachtet noch ein 
paar Tage hindurch längs des Umslabezi fort und kamen an den 
Lepenula. Dies ist ein schöner und wasserreicher Fluss; man 
konnte es sehen, dass er vorzüglich während der Regenzeit 
weit aus seinen Ufern tritt und eine ungeheure Wassermasse 
enthält. Sein Bett lief auf lange Strecken durch Berge, und hier 
war der Fluss schmal, aber tief, zwischen lothrechten Felswän- 
den dahinströmend. Koos war so glücklich, hier am 14. Sep- 
tember einen ansehnlichen Elephanten, ungefähr eine Stunde 
Weges vom Fluss entfernt, zu erlegen, und ich beschloss, ob- 
wohl ich nur wenige Arbeiter hatte, dennoch, diesen zu skelet- 
tiren. Zu dem Ende lagerten wir uns zwischen den dornigen 
Acacien dicht neben den Leichnam und liessen dort eine Laub- 


hütte aufführen, deren Dach ich mit der Elephantenhaut bedeckte, 


Nachrichten von reisenden Naturforschern. 427 


wonach die Arbeit ganz schnell vor sich ging. Am andern Tage 
gegen Abend war der Elephant zergliedert und das dickste 
Fleisch abgeschnitten, worauf Koos mit Einem der Kaffern zu- 
rückkehrte, um den einen Wagen zu holen. Während der acht 
Tage, welche bis zu seiner Wiederankunft verflossen, vollführte ich 


mit drei Schwarzen den übrigen Theil des mühsamen Skeletti- 


rens und hieb einen Weg durch den Wald aus, damit der Wa- 
gen hindurch kommen konnte. Viele Plage hatte ich von den 
Hyänen, welche durch den abscheulichen Gestank, den ich aus- 
zustehen genöthigt war, dahin gelockt worden waren. Ich ver- 
wundete und tödtete mehre von ihnen. In der letzten Nacht 
kamen auch Löwen, um mich zu stören. Ich hatte zu der Zeit 
das Skelett fertig und die sämmtlichen Knochen in einem Kraale, 
dicht neben meiner Hütte, verwahrt. In der Nacht wurde ich 
vom Gebrülle eines Löwen geweckt und hörte ihn etwas Hartes 
zerbeissen, auch die Zweige des Kraals rauschen; als ich aber 
nachforschte und nachdem ich das erloschene Feuer wieder an- 
gezündet hatte, fand ich zu meiner Freude die Knochen unbe- 
schädigt. Ich hörte deutlich die Löwen, ‘deren jetzt mehre da 
waren, in den nahen Gebüschen von dem Fleische des Elephan- 
ten fressen , konnte aber vor der Dichtiskeit des Gebüsches sie 
nicht sehen, und als es tagte, zogen sie brüllend ab. Koos 
kam nun mit dem Wagen wieder an, wir luden das Skelett 
hinauf und begaben uns auf den Rückweg. Am 25. fand ich 
am Wege einen jungen Elephanten, wahrscheinlich vom Hun- 
ger getödtet, und da er unbeschädigt war, so nahm ich die 
Haut von ihm. Am folgenden Tage war ein erschreckliches 
Gewitter , bei welchem Hagel von der Grösse eines Gänseeies 
fiel, der grösste, welchen ich in meinem Leben gesehen habe. 
Die Schlossen waren rosenförmig und an den Enden abgeplat- 
tet. Zweige und Rinde wurden von ihnen abgeschlagen, Bäume 
und Felder fürchterlich verheert. Am 28. erreichte ich meine 
Wagen und empfing dort die entsetzliche Nachricht, dass vier 
meiner Basutos von einer andern Partie ihrer Landsleute 
ermordet und auf dem Gipfel eines Bergs begraben wor- 
den wären, aber auch die erfreuliche, dass Willem das 
Glück zu Theil geworden, ein Keithloa-Nashorn zu erle- 
gen, dessen Haut er präparirt hatte. Ich bekam noch ein Indi- 
viduum, dessen Kopf ich aufbewahre. ‘Nachdem ich dieses als 
neue Species beschriebene Thier gesehen habe, dessen habhaft 
zu werden mir so unglaublich viel Zeit und Mühe gekostet hat, 
kann ich nicht umhin, den Ausspruch zu thun, dass ich meines 
Theils an der Selbstständigkeit desselben als Species zweifle, 


428 Nachrichten von reisenden Naturforschern. 


ja dass ich fast das Gegentheil mit Sicherheit zu behaupten 
wage. Ich habe eine sehr grosse Anzahl schwarzer und weisser 
Nashörner selbst getödtet und tödten lassen und an ihnen die 
Beobachtung gemacht, dass die Hörner bei den beiden Arten, 
in der Gestalt sowohl, als der Grösse und der Farbe stark va- 
riiren. Im allgemeinen haben die Weibchen die längsten Hör- 
ner, aber die Männchen viel dickere. Die hinteren Hörner der 
alten Weibchen des schwarzen Rhinoceros sind fast immer über 
halb so lang, als das vordere, da hingegen jene bei den Männ- 
chen die Hälfte des letztern nicht erreichen. Die beiden Keith- 
loa, welche mir zu Theile wurden, waren beide Weibchen, und 
ich erstaunte in der That, als ich, in der Kapstadt angekom- 
men, aus des Doctors Smith Beschreibung ersah, dass das 
Individuum, welches er erhalten hatte, ein Männchen gewesen 
war; denn dieses widerstritt ganz und gar der Ansicht, welche 
ich von der Sache gefasst hatte. Höchst neugierig bin ich in- 
dessen darauf, dies Exemplar zn sehen, welches sich im Bri- 
tish Museum befindet. Ich beeilte nun so sehr, als müg- 
lich, den Rückzug und kam am 13. October an den Moiiefluss, 
miethete zwei Wagen für meine dort gelassenen Sammlungen 
und begab mich am 24. nach Pietermoritzburg, wo ich ohne 
weitere Abenteuer am 14. November anlangte. Ich verweilte 
daselbst, packte meine Sammlungen ein, vernahm, dass Todes- 
gerüchte sich über mich verbreitet hätten, bekam endlich meine 
Briefe aus Schweden und begab mich am 18. December nach 
der Bai von Port Natal, ging an Bord des Schoners the Rose- 
bud, verliess mit höchst getheilten Gefühlen das schöne Nata- 
lien, in welchem ich mich 5%, Jahre lang aufgehalten hatte, 
und kam am 28. December in der Kapstadt an, in welcher ich 
vom Herrn Consul Letterstedt, wie gewöhnlich, mit der 
grössten Güte empfangen wurde. Ich wohne jetzt in einem sei- 
ner Häuser hier in der Stadt, und am Neujahrstage war ich 
auf seinem vortrefllichen Landsitze in Rondebosch. Er rieth 
mir, jetzt nicht gleich abzureisen, weil ich dann in einer un- 
passenden und gefährlichen Jahreszeit nach Europa kommen 
würde, sondern lieber hier einige Monathe hindurch meine 
Thätigkeit fortzusetzen. Da mir nun noch ein grosser Theil 
der Seevögel fehlt, so habe ich auf eine Excursion nach der 
Saldanhabai gedacht, durch welche ich denn auch Gelegenheit 


bekommen werde, deren Reichthum, den so hoch gepriesenen 


Guano, kennen zu lernen. In den ersten Tagen meiner An- 
kunft hier erstaunte ich und schämte ich mich, als ich bemerkte, 
dass ich grossentheils vergessen hatte, meine Muttersprache 


429 


zu reden. — Baron von Ludwig hat mir mit gewohnter Güte 
wiederum die Benutzung seiner reichen Bibliothek angeboten. — 
Dem Hrn. Zeyher ist es endlich geglückt, sich Samen von der 
Gattung Retzia zu verschaffen, von welchem auch mir ein Theil 
versprochen worden ist.“ — — — 

' | | [Cr.] 


xViHiI. 


Kürzere Mittheilungen. 


Ueber die Bildung der Hemisphären und des Mark- 
bogens des Gehirns*). 


Pr Ä 
En Mer Sitzung d. Ak. am 13. Novbr. 1844 führte Hr. A. Retzius 
an, dass, obgleich Mehre der ausgezeichnetsten Anatomen unserer 
Zeit, und unter ihnen vorzugsweise Tiedemann, mit einer 
bewundernswürdigen Genauigkeit die allmähliche Entwickelung 
des menschlichen Gehirns verfolgt, auch das Naturgesetz dar- 
gelegt oder erkannt hätten, dass dieselbe die verschiedenen, 
den niedreren Thierclassen angehörenden Formen durchlaufe, 
man doch bei der Anwendung dieser Vergleichungen aus ihnen 
den Vortheil nicht gezogen hätte, den sie für die Wissenschaft 
darböten, welches besonders von der Entwicklung der Hemi- 
sphären selbst gölte; Tiedemann hätte zwar gezeigt, dass 
diese sich von vorn nach hinten, die vorderen zuerst, die hin- 
teren zuletzt, bildeten; aber ungeachtet drei Jahrzehende bei- 
nahe seit der Erscheinung seines classischen Werkes, Anatomie 
und Bildungsgeschichte des Gehirns im Fötus des Menschen, 
vergangen wären, sei doch die Ernte für die Lehre von den 
Verrichtungen der verschiedenen Theile allzu gering gewesen. 

Hr. Retzius hatte von Zeit zu Zeit unter einem stark 
concentrirten Weingeiste Gehirne menschlicher Embryone, wenn 


”) Öfversigt af K. V. A. Förhandl. Ärg. 1. Nr. 9. S. 194. 


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I RE: a; | 
SL „ 


430 EN 


solche frisch zu erhalten waren, präparirt. Die noch halb füs- 
sigen Organe ersteifen durch die Einwirkung des Spiritus und 
können, solcherweise von ihren Membranen befreit, auch, in 
derselben Flüssigkeit aufgehängt, mit Beibehaltung ihrer na- 
türlichen Formen aufbewahrt werden. Nach solehen Präparaten, 
welche sich jetzt im Museum des Carolinischen Instituts aufge- 
stellt befinden, hatte Hr. R. eine Anzahl von Zeichnungen an- 
fertigen lassen, welche jetzt vorgelegt wurden. Es ging aus 
ihnen hervor, dass sich die Hemisphären des Gehirns während 
dreier Hauptperioden, je nach den drei verschiedenen Lappen 
der Hemisphären, bilden. In der ersten Periode, welche in 
den zweiten und dritten Monath fällt, bilden sich nur die vor- 
deren Lappen, in der zweiten, welche am Ende des dritten 
Monaths, im vierten und einem kleinen Theile vom fünften Mo- 
nathe Statt hat, kommen die beiden mittleren und nach dieser 
Zeit die hinteren Lappen hinzu. Während der ersten Periode 
fehlen die herabsteigenden Hörner der Seitenventrikeln und auch 
die Pedes Hippocampi. In der zweiten Periode kommen diese 
hinzu. Während eines grossen Theils der ersten Periode he- 
decken die Hemisphären die Thalami nervorum opticorum nicht; 
in der zweiten Periode wölben sie sich’ vollständig über diese 
Theile, nähern sich den grossen Vierhügeln, bedecken deren 
Vordertheil und steigen daneben an den Seiten des Gehirnstam- 
mes hinab, gleichsam um denselben zu umfassen. Hat man 
ein Gehirn aus dieser Bildungsperiode vor sich, so möchte man 
sich nach dessen Aeusserm leicht vorstellen können, dass der 
hintere Rand der Hemisphären ihren bleibenden Hinterenden 
und Rändern entspräche; aber so verhält es sich nicht. Oeffnet 
man sie, so gelangt man unmittelbar in die herabsteigenden 
Hörner der Seitenventrikeln, in welchen man die Rudimente zu 
den grossen Pedes Hippocampi antrifit. Weiterhin im vierten 
Monathe entsteht eine kleine flache Kerbe am hintern Rande 
der Hemisphären; derjenige Theil dieses Randes, welcher ober- 
wärts an die Kerbe gränzt, ist das erste Rudiment zu den hin- 
teren Lappen der Hemisphären. Diese, welche folglich eine 
längere Zeit hindurch nur rudimentär sind, fangen über den mitt- 
leren Lappen an, nehmen nach und nach ihren hintern Rand 
ein, folgen diesem während der fortlaufenden Entwicklung bis 
zu den Seiten des Gehirnstammes hinab, und endigen sich an 


dem Theile der mittleren Lappen, welcher in den P. Hippo- 


campi tritt. Noch an dem Gehirne des reifen Fetus sowohl, 


€ 


als auch in dem ausgebildeten Gehirne älterer Personen sind 


sie besonders an der gegen die Sichel liegenden lothrechten 


431 


Seite jeder Hemisphäre von den mittleren Lappen durch eine 
sehr tiefe, ästige Furche sehr gut getrennt. 

Nachdem : Joh. Müller es so vollständig bewiesen hat, 
dass die von älteren Zeiten her als die Hemisphären angesehe- 
nen Lappen des Fischgehirns den Corpora quadrigemina nebst 
dem Lobus ventrieuli tertii entsprechen, scheint auch Arsaky’s 
und Carus’s Annahme der Analogie der vorderen Lappen mit 
den Hemisphären ausser allen Zweifel gesetzt zu seyn. Beim 
grössten Theile der Fische enthalten jedoch diese Lappen keine 
Höhlen und können demnach nur als den Gebilden des Hirn- 
stammes ‚analog betrachtet werden, aus denen die Hemisphären 
sich entwickeln (Corpora striata, nach Tiedemann, a. a. O.), 
oder, mit anderen Worten, dem grössten Theile der Fische 
fehlen die Hemisphären, an deren Stelle sie nur die genannten 
Rudimente besitzen. Bei den Plagiostomen unter den Knorpel- 
fischen, bei denen diese Partien eine weit grössere Entwick- 
lung erreicht haben, enthalten sie Ventrikeln. Sie sind bei 
ihnen, wie schon Arsaky gezeigt hat, wirkliche Hemisphären 
und müssen als solche für analog mit den vorderen Lappen der 
Hemisphären bei den höheren Thieren gehalten werden. Bei den 
Amphibien und Vögeln giebt es deutliche Hemisphären mit Ven- 
trikeln; aber. bei beiden fehlen die herabsteigenden Hörner und 
die Pedes Hippocampi, oder ,„ mit anderen Worten, die mittle- 
ren Lappen; ihre Hemisphären sind folglich auch den’ vorderen 
Lappen ‚unsers Gehirns analog. Bei allen Säugthieren kommen, 
so viel man weiss, die herabsteigenden Hörner der Seitenven- 
trikeln nebst den P. Hippocampi vor; aber die hinteren Hörner 
dieser Ventrikeln fehlen nebst den hinteren Lappen bei ihnen, 
mit Ausnahme der Quadrumanen. Man nimmt zwar an, dass 
- die hinteren Hörner der Seitenventrikeln bei den Cetaceen und 
Phocaceen vorkämen; aber sie sind bei ihnen so rudimentär, 
dass man.es' mit Recht nicht annehmen kann, dass sie in die- 
ser Hinsicht eine Ausnahme von den übrigen Säugthieren mach- 
ten. So sind auch die hinteren Lappen beim Orang Utang so- 
wohl, als bei den übrigen Quadrumanen, deren Gehirne Hr, R. 
Gelegenheit gehabt hat zu sehen, durch keine eigne, bestimmte 
Furchen: getrennt, wie beim Menschen, aus welchem Grunde 
sie auch als unvollkommen entwickelt betrachtet ' werden kön- 
nen. — Es scheint demnach als ein Naturgesetz anzunehmen 
zu seyn, dass die Hemisphären bei den Säugethieren nur aus 
den vorderen und mittleren Lappen bestehen, und dass der 
Mensch allein mit einem Gehirne ausgerüstet ist, dessen He- 


HET | | A 29 


432 


misphären vollständige, jede für sich beein ori 
begränzte, Lobi anteriores, medii und postici besitzen. 
Nach der gewöhnlichen Weise, den Rang der Organe ich 
deren fräherer oder späterer Entstehung beim Embryo, wie 
auch ihrem Vorkommen bei niedreren oder höheren Thieren, 
abzuschätzen, würden die vorderen Hemisphären die niedrigste, 
die mittleren die folgende und die hinteren die höchste, Stufe 
einnehmen. Aber dies scheint im Widerspruche 'mit der schon 
vor alten Zeiten gemachten Erfahrung zu stehen, dass der Vor- 
dertheil des Kopfes die vornehmsten Seelenkräfte darbietet. 
Ein solcher Widerspruch zwischen einem auf klare anatomische 
Thatsachen gegründeten Satze und einer ällgemein als richtig 
anerkannten Erfahrung kann schwerlich anders, als scheinbar, 
seyn. Hr. R. war nämlich der Meinung , dass der Unterschied 
in der Entwicklung jedes Hemisphärenlappens von dessen An- 
fang an bis zu seiner Vollendung, gleichwie von seiner nie- 
drigsten Thierform an bis zum Menschen hinauf, unberechenbar 
gross sei, auch die Ausmittlung seiner funetionellen Grundbestim- 
mung in demselben Maasse schwierig, je vollkommner der Theil 
entwickelt sei. Der Rang der Seelenkräfte dürftedemzufolge 
am richtigsten nach ihrer Lage oder ihren vellkommneren Ent- 
wicklungsgraden zu bestimmen seyn. Da ohne allen Zweifel die 
Hemisphären des grossen Gehirns der Sitz der höheren Seelen- 
kräfte seien und jede der letzteren nach aller Wahrscheinliech- 
keit ihren Theil von dem Organ einnehme, so hielt Hr. R. es 
für annehmlich, dass die Anzahl dieser höheren Seelenkräfte, 
wie die der Hauptabtheilungen der Hemisphären, drei, einer 
für jeden Hemisphärenlappen, sei. Hiermit im Zusammenhange 
scheine man annehmen zu können, dass die Plagiostomen unter 
den Knorpelfischen nebst den Amphibien und Vögeln im Be- 
sitze nur einer, die Säugethiere zweier, und der Mensch aller 
drei seien. Diese psychischen Elemente nach der Abstraction der 
Verrichtungen der übrigen Gehirntheile näher zu bestimmen, 
würde eins der grössten Probleme unserer Zeit seyn, wozu je- 
doch scharfsinnige Naturforscher und Phrenologen unzählige 
Materialien bereits gesammelt hätten. — Carus hat neulich 
auf eine geistreiche Weise die ausgedehntere Bedeutung der 
drei Gehirnabtheilungen, welche die sogenannten Wirbelknochen 
des Schädels bestimmen, entwickelt, die Hemisphären nämlich, 
die Corpora quadrigemina und das Cerebellum. In die vorderste 
derselben hat er die Intelligenz (‚‚das Vermögen des Erken- 
nens“), in die mittlere das Gefühl (,„d. V. d. Fühlens“), n 
die hintere den Willen (‚‚d. V. d. Wollens“) verlegt und auf, 


433 


diese Basis ein neues System der Cranioscopie gegründet. Die 
Richtigkeit der Prineipien, welche diesem Systeme zum Grunde 
liegen , anerkennend muss man doch annehmen, dass die Form 
des Schädels beim Menschen zunächst durch die Entwicklung 
der drei Lappen der Hemisphären bestimmt wird. Hierin sieht 
jedoch R. keinen Widerspruch gegen Carus’s System, da man 
annehmen muss; dass die Elemente für dieselben Kräfte in un- 
gleichen Entwicklungsgraden eben so wohl in die Functionen 
des Rückenmarks,. wie in die des Gehirnstammes und .der He- 
misphären Zutritt: finden. Ohne 'eine solche Annahme würde 
man es:nicht erklären können, wie es möglich wäre, dass ein 
Wirbelthier, wie der \Amphioxzus lanceolatus, jeder Spur von 
Hemisphären sowohl, .als Corpora quadrigemina und Cerebellum 
ermangeln könnte. ; Ferner muss man annehmen, dass dieselben 
Elemente sich in noch niedrigerm Grade in dje Centralganglien 
bei den wirhellosen Thieren niedergelegt finden, so wie, dass 
sie zu ihrer höchsten Vollkommenheit entwickelt in den Gehirn- 
hemisphären des Menschen existiren. 

Hinsichtlich der Entwicklung des Bogens (Fornix cerebri) 
glaubte Hr. R. theils zufolge Tiedemann’'s Darstellung (a. 
a. O.), theils aus eigner Erfahrung darthun zu können, dass 
dieser anfänglich nur der hintere untere Rand jeder Hemisphäre 
sei, weleher vorn an der Stelle, an weleher seine Schenkel vor 
dem dritten Ventrikel aufsteigen, befestigt sitze, unddass dieser 
Theil mit Recht als innerer: unterer Theil der Hemisphärensäcke 
betrachtet: werden könne: Hr. R. zeigte 'eine Zeichnung von dem 
Zustande. des: Bogens‘ im :dritten und fünften Monathe beim 
menschlichen Embryo vor, in‘welcher Zeit die Hemisphären 
noch dünn und die :Seitenventrikeln gross sind, welchem: Ver- 
halten zufolge diese Entstehung und anatomische Bedeutung des 
Bogens leicht zu Tage gelegt werden kann, wenn die Untersu- 
chung auf die oben angegebene Weise bewerkstellist wird, wäh- 
rend das Organ vollkommen frisch ist, und die Section unter 
starkem Weingeiste vorgenommen wird. 


Die auf Tafel IV. B. beigefügten Zeichnungen stellen die Ent- 
wicklung der Gehirnhemisphären beim Menschen während der 
drei Perioden für die: Se ihrer ABI dar. Die Buchsta- 
‚ben bezeichnen: 

a den Lobus anticus, Ö L. role. e L. posticus, e den 
Thalamus nervi f die Corpora quadrigemina, 4 das Ce- 
 rebellum. IE Au, 


29% 


434 


Fig. 1. Erste Periode; das Gehirn eines Embryos im drit- 
ten Monathe, mit nur den vorderen Lappen der Hemisphären. 

Fig. 2. Zweite Periode; das Gehirn eines Embryos im 
vierten Monathe, in welchem sowohl die vorderen, als die mitt- 
leren Lappen gebildet sind, von den hinteren‘aber erst ein 
schwaches Rudiment, ec, vorhanden ist. 

Fig. 3. Dasselbe Gehirn mit geöffnetem linkem Seikernbei 
trikel, um das herabsteigende Horn mit dem Pes Hippocampi, wie 
auch die Einbuchtung in der hinteren Wand, welche das Rudi- 
ment zum hintern Horne und dessen Lappen bildet, zu zeigen. 

Fig. 4. Dritte Periode; lothrechter Durchschnitt der Mitte 
des Gehirns eines neugebornen Kindes, um den sehr entwickel- 
ten hintern Lappen und die Vertiefungen, welche denselben an 
der innern Seite vom Lobus medius scheiden, zu zeigen. 


[Cr.] 


In derselben Sitzung der Akademie bemerkte Herr 
Loven, dass das Reichsmuseum schon vor längerer. Zeit 
von dem Hrn. Probst Ekström zwei Exemplare von einem 
sehr merkwürdigen Seethiere empfangen, welche auf der Haut 
einer Haiart, Squalus glacialis, befestigt gefunden worden. 
Von derselben Thierart hat Freiherr M. v. Düben während 
seiner Reise in Norwegen im verflossenen Jahre mehrere Exem- 
plare auf dem Rücken von Squalus Spinax gefunden, so, dass 
sie mit Recht als eine Zubehörde der Haigattung angesehen 
werden kann. Das Thier gehört der Ordnung Cirripedia'pedun- 
culata von der Klasse der Urustaceen und der Gattung Alepas 
Rang an. Die wenig bekannten Arten dieser Gattung, z. B. 
A. parasitica, welche auf der Scheibe einer Medusa lebt, A. 
minuta, welche die Stacheln einer Cidaris bewohnt, und eine 
oder die andere unbeschriebene Art auf Anneliden, zeichnen 
sich von allen übrigen Lepaden dadurch aus, dass ihre äussere 
Hülle, welche man bisher Schale genannt hat, und welche ei- 
gentlich eine Ausbreitung eines der Kopfringe ist, vollkommen 
weich ist und der Schalenstücke ermangelt, welche bei den übri- 
gen Gattungen immer mit einer gewissen Regelmässigkeit vor- 
handen sind Dieser Knochenmangel und diese Weichheit:.er- 
streckt sich bei unserer neuen Art auch auf die Extremitäten, 
Mundtheile und Beine, deren Glieder ‚ganz undeutlich und der 
Borsten und anderen härteren Theile, welche sonst niemals zu 


435 


fehlen pflegen, beraubt sind; und der ganze Bau zeigt diese 
unvollkommne, beinahe zur Monstrosität zurückgehende Bildung, 
welche jederzeit den Parasitismus begleitet, und, wie es schei- 
nen will, in um so stärkerem Grad je höher das Thier organi- 
sirt ist, auf welchem der Parasit lebt. 


Die neue, auch durch ihre Grösse ausgezeichnete Art mag 
erhalten den Namen i 


Alepas squalicola n. 
Tab. II. 


A. involucro hiante atrocaeruleo, pedibus muticis, pedunculo laevi, 
clavato. Long. sine pedunculo 30 m.m. 

Corpus (thorax et abdomen, Fig. 2. a) validum, compressum, antice 
erassius, gibbum, cute tenui tectum, in articulos septem haud 
indistinete divisum, versus posticam finem sensim graciliores, 
quorum sex pediferi, septimus vero (b) in caudam conicam de- 
flexam productus. — Pedes (Fig. 4.) per paria sex dispositi, 
molles, parte basali crassi, dein bifidi, teretes, rugosi, articu- 
lis distinetis nullis; quarti validiores. — Branchiae, quantum 
video, nullae. — Os in apice processus rostriformis (c) situm, 
ante pedes primarios longe producti, labro munitum inferiore 
(Fig. 5. a), semiorbiculari,, emarginato, et pedum paribus qua- 
tuor, quorum primi et secundi (b, c) liberi, simplicissimi, mu- 
tici, tertii (d) praeter apicem toti adnati, quartı (e) vix distin- 
guendi, omnes vero e cute communi corporis efformati, molles, 
ınutili, inutiles. — Capitis reliquae partes, utin Lepadibus sem- 
per, in pedunculum (Fig. 1. a) mutatae et involucrum (b) (sit 
venia verbo) I. scutum cephalicum, quod testam in congeneribus 

appellant. Cutis enim thoracis, ante processum buccalem, un- 
dique reflexa et adscendens, (Fig. 2. e) involucri paginam in- 
ternam format, tum ad marginem ejus replicata, tenacior facta, 
subcornea et pellucida (f), iterum undique descendit, pedun- 
culo ex omni parte obducta. Omnino flexilis est, sed immersae 
sunt particulae sparsae calcareae dendriticae minutae (Fig. 6.), 
centra dicas calcificationis inchoatae. Continet involucrum sub 
cute utringne stratum pigwmenti atropurpurei, et stratum medium 
musculare (Fig. 2. g), quod versus basin sensim validius ex 
parte in musculum abit magnum, transversum, basalem (h), ex 
parte vero in tunicam muscularem peduncüuli continuatur. Hic 
vero, in nostris speciminibus brevis, in aliis productior, non ova 
continet sed telam densam, quasi cavernosam (d), fibris varie 

‚decussatis contextam. —- Ova numerosissima, alba, in laminam 


436 


foliaceam magnam (Fig. 2.k), saepe duplicem (Fig. 1:c; 3.'k), 
eongesta triplici strato, intra involuerum corpus eingentenm, ex 
omni fere parte liberam, nee nisi ad imam basin affızam, ubi 
lobo adhaeret (Fig. 2. 1. Fig. 7. 8.) e collo utrinque produeto, 
subquadrato, limbo revoluto, undique clauso. — Porus utringue 
pone pedem primarium (Fig. 2. m); an'vaginae orificium? 

Habitat in Squalo maximo et Spinace maris septentrionalis, pedunculo 
cuti ejus immerso. 

In tab. IH. fig. 1:ma animal repraesentat integrum, 2:3 secundum lon- 
gitudinem fissum, ut sectione involucri, pedunculi, laminaeque 
ovorum corpus appareat, in quo tamen ‚pedes lateris aversi 
omissi. Pro reliquis vide supra. , | 


[Hsch.] 


In der Sitzung am 12. März 1845 berichtete Hr. Loven in 
Hrn. Sundevalls und eigenem Namen über die in der letzten 
Sitzung ihnen übergebene Abhandiung des Freiherrn M.v. Dü- 
ben und des Drs. Koren, enthaltend eine kritische Uebersicht 
der bisher an den skandinavischen Westküsten gefundenen Echi- 
nodermen, mit Beschreibungen über mehrere neue Gattungen und 
Arten. Den ersten Entwurf zu dieser Arbeit hatten die Verfas- 
ser schon im verflossenen Jahre mitgetheilt (S. d. Arch. H. 1. 
S. 166.), aber eine nähere Untersuchung der neueren Literatur 
des Gegenstandes und die Verzleichung der Vorräthe des Reichs- 
museums von Bohuslehn und Finmarken hatten später dabei 
solehe Aenderungen und Zusätze veranlasst, dass die Fauna des 
Nordens, innerhalb dieser Thiergruppe folgendes Ansehen erhält. 


Crinoidea. 


"50, comptessiusculis; articulis 11—14, parum longioribüs quam 
latis; brachiorum syzygiis plerisque 4-artieulatis; pimnulis (in 
quoque latere) sub-50, quarum intima filiformis ‚' longissima, 
tertiam plus duplo superans. — Hab. ad Bohusiam Sueciae, et 
Egersund, Söndfjord Norvegiae. 

2. A. Sarsii D. & K.—Comatula mediterranea? Sars, eitris dorsum 
totum obtegentibus, sub-40, tenuibus, compressis, articulis 
13—20, quorum longissimi (4—6) triplo Iongiores quam Iati, ul- 
timo biunguiculato; brachiorum syzygiis plerisque 4-articulatis; 
pinnulis sub-40, quarum intimae 4—5 filiformes, sequentibus 


437 


© duplo ‚longiores. — Hab. ad; Norvegiam a Bergen ad Tranöe 


el: 


14. 


15, 
16. 


17. 
18. 


19. 
20. 
21. 


. Finmarckiae. 


Asteridea. 
a) Ophiurae 
Astrophyton Linckii M. T. — Boh. — Norv. 
A. Lamarckii M. T. — Norv. — Finm. 


 Asteronyx Lovenii M. T. — Boh. — Finm. 


Ophiolepis ciliata Retz. — Fret. Öresund. — Finn. 

O. squamata D. Ch. — Christianssund. 

O0. filiformis 0. F. M. — Öresund. — Christianssund. 

O. scolopendrica Linck. — Ösd. — Fm. 

0. Ballii Thomps. — ‚‚Havbroen‘‘“ extra oras Norvegiae, commı. 
Rasch. : 

Ophiocoma bidentata Retz. — ‚‚Norvegia. 

O. nigra O. F.M. — Ast. tricelor Retz. = 0. Nilssonii M.T. — 
‚Boh. — Norv. 

Ophioscolex purpurea D. &K. —= O0. glacialis® Arch. Heft 1. 
p- 167. Spinis brachiorum ternis, diametrum brachii sub- 
aequantibus, sub epidermide tenui minute granulosis. Color 
intense purpureus; diam, disci 12 mm., longit. brach. 36 mm. 
— Bergen. 

Ophiopeltis D. & K.n. g. 
Rimae genitales inter brachia binae. Os papilliferum. Discus 


‘omnino nudus et cute molli tectus, exceptis scutis binis elongatis 


ad radios brachiorum. Brachia vero squamata, absque omni mol- 

liori integumento. Squamae ad poros tentaculares nullae. 

Ophiopeltis securigera D. & K. n. sp.; brachiis longissimis (dia- 
metrum disci 12—15cies superantibus); spinis brachiorum ter- 
nis, intermedia apice dilatata in formam securis ancipitis et 
acute dentati. Color disci olivaceo- virescens, brachiorum ca- 
staneus 1. rufus. — Stavanger. 

Ophiothrix fragilis 0. F. M. — Boh. — Norv. 

Ophiacantha spinulosa M. T. — Lofodden. 


b) Asteriae. 


Asteracanthion glacialis L. — Boh. — Christiausund. 


A. Mülleri Sars, praecedenti valde affinis, sed forte distinetus. 


— Bergen. — Fm. 
A. rubens L. — Öresd. — Fm. 
A. roseus ©. F. M. — Boh. — Cheistiansd. 
Echinaster oeulatus Liuck. minor = Ast. seposita Retz. (non 


| 
Se 
438. >, 
M. T.) = E. sanguinolentus O. F. M. Sars (non Retzius) 
=E. Sarsii M. T.; major = Ast. pertusa 0. F. M.O. Fahr. 
— Öresd. — Fm. 
22. Solaster papposus L. — Öresd. — Fın. u 


23. S. endeca L. — Öresd. — Fm. 

24. 8. furcifer D. &K. diametro minore ad majorem (in 21, pollicari) 
— 1:3; radiis 5 latis, depressiusculis; penicillis in dorso se- 
riafis, serie extima marginali. reliquis majore; spinulis peni- 
cillorum planis 1. triquetris, apice bi-trifurcatis; ‚poris tenta- 
eularibus 1—4nis; spinis inferne secus ambulacra ternis, dein 


fransverse pectinatis. Color lateritius, subtus albus. — Bergen. 
25. Pteraster militaris O. F. M. — Norv. 
26. Astrogonium phrygianum Parelius. — Boh. — Fm. 


27T. A. granulare O. F. M. — Boh. — Fun. 

28. Asteropsis pulvillus 0. F. M. — Boh. — Norv. 

29. Astropecten Mülleri M. T. et D.& K.l. c. p- 167. 

30. A. Andromeda M. T. — A. Christi D. & K. l. ec. Parelius A. 
Nidr. IV. — Boh. — Bergen. 

31. A. Parelii D. &K. — Parelius A, Nidr. IV. t. 14. f. 3—4. Si- 
nubus inter brachia rotundatis; diametro minore ad majorem 
(in 4-pollicaribus)—1: 21; scutis marginalibus 30, inermibus, 
granulosis, spatio paxillifero sublatioribus; granulis in inferiore 
latere sensim abeuntibus in spinulas complanatas. Col. intense 
sanguineus. — Boh. — Christsd. 

32. A tenuispinus D. & K. radiis angustis, attenuatis, margine alto, 
interjectis sinubus late rotundatis, diametro minore ad majo- 
rem (in sesquipollicaribus) — 1:4; scutis marginalibus 18, ar- 
matis spinulis raris. quarum in medio eminet 'spina longior, 
cylindrica, setacea; spinis in ambitu scuti cujusque ambula- 
cralis 8, in medio unica, longiore et fortiore. — Boh. — 
Christsd. 

33. Otenodiscus crispatus Retz. — C. polaris M. T. — Christsd. 

34. Luidia fragilissima Forb. var. quinqueradiata (— L.SarsiiD.&K. 
l. c. p. 167) vulgaris ad Bohus. et Norvegiam; septemradiata 
rarissima, Boh. 


Echinodea. 
a) Cidarites 
35. Cidaris papillata Leske, Filmg., Forb. — Ech. 'cidaris L. F. 
Sv.—= K& eidaris? var. « Sow = C. hystrix Sars —= C. bo- 
realis D. & K. 1. c. p. 167. — Norvegia. 
36. Echinus esculentus L. — E. sphaera ©. F.M. Forb. 18 = E. 


3 


globiformis Lamck. — Boh. — Fm. 


37. 
38. 
39. 
40. 


41. 


42, 


43. 
44. 


AT, 


48. 


49. 


50. 


439 


Echinus Flemingii Forb. — Boh. — Bergen. 

E. norvegicus D. & K: 1. c. p. 168. — Boh. — Christsd. 

E. elegans D. & K. 1. c. — Bergen. 

E. virens D. & K. =E, wiliaris Blainv. non Lamek,, Forb., 
Ag. =E. miliaris Lamck? D.& Kl. e p- 168. — Boh. — 
Norv. Ä 

E. neglectus Lamck., Forb., Ag. = E. Dröbackensis O. F. M, 
—E. eseulentus Sv. Zool. = E. lividus Lamck? D. & K.l. 
c. p. 168. — Boh. — Norv. 


b) Clypasteriae. 
Echinocyamus angulosus Leske = Spat. pusillus ©. F.M. — 
Kullen. — Christsd. 
c) Spatangi. 


Biissus lyrifer Forb. — Boh. — Bergen. 


.B. fragilis D.& K. — B. canaliferus Lamck? D.&K. lc. p. 


168. late cordato - ovalis, postice carinatus, gibbus, antice de- 
pressus, sulco profundo et longo excavatus; ore prope margi- 
nem, vertice longius pone medium; ambulaeris cinetis linea 
dorsali flexuosa, postice duplicata; lateralibus praelongis; po- 
sticis fere triplo brevioribus. — Bergen. — Finmarkia. 

Amphidetus ovatus Leske, Flmg., Ag.. Desm. (non Sp. ova- 
tus Lamck.) = Sp. flavescens OÖ. F. M.Z.D.I., textu danico! 
(non Abildg.) = A. roseus Forb. — Boh. — Christsd. | 

A. cordatus Penn., Forb. — Sp. lacunosus ©. F.M. Z.D.1, 
textu danico! (n. Linnaei) = Sp. flavescens Abildg. (non 
:0. F. M.) = Sp. arcuarius Lamck., Blainv., Desm., Gldf. 
— Öresd. — Lofodden. 

Spatangus purpureus O. F. M. — Boh. — Finm. 


Holothuriacea. 


2) Pedata. 


Cucumaria frondosa Gunn. — H. pentactes Abildg., Vahl 
Sars. — Bohus. — Fm. 

C. assimilis D. & K., brevis, crassa, hinc albida, illine fusco 
tincta; tentaculis 8 majoribus, 2 minoribus. Laminae calcareae 
in corpore regulares, crassae, foraminibus in quincuncem dis- 
positis, margine quasi interruptae; in tentaculis et pedum la- 
teribus elongatae, irregulares, medio latiores. Long. 3 lin. — 
Christed. 

C. lactea Forb. — ie 


440 


51. C. Hyndmami Forb. — Boh. — Bergen. un. 7 wm 
52. C. elongata D, & K., elongata, utrinque atfenuata; cute (Brise- 
scenti?) coriacea, dura, opaca, squamis minutissimis scabra; 
pedibus rigidis, non retrahendis, conicis, versus utramqüe cor- 
poris extremitatem in singulo ambulacro unicam seriem flexuo- 
sam occupantibus. — Bohusia. i 
Thyonidium D. & K.n. g. 
Corpus cylindricum, elongatum. Pedes per totam see 
magis I. minus sparsi, ita tamen, ut secundum series 5 longitu- 
dinales praecipue aggregentur. Tentacula 10, frondoso -ramosa, 
per paria approximata, quibus (an semper?) interjacent totidem 
paria tentaculorum triplo breviorum. Annulus calcareus oris sur- 
sum emittit processus decem elongatos, quorum alterni latiores, 
bifidi. Tubi genitales divisi. 

53. 'Thyonidium (Holothuria) pellucidum Vahl, Flmg. = Cuc.hya- 
lina Forb. — Öresd. — Nordlandia. 

54. Th. (Cncumaria) commune Forb. — Cuc. Drummondi, Thyono 
Portlockii Forb. — Öresd. — Norv. 

55. 'Thyone Fusus O. F. M. —= Hol. penicillus ©. F. M. (annulus 
oris) — Hol. papillosa Abildg. — Boh. — Bergen. 

56. Th. raphanus D. & K., curvata, antice crassa, extremitate po- 
stica subito attenuata, elongata; cute crassa, dura, scabriuscula, 
albescente. Long. 1—1; pollicaris. — Bergen. — Christsd. 

57. Cuvieria phantapus Strussenfelt. — Öresd. — en 

58. C. squamata O. F. M. — Bergen. 

59. Holothuria tremula Gunn. ar —H. elegans 0. F. M. — Boh. 
— Christsd. 

90. H. intestinalis Ascan. = H. mollis Sars. — Boh. — Finm. 


b) Apoda. 
61. Symapta inhaerens O. F. M. — H. digitata Mont. — Öresd. — 


Bergen. 
[Hsch.] 


in derselben Sitzung erstattete Hr. Retzius im eigenen 
und Hrn. Lovens Namen Bericht über Hrn. Sundevalls 
ihnen übergebene Abhandlung, betitelt: „Methodische Uebersicht 
der wiederkäuenden Thiere. ‚‚Der Vf. beginntmit einer historischen 
Zusammenstellung der Systematik dieser Thierordnung und geht 
hernach zu einer näheren Beschreibung der Hörner über, wovon 


Be 


441 


die meisten Schriftsteller die’ Kennzeichen für Gattungen und 
Arten entnehmen. Dieser Einseitigkeit haben schon früher 
Mehrere, und besonders Ogilby, angefangen abzuhelfen, und 
der Vf. will weiter dazu beitragen. Er glaubt alle Abtheilungen 
und Gattungen der Ordnung ohne Hülfe der Hörner characteri- 
siren zu können, und giebt von andern Theilen entlehnte, hin- 
reichende Unterschiede zwischen ihnen allen an, jedoch mit 
Ausnahme der zwei grössten Hauptgruppen, nemlich derjenigen, 
welche jährlich abfallende und der, welche beständig fest- 
sitzende Hörner haben. Durch die Form aller anderen äusse- 
ren Theile gehen diese beiden Hauptgruppen so ineinander über, 
dass die Hörner zu Hülfe genommen werden müssen um be- 
stimmte Grenzen zu erhalten. Beide Arten von Hörnern werden 
beschrieben und verglichen. Es wird von ihnen gesagt, dass 
sie im Anfang blosse warzenähnliche Hautbildungen seien, um 
welche die Haare mehr oder minder deutliche Wirbel bilden. 
Diese Warzen und Wirbel finden sich immer bei den Jungen 
und bei den Weibchen deren Männchen Hörner haben, fehlen 
aber bei den vollkommen hornlosen Gattungen Moschus und 
Camelus L. 

Mit noch .grösserer Weitläufigkeit beschreibt der Vf. die 
Klauen (ungulae), welche ihm die hauptsächlichsten Charactere 
zur Unterscheidung der Familien abgeben. Um den Begriff 
Huf oder Klaue (sabot, ungula) festzustellen , werden hier alle 
die ungleichen Arten von Füssen, welche bei den Säugethieren 
vorkommen, verglichen. Zuerst wird bemerkt, dass die ge- 
wöhnliche Definition von Hufen (‚‚dass sie das ganze Nagel- 
glied umschliessen‘) unzureichend ist, da dieselbe auf wirkliche 
Klauen .bei vielen Thierarten passt, und kaum für die Kameele 
und die meisten Pachydermata kann angewendet werden. Da- 
gegen wird gezeigt, dass der rechte Unterschied zwischen AHu- 
fen (ungulae) und Klauen und Nägeln (ungues) ist, dass die 
letzteren von einer dünnen Wurzel unter einer Hautfalte ent- 
stehen, die ersteren im Gegentheil an der Basis ganz unbedeckt 
und sogleich dick sind. Die ee en ar eo 
Art eingetheilt: 

1.: Hufthiere (ungulata), welche Hufen nach der eben gege- 
benen Definition haben und . mit: einer 'hornartigen Trittflöche 
unter dem‘ Fusse versehen sind. Sie sind: 

a) Unguligrada, mit vollkommenen Hufen, treßikie ‚die 

Trittfläche einschliessen, so dass das Treten allein 

"auf das letzte Zehenglied geschieht. Hierher gehören 
das Pferd, Schwein und die meisten Pecora. 


442 


b) Digitigrada, bei welchen die Trittfläche hinter dem 

Hufe, unter dem mittelsten Fingergliede und dem 

Ende des ersten liest. Solche sind das Kameel und 

die Belluae, ausser Sus L. — Hyrax ist eine abwei- 

chende, mit wirklichen Klauen versehene Gattung. 

2. Klauenthiere (unguieulata), mit Klauen, welche. die 

Spitze des Nagelgliedes mehr oder minder umschliessen. Die 

Trittfläche ist voll Warzen und ganz von den Klauen geschie- 

‚den. Ein solcher Fuss wird Tatze (Podium) genannt. Die 
Klauenthiere sind wieder zweierlei Art: | 

a) Digitigrada, mit schmaler Tatze, welche ki einen 

einzigen gemeinsamen Trittknollen unter der Spitze 

des metatarsus (metacarpus), und einen unter der 


Spitze jeder Zehe hat. Solche sind. die meisten ° 


Raubthiere und einige wenige Nager: Lepus, Dipus 

u. Ss. w. vi 
b) Plantigrada, mit breiter Tatze und bis zur Ferse aus- 
gedehnter Trittfläche. Oft kommen mehrere geschie- 
dene Trittknollen vor, und im Uebrigen finden sich 
viele Abänderungen. Hierher gehören einige wenige 
Raubthiere, und die meisten Glires, Bestiolae und 

die Marsupialia. | 

3. Handthiere, mit Händen. Hr. S. findet die früher ge- 
gebenen Definitionen von der Hand unzureichend, und giebt selbst 
eine neue. Hand ist nemlich eine Extremität, welche statt der 
Trittfläche die andere (d. ist innere) Seite von dicht liegenden 
eingedrückten Streifen bedeckt hat, welche an gewissen Stelleu 
Wirbel bilden. Diese Struktur zeigt an, dass die Hand nicht 
ein blosses Tretorgan, sondern ein Empfindungsorgan ist und 
die Wirbel scheinen gerade die feinfühlendsten Stellen anzuzei- 
gen. Bei dem Menschen liegen sie unter den Fingerspitzen. 
Bei den Vierhändern (auch bei Tarsius, Otolicnus u. m.) finden 
sie sich blos unter der flachen Hand selbst. Ausser bei dem 
Menschen und den Vierhändern finden sich Hände allein bei 
Didelphis und Phalangista (mit Petaurus), oder den Beutelthie- 
ren, welche wirkliche, entgegengesetzte Daumen haben.‘ Der 
Fuss des Menschen erhält nach dieser Definition den Character 
einer Hand und nicht einer Tatze, aber er gehört zu den am 
wenigsten ausgebildeten Arten der Hände. Blos wirklich -aus- 
'gebildete Hände zeichnen sich durch die von Is. Geoffroy 
angegebene Eigenheit, gegen die flache Hand niederbiegbare 
(greifende) Finger zu haben, aus; und wo der Daumen ausser- 
dem von den übrigen Fingern getrennt ist wird er entgegensetz- 


443 


bar; aber oft'ist er es nicht, wie bei Hapale und Cebus, und 
bisweilen fehlt er, wie bei Colobus und Ateles. 

4. ' Flügelthiere (Chiroptera) mit Fingern von der Länge 
des Körpers. Galeopithecus ist ein wirklicher Lemur, gleich 
wie Pteromys ein Seiurus ist. Keiner von beiden gehört Bichker. 

5. Schwimmthiere ohne bestimmte Trittfläche ete. (Phoca- 
cea, Cete). 

Eine etwas ausführlichere Beschreibung der Klauen der 
wiederkäuendeu Thiere folgt, wovon wir hier bios anführen, 
dass’ sie hauptsächlich Ungleichheiten in der Breite, in der 
Ausdehnung nach hinten und in der Ausbildung der Sohle zei- 
sen. Bei einem Theil, z. B. den Gazellen (Antilope) ist der 
Huf gross und springt nach hinten in eine niedrige, gleichsam 
‚niedergetretene Ferse vor, so dass sein ganzer Umfang weit 
grösser ist, als selbst der der Fingerglieder, ja sogar grösser, 
als der des Zwischenfusses (metatarsi). Es ist die Ausbildung 
der Fusssohle, welche diese Ausdehnung verursacht; denn die- 
selbe ist gross, platt und nach hinten convex hervortretend, wie 
ein Polster, hinter dem eigentlichen Nageltheil des Hufes. Es 
ist bemerkenswerth, dass diese Hufbildung denjenigen. wieder- 
käuenden Thieren zugehört, welche in Wüsten und Steppenlän- 
dern leben. Diejenigen Familien, welche meist Wälder und 
srasige Haine bewohnen, nemlich die Hirsche und Waldböcke 
(Sylvicaprina, siehe unten) zeigen: dagegen eine andere Fuss- 
bildung. Ihr Huf ist nemlich ganz klein und schmai. Die Sohle 
liegt,‘ wenigstens nach hinten zu, innerhalb des Nageltheiles 
des Hufes eingedrückt, so dass der ganze Huf nicht nach hin- 
ten vorspringt und sein ganzer Umfang nicht grösser wird, als 
die Dicke der Finger selbst. Die Hufen der ochsenartigen 
Thiere, welche im allgemeinen sumpfige Stellen lieben, zeigen 
eine Art Zwischenform, sind aber sehr breit, zugerundet. Die 
übrigen speciellen Verhältnisse, welche in der Abhandlung an- 
geführt sind, müssen hier übergangen werden. 

Auch von den falschen Klauen (Ung. spuriae) erhält man, 
wie es scheint, gute COharactere bei der systematischen Auf- 
stellung. Die Form des Haares wird bei den meisten Familien 
oder Gattungen angeführt und zeigt viele, sehr characteristische 
Verschiedenheiten. Der Vf. erwähnt ferner der Form der Nase 
und der drüsenartigen Organe, auf welche, sich derselben als 
Charaetere bedienend, neuere Schriftsteller viel Gewicht gelegt 
haben, glaubt aber gefunden zu haben, dass sie nicht von grö- 
sserem Werth in dieser Hinsicht sind, als andere Theile, wel- 
che es auch seien, und warnt ausserdem vor der allzu oft ge- 


444 


bräuchlichen Art, Theile als zoographische Kennzeichen zu 

benützen, welche an den gewöhnlich vorkommenden Thier- 

Exemplaren nicht untersucht werden können, z. B. interdigital- 

Drüsen, welche weder am lebenden und getrockneten Exemplar 

gesehen werden Fee sondern blos am frischen, getödte- 

ten Thier. 

Der geographischen Vertheilung wird ein eigenes Kapitel, 
welches durch eine Tabelle erläutert wird, gewidmet. Die Pe- 
cora fehlen ganz in Australien und auf Madagaskar. Das Ne- 
gerland, oder Afrika südlich der grossen. Wüste ist unter allen 
Erdtheilen am reichsten an Arten dieser Ordnung und wird 
durch die Giraffen und Waldböcke characterisirt, Diese ersetzen 
die Hirsche, welche dort vollständig fehlen, obgleich sie sich 
in allen andern Erdtheilen finden. In Nordafrika kommen keine 
Waldböcke vor und ausser diesemErdtheil findet sich bloss eine 
Art davon, nemlich der indische Tetraceras, dessen Männchen 
vier Hörner hat und dessen Weibchen von Fr. Cuvier unter 
dem Namen Cervus labipes beschrieben worden. — Die Ka- 
meele und Gazellen (Antilope, subg. Gazella) characterisiren 
den ungeheuern Wüstengürtel, das Nomadenland, welches vom 
Senegal bis zum japanischen Meer die nördlichen und südli- 
chen Theile des alten Continents trennt, und welches Eigen- 
heiten genug zeigt um in naturhisterischer Hinsicht als ein ei- 
gener Erdtheil N werden zu müssen. Die zoologische 
kalte Zone zeichnet sich durch ein Paar Arten,:;Elenn- uud 
Rennthier, aus, welche rund um die Erde gefunden werden. 
Die Hirsche im alten Continent und in der kalten Zone, auch 
in Amerika, haben einen Haarbüschel auf der äusseren Seite 
des Hinterfusses, zunächst unter dem Tarsus, aber sie schei- 
den sich nach der Beschaffenheit des Haares in nördliche und 
südliche. Die in Amerika ausser der kalten Zone,: haben da- 
gegen einen Haarbüschel auf der inneren Seite desselben Tar- 
sus. Hienach stellt der Vf. folgende geographische Paralle- 
len auf: 

Das Negerland, zeichnet sich durch die grösste Anzahl Pecora, 
Giraffen und Waldböcke aus; keine Hirsche; 

Das südliche Asien, durch Hirsche mit äusserem Büschel am 
Tarsus und kurzen, stachlichen Haaren; 

Der nördliche Theil vom alten Continent und die ganze kalte 
Zone, durch Hirsche mit äusserem Büschel am Tarsus und 
zerbrechlichen Haaren; 2 

Amerika, ausser der kalten Zone, durch Hirsche mit innerem 
Büschel am Tarsus; a 


445 


Australien (und Madagaskar?) durch Mangel an Pecora. 

Die Grundzüge der systematischen Aufstellung sind fol- 

Brade: | | 

'Cohors 1:ma Pecora Unguligrada. 

Fam. 1. Camelopardalina, cornibus persistentihus, eute 
villosa tectis; ungulis latis, postice Ban spurüs nul- 
 lis, etc. 

1 Camelopardalis Schr. 1 sp. 

Fam. 2. Cervina, cornibus deciduis nullisve; labro non sul- 
cato; ungularum solea impressa, postice non prominula; un- 
Eu spuriis majusculis, a © (vel apice tritis; — 
Prox solus differt ). 


2 Alces H. Sm. 1 sp. 6 Prox Og. 6 sp. 

3 Rangifer H. Sm. 1,C. 7 Moschus L. 1. 
tarandus L. S Tragulus Pall 4. (Tr. 

4 Cervus L. 31. memina, pygmaeus). 

5 Capreolus H. Sm. 2. sp. inc. 


(C. europaeus.) 

Fam. 3. Sylvicaprina, cornibus persistentibus, corneo-vagi- 
natis (bovinis); labro sulcato; rhinario late nudo; ungulis 
parvis, non postice prominulis; spuriis parvis nullisve, etc. 
9 Tetraceras Leach, 1. sp. 12 Neotragus H. Sm. 1. 

10 Tragelaphus Blv.5 (typ. 13 Nanotragus n. g. 1. 


A. sylvatica). (A. spinigera). 
11 Sylvicapra Og. 9. (A. 14 Calotragus n. g. 4. 
mergens). (A. tragulus). 


Fam. 4. Hippotragina, cornibus bovinis; labro sulcato; rhi- 
nario nudo; ungulis majusculis; u. spuriis magnis, trans- 
versis. 


15 Cervicapra Blv. 7, 18 Bubalus Licht. 6, 
A. redunca. caama, pygargus. 
16 Strepsiceros H. Sm. 1, 19 Damalis H. Sm. 1, 
S. excelsus (A. Str.) oreas Pall. 
17 Hippotragus n. 3, 20 Portax H. Sm. 1, 
A. equina. tragelaphus Pall. 


Fam. 5. Bovina, cornibus bovinis; labro lato, non sulcato ; 
ungulis majuseulis; u. spuriis magnis, transversis. (Rhina- 
rium variat.) 

21 Anoa H. Sm. 1. 24 Catoblepas H. Sm. 2. 
22 Bos L. 7. 25 Oryx Blv. 4. 
23. Ovibos Blv. 1. . 


Fam. 6 Antilopina, cornibus bovinis; labro. suleato, angu- 


ı 446 


stato, absque rhinario nudo; BI postice Fre ung. 
spuriis parvis, nullisve. ; oh Pr 
26 Antilope Pall. pars. | 
Subg. typicum, Gazella Blv.7.sp. (Dorcasmaxime yariabilis.) 
Radii generis (A. cervic., euchore, melarBBRR etc.) 6. sp. 
27 a H. Sm. 1 sp. 


Fam. 7. Caprina, cornibus bovinis; labro sulcato; elle 
majusculis; u. spuriis globoso - tumidis. (Rhinarium variat.) 
28 Ovis L. 7 sp. 30 Nemorhedus H. Sm. 4. 

29 Capra L. 11. 31 Oreotragus. 1 sp. 


Cohors 2:da Pecora Digitigrada. 
Tylopoda Ill. 


Fam. 8. Camelina, cornibus nullis; labro fisso ete. 
32 Camelus L. 2. 33 Auchenia ll. 2. 


Alle Arten werden characterisirt. Am Schluss. werden 12 
zweifelhafte Arten von denjenigen ‚angeführt, welche zu der 
grossen, früheren Antilopengatiung gerechnet worden. Andere 
zweifelhafte Arten sind bei ihren Gattungen angeführt. 


Die ganze Anzahl beläuft sich so auf 141 sichere und etwas 
über 20 ungewisse Arten. 


[Hsch.! 


In der Sitzung am 11. Dechr. 1844 theilte Hr. Wahlberg 
über eine, während seiner Reise in Lulei Lappmark im Jahre 
1843, von ihm entdeckte neue Zweiflügler - Gattung folgende 
Beschreibung mit: 


Amphipogon Nov. Gen. 
(e Familia Agromyzidum) 
Nomen ab «ug: utrinque et nuyow barba. 
Tab. IV, A. 


Corpus elongatum, breviter et parcius pilosum. Caput subglobosum, 
postice pone oculos quoque convexum, 'maris sub genis longe 
barbatum. Fertex in utroque sexu latus, setis decem munitus 
cum fronte haud prominule convexus. Epistoma breve, parum 
declive et descendens, non nihil impressum, medio longitudi- 
naliter carinatum, apice late retusum, non reflexum, seta utrin- 
que mystacina elongata. Apertura oris magna, rotundata. Oculi 
subrotundi, majusculi, nudi, fere ante medium capitis positi. 


SE 


744 


‚Antennae oblique deflexae, subsessiles, articulis basalibus abbre- 
viatis, secundo setula minori, tertio suborbiculari, tenuissime 
puberulo, seta sat longa, basali, nuda, Palpi sublineares, nudi. 
Proboscis crassiuscula, apice pilosa. TZ’horax postice et lateribus 
cum scutello parce setosus. Abdomen angustum, 7-annulatum, . 
segmentis 2 analibus maris subglobosis, ultimo appendiculato 
et barbato; feminae in stylum sensim acuminatis. Pedes sub- 


‚ elongati, haud validi, pubescentes; antici coxis longis, femori- 


bus tenue et breviter setosis; intermedii coxis basi nigro- seto- 
sis; in mare omnes structura vel vestitu peculiari insignes. Alae 
incumbentes, oblongae; lobulo basali distincto; nervis longitudi- 
nalibus rectis, auxiliari cum sesundario perpropinguo umbra 
Juncto, tertiam costae partem vix superante, secundo non nihil 
ante apicem, tertio in ipso apice et quarto paullo pone apicem 
alae excurrentibus, quinto usque ad marginem ducto, sexto sub- 
evanescente; transversis quoque rectis, subremotis, medio paullo 
pone apicem nervi auxiliaris, ordinario non longe a margine 
interiori sito. Costa pubescens, parte secunda tertiam triplo 
excedente. Pars secunda nervi longitudinalis quarti parte ante- 
cedente, ut et sequente sesquialtera vice brevior. Squamae sub- 
alares parvae, subincompletae, ciliatae. 

Animalculum insigne, Heteroneurae geomyzinae Fall. et 
Meig. affine et Macrochirae Zett. (Therinae Meig.) forsan 
proximum, Cordiluris e sectione Okeniae Zett. analogum. Mo- 
tus tardior, volatus brevis, habitatio in humidis umbrosis Lap- 
poniae sylvaticae, saepe in fungis terrestribus. 


A. Spectrum n. sp. ferrugineus, nitidus, thoraeis lineis, abdomine, 


4 . . D “eo 
. „seosta alarum, pedum anticorum posticorumque femoribus tibiis- 


que apice et tärsis totis nigricantibus. 2 2. Long. 2 lin. et ultra. 
Habitat in salicetis humidis umbrosis ad radicem alpis Snje- 
rak prope templum Quickjock d. 23. Jul.—8 Aug., nec non in 
Agarico ad inferiorem partem lacus Saggat haud procul a na- 
vaculo Njavi ejusdem paroeciae d. 14. Aug., semper rarior. 
Colore et statura angusta Scatophagae bicoloris, cui femina, 
licet dimidio major, primo aspectu sat similis; mas Cordiluram 
potius refert. Caput fulvescens vertice saturatiori, macula parva 
nigricante. Epistoma pallide testaceum, albo-micans. Seta an- 
tennarum fusca. Palpi pallidi. Proboscis post mortem extensa. 
Abdomen nigro -piceum, nitidissimum, basi, subtus praesertim, 
dilutius. Alae sordide flavescentes, nervis fuscis, interstitio nervi 
auxiliaris et secundarii cum costa fortius infuscatis. Squama 
pallide testacea. Halteres albidi. Mas capitis anique structura 
30 


DAT 0 
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1 5 ö 


448 | in 


insolita nec non pedum formatione et armatura a femina longe 
recedit. Frons pallidior. Genae utrinque sub oculo in carınam 
lateralem elevatae, cui insidet barba densa capitis latera sequens, 
antice interrupta ad epistoma desinens ibique capite longior ma- 
gisque incurva, postice ad oceiput fere continuata et sensim bre- 
vior, extus e ciliis nigris apice fuscis, intus e pilis albis, in 
mortuis saltem flexuosis, mollibus, lanam fere mentientibus for- 
mata. Antennae pallidae. Thorax lineis 2 distantibus, nigro- 
piceis, interstitio cinerascente lineis 2 aliis faseis angustioribus 
in unam fere confluentibus notato; pleuris plus minus piceis. 
Abdomen parce et tenuiter ciliatum, segmentis 2 analibus sub- 
globosis, penultimo subtus filo fusco, ultimo majori, superne 
medio longitudinaliter impresso , subtus antice hamulis 2 fuseis 
a basi latiori atteriuatis, sub ventre inflexis, latere inferiori pal- 
lide pilosis, hamulo dein solitario fusco-testaceo et barba deni- 
que postica utrinque laterali, extus e eiliis longis incurvis ni- 
gro-fuscis, intus e pilis mollioribus albidis formata, capitis fere 
analoga. Segmentorum analium forma et vestitu singulare hoc 
insectum capite velut in utroque apice gaudere videtur. Pedes 
tibiis dimidio apicali subdilatatis; antici coxis albo-testaceis, fe- 
moribus subcrassioribus, piceis, basi tantum et geniculis testa- 
ceis, extus a medio ad basin longius nigro-setosis, tibiis nudis, 
basi testacea excepta piceis, metatarsis subtus breviter nigro- 
barbatis; intermedii toti testacei, coxis prope apicem latere in- 
teriori spina elongata, truncata, nigra,'pone medium angulatim 
flexa, velut nodo proprio testaceo insidente, femoribus nudis, 
tibiis extus inaequaliter nigro -spinosis, metatarsis dilutioribus, 
elongatis ceteris articulis simul sumtis sublongioribus, non nihil 
dilatatis, leviter curvatis, extus in curvatura breviter nigro- 
barbatis; postici femoribus dimidio basali subtus longissime pal- 
lide-pilosis, tibiis metatarsisque nudis. Femina in omnibus 
simplex. Antennae testaceae, articulo ultimo superne praeser- 
tim leviter infuscato. Thorax lineis 2 latioribus distantibus ut 
in mare, saepe tamen in maculas 2 elongatas divisis, lineis vero 
2 intermediis angustis dilutius fuseis, distinctis, vel antice tan- 
tum saturatioribus ibique interdum coalitis, nulla cinerascentia 
obductis. Stylus analis, ut in Lonchaea, longe eh 
apice ferrugineus. Tarsi quoque intermedii nigricantes. 


[(Hsch.] 


mn a u 


449 


In der Sitzung der Akademie am 11. Dechr. 1844 berichtete 
Hr. Loven in seinem und Hrn. Sundevalls Namen über die 
ihm übergebene, von dem Adjunet M. v. Düben in Lund und 
Dr. J. Koren in Bergen verfasste Abhandlung über das Haut- 
skelett der Holothurien. 

Die in der Haut der Holothurien abgelagerten Kalktheile, 
deren Vorhandensein lange bekannt gewesen, sind bisher nicht 
mit Genauigkeit studirt worden. Die Vfr. haben deshalb eine 
vergleichende Untersuchung der ungleichen Formen dieser merk- 
würdigen Bildungen bei unseren 13 nordischen Arten vorgenom 
men, und dabei gefunden, dass derselbe Grundtypus sie überall 
durchgeht, aber so ungleich modificirt, dass sie bei jeder Art 
eine eigene, charakteristische Fornı haben. Diese Kalkstücke 
kommen vor: 

a) in der äusseren Haut bei allen unseren Arten ausser Ou- 
cumaria communis Forb. Wo die Haut ungleichartig auf 
Rücken und Bauch ist, sind die Kalktheile es auch, z. En 
bei Cuvieria ; 

b) in der Spitze der Saugfüsse, konstant, in Form einer 
Scheibe. So auch bei den Seeigeln, aber nicht bei den 
Seesternen; 

c) auf den Seiten der Füsse, als verlängerte Querstücke, aber 

nicht immer; 

.d) in der Haut der Tientakeln, und immer unter anderen For- 

men, .als in der Haut des Körpers. 

Der Grundtypus für alle ungleichen Formen ist: ‚dünne, 
eylindrische Kalkstücke, welche die Tendenz haben sich stark 
zu verzweisen und auszubreiten, beinahe immer nach demselben 
Plan, wobei die Zweige wieder einander begegnen und zusam- 
‚menwachsen, dadurch Scheiben von grösserer und kleinerer Aus- 
breitung und mehr oder minder regelmässiger Form, mit runden 
oder ovalen Löchern dieht durchbohrt, bildend. Ihr Wachsthum 
erfolgt an dem Rande, in den davon ausgeschossenen Zweigen, 
welche allmählig verlängert werden ‚‚bis sie sich bald wieder 
begegnen und durch Zusammenwachsen neue Löcher bilden.“ 

Nur bei Cucumaria frondosa ist dieser Typus in den unre- 
gelmässigen Kalkklumpen der Haut noch nicht erkemntlich. Ein- 
zeln, aber deutlich, ist er in den geraden, knolligen Stücken, 
welche die Haut der Tentakeln bei Yolothuria intestinalis Asc. 
und AH. tremula L. bedecken vorgebildet, wird aher allmählig 
in den Füssen und Tentakeln bei Cucumaria lactea, frondosa, 
assimilis, Thyone fusus, raphanus, zu mehr zusammengesetz- 
ten, bisweilen dendritischen Formen ausgebildet. Die gewöhn- 

30* 


TE NRER TA 
ar, wr. 


450 


lichste von allen Formen ist jedoch die Ausbreitung zu regel- 
mässigen Scheiben von zweierlei Art, dünnen und dicken. Die 
ersteren sind mehr nussähnlich , mit feinen Zwischenwänden und 
grösseren Oeffnungen, wie bei Holothuria intestinalis, tremula, 
Cucumaria pellucida, wo endlich durch das Hinzukommen von 
aufwärts gerichteten Zweigen ein Uebergang zu den bei‘ ynapta 
inhaerens bekannten, eigenthünlichen ankerförmigen Bildungen 
geschieht. Die Kalkscheiben in den Saugfüssen der Holothurien 
gehören im Allgemeinen auch zu den ira Dieke Scheiben 
dagegen, oder solche, wo die Zwischenwände stark und die 
Oefinungen relativ kleiner sind, finden sich nur auf der Haut des 
Körpers und immer dieht zusammengepackt, wie bei Cucumaria 
lactea, assimilis, Hyndmanni, Thyone raphanus, Cuvieria 
phantapus und squamata, bei welcher letztgenannten Gattung 
man die Oeffnungen mit einer glasklaren Kalkmasse, ausgefüllt 
findet, indem die Zwischenwände fein reticulirt sind, wie es, 
nach Valentin, in den Stacheln der Echini der Fall ist. Es 
ist besonders hier, wo man deutlich einsieht, dass das Kalk- 
skelett der Echini und Holothurien nach demselben Grundtypus 
gebildet ist. Die Vf. beschreiben nun, wie bei jeder unserer 
nordischen Holothurien die ungleichen Kalkscheiben sich verhal- 
ten und theilen darüber genaue Zeichnungen mit. Es wird hier- 
durch möglich die Arten auch nach in Spiritus aufbewahrten 
Exemplaren mit Sieherheit zu bestimmen — welches bisher nicht 
geschehen konnte — und mit Hülfe des Mikroskops fossile For- 
men dieser Echinodermen aufzusuchen und nach den Hauptcha- 
racteren wiederzugeben. — 


[Hsch.] 


In der Sitzung am 15. Januar 1845 berichtete Hr: Sunde- 
vall in Kürze über eive ihm und Hrn. Loven übergebene Ab- 
handlung der Hrn. M. v.Düben und J. Koren, enthaltend aus- 
führliche Beschreibungen von zwölf für die skandinavische Fauna 
neuen, sämmtlich theils von den Vfrn. selbst, oder durch den 
Stifts- Amtmann Hrn. Christie und dessen thätige Fürsorge 
an den Küsten Norwegens gefundenen und im Museum der Stadt 
Bergen aufbewahrten Fischarten. Alle diese Arten sind schon 
nach einem Schreiben des Hrn. v. Düben in der Sitzung am 
15. Mai v. J. erwähnt worden (S. d. Arch. H.1. p. 164.), aber 
damals theilweise mit unsicherem Namen und ohne Beschrei- 
bung. Fünf von diesen Arten werden als neu angeführtund von 
sieben gute Abbildungen geliefert. Merkwürdig ist, dass 5 von 


451 


ihnen Gattungen angehören, welche früher nicht so nördlich ge- 
' funden worden, und dass sie entweder südlichen Familienformen 
oder südlichen Arten angehören, so wie, dass keine einzige an 
dem unter gleicher Breite gelegenen Grünland gekannt ist. Be- 
sonders unerwartet ist es, dass unter ihnen die südlichen 
Formen Sternoptix und Chironectes sich finden, und zwar um 
so mehr, als die letztere von der Küste von Finmarken sein 
soll. Die Vf. halten dafür, dass alle, jedoch vielleicht mit Aus- 
nahme von Nr. 1., 2., 7. und $., dem nordischen Meer wirklich 
als Standfische angehören. Die Arten sind folgende: 


1. Polyprion cernium Valenc. Ein Percoid mit 7 Strahlen in 
der Kiemenhaut, einer einzigen Rückenflosse und kardenähnlichen Zäh- 
nen; der ganze Kopf und die Basis der weichen, verticalen Flossen 
schuppig; ein starker, rauher Knochenkamm quer über den Kiemen- 
deckel und sich auf dessen hinterem Rande in einen starken Stachel 
endigend. Strahlen in der Reknfl. 11412, in der Aftfl. 3410. 

2. Beryx borealis n. sp. (Urocentrus ruber D. et K. a. a. O.) 
Kin Percoid, kenntlich an den 5 auch 4 spitzigen Stachelstrahlen an 
der oberen und unteren Seite der Wurzel der Schwanzflosse. 8 Strah- 
len in der Kiemenhaut etc., 2 Stacheln im Nacken, 2 auf dem Maule 
und 2, zweispaltigen unter den Nasenlöchern. 

3. Sebastes imperialis Cuv. Die Rückenflosse hat blos 12 Sta- 
chelstrahlen; die Brustflosse ist sehr breit, bis hinab zur Bauchlinie 
reichend und die unteren 8 Strahlen zur Hälfte ohne Haut. 

4. Gobius Nilssoni n. sp. (G. linearis D. et K. a. a.0.). Schmal, 
durchscheinend, der Kopf blos } der Körperlänge, die Rückenflossen 
weit getrennt, die vordern mit 2, die hintern und die Afterflosse mit 
20 Strahlen. 

5. Gobius Stuvitzii n. sp. Dem vorigen ähnlich; der Kopf wenig 
grösser, die vordere Rückenflosse mit 5, die hintere mit 12 Strahlen. 


6. Lophius eurypterus n. sp. Von den Vfn. durch folgende Dia- 
gnose charakterisirt: ‚‚radio capitali primo sequentibus duobus plus 
quam duple breviore, terminato in cylindrum transversum, crassum, 
ciliatum; pinnis omnibus amplis; pectoralibus extensis aream corporis 
aequantibus.‘““ 

7. Chironectes arcticus n. sp. Von derselben Familie wie Lophius, 
aber mit hohem, stark zusammengedrücktem Körper u. s. w. „,Lae- 
vissimus, radiis pinnarum pectoralium et caudae indivisis; hae longit. 
p. dorsalis aequante; appendicibus cutaneis raris, sparsis, validis, sub- 
eylindrieis; basi vaginatis et corpori arete adpressis, apice pinnatis. 

8. Sternoptix Olfersii Cuv. Steht Scopelus borealis Nilss. nahe, 
aber ungewöhnlich breit und zusammengedrückt, mit starkem Absatze 


452 


am After, niedriger pinna adiposa, runden Silberflecken an den Bauch- 
seiten wie Scopelus, aber grösseren. ER 


9. Gadus (Merlangus) Potassoa Risso (Gadus albus Yarr. . dei 


her, S. d. Arch. H. 1. S. 165.). Aehnlich dem Gad. merlangus, aber 
„die beiden ersten Rückenflossen sind sehr kurz, in Form von recht-. 


winklichen Dreiecken und alle drei Rückenflossen durch grössere Zwi- 


schenräume geschieden.“ 

10. Motella argenteola Montagu (Motella glauca ara „Ar- 
gentata, compressiuscula, rostro brevi, obtuso,, cieris 5, mentuli dia- 
metro oculi non attingente; cauda emarginata.“ 

11. Ahombus megastoma Donov. ,‚,‚Corpore oblongo, triplo lon- 
giore quam alto; supra squamis ciliatis, subtus laevibus; rictu magno; 
Pinnis ventralibus ab anali discretis; caudali angulata.‘“ 

12. Lepadogaster bimaculatus Penn. (L. norvegieus früher S. d. 
Arch. H. 1. S. 165.). Die Gattung, nahe Cyclopterus, wird an einer 
doppelten Saugscheibe unter dem Bauche, schmalem, langgestrecktem 


Körper etc. erkannt. Klein (14 Zoll), röthlich, gelbfleckig, gewöhn- . 


lich mit einem schwärzlichen , gelbgerandeten Fleck hinter der Wur- 
zel der Brustflosse. 

13. Cyclopterus minutus Pall. Nach näherer Untersuchung und 
Vergleichung von einer grösseren Anzahl Exemplare haben die Vf£r. so 
grosse Ungleichheiten in den Stacheln und Buckeln, womit diese Fi- 
sche versehen sind, gefunden, dass sie geneigt scheinen von ihrer 
früher (S. a. a. O.) aufgestellten Annahme, von zwei Arten unter 
ihnen, abzugehen, und mit Fries alle für Junge von C. lumpus an- 
zusehen. Dieser Gegenstand muss jedoch weiter untersucht werden. 


[Hsch.] 


In derselben Sitzung theilte Hr. Sundevall aus einem 
Briefe des Hrn. Grill Nachrichten über eine Larve von Cossus 
ligniperda mit, welche unter solchen Umständen gefunden wor- 
den, dass mit ziemlicher Gewissheit EN werden kann 
sie babe im Magen eines am 23. November geschlachteten Seha- 
fes gelebt. „Dieses Schaf war alt und zahnlos und schien lange 
an einem inneren zehrenden Uebel gelitten zu haben. Man hatte 
vergebens gesucht, dasselbe zu mästen. Nachdem die Einge- 
weide aus dem in einer Küche geschlachteten Thiere herausge- 
nommen worden, wurden sie auf ein auf dem Fussboden aus- 
gebreites Laken gelegt, und als, ungefähr 5 Minuten hernach, 
die?beiden damit beschäftigten Personen, welche sich allein in 
der Küche befanden, sie aufnehmen wollten, fand sich die ge- 


459 


nannte Larve kriechend zwischen dem Wanste und den Dünn- 
' därmen, 2—3 Zoll vom Magenmund (Cardia), aus welchem das 
Verschluckte vorher herausgenommen worden. Jedoch lagen die 
Eingeweide so, dass sie aus einem jeden der Mägen herausge- 
krochen sein konnte.“ Hr. G. war sogleich hinzugekommen und 
hatte sich durch die beiden Personen, denen er keine unrichti- 
gen Angaben zutraut, genau von der Sache unterrichtet und sich 
vergewissert, dass die Larve nicht durch Holz daningekommen. 
In den Därmen und Mägen wurden nicht mehrere Raupen ge- 
funden, als diese, welche unzweifelhaft der genannten Art (Cos- 
sus ligniperda) angehört. Um sich auf keine Art zu irren, hat 
Hr. G. eine illuminirte Abbildung mit gesendet, welche diese 
Larve ausgezeichnet gut darstellt, jedoch mit der Ausnahme, 
dass die dunkle, gewöhnlich hlaubraune, Rückenoberfläche hier 
wenig dunkler gefärbt ist, als die Seiten des Körpers. Es scheint 
ganz glaublich, dass diese Abweichung in der Farbe eine Folge 
von der ungewöhnlichen Lebensart sein kann. Die Larve war 
etwas über halbwüchsig, 2%, Zoll lang. Sie hatte den bekann- 
ten, dieser Larve eigenen, unangenehmen Geruch deutlich ver- 
breitet. Auf die Erde in einen Blumentopf gelegt, grub sie 
sich sogleich ein und spann eine dünne Seidenhülse um sich, 
worin sie liegen blieb und dieselbe zweimal erneuete, weil man 
sie aufnahm, ohne die bei dieser Larvenart gewöhnliche Neigung 
herum zu streifen zu zeigen. 

Da es nicht glaublich ist, dass die Larve sich aus dem Eie 
entwickeln und nachher zu einer so bedeutenden Grösse an einem 
für ihre Natur so ungewöhnlichen Orte erwachsen konnte, bleibt 
nur die Vermuthung übrig, dass sie entweder auf eine oder die 
andere Art von dem zahnlosen Schafe niedergeschluckt worden, 
oder, dass sie durch die Nasenlöcher eingekrochen, welches 
letztere jedoch mehr unwahrscheinlich scheint. 

Hr. G. führt hierbei mehrere Nachrichten über Lepidopte- 
ren-Larven an, welche im Körper warmblütiger Thiere ange- 
troffen worden, nemlich Vet. Acad. Entomol. Ärchi 1842, 8. 12. 
und Vet. Acad. Handl. 1752, S.52. Im Zool. Ärsb. 1823, S. 27. 
wird von einer Meloö erzählt, von welcher man glaubt, dass sie 
in einem Menschenkörper gelebt, und in Ärsk. 1832, S. 101., 
über Larven von Cossus ligniperda gesprochen, Welche auf einer 
todten Bombyx quercus gelebt. Diess letztere, dass Cossus auf 
todten Insekten, und also von animalischer Nahrung lebt, stimmt 
mit des Ref. Erfahrung überein. 

Hr. Grill hatte ferner mitgetheilt, dass er, am 30. Mai 
1844 von einer Katze, welche 3 Junge geworfen, 2 weggenom- 


454 


men und an deren Stelle ein Paar junge noch blinde Eichhörn- 
chen gelegt. Die Katze hatte wohl im Anfange an ihnen 'gero- 
chen, aber in einer halben Stunde fand man sie säugend. Sie 
gelangten weit früher als die zurückgebliebene junge Katze in 
den Stand umher zu springen, wo man die Pflegemutter oft mit 
ihnen spielen und sich über ihren Fortschritt freuen sah. Hr. 
G. bemerkt, dass man Nachrichten über weibliche Katzen finde, 
welche ganz ungleichartige Junge aufgesäugt haben, nemlich 
junge Füchse (nach Jäg. Förb. Tidskr. 1. S. 61.), junge 
Ratten (Zool. Arsb. 1839, S.11.) und junge Hasen (ebendas.u. 
Vet. Akad. Öfvers. 1844, S. 136. [S. d. Archiv H. 1. S, 176.)). 
[Hsch.] 


Ueber den Einfluss der Witterung auf dieVegetation 
im Jahre 1844. 


Von dem Professor E, Fries*). 


» 


Indem ich einer Aufforderung der Freundschaft gehorche 
einige Worte zu äussern, welche im Zusammenhang mit dem 
Zweck unseres Vereines stehen, hoffe ich auf ihre Nachsicht 
für den geringen Inhalt eines Vortrags, Jessen Stoff für den 
Augenblick aus der Luft gegriffen werden musste. Und für heute 
liest wohl kein Stoff näher, als das unaufhörliche Regenwetter. 
Der ausserordentliche Niederschlag dieses Jahres muss einen 
mächtigen Einfluss auf die Pflanzenkultur haben, da die ganze 
Pflanzenwelt im innigsten Zusammenhang mit der umgebenden 
Natur steht. Alle diese schönen, viel veränderlichen Formen, 


*) Tidskrift för Landtmanna - och Kommunal-Ekonomien. Uigifven 
[eo] 
af F. W, Edelswärd och J. Arrhenius. Ar 1845 Nro. 17). 


T) Dieser extemporirte Vortrag wurde in der Versammlung des 
Garten- Vereines in Stockholm am 31. Juli 1844 auf desfall- 
sige Aufforderung gehalten, und ist das Einzige, welches Prof. 
Fries in der Botanik im vorigen Jahre geliefert, da er das 
ganze Jahr abgehalten war, erst durch eine lateinische Ge- 
dächinissrede auf Carl Johann, später durch den Reichstag, 
wozu er von der Universität Upsala als Repräsentant gewählt 
war. Als solcher gehörte er zu den fleissigsten AReduern, und 
obgleich den CGonservativen angehörend, glückte es ihm als 
Redner gewöhnlich durch seine ‚Poesie der Sprache‘ die ultra 
liberale Zeitungspresse zu entwaffnen. Nur durch seine leb- 
hafte Vertheidigung des Studiums der klassischen Sprache zog 
er sich ihre Bitterkeit zu. . Desgleichen hatte er die Ehre Ih- 
ren Königlichen Hoheiten einzelne Vorlesungen über die Bo-. 
tanik zu halten. Anm. d. Uebers. 


455 


welche wir lieben und pflegen, sind nicht ein absichtsloses Spiel 
der Natur, sondern deren inneres Leben, ungleich daguerreoty- 
pirt von verschiedenen Lokalitäten und Klimaten. Soll der Kunst 
die Pflege glücken, müssen wir die Naturverhältnisse ihres Hei- 
mathlandes getreu nachzubilden suchen. 

Wärme und Feuchtigkeit, unter der belebenden Herrschaft 
des Lichtes, sind die mächtigsten Triebkräfte des Pflanzenle- 
bens; beide im Verein erzeugen die grösste Ueppigkeit und 
Mannichfaltigkeit, wovon die Urwälder des tropischen Amerikas, 
wit Stamm bei Stamm bis zur Krone mit den herrlichsten Lo- 
rantheen, Orchideen und Liliengewächsen bekleidet, im Vergleich 
mit unseren flechten- und moosbewachsenen Baumstämmen, das 
üppigste Bild darstellen. Wird aber das Gleichgewicht zwischen 
ihnen aufgehoben, so verschwindet die Vegetation wieder; in 
ler Sahara, der grossen Wüste, sehen wir was die Wärme — 
und, unter unserem nasskalten Herbsthimmel, was die Feuch- 
tigkeit einzeln vermag. Auch der ausserordentliche Niederschlag 
dieses Sommers, gewiss nicht vergleichbar mit dem der Tropen, 
aber auf Kosten der Wärme gewonnen, muss nachtheilig auf 
das pflanzliche Productionsvermögen einwirken ; wenn auch Schuss 
und Blatt jetzt ungewöhnlich geil erscheinen, so ist diese Uep- 
pigkeit schädlich für ihre eigentliche Ausbildung. 

Die Feuchtigkeit der Luft und der davon ahhängige Nieder- 
schlag wirkt vorzugsweise auf das vegetative System der Pflan- 
zen, d.h. auf Stamm- und Blattbildung. Daher luxuriren diese 
vorzugsweise während regenreicher Jahre, daher diese überwie- 
sende Wurzelschussbildung in Küstenländern, daher dieses üp- 
pige Grün in Alpenthälern und unter Englands nasskaltem Him- 
mel, wenn er gleich einem Rausche, die vegetativische Kraft 
zu steigern scheint, wirkt er für die Folge mehr schädlich für 
alle Pflanzenerzeugnisse, welche Kinder eines klareren und trock- 
neren Himmels sind. Die neuen Schüsse werden zu einer Länge 
und Saftigkeit hervorgetrieben , welche sie hindert sich vor dem 
Eintritt der \Vinterkälte hinreichend zu stärken, von welcher sie 
deshalb gewöhnlich getödtet oder zersprengt werden. Diess wird 
um so mehr schädlich, als regenreichen Sommern und Herbsten 
sewöhnlich kalte, schneearme Winter folgen, da, wie bekannt 
ist, die Schneebedeckung sonst die zärtlicheren Gewächse gegen 
die Kälte schützt. Desgleichen werden von der feuchten Wit- 
terung eine Menge Wasserschüsse hervorgetrieben, welche die 
Nahrung von den edleren Theilen ableiten. Hierzu kömmt, dass 
auf Bäumen und perennirenden Pflanzen beinahe nur Blätter, 
aber nur wenig Fruchtknospen ausgebildet werden. So ist be- 


456 


kannt, dass die Buche bei uns nur nach sehr warmen Sommern 

Samen liefert. Sogar auf die Qualitäten der Gewächse wirkt 

die feuchte Witterung nachtheilig, indem der reiche Wasserge- 

halt sie mehr saft- und kraftlos macht (gleich wie Futter von. 
niedrigliegenden Wiesen immer kraftloser ist, als von trocknen), 

besonders zum medizinischen Gebrauch, nach der alten Regel: 

die Kraft wohnt auf Bergen und Höhen, der Reichthum und die 

Fülle in den Thälern. Auch werden gewisse Gewächse, z. B. 

Heracleum Sphondylium , welche in trocknen Jahren gute Fut- 

tergewächse sind, in besonders nassen Jahren schädlich, bei- 

nahe giftig, nach dem für alle Schirmpflanzen geltenden Gesetze, 

dass diejenigen, welche auf nassen Stellen wachsen giftig sind. 

Nur für Gewächse mit typisch üppiger Wurzelbildung, oder von 

einem nasskalten Inselklima. unter einer kälteren Zone, kann der 
gegenwärtige Sommer günstig sein, gleich wie für die Fortpflan- 

zung der Gewächse durch Ableger und Stecklinge. 

Licht und Wärme fliessen den Gewächsen aus derselben 
Quelle zu und müssen deshalb gemeinsam betrachtet werden, 
obgleich das Licht mehr auf die Blüthen, die Wärme auf die 
Frucht einwirkt. Die Wärme kann die Kunst erzeugen, aber 
nicht das klare Licht der tropischen Hochländer, weshalb deren 
Blumen bei uns niemals die unvergleichliche Farbenpracht er- 
halten, wie im Heimathlande; auch die Gentianen der Alpen ver- 
lieren ihren Azur in unseren Gärten. — In demselben Verhält- 
niss wie das vegetative System durch unmässige Feuchtigkeit 
luxurirt, nimmt die Blüthen- und Fruchtbildung ab. Diess Ge- 
setz ist so allgemein, dass man schon von den kolossalen 
Stammbildungen der Urwelt, mit unausgebildeten Blüthen und 
Früchten (die meisten zur Flora der Urwelt gehörenden Ge- 
wächse sind Kryptogamen), auf eine unvergleichbar höhere Feuch- 
tigkeit der Luft während dieser unzählbaren Weltalter schliessen 
kann. Noch heute blühen die Gewächse reicher und schöner 
in trocknen und klaren Jahrgängen, als während kalter und re- 
senvoller; es ist eine überall bekannte Erfahrung, dass der beste 
Same in der Sonne reift. Daher das Sprichwort: ‚Die Sonne 
hindert niemals das Gedeihen,“ „die Sonne macht kleine, 
aber volle Körner.“ Feuchte Luft ist besonders für die 
Befruchtung der Gewächse nachtheilig, so dass wenigere und 
geringere Samen entstehen. Eines der erfahrungsreichsten Mit- 
glieder des Vereins, Hr. Roman, hat mir die interessante _ 
Beobachtung mitgetheilt ‚dass alle seine Versuche Pelargonien 
zu hybridisiren dieses Jahr in Folge der feuchten Witterung 
missglückten. Dazu kömmt, dass in nassen Sommern einge- 


457 


sammelte Samen sich ungleich schwerer aufbewahren lassen; 
in stärkerer Wärme vertrocknen sie und das Samenweiss wird 
hornartig; ohne künstliches Trocknen schimmeln sie leicht. So 
weit meine Erfahrung reicht, leiden diejenigen Samen, welchen 
das Samenweiss fehlt, wie Leguminosen, Synantheren u. s. w., 
am wenigsten. — Da wir, in Folge der ungünstigen Witterung 
dieses Sommers, wenig Hoffnung auf eine weder reiche noch 
gute Samenerndte besitzen, so müssen wir bei zeiten bedacht 
sein, uns von anderen Orten bessere Aussaat für das nächste 
Jahr zu verschaffen. 

Denn es scheint eigentlich unser Mälar- Thal der Mittelpunct 
für den überflüssigen Niederschlag dieses Jahres gewesen zu 
sein. Sowohl in unseren südlichen , wie nördlicheren Provin- 
zen, auch westlich , hat man weniger davon gelitten. Diese un- 
gleiche Vertheilung des Niederschlags, welche weder etwas 
Ungewöhnliches noch Zufälliges ist,'sondern auf allgemeinen 
meteorologischen Gesetzen beruht, ist der Grund zu dem unglei- 
chen vegetativen Productions - Vermögen welches wir im östli- 
chen und westlichen Schweden, zwischen Upland und Schonen, 
finden. Es ist weniger die Mitteltemperatur des ganzen Jahrs, 
als die der Sommermonate, welche dieses bestimmt, und die 
letztere ist für Upsala und Lund gleich. Deshalb gedeihen auch 
beinahe dieselben Kräuter im Freien in Schonen und Upland; 
aber an Bäumen und Sträuchern merkt man einen höchst be- 
deutenden Unterschied , indem: diese von der Winterkälte mehr 
leiden, welche in Upsala bedeutend höher ist. Aber Schonen 
hat auch mildere Winter, als Berlin, und das nördliche Deutsch- 
land hat kaum einen nördlicheren Punct als Wien, wo man nicht 
gelegentlich einen höheren Kältegrad, als in Lund, beobachtet. 
Upsala dagegen hat eine etwas höhere Winterkälte, als das 
Nordceap; der Winter des Nordcaps ist doppelt milder, als der 
Petersburgs, aber wieviel herrlicher ist gleichwohl nicht die 
Vegetation von Petersburg und Upsala wegen der höheren Som- 
merwärme? Die Verbreitung und Acclimatisirung der Kräuter 
geschieht vorzugsweise nach den Isotheren (der gleichen Som- 
merwärme) der Orte, denn den Samen schadet die Kälte nicht; 
— die der Bäume dagegen vorzugsweise nach den Isochimenen 
(der gleichen Winterkälte). Nur die Volksstämme scheinen sich 
nach den Isothermen (der Mitteltemperatur) auszubreiten; man 
vergleiche die Wanderungen der Araber und unserer Stammväter 
(welche letztere nach der Tradition mit den östlich von der nörd- 
lichen Küste des Schwarzenmeeres sinkenden Isothermen für 
das südliche Schweden zusammenfallen) und es zeigt sich, dass 


458 


sie aus einem dunkeln Instinet sich unter der Isotherme. ihrer 
Heimath niedergesetzt, wie es auch gewöhnlich noch heute mit 
‘allen nach Amerika auswandernden Kolonisten der Fall ist. Sie 
lassen sich wohl da südlicher aber aus einem dunkeln Instinct 
unter der Isotherme ihrer Heimath nieder *). 

Der Grund für die ungleiche Vertheilung des Niederschlags 
in Schweden scheint mir in den drei ungleichen Meerbassins ge- 
sucht werden zu müssen , von welchen Schweden umgeben wird: 
dem Kattegat, der Ostsee und dem bottnischen Meerbusen. Ich 
habe anderwärts ausführlicher darzustellen versucht, wie das 
Tiefland darnach in zwei grosse pflanzengeographische Regionen 
vertheilt wird und wie der Wettern die Grenzlinie des Regen- 
sebietes zwischen der Ostsee und der Nordsee andeutet. Die 
in verschiedenen Jahrgängen herrschenden Winde bestimmen 
den Niederschlag. Es ist innerhalb jeder dieser Regionen 
der Meereswind, welcher gewöhnlich den Niederschlag und 
die feuchte Luft mit sich führt; — also im östlichen Schwe- 
den die östlichen, im westlichen Schweden, gleich wie über 
ganz Dänemark die westlichen Winde. Schonen liegt auch 
unter dem südwestlichen Regengebiet; der Ostwind ist dort 
so selten, dass er in der Mittelzahl is 9 Tage im Jahre 
weht, während der Westwind dort 150 Tage herrscht. Nun 
liest das Mälar-'Thal auf der Grenze zwischen dem Regengebiet 
der Ostsee und des bottnischen Meerbusens. Dieses Jahr scheint 
der Vorrath beider über demselben ausgegossen worden zu sein, 
weshalb wir, mehr als Andere, im gegenwärtigen Jahr gewäs- 
sert worden sind. 

Dasjenige, welches zugleich macht, dass der vermehrte Nie- 
derschlag und die daraus folgenden Ueberschwemmungen im 
Svealand mehr zerstörend wirken, als im Gothenreiche, so wie, 
dass derselbe den ausgemachtesten Einfluss auf deren vegetati- 


*) Die ungleiche Vertheilung der VVärme und Kälte auf der Erdkugel 
folgt nicht den Graden der Länge und Breite, sondern weicht be- 
deutend davon ab, So haben z. B. Orte, welche unter demselben 
Breitegrad liegen, oft ganz ungleiehe "Temperatur. Wie sowohl 
die ungleiche Intensität der Wärme, als Kälte im höchsten Masse 
auf die Vegetation ungleicher Länder einwirken, so werden auf 
pflanzengeographischen Karten mit verschiedenen Linien oder Bugen 
die Orte ausgezeichnet, welche in genannter Hinsicht übereinstim- 
mend sind. Die Orte, welche gleiche Sommerwärme haben, sagt 
man, liegen unter derselben Isothere, die, welche gleiche Winter- 
kälte haben dagegen unter derselben Isochime und die, welehe 
gleiche Mitteltemperatur besitzen, von denen sagt man sie sind unter 


derselben Isotherme belegen; welches wir, um vorkommenden Miss- . 


verständnissen vorzubengen, uns veranlasst sehen hier bemerken zu 
müssen, 


454 


ves Productionsvermögen ausübt, ist die ungleiche Ausbreitung 
der Haupttheile dieser beiden Länder. Das Gothenreich gleicht 
einer überwölbten Schale; das smälandische Hochland ist ihr 
Boden, wovon die Ströme strahlenweise nach allen Richtungen 
ausgehen. Alle Fettigkeit und alles Gedeihenbringende wird ab- 
gespült und herabgeschwemmt vom Hochland und setzt sich auf 
der Peripherie ab. Nur dort treffen wir jüngere Bildungen, 
und aufgeschwemmtes, fruchtbares Land, wie Schonen, Ble- 
kingen, (Öland), das ost- und westgothische Flachland. Aber 
sleichwie das Gothenreich sich in der Peripherie senkt, erhöht 
sich das Sveareich gegen dieselbe und dass die waldigen Berg- 
ketten, welche beide scheiden, dem Svea- und nicht dem Go- 
thenreiche zugehören, wird sowohl von ihrer oryctognostischen 
Bildung, als von ihrer Vegetation, z. B. dem Mangel von Scir- 
pus caespitosus u. m., welche allen Waldmooren im Gothen- 
reiche angehören, bezeugt. Das Sveareich gleicht also einer 
concaven Schale. Das Mälarthal ist deren Boden und von den 
erhöhten Rändern strömt alle Feuchtigkeit dahin nieder, wes- 
halb sich hier in der Mitte die Uebergangsbildungen und das 
fruchtbarste aufgeschwemmte Land finden. Daher leidet das 
Mälarthal mehr von Ueberschwemmungen, als ein anderer Theil 
des Reichs. 

Durch diese Ueberschwemmungen wird sicherlich des Lan- 
des Fruchtbarkeit unterhalten, wenn sie auch für das Jahr zer- 
störend wirken. Wir haben in dem Vorhergehenden schon 
Exempel von der Einwirknng angeführt, welche die Witterung 
eines vorhergehenden Jahres auf das nachfolgende hat; mehrere 
wären noch hinzuzufügen, aber die Zeit erlaubt nur ein in phy- 
siologischer Hinsicht besonders merkwürdiges. — Es ist nun- 
mehr eine abgemachte Thatsache, dass Gewächse mit getrenn- 
tem Geschlecht unter gewissen Verhältnissen dasselbe vertau- 
schen können. Es war ein solches Verhältniss von welchem 
Schelver seine Theorie gegen die ganze Lehre über die Be- 
fruchtung der Gewächse aufstellte, indem eine weibliche Pflanze 
in einem Gewächshause, wo sich keine mämnlicbe Pflanze be- 
fand, keimenden Samen gab. Nun wissen wir, dass weibliche 
Blüthen  zufälligerweise neben männlichen Blüthen ausgebildet 
werden. Es ist weiter bekannt, dass von gewissen Gewächsen, 
wie Siratiotes, Sagittaria u. m. im Norden nur weibliche Pflan- 
zen, im mittleren Europa beide männliche und weibliche Pflan- 
zen, ım südlichen nur männliche Pflanzen gefunden werden. In 
den Ländern, wo blos eines von :beiden Geschlechtern gefunden 
wird, vermehren sich diese Gewächse nur durch Wurzelschüsse ; 


460 


blos in der Mittelregion werden sie zugleich durch Samen fort- 
gepflanzt. Wir sehen also, dass das männliche Geschlecht der 
Gewächse durch die höhere, das weibliche durch die niedrigere 
Temperatur ausgebildet wird. Bei der Weidengattung hat man 
‘oft Gelegenheit zu sehen, wie nach warmen Sommern der weib- 
liche Baum das folgende Jahr auch männliche Blüthen, oder 
nach nassen und kalten Sommern wieder der männliche Baum 
weibliche Blüthen hervorbringt. Nur dadurch kann erklärt wer- 
den, dass in Schonen, von allen eultivirten Weidenarten, wel- 
che von Süden herstammen, nur weibliche Sträucher gefunden 
werden; von allen welche aus Norden stammen, nur männliche 
Sträucher. Ein höchst merkwürdiges Exempel haben wir in 
Upsala.. Von Salix Crowneana war bisher nur der männliche 
Strauch bekannt; dieser war seit mehreren Decennien in Lund 
eultivirt worden, ohne dass er einige weibliche Blüthen zeigte. 
Vor einigen Jahren schon in grösseren Parthieen hin nach Up- 
sala versetzt, sind dort mehrere Zweige zu weibliche Blüthen 
tragenden übergegangen. Diess ist ein entgegengesetztes Fac 
tum zu dem bekannten von Salix babylonica, von welcher nörd- 
lich von Italien nur weibliche Bäume vorkommen, welche jedoch 
1827 in Carlsruhe in männliche Zweige übergingen. Hr. Kam- 
merherr Baron Gyllenstjerna, welcher das genannte Ver- 
hältniss mit S. Crowneana zuerst bemerkte, hat denselben Ue- 
bergang an Populus candicans beobachtet und Aehren von 
zweizeiliger Gerste mitgetheilt, welche unter der. nassen und 
kalten Witterung dieses Jahrs dadurch sechszeilig geworden 
war, dass die sterilen seitenständigen Blüthen auch Pistille er- 
hielten. 


In unseren @&ewächshäusern ‚können wir die Wärme und 
Feuchtigkeit der tropischen Klimate nachahmen, aber nicht die 
klare, trockne Sommerluft wegen des Winterregens unter dem 
Gürtel der alten Welt (zwischen 30—45°n.B.). Deshalb stösst 
die Kultur ihrer Gewächse bei uns oft auf die grössten Schwie- 
rigkeiten; sie ertragen weder unsere freie Luft noch die feuchte 
der Gewächshäuser. Aber da wir in den letzteren Jahren einen 
unerwarteten Fortschritt in den neuen Glashäusern für die Ge- 
wächse, welche einer grösseren Quantität Licht den Zugang 
gestatten, als die älteren Orangeriehäuser, erfahren haben, hof- 
fen wir auch, dass die Kunst die genannten Schwierigkeiten 
besiegen wird. Es ist für. jeden Beflissenen der Gartenkultur 
eine wahre Befriedigung, dass dieses edle Bildungsmittel jedes 
Jahr mehr warme Freunde in unseren kalten Ländern gewinnt; 


461 


gleich wie wir für die Zukunft hoffen, dass eine klarere Sonne 
glänzen werde über den nasskalten Nordländern. 


[Hsch.] 


Nachträglich zu Salix pyrenaica *norvegica Fr. in Fries’s 
Abhdl. über die schwed. Salices (8.373, Nr. 35.): Prof. Blytt sagt 
in „Reisebemerkungen“ in Lindbl. Bot. Notiser 1845, S. 41.: ,,In der 
Nähe des [5600’ hohen ] Sulutind [im Fillefjeld im westl. Nor- - 
wegen] sah ich eine zwergartige Form der Salixz Muyrsinites, 
die mich auf den Gedanken brachte, dass die von mir in Dront- 
heims Stift gefundene Form, welche Professor Fries unter dem 
Namen $. pyrenaica norvegica aufgestellt hat, wohl zunächst 
der $. Myrsinites angehöre, zu welcher auch S$. retusa sarmen- 
tosa Fr. vielleicht hinzubringen sein wird.“ 

Anm. d. Uebers. 


462 

Berichtigung en. | " i 
S. 33, 2.9 u,10 v. u. 1. Sens. et Sens. Ne 
S. 45, Anm., letzte Z. st. nicht besser I. eben so gut ka 
S.46, 2. 10 l. seinen Pinax z 
S. 50, zu Anm.**) Es ist Dioscorides’s eigne Angabe, dass der 


L} 


unn Dn@ 


VELDUTD DUDU 


VOERDRRE 


nnnn 2 


Name von osio herkoinme, weil die Stengel durch das rinnende 
Wasser vibriren. (Fries. ) 


. 55, 2. 8v. u. I. St. Helene -rot 


63, Z. 10 v. 0. I. zagdıoßoravn 


. 64, Anm. 2. 3, ist zwischen ed. 2 und p. 111 einzuschieben: [d. i. 


in der ganzen Sammlung, Bot. Utflygter,] 
„2. 19 v. u setze vor Carum ein Komma 


en 2.3 v.o.1. Fennica 
. 82 und 256 ist die Angabe d. Hrn. Uebersetzers zu berichtigen, dass 


Ulmus montana Smith et Fries mit U. effusa identisch sel. 
Vgl. S. 256, Z. 3, „Ausser U. eflusa‘‘ ete. Meine U. campestris 
r eben die der Deutschen; Smith’s U. montana ist von aller 

U. effusa sehr verschieden. (Fries.) 
85, Anm. Z. 2,3, 1. Bei diesen den Virgil und andere alte Autoren 


. 87, Z. 15, st. in nur angenommenem |]. im nun angenommenen 
. 95, Z. 10 v. u. I. Arten nur für 


99 etc. 1. Tromsöe, wie später in derselben Abhandlung Mageröe, 
Tambsöe, Havöe, Rollöe. 


. 102, Z. 15, st. Bei Mundin gen 1. Bei der Mündung 

\ 104, Z. 14 1. Peskavare 

. 109, Z. 7 I. bei Hammerfest 

. 109, Z. 8 v. u. st. südalpinischen I. südnorwegischen Wiesen-Alpen- 


pflanzen 


. 132, Z. 4, fehlt in der letzten Spalte die Zahl 6. 


Z.2 v. u. l. Akademie zu Lund 
.‚ 2.6 v. u. 1. Encoelium. 
139, 9 vw. wl. Ängström 
221 v2 0.1. Anjeskutan 
2.4 v. u. |. goir 
182, Z. 11. v. o. fehlt hinter Zugvögeln!: Wie gross die Erwartung, 
wann der liebe Gast landen werde an unserm Strande und Harn 
heraufziehen zu unseren Bergen! 
183, Z. 12 v. u. st. verlässt man gern 1. verzeiht man wohl 
192, Z. 10 v. o. I. oder auf einen Tag etwas 
212, Note, Z. 8, 1. Zugvieh 
215, Z. 20 v. u. 1. Anemone Hepatica st. Pulsatilla (Fries.) 
215, Z. 16 v. u. 1. Anemone Pulsatilla st. Hepatica (Fries.) 


. 236, Anm. 1, Z. 7, st. W. — Arnott’s I. Walker-Arnott’s 
: 261, 8. ist, das Fragezeichen vor R. ciliatipetala zu streichen. 


Diese und R.cinnamomea sind die in Skandinavien von Schonen 
bis Lappland am meisten verbreiteten Arten; in Lappland und 
Nordskandinavien finden sich von Rosen nur R. ciliatipetala und 
R. cinnamomea, nicht R. canina. A. tomentosa Koch kommt 
nur in den südlichsten Küstenprovinzen fort. (Fries.) 
264. Arabis sagittata, hirsuta und glastifolia habe ich in den Bot. 
Not. 1843 als getrennte Arten aufgestellt. (Fries.) 


. 271, Z. 11, 1. 1840 
. 271, letzte Z. v. u. st. es I, obiges 
. 324, Z. 25 1. Während der Mensch 


. 10, Anm. Z. 4 st. keinen geringern an l. geringere Begriffe 


\ 


Greifswald, gedruckt bei F. W. Kunike. 


x 


. 135, Z. 23, st. Ljusneelf I. Ljunga 

135, — 24— 25, st. Njurundaelf oder den Ljunga l. Woxnaelf, wel- 
| cher in den Ljusna einmündet. | 

414, — 9 v. u. st. Motlophn I. Matlapiin 

- 415, — 15 v. o, 1. Kaffergetränk % 
415, — 20 v. o. 1. Masilikazi 

418, — 1v. u. und 

419, — 7—8. v. o. 1. Makata 

422, — 4 v. o. l. Maharutzi 

422, — 23 v. o. 1. Masilikazi 

424, —3v. 0.1. Moritili 

424, — 26—27 v. 0. 1, Blässenbockshaut 

424, — 31 v. o. 1. Wolmarans | 

426, — 11 v. o. st. Schilfgras 1. Millis - Mais 


427, — 10 v. u, streiche meiner. 


a 


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Das ganze Werk wird zwei-Bände stark. 

Die deutsche Literatur weist kein Werk in diesem Fache auf, 
das bei der gründlichsten Bearbeitung so schöne Ausstattung zeigt. 
Beides war uns möglich, weil der Verfasser Zeichner, Maler "und Bi- 
terat zugleich ist. 

Bei der strengsten Genauigkeit ist die Arbeit prachtvoll. 

Der Verfasser, früher Naturalienmaler Sr. Durchlaucht des Prin- 
zen von Neuwied, des berühmten Naturhistorikers, hat sich schon fast 
30 Jahre mit besonderer Vorliebe diesem Zweige der Naturgeschichte 


gewidmet, es dürfen also in jeder Beziehung seine Leistungen vorzüg-- 


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Herr Director Wurst sagt schon über die erste Ana in den 
„Zwei ersten Schuljahren, “ 2. Aufl. S. 256: „‚Als ein ganz vorzügli- 
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zum Unterricht in der Naturgeschichte.‘“ Diese Schrift zeichnet sich 
durch Klarheit in der Darstellung und durch höchst glückliche, ächt 
methodische Auswahl des Lehrstoffes vor allen andern ähnlichen 
Schriften so vortheilhaft aus, dass wir sie allen Lehrern ru Einl 
empfehlen müssen.“ 

Die obligatorische Einführung der Wartmann’schen Lehrbücher 
im Grossherzogthum Baden mit dem dadurch viel vergrösserten Ab- 
satz machte den Verlegern einen billigeren Preis möglich, 


Skandinavische naturgeschichtliche Literatur. 


A. Schwedische. 
1. Vom Jahre 1842. 


Kongl. Vetenfkaps- Academiens Handlingar, för är 1840. 
‚Stockholm, 8., med 5 pl., h. 1 R:dr 16 ‚fk. 

(Verhandlungen ‘der Königl. Akademie der Wissenschaften f. 
1840.) _ 

Shandiavisk Fauna af S. Nilsson. Tiedje Delen: Am- 
fibierna. Lund, 8., h. 40 fk. 

(Skandinavische Fauna von $. Nilsson. 3ter Theil. Amphi- 
bien.) 

Skandinavifka Foglar tecknade efter Naturen, lithografierade, 
tryckte och utgifne af M. Körner. 8:de Häflet. Lund; 
'6 pl., h. 2 R:dr. 

(Skandinavische Vögel, nach der Natur gezeichnet, lithogra- 
phirt u. heransgegeben von M. K. Stes Heft.) 

Skandinaviens Fi/kar, mälade efter lefvande Exemplar och 
ritade pa Sten af PWilh. von FFright, med text af 
B. Fr. Fries och ©. U. Ekström; efter den. förres 
död fortsatt af ©. U. Ekström och C. J. Sundevall, 
7. Häftet. Stockholm, 4., med 6 pl., h. 2 R:dr, illum. 
4 R:dr, samt S fk. för Lat. texten. | 

(Skandinaviens Fische, nach lebenden Exemplaren gemalt u. 
auf Stein gezeichnet von W. v. Wright, mit Text von 
Fries u. Ekström; nach des Erstern Tode fortges. von 

„Bkström u.Sundewall. tes Eleft.) 

Handbok för Fifkare , innehällande: Tillforlitlig Underrät- 
telse om alla vid Svenfka stränderna bekanta Fifksorter 
och sättet till deras füngande, jemte Befkrifning pa. de 

‚Fikred/kap, som dertil användas. ÜUtgifven af C. R. 
‚Stockholm, 12.,.h. 16 ‚fk- 

(Handbuch für Fischer, enth. Zuverlässige Unterweisung über 
alle an den schwed. Strändern bekannten Fischarten u. die 
Art, sie zu fangen, mit. Beschr. der Fauggeräthschaften.) 

Förleckning öfver. Stockholms - traktens Coleoptrer; af O. 
Nybleus. (Ur I. WVet.- Acad. Handl, for är 1840.) 
Stockholm, 8. | 

(Verzeichniss der Coleopteren der Gegend von Stockholm.) 


2 


Dein Scandinavie disposita et descripla Auctore Jo- 
anneWMilhelmo Zetterstedt. Tomus primus. Dun- 
de, 8. h. 2 R:dr 16 Jk- 
Dispositio Methodica Specierum Scandinavicarum pertinen- 
tium ad Familias Insectorum Hymenopterorum naturales 
Sphecidarum, Pompilidarum, Larridarum, Nyssonidaruim, 
Pemphredonidarum, Crabronidarum, Mellinidarum et 
Bembicidarum. P. I—IV. Pres. A. G. Dahlbom; 
Respp. Jul. Ed. VWoallerius, Joh. Elaus Lund- 
uist, Georg. Erland. Psilander et Laur. Arvid. 
ergh. Lunde, 4. 


Onychia och Callaspidia, tvenne för Skandinaviens Fauna 
nya Insekt-Slägten, hörande till Galläple - Steklarnes 
naturliga grupp. Monografijk bearbetning. Pres. G. 
Dahlbom; Resp. C. S.Lindskog. Lund, $., med tab. 4. 

(Onychia u. Callaspidia, zwei für die skandinav. Fauna neue 
Insectengattungen aus der Gallwespengruppe. Monographi- 
sche Bearbeitung.) 

De Fabrica Corporis Insectorum Dissertatio. Pre. Ma- 
gnus VPF. von Düben; Respp. M.C.Herrlin, C.R, 
Waulffet A. J. Simonsson. P. I—III. Lunde. 8. 

Om Blodiglar. En afhandling om iglars natur och befkaf- 
fenhet, jemte upplysning om sättet att foröka och använda 
dem som en handelsvara. Utgifven af P. D. Faber. 
Ofversättning fran Danfkan. Jönköping, 12. h. 24 fk. 

(Ueber Blutegel. Abh. über deren Natur und Beschaffenheit, 
nebst Anweisung über die Art, sie zu vermehren und als 
„Handelswaare zu benutzen, A.d, Dän.) f 

“Ars-Berättelse om botaniska Arbeiten och Upptäckter för Ar 
1838. Till Kongl. Vetenfkaps - Academien afgifven den 
31. Mars 1839. Af Joh. Em, VWikström,  Stock- 
holm, 8., h. 3 R:dr. 

(Botanischer Jahresbericht für 1838.) j 

Utkast till Wäxtrikets Terminologi af J. Arrhenius 
Förra Häftet. Upsala, 8., h. 20 fk. 

(Entwurf zu einer Terminologie des Pflanzenreichs.) 

Ofver Wexternes Namn. Academifk Afhandling. Pres. 
Elias Fries; Respp. Carl Joh. Boman, Jon. 
Gust. Sjöstrand, Joh. Oscar Carlberg och Ni. 
canor Hammaren. 1—4. Ibd.; 8. | 

(El. Fries, über die Namen der Gewächse.) 

Grunddragen af Aristotelis Vextlära. Akad. Afh. Pres. 
El. Fries; Respp. Joh. Gust. Ek, Sv. MWilh. 
Moberg och Marti. Chr, Jungmarker. 1—3. Up» 
sala, 8. 

(Dess. Grundzüge der Pflanzenlehre des Aristotele s.) 


3 


Novitiarum Florae Suecice Mantissa Tertia. Pres. El. 
Fries; Respp. Arvid. Sundberg, Ant. Jul. Lyth. 
et Car. Thorsten Ortenblad. I—III. Ibd.; 3. 

Eli®e Fries Novitie Flore Suecice. Continuatio, sistens 
Mantissam I, II, III uno Volumine comprehensas. Ac- 
cedunt de Stirpibus in Norvegia recentius detectis Preno- 
tiones e maxima Parte communicate a Math. N. Blytt. 
Lunde et Upsalie , mpeccxxxır — mncccxum; 8, 2. R:dr. 

Observationes Stirpium eirca Chrislinehamn provenientium. 
Pres. Georg. Wahlenberg: Auctor Carl Anders- 
son. Upsalie, 4. 

Dispositio Muscorum ‚in Scandinavia hucusque cognitorum. 
Conseripsit Joh. Angström. Holmie; 12. h. 16 fk. 
Utkast till Vaxt-Geografien jemte Uiforliga Undersöknin- 
gar öfver de vigtigaste Culturväxternes Fädernesland, 
Odling och Nytta. Af F.J. F. Meyen. Ofversättning 
af @. Torssell. Tredje Häftet. Orebro, 8., med 1 pl., 

h. 1 R:dr. 

(Entwurf z. Pflanzengeographieete.; Uebersetzung d. Meyen’- 
schen Werkes. H. 3.) 

Handbok i de Odlade Vexternas Flora och deras Kultur. 
Till Ledning for Akerbrukare, Trädgardsodlare och 
Blomstervänner, efter Endlichers Naturliga Familjer utar- 
betad af N. Lilja. Första Häftet. Orebro, s., h. ı 
R:dr. | 

(Handbuch für die Flora der Anbaugewächse und deren Cul- 
tur; für Ackerbauer, Gartenpfleger und Blumenfreunde, nach 
Endlicher’s natürl. Familien bearbeit.) 

Tidfkrift för Trädgärdsodling och Blomsterfkötsel. Utgifven 
af Svenfka T: ädgärdsföreningen. Redigerad af G. W. 
Gumelius. II. Stockholm, 8., h. sub/kr. pa 6 häft. 3 
R:dr 16 fk. 

(Med he titel pa Omflaget.) 

Tidfkrift för Tradgardsodling och Blomsterfkötsel. Andra 
Argängen. 1. Nr. 4. Jan. Febr. 1842. 

(Zeitschrift für Gartenbau und Blumenpflege; herausgegeben 
vom schwedischen Gartenvereine.) , 

Sven/ka Trädgärds- Föreningens Ars-Skrift 1842. Stock- 
holm; 8. | 

(Jahresschrift des schwedischen Gartenvereines, 1842.) 


Wären. En Botanifk Betraktelse. Pres. EI. Fries; 
Respp. C. F. Molin och L. M. Groth. 1,2. Ibd.; 8. 

(Der Frühling; eine botanische Betrachtung.) 

Register öfver de af R. Vetenfkaps- Academien utgifne 
-Arsberättelser i Fysik, Remi, Mineralogi och Geologi, 
för ären 1821 till och med 1840, utgifvet af Dr. N. J. 
Berlin. Stockholm; 8., h. 24 fk. 


4 


(Register. zu den von der K. Akademie der. Wissenschaften 
\herausgegebenen Jahresberichten über Physik, Chemie ,.Mi- 
„neralogie und Geologie für d. Jahr 1821—1840: inclus.) ı., 

Aro Naturvetenfkaperna nägot Bildnings-medel? En .lt- 
terär stridsfraga. Pres. El. Fries; Respp. E.Grund- 

| berg, II. Grundberg och C. Grundberg. I—III. 
 Ibid.; 8. | wu 

(Sind die Naturwissenschaften ein Bildungsmittel? von El. 
Fries.) | 

Bibliothek i populär Naturkunnighet.. Andra Afdelningen, 
innehällande Bridgewater - Afhandlingarne om Guds i 
Skapelsen uppenbarade Allmagt, Wishet och Godhet.. II. 
John Ridd. | | 

(Med dubbel titel.) rn 
Den yiire Naturen, betraktad iı Förhällande till Menni- 
‚Skans physifka Befkaffenhet, hufvudsakligast med. Af- 
seende pa hennes behof och pa Uppöfningen af hennes 
Förständsförmögenheter. Af J. Ridd. Stockholm, 8., 
h. subfkr. 1 R:dr 8 fk., köp. ı R:dr 40 Jk. 

Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen, 
innehällande Bridgewater- Afhandlingarne ete. III. WW il 
liam EFVhewell. | 

Bibliothek i populär. Naturkunnighet. Andra Afdelningen, 
innehällande. Bridgewater- Afhandlingarne om Guds etc. 
IV. Charles Bell. 

(Med dubbel titel.) ' 
Handen, Hennes Sammansältning och KFörrätlningar, 
betraktade säsom Bevis for en qudomliy Plan. Af Ch. 
Bell. Stockholm, 8., med 5 pt., h. subfkr. ı R:dr. 16 
fk., köp. 2 R:dr. (Utgör Haft. XXXV af Bibliothek.) 

(Uebersetzung der Bridgewaterbücher, II, UI und IV.) 


2. Vom Jahre 1843. 


Kongl. Vetenfkaps - Academiens Handlingar for Ar 1842. 
Stockholm, 8., med 6 pl., h. 2 R:dr. | 
(Verhandlungen d. K. Akademie der Wissenschaften für 1842.) 
Förhandlingar vid de Skandinavifka Naturforfkarnes tredje 

Möte, i Stockholm den ı3 — 19. Juli 1842. Stockholm, 
8., Sällfk. ledamöter 4 R:dr. 8 fk., köp. 4 R:dr 32 fk. 
(Verhandlungen bei der dritten Zusammenkunft der skandinav. 

- Naturforscher, in Stockholm, 1842.) ’ 

Zoologifk Handatlas för Skolor eller Figurer till Lärobok i 
Zoologien af ©. I. Sundevall. Under Förf:s Ledniny 
tecknade af Ferd. von VVright. Lund, 8., med 32 pl. 
h. 2 R:dr. | 

(Zoologischer Handatlas f. Schulen, od. Figuren zum Lehrb.: d. 
Zoologie von Sundevall. Zeichn, von Wright.) 


5 


Arsberättelse om Zoologiens Framsteg under Aren 1840 — 
1842. Till Kongl. Vetenfkaps- Akademien afgifven af 
Zoologie Intendenterna vid Rikets naturhistorifka Mu- 

'seum. Andra Delen (Insecta Linn.) Af C. H. Bohe- 
man. Stockholm, 8., h.ı R:ıdr. a 

(Med dubbel titel.) SRRNT 
Arsberättelseom Framstegen i Insekternas, Myriapodernas 
och Arachnidernas Naturalhistoria under Aren 1840 — 
41842. Af ©. H. Boheman. | 

(Jahresbericht f. Zoologie f. d. J. 1840—42. 2ter Th, Insecta 
L., von Boheman.) | 

Skandinavifka Nordens Ur-Invänare, ett försök i compara- 
tiva Eihnographien af S. Nilsson. 4 Häftet. Lund, 4., 

"med 5 pl., h. 3 R:dr. 24 fk. 

(Med titel för Delen.) | 
Skandinavifka Nordens Ur-Jnvänare, Ett Försök i kom- 
parativa Ethnografien och ett Bidrag till Mennifkoslägtets 
Utvecklings- Historia; af S. Nilsson. Första Delen, 
innehällande - Befkrifning öfver de Wilda Ur-Folkens 

' Redfkap, Hus, Grifter och Lefnadssätt m. m. samt Ut- 
kast till Befkrifning öfver en i Forntiden hit inflyttad 
KRimbrifk Koloni. Med vid pass 280 lithografierade Figurer. 
(Die Urbewolhner des skandinavıschen Nordens. Th. 1.) # 
Skandinavifka Foglar. Tecknade efter Naturen, lithogra- 
 fierade, tryckte och utgifne af M. Körner. 9. Häftet.. 
6 blad in 4., 2 R:dr. 

(Skandinavische Vögel, vgl. 1842.) 

Diptera Scandinaviae disposita et descripta Auctore Ph. D:re 
Joh. FWWilh. Zetterstedt. Tom. II. Lunde. $., h.2 
R:dr 16 fk- 

Takttagelser vid näagra Parasit - Insecters hushällning, af 
P. F. Wahiberg. Stockholm, 8. 

(Beobachtungen uber die Haushaltung einiger Schmarotzerin- 
secten. h 

Ulkast till Botanologien, eller Wextläran i Allmänhet, med 
särfkildt Afseende pa Förf:s Handbok i Skandinaviens 
Flora. Af ©. J. Hariman. Fijerde Upplagan. Med 
tvänne Taflor. Stockholm, 8., med 2 pl., h. 1 R:dr 32 fk. 

(Entwurf zur Botanologie oder Pflanzenlchre im allgemeinen, 
mit besonderer Rücksicht auf des Vfs. Handbuch der Flora 

.. Skandinaviens.) 

Öfversigt af Wäxt- Familjerna, med Afseende pä deras 
Användande vid Fäxternas Undersökning och Bestäm- 
ning, enligt Prof. Fries’ System utarbetad af Carl 
Fredr. Nyman. Stockholm, 8. h. 1 R:dr. 

(Uebersicht d. Pflanzenfamilien mit Rücksicht auf deren An- 
wendung beim Unters. u. Bestimmen d. Pfl., nach Fries’s 
Syst. von Nyman.) 


6 
Utkast till Växtrikets Terminologi af J. Arrhenius. 


Sednare Häftet. Upsala, 8. h. 36 Sk. a 
(Entwurf zur Terminologie des Pflanzenreichs, Letzt. H) 
Atlas öfver Wäxtrikets Terminologie, af J. Ar rhenius. 

Ritad af J. A. Schagerström. Upsala, 4., med 8 

lith. pl., h. 40 fh. 

(Atlas uber die Terminologie des Pflanzenreichs.) “ 

a Uiflygter. En samling af strödda Tillfällighets- 
‚Skrifter , uigifne af Elias Fries. Första Bandet. Up- 
sala, 8., h. 2 R:dr. 

(Botanische Ausflüge. Bd. 1.) 

Handbok i Skandinaviens Flora, innefattande Sveriges och 
Norriges Vexter, till och med Mossorna af C.J. Hart- 
man. Fierde Upplagan, rättad och förökad, Med 
tvänne Taflor. Stockholm, 8., h. 2 R:dr 44 fk. 

(Handbuch der Flora Skandinaviens, enth, Schwedens u. Nor- 
wegens Pflanzen wit Einschluss der Moose.) 

Svenfk Botanik uigifven af Kongl. Vetenfkaps- Academien. 
Eifte Bandet innehällande N:o 721— 774, sammanfaitadt 
till och med N:o 738 af Göran Wahlenberg, ifrän 
oo * N:o 739 af P.F. Wahlberg. Stockholm, 8., 

. 12 JR. 

‘(Schwedische Botanik, herausgegeben von d. K. Akad. d. Wiss. 
Bd. 11. 

Sven/k Flora, innefattande Sveriges Phanerogamvexter ; 
Med en kort, förberedande Vextlära. KFör Nybörjare 
ularbetad och utgifven af D. Högberg. Orebro, 8., 
med 3 pl., h. 2 R:dr. 

(Schwedische Flora, enth. die Phanerogamen Schwedens, nebst 
einer kurzen, vorbereitenden Pflanzenlehre.) 

Novitiarum Flore Suecice Mantissa. Pres. Elias Fries; 
Resp. Joh. Stork. IV. Upsalie, 8. 

Flora Dalekarlica. Landjkabet Dalarnes indigena Phane- 
rogamer och Filices. Uppsats af C.G. Rröningsswärd. 
Fahlun, 8., h. 20 fk. 

Enumeratio Lichenum et Byssacearum Scandinavie hucus- 
ue cognitarum. Ad normam Cel. Elie Fries euravit 
G. Torssell. Upsalie, 12., h. 16 fk. ® 

Handbok i de odlade Vexternas Flora och deras Kultur. 
Till Ledning för Akerbrukare, Trädgärdsodlare och 
Blomstervänner. Efter Endlichers Naturliga Familjer 
utarbetad af-N. Lilja. Audra Häftet. Orebro, 8., h. 
1 R:dr. 

(Handbuch für die Flora u. Cultur,der Anbaupflanzen.) 

Svenfka Trädgärdsföreningens Arsfkrift 1843. Stockholm, 
8., Ah. 32 /k. 

Per schwed. Gartenvereins.) 


7 


Försük att bevisa, huru Verldskropparne füdas och forvand- 
las, frän den ena till den andra fkapnaden, att Jorden 

" undergätt minst fyra förändringar, eller sü kallade Syn- 
dafloder, och att vi böra bereda oss för den femte, som 
ma hända snart kommer. Af Hans Hoffstedt. För- 
sta Delen. Stockholm. 8:0, h. 24 sk. 

(Versuch, zu beweisen, wie die Weltkörper sich erzeugen und 
verwandeln, — dass die Erde mindestens 4 Veränderungen 
oder s. g. Sundfluthen erlitten hat, und dass wir uns auf 
eine baldige fünfte vorbereiten müssen. Th. 1.) 


Vägen till Naturens Riken. En Elementarbok i Natur- 
Historien. För lägre Läroverk och Sjelfundervisning. 
Jemie ett Register, innehällande omkring 6200 namn pä 
naturhistorifka Föremäl och användbart som Ordbok, vid 
Läsning af Resbe/krifningar och andra Lokaljkildringar, 
Handelsberältelser fran ihneniäede Länder, 0. s. v. Af 
Georg Scheutz. Stockholm. 8:0, h. 2 R:dr 24 fh. 

(Der Weg zum Reiche d. Natur; ein Elementarbuch für Na- 
turgeschichte.) 


Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen, 
innehällande Bridgewater - Afhandlingarne etc. V. Peter 
Mark Roget. 

(Med dubbel titel.) 


Naturlifvets märkwärdigaste Föreleelser inom Wext- och 
Diur- Organismen, med Hänseende till Plan och Aenda- 
mal. Af P.M. Roget. Stockholm, 8:0, med 4 pl., h. 
subfkr. 1 R:dr 8 fk., köp. 1 R:dr 56 fk. 

(Utgör Haft. XXXVTI. af Bibliothek.) 


Bibliothek ı populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen, 
Bridgewater - Afhandlingarne; Sjunde Häftet, med 6 
Quartplancher. Bibliothekets XXAVII:de Häfte. Stock- 
holm. 8:0, h. subfkr. 1 R:dr 12 sk., köp. 1 R:dr 40 fk. 


Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen, 
innehällande Bridgewater - Afhandlingarne etc. V. P,M. 
Roget, II. 

(Med dubbel titel.) 

Naturlifveis Märkvärdigaste Företeelser etc. Af P.M. Ro- 
get. Sednare Delen. Stockholm, 8:0, med 7 pl., h. 
subfkr. 1 R:dr 24 fk., köp. 2 R:dr 12 fk. 

(Utgör andra Afdelningens ättonde och Bibliothekets 
XAXVIII Hafte.) 
(Uebersetzungen d. Bridgewaterbücher. Vgl. 1842.) 


3 Vom Jahre 1844. 


Ofversigt of Kongl. Vetenskaps- Academiens Förhandlingar' 
Arg. 1, 1844. N. 1—10. Stockholm. 8. I 
(Uebersicht der Verhandlungen der K. Akad. der Wissensch, 

‚Jahrg. 1. R ' 
DEREN om Zoologiens Framsteg under Aren 1840—42. 
(Zoologischer Jahresbericht f. d. J. 1840—42. (Vgl. 1843.) Th. 

4, über die Wirbelthiere, von Sundevall. 1 Rdr. 24 [k. 

— Th. 3, über die Crustaceen und die Vermes Linn, von 

S: Lovemı2 Rdr: (Th... 2 s. unter“1843‘) Ä 
Diptera Scandinavie ; disposita ei descripta Auctore Ph. 

D:re I. IV. Zetiterstedt. Tomus tertius. Lundae 8:0, 

‚h. 2 R:dr. 

Arsberättelse om botaniska Arbeten och Upptäckter för ären 

1859—42, af d. E. Wikström. Stockh. 8. (5 R:dr.) 
(Jahresbericht über botanische Arbeiten und Entdeckungeu in 

d. I. 1839 — 42.) 

In systemata Algarum hodierna Adversaria scrips. J. @. 

Agardh. Lund. 56 p. 8. 
Plantae vasculares eirca Quickjock Lapponiae Lulensis, qua- 

rum Enumerationem ... Pres. El. Fries. Auctor Ni- 

col. Joh. Andersson. P. I. Upsalie. 8:0. 

Stirpes cotyledonee Parcecie Pojo, periculum botanicum pro- 


ponit A. A. Nylander. Helsingfors. 22 P-, 8. 


Symbole ad Bryologiam Scandinavicam Auct. J.Angström. 
(In: Nova Aeta Reg. Soc. Scientiar. Upsal. ‘Vol: XII. 
Pag. 545 — 380.) 

Spicilegium plantarum Fennicarum Auct. Fr. Nylander. 
Centuria altera. Helsingf. 58 p. 8. 


Vexelbrukets Grunder med Ledning af äldre och nyaste 
Vextfysiologifka Undersökningar framställde af J. Arrhe- 
nius. Zdra Upplagan. Upsala. 6. 

(Die Grundsätze der Wechselwirthschaft, nach Anleitung älte- 
rer und der neuesten pflanzenphysiologischen Untersuchun- 
gen dargelegt. _2te Aufl.) A 

Svenfka Trädgärdsföreningens Arsfkrift 1844. Stockh. 8:0. 

(Jahresschrift des schwedischen Gartenvereins.) 

Försök att bevisa, huruVerldskropparne föodas och förvand- 
las, frän den ena till den andra [kapnaden ete. Stockholm. 
8:0 med 5 pl., h. 2 R:dr 16 fk. i 

(Versuch, zu beweisen, wie die Weltkörper etc. s. 1843.) 

Bibliothek i populär Naturkunnighet. Andra Afdelningen, 
innehällande Bridgewaier- Afhandlingarne ete. (Bihang 
II.) X. Gideon Algernon Mantell, I... (477 

(Med dubbel titel.) 


9 


Geologiens Under. KFöreläsningar af @.A. Mantell. Of- 
versätining fran fjerde Engelfka Original- Upplagan af 
Gustaf Thomee. Förra Delen, med 14 Ovartplancher 
och Li Octav. ‚Stockholm, 8:0, h. för subfkr. 2 R:dr 
8 fk., für köp. 5 R:dr 12 Jh. 

(Utgör andra Afdeln:s nittonde och Bibliothekets XLIX 
Häfte.) 
(Uebersetzung der Bridgewaterbücher. $. 1842 u. 1843.) 


RB. Pänische. 


1. Vom Jahre 1842. 


(NB. Wo bei den dänischen Werken kein Verlagsort angeführt ist. 
da ist dieser immer Kopenhagen.) 

Det Kongel. Danfke Videnfkabernes Sel/kabs naturviden- 
fkabelige og mathematifke Afhandlinger. Ide Deel. Med 
19 Tavler. 4. (2 Thlr. 15 ggr. Pr. C. 

(Der Königl. dänischen Gesellschaft der Wissenschaften natur- 
wissenschaftl. und mathem. Abhandlungen.  9ter Theil. Mit 
19 Tafeln. Naturgeschichtlicher Inhalt: Verschiedenes in 
der den grösseren Abhandlungen vorangehenden Uebersicht 
der Verhandlungen der Gesellschaft f. d. J. 1840 — 41. — 
Anatomische Beschreibung des Chelyosoma Macleyanum, von 
Eschricht. — Geognostisch - geologische Untersuchung der 
Waldmoore Vidnesdam und Lillemose im nördlichen See- . 
land, von Steenstrup. — Fortgesetzte Bemerkungen über 
Brasilien’s ausgestorbene Thicrschöpfung, von Lund. — 
Blicke auf Brasilien’s Thierwelt vor der letzten Erdumwäl- 
zung, von Demselben. 4te Abh.: Fortsetzung der Säuge- 


thiere. — Monographische Darstellung der nordischen Arten 
der Gattung Hippolyte von Kröyer; nebst Beiträgen zur 
Entwicklungsgeschichte der Dekapoden. — Zusatz zu Lund’s 


Blicke auf Bras. Thierw: 4te Abh. —) 


Naturhistorisk Tidsfkrift, udgwet af H. Kröyer. 8. 
Ade Bind. FE ga Fe ; 


(Naturgeschichtliche Zeitschrift, herausg. von H. Kröyer. 
4ter Band. M. 8 Tafeln. Inhalt: Ueber dänische Dolicho- 
poden, von Stäger. — Kritische Beinerkungen uber einige 
dänische Orchideen, von Drejer. — Genauere Nachricht 
über den in Kopenhagen vorgefundenen Dronteukopf, vom 
Cand. Reinhardt. — Mittheilung über einige bisher in 
Grönland nicht angetroffene Vögel, von Demselben. — 
Index Molluscorum Groenlandiae, auct. Möller. — Ver- 
handl. der skand. entomol. Gesellschaft, von Schiödte; dazu 
Taf, l. — Auszug einer Beschr. von Grönland’s Annulata 


10 


dorsibranchiata, von A.S. Oersted. — Conspectus generum 
specierumque Naidum ad faunam danicam pertin: von Dem- 
selben. — Neue nordische Amphipoden-Gattungen und 
-Arten aus der Familie der Gammarina, von Kröyer. — 
Neue Arten der G. Tanais, von Demselben. — Beschr. 
nordischer Crangon-Arten, von Dems. Dazu Taf. IV. und 
z. Th. V. — Bemerkungen über die Tauchfähigkeit einiger 
Säugethiere und Vögel, von Holböll. — Revisio crit. spe- 
cierum gen. Tetyrae, quarum exstant in Mus. Reg. Hafn. 
exempla typica, auct. Schiödte. — Bemerkung über das 
Zahnverhalten bei Halichoerus Grypus, vom Cand. Rein- 
hardt. — Verhandl.d. skand. entomol. Ges., von Schiödte. 
— ÖOrnithol. Beitrag zur grönl. Fauna, von Holböll. — 
Beitrag zur dänischen Flora f. d.J. 1841 —42, von Lange. 
— Ueber Cyamus Cetli L., nebst einigen Bemerkungen rück- 
sichtlich der Anwendung der auf den Wallfischen lebenden 
Thierchen zur Unterscheidung der Wallfische, von Kröyer. 
Dazu Taf. V. z. Th. — Beschreibung einiger neuen Arten 
und Gattungen von Caprellına, mit einleitenden Bemer- 
kungen über die Lämodipoden und deren Stelle im Systeme, 
von Dems. Dazu Taf. VI—VIII. — Versuch einer neuen 
Classification der Planarien. gegründet auf mikroskopisch- 
anatomische Untersuchungen, von A. 8. Oersted.) 

Genera og Species af Danmarks Eleutherata; af J. C. 
Schiödte. 2ter Theil des Asten Bandes; mit 10 R.T. 
gr. 8. 5 Rbd. 


2. Vom Jahre 1843. 


Det Kongel. Danfke Videnfk. Selfk. naturvid. og math. 
Afhandl. 10de Deel. Mit 28 Tafeln. (2 Thlr. 14 ggr.Pr. C.) 
(Vgl. oben Theil 9.) (Naturgeschichtlicher Inhalt, betreffend 
die grösseren Abhandlungen: Mikroskopische Untersuchun- 
gen des Nervensystems von Hannover. — Beitrag zu einer 
vergl. Anatomie des Nervus glossopharyngeus, vagus, acces- 
sorius Willis. und hypoglossus bei den Reptilien, von 
Bendz. — Grönland’s Annulata dorrsibranchiata, beschr. 
von A. S. Oersted. — Beschreibung einiger neuen Schlan- 
genarten, von J. Th. Reinhardt. — Ueber den von Por- 
phyrgängen durchbrochenen roten Sandstein im südl. Grön- 
land, von Pingel. (Auch fur sich zu bekommen.) — 

Naturhistorifk Tidsfkrift af H. Kröyer. S. unter 1842. 

H. ©. Örsted, Oversigt over det RK. d. Videnfkabernes 
Selfkabs Forhandl. og dets Medi. Arbeider i 1842. Nr. 
1—9. st. 8. 508.165. 1845, Nr. 1—8. 

(Uebersicht der Verhandlungen der genannten Gesellschaft und 
der Arbeiten ihrer Mitglieder. 1842 u. 43.) | 

Museum for Natur og Konst, udg. af H. C. V. Wium. 


11 


1.1. H. st. 4. Udg. 44 5. og en ill. Tavle. 1 Rbd. 
(Med Subser. paa 1 Bd. eller 12 Hefter. 525. Uill. 
Expl. resp. a 80 $. og 24 $. Med Iwert Bd. desuden 
et Portrait.) | 

(Museum fur Natur und Kunst.) 

Afbildninger af Dyr og Planter, efter Dictionnaire des 
sciences naturelles, ved J. F. Schouw og D. F. Esch- 
richt. 10. H. Roy. 8. 14.& 8 il. Robd. 1 Rbd. 

(Abbildungen von Thieren und Pflanzen nach dem Dict. d. 
sc. nat, 

Chr. SE Veiledning til Kundfkab om de i Dan- 
mark, Slesvig og Holsteen forekommende Fugle. En Haand- 
boy for Jegere, Jagtyndere og Landmend. 1. H. 8. 

40 $. (Indh.: Rovfuglene.) | 

(Anleitung zur Kenntniss der in Dänemark, Schleswig und 
Holstein vorkommenden Vögel. Ein Handb. f. Jäger, Jagd- 
liebh. u. Landleute. H. 1, Raubvögel.) 

J. Th. Reinhardt, Befkrivelse af nogle Slangearter. 4 
M.5. RK. 72%. 

(Beschreib. einiger Schlangenarten; herausg. von d. Gesellsch. 
d. W.) 

H. Kröyer, Danmarks Fi/fke, med Tresnit af Flinch. 
3 H. (II. 1. H.) 8. 1 Rbd. 48 $. 

(Die Fische Dänemarks; mit Holzschn. von Flinch.) 

Dr. H. RKröyer, Monographifk Fremstilling af Slegten 
Hippolytes nordifke Arter, med Bidrag til Dekapodernes 
Udviklings Historie. 4. Med 6 Robb. 1 Rbd. 64. 

(Monogr. Darstellung der nordischen Hippolyte- Arten, mit 
Beiträgen z. Entwicklungsgeschichte d. Dekapoden. M.Kpf.) 

A. S.Orsted, Annulatorum Danicorum conspectus. I. Ma- 
ricole. Med Lithogr. og Tres. (Tilkjendt Univ. Guld- 
medaille) 1 Rbd. 52 $. 

(Diese mit Steindrucken und Holzschnitten gezierte Uebersicht 
hat dıe goldene Medaille der Universität gewonnen.) 


A. S. Orsted, Grönlands annulata dorsibranchiata. Udg. 
af Videnfk. Selfkab. 4. 8. A. og s R. 1 Rbd. 16 $. 
Dr. P. WW. Lund, Fortsatte Bemerkninger over Brasiliens 
uddöde Dyrskabning, og: Blik paa Brasiliens Dyrverden 
för sidste Jordomveltning, 4de Afhandling med Tilleg. 
4. Med 12 Kobb. 1 Rbd. 80 $. (Udg. af. Vidensk. 
Selsk.) 

(Fortgesetzte Bemerkungen uber Brasiliens ausgestorbene Thier- 
schöpfung, und: Blicke in Brasiliens Thierwelt vor der 
letzten Erdumwälzung; Ate Abh. mit Zusätzen.) 


J. J. 8. Steenstrup, Om Forplantning og Udvikling, 


gjennem vexlende Generationsrekker. 4. Med 5 lithogr. 
Tavler. 


12 
(Ueber Fortpflanzung u. Entwicklung — ist auch deutsch er- 
schienen.) \ | 
Flora Danica. Icones plantarum sponte nascentium in regnis 
Danie & Norvegie, in ducatibus Slesvici et  Holsatiae 
etc. Fasc. KAAXX. Fol. ill. 20 Rbd., sort 7 Rbd. (Fasc. 
XAIX 1840.) | | 
Havetidende, udg. af Selfkabet til Haveculturens Fremme. 
1845. 1.H. 8. 248. 2 | 
(Gartenzeitung, herausg. von der Gesellschaft zur Beförd. der 
Gartencultur.) Ä 
Kjerbölling, Frilands - Blomstergartneriet. 4. H. A408. 
(Cplt. i. c. 6 Hefter.) an | 
Kjerbölling, Blomstergartneriet. 5. H.. 56 5. (Slultet. 
Colt. 2 Rbd. 24 $.) Se 
(Die Blumengärtnerei im freien Lande.) 0 
Meyeren,Jorden og dens Beboere. 2. Afd. 1 Rbd. 72 $. 
(Die Erde und ihre Bewohner. ,‚2te Abth.) 1% 
H. P. Place, Veiledning for Naturalier Samlare, med 21 
Fiqurer, 8, 


(Anleitung fur Naturaliensammler,) 


3 Vom Jahre 1844. 


H. C. Orsted, Videnfkabernes Selfkabs Forhandlinger i 
1845. Nr. 1--4. 

(Verhandlungen der Gesellschaft d. Wissensch. im J. 1843.) 

H. ©. Orsted, Oversigt over det Igl. danske Videnska- 
bernes Selfkabs Forhandlinger og deis Medlemmers. Arbei- 
der. 8. (Gyldendal.) Udkommer i Hefter til ubestemt 

.Tid. Arket a 8 Sk. (Aarg. 1845, 8 Nre, 1288. 56Sk.) 

(Orsted’s Uebersicht. S. 1842 u. 43.) 

Tidsfkrift, naturhistorifk. Udg.af H Rröyer. Ny Rakke, 
TI. 1. ileft. st. 8.m. Kbb. 64$. 6 Hefter udgjöre 1 Bd. 

(Kröyer, Naturgeschichtliche Zeitschrift, Neue Reihe.) . 

Magasin for Natur- og Mennefkekundfkab, ny Suite, red. 
af J. P. Böttiger. Kbh. I Nr. m, R. ug. 52 $. Qvart. 

(Magazin für Natur- und Menschenkunde, neue. Folge,) 

C. L. Ström, Naturhistorifk Lesebog for Menigmand.. 12. 
Trykkefrihedsselfkabet. Tresnit. (Omflagstitel: 3.& A. 
H. Krybdyr og Fi/ke.) 2 

(Naturgeschichtliches Lesebuch für den gemeinen Mann. M, 
Holzschn. H. 3—4. Amphibien und Fische.) 

C. L. Ström, Naturhistorifk Lesebog for Menigmand. 
Pattedyr. Med 52 Tresnit. 2. Oplag. 1.8. 285. Papbd. 

(Dasselbe. Mit 32 Holzschn. Säugethiere.) 


13 


©. Petersen, 186 naturtroe Afbildninger i Tresn. af 
muerkv. Dyr, med Befkr. efter de nyeste Opdag. og Berigt. 
samt fors. med et system. Register. For Ungd. og dens 
Venner. 8. Odense. 2 Rbd. i Papbd. 

(Naturgetreue Abbildungen merkwürdiger Thiere in Holzschn, 
mit Beschreib. nach d. neuesten Entdeck. ete. Für die Ju- 
gend und deren ‚Freunde.) 

Hansen, ©. J. L. Krarup, letfattelige Skildringer af 
de merkverdigste Pattedyr til Brug ved den förste Un- 
dervüsning i Naturhistorie. 1.8. 48 8. indb. 

(Leichtfassl. Schilderungen der merkwürdigsten Säugthiere zum 
Gebr. b. ersten Unterr. in d. Naturgesch.) 


©. Paulsen, kort Begreb af Leren om Fuglene, illustr. 
med (4) Tegninger, som Tilleg til 1.H. af ,Veiledning 
il Rundfkab om ete.““ (4. H. 408.) indeh. Rovfuglene. 
8. 64 8. ' 

(Kurzer der Lehre von den Vögeln, erläut. durch (4) 
Zeichnungen cte. als Zusatz zum 4sten Hefte der Anleitung 
etc., s. 1843. Raubvögel.) 

Om det forvildede Qu@g. Af Liebmann. (Danfk Uge- 
Shrift, anden Rekke, N. 156. 1844.) 

(Ueber das verwilderte Vieh. [Dänische Wochenschrift, 2te 
Reihe.]). 

De italienske Naaletr&ers geographifke og historifke Forhold. 
Af J. F. Schouw. $ a 5 

(Das geographische und historische Verhalten der italienischen 
Nadelhölzer. Mit einer Charte.) 


F. C. Carstens, Bemwerkninger over Heden og dens Tre@- 
plantning. 8. 1 Rbd. | 

(Bemerkungen über die Heide und ihre Baumpflanzung.) 

$. Drejer, Anvüsning til at kjende de danfke Foderurter. 
Efter Prof. VYahlbergs Anvisning till svenfka foderväzxter- 
nas kännedom. 2. Udg. Efter Forfatterens Död besör- 
get af J. Lange. 8. 1 Rbd. (1. Udg. 1857.) 

(Anweisung zur Kenntniss der dänischen Futterkräuter. ?te 
Ausg. [1ste Ausg. 1837.]) 

F. Thaarup, Materidlier til den danfke Stats Havekulturs 
Historie og Statistik. 1. Halvdeel. s. A8$. 

(Materialien zur Geschichte und Statistik der Gartencultur im 
dänischen Staate. 1ste Hälfte.) 

G. Forchhammer, Skandinaviens geognostifke Natur. Et 


Foredrag holdt d. 22. Novbr. 1845 i det fkand. Selfk. 
8. 12%. 


14 


©. Norwegische. 


Von den Jahren 1843 und 1844. 


Nyt Magazin for Naturvidenfkaberne. Udgives af den phy- 
siographiske Foreening i Christiania. (Red. Prof. B. M. 
Keilhau.) Bd. IV., H.1-5. gr. 8. Christiania, 

(Neues Magazin f. d. Naturwissenschaften, herausg. vom phy- 
siogr. Verein in Christiania. M. Abb.) 

Gea norvegica. Von mehreren Verfassern. Herausgegeb. 
von Balth. Matth. Keilhau. Lief. 1,2. Christiania, 
1844. EI. Fol. M. Abb. u. Charten. | 


Enumeratio Plantarum , quae circa Ohristianiam sponte na- 


seuntur,, Auct. M. N. Blytt. Christianie. 76 pag. 4. 


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Wiese Zeitschrift erscheint in zwanglosen Heften, von welchen 
drei einen Band von ungefähr 30 Bogen bilden. Sie wird die 
besten und das allgemeinste Interesse in Anspruch nehmenden, 
in einer der, so wenig verbreiteten, skandinavischen Sprachen 
geschriebenen Abhandlungen in vollständigen Uebersetzungen, 
ausserdem aber Auszüge aus grösseren Werken enthalten, und 
durch Uebersichten der Verhandlungen der K. Akad. der Wissen- 
schaften in Stockholm und der K. Dän. Gesellsch. der Wissen- 
schaften in Kopenhagen, Anzeigen, Kritiken, Notizen, Lite- 
raturberichte etc., einen vollständigen Ueberblick der skandi- 
navischen naturgeschichtlichen Literatur, mit Ausnahme der 
Oryctognosie, geben. 4 & : 
Wo es nöthig erscheint, werden lithographirte Abbildungen 


beigegeben werden. 


€. A. Koch’s Verlagshandlung. 
Theodor Kunike. 
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