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AUGUST
PETTENKOFEN
1822-1889
ARPAD WEIXLGÄRTNER
AUGUST PETTENKOFEN
HERAUSGEGEBEN
VOM
K. K. MINISTERIUM
FÜR KULTUS UND
UNTERRICHT
ERSTER TEIL
WIEN
1916
GERLACH & WIEDLING
/V/>
1.1.
DRUCK VON FRIEDRICH JASPER IN WIEN
VORWORT
ichtenberg sag^ einmal, daß ihm manches Vorwort wie ein Vor-
spann vorkomnae, mit dem der Autor seinem Werk über den
Berg zu helfen beabsichtigt. Auf die Gefahr hin, daß dergleichen
auch von dieser, Vorrede gesagt werden wird, sei sie gleich von
vorneherein als eine angekündigt, die weiter auszuholen, zu er-
läutern und zu entschuldigen vorhat.
Den Anstoß, wenngleich nicht den unmittelbaren, zur Heraus-
gabe der Reihe von Monographien, zu der auch die vorliegende
Arbeit gehört, erhielt das Ministerium für Kultus und Unterricht
durch Richard Muthers in den Jahren 1893 und 1894 erschienene
Geschichte der Malerei im XIX. Jahrhundert. Eines wird diesem Werk auch sein
strengster Kritiker gelten lassen müssen: die große Wirkung, die es auf die inter-
essierten Kreise ausgeübt hat. Je größer aber diese Wirkung war, um so peinlicher
mußte es in Österreich empfunden werden, daß in dem Buch die Malerei der
Heimat recht schlecht wegkommt. Dieses falsche Bild sollte durch die genannten
offiziellen Publikationen korrigiert werden.
Es war aber^durchaus*^nicht bloß Muthers Schuld, daß die Schilderung, die er
von der österreichischen Malerei gegeben hat, so wenig befriedigte.
Auch heute noch, da seit dem Erscheinen von Muthers Werk jüber zwanzig Jahre
verstrichen sind, befindet sich gewiß noch mehr als die Hälfte der österreichischen
Bilder^des XIX. Jahrhunderts nicht in öffentlichem, sondern in privatem Besitz und
ist daher wenig bekannt und schwer zugänglich. (Das vom Unterrichtsministerium
herausgegebene und von Wilhelm Freiherrn v. Weckbecker redigierte Handbuch
der Kunstpflege in Österreich — zum erstenmal bereits 1891 erschienen, in dritter,
stark vermehrter Auflage 1902 — ist zwar unter anderem auch ein willkommener
Wegweiser zu den im Privatbesitz versteckten Kunstschätzen, bietet aber seiner
Anlage gemäß natürlich nicht viel mehr als ein grobmaschiges Verzeichnis von
Künstler- und Besitzernamen.) Die kaiserliche Galerie, die über die erste Hälfte
des XIX. Jahrhunderts ziemlich gut orientiert, hat später aufgehört, moderne öster-
reichische Bilder systematisch zu sammeln. Die Vielheit der Sammelgebiete des
Wiener Städtischen Museums und die geringen Mittel der Gemäldegalerie der Aka-
demie der bildenden Künste in Wien haben es verhindert, daß diese beiden Anstalten
einen Ersatz für den Ausfall an der kaiserlichen Sammlung geboten hätten, die Mo-
derne Galerie in Wien wurde aber nach langen Vorbereitungen erst 1903 gegründet.
Waren diese Umstände einem Studium der österreichischen Malerei nichts weniger
als förderlich, so wurde ein solches vollends durch die in mehr als einem Sinne
ungenügende Literatur gehemmt.
Als Muther sein Werk verfaßte, stand ihm, wenn die Aufzählung auf das Wich-
tigste beschränkt sein soll, folgendes zur Verfügung: Constant v. Wurzbachs Bio-
graphisches Lexikon des Kaisertums Österreich, in den Jahren 1856 bis 1891 er-
schienen, ein unentbehrliches Nachschlagewerk, dem nachzurühmen ist, daß es bil-
dende Künstler ebenso wie Dichter und Musiker besonders ausführlich behandelt.
Daß es stets mit Kritik benützt werden muß, ist bei seinem Umfang und der Art,
wie es zustande kam — die sechzig Bände haben einen einzigen Mann zum Ver-
fasser — nur selbstverständHch. Karl v. Lützows Geschichte der k. k. Akademie der
bildenden Künste (Wien 1877) mit ihrer die Jahre 1876/77 bis 1891/92 umfassenden
Ergänzung durch Theodor Lott (Wien 1892). Cyriak Bodensteins Buch: Hundert
Jahre Kunstgeschichte Wiens: 1788—1888 (Wien 1888; fortgesetzt durch Ludwig
Wächtler, Wien 1913). Von diesen vier Büchern gibt aber das Lützowsche allein
eine systematische Darstellung, die anderen drei sind lediglich Materialsammlungen,
und beschränken sich die ersten beiden auf die Akademie der bildenden Künste,
so behandeln die letzten zwei nur die Mitglieder der Pensionsgesellschaft bildender
Künstler in Wien. Versuche, freilich recht bescheidener Art, einen Überblick über
die Entwicklung der Wiener, beziehungsweise der österreichisch-ungarischen Kunst
im XIX. Jahrhundert zu geben, sind die einschlägigen Artikel in dem großen Sammel-
werk: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild (Wien 1886 — 1902)
und die Arbeiten Karl v. Lützows in der vom Gemeinderat der Stadt Wien zum
2. Dezember 1888 herausgegebenen Denkschrift: Wien 1848—1888 (Wien 1888) und
Alfred Nossigs in Albert Ilgs Kunstgeschichtlichen Charakterbildern aus Österreich-
Ungarn (Wien 1893). Richtunggebendes, jedenfalls das Gehaltvollste, was über die
österreichische Kunst der ersten beiden Drittel des XIX. Jahrhunderts gesagt worden
ist, findet sich im I. Band von Rudolf v. Eitelbergers Gesammelten kunsthistorischen
Schriften (Wien 1879). Freilich ermangeln diese einzelnen Persönlichkeiten oder
Zweigen der österreichischen Kunst gewidmeten Aufsätze der Vollständigkeit. Viel
Brauchbares und Wertvolles bieten selbstverständlich auch Artikel in Fachzeit-
schriften, vor allem in den Graphischen Künsten, in der Zeitschrift für bildende
Kunst und in der Wiener Allgemeinen Kunstchronik. Auch in den Tagesblättern
ist natürlich manches Wissenswerte vergraben. Ein auffälliger Mangel dagegen
herrscht an Monographien und Oeuvrekatalogen; Ludwig August Frankls Buch über
Friedrich Amerling (Wien 1889) und Karl L. Wiesböcks Verzeichnis der Werke
Johann Nepomuk Geigers (Leipzig 1868) seien als Ausnahmen angeführt. Desgleichen
fehlen Autobiographien von Künstlern; Führichs bereits 1844 zum erstenmal ge-
druckte Lebenserinnerungen und die 1876 herausgegebene Selbstbiographie von
Karl Blaas stehen so gut wie vereinzelt da.
Während der Jahre, die seit dem Erscheinen von Muthers drei Bänden ver-
strichen sind, hat sich auf dem in Rede stehenden Gebiet manches gebessert. 1897
VI
wurde die Künstlervereinigung „Secession" gegründet, die das gesamte Wiener
Kunstleben mit frischem Blut erfüllte, und 1903 kam endlich, wie schon gesagt,
die Moderne Galerie zustande. Im selben Jahre wurde August Schäffers Großfolio-
werk über die Modernen Meister in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien ab-
geschlossen und erschien Ludwig Hevesis Österreichische Kunst im XIX. Jahrhundert.
Die erstere Publikation ist nicht nur durch ihre Abbildungen, sondern auch durch
die Menge von Personalien ausgezeichnet, die ihr Autor, der als Künstler und als
Galeriedirektor mit sehr vielen der von ihm besprochenen Maler bekannt oder be-
freundet war, mitzuteilen weiß, die letztere dadurch, daß sie, wenn auch verfrüht,
doch zum erstenmal den Versuch wagt, die österreichische Kunst des vergangenen
Jahrhunderts als Ganzes zu schildern. Die Partien des Buches, in denen Hevesi
Miterlebtes darstellt, sind begreiflicherweise wertvoller als die älteren, für die er aus
zweiter Hand schöpfen mußte. Lebendigeren Ausdruck freilich haben die Wiener
Kunstereignisse um die Wende des XIX. auf das XX. Jahrhundert in den zwei
Sammlungen von Hevesis Feuilletons gefunden, die er 1906 und 1909 unter den
Titeln Acht Jahre Secession (März 1897 bis Juni 1905) und Altkunst-Neukunst
(1894 — 1908) veranstaltet hat. Lediglich Reproduktionen nach Gemälden von Alt-
wiener Meistern im Privatbesitz enthält die 1905 bis 1913 bei H. O. Miethke in
Wien erschienene Publikation: Ein Jahrhundert österreichischer Malerei, 1800 — 1900.
Das zehnte Buch des II. Bandes (Stuttgart 1912) von Heinrich Friedjungs Werk:
Österreich von 1848 bis 1860 orientiert knapp und anschaulich über die bildende
Kunst dieses Zeitabschnittes und über die Wiener Stadterweiterung, ohne selbst-
verständlich viel Neues zu bieten. Der Kunstbesitz der Privaten in Österreich wird
seit 1907 systematisch und gründlich, aber natürlich nur schrittweise durch die von
der k. k. Zentralkommission für Kunst- und historische Denkmale herausgegebene
Österreichische Kunsttopographie verzeichnet. Wichtige Auskünfte über Wiener
Maler und ihre Bilder erteilen die Schriften Theodor v. Frimmels, besonders die
seit 1905 von ihm herausgegebenen Blätter für Gemäldekunde und sein Lexikon
der Wiener Gemäldesammlungen, dessen erster Band (München 1913) die Buch-
staben A bis F umfaßt. Über ein Gebiet, auf dem sich die Altwiener Malerei be-
sonders auszeichnete, hat Eduard Leischings große Publikation: Die Bildnisminiatur
in Österreich von 1750 bis 1850 (Wien 1907) Licht geworfen. Seit 1902 sind endlich
auch Künstlermonographien erschienen, 1902, 1911, 1912, 1914 und 1915 die vom
Unterrichtsministerium herausgegebenen (Servaes: Segantini, Hevesi-Kuzmany: Alt,
Dreger-v. Wörndle: Führich, Burg: Zauner). Neben diesen offiziellen gingen auch
andere einher, Artur Rößlers Waldmüller (1907), Alt und Danhauser.
Dies, flüchtig umrissen, der Stand der allgemeinen Literatur, die heute jedem zu
Gebote steht, der sich mit einem Thema der österreichischen Kunst des XIX. Jahr-
hunderts beschäftigt.
Was nun die spezielle Literatur über Pettenkofen anbelangt, so war es mit ihr
wenigstens insoferne nicht schlecht bestellt, als es über ihn ein paar gute Aufsätze
gibt, vor allem Theodor v. Frimmels Einleitung zum Katalog der Auktion von des
Künstlers Nachlaß (1890) und dann zwei Artikel Lützows in der Zeitschrift für
bildende Kunst (1890) und in den Graphischen Künsten (1895). Die Deutsche Bio-
vn
II
graphie hat erst in den Nachtragsband vom Jahre 1907 einen Artikel über Petten-
kofen aufgenommen. Dagegen findet sich sein Oeuvre schon 1898 im II. Band von
Friedrich v. Boettichers Malerwerken des XIX. Jahrhunderts (Dresden 1895 — 1898)
ziemlich ausführlich, allerdings zum Teil recht ungenau verzeichnet. Alles Nähere über
die angeführten Arbeiten und die weitere Spezialliteratur ist im Anhang vermerkt.
So viel über die literarischen Quellen. Nun zu den „ungewollten mittelbaren",
unter denen bei Pettenkofen gewissen schriftlichen eine besondere Bedeutung zu-
kommt. Es sind zwölf Notizbüchlein, die aus dem Nachlaß in den Besitz der
Schwestern Leopold Karl Müllers, der Erbinnen Pettenkofens, übergegangen sind
und über die im Anhang, vor dem Itinerar, noch einiges Weitere mitgeteilt wird.
Diese Bändchen stellen zum Teil vielleicht Auszüge aus ausführlicheren Tagebüchern
dar, die Pettenkofen geführt hat, die aber auf seinen ausdrücklichen Wunsch nach
seinem Tode zusammen mit Stößen von Briefen durch seinen Testamentsvollstrecker
Franz Xaver Mayer den älteren verbrannt worden sind. Die Notizbüchlein enthalten
insoferne mehr als die bloß geschäftlich gehaltenen Register, wie sie gerade unter
den österreichischen Künstlern Füger, Gauermann und Amerling hinterlassen haben,
als sie außer den Aufzeichnungen über den Beginn, die Beendigung und den Ver-
kauf eines Bildes hie und da doch auch noch anderes, z. B. einen schriftlichen Ent-
wurf, eine von einem alten Meister empfangene künstlerische Anregung, Mitteilungen
über den Verkehr mit anderen Personen und über den eigenen Gesundheitszustand
in sich bergen. Diese Notizbücher sind es auch fast ausschließlich, auf Grund deren
sich das im Anhang mitgeteilte ziemlich lückenlos von 1853 bis 1889 reichende Iti-
nerar hat zusammenstellen lassen, das bei dem fortwährend seinen Aufenthaltsort
wechselnden Künstler natürlich von Bedeutung ist. Ergänzend tritt zum Inhalt
dieser Büchlein noch eine ganze Menge auf lose Zettel geschriebener Notizen hinzu,
die gleichfalls aus dem Nachlaß in den Besitz der Schwestern Müller übergegangen
sind. Der mannigfaltige Inhalt dieser flüchtig hingeworfenen Bemerkungen liefert
manchen willkommenen Beitrag zur Kenntnis des Menschen und des Künstlers.
Von Pettenkofens Briefen, die sich erhalten haben, sind die wichtigsten die an
Franz Xaver Mayer den älteren gerichteten. Sie befinden sich noch heute im Be-
sitz von des Adressaten Sohn. Aber auch die paar auf uns gekommenen Briefe
und Fragmente von Briefen an die Geliebte (im Besitz des Autors), die Briefe an
Leopold Karl Müller (im Besitz von dessen Schwestern Marie und Berta) und die
31 Briefe an Karl v. Kratzer (die datierten aus der Zeit vom 30. Jänner 1856 bis
zum 16. August 1879, alle aus Kratzers Nachlaß von Herrn Josef Simon erworben)
sind, je spärlicher gerade diese Art Quelle bei Pettenkofen fließt, von großem
Wert. Einem Briefe an Eugen Jettel kommt darum eine besondere Bedeutung zu,
weil darin, was sonst nur höchst selten und ganz nebenher der Fall ist, ausführlich
und anziehend künstlerische Themen besprochen werden. An zwei Stellen, wo es
noch Briefe Pettenkofens gibt, und zwar sicher in größerer Anzahl und wahr-
scheinlich interessanten Inhalts, hat der Autor mehr als einmal vergeblich angeklopft.
Unter den Personen, deren dem Autor freundlichst erstattete mündliche und
schriftliche Angaben über Pettenkofen die Überlieferung darstellen, sind vor allem
zu nennen: die Damen Luise (f), Amelie (t), Berta und Marie Müller und die Herren
VIII
Friedrich Ehrmann (in Straßburg, f), Charles Sedelmeyer (in Paris) und Maler
Theodor Ethofer (in Salzburg, f). Die Mitteilungen der Schwestern Müller, die sich
hauptsächlich auf die achtziger Jahre beziehen, sind nicht nur durch das Selbsterlebte,
das sie enthalten, sondern auch durch das, was in sie aus den Beobachtungen
Leopold Karl Müllers, der während der beiden letzten Jahrzehnte von Pettenkofens
Leben dessen intimster Freund war, übergeflossen ist, von höchster Bedeutung.
Auf dieselbe Periode und auf Paris beziehen sich die Mitteilungen des Herrn Sedel-
meyer, auf die mit Pettenkofen in Italien verlebten siebziger Jahre die des Herrn
Malers Ethofer. Herr Friedrich Ehrmann dagegen, der seinerzeit in dem Geschäfte
von Friedrich Gsell, dem ersten Maecen Pettenkofens, eine hervorragende Stelle
innehatte, reichte mit seinen äußerst wertvollen Erinnerungen noch in des Künstlers
Wiener Anfangszeiten zurück. Allen diesen Damen und Herren fühlt sich der Autor
zum größten Dank verpflichtet, besonders aber den Fräulein Müller, die ihm vor
allem auf vertrauensvollste Weise Einblick in des Künstlers schriftlichen Nachlaß
gewährten und überhaupt nicht müde wurden, ihn mit Rat und Tat aufs liebens-
würdigste zu unterstützen.
Bisher war von den Quellen die Rede. Hinsichtlich der Denkmäler selbst muß
zunächst gesagt werden, daß Pettenkofen für die oben aufgestellte Behauptung, es
befände sich von den Werken der österreichischen Maler des XIX. Jahrhunderts
nur eine verhältnismäßig geringe Anzahl in öffentlichem Besitz — im Gegensatz
etwa zu Danhauser, dessen Hauptwerke wenigstens seit langem der kaiserlichen
Galerie angehören — ein besonders gutes Beispiel liefert. Was von Pettenkofens
Arbeiten in kaiserlichem oder staatlichem oder städtischem Besitz angetroffen wird,
ist zur Kenntnis seiner Kunst völlig unzulänglich. Diejenige öffentliche Sammlung,
die von seinen Bildern noch am meisten ihr eigen nennt, die Heinrich Freiherr
V. Liebiegsche Sammlung der Stadt Reichenberg, ist wenig bequem zu erreichen
und ist im Grunde eine Privatsammlung, die dank der letztwilligen Verfügung
ihres hochsinnigen Eigentümers zur öffentlichen wurde, und zwar erst im Jahre 1904.
Wer Pettenkofen kennen lernen will, muß auch heute noch vor allem in Privat-
häusern vorsprechen. Die größten Sammlungen seiner Werke befinden sich, mit
Ausnahme der eben genannten zu Reichenberg, in Wien und gehören den Herren
Dr. August Heymann, Ludwig Lobmeyr, Franz Xaver Mayer dem jüngeren und
Eugen Miller v. Aichholz. Das Schwergewicht der ersten dieser Sammlungen
ruht in den Lithographien, die zum größten Teil aus der Sammlung von Friedrich
Flesch in Unter-St. Veit bei Wien stammen, das der Sammlung Eugen v. Millers
in Arbeiten der achtziger, das def Lobmeyrschen Sammlung in Arbeiten der sieb-
ziger Jahre, nur in der Mayerschen Sammlung halten einander frühere und spätere
Werke die Wage. Die Sammlungen der Herren Franz Xaver Mayer, Miller
V. Aichholz und Lobmeyr sind dadurch ausgezeichnet, daß ihre Hauptbestände
noch alle unmittelbar dem Künstler selbst abgekauft wurden. Aber noch vor und
neben diesen Privatsammlungen hat es in Wien andere gegeben, die besonders
reich an Bildern und Zeichnungen Pettenkofens waren, die jedoch eine nach der
andern versteigert wurden, so die Sammlung Josef Daniel Böhms (1865), Friedrich
J. Gsells (1872), A. R. v. Oelzelts (1878) und Theodor Eggers' (1888). Der größere
IX
11»
Teil von Werken Pettenkoferis war und ist aber unzweifelhaft zu Partien von' je
ein paar Stücken bei Privaten verzettelt, die gar nicht den Anspruch erheben, als
Sammler zu gelten, sondern sich nur nach der schönen alten Sitte wohlhabenden
Bürgertums ihre Wohnungen mit etlichen guten Bildern geschmückt haben. Das
meiste dieser Art ist zweifelsohne wieder in Wien zu finden, manches aber be-
gegnet auch im Ausland, sogar in Rußland und in Amerika.
- Diese Zerstreuung von Pettenkofens Werken im internationalen Privatbesitz
bringt es aber mit sich, daß sie fortwährend hier und dort auf Auktionen auf-
tauchen und daß bei dem Versuch, sie allesamt zu verzeichnen, diesen Auktionen
und ihren Katalogen eine wichtige Rolle zufällt. Auktionskataloge sind als literarische
Quellen natürlich recht zweifelhafter Natur, da sie zwischen der Erfüllung primi-
tivster Geschäftsbedürfnisse und der höherer wissenschaftlicher Anforderungen aufs
unerquicklichste hin- und herschwanken. Daß im allgemeinen die wissenschaftliche
Brauchbarkeit der Auktionskataloge ständig wächst, kann gerade im Falle Petten-
kofens mit Genugtuung festgestellt werden. Über die Schattenseiten eines Oeuvre-
kataloges, der notgedrungen zum großen Teile auf Auktionskatalogen aufgebaut
ist, verbreiten sich eingehender die Vorbemerkungen zum Verzeichnis der Werke.
Daß dieses in den vom Unterrichtsministerium bis jetzt herausgegebenen Mono-
graphien, sieht man von der kurzen Liste der Skulpturen Zauners ab, das erste ist,
das der Verfasser selbst angelegt hat, darf hier wohl eingeschaltet werden.
Nicht so wichtig wie die Auktionen, aber immerhin von Bedeutung sind beim
Studium der Werke Pettenkofens die Ausstellungen. Häufig sind sie ja nichts an-
deres als Privatsammlungen, die eine Zeit lang der Öffentlichkeit zugänglich ge-
macht werden. So ließen zu wiederholten Malen die Herren Lobmeyr, Franz Xaver
Mayer der ältere, Franz Xaver Mayer der jüngere und Miller v. Aichholz ihre
Pettenkofenschätze öffentlich sehen, und auf der Deutschböhmischen Ausstellung
zu Reichenberg im Jahre 1906 stand zum erstenmal die Liebiegsche Sammlung
der allgemeinen Besichtigung offen. Die Pettenkofen-Ausstellung, die noch in des
Künstlers Todesjahr im Wiener Künstlerhaus veranstaltet wurde, lieferte zwar natur-
gemäß kein vollständiges, aber immerhin ein anschauliches Bild seines Schaffens.
Auch die Kataloge dieser Ausstellungen, fast durchwegs freilich für Forschungs-
zwecke recht unpraktisch angelegt, sind gleichwohl nicht zu verachtende Behelfe.
Damit ist wohl über das Quellenmaterial alles Nötige gesagt. Den Denkmälern
selbst haften Besonderheiten an, die namentlich der Katalogisierung nicht unerheb-
liche Schwierigkeiten bereitet haben. Davon ist in den Vorbemerkungen zum Ver-
zeichnis der Werke die Rede. Was nun die Darstellung anbelangt, so sei hier bloß
auf folgendes etwas näher eingegangen. Hie und da mag es scheinen, als ob das
ausführlich geschilderte Milieu in allzu losem Zusammenhang mit dem eigentlichen
Thema, Pettenkofens Kunst und Leben, stünde und als ob das zeitgeschichtliche
Beiwerk gerade dann besonders üppig wucherte, wenn die Haupthandlung selbst
nur fadendünn dahinrieselt. Als Entschuldigung dafür kann bloß vorgebracht
werden, daß sich die Darstellung zum Ziele gesetzt hat, den Künstler stets innerhalb
seiher Zeit zu begreifen und daß diese, namentlich in Anbetracht von Pettenkofens
Verschlossenheit und Zurückhaltung manchmal mehr von ihm zu sagen weiß als
er selbst. Daß der der Schilderung der Umwelt eingeräumte Platz im Verlauf der
Darstellung immer enger wird, erklärt sich nicht nur daraus, daß in den siebziger
und achtziger Jahren die Quellen zur Biographie reichlicher fließen, sondern auch
daraus, daß uns Gegenwärtigen die ersten Jahrzehnte von Pettenkofens Leben eben
doch beträchtlich fremder sind als die letzten. Daß es ferner Rücksichten äußerer
Natur waren, die dazu gezwungen haben, gewisse Mitteilungen über den Menschen
Pettenkofen, der nun einmal vom Künstler Pettenkofen nicht säuberlich zu trennen
ist, in verschleierter Form vorzubringen, sei bloß nebenher erwähnt. Schließlich
erheischt die Zeit, die wir durchleben und die namentlich unser Verhältnis zum
Ausland von Grund auf umzuwandeln droht, im Hinblick auf gewisse fremden
Ländern geltende Bemerkungen des vorliegenden Buches die Feststellung, daß sein
Text bereits im Mai 1914 vollständig ausgedruckt war.
In den „Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst" (1873, I. Jg.,
Sp. 60) heißt es anläßlich einer in ihrem „Album" publizierten Radierung William
Ungers nach Pettenkofens Ölbild, das ein auf dem Herd sitzendes Zigeunermädchen
darstellt und heute dem Fürsten Johannes von und zu Liechtenstein gehört: „Über des
Künstlers Leben und Bildungsgang schweigen wir auf seinen ausdrücklichen Wunsch,
,da sich über seine künstlerische Laufbahn nichts sagen ließe, was auch nur von
einigem Interesse sein könnte.'" Ob mit diesen bescheidenen Worten der Künstler,
ob mit seiner umfangreichen Darstellung der Autor Recht behält, darüber wird die
Zukunft zu entscheiden haben.
Eine besondere Sorgfalt wurde auf die den Text begleitenden Abbildungen ver-
wendet. Für ihre Auswahl waren selbstverständlich ebensowohl äußere wie innere
Gründe maßgebend. Die abzubildenden Werke mußten nicht nur verhältnismäßig
leicht zugänglich sein, sondern mußten sich auch möglichst zur Reproduktion eignen.
Die Abbildungen sind, so weit es anging, in chronologischer Reihenfolge ange-
ordnet und sie bemühen sich, der Vielseitigkeit von Pettenkofens Schaffen während
aller Perioden gerecht zu werden. Prinzipiell ausgeschlossen wurden von der Re-
produktion nur solche Arbeiten, die unter einem gewissen künstlerischen Mindest-
maß bleiben. Hiebei wurde, wie gerne einbekannt sei, vielleicht sogar einmal das
historische Interesse hinter den künstlerischen Geschmack zurückgestellt.
Im allgemeinen können die Abbildungen als wohlgelungen bezeichnet werden.
Von den Klischees sind einige wenige ein bißchen zu schwer und dunkel ausge-
fallen, z. B. die auf S. 125 und 151. Schuld daran ist das kreidefreie Textpapier,
das nicht nur eine besondere Hefrichtung der Zinkstöcke erfordert, sondern auch
deren Druck schwieriger als sonst gestaltet. Die geschilderten kleinen Mängel
werden aber durch die Gediegenheit des Papiers reichlich aufgewogen. Bei den
farbigen Autotypien war von den im Anfang bis zu den zuletzt angefertigten ein
steter Fortschritt zu beobachten. Ein Dreifarbendruck wie der auf Tafel IL darf,
zieht man die keineswegs unerhebliche Verkleinerung des Originals in Betracht,
geradezu als tadellos angesprochen werden. Auch die farbigen Lichtdrucke sind,
so vorzüglich sie im allgemeinen ausgefallen sind, nicht alle völlig gleichwertig.
Das breite Aquarell auf Tafel XXXII ist z. B. durch den farbigen Lichtdruck weniger
gut wiedergegeben als das zur selben Zeit, am selben Ort und in derselben Manier
XI
gemalte auf Tafel XXXI, dem die farbige Autotypie entschieden gerechter wurde.
Auf Tafel XXXV herrscht, vergleicht man sie mit dem Original, der braune Ton
unangenehm vor. Dagegen sind wieder die Aquarellstudien auf den Tafeln I, III
und XVII durchaus einwandfrei wiedergekommen, und die Reproduktion des Öl-
gemäldes auf Tafel XL ist so ausgezeichnet, daß, sieht man von dem besonders
bei der farbigen Wiedergabe von Ölbildern störenden weißen Rand und vom
mangelnden Relief der Ölfarben ab, die Nachbildung mit dem gleich großen Ori-
ginal ganz leicht verwechselt werden könnte. Vortrefflich sind endlich auch die
Heliogravüren, denen nur gelegentlich die berühmten Lüfte Pettenkofens (Tafel X,
XX und XLIV) oder eine pastos gemalte, grell von der Sonne beschienene weiß-
getünchte Hauswand (Tafel XXI) Hindernisse in den Weg gestellt haben, denen
diese Reproduktionstechnik nicht völlig gewachsen war. Wie gut die Heliogravüren
des Werkes sind, lehrt wohl am augenfälligsten ein Vergleich der Tafeln XXV
und XXXVII mit den dieselben Bilder wiedergebenden keineswegs schlechten Helio-
gravüren in dem oben zitierten Werk: Ein Jahrhundert österreichischer Malerei,
1800—1900. Zu den Heliogravüren auf Tafel XIII und XLII ist zu bemerken, daß
sie nach fremden Photographien angefertigt wurden; der Heliogravüre nach dem
„Duell in der Au" liegt eine Photographie zugrunde, die Herr Charles Sedelmeyer in
Paris freundlichst zur Verfügung gestellt hat. Die photographischen Aufnahmen für
die Tafeln XIV und XX wurden selbstverständlich nach den Originalen in Reichen-
berg hergestellt, bei der Anfertigung der Heliogravüreplatten aber konnten die Urbilder
nicht zu Rate gezogen werden. Bis auf die Reproduktion auf S. 55 wurden sämtliche
Klischees nach Arbeiten Pettenkofens auf Grund photographischer Originalaufnahmen
angefertigt, der genannten Autotypie diente eine alte noch aus des Künstlers Nach-
laß stammende Photographie, die heute den Schwestern Müller gehört, zur Vorlage.
Zu Dank ist der Autor all den Personen verpflichtet, die es ihm gütigst gestattet
haben, die in ihrem Besitz befindlichen Arbeiten Pettenkofens zum Zweck des vor-
liegenden Werkes zu studieren. Unter ihnen stehen in erster Reihe diejenigen, die
überdies ihre Bilder zur Reproduktion dargeliehen haben. Ihre Namen nennen die
Titel der Abbildungen und die Verzeichnisse der Textillustrationen und Tafeln.
Dank schuldet der Autor, vor allem für Bildernachweise, den Freunden und Fach-
genossen: Josef K. Beer in Budapest, E. W. Braun in Troppau, Artur Burda in
Wien, Friedrich Dörnhöffer, früher in Wien, jetzt in München, Campbell Dodgson
in London, Hermann Egger, früher in Wien, jetzt in Graz, Theodor v. Frimmel,
Karl Giehlow (f), Gustav Glück, Leo Grünstein, F. M. Haberditzl in Wien,
M. D. Henkel in Amsterdam, Hermann Julius Hermann, Karl M. Kuzmany (f),
Camillo List in Wien, Simon Melier in Budapest, Gustav Pazaurek, früher in
Reichenberg, jetzt in Stuttgart, Arthur E. Popham in London, Rudolf Schrey,
früher in Wien, jetzt in Frankfurt a. M., Ernst Schwedeler-Meyer in Reichenberg,
Robert Stiaßny in Wien, Wilhelm Suida, früher in Wien, jetzt in Graz, Zoltan
Takäcs in Budapest, Hans Tietze, Alois Trost in Wien und Wilhelm R. Valen-
tiner in New -York. Unter diesen gebührt besonderer Dank Herrn Direktor Meiler,
der die Güte hatte, alle in Budapest gemachten photographischen Aufnahmen zu
überwachen, und den beiden lieben Freunden Camillo List und Alois Trost; jener
XII
half dem Autor seine reichhaltige Sammlung von Auktionskatalogen auf Arbeiten
Pettenkofens hin durchsehen, dieser unterstützte ihn bei der Durchsicht der Korrek-
turen des Textes im Hinblick sowohl auf den Inhalt als auch auf die Form mit
seinen wertvollen Ratschlägen.
Dank hat der Autor, zumeist aus demselben Grunde wie den Kollegen, auch
folgenden Herren Kunsthändlern abzustatten: Guido Arnot, August und Dominik
Artaria, Julius Eymer (in der Firma L. T. Neumann), Hugo Haberfeld (in der Firma
H. O. Miethke), Rudolf Hirschler in Wien, Josef Schnell in Paris, Friedrich Schwarz,
Ignaz Schwarz (in der Firma Gilhofer & Ranschburg) in Wien, Charles Sedelmeyer
in Paris, Rudolf Töpfer (in der Firma G. Pisko), Alfred Wawra und C. J. Wawra (f )
in Wien. Unter diesen wieder gebührt den beiden Herren Artaria dafür besonderer
Dank, daß sie auf die liebenswürdigste Weise dem Autor erlaubt haben, ihre reich-
haltige und wohlgeordnete Sammlung von Auktionskatalogen durchzuarbeiten.
Zu besonderer Genugtuung gereicht es dem Autor auch, daß sich so viele
Künstler werktätig für seine Arbeit interessiert haben und er folgenden Herren für
mannigfaltige Unterstützung danken kann: Josef Berres Edlem v. Perez (f), Alfred
Coßmann in Wien, Ludwig Deäk-!^bner in Budapest, Josef Engelhart in Wien,
Theodor Ethofer (f) in Salzburg, Adolf Fönyes in Budapest, Cecil van Haanen in
Venedig, Rudolf Konopa, Ludwig Michalek, Hans Ranzoni in Wien, Franz Ruhen
in Venedig, Robert Ruß, Ferdinand Schmutzer in Wien, Damian Skutezky in
Beszterczebänya, Toni v. Stadler in München, Max Suppantschitsch in Wien, Franz
Ujhazy in Budapest.
Endlich obliegt dem Autor noch die traurige Pflicht, dankbar aller derjenigen
zu gedenken, welche an seinem Werk Anteil genommen und es gefördert haben
und nun nicht mehr unter den Lebenden weilen. Die große Anzahl dieser noch
vor der Vollendung des Buches Dahingegangenen flößt dem Autor selbst einen
leichten Schauder ein. Er ersieht daraus am deutlichsten, wie lange seine Arbeit
gewährt, ein wie großes Stück seines Lebens er an sie gewendet hat. Wird mit der
aufgewendeten Zeit und Mühe die Leistung im Einklang stehen? . . . Die Namen dieser
Toten lauten: Vinzenz Graf Baillet de Latour, Josef Berres Edler v. Perez in Wien,
Friedrich Ehrmann in Straßburg, Julius Elischer in Budapest, Theodor Ethofer in
Salzburg, Karl Giehlow in Wien, Josef Freiherr v. Helfert in Klosterneuburg, Karl
M. Kuzmany, Frau Leopoldine Mayer, geb. Stuhlberger, Amelie Müller, Luise Müller,
Elise Pfahler, Ferdinand v. Saar, Robert v. Schneider in Wien, Louise Valade in
Bischweiler im Elsaß, Heinrich Vonwill er, C. J. Wawra und Franz Wickhoff in Wien.
Wien, im September 1915. Arpad Weixlgärtner.
XIII
ERSTES KAPITEL
WIEN 1822-1852
er Mann, dessen Leben und künstlerische Wirksamkeit im fol-
genden geschildert werden soll, hat im Mai des Jahres 1822
das Licht der Welt erblickt. Im Mai des vorhergehenden Jahres
stirbt auf St. Helena, nachdem er freilich schon sechs Jahre
nicht mehr gelebt hat, Napoleon. 1820 gärt es in Spanien, 1821
findet in Laibach ein von der heiligen Allianz einberufener
Kongreß statt, auf dem darüber beraten wird, wie die Auf-
stände in Neapel und Piemont zu unterdrücken wären. Auf dem
Laibacher Kongreß, dessen Hauptperson der Gegenspieler des
Franzosenkaisers, Metternich, ist, wird der Grundsatz verkündet, „daß es den
Fürsten allein zustehe, die Geschicke der Völker zu leiten und die zu diesem
Zweck erforderlichen Maßnahmen zu treffen und zu ändern, und daß die Fürsten
niemand außer Gott verantwortlich seien". Während aber noch der Laibacher
Kongreß tagt, bricht der Griechenaufstand los. In Neapel und Piemont jedoch
gelingt es österreichischen Truppen, die dort einrücken, das unumschränkte König-
tum wieder herzustellen, und Metternich wird, als er von Laibach nach Wien
zurückkehrt, vom Kaiser Franz zum Haus-, Hof- und Staatskanzler ernannt, eine
Würde, die seit dem Ableben Kaunitz' nicht mehr besetzt gewesen war.
So gibt es Kriegsgetümmel und Volkserhebung, die beide der junge Pettenkofen
ausgiebig miterleben und künstlerisch verwerten sollte, wie Zeichen der Zukunft
schon zur Zeit, da seine Mutter mit ihm gesegnet war, und die Fäden, die Europas
Geschicke lenken, laufen in jenen Tagen bedeutungsvoll nach der Stadt, wo seine
Wiege steht.
Das höchste Lob, das dem Wien um das Jahr 1822 zu spenden ist, dürfte
wohl von der Kunst in Anspruch genommen werden, die damals in köstlicher
Mannigfaltigkeit und bewunderungswürdiger Fülle innerhalb seiner Mauern blühte.
Der Musik, der Lieblingskunst der Wiener bis auf den heutigen Tag, gebührt da
wie billig die erste Stelle. Noch lebte Beethoven, der aber die Neunte Sinfonie
noch nicht geschrieben hatte. Schubert, dem gleichfalls noch in den Zwanziger-
jahren des Jahrhunderts zu sterben bestimmt war, hatte „Die schöne Müllerin"
noch nicht komponiert. 1823 schließt sich neunzehnjährig Johann Strauß dem
Terzett an, das Josef Lanner mit den beiden Brüdern Drahanek gebildet hatte.
In der Oper wogte damals mit wechselndem Erfolg der Kampf zwischen der
deutschen und der italienischen Partei, Rossini und Weber waren die Feldrufe.
Die Höhe des Schauspiels ist durch Schreyvogels Wirksamkeit am Burgtheater
bestimmt. Die Dichtkunst, die sich im vormärzlichen Wien so mächtig entfalten
sollte, weist zu Beginn der zwanziger Jahre noch nicht viel mehr als Knospen auf.
Immerhin hatte Grillparzer bereits „Die Ahnfrau" und „Sappho" geschrieben, und im
März 1821 war sogar schon die Trilogie „Das goldene Vlies" zum erstenmal auf-
geführt worden. Im selben Jahre war Bauernfeld mit seinem ersten Lustspiel „Der
Magnetiseur" hervorgetreten. Zwei Jahre nachher dichtete Raimund sein erstes
Stück, den „Barometermacher auf der Zauberinsel". Nestroy aber tritt in Petten-
kofens Geburtsjahr als Sarastro zum erstenmal im Kärntnertortheater auf, und Lenau,
wie Pettenkofen ein deutscher Künstler, der großenteils ungarischen Vorwürfen
seinen Ruhm verdankt, übersiedelt im selben Jahre von Preßburg nach Ungarisch-
Altenburg, um das Studium der Jura mit dem der Landwirtschaft zu vertauschen.
In der bildenden Kunst aber bedeutet die Zeit um Pettenkofens Geburt den
Untergang des von Nazarenertum und Romantik und von der realistischen Historien-
malerei verdrängten Empire. Dessen Vertreter in der Architektur, Nobile, stand
zwar damals noch im rüstigen Mannesalter, und 1822 ward gerade an seinem
charakteristischesten Wiener Werke, dem äußeren Burgtor, gebaut. Noch im
selben Jahre starb aber Wiens hervorragendster Empirebildhauer Zauner, und
Füger, der als Maler die höchste Blüte der Wiener Empirekunst darstellt, war
bereits 1818 verschieden.
Die beste Übersicht über das Wiener Kunstschaffen zur Zeit, als Pettenkofen
geboren wurde, gibt aber vielleicht die außerordentliche Ausstellung, die im Jahre
1822 in der „österreichisch-kaiserlichen Akademie der vereinigten bildenden Künste
bei St. Anna" stattfand.
Füger, der „weiland Herr Direktor", wie es im Katalog heißt, macht noch im
Tode seinen Einfluß geltend. Es sind nämlich seine von Seume auf seinem
Spaziergang nach Syrakus so höchlich bewunderten Bilder zu Klopstocks Messiade
ausgestellt. Fügers Schule ist noch durch Karl Peter Göbel, der ein Testament
Jakobs, eine heilige Maria, aber auch Porträte ausgestellt hat, und durch Anton
Petter vertreten, der sich freilich in seinem Bilde, das Maximilians I. Einzug in
Gent darstellt, auch bereits vom klassischen Altertum entfernt. Von den Naza-
renern waren auf der Ausstellung der im selben Jahre allzu jung verstorbene
Scheffer von Leonhartshoff, Kupel wieser und Kadlik zu sehen. Scheffer hatte ein
Brustbild der heiligen Katharina, eine Maria mit dem Kinde und eine Litho-
graphie nach seiner heiligen Cäcilie, Kadlik das Ölgemälde „Ein Engel lehrt ein
Kind beten" und Kupelwieser mehrere Bildnisse, unter denen das des Schubert-
Sängers Vogl hervorstach, und den „Fischer" nach Goethe ausgestellt. Außer in
dem letztgenannten Bilde kam die Romantik in Ludwig Schnorr von Carolsfelds
„Erlkönig", einem Vorwurf, der in Wien mehr an Schubert als an Goethe er-
innert, und in Fendis Bilde „Eginhard und Emma" zu Worte. Von Fendi, der in
gewissem Sinne der Vater des Altwiener Sittenbildes genannt werden kann, sind
auf der Ausstellung überdies bloß Landschaften und Kopien nach alten Meistern
Maler Leopold Brunner. Ölbild. 1840.
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
ZU sehen. Eine große Rolle spielt die realistische Historienmalerei. Ihr sind Karl
Ruß' viel Raum beanspruchende und damals wenigstens großes Aufsehen er-
regende „Darstellungen aus der Geschichte des österreichischen Kaiserhauses",
die eine gleichzeitige Kritik eine
„rechte Hauskapelle der Natio-
nalität" nennt, und Höchles
„Einzug LI. K. K. Majestäten
in Rom im Jahre 1819" zuzu-
zählen. Die Richtung etlicher
Landschaften Reinholds ist
durch den Zusatz „ideal" im
Katalog hinlänglich charakteri-
siert. Naturalistischeres Bestre-
ben verraten die zahlreichen
Landschaften Vater Steinfelds,
des malerischen Erschließers
der österreichischen Alpenwelt.
Ritter von Duviviers griechi-
sche Landschaften hatten zu
einer Zeit, da bereits der
Griechenaufstand ausgebrochen
war, sicherlich aktuelles Inter-
esse. Auf der Ausstellung war
aber auch, freilich ohne vor-
erst besonders aufzufallen, der
größte Landschafter des alten
Wien, wenn nicht überhaupt
dessen größter Maler vertreten:
Waldmüller. Er war nach sieben Jahren fruchtlosen Umherirrens wieder in seine
Vaterstadt zurückgekehrt, hatte mit der ihm eigenen Energie aufs neue von
vorne angefangen und stellte nun zum erstenmal in Wien aus, und zwar eine
Reihe von Bildnissen. Das Sittenbild, dem in der Wiener Malerei bald die führende
Rolle zufallen sollte, scheint bloß durch zwei Bilder Jakob Gauermanns vertreten
gewesen zu sein. Für die Zeit charakteristisch ist es, daß im Katalog der Aus-
stellung Miniatur- und Pastellgemälden und sogar „gestickten Zeichnungen" ein
eigener Platz eingeräumt ist. Unter den letzteren darf wohl ein von der Frau
Gräfin Rosa B. Kaunitz angefertigtes Porträt Goethes nach Jagemann besonders
hervorgehoben werden. Den damaligen Umfang Österreichs veranschaulichen Kunst-
werke, die aus Venedig und Mailand eingesandt sind.
Diesem Überblick über die österreichische Malerei um das Jahr 1822 sei als Er-
gänzung hinzugefügt, daß auf der Ausstellung bei St. Anna in Pettenkofens Geburts-
jahr Peter Krafft fehlt. Der anonyme Berichterstatter über die Ausstellung in
Hormayrs Archiv sagt von Kraffts beiden Bildern des in den Kampf ziehenden
und heimkehrenden Landwehrmannes, daß sie eine „für Österreich unvergeßliche
Epoche" herbeigeführt hätten, und bedauert lebhaft, daß die im Ausstellungsjahre
von Krafft geschaffenen Gemälde „Rudolf von Habsburgs Begegnung mit dem
Priester auf der Jagd" und „Manfred und der Alpenjäger" bei St. Anna vermißt
August Semeleder. Ölbild. 1840.
Wien, Friedrich Semeleder.
werden. Schließlich sei nur
noch erwähnt, daß sich im
Jahre 1822 der zweiundz wanzig-
jährige Führich zwar bereits
selbst gefunden hatte, aber noch
in Prag weilte, und daß sich
erst im Vorjahre der um vier
Jahre jüngere Schwind ent-
schlossen hatte, seine philoso-
phischen Studien aufzugeben
und Maler zu werden.
Wurde bisher versucht, in
Kürze die geistige Atmosphäre
von Pettenkofens Vaterstadt
zur Zeit seiner Geburt zu schil-
dern, so seien die folgenden
Zeilen seinem Vaterhaus ge-
widmet.
Der Name Pettenkoffer ist
in Wien bereits im Jahre 1775
nachzuweisen. Da wird als Be-
sitzerin des Hauses in der Fär-
bergasse, das die Nummer 333
und das Schild „Zum roten
Säbel" führte, Sebastian Ehr-
harts Witwe, verehelichte Pettenkoffer, genannt. 1783 gehört dasselbe Haus einem
Anton Pettenkoffer, 1787 einer Agnes Pettenkoffer.') Obwohl des Künstlers Vater
Anton Pettenkoffer in Ungarn geboren war,") so darf vielleicht doch aus seinem
Vornamen Anton geschlossen werden, daß die Eigentümer des Hauses in der
Färbergasse seine Vorfahren sind. Von Anton Pettenkoffer wissen wir nicht viel.
Er wird in den Urkunden als bürgerlicher Handelsmann und Grundbesitzer oder
Großgrundbesitzer bezeichnet. Das Merkwürdigste, was von ihm bekannt ist, sind
wohl die musikalischen Soireen, die in den Jahren 1819 bis 1821 bei ihm „unter
den Tuchlauben" und „am Bauernmarkt" stattgefunden haben. Das Orchester
dieser „musikalischen Abendunterhaltungen" oder „Akademien", von dem es
gelegentlich heißt, daß es „vollständig besetzt" war oder daß es „dreißig bis
vierzig Künstler zählte", bestand aus Dilettanten, die neben Werken von heute
vollständig vergessenen Komponisten auch solche von Mozart, Haydn und Schubert
„mit bewunderungswürdiger Präzision und zur allgemeinen Zufriedenheit" ihres
„sehr gewählten Auditoriums" zur Aufführung brachten. Einmal soll sich sogar
der Erzherzog Karl unter den Zuhörern befunden haben. Diese musikalischen
Soireen begannen zum Beispiel im Jahre 1820 am 19. Oktober und fanden von
da ab jeden zweiten Donnerstag statt. Sie sind für das damalige Wien, das ja
förmlich in Musik schwamm, wo auf der Gasse wie im Salon mit gleicher Lust
Moriz Kreb. Ölbild. 1842.
Wien, Oberstleutnant Ladislaus von Benesch.
und gleichem Talent musiziert wurde, ungemein charakteristisch. Auf welche
Weise Pettenkofens Vater an diesen Aufführungen eigentlich beteiligt war, ob er
bloß gegen Entgelt einen Raum zur Verfügung stellte oder ob er Musiker und
Zuhörer zu sich lud, geht aus der Quelle, dem Tagebuch Perths, dieses schreib-
seligen Herrn „Adabei" (so nennt man in Wien jemand, der überall „auch dabei"
gewesen sein muß) leider nicht deutlich hervor. Fast ließe die respektvolle Wen-
dung „bey Herrn von Pettenkoffer" das letztere vermuten, sicherlich dürfen
Musikliebhaberei und Gastfreundlichkeit als Eigenschaften Anton Pettenkoffers
nicht ausgeschlossen werden.') Nach einer freilich wenig verläßlichen Quelle soll
Anton Pettenkoffer, nachdem er sein Gut in Ungarn verwirtschaftet hatte, zwei-
mal einen Haupttreffer gemacht, beide Male aber das gewonnene Geld wieder
durchzubringen gewußt haben, unter anderem auch auf einer Reise nach Paris,
auf die er Frau und Kinder, unter diesen auch den kleinen August, mitgenommen
habe.O Sicher ist, daß nach seinem Tode am 14. Mai 1834 das freilich nicht
allzu beträchtliche Vermögen, das die Frau in die Ehe mitgebracht hatte, nicht
mehr vorhanden war. Die Hinterlassenschaft bestand aus dem gänzlich ver-
wahrlosten und verschuldeten Gut Reiteben in Kärnten, das bereits 1819 auf
dem Exekutionsweg gerichtlich geschätzt, und aus einem Mobiliarvermögen, das
schon 1826 von der Frau mit gerichtlicher Pfändung belegt worden war. Das
landtäfliche Gut Groß-Reiteben lag im Lavanttal, gehörte zum Klagenfurter Kreise,
umfaßte über 114 Joch, war mit der Schankgerechtigkeit ausgestattet und hatte
ein Hauptgebäude, das „Schloß" genannt wurde. 1819 hatte Anton Pettenkoffer
Reiteben in öffentlicher Feilbietung erstanden, 1835, ein Jahr nach seinem Tode,
mußte es abermals auf gerichtlichem Wege verlizitiert werden und aus der Summe,
die es da eintrug, konnte nicht einmal der vierte Tabulargläubiger — es war der
Wiener Kaufmann Franz Xaver Mayer, nachmals einer der engsten Freunde des
Malers — befriedigt werden. In dem von der Witwe und dem Vormund der
Kinder, Magistratsrat Josef Nespern, eingereichten Gesuch um Genehmigung der
Einleitung der öffentlichen Feilbietung ist angegeben, daß die Familie des Ver-
storbenen schon mehrere Jahre hindurch bloß durch die Güte des Vaters der Frau,
des Hofrates Ferdinand Edeln von Nespern, erhalten wird: bei ihm wohne sie un-
entgeltlich und von ihm empfange sie Kost, Kleidung und alles andere zum Leben
Notwendige. Anton Pettenkoffer starb erst sechsund vierzig Jahre alt und zwar, wie
die amtliche Eintragung lautet, an Luftröhren- und Lungenschwindsucht. Ein
Porträt von ihm, aber nicht von des Sohnes Hand gemalt, befindet sich noch in
Wiener Privatbesitz.^)
Ist das alles, was über den Vater bekannt ist, so weiß man noch viel weniger
über die Mutter. Freilich über ihre Familie sind wir besser unterrichtet. Ihr Vater
ist der 1787 von Josef II. geadelte Hofrat Ferdinand Edler von Nespern, der Vor-
stand der Erbsteuer-Hofkommission war. Ihre Geschwister sind Ferdinand Edler
von Nespern, 1835 k. k. Hofkonzipist, 1840 k. k. Feldkriegssekretär beim k. k.
Hofkriegsrat, gestorben 1841; Karoline von Saar, die Mutter des Dichters Ferdi-
nand von Saar, die 1840 als Privatierswitwe bezeichnet wird, und Barbara Mayer,
die 1840 bereits verstorben war. Die Vormundschaft über die Kinder Anton Petten-
Des Künstlers Mutter (?). Ölbild. 1843.
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
koffers führten der Magistratsrat Josef Nespern, wohl ein Onkel der Frau väter-
licherseits, und deren Bruder Ferdinand von Nespern, der Beamte beim Hofkriegs-
rat. Des Künstlers Mutter hieß offiziell Anna Maria, unterschrieb sich aber Nina.
Sie hatte 1815 geheiratet und gebar ihrem Manne sechs Kinder, von denen ihn
aber nur drei überlebten: eine Tochter Henriette (Antonia) und zwei Söhne,
Ferdinand und August. Die Tochter starb bereits 1837,") nur den beiden Söhnen
war eine längere Lebensdauer beschieden. Drei Mädchen, Karoline, Franziska und
eine zweite Karoline, waren bereits 1822, 1828 und 1831 in kindlichem Alter ver-
storben. ')
Von den sechs Kindern ist August Xaver Karl, der Maler, das vierte. Sein
Bruder Ferdinand ist um zwei Jahre älter. August ist am 10. Mai 1822 geboren.
Sein Taufpate war sein Großvater, der Hofrat Ferdinand Edler von Nespern.*")
1822 wohnten Pettenkofens Eltern im Hause Nr. 581 auf dem Bauernmarkt,
1828 im Hause Nr. 780 in der Wollzeile, 1831 im Hause Nr. 370 auf der Land-
straße, im Todesjahr des Vaters 1834 im Hause Nr. 646 auf dem Haarmarkt.
Es stand querüber zwischen der Rotenturmstraße und der Rabengasse und hieß
im Volksmund „Zur großen Gans". Das dritte Stockwerk dieses Hauses umfaßte
die Wohnung des Hofrates von Nespern, der nach dem Tode ihrer Männer seinen
beiden Töchtern Anna Pettenkoffer und Karoline von Saar samt deren Kindern
bei sich Unterkunft gewährte. So wuchsen der Maler August Pettenkofen und der
Dichter Ferdinand von Saar als Knaben nebeneinander auf, doch fand wegen des
gerade in der Kinderzeit beträchtlichen Altersunterschiedes von elf Jahren — um
so viel war August älter als Ferdinand — kein inniger Verkehr zwischen ihnen
statt. Nach dem Tode des Großvaters, der 1840 zweiundneunzigj ährig starb, trennten
sich vollends die Lebenswege der beiden Vettern.")
August muß frühzeitig zeichnerisches Talent verraten haben, da er bereits am
8. November 1834, also noch im selben Jahre, in dem sein Vater verscheidet, und
erst zwölf Jahre alt, in den Schülerlisten der Akademie zu St. Anna auftaucht.
1837 fängt er bei Professor Kupelwieser nach den Antiken zu zeichnen an und
erhält da im Winter- und Sommerkurs des Jahres 1838 und ebenso im Winter-
kurs des Jahres 1840 die Klassifikation Eins. 1839 besuchte er die „Schule der
Historienmalerei". In der Schülerliste des Schuljahres 1849 — 50 erscheint er aber-
mals. Hier ist in der Rubrik „Eintritt" irrtümlich das Jahr 1842 vermerkt. Gemeint
ist wohl das Jahr 1843, in dessen Herbst Pettenkofen den Besuch der Akademie
wieder aufgenommen haben kann. Vom Sommer 1841 an bis zum Sommer 1843
aber war er in Italien beim Militär. Im betreffenden Protokoll heißt es ferner, daß
er von seinem Erwerb lebe und im Hause Nr. 27 auf der Laimgrube in Maria-
hilf wohne.'*')
Was Pettenkofen von der Akademie auf seine Künstlerlaufbahn mitbekommen
hat, das ist von ihm selbst in späten Jahren sehr gering veranschlagt worden.
„Der akademische Unterricht ist der Ruin der Kunst", hat er einmal Dr. August
Fournier in Paris als ersten und letzten Satz einer Theorie der Kunstlehre zu
diktieren begonnen. Den W^erkstattunterricht des Meisters zog er der akademi-
schen Lehrmethode weit vor.^') Jedenfalls war zur Zeit, als er die Akademie be-
suchte, außer Danhauser, der 1838 bis 1844 Korrektor war, unter deren Lehrern
niemand, der auf ihn einen gleichzeitig oder nachmals in seinen Werken irgend-
wie spürbaren Einfluß ausgeübt hätte, und jedenfalls hielten seine Mutter und
sein Großvater oder sein Vormund das, was er an der Akademie zu lernen ver-
mochte, für zu wenig, denn man schickte ihn bald zu Privatlehrern. Der erste
dieser außerakademischen Lehrer Pettenkofens soll ein Italiener in der Leopold-
stadt gewesen sein/') Mit diesem, von dem sonst gar nichts bekannt ist, wird
das weiter unten zu besprechende Marienbild in Zusammenhang gebracht.
Dann lernte er bei Franz Eybl. Dessen Unterricht und Vorbild haben in seinem
künstlerischen Werdegang deutliche Spuren hinterlassen. Eybl, der vorzügliche
Maler Eduard Kaiser. Lithographie. 1844.
Wien, K. k. Hofbibliothek.
Lithograph, der schon Mitte der zwanziger Jahre für die lithographische Anstalt
Mansfeld & Co. gearbeitet hat, war es, bei dem Pettenkofen auf den Stein zeichnen
lernte, eine künstlerische Betätigung, die im Mittelpunkt seiner ersten Entwick-
lungsphase steht. Viele seiner frühesten Genrebilder lehnen sich unverkennbar an
Eybls Art an, und besonders seine Porträte — er hat solche beinahe nur während
seiner ersten Wiener Periode gemalt — verraten Eyblsche Beeinflussung. Ein
anderes Moment aber wiegt, faßt man die Beziehungen Pettenkofens zu Eybl ins
Auge, vielleicht noch schwerer: von Eybl, der zwar erst 1853 Kustos an der
Gemäldegalerie des Belvederes wurde, sicherlich aber schon viel früher mit ihr in
Verbindung stand, wird Pettenkofen die ehrfurchtsvolle Liebe zu den alten Mei-
Stern überkommen haben.
Hat sie ihm Eybl vielleicht
auch nicht eingepflanzt,
so wird er, an der schö-
nen reichen kaiserlichen
Sammlung tätig, doch dem
Schüler Gelegenheit ge-
boten haben, jener Vereh-
rung im jungen Herzen
Raum zu geben. Schließ-
lich dürfte ihn auch Eybl,
der ein geschickter und
gesuchter Bilderrestaura-
tor war, in die Restaurier-
technik eingeführt haben,
eine Kenntnis, die er spä-
ter zu verwerten Gelegen-
heit haben sollte.")
Hat sich Pettenkofen als
reifer Meister bitter dar-
über beklagt, daß man ihm
einen Eybl als Lehrer ge-
geben habe,") so ist das
nicht anders zu verstehen,
als daß er, durch die Schule
der großen Franzosen ge-
gangen, die sauber und
sorgsam ausführende Art
der alten Wiener überhaupt verwarf und als deren für ihn verhängnisvollsten Ver-
treter Eybl mit. Er ließ ja später nicht einmal Waldmüller gelten, als einen, der
die Hand nicht rechtzeitig vom Bild zu nehmen wüßte.'"') Der strengste Kritiker seiner
selbst, hat er auch anderer nicht geschont und, sich selber stetig weiterbildend,
stand er nicht an, eigene Arbeiten einer überwundenen Epoche unbarmherzig
herabzusetzen, gegebenenfalls auch einfach zu verleugnen. —
Das Jahr 1851 bedeutet für Pettenkofens künstlerischen Entwicklungsgang einen
starken Einschnitt. Was er bis dahin geschaffen hat, findet in der Lithographie
seinen besten und vollständigsten Ausdruck. Der Erörterung seiner übrigen Arbeiten
jener Epoche wird daher die seines lithographischen Oeuvres, das übrigens mit
dem Jahre 1851 als endgültig abgeschlossen erscheint, voranzugehen haben. Vor-
her aber muß ein flüchtiger Blick auf den Stand der Lithographie zur Zeit, da
Pettenkofen auf den Stein zu zeichnen begann, d. i. am Ende der dreißiger Jahre,
geworfen werden.
Die Schwierigkeiten des Anfanges (man erinnere sich bloß der jahrelangen,
fruchtlosen Bemühungen Senefelders, die Lithographie in Wien einzubürgern)
Marie Leigeb. Ölbild. 1845.
Wien, Familie R. von Decastello.
10
waren längst überwunden.
Von namhaften Künstlern
wurde die Lithographie
gepflegt, beim Publikum
war sie beliebt, es gab
rührige, unternehmungs-
lustige lithographische Ver-
leger und geschulte litho-
graphische Drucker. Krie-
hubers reiches Schaffen be-
deutet die Blütezeit des
Wiener lithographierten
Porträts, die lithographier-
te Landschaft hatten vor-
nehmlich Steinfeld und Ja-
kob Alt gefördert, nur in
der lithographierten Histo-
rie stand damals Wien,
wo Johann Nepomuk Gei-
ger noch nicht hervorge-
treten war, hinter Prag,
wo schon in den zwanziger
Jahren Führich seine Bei-
träge zur „Geschichte Böh-
mens in Bildern" geliefert
hatte, noch zurück.
Die älteste von Petten-
kofen bekannte Lithogra-
phie ist das vom Jahre
1837 datierte große Blatt in der Albertina: der Kopf eines dornengekrönten Christus in
der Art Guido Renis. Es ist für einen fünfzehnjährigen Jungen immerhin eine ganz
anerkennenswerte Leistung. Das Blatt mit den russischen Reitern, das eine Blei-
stiftnotiz als lithographischen Versuch Pettenkofens unter der Leitung Eybls be-
zeichnet, ist nur durch diese Notiz beglaubigt, die vermutlich von Emmerich
Kann herrührt und daher nicht allzu ernst genommen zu werden braucht. Russische
Soldaten haben in Wien erst 1849 interessiert, die schwache Arbeit scheint eher
der Versuch eines Dilettanten aus dieser Zeit zu sein als eine Anfängerarbeit
Pettenkofens, als die es dann natürlich um ungefähr ein Dutzend Jahre früher an-
zusetzen wäre. Die beiden gleichfalls recht nichtssagenden Blätter mit dem erfolg-
reich und erfolglos einschreitenden Schutzengel nach ganz schlechten Originalen
des mit Scheffer von Leonhartshoff befreundeten Adam Brenner haben als Werke
Pettenkofens wenigstens das Monogramm A. P. für sich. Diese beiden Litho-
graphien, der Christuskopf in der Albertina und ein schon erwähntes und noch
näher zu behandelndes Ölbild, das Bruststück einer heiligen Maria, wären die
Prokurist Strommer. Ölbild. 1845.
Wien, Franz Xaver Mayer.
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einzigen religiösen Vorwürfe, die sich im gesamten Oeuvre Pettenkofens finden,
der einzige Zoll, den er, wenn man so will, dem Nazarenertum entrichtet hätte.
Bald nach den beiden Blättern, die vom Schutzengel erzählen, jedenfalls noch
vor 1840, einem Jahre, von dem bereits etliche künstlerisch schon recht hoch-
stehende Arbeiten Pettenkofens mit Sicherheit datiert werden können, dürften die
bei Trentsensky erschienenen Mandlbogen, die den Gesamttitel „Der Krieg in
plastischer Darstellung" führen, entstanden sein. Obgleich sich auf diesen 72 Bogen
nicht nur einzelne Figuren, sondern auch ganze Figurengruppen wiederholen und
die Arbeit daher kleiner ist, als die Zahl der Blätter annehmen läßt, so ist sie
doch noch immer umfangreich genug. Pettenkofens Autorschaft ist sowohl durch
eine Notiz auf dem einzigen dem Verfasser bekanntgewordenen Exemplar der
Serie in der Wiener Hofbibliothek als auch durch den Stil verbürgt, der z. B.
manche Verwandtschaft mit des Künstlers Illustrationen zu Dullers „Erzherzog
Carl" zeigt, die freilich ungefähr um fünf Jahre jünger und demgemäß viel reifer
und freier sind. Immerhin sind aber auch schon die Mandlbogen gar nicht üble
mit der Feder auf den Stein gezeichnete Lithographien, die jedenfalls als Arbeit
eines noch nicht Achtzehnjährigen alle Achtung verdienen. Dadurch, daß sie Petten-
kofen, der bald nachher zum Militär ging, zum erstenmal als den Schilderer des
Soldatenlebens zeigen, als der er in seiner vormärzlichen Periode vorwiegend er-
scheint, kommt ihnen noch eine besondere Bedeutung zu.
Matthias Trentsensky war im alten Wien ungefähr das, was Martin Gerlach im
heutigen ist. Wie dieser zuerst für seine „Allegorien und Embleme" und später
für seine „Jugendbücherei" alles zu gewinnen wußte, was es in Österreich an
illustratorischen Talenten gibt und gegeben hat, so verstand es auch Trentsensky,
für seine Mandlbogen viele junge Künstler heranzuziehen, die sich nachmals einen
Namen gemacht haben. Es seien außer Pettenkofen nur noch Schwind, Ranftl,
Zampis und Loder genannt.
Der Mangel an datierten und datierbaren Lithographien der nächsten Zeit er-
klärt sich daraus, daß Pettenkofen 1841 bis 1843 beim Militär war. Daß Petten-
kofen überhaupt unter die Soldaten ging, ist bei einem gesunden jungen Men-
schen, der überdies durch seine Verwandten mütterlicherseits Beziehungen zum
Waffenhandwerk hatte und der sich auch aus den kleinen drückenden Verhält-
nissen seines Daheim hinaussehnen mochte, nur allzu verständlich. Pettenkofen
wurde am 16. Juni „als unobligater Regimentskadett und gegen Nachsicht des
Erlages des Monturgeldes" zum Dragonerregiment König Ludwig von Bayern
Nr. 2 assentiert.'") Dieses Regiment, das jetzige Husarenregiment Erzherzog
Franz Salvator Nr. 15, war in den Jahren 1841 bis 1843 mit zwei Eskadronen
in Padua, zweien in Vicenza, einer in Treviso und einer in Verona disloziert.
Vom Jahre 1844 an stand es mit fünf Eskadronen in Mailand und einer in Pavia,
der Stab befand sich 1841 bis 1843 in Padua, von 1844 an in Mailand. Petten-
kofen diente vom Juni 1841 bis zum März 1843 bei der vom Oberstleutnant
geführten zweiten Eskadron in Padua. In den Sommern der Jahr6 1841 und 1842
manövrierte seine Eskadron in Pordenone und in Sacile und in den Umge-
bungen („Konkurrenzen", wie der militärische Ausdruck lautet) dieser beiden
12
¥
Orte. Zu Beginn des Jahres 1843 lag er, an Skrofeln erkrankt, zwei Monate im
Paduaner Militär spital. Am 25. März dieses Jahres erhielt er, noch immer mit der
Charge eines Regimentskadetten, als „Real-Invalide" seinen Abschied.") Das mag
dem jungen Menschen nah genug gegangen sein. Jedenfalls aber hat er schon beim
Militär und im Alter von neunzehn bis einundzwanzig Jahren jenen Teil Italiens
Kinder, mit einer Maus spielend. Aquarell. 1845.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
kennen gelernt, der später den reifen Mann immer wieder anziehen sollte : Venedig
und die terra ferma. Sicher wird er in den dienstfreien Stunden auch ein wenig
gezeichnet, skizziert haben, wenngleich sich bis auf ein in Öl gemaltes Bildnis,
von dem weiter unten noch gesprochen werden soll, nichts aus jener Zeit er-
halten zu haben scheint. Und ebenso sicher wird er an den Kunstschätzen der
Vergangenheit nicht stumpfen Auges vorübergegangen sein. Den stärkeren und
rascher in die Erscheinung tretenden Eindruck machte aber jedenfalls die leben-
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dige Gegenwart, seine buntbewegte soldatische Umgebung auf ihn. Sie scheint
ihn erst so recht zum Maler gemacht oder doch auf ein Gebiet hingeführt zu
haben, auf dem ihm als Künstler die ersten Lorbeeren wachsen sollten.
Das erste Werk aber, das er schuf, nachdem er die militärische Laufbahn auf-
gegeben, und in die Heimat wieder zurückgekehrt war, ist gegenständlich wenig-
stens gerade ein Widerspiel zum Kriegertum. Es ist die „Heilige Wegzehrung",
eine künstlerisch nicht allzu hervorragende Lithographie. Sie ist darum fast mit
Bestimmtheit in das Jahr 1843 anzusetzen, weil sämtliche drei übrigen Blätter der
Lieferung des Albums, der sie beigegeben ist, die Jahreszahl 1843 tragen.
Da sie in zwei Fassungen existiert, hat sie unberechtigterweise Anlaß zu einer
jener Sammler- und Kunsthändlergeschichten gegeben, die von der bösen Zensur
handeln. Das Blatt interessiert durch seine Mischtechnik: Kreide, Feder und Ton
mit ausgespartem Weiß. Noch mehr aber durch die Gesellschaft, in der es sich
in dem von H. F. Müller verlegten und von Johann Rauh gedruckten „Album der
Künstler Wiens in eigenhändigen Zeichnungen" befindet. Es enthält Beiträge nicht
nur von fast allen Wiener Lithographen jener Tage, sondern auch von ein paar
Künstlern, die sonst nicht die lithographische Kreide zu handhaben pflegten. Frei-
lich zeichnen sich die meisten Mitarbeiter, darunter selbst die klangreichsten Namen
noch recht wenig aus. Schuld daran mag vor allem die ungewohnte, unerprobte
Technik sein. Unter den bekannten Künstlern finden sich Karl Agricola, Friedrich
Wilhelm L'AUemand, Leander Ruß, Eduard Ritter, Ludwig Schnorr, Siegmund
Perger, W^ilhelm Rieder, Eduard Ender, L. Brunner, Karl Göbel, Johann Ranftl,
Rudolf Alt, Ferdinand Waldmüller, Friedrich Gauermann, Josef Höger, Albert
Decker, Josef Heicke und Franz Eybl, zu dessen Namen bemerkt sei, daß er
hier zum erstenmal in Verbindung mit dem Pettenkofens vorkommt.
Entwicklungsgeschichtlich wichtiger und als Lithographien bereits vorzügliche
Leistungen sind die vier Blätter nach Karl Schindler, drei nach Gemälden: „Die
Zeitungsnachricht", „Der Marsch" und „Der Rekrut"; eines, ein Tableau, anschei-
nend nach Pinsel- und Federzeichnungen: „K. k. österreichische Armee, Nr. 2".")
Da das eine von den beiden dem Autor zu Gesicht gekommenen Originalgemälden
Schindlers, „Der Marsch", 1840, das andere, „Der Rekrut", 1841 datiert ist und
die vierte Lithographie 1845 das „Excudatur" erhalten hat, so werden alle vier
Blätter zwischen 1843, dem Jahre, in dem Pettenkofen vom Militär zurückkehrte,
und 1845 anzusetzen sein, infolge der künstlerischen Höhe, die besonders die
Lithographien nach dem „Marsch" und nach dem „Rekruten" bereits einnehmen,
eher näher 1845 als 1843. Das würde bereits nach dem Tode Karl Schindlers
sein. Ob dann die vier reproduzierenden Lithographien — wir werden noch ein
paar solche unter den Frühwerken Pettenkofens kennen lernen — als Akte der
Pietät gegen einen frühverstorbenen Freund oder einfach als Brotarbeiten, Kunst-
händlerbestellungen aufzufassen wären, muß dahingestellt bleiben.
Karl Schindler, das Meteor der Altwiener Genremalerei, ist, erst zwanzig Jahre alt,
bereits 1842 gestorben, ^") nachdem er zahlreiche Aquarelle, Ölbilder und Zeichnungen
und darunter W^erke von ganz außerordentlichen künstlerischen Eigenschaften ge-
schaffen und auf seine Zeitgenossen einen ungemeinen Einfluß ausgeübt hatte.
14
Die Bedenklichkeit. Lithographie. 1845.
Wien, K. k. Hofbibliothek.
15
Sein Vorbild ist zweifellos Peter Fendi gewesen, der zwar mit ihm im selben Jahre
der Welt Ade sagen mußte, dem aber der Lebensfaden doch um sechsundzwanzig
Jahre länger gesponnen war.
Johann Peter Krafft hatte schon 1813, also im Jahre der Völkerschlacht bei
Leipzig, lebensgroß und klassizistisch genug den „Abschied" und sieben Jahre
später die „Heimkehr des Landwehrmannes" gemalt und so den Beweis erbracht,
daß die großen Kriegsereignisse der Gegenwart nicht bloß in den Taten der Fürsten
und Feldherren, in Schlachten und Friedensschlüssen, sondern auch in den Erleb-
nissen des die Waffen tragenden Bürgersmannes malerischer Darstellung wert
seien. Fendi aber und vor allem der Jüngling Karl Schindler hatten, Vertreter einer
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Die Österreicher rücken in Teiningen ein. Lithographie aus Dullers „Erzherzog Carl". (S. 300.) 1845.
jüngeren Epoche, im kleinen Format das Genremäßige, das Anekdotische des
Soldatenlebens zu schildern begonnen und damit die jungen Maler auf ein Gebiet
gewiesen, das ebenso ergiebig wie beim Publikum beliebt war, konnte man sich
doch in der kurzen Friedenszeit zwischen dem Wiener Kongreß und der Erhebung
Italiens und Ungarns mit Behagen der unblutigen und heiteren Seite des Kriegs-
spieles erfreuen.
Aber nicht nur im Format, in der Wahl und der Auffassung des Themas waren
Fendi und Karl Schindler vorbildlich, sondern auch in der von ihnen mit Vorliebe
geübten Technik der Aquarellmalerei und darin sogar in der Art, wie sie z. B.
eine Farbe vom Dunkeln ins Helle rasch ausklingen ließen.
Mit Karl Schindler wird Pettenkofen von der Akademie her bekannt gewesen
sein. Jener war am 23. Juli 1836 fünfzehnjährig eingetreten. Freilich hatte es auch
ihn nicht lange bei St. Anna gelitten, denn in den akademischen Akten^") ist unter
16
dem 4. Februar 1837 schon wieder sein Austritt verzeichnet. Daß auf Pettenkofen
die ungewöhnliche Begabung und Produktivität des nur um ein Jahr älteren
Kollegen von nachhaltigem Eindruck war, ist wohl nicht bloß daraus zu erschließen,
daß er nach ihm lithographierte, sondern läßt sich auch damit belegen, daß er in
einer gewissen Art, mit der Feder auf den Stein zu zeichnen, offenbar von ihm
abhängig erscheint. Die Illustrationen zum „Erzherzog Carl" und die Randbilder
der von Leykum verlegten Folge „K. k. österreichisches Militär" zeigen dies am
deutlichsten.
Vom Jahre 1844 datiert ist das früheste Porträt, das Pettenkofen lithographiert
hat. Das Blatt ist übrigens nur in einem Exemplar vor aller Schrift in der
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Erzherzog Karl in der Schlacht bei Schliengen. Lithographie aus DuUers „Erzherzog Carl". (S. 345.) 1845.
Hofbibliothek erhalten und gibt sich so deutlich als ein Versuch, bei dem es sein
Bewenden hatte. Es stellt im Brustbild den Maler und Lithographen Eduard Kaiser
dar und ist eine vorzügliche Arbeit. Mit Kaiser wird Pettenkofen gleichfalls von
St. Anna her bekannt gewesen sein. Jedenfalls hat jener 1840 dort den Kurs für
historische Zeichenkunst besucht.^') Auch späterhin scheint Pettenkofen mit Kaiser
verkehrt zu haben, wenigstens findet sich in Pettenkofens schriftlichem Nachlaß in
den Jahren 1875 bis 1883 fünfmal dessen Adresse notiert und zwar in Rom, Verona
und Paris. Einmal ist er als Aquarellmaler, einmal als Peintre de la Societe Arundel
bezeichnet. Zusammen mit Kaiser hat er in den nächsten beiden Jahren an der
Illustration von DuUers „Erzherzog Carl" gearbeitet. Der Excudatur -Vermerk auf
einem von ihnen erlaubt es, drei humoristische Blätter: die „Rast", den „Rück-
halt" und die „Bedenklichkeit" in das Jahr 1845 anzusetzen. Die lustigen Vorgänge
17
sind drastisch geschildert, und auch rein künstlerisch genommen sind die drei
Lithographien reife, geschlossene Leistungen. Sie eröffnen die Reihe von Petten-
kofens humoristisch-satirischen Steinzeichnungen.
Demselben Jahre gehört das Huldigungsblatt auf den Palatin Josef an. Wenn
auch Pettenkofens künstlerischer Anteil an dem Blatte nicht sehr hervorragend ist,
so ist es doch darum interessant, weil es einerseits von Pettenkofen im Verein
mit Franz Eybl nach Johann Nepomuk Geigers Entwurf (von Eybl das Porträt,
von Pettenkofen die figurale Umrahmung) auf Stein gezeichnet und anderseits die
erste Arbeit Pettenkofens ist, die eine Beziehung zu Ungarn aufweist. Eybl, der
besonders im Jahre 1842 für Josef Wagner in Pest viele Bildnisse ungarischer
Zelebritäten lithographierte, dürfte diesen Faden geknüpft haben.
1845 begann aber Pettenkofen auch noch eine andere Arbeit, die unstreitig zu
den besten seiner Frühzeit gehört. Es ist sein Anteil an den Illustrationen von
Eduard Dullers „Erzherzog Carl von Österreich", der seit diesem Jahre lieferungs-
weise bei Kaulfuß' Witwe, Prandel & Co. in Wien und bei Gustav Heckenast in
Budapest erschien. 1847 lag das Werk vollendet vor. Neben der gewöhnlichen
Ausgabe in einem Bande gibt es auch noch eine auf besseres Papier gedruckte
zweibändige, die sich aber sonst in nichts von jener unterscheidet.
Dieses schöne illustrierte Buch ward noch bei Lebzeiten Erzherzog Karls, des
Siegers von Aspern, in Angriff genommen und noch in dessen Todesjahr und am
Ende jener kurzen Friedensperiode vollendet, in der man sich in Österreich mit
Stolz dessen erinnern durfte, was die eigenen Waffen dazu beigetragen hatten.
Das Buch mag vielleicht in gewisser Hinsicht durch die Kugler-Menzelsche Ge-
schichte Friedrichs des Großen angeregt worden sein, die bereits 1840 erschienen
war und allerdings dem „Erzherzog Carl", textlich und illustrativ genommen, über-
legen ist. Der Autor des Werkes war eine vielgewandte Persönlichkeit und be-
tätigte sich nicht nur als Historiker, sondern auch als Dichter und zuletzt sogar
als deutsch-katholischer Prediger. Für die Illustrationen des „Erzherzog Carl" aber
war eine Elite österreichischer Künstler aufgeboten, unter denen Pettenkofen
bereits eine erste Stelle einnimmt. Peter Johann Nepomuk Geiger, Eduard Engerth,
Fritz TAUemand, Wilhelm August Rieder, Eduard Kaiser, Moriz Schwind, von
geringeren Namen zu schweigen, sind am illustrativen Schmuck des Werkes be-
teiligt.
Auf dem Gebiete der österreichischen Buchillustration ist der „Erzherzog Carl"
das Gegenstück zu den 1839 und 1842 erschienenen Werken : Die Nachfolge Christi
von Thomas a Kempis, übersetzt von Guido Görres, und die Legenden der
Heiligen, in Verse gebracht von Ladislaus Pyrker. Diese W^erke sind mit Illustra-
tionen nach Zeichnungen von Edward Steinle einerseits und von Josef Führich,
Franz Dobiaschofsky, Leopold Scholz(?), Karl Geiger, Eduard Schaller und Oswald
Steinböcke?) anderseits geschmückt. Können die Illustratoren der zwei religiösen
Bücher als Vertreter der österreichischen Nazarener aufgefaßt werden, so darf man
in den Abbildungen des „Erzherzog Carl" die realistische Historienmalerei des
damaligen Österreich repräsentiert sehen. Die Nachfolge Christi und die Heiligen-
legenden sind mit reproduzierenden Holzschnitten Blasius Höfeis, der in Österreich
18
den Linienholzschnitt zu neuem Leben erweckt hat, und seiner Schule ausgestattet,
während die Illustrationen des „Erzherzog Carl" Schöpfungen der Lithographie
sind, dieser von Höfel bis aufs Messer befehdeten graphischen Technik. Was die
Verwendbarkeit als Buchillustration anbelangt, sollte nicht nur für die damalige
Zeit der Holzschnitt den Sieg über die Lithographie davontragen, hauptsächlich
wohl aus einem praktischen Grunde : der Holzstock kann nämlich zugleich mit dem
Typensatz durch die Presse gehen, eine Lithographie im Text aber verlangt einen
doppelten Druck.
Verwundung des Grafen CoUoredo. Lithographie zu DuUers „Erzherzog Carl". 1846. Im Buche nicht verwendeter Probedruck.
Wien, Dr. Hans Peitler jun.
Sämtliche Lithographien im „Erzherzog Carl" sind Federzeichnungen, auch die
Pettenkofens. Ob diese Federzeichnungen freilich von den Künstlern unmittelbar
auf den Stein oder auf Papier gezeichnet und von diesem erst mittels Umdruckes
auf den Stein übertragen worden sind, läßt sich heute wohl kaum mehr mit
Sicherheit feststellen. In diesen mit der Feder gezeichneten Lithographien hat be-
sonders Johann Nepomuk Geiger geglänzt, am außerordentlichsten sind vielleicht
seine auf die angegebene Weise geschaffenen Illustrationen zu Anton Zieglers
„Memorabilien". Wir sehen im „Erzherzog Carl" Pettenkofen schon zum zweiten
Male gemeinschaftlich mit Geiger arbeiten, einem ganz ungewöhnlich sicheren und
geschmackvollen Zeichner und Illustrator, dem z. B. Hevesi in seiner „Öster-
reichischen Kunst des 19. Jahrhunderts" durchaus nicht gerecht wird.-^ Litho-
19
graphien, die lediglich mit der Feder auf Stein gezeichnet sind, hat Pettenkofen
nur zweimal geschaffen: in den Mandlbogen und eben im „Erzherzog Carl". Hier
ist er vielleicht insoferne von Geiger abhängig, als dieser als der anfängliche Haupt-
illustrator des Werkes vermutlich ausschlaggebend für die Wahl der Technik ge-
wesen sein und möglicherweise auch Pettenkofen als Mitarbeiter in Vorschlag ge-
bracht haben wird.
Doch sind Pettenkofens Federzeichnungen von denen Geigers prinzipiell ver-
schieden. Auf die virtuose Schraffierung Geigers, die dessen Lithographien gar so
kupferstichmäßig kühl erscheinen läßt, verzichtet Pettenkofen von vorneherein,
seine Steinzeichnungen erinnern eher an Radierungen, sind unruhiger, vor allem
ungemein lebendig. Unter Pettenkofens Illustrationen zum „Erzherzog Carl" sind
seine frischesten Kompositionen zu suchen. Jedenfalls hat er nie mehr so bewegt,
so feurig geschildert.
Probedrucken zu den Lithographien im „Erzherzog Carl" im Besitze des Herrn
Dr. Hans Peitler jun. in Wien kommt darum eine besondere Bedeutung zu, weil
sie, zum Teil mit Zensurvermerken versehen, es ermöglichen, Pettenkofens Arbeit
für das Werk in die Zeit vom Juni 1845 bis zum Juni 1846 zu datieren, und weil
sich überdies unter ihnen nicht weniger als fünf sonst nicht erhaltene und nicht
bekannte Originallithographien Pettenkofens finden, die in das Buch gar nicht oder
nur als Kopien von anderer Hand (wahrscheinlich der Eduard Kaisers) aufge-
nommen worden sind.^^)
Eine recht unbedeutende Arbeit des Jahres 1846, ein Doppelblatt mit öster-
reichischem Militär des XVIII. Jahrhunderts sei darum genannt, weil es einen —
den ersten und letzten — Versuch Pettenkofens in der farbigen Lithographie dar-
stellt und ihn wie im „Erzherzog Carl" mit der Tracht der Vorzeit beschäftigt
zeigt.
Den Jahren 1846 und 1847 gehören Pettenkofens lithographische Beiträge zu der
von Friedrich Kaiser redigierten und bei Johann Höfelich verlegten humoristischen
Zeitschrift „Der Kobold" an. Kaiser, der sich nicht nur als unglaublich fruchtbarer
Volksdichter, sondern auch als Schauspieler und als Karikaturenzeichner betätigte,
war der Gründer der älteren „Concordia", eines aus Dichtern und Künstlern be-
stehenden Vereines, der die Fortsetzung der „Ludlamshöhle" war. Öhlenschläger
und Meyerbeer waren Gäste dieser „Concordia", die 1844 auch, als Grillparzer und
ganz Österreich bei der Verleihung des preußischen Ordens „Pour le merite" über-
gangen worden waren, des Dichters Geburtstag mit demonstrativer Feierlichkeit
begieng. Durch Kaiser hätte Pettenkofen mit allen Geistesgrößen des damaligen
Wien bekannt werden können. Pettenkofens Lithographien zum „Kobold" sind gut,
wenngleich keineswegs besonders hervorragend. Neben S. Schiller ist Anton Zampis
zum ersten Male sein Mitarbeiter. Die Witze sind noch völlig unpolitisch und für
den heutigen Geschmack äußerst harmlos. Das Theater spielt, bezeichnend für
jene theatralische Glanzzeit Wiens, eine große Rolle. In einem von Pettenkofens
Blättern spiegelt sich der kolossale Zudrang zur Premiere von Mey erbeers „Vielka"
wieder, in einem zweiten ein anderes wichtiges Zeitereignis: die klinische Ver-
wendung des Schwefeläthers.
20
Die Horcher. Ölbild. 1846.
Wien, Franz Xaver Mayer.
Meyerbeers Oper „Vielka" wurde mit Jenny Lind in der Titelrolle und Staudigl
als Saldorf am 18. Februar 1847 im Theater an der Wien zum ersten Male aufge-
führt. Es war das bedeutendste musikalische Ereignis des Jahres. Daß die Ein-
atmung der Dämpfe des Schwefeläthers in einen Zustand der Empfindungslosigkeit
versetzt, hatte 1846 Jackson in Boston entdeckt. Zu Beginn des nächsten Jahres
wurde in Wien von Schuh die erste Operation mit Äthernarkose vorgenommen,
die überhaupt in den Ländern deutscher Zunge stattgefunden hat.
Von geringer Bedeutung sind auch Pettenkofens drei Lithographien für den
„Staberl als Kalendermacher", einen illustrierten Zeitspiegel — illustrierten Bilder-
spiegel nennt er sich merkwürdigerweise selbst — , der bei Johann Höfelich erschien.
Außer Pettenkofen seien noch Anton Zampis, Eduard Swoboda und Friedrich Treml
als künstlerische Mitarbeiter genannt.
1847 hat Pettenkofen ein erst 1848 erschienenes Blatt „Wiener Bürgerkavallerie"
und die 24 Blätter der Folge „K. k. österreichisches Militär", die bei Alois Leykum
gedruckt und verlegt ist, auf Stein gezeichnet. Während die erstere Lithographie
21
die Reproduktion eines Entwurfes von Leutnant Karl Most ist, sind die letzteren
Originalarbeiten. Das Werk, zu dem sie sich zusammenschließen, ist Erzherzog
Albrecht gewidmet, der damals kommandierender General in Ober- und Nieder-
österreich war. Jedes Blatt hat in der Mitte eine Hauptdarstellung und rechts und
links je drei Nebendarstellungen, eine siebente unten und oben W^appen oder
Embleme. Die Lithographien sind gut, aber ein bißchen trocken, wofür gewiß auch
das Thema, das ja im wesentlichen aus möglichst getreu wiederzugebenden Uni-
formen bestand, verantwortlich gemacht werden muß — an Menzels mit der Feder
auf den Stein gezeichnete fridericianische Soldaten, gleichfalls Uniformierungs-
studien, darf man freilich nicht denken. Naturgemäß sind die Nebenszenen, in
denen sich der Künstler freier bewegen konnte, viel frischer, lebendiger, häufig
vorzüglich. Hinsichtlich der Technik ist zu bemerken, daß Pettenkofen hier nicht
nur mit der Kreide, der Feder und dem das Weiß aussparenden Ton, sondern
auch mit der Nadel gearbeitet hat.
Einerseits wegen dieses auch auf ihr vorkommenden technischen Details und
anderseits, weil ihr ihr harmlos-lustiger Inhalt unter den politisch-satirischen und
kriegerischen Darstellungen der nächsten Zeit keinen Raum gönnt, wird die Litho-
graphie „Der Einzug des Frühlings" am besten hier einzureihen sein. Es ist ein
ungewöhnlich hübsches Blatt, schon darum der Beachtung wert, weil es unter
Pettenkofens Arbeiten in seiner naturalistisch-allegorischen Art einzig dasteht. Es
ist „S. Mayer" signiert, verrät sich aber, ganz abgesehen davon, daß es einen
Künstler dieses Namens im damaligen Wien nicht gibt,^^) und sich Pettenkofen zu
jener Zeit gerne hinter Pseudonymen verbirgt, durch seinen ausgeprägten Stil als
Arbeit Pettenkofens.
Die nächsten Lithographien Pettenkofens fallen bereits in das Jahr 1848 und
geben — sie sind gerade in diesem Jahre nicht nur großenteils vorzüglich, sondern
auch sehr zahlreich — ein ungemein interessantes Bild der bewegten Zeit.
Den Reigen eröffnen Pettenkofens Beiträge zu den humoristisch-satirischen
Blättern, die bei dem „k. k. Hof-Lithographen" Alois Leykum verlegt und unter
dem Namen „Wiener Bilder" bekannt sind. Sie scheinen in sieben Serien zu je
sechs Blatt ausgegeben worden zu sein und sind nicht nur von Pettenkofen, son-
dern auch von Zampis lithographiert. Zwei von den 42 Nummern, die die ganze
Publikation umfaßt haben muß, sind dem Autor nicht bekannt geworden. Die Blätter
selbst entbehren häufig jedes Titels, stets aber ist die Serie römisch und das Blatt
arabisch numeriert. Anfänglich sind die Scherze ganz unpolitisch und von der harm-
losen, gutmütigen Art derer im „Kobold". Allen Texten muß ein ganz vorzüglich
getroffener und bis in die phonetische Schreibweise hinein treu festgehaltener Wiener
Lokalton nachgerühmt werden. Von der vierten Serie an, in der bereits — aller-
dings erst in einer zweiten Auflage, scheint es — die Hälfte der Blätter den viel-
sagenden Titel „März 1848" trägt, schleichen sich in die Spaße politische Anspie-
lungen ein, die freilich nach heutigen Begriffen, etwa mit den blutigen Witzen des
„Simplicissimus" verglichen, noch immer zahm genug sind. Während beispiels-
halber zuerst etwa eine lustige Proletariergesellschaft mit den Worten eines popu-
lären Gassenhauers feststellt: „Auf der Welt, auf der Welt — haben die Herren
22
Die Rüstung der Vorfahren.
Lithographie zum „Kobold". 1846.
a ka Geld", oder ein Mädel, das Sonntag „auf die Redoute muß", darüber ent-
setzt ist, daß Samstag das Versatzamt geschlossen ist, oder ein kleiner Ministrant
seinem Freunde, einem Kappelbuben (Kappel- oder Strichbub hieß im alten Wien,
23
was im Wien unserer Tage als Plattenbruder bezeichnet wird), der stolz vor ihm
seine Harmonika ertönen läßt, verspricht, ihn dann zwölf Uhr läuten zu lassen,
wenn er ihm jetzt ein bißchen auf seinem Instrument zu spielen erlaube, erklärt
zum Beispiel nachher, als die ereignisvollen Märztage vorüber sind, ein Bäcker-
meister einer Köchin, die ihm einen bereits stark aufgelaufenen Gugelhupf bringt,
damit er ihn schnell einschieße: „Das geht nicht so leicht, wenn was im Auflaufen
ist, muß man mit dem Schießen sehr vorsichtig sein, sonst ist gleich die ganze
Geschichte verdalkt," oder remonstriert ein Schuljunge gegen seinen Lehrer, der
ihn wegen Schwätzens draußen stehen lassen will: es gäbe jetzt nicht nur Lehr-
sondern auch Redefreiheit, oder vertröstet unter dem Titel „Gute Hoffnung" ein
Liguorianer ein heulendes Mädel auf die baldige Aufhebung des Zölibates. Man
kann sich nicht genug tun, Schlagwörter der Zeit wie Bewegung, Konstitution,
Gleichgewicht u. a. doppelsinnig zu verwenden, Studenten und Nationalgardisten
spielen große Rollen, die Polizei wird ausgelacht, behutsam wird an die Berliner Revo-
lution gerührt, ein Scherzwort gilt der Aufhebung der Zensur. Seit den Oktobertagen
kommt aber auch die Reaktion humorvoll zu Wort: Szeressaner, die berüchtigten
Rotmäntler des Jellacic, treten auf, die Weldensche Standrechtspublikation gibt
Anlaß zu Scherzen, unter anderem über die Zeughausplünderung und den von
einem jüdischen Händler beabsichtigten Verkauf dabei erbeuteter Waffen an die
ungarischen Rebellen, schließlich finden sich die Truppenaushebungen behufs Unter-
drückung des Aufstandes in Italien schalkhaft registriert.
Die Lithographien gehören zum Teil zu den flottesten, die Pettenkofen ge-
schaffen hat. Es ist, als ob sich die Unruhe, die Erregtheit der Zeit auch den
Zeichnern mitgeteilt hätte. Denn auch Zampis wächst gleichsam über sich selbst
hinaus, er schließt sich im Stil so geschickt und eng Pettenkofen an, daß es
sich heute bei manchem Blatt durchaus nicht mehr entscheiden läßt, wer von den
beiden es geschaffen hat. Auf vielen Steinen werden sicherlich alle zwei tätig ge-
wesen sein. Signaturen fehlen oft ganz oder sie sind pseudonym. Aber gerade die
sicheren Blätter Pettenkofens sind voll prickelnden Lebens, voll französischen
Reizes und Geistes. Nicht nur in der souverän beherrschten Mischtechnik und der
Art, wie eine Komposition in einem einzigen Zuge auf den Stein gebracht ist,
sondern auch z. B. in dem bestrickenden Frauenduft, den hier alle die vollen fri-
schen Körperlichkeiten seiner weiblichen Gestalten aushauchen. Wirklich zeigt sich
hier Pettenkofen ganz ungemein von dem genialen Gavarni beeinflußt, dessen
fabelhafte Blüte ja um die Wende der dreißiger auf die vierziger Jahre anzusetzen
ist. In den Folgen „Les Actrices", „Les Etudiants de Paris", „Baliverneries pari-
siennes", „Le Dimanche", „L'Eloquence de la chair", finden sich Blätter, neben
denen sich einige Pettenkofens geradezu wie freie Kopien darnach ausnehmen.
Bei Johann Höfelich verlegt ist eine andere Serie von Blättern, die mit satiri-
schen Darstellungen die Ereignisse des Jahres 1848 begleiten und unter deren
Künstlern Pettenkofen abermals die erste Stelle einnimmt. Doch wirkt diese Folge,
die den Titel „Bewegung" führt, künstlerisch und als Ganzes genommen, lange
nicht so erfreulich wie die vorhergehende, bei der durch die Fähigkeit von Zampis,
sich in Pettenkofens Stil hineinzufinden, ihn nachzuahmen, eine ziemlich geschlos-
24
TAFEL I
JOSEF BORSOS. AQUARELLSTUDIE. 1847. WIEN, Dr. AUGUST HEYMANN.
TAFEL II
DER UNTERRICHT. ÖLBILD. 1847. WIEN, C. A. WELS.
sene einheitliche W^irkung
zustande gekommen ist.
An der „Bewegung" aber
sind außer Pettenkofen
und Zampis noch (Josef)
Lanzedelli, ein Mono-
grammist B. Z. und ein
Anonymus beteiligt, die
alle erheblich schwächere
Zeichner sind, und auch
Pettenkofens Beiträge sind
ungleich; freilich gehören
die meisten davon zu sei-
nen berühmtesten acht-
und vierziger Blättern.
Doch kommt der zerfah-
rene Eindruck, den das
Ganze macht, hat man
die Blätter nebeneinander
liegen, wohl auch daher,
daß satirische Darstellun-
gen mit naturalistischen
Wiedergaben von bedeu-
tungsvollen Tagesereig-
nissen abwechseln. In-
haltlich sind die Lithogra-
phien natürlich wieder
sehr interessant: Metter-
nichs Sturz wird verhöhnt ;
ironisch, aber richtig wird
Preußen das in Deutsch-
land aufgehende Licht genannt; ein Tscheche sagt zu einem Magyaren, daß
Palacky, der größte Historiker der Zeit, am besten wissen werde, daß Österreich
nach Frankfurt keine Deputierten zu schicken hat, der Magyare denkt radi-
kaler und möchte am liebsten alle Deutschen austreiben; ein schäbiger Zylinder
und der mit prächtigen Federn geschmückte Hut eines Nationalgardisten versinn-
lichen die beiden Hüte, unter deren einen Deutschland kommen soll; besonders
ist es auf Jesuiten und Liguorianer abgesehen: jene vergraben in einem Keller
ihre Schätze und unter dem Bilde sind die Zeilen zu lesen: „Wir haben uns ein-
geschlichen wie Lämmer, wir haben regiert wie Wölfe, man hat uns verjagt wie
Hunde, wir werden verjüngt wie Adler wiederkommen," einer von diesen, der
Pater Cyrill, hat sich in einem verrufenen Hause mit Kleidern der Mädchen ver-
mummt, um nicht entdeckt zu werden; aber auch dem jüdischen Kapitalismus gilt
ein Pfeil: ein Jude jammert seinem Weib vor, er habe alle Papiere zu Gold ge-
Ölstudie üu dem Bilde ,Der Unterricht" vom Jahre 1847.
25
macht, könne dieses aber nun nicht mehr über die Grenze schaffen. Kaum weniger
interessant sind die Illustrationen der Tagesgeschichte: begeistert strömen am
30. März — in den Tagen vom 13. bis zum 15. März hat bekanntlich die Erhe-
bung begonnen — Freiwillige zusammen, um nach Italien zu ziehen und dort
die Keime des Aufruhrs ersticken zu helfen; am 2. April wird unter Absingung
des Liedes „W^as ist des Deutschen Vaterland" dem Kaiserpaar die schwarz-rot-
goldene Fahne überreicht; die Liguorianer werden ausgewiesen; die Tiroler Schützen,
„die vorerst was leisten woU'n, eh wenn sie was begehr'n", eilen ihrem Kaiser zu
Hilfe; auf dem Balkon der Universität wird ein Polizeispitzel ausgestellt; jubelnd
zerstreut sich das Volk, nachdem der „allgeliebte" Kaiser Ferdinand alles bewilligt
hat, was in der Sturmpetition vom 15. Mai verlangt worden ist; eine der am
26. Mai in der Inneren Stadt errichteten sechzig Barrikaden ist dargestellt.
Läßt man die Ereignisse des Jahres 1848 auch nur an der Hand dieser beiden
bei Leykum und Höfelich verlegten Folgen im Geiste an sich vorüberziehen, so
versteht man es nur allzu gut, warum das Jahr bei Mit- und Nachwelt das „tolle" heißt.
Mit Recht gilt das Blatt mit den Jesuiten, die ihre Schätze vergraben, als eine
von Pettenkofens vorzüglichsten achtundvierziger Arbeiten, doch möchten wir per-
sönlich die Barrikade, zu der sich auch der ebenso gelungene leichtgetönte zeich-
nerische Entwurf (heute im Budapester Museum der schönen Künste) erhalten hat,
für das beste Blatt erklären. In technischer Hinsicht ist von Pettenkofens Beiträgen
zur „Bewegung" zu sagen, daß auf ihnen reichliches mit dem Pinsel aufgetragenes
Schwarz vorkommt und sie dementsprechend auch sehr viel Kratzarbeit zeigen.
Ein Blatt wie das mit den drei Männern, die bei Mondschein in die mit „Prokla-
mationsflüssigkeit" gefüllte Tonne hineingucken, ist auf diese 'Weise zum großen
Teil weiß aus dem Schwarz herausgearbeitet. Durch Lithographien Gavarnis wie
etwa dessen Nachtstück mit den beiden Strolchen, die einen Herrn überfallen, in
der Serie „Paris le soir" kann Pettenkofen zu derlei Effekten angeregt worden sein.
Aus dem tollen Jahre stammen noch drei andere Lithographien Pettenkofens.
Sie handeln auf jenen drei Schauplätzen, auf denen sich damals Österreichs Ge-
schick entschieden hat: in Wien, in Italien und in Ungarn. Die erste, ein ziemlich
häufiges Blatt, das bei A. Paternos Witwe und Sohn verlegt ist, stellt den „Ersten
Angriff der Cavallerie vor dem bürgerlichen Zeughause am 13. März" dar. Es ist
eine lebhaft bewegte Massenszene, eine umfangreichere Neubelebung der tempe-
ramentvollen Schlachtenbilder im „Erzherzog Carl", ein Vorläufer der Kampfes-
darstellungen vom ungarischen Kriegsschauplatz des nächsten Jahres. Das zweite
Blatt zeigt zwei österreichische Generale auf der Landkarte Italiens stehend; sein
Text verhöhnt im Stil einer offiziellen Nachricht vom Kriegsschauplatz die anfäng-
liche Untätigkeit der österreichischen Truppen, die sich nach der Erhebung Mai-
lands am 18. März nach Verona zurückgezogen hatten. Zwischen diesem Datum
und dem 25. Juli, dem Tage der Schlacht von Custozza, muß das Blatt entstanden
sein, sonst wäre seine Satire unverständlich. Wahrscheinlich hat Vater Radetzkys
glänzender Sieg über Karl Albert den Spöttern den Mund gestopft und das Er-
scheinen des Blattes, das uns auch nur in einem einzigen Exemplar im Museum
der Stadt Wien bekannt ist, verhindert.
26
Dragoner.
Lithographie aus der Folge „Das Kaiserl. Königl. Österreich'sche Militär". 1847
Die dritte Lithographie des Jahres 1848 endlich führt nach Ungarn. Sie zeigt die
Eröffnung des ungarischen Reichstages am 5. Juli in Pest unter dem Vorsitz des Pa-
latins Erzherzog Stefan und ist dem unglücklichen Ministerpräsidenten Grafen Ludwig
Batthyäni gewidmet. Es ist die erste der vier ganz großen Lithographien Pettenkofens,
im Gegensatz zu den anderen dreien aber keine Originalarbeit, sondern die Re-
27
Franz Imr^dy Edler v. Omorovicze. Ölbild. 1848.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
28
Elisabeth Imrödy Edle v. Omorovicze, geb. v. Etlingen. Ölbild. 1848.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
29
Produktion einer Zeichnung oder eines Gemäldes des ungarischen Malers Josef
Borsos. Pettenkofen war im großen Format kaum jemals glücklich, bei diesem
Blatte ist er es auch nicht, aber nicht bloß aus eigener Schuld. Schon die Kom-
position von Borsos, der übrigens sonst ein tüchtiger Genre- und Stillebenmaler war,
ist recht langweilig. Er ist an der offiziellen Steifheit einer solchen Feierlichkeit
und den paar Dutzend Bildnisköpfen, die mit Hilfe eines Schlüssels zu agnoszieren
sein mußten, gescheitert, und Pettenkofens flaue Übertragung auf den Stein ver-
mochte den Freund nicht zu retten.
Borsos erscheint in den Schülerlisten der Wiener Akademie 1840 als Teilnehmer
des Kurses für historische Zeichenkunst eingetragen.^ ') Von dort und damals kann
Pettenkofen mit ihm bekannt gewesen sein. Daß die Freundschaft von längerer
Dauer war, beweisen zwei Porträte des ungarischen Malers, die Pettenkofen 1847
und das zweite Mal etwa um die Mitte der fünfziger Jahre gemalt hat. Sicher
hat Borsos dem Wiener Freunde den Auftrag verschafft, dessen Erfüllung den
unerfreulichen Eindruck einer Arbeit, die nur um des lieben Brotes willen geschaffen
ist, nicht zu verhüllen imstande ist.
Vielleicht ist es auch Borsos gewesen, der wenigstens mit dazu beitrug, daß
Pettenkofen, als es nach der Thronbesteigung Kaiser Franz Josefs I. in Ungarn los-
gieng, auch seinerseits die Leitha überschritt und den Feldzug gegen die Magyaren
mitmachte. In welcher Form dies geschehen ist, weiß man heutzutage nicht mehr.
Sicher ist nur, daß er die Kämpfe in Ungarn zum großen Teil als Augenzeuge
miterlebt hat, keinesfalls aber als Kombattant, als der er übrigens wohl kaum die
Zeit zu so vielen zeichnerischen Aufnahmen gefunden hätte, sondern bloß als
Künstler, der vielleicht für die Dauer des Feldzuges einem bestimmten Truppenteil
zugewiesen war. - Eine weiter unten zu besprechende Lithographie legt die Ver-
mutung nahe, daß es die Kreß-Chevauxlegers waren, eine den Dragonern ver-
wandte Waffe, an die er sich anschloß, was bei Pettenkofen, dem ehemaligen
Dragoner, nur selbstverständlich ist. Als Kämpfer mitgemacht hat den Feldzug
August Pettenkofens Bruder Ferdinand, und zwar als Oberleutnant beim 22. Feld-
j ägerbataillon . ^°)
Diejenigen Lithographien Pettenkofens nun, deren Vorwürfe dem ungarischen
Feldzug der Jahre 1848 und 1849 entnommen sind, gehören zu den reifsten und
meistbegehrten, die er überhaupt geschaffen hat. Sie sind sämtlich bei L. T. Neu-
mann verlegt und zerfallen in solche, die noch im Jahre 1849 und solche, die erst
in den beiden folgenden Jahren entstanden sind. Zu den ersteren gehören der
„Transport von Verwundeten", das „Russische Lager", „Die Überfallene Feldpost",
„Der Sturm auf Ofen", die „Kreß-Chevauxlegers im Lager bei Äcs" und das
Blatt „Vor Komorn". Die ersten drei Themen sind sozusagen intimer Natur und
jedenfalls solche, die sich der Künstler frei zu wählen in der Lage war; sie sind
unstreitig auch am frischesten behandelt und am besten gelungen. Die ersten
beiden sind nachmals dadurch, daß sie Pettenkofen auch als Bilder ausgeführt
hat, besonders berühmt geworden. Ein vorzügliches Blatt ist auch „Der Sturm
auf Ofen", der ein Ereignis der großen Geschichte festhält, die berühmte Ein-
nahme der Festung durch die Honv^ds unter der Führung Görgeys am 21. Mai
30
Proletariergesellschaft.
Lithographie aus den , Wiener Bildern". 1848.
1849; es sei hier daran erinnert, daß diese Erstürmung der Anlaß einesteils zum
prunkvollen Einzug Kossuths und des gesamten ungarischen Reichstages in Pest
und anderseits — mittelbar — zur russischen Intervention geworden ist. Das Lob,
das man dieser vorzüglichen Leistung Pettenkofens zu spenden geneigt ist, be-
darf aber der Einschränkung. Gerade auf diesem Blatte nämlich zeigt er sich ganz
besonders von Charles Raffet abhängig. Ein Blatt wie das siebente in Raffets
31
Folge „Prise de Constantine", betitelt: „Arrivee de la 2me colonne sur la preche . . .
(13. Octobre, 1837)" kann, wie schon Meder^') bemerkt hat, geradezu als Vorbild
für den „Sturm auf Ofen" bezeichnet werden. Daß Raffet, der vorzügliche und un-
gemein produktive französische Lithograph vorwiegend militärischer Szenen, den
Österreich nicht nur aus seinen Arbeiten, sondern auch persönlich kannte, war er
doch bereits auf seiner „Reise im südlichen Rußland und in der Krim, durch Un-
garn, die Walachei und die Moldau" auch durch Wien gekommen, — daß Raffet
unter allen Wiener Künstlern Pettenkofen, der gleich ihm lithographierte, gleich
ihm besonders am Soldatenleben künstlerisches Gefallen fand und gleich ihm ein
Auge für die ungehobenen malerischen Schätze der von der Donau durchströmten
Ebenen östlich vom Ausgang der Alpen hatte, weitaus am meisten beeinflussen
hat müssen, ist selbstverständlich. Daß aber auch ein Karl Schindler Raffets Arbeiten
nicht ohne Gewinn betrachtet hat, sei nur nebenher bemerkt.
Das bereits früher erwähnte Blatt „Kreß-Chevauxlegers im Lager bei Äcs,
Juli 1849" — am I.Juli defilierten dort alle acht Eskadronen des Regiments vor
dem jungen Kaiser") — scheint die erste Porträtgruppe zu sein, die Pettenkofen
selbständig lithographiert hat. Obgleich es wie natürlich künstlerisch hoch über der
nach Borsos auf den Stein gezeichneten „Eröffnung des ungarischen Reichstages"
steht, so kann es doch die gewisse Befangenheit, von der keines dieser Massen-
bildnisse, selbst das beste nicht, völlig frei ist, weil sie eben im Sujet begründet
ist, auch nicht gänzlich überwinden. Gleichwohl steht es berühmten verwandten
Leistungen der Zeit, z. B. den lithographierten Gruppenbildnissen Kriehubers, kaum
nach. Auch dieses Thema ward von Pettenkofen nicht bloß auf den Stein ge-
zeichnet, sondern auch mit Wasserfarben gemalt.
An der Vorlage leidet die letzte der Lithographien, die auf den ungarischen
Feldzug zurückgehen und noch in dessen zweitem Jahre geschaffen sind. Es ist
das Blatt „Vor Komorn". Obwohl sich Pettenkofen alle erdenkliche Mühe gibt,
die dilettantische Aquarellvorlage Caroline von Weldens, der Gattin des Feldzeug-
meisters von Weiden, zu beleben, namentlich durch die vortreffliche und anschei-
nend von ihm ganz aus eigenem hinzugefügte Staffage, so wirkt das Blatt doch ziem-
lich langweilig. Sein Vorwurf ist natürlich nicht uninteressant: die Festung ist vom
österreichischen Belagerungsheer aus aufgenommen, am 31. März; sie ward be-
kanntlich nachher von Görgey entsetzt.
Baronin Weiden hat auch Bilder vom italienischen Kriegsschauplatz gemalt:
Peschiera während des Bombardements am 27. Mai 1848, den Sturm auf Vicenza
am 10. Juni 1848, Feldzeugmeister W^elden vor Treviso am Morgen des 14. Juni
1848. Nach allen diesen drei Aquarellen gibt es Lithographien von Franz Xaver
Sandmann, mit dem, wie weiter unten gezeigt werden soll, Pettenkofen bekannt
gewesen sein muß.
Dem Jahre 1849 gehören ferner acht Lithographien an, die zwar, wie die eben
besprochenen keine durch einen gemeinschaftlichen Titel zusammengehaltene Serie
bilden, gleichwohl aber schon durch die Verse, die sich unter einer jeden Dar-
stellung befinden, als zusammengehörig bezeichnet sind. Auch sie sind bei L. T.
Neumann verlegt. Ihre Themen, im letzten Grunde gleichfalls dem ungarischen Feld-
32
Bäcker und Köchin.
Lithographie aus den „Wiener Bildern". 1848.
zug entnommen, sind idealer Art, verherrlichen Heldentum und Herzensgüte des
Soldaten, ein einziges Mal, bei „Pirquets Tod" ist ein individueller Fall behandelt,
ein bestimmter Name genannt, aber auch hier ist sowohl durch das Gedicht als
33
auch durch die Komposition des Bildes das Geschehnis über die Wirklichkeit
hinausgehoben. Das Blatt hat übrigens durch die Korrektur, die den ausdrucks-
vollen Phantasiekopf des Sterbenden in die Kopie irgendeines leeren Porträts
verwandelte, entschieden verloren. Auf allen Blättern ist das Milieu nur andeutungs-
weise gegeben. Beim „Mitleidigen Soldaten" und „Braven Tambur" kommt durch
das zigeunermäßige Aussehen der Kinder Ungarn als Ort der Handlung noch
am deutlichsten zum Ausdruck.
So gut alle diese Lithographien sind, so entbehren sie doch der Ursprünglichkeit
und Kraft derjenigen, deren Vorwürfe vom Künstler mit eigenen Augen geschaut
sind, und teilen mit den Versen, die einmal Johann Nepomuk Vogl zum Autor
haben, eine gewisse nicht ganz angenehme Sentimentalität.
Viel lebendiger und stärker und überhaupt eine der vorzüglichsten Leistungen
Pettenkofens auf dem Gebiete der Lithographie ist das Blatt mit der sogenannten
Einnahme von Brescia. Dieser Titel, der mit Bleistift auf das aus der Sammlung •
Franz Gauls in die "Wiener Hofbibliothek gekommene Exemplar geschrieben steht,
ist aller W^ahrscheinlichkeit nach falsch. Einmal hätte Pettenkofen, wenn schon nicht
von Italien her, so doch aus den Zeitungsberichten wissen müssen, daß Brescia
am Gebirge liegt. Dann wäre das Blatt die einzige realistische Kriegsszene, die
Pettenkofen im Jahre 1849 lithographiert hätte und die nicht in Ungarn spielte.
Der Schauplatz der Lithographie ist vielmehr wahrscheinlich abermals Ungarn;
dafür sprechen die ebene Lage der im Hintergrund angedeuteten Stadt und die
Gestalt der Wagen, die im Vordergrund von den Soldaten schleunig bestiegen
werden. Ein Aquarell Pettenkofens, das uns aber nicht zu Gesicht gekommen ist,
führt in einem Auktionskatalog den Titel „Schlacht bei Raab". Vielleicht behandelt
es denselben Gegenstand wie die in Rede stehende Lithographie, zu der sich, wie
schließlich bemerkt sei, eine vorzügliche lavierte Bleistiftskizze, die sich jetzt im
Budapester Museum befindet, erhalten hat.
Sonst sind vom Jahre 1849 noch zwei ganz große Blätter datiert, die den jungen
Kaiser Franz Josef zu Pferd inmitten seiner Generale und Feldmarschall Radetzky,
den „Sieger von Novara", und seinen Stab, ebenfalls beritten, darstellen. Ihnen
gesellt sich eine dritte gleich große zu, die auf ähnliche Weise Haynau, den
blutigen Mann von Brescia, Pest und Arad, zeigt. Allen drei Blättern, so gut die
Porträte und die Pferde — es sind die größten und sorgfältigsten Pferdedarstel-
lungen, die Pettenkofen bisher geschaffen hat — sind, merkt man es gleichwohl
an, daß es bestellte, mehr um des Verdienstes willen als aus Lust gemachte
Arbeiten sind.
Zwei andere Blätter vom Jahre 1850 stellen sich deutlich als Ergänzungen der
ersten Reihe von Szenen vom ungarischen Kriegsschauplatz dar. Das eine, der
„Ungarische Landsturm", kann als das vorzügliche Gegenstück zur „Überfallenen
Feldpost" gelten, das andere, die Heldentat des Korporals Angelo Ferrarini,
eines Kreß-Cheveauxlegers,^") schließt sich am engsten dem Gruppenbild der Unter-
offiziere dieses Reiterregiments im Lager von Acs an.
Wie ein versöhnender Epilog zum Jahre 1848 mutet das Blatt „Die Amne-
stierten" an. Es stellt zwei Männer dar, die von der Höhe herab an einem Weg-
34
Mann und Frau.
Lithographie aus den „Wiener Bildern". 1848.
weiser, der „nach Wien" zeigt, gerührt die Donau und den Stefansturm grüßen.
Die offenbar aus Verkaufsrücksichten vorgenommenen Änderungen an der Litho-
graphie (die Schrift auf dem Arm des Wegweisers ist verlöscht, der Turm der
Stadt ist abgetragen und die Null der Jahreszahl ist mit einer Sechs überschrieben)
müssen nicht einmal von Pettenkofen selbst herrühren. Auch dieses Thema ist
35
5*
als Aquarell behandelt. Sämtliche drei Blätter sind bei L. T. Neumann er-
schienen.
Die Daten 1850 und 1851 finden sich auf elf Blättern, die Pettenkofen zu dem
Bilderwerk „Die k. k. österreichische Armee" beigesteuert hat. Die übrigen fünf-
undzwanzig sind in den Jahren 1852 und 1853 von Anton Straßgschwandtner litho-
graphiert worden. Das Werk ist abermals von Alois Leykum verlegt und diesmal
Seiner Majestät dem Kaiser Franz Josef I. gewidmet.
Merkt man auch diesen Lithographien Pettenkofens wieder an, daß sie durch-
aus nicht mit ganzer Seele geschaffen sind, so sind dafür seine „Zwölf Scenen aus
der Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps" vom Jahre 1851 vollwertige
Leistungen. Schon der Umstand, daß alle Vorwürfe auch als Aquarelle behandelt
sind, beweist, daß der Künstler mit Lust und Liebe bei der Arbeit war. Was ihn
daran besonders interessiert haben mag, ist das Pferd, das er hier zum ersten
Mal höchst mannigfaltig bewegt und überdies in respektabler Größe darstellen
konnte. Bei den Illustrationen zum „Erzherzog Carl" war das Format zu klein,
bei den Suiten-Bildern die Haltung der Pferde zu gemessen und einförmig.
Bei den Heldentaten des Fuhrwesens-Corps' ist in technischer Hinsicht zu be-
merken, daß auf ihnen mehr gekratzt ist als auf den anderen auf den ungarischen
Feldzug zurückgehenden Blättern. Auch auf den Uniformblättern der Jahre 1850
und 1851 ist dies der Fall. Doch ist die Nadel nicht bloß und nicht so sehr dazu
verwendet, Lichter aufzusetzen, als vielmehr dazu, Zeichenfehler auszubessern.
Den Heldentaten des Fuhrwesens-Corps' kommt noch darum eine erhöhte Be-
deutung zu, weil es die letzten Lithographien sind, die Pettenkofen geschaffen hat.
Fünfzehnjährig hatte er zu lithographieren begonnen, neunundzwanzig Jahre war
er alt, als er zu lithographieren aufhörte, und in den achtunddreißig Jahren, die
es ihm noch zu leben vergönnt war, nahm er — vielleicht von einer einzigen ge-
ringfügigen Ausnahme abgesehen — die lithographische Kreide nie mehr in die
Hand. Diese Ausnahme sei gleich hier verzeichnet: es gibt eine Lithographie von
Franz Xaver Sandmann, nach dem Projekt von Hauser, Feszl und Gerster den
israelitischen Tempel in Pest darstellend. Auf dem Exemplar der Sammlung
Dr. Heymanns nun ist mit Bleistift bemerkt, daß die Figuren von Pettenkofen her-
rühren. Dies scheint der flotte nervöse Stil der Staffage, die im auffallenden Gegen-
satze zur glatten und sauber gezeichneten Architektur steht, zu bestätigen. Für
Pettenkofen spricht auch die reichliche Handhabung der Nadel. Sandmann hat
wahrscheinlich schon 1843-44 am Album der Künstler W^iens mitlithographiert, für
das Pettenkofen die „Heilige W^egzehrung" beistellte. Wenigstens ist das Mono-
gramm X. S. auf Nummer 13, der „Ideal Landschaft", am ehesten auf ihn zu deuten.
Daran, daß Pettenkofen seit dem Jahre 1851 nicht mehr lithographiert hat, sind
sicher mehrere Gründe schuld. Veranlassung dazu waren jedenfalls seine Reise
nach Paris und die völlig geänderten Umstände, in denen er dort lebte und
arbeitete. Als Ursachen aber könnten vielleicht angeführt werden: die ihm durch
den Pariser Aufenthalt gewordene oder bestätigte Erkenntnis, daß er vor allem
Maler und die Farbe für ihn das geeignetste Mittel sei, das, was er künstlerisch
wollte, auszudrücken, ferner die unliebsame Erinnerung an manche nur wider-
36
13. März 1848. Erster Angi 1
Kavallerie vor dem bürgerlichen Zeughaus.
Lithographie. 1848.
willig geleistete und von ihm selbst künstlerisch niemals für voll angesehene Brot-
arbeit, die sich für ihn mit der Lithographie verknüpfte, und endlich die Einsicht,
daß ungefähr um das Jahr 1850 die Lithographie ihren Höhepunkt erreicht hatte
und es von da an mit ihr bergab gieng.
Wenn schon nicht zur Lithographie, die dann längst aus der Mode gekommen
war, so doch zur Schwarz-Weiß-Kunst sollte Pettenkofen aber am Ende seines
Lebens, in den achtziger Jahren, nochmals zurückkehren.
Der Abschied von Pettenkofens Lithographien verlockt zum Versuch einer
ästhetischen Analyse dessen, was er auf diesem Gebiete geleistet hat.
Dabei müssen natürlich die ersten unsicheren Schritte des Anfängers ebenso
außer Betracht bleiben wie diejenigen Blätter, die deutlich die Unlust an der Brot-
arbeit zur Schau tragen. W^as übrig bleibt, der schlackenlose Kern seines graphi-
schen Oeuvres, läßt sich vielleicht folgendermaßen charakterisieren: Zeichnerische
Tüchtigkeit, die stetig wächst, ist gepaart mit einem ungewöhnlichen malerischen
Feingefühl. Gewisse Blätter wirken geradezu farbig. Schon früh verrät sich die
von kritischer Veranlagung und Selbstbeherrschung zeugende hohe, seltene Kunst,
rechtzeitig aufhören, dem Werk den Reiz der frischen Unmittelbarkeit des ersten
Entwurfes bewahren zu können, es nicht durch allzu weitgetriebenes Vollenden in
seiner Wirkung zu beeinträchtigen. Treuer Naturalismus zeigt sich von gutem
37
Geschmack überwacht und geleitet und ist von erfindungsreicher Kompositions-
kraft mit künstlerischem Leben erfüllt. Ungewöhnliche Charakterisierungsgabe be-
fähigt zur erfolgreichen Darstellung der Affekte des Menschen, wie sie sich in
dessen Mienen und Gesten spiegeln. Auch dem Schritte, der von hier aus auf das
Gebiet der Karikatur hinüberführt, folgt das Gelingen. Über behaglichen Humor
und scharfe Satire verfügt der Künstler in gleichem Maße. Er vermag Lachen zu
erregen und zu rühren, zu ergreifen. Eigener Erzählungsgabe und der Fähigkeit,
sich in die Vorstellung eines anderen hineinzuleben und Gelesenes in Bilder um-
zuschaffen, entspringt die vorzügliche Eignung zum Illustrator. Im Mittelpunkt von
des Künstlers Interesse steht der Soldat oder besser gesagt: der Krieg. Im kleinen
Format gelingen ihm ungemein anschauliche äußerst lebhafte Kampf szenen. Selbst
die gesteigertsten Bewegungen von Menschen und Pferden weiß er überzeugend fest-
zuhalten. Trefflich beobachtete Pferde spielen auf seinen militärischen Blättern eine
große Rolle. Auf diesen tritt als Ort der Handlung Ungarn hervor. Die Landschaft als
solche freilich steht gegenüber dem Figuralen fast ganz zurück. Aber auch das klein-
bürgerliche Genre mit Wien als Hintergrund, hier auf den Lithographien humoristisch
gefaßt, ist flott und trefflich behandelt. Hervorzuheben ist der sinnliche Reiz, mit dem
des Künstlers Frauengestalten begabt sind. Eine leichte Neigung zu pikanter Schilde-
rung läßt sich nicht verkennen. Nicht unterschätzt darf die Bedeutung der Bildnisse
werden, die sich dort, wo sie auf Autopsie beruhen und mit Lust gezeichnet sind, mit
den besten damals in Wien geschaffenen messen können. All diese mannigfaltigen
Neigungen und Begabungen sind von einem starken Temperament durchglüht.
So ist der Rang, den Pettenkofen unter den Maler-Lithographen während der ersten
Blütezeit von Alois Senefelders Technik einnimmt, ein hoher. Unter denWienern steht er
sicher in der ersten Reihe, da aber Wien in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts eigent-
lich der einzige Platz ist, der sich auf dem Gebiete der Steinzeichnung mit Paris
messen kann, so wird er als Lithograph, wenn man wie billig den bahnbrechenden
Franzosen den Vortritt läßt, doch gleich nach diesen genannt werden müssen.
Wurde oben bereits in einzelnen Fällen des Einflusses gedacht, den dieser oder jener
französische Meister auf Pettenkofen ausgeübt hat, so sei im folgenden von einem allge-
meinen Gesichtspunkt aus die Vorbildlichkeit der französischen Lithographie für die öster-
reichische, so weit sie durch Pettenkofen und seinen Kreis vertreten wird, kurz berührt.
Daß im Lande Napoleons die junge graphische Technik der Steinzeichnung be-
sonders zur Darstellung militärischer Szenen ausgenützt wurde, ist von vorneherein
verständlich. Victor Adam, Hippolyte Beilange, Nicolas Charlet, Jean Marlet und
Auguste Raffet haben hunderte von Lithographien geschaffen, größtenteils vor-
zügliche Arbeiten, die in Ernst und Scherz den Soldaten zum Hauptgegenstand
haben. Sieht man diese Blätter durch, so erkennt man, daß sie nicht nur für den
Wiener Künstler, sondern auch für dessen Verleger in inhaltlicher und formaler
Hinsicht Anregungen geboten haben. So findet sich die Anordnung von Haupt-
und Nebenszenen auf einem Blatte, wie sie etwa auf Pettenkofens und Weixl-
gärtners zwei Lithographien „K. k. österreichische Armee" oder auf Pettenkofens
erster militärischer Folge vorkommt, bereits auf Blättern wie z.B. dem von Victor
Adam im Vereine mit Nicolas Maurin geschaffenen, das in neun Bildern die Ge-
38
Entwurf zur Lithographie „Eine der 60 Barricaden ... am 26. Mai 1848 ...". Lavierte Bleistiftzeichnung. 1848.
Budapest, Museum der schönen Künste.
schichte Napoleons erzählt, oder dem, das Victor Adam allein gehört, „Aux braves
de Mazagran" betitelt ist und außer der Hauptszene in der Mitte, am oberen und
am unteren Rande je zwei kleine Szenen zeigt. Die ungemein figurenreichen
39
Kompositionen der kleinen Felder des ersten Blattes wieder können vorbildlich für
die Schlachtenszenen im „Erzherzog Carl" gewesen sein — das Thema ist hier
wie dort ja das gleiche, nur von zwei entgegengesetzten Standpunkten aus be-
trachtet: die Napoleonischen Kriege. Von Charlet gibt es große Blätter, noch vor
1830 entstanden, die sich deutlich als Vorlagen zur Serie der Heldentaten des
Fuhrwesens-Corps' darstellen. Auch hier sind in der ausführlichen Legende der
Name und der Rang und die Truppengattung des Soldaten, seine Herkunft, seine
Tat und deren Ort und Zeit angegeben. Zum Vergleich mit dem Texte eines be-
liebigen Blattes aus den Heldentaten sei in der Anmerkung'") ein französischer
Text abgedruckt. Daß die sentimentalen Soldatenszenen, denen Gedichte beige-
geben sind, gleichfalls von älteren französischen Lithographen abhängig sind, kann
ebenso begründet werden. Ein undatiertes, aber wahrscheinlich noch dem Ende der
zwanziger Jahre angehöriges Blatt von Bellang^, das einen verwundeten zerlumpten
Soldaten mit seinem Hund vor einem Wegweiser darstellt, auf dem „France" zu
lesen steht, sei als Beispiel genannt. Das Bild ist von einer Strophe keines Ge-
ringeren als Beranger begleitet, die abermals vergleichshalber in der Anmerkung")
mitgeteilt sei. Daß sich die lithographierten Folgen mit Uniformen bereits früh-
zeitig in Frankreich nachweisen lassen, ist eigentlich überflüssig zu erwähnen.
Charlet, Beilange und Raffet haben solche geschaffen. Das Pferd als Hauptthema
war von Gericault und Carle Vernet behandelt worden. Mit humorvollen graziösen
Genreszenen, in deren Mittelpunkt stets die unübertrefflich geschilderte Pariserin
aller Gesellschaftskreise steht, war Gavarni vorangegangen. Doch ist zu sagen,
daß der galante Charakter seiner Blätter von keinem Wiener nachgeahmt wurde.
Schließlich sei bemerkt, daß die Pariser Lithographen sogar in der Darstellung
einer Revolution den Vorrang behaupten: Charlet, Beilange, Adam und Raffet
haben die Julirevolution des Jahres 1830 mit lithographischen Aufnahmen be-
gleitet.
Gilt das bisher Gesagte der inhaltlichen Beeinflussung Pettenkofens und seiner
Verleger durch die Franzosen, so sei nun noch in Ergänzung des bei den ein-
zelnen Arbeiten Angemerkten ein Wort der technischen Abhängigkeit des Künstlers
von ihnen gewidmet. Jedenfalls steht fest, daß er jene Mischtechnik, die sich außer
der Kreide auch noch des Pinsels, der Feder und der Nadel bedient, von den
Franzosen übernommen hat. Beispielsweise sei ein vom Jahre 1828 datiertes Blatt
Bellang^s, Nr. 24 einer uns sonst unbekannten Serie von „Croquis" erwähnt. Es
stellt einen Grenadier dar, der einem Landmädchen schön tut, einen alten Bauer,
der mit Napoleon spricht, ein Mädchen, einen Soldaten und noch einen Soldaten,
der auf dem Boden liegt. Schon auf diesem Blatte ist die eben geschilderte Misch-
technik angewendet, und bald in eingeschränkterem, bald in ausgedehnterem Maße
kommt sie bei allen oben genannten französischen Lithographen vor. Unter den
Wiener Steinzeichnern scheint nur Pettenkofen sie sich angeeignet zu haben.
Wenigstens läßt sie sich in halbwegs reichlicherer Verwendung kaum bei jemand
anderem nachweisen. Die übrigen Wiener haben die reine Kreide oder die reine
Federzeichnung bevorzugt. Was jedoch den das W^eiß aussparenden Ton betrifft,
so scheint er eine Wiener Spezialität zu sein. Wohl aber findet sich der einfach
40
Einzug des Frühlings.
Lithographie.
und ununterbrochen von einer zweiten Steinplatte gedruckte Ton — auch dieser
erscheint freilich nicht allzu häufig — oder der durch untergeklebtes Chinapapier
erzeugte auch bei den Franzosen.
Diesen dem Inhalt und der Form von Pettenkofens Lithographien gewidmeten
allgemeinen Bemerkungen möge sich eine kurze Erörterung der Signaturen, die
sich auf ihnen finden, anreihen. Berücksichtigt sollen bloß diejenigen werden, die
vom Künstler selbst innerhalb der Bildflächen lithographiert sind.
41
-ij;
■—jJ-r
■^^ ■ ^^i,n
'■ 'Ä^^-v^ ^iJ'^V
österreichische Soldaten besteigen Wagen. Bleistiftzeichnung. 1849.
Budapest, Museum der schönen Künste.
Der Name von Pettenkofens Vater ist in den Urkunden immer „Pettenkoffer"
geschrieben, jedenfalls stets mit „r" am Schlüsse, Perth schreibt ihn abwechselnd
mit einem und mit zwei „f", aber auch immer mit „r" am Ende. „Pettenkoffer"
lautet auch der Name des Künstlers in sämtlichen Akademieprotokollen und in
den Akten des Kriegsarchivs und der Fachrechnungsabteilung des Kriegsmini-
steriums, und ebenso signiert der fünfzehnjährige Knabe auf der vom Jahre 1837
datierten Lithographie, dem Christuskopf in der Art Renis in der Albertina. Der
Taufschein gibt als Vornamen „August Xaver Carl" an, und dementsprechend
heißt der Jüngling in den Schülerlisten der Akademie mit einer einzigen Ausnahme
(bezeichnenderweise im Protokoll 59 '/i vom Schuljahre 1849-50, wo als Vorname
Carl eingetragen erscheint) und in den militärischen Akten „August" und so nennt
sich auch, nach dem Initial „A" zu schließen, der Knabe auf der Lithographie vom
Jahre 1837. Das „n" statt" des „r" am Schlüsse kommt zum ersten Male auf
Signaturen des Jahres 1848 vor. Das Blatt mit den ihre Schätze vergrabenden
Jesuiten ist „A. Pettenkoffen" signiert, das mit dem „Ersten Angriff der Kavallerie
vor dem Zeughaus" „Betenkofen". Mit „B" geschrieben findet sich der Name nur
noch aijf den beiden mit Ölfarben gemalten Porträten des Ehepaares Imredy vom
Jahre 1848 und zweimal in Monogrammen, das eine Mal auf der Lithographie
42
Osterreichische Soldaten besteigen Wagen (sogenannte „Einnahme von Brescia"). Lithographie. 184g.
Wien, K. k. Hofbibliothek.
mit der Wiener Bürgerkavallerie vom Jahre 1847: „A. B.", das andere Mal auf
dem Blatte mit der Eröffnung des ungarischen Reichstages: „C. B." vom Jahre
1848, wobei daran erinnert sei, daß 1849-50 Pettenkofen auch im Akademie-
protokoll den Vornamen „Carl" hat. Die Lithographie mit dem sogenannten Sturm
auf Brescia vom Jahre 1849 ist „C. Pettenkofen" signiert und von diesem Jahre
an bis zum Jahre 1851, dieses mitgezählt, können „C. A. P." und „C. A. Petten-
koffen" als die gewöhnlichen Signaturen gelten. Obwohl die Schreibung mit „r"
am Ende (beim vierten Blatt der „K. k. österreichischen Armee" „C. A. Petten-
kofer") noch 1850 anzutreffen ist, so darf doch die mit dem „n" am Schlüsse vom
Jahre 1848 an als die normale angesehen werden. Vom Jahre 1849 ab verdrängt
auch das einfache „f" das Doppel- „f".
Bezüglich der Aussprache des Namens Pettenkofen sei folgendes bemerkt:
Heute wird der Ton auf die erste Silbe gelegt; im alten Wien scheint die vor-
letzte Silbe betont und überdies die zweite Silbe „ten" ähnlich einem „tin" ge-
sprochen worden zu sein, womit wieder zusammenhängen dürfte, daß sich das
„k" in ein „gh" verwandelte. Daher böte die Schreibung „Pettinghofen", wie sie
sich in einem Auktionskatalog'') bei Zeichnungen, von denen der Autor freilich,
43
da er sie weder in den Originalen noch in Reproduktionen kennt, nicht sagen kann,
ob sie auch tatsächlich echt sind, an und für sich als eine rein phonetische noch
keinen Anlaß, die Identität des Zeichners mit Pettenkofen in Frage zu ziehen. Das „h"
allein statt des „k" kommt in der mit Druckbuchstaben lithographierten Namens-
angabe auf dem Blatte mit dem „Ersten Angriff der Kavallerie vor dem bürger-
lichen Zeughaus" vor, wo der Name des Künstlers „Bettenhofer" geschrieben ist.
Daß Pettenkofen, wie man häufig erzählen hört, das „r" am Ende seines Na-
mens nur deshalb in „n" abänderte, um sich von seinem Bruder Ferdinand zu
unterscheiden, der auch malte, und zwar schlecht und ähnliche Sujets wie August,
ist darum unwahrscheinlich, weil die Schreibung mit „n" am Schlüsse seit dem
Jahre 1848 nachweisbar ist und Ferdinand, der, wie wir schon gehört haben, bis
zum Jahre 1854 aktiv war, vor seinem Abschied sicherlich keine Bilder für den
Verkauf gemalt haben wird. Dagegen wird es richtig sein, daß Ferdinand mit
Rücksicht auf seinen Bruder oder auf dessen Geheiß seine Bilder nicht mit „Pet-
tenkofen" signierte, sondern mit einem Pseudonym, am öftesten mit „Fernand".
Daß der berühmte Münchener Chemiker und Begründer der experimentalen Hy-
giene Max Pettenkofer hieß und mit dem Maler ungefähr gleichalterig war, sei nur
nebenher bemerkt. Daß es sein Name war, der den Künstler veranlaßt hätte, den
seinen zu ändern, ist von vorneherein unwahrscheinlich.
Von gleichem Werte wie die in Kunsthändler- und Sammlerkreisen verbreitete
Motivierung der geänderten Schreibweise von Pettenkofens Namen ist auch die
ebendort zu vernehmende Erklärung, warum Pettenkofen so viele seiner Litho-
graphien mit Pseudonymen signiert habe: er hätte es wegen der Zensur getan.
Die Zensur aber kann gewiß nicht der Grund sein, sonst wären doch so völlig
harmlose Blätter wie „Die große Lotterie", der „Vielka-Fieber-Traum", der „Affen-
komödie-Enthusiasmus" im „Kobold" nicht mit „I. S.", „L. W." und „L. P." und
das nicht minder unschuldige „Der Spekulant" im „Staberl" mit „S. N." signiert.
Bei den mit Pseudonymen Monogrammen signierten Blättern des „Kobold" ist
überdies Pettenkofens Name im Inhaltsverzeichnis genannt! Das „A. B." auf dem
Blatte mit der „Wiener Bürgerkavallerie" muß ebenso wenig als Pseudonym
aufgefaßt werden, wie das „C. B." auf dem mit der „Eröffnung des ungarischen
Reichstages". Wissen wir doch, daß sich der Künstler nicht nur „August",
sondern auch „Carl" genannt und selber seinen Zunamen auch „Betenkofen"
geschrieben hat. Eher könnten diese Signaturen als verschleierte Namens-
nennungen bezeichnet werden und wären als solche bei dem einstigen Soldaten,
der einerseits bürgerliches Militär und anderseits die Eröffnung des Parlaments
im feindlichen Bruderland darstellt, ganz wohl verständlich. Als ähnliche Ver-
schleierungen könnten vielleicht auch offenbar absichtlich undeutliche Schreibungen,
wie z. B. die als „NR" zu lesenden Monogramme auf den Blättern mit dem
Schuljungen, der Redefreiheit verlangt, und mit dem Herrn, der auf dem Eise
einbricht und dem überdies die Uhr gezogen wird, in den „Wiener Bildern"
aufgefaßt werden. Möglicherweise wären die beiden Monogramme „L. M." und
„J. H.", jenes in den „Wiener Bildern" nicht weniger als fünfmal, dieses auf zwei
Blättern der „Bewegung", mit der Zensur in Zusammenhang zu bringen. Dagegen
44
TAFEL III
ÖSTERREICHISCHE INFANTERIE, IN EINEM DORF KAMPIEREND. UN-
VOLLENDETES AQUARELL. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
'^Ai r I z - -
^^4
TAFEL IV
ÖSTERREICHISCHE ARTILLERIE, IN EIN DORF EINRÜCKEND. UNVOLL-
ENDETES AQUARELL. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
oHa.
Tvia
' /
-^prv^ <
'.'^
x^
\
Soldat, einen Toten schleppend. Aquarell.
Budapest, Museum der schönen Künste.
muß aber wieder eingewendet werden, daß die beiden „Wiener Bilder", das eine
mit dem Bäcker, dem der Gugelhupf gebracht wird, das andere mit den beiden
Choristinnen, die sich mit dem statierenden Soldaten unterhalten, mit „A. P." sig-
niert sind, obgleich die beiden begleitenden Texte recht verfängliche Bemerkungen
über das Schießen aufs Volk enthalten. Aber nicht nur Pseudonyme Monogramme,
sondern auch ganze pseudonyme Namen kommen vor. Unter ihnen wäre die
Signatur „S. Mayer" auf dem doch gewiß völlig unbedenklichen Blatte mit dem
Einzug des Frühlings durchaus unverständlich, sollte sie der Zensur wegen ge-
wählt sein. Dagegen könnten auf diese möglicherweise die Signaturen „R. Limer"
und „L. Reitmayer" auf zwei Blättern der „Bewegung" zurückgeführt werden;
desgleichen die unleserliche Unterschrift ,,Heidog"(?) auf dem anscheinend nicht
publizierten Blatte mit den beiden österreichischen Generalen auf der Landkarte
Italiens. Doch möchte man gerade bei einem Blatte wie diesem raten, daß der
ehemalige Soldat, der selber den heißen italienischen Boden kennen gelernt hatte
und das unerschütterliche Vertrauen der Armee zu Vater Radetzky unzweifelhaft
geteilt haben wird, den kurzsichtigen Hohn des Textes, den er zu illustrieren
hatte, nicht billigte und darum seinen Namen verbarg. Daß das scharfe Blatt mit
den Jesuiten, die ihre Schätze vergraben, mit dem vollen Namen signiert und da-
tiert ist, könnte seine Erklärung in der Aufhebung der Zensur finden.
Daß viele Lithographien ganz ohne Signatur gelassen sind, braucht wohl kaum
eigens erwähnt zu werden.
45
Auf Gemälden kommen unseres Wissens Pseudonyme nur zweimal vor: auf dem
im Jahre 1842 in Padua gemalten kleinen Ölbildnis von Pettenkofens Regiments-
kameraden Kreb, wo die Signatur „Ringen" lautet, und auf dem Aquarell mit dem
Bauernwirt aus Zell am Ziller vom Jahre 1856, wo sich Pettenkofen als „Treu-
freund" unterschrieben hat.
Zum Schlüsse dieser den Lithographien gewidmeten Betrachtungen seien noch
in statistischer Form folgende Wiederholungen verzeichnet: Pettenkofen hat wahr-
scheinlich nach einem alten Meister, Guido Reni, bestimmt nach vier zeitgenössi-
schen Künstlern: Adam Brenner, Peter Johann Nepomuk Geiger und seinen beiden
Altersgenossen: Karl Schindler und Josef Borsos und nach zwei Dilettanten: dem
Leutnant Most und der Baronin Weiden lithographiert.
Die Künstler, mit denen zusammen er für ein und dieselbe Publikation ge-
arbeitet hat, seien in alphabetischer Reihenfolge angeführt: Carl Agricola (Album),
Fritz L'AUemand (Album, Erzherzog Carl), Rudolf Alt (Album), Leopold Brunner
(Album), Chradnurek (?) (Album), Albert Decker (Album), Eduard Ender (Album),
Eduard Engerth (Album, Erzherzog Carl), Franz Eybl (Album, Huldigung an den
Palatin Josef), Johann Fischbach (Album), Francisque (Kobold, Staberl), Friedrich
Gauermann (Album), Peter Johann Nepomuk Geiger (Huldigung an den Palatin
Josef, Erzherzog Carl), Carl Peter Goebel (Album), Josef Hasslwander (Erzherzog
Carl), Josef Heicke (Album), Karl Herbsthoffer (Album), Josef Höger (Album),
Eduard Kaiser (Erzherzog Carl), Friedrich Kaiser (Kobold), C. KoUarz (Erzherzog
Carl), Josef Lanzedelli (Bewegung), B. Lang (Album), Friedrich Loos (Album),
J. Mändl (Erzherzog Carl), Siegmund Ferdinand Perger (Album), Johann Matthäus
Ranftl (Album). Wilhelm August Rieder (Album, Erzherzog Carl), Eduard Ritter
(Album), Leander Ruß (Album), Franz Xaver Sandmann (Album? Israelitischer
Tempel in Pest?), Schiller (Kobold), Ludwig Ferdinand Schnorr von Carolsfeld
(Album), Moritz von Schwind (Erzherzog Carl), Anton Straßgschwandtner (K. k.
österreichische Armee, 1850—1852), Eduard Swoboda (Kobold, Staberl), Friedrich
Treml (Staberl), Ferdinand Georg Waldmüller (Album), Franz Weigl (Album),
Eduard Weixlgärtner (K. k. österreichische Armee, 1845), B. Wengler (Album),
Anton Zampis (Kobold, Staberl, Wiener Bilder, Bewegung), B. Z. (Bewegung).
Pettenkofens Lithographien sind bei folgenden Verlegern, die wieder in alpha-
betischer Ordnung angeführt werden mögen, erschienen: Bei Gustav Heckenast in
Pest (Erzherzog Carl), bei Johann Höfelich in W^ien — auch alle anderen Ver-
leger Pettenkofens sind Wiener — (Kobold, Staberl, Bewegung), Kaulfuß' Witwe,
Prandel & Co. (Erzherzog Carl), Alois Leykum (Rast, Rückhalt, Bedenklichkeit,
die drei Lithographien nach Karl Schindlers Bildern, K. k. österreichisches Militär,
1847, Wiener Bilder, K. k. österreichische Armee, 1850-52), H. F. Müller (Album),
L. T. Neumann (K. k. österreichische Armee, sämtliche Blätter vom ungarischen
Feldzug, fünf Soldatenszenen mit Versen, die drei Suitenbilder, die Amnestierten,
Fuhrwesens-Corps), A. Paternos Witwe & Sohn (Erster Angriff der Kavallerie, drei
Soldatenszenen mit Versen), Matthias Trentsenski (Mandlbogen).
Auch die Drucker von Pettenkofens Lithographien seien in alphabetischer Reihen-
folge angeführt: J. Haller (Die Amnestierten), Johann Höfelich (Eröffnung des
46
Der Reiter und sein Roß.
Lithographie. 1849-50.
47
ungarischen Reichstages, sämtliche Blätter vom ungarischen Feldzug, vier Soldaten-
szenen mit Versen, die drei Suitenbilder, Fuhrwesens-Corps), Alois Leykum (die
zwei Schutzengel-Blätter, K. k. österreichisches Militär, 1847, Wiener Bürger-
Kavallerie), Johann Rauh (Album, K. k. österreichische Armee, 1845, Erster An-
griff der Kavallerie, vier Soldatenszenen mit Versen), J. P. SoUinger (?) (Erzherzog
Carl).
Pettenkofens Lithographien seien die übrigen von ihm während seiner ersten
Wiener Periode geschaffenen Arbeiten, Bilder und Zeichnungen, angereiht.
Eine angeblich vorzügliche Tuschzeichnung nach Rembrandt muß hier, da sie
dem Autor nicht zu Gesicht gekommen ist und er daher weder ihre innere noch
ihre äußere Beglaubigung hat überprüfen können, mit Stillschweigen übergangen
werden. Das in dem Auktionskatalog, der von ihr Kunde gibt,") mitgeteilte
Datum 1830 wäre, die behauptete hohe Qualität und Echtheit der Zeichnung vor-
ausgesetzt, jedenfalls falsch. Der achtjährige Junge kann keine „vorzügliche" Kopie
zustande gebracht haben, da die des doppelt so alten noch mäßig genug sind.
Vielleicht lautet die Jahreszahl richtig gelesen 1839.
In der ersten, 1852 abgeschlossenen Periode von Pettenkofens künstlerischem
Entwicklungsgang steht der Maler hinter dem Lithographen zurück. Pettenkofen
hat während dieser Zeit nicht nur mehr Lithographien als Bilder geschaffen, er
erscheint auch als Lithograph früher selbständig denn als Maler. Gleichwohl kün-
digt sich auch in seinen malerischen Erstlingswerken besonders in der Wahl
aparter, fein abgestufter Aquarellfarben frühzeitig eine starke persönliche Eigenart
an, und die Epoche schließt damit, daß in Pettenkofen der Maler über den Litho-
graphen einen endgültigen Sieg davonträgt.
Die Reihe von Pettenkofens Bildern muß mit einem Werke eröffnet werden,
das ohne die Beglaubigung durch Leopoldine von Nespern wohl kaum im Oeuvre
des Künstlers Platz gefunden hätte. Es ist das Brustbild einer Madonna mit ge-
senkten Augen und gefalteten Händen, das sich jetzt im Kunsthistorischen
Hofmuseum zu Wien befindet. Das religiöse Thema ist bei Pettenkofen äußerst un-
gewöhnlich. Wir wissen, daß es bloß auf drei Lithographien, und zwar den
frühesten vorkommt, die überdies alle keine Originalarbeiten sind. Gleich hier
aber sei bemerkt, daß das Bild unmöglich so früh wie diese drei Blätter entstanden
sein kann. Denn zeigt es einerseits auch noch einige Unbehilflichkeit des Anfän-
gers, namentlich in der Endigung des Kopftuches über der rechten Schulter und
in dem eintönig, sogar etwas steif behandelten Stück Mantel über dem rechten
Oberarm, so verrät anderseits wieder die Technik, besonders die leichte flüssige
Malweise eine bereits ziemlich ausgeschriebene Hand. Die Art, die leichte braune
Untermalung gleich für eine warme Schattengebung zu benützen, wie sie der
junge Künstler etwa von Rubens' großer „Beweinung Christi" im Belvedere hat ab-
sehen können und sie hier auf dem Antlitz der Madonna vorkommt, findet sich
nachmals auf vielen Bildern Pettenkofens. Für ihn sprechen auch die raffaelischen,
in gelenklose, spitze Finger endenden fleischigen Hände und die süße Pikan-
terie des Köpfchens. Die Rokokoanmut des Bildes könnte vielleicht auf den italie-
48
TAFEL V
DER STURM AUF OFEN. LITHOGRAPHIE. 1849.
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'^
TAFEL VI
UNGARISCHER LANDSTURM. LITHOGRAPHIE. 1850.
IV Ja'^AT
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TAFEL VII
DER BRAVE TAMBUR. AQUARELL. 1850. WIEN, DR. AUGUST HEYMANN.
■1
J
Die Amnestierten.
Lithographie. 1850.
nischen Maler zurückgeführt werden, der Pettenkofens erster Lehrer gewesen sein
soll, mit dem Nazarenertum eines Kupelwieser, zu dessen Füßen Pettenkofen auf
der Akademie ja gleichfalls gesessen ist, hat sie wohl kaum etwas zu schaffen.
Jedenfalls dürfte das Bild entgegen der Angabe der Leopoldine von Nespern nicht
49
Marketenderin an der Leiche des ihr angetrauten Soldaten. Aquarell. 1850.
Wien, Josef Sturany.
1840, sondern wahrscheinlich erst, nachdem Pettenkofen vom Militär heimgekehrt
war, gemalt worden sein.
Sieht man von der eben besprochenen Muttergottes ab, der ja als einzigem reli-
giösen unter Pettenkofens Gemälden ohnehin eine Ausnahmsstellung zukommt, so
wird sein malerisches Oeuvre am besten mit der Gruppe der von ihm geschaffenen
Porträte eröffnet werden können. Es finden sich darunter die frühest datierten
seiner Gemälde, die beiden Bildnisse August Semeleders und Leopold Brunners
vom Jahre 1840, von denen dieses Gottfried und Hermann Eißler, jenes Friedrich
Semeleder in Wien gehört. Sie sind als die Werke eines Achtzehnjährigen höchst
anerkennenswerte Leistungen. Semeleder, 1818 geboren, war Beamter des Bankhauses
Rothschild, dilettierte selber als Maler, Zeichner und Radierer und war mit Petten-
kofen befreundet. Der andere Dargestellte ist vermutlich identisch mit jenem Tier-
maler Leopold Brunner, der im selben Jahre wie Pettenkofen geboren ist und von
dem im Album die vom Jahre 1843 datierte Lithographie Nr. 12 „Das kranke Pferd"
herrührt. Eine besondere Bedeutung kommt dem vom Jahre 1842 datierten Bildnis
50
Wachehaltende Marketenderin. Aquarell. 1850.
Wien, Alfred Wawra.
des Dragoner-Kadetten Moriz Kreb zu, weil es, bis jetzt wenigstens, das einzige
Werk ist, das Pettenkofen als Soldat in Italien und zwar in Padua geschaffen
hat. Es ist durch das Zeugnis des Dargestellten, in dessen Besitz es sich bis zu
seinem Tode im Jahre 1912 befunden hat, aufs allerbeste beglaubigt. Das kleine
Ölbild ist nicht mit Pettenkofens Namen, sondern mit dem Pseudonym „Ringen"
bezeichnet. Dieses wird von dem dermaligen Besitzer des Bildchens, dem Herrn
51
7*
Michael Wieser am 22. März 1848 in Brescia.
Lithographie der Folge „Zwölf Scenen aus der Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps". 185 1.
Oberstleutnant v. Benesch, als eine Anspielung auf das Ringen zwischen dem
Soldaten und dem Künstler, das damals in Pettenkofens Innern zweifellos statt-
gefunden hat, ebenso ansprechend wie überzeugend erklärt. Diesen Bildnissen von
Freunden schließen sich ungezwungen die beiden Porträte von Pettenkofens Tante
und Mutter an, — zählen doch die Angehörigen stets zu den frühesten Modellen
eines Künstlers. Das Bildnis der Tante Barbara Mayer müßte, falls es nach dem
Leben gemalt ist, spätestens im Jahre 1840 entstanden sein, da diese Schwester
von Pettenkofens Mutter in jenem Jahre bereits als verstorben bezeichnet wird. Mit
dem Porträt des Malers Brunner verglichen, wirkt das kleine Bildnis eher anfänger-
hafter, jedenfalls könnte man es sich gut gleichzeitig mit jenem oder etwas vor
jenem entstanden denken. Mit dem Porträt Semeleders geht es schon wegen des
kleinen Formates besser zusammen. Das Bildnis der Mutter, im Besitz von Gott-
fried und Hermann Eißler, ist vom Jahre 1843 datiert. So gut es ist, überschreitet
es doch nicht die damals unter den Wiener Porträtisten übliche Konvention, und
zwar nicht nur im Arrangement und in der Farbengebung, sondern auch in der
Zeichnung nicht. Daher könnte man aus ihm, selbst wenn es als das Konterfei
der Mutter sicher beglaubigt wäre, weder auf deren Äußeres noch auf ihren Cha-
rakter irgendwelche ergebnisreiche Schlüsse ziehen. Die fast unnatürlich großen
Augen auf beiden Frauenbildnissen dürften wohl eher auf Rechnung des über-
52
Josef Zahradnik in der Schlacht bei Mortara.
Aquarell desselben Gegenstandes wie eine Lithographie der Folge „. . . Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps '. 1851.
Wien, Dr. August Heymann.
treibenden Bestrebens des Anfängers als der Familienähnlichkeit der zwei Schwe-
stern zu setzen sein. Den Jahren 1844 und 1845 gehören die Porträte des Ehe-
paares Ferdinand und Marie Leigeb im Besitz der Familie Decastello von Recht-
wehr an. Mit den Dargestellten soll Pettenkofen gleichfalls verwandt gewesen
sein. Ein richtiger Auftrag dürfte das gleichfalls im Jahre 1845 entstandene Bildnis
des Herrn Strommer bei Kommerzialrat Franz Xaver Mayer sein. Strommer ist in
ganzer Figur als Jäger inmitten einer Gebirgslandschaft dargestellt. Er war der
Prokurist Rudolf von Arthabers, der sich im alten Wien als Großindustrieller und
als Kunstmäzen eines hohen Rufes erfreute. Das von Josef Preleuthner angelegte
Verzeichnis von Arthabers Bildergalerie aus dem Jahre 1845 liefert ein interessantes
und anschauliches Bild von dem, was im damaligen Wien ein reicher kunstver-
ständiger Mann an Werken einheimischer Maler zusammenbringen konnte. Eine
Arbeit Pettenkofens findet sich damals noch nicht in der Sammlung. Erst 1853
besitzt laut des von Friedrich Uhl verfaßten Kataloges aus diesem Jahre Arthaber
ein Werk Pettenkofens: das Aquarell „Der mitleidige Soldat" vom Jahre 1850.
Zum Unterschied von den bisher besprochenen Porträten ist das eines Unbe-
kannten, das etwa der Mitte der vierziger Jahre angehören dürfte, ein Aquarell.
Die ungemein saubere und sorgfältige Vorzeichnung mit dem Bleistift ist nicht
minder nett und aufmerksam in kühlen, geschmackvoll zusammengestimmten Tönen
53
leicht laviert. Der Unbekannte in vorgeschrittenen Jahren, der völlig grundlos als
„Graf Harrach" bezeichnet wird, ist sitzend und in halber Figur dargestellt. Gleich-
falls ein Aquarell ist das im Jahre 1847 entstandene Porträt des Malers Borsos
bei Dr. August Heymann, das im Gegensatz zu all den bisher genannten Bildnissen
ein reifes Meisterwerk ist. Schon zeigt es Pettenkofens glänzendste, künstlerische
Eigenschaften: seinen Geschmack in Zeichnung und Farbe, sein Vermögen, dem
vollendeten Werk die ganze Frische eines ersten Entwurfes zu bewahren. Der
Freund ist in legerer Haltung bei der Arbeit dargestellt. Er hat den Malerkittel
an und hält Palette, Pinsel und Stab in der Hand. Das ganze Bild ist vorwiegend
in allen erdenklichen feinen Abstufungen von Grau und Braun gemalt, gedämpftes
Blau und Rot bringen Leben in die Farbenskala. Freilich ist zu sagen: je unmittel-
barer das Blatt wirkt, desto mehr mag vielleicht das Porträt hinter der mit Lust
und Liebe und aus echtestem künstlerischen Antrieb geschaffenen Studie zurück-
treten. Wichtig und charakteristisch für die Entwicklung des Künstlers aber ist es,
daß er als Maler zuerst im Aquarell eine solche Vollkommenheit erreicht, in einer
Technik, die gerade von den Wiener Genremalern des Vormärz mit besonderer
Vorliebe und außerordentlichem Erfolg gepflegt wurde. Daß die Malerei mit Wasser-
farben in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts — von England, dem
Mutterlande dieser Technik, natürlich abgesehen — kaum anderswo zu solcher
Bedeutung gediehen ist als im alten Wien, sei nur beim Vorübergehen festgestellt.
Ungefähr derselben Zeit wird das zwar nicht weit über die warmbraune Unter-
malung hinausgediehene, aber um so lebendigere Brustbild des greisen Vaters des
Wiener Frauenmalers Georg Raab angehören. Raab wird in dem Katalog der
Akademieausstellung vom Jahre 1844 als in Pest wohnhaft angegeben, was darum
hier vermerkt sei, weil von dieser Pettenkofen befreundeten Familie aus vielleicht
wieder einer der Fäden läuft, die ihn nach Ungarn gewiesen haben. Mit Ungarn
hängen auch die nächsten paar Porträte zusammen. Sie sind in den Jahren 1848
und 1850 entstanden und befinden sich heute im Kunsthistorischen Hofmuseum,
in der k. k. österreichischen Staatsgalerie und bei Dr. Albert Figdor in Wien. Es
sind im guten wie im schlechten rechte Repräsentationsstücke. Die Dargestellten
sind sitzend oder stehend in ganzer Figur gemalt, die damals so beliebten Requisiten
des Vorhanges und der Säule fehlen nicht.
Das interessanteste dieser Gruppe von vier Bildern, die sämtlich Mitglieder der
Familie Imredy von Omorovicze darstellen, ist das des Sammlers Ignaz Imredy
bei Dr. Albert Figdor. Er ist dargestellt in noch jugendlichem Alter und in be-
quemer Haustracht, auf einen Lehnstuhl gestützt, inmitten von Antiquitäten aller
Art, die er eifrig sammelte: Bildern, Kästchen, Bechern, Waffen, Folianten, Fellen
und Stoffen. Ein ähnliches Porträt von Pettenkofens Hand, bei dem das Milieu eine
so hervorragende Rolle spielte, gibt es nicht. Mehr in der Anordnung all dieser
Gegenstände, die wahrscheinlich so gemalt werden mußten, daß sie deutlich zu er-
kennen waren, als im Kolorit zeigt sich der Einfluß Danhausers. Nicht unerwähnt
bleibe auch, daß Pettenkofen gerade auf diesem Bilde, das ihm vielleicht durch
Vermittlung seines ungarischen Freundes Borsos in Auftrag gegeben wurde, zum
erstenmal wenn auch als die Umgebung einer menschlichen Figur ein Stilleben
54
Der Verwundetentransport.
Ölbild. 1851.
malt und so hier mit Borsos auf eben jenem Gebiet wetteifert, das eine Spezialität
desselben ausmachte.
Nach Österreich, und zwar nach dem altehrwürdigen, wunderschönen Kloster-
neuburg, wo sich Pettenkofen zu Beginn der fünfziger Jahre den Sommer über auf-
gehalten zu haben und wo damals eine kleine Künstlerkolonie ansässig gewesen zu
sein scheint, führt das nächste Porträt des Künstlers, abermals ein Aquarell, doch
in sehr kleinem Format, doppelt interessant, weil es nicht nur den befreundeten
Maler Brudermann, sondern auch Pettenkofen selbst, und zwar auf einem Spazier-
gang in der Gegend von Klosterneuburg oder Kierling darstellt. Wie sehr das
Bildchen im Freundeskreis geschätzt worden sein muß, beweist das Vorhandensein
von zwei fast ganz übereinstimmenden Exemplaren, die beide unzweifelhaft vom
Künstlfer selbst gemalt sind. Sie befinden sich in den Sammlungen Dr. Albert Figdors
und der Brüder Eißler in Wien. Infolge seiner französischen Verve macht ein flüchtiges
Aquarell, das Pettenkofen selbst mit „Stößer" und kurzem Überrock und eine junge
Dame, die Frau, die in seinem Leben eine so große Rolle spielen sollte, mit „Herings-
kopf", Schal und Krinoline, gleichfalls während eines Klosterneuburger Spazierganges
darstellt, Anspruch auf Beachtung. Das Aquarell gehört Dr. Albert Figdor.
Damit aber wären nicht nur die wichtigsten von Pettenkofens Bildnissen be-
sprochen, sondern wäre auch überhaupt seine Tätigkeit als Porträtist beinahe ganz
55
erledigt. Denn ähnlich wie es sich mit seinen Lithographien verhält, steht es auch
mit seinen Porträten: nach 1852, dem Jahre, das man als Abschluß seiner ersten
Wiener Periode ansehen kann, werden eigentlich keine mehr von ihm geschaffen.
Freilich verläuft die Grenze hier nicht so bestimmt und scharf wie bei den Litho-
graphien, schon darum nicht, weil etliche später entstandene Studienköpfe mit
einem gewissen Recht auch als Porträte ausgegeben werden können. In vielen
dieser Fälle mögen wohl die Dargestellten in des Künstlers Arbeiten in erster
Linie Porträte erblickt haben, er selbst aber hat sie sicherlich zumeist nicht nur
und nicht hauptsächlich in der Absicht gemacht, die Züge der betreffenden Modelle
mit dem Stift oder dem Pinsel festzuhalten, sondern vielmehr als Studien, um die
Hand zu üben, um das Charakteristische eines Antlitzes später einmal in einem Bilde
verwerten zu können. Warum sich Pettenkofen in der Folgezeit des Porträtierens
fast ganz enthalten hat? Vielleicht fühlte er sich bei den hohen Anforderungen,
die er stets an sich stellte, zu wenig treffsicher. Wahrscheinlich aber war ihm der
Zwang eines Porträtauftrages zuwider und wollte er nicht von Meinungen^ und
Wünschen des Sitzenden, die bekanntlich denen des Künstlers häufig entgegen-
laufen, abhängig sein. Dafür sprechen unter seinen Bildnissen die verhältnismäßig
zahlreichen nach befreundeten Künstlern, wobei den Gemälden noch die Litho-
graphie Eduard Kaisers zuzuzählen ist. Bei ihnen konnte er als Freunden und
Malern vor unverständigem, ärgerlichem Dreinreden sicher sein.
In seinen Porträten ist er noch etwas unselbständig. Da tritt die künstlerische
Individualität hinter dem allgemeinen Charakter der Wiener Schule zurück. Voll
selbstbewußter und selbstsicherer Eigenart ist bereits ein Aquarell wie der Borsos.
Im Ölbild scheint Pettenkofen Überkommenes langsamer abzustreifen, zu über-
winden. Nicht ganz zu Ende geführte Arbeiten wirken origineller als solche, die,
wahrscheinlich im Sinne der Auftraggeber, sorgfältig vollendet sind. Bei den
früheren Porträten denkt man an die seines Lehrers Eybl, aber auch, schon wegen
ihres geringen Umfanges, an die der Wiener Kleinmaler. Später erinnern gewisse
Farbenzusammenstellungen, z. B. die des malerischen Durcheinanders auf dem
Tische des Bildnisses der Frau v. Imredy vom Jahre 1848, an Danhauser. Daß auch
das Stillebenarrangement auf dem Porträt des Sammlers Ignaz v. Imredy den
Gedanken an Danhauser wachruft, wurde schon oben bemerkt. Wenn wir nicht
irren, findet man auch Anklänge an das äußerst aparte Kolorit der seltenen
Gemälde Peter Johann Nepomuk Geigers. Sicher ist, daß sich Pettenkofen von
dem Einfluß zweier so gefeierter und fruchtbarer zeitgenössischer Wiener Por-
trätisten, die Ölbilder größeren Formates malten, wie Waldmüller und Amer-
ling, freizuhalten gewußt hat. Waldmüllers häufig etwas kalte Buntheit und
übergroße Deutlichkeit und Genauigkeit konnten ihm nicht angenehm sein. An
Amerling möchte vielleicht das bei Pettenkofen so seltene große Format und
das niederländische Kostüm des XVII. Jahrhunderts auf dem zweiten, um die
Mitte der fünfziger Jahre entstandenen Porträt des Malers Borsos denken lassen,
doch ist das diskrete, hier fast etwas stumpfe und eintönige Kolorit von Amer-
lings Farbenbrillanz ebenso weit entfernt wie die schlichte Haltung von dessen
theatralischen Posen.
56
TAFEL VIII
IGNAZ IMR^DY EDLER V. OMOROVICZE. ÖLBILD. 1850. WIEN,
DR. ALBERT FIGDOR.
TAFEL IX
REISEWAGEN AUF DER FAHRT VON WIEN NACH KLOSTERNEUBURG.
AQUARELL. 1851. WIEN, THEODOR BERGMANN.
A^»
österreichisches Bauernhaus mit Treidelpferd und zwei Kindern. Ölbild. 1851.
Wien, Fürst Johannes von und zu Liechtenstein.
Von Pettenkofens Genrebildern der ersten Wiener Periode seien zuerst diejenigen
besprochen, die sich nicht mit dem Soldaten beschäftigen. Das früheste ist wohl
ein Aquarell im Besitze Eduard Pergers in Baden bei Wien. Es stellt eine sitzende
57
•■*^^>
^^>V^Tr^.3^.
ältere Frau dar, die einem
vor ihr stehenden nackten
kleinen Jungen zuredet,
ins W^asser zu steigen.
Merkwürdig sind die Far-
ben. Es sind lauter sanft
ausklingende dumpfe Mit-
teltöne, das Fleisch des
Kindes zeigt rötlich-brau-
ne Schatten. Das sehr auf-
fallende Kolorit scheint
uns, wenn es sich über-
haupt an ein Vorbild an-
lehnt, abermals am ehe-
K,x.^^-^ sten an die eigenartigen
^yS^v Farben Peter Johann Ne-
^ J^^^UI^ 1 pomuk Geigers zu er-
VX^^^^^*^:X innern. Ein von 1844
^^^^ #vj datiertes und „august
.•v^^-fi«b, i^PTA '-4 Ta - ^.. Pettenkoffer" signiertes
Aquarell „Kindliche An-
dacht" bei Gottfried und
Hermann Eißler stammt,
wenn es überhaupt von
Pettenkofen herrührt, aus
viel früherer Zeit, noch
aus dem Ende der dreißi-
ger Jahre. Datum und
Signatur sind offensicht-
lich gefälscht. Ein Bild
Fendis vom Jahre 1837,
„Die Morgenandacht im
Klostergang", Nr. 43 des schon erwähnten Kataloges der Arthaberschen Galerie und
heute ein Stück der Wiener städtischen Gemäldesammlung, ist die Vorlage, nach
der es frei kopiert, der es mindestens nachempfunden ist. Wie frei Pettenkofens
Hand bereits im Jahre 1844 ist, zeigt das aus diesem Jahre stammende lithogra-
phierte Porträt Eduard Kaisers. Sehr gut ist ein Aquarell vom nächsten Jahre in
der Wiener kaiserlichen Sammlung. Es stellt vier Kinder dar, die vor der Haus-
türe mit einer an einen Bindfaden gebundenen Maus spielen. Die Behandlung der
Wasserfarben weist deutlich auf die Fendi-Schule als Vorbild hin. Ein kleines Öl-
gemälde vom Jahre 1847 im Besitz von C, A. Wels in Wien, „Der Unterricht"
(eine alte Bäuerin liest ihren Enkelkindern aus einem Buche vor, das Mädel hört
aufmerksam, der Bub nur widerwillig und trotzig zu), verrät deutlich Eyblsche
Beeinflussung. Doch sind Pettenkofens Farben wärmer, seine Übergänge weicher.
Landsknecht im Kornfeld. Aquarell. 1851.
Liechtenthal bei Baden-Baden, Baronin Stephanie Porbeck.
58
Die Räuber im Kornfeld. Ölbild. 1852.
London, Wallace CoUection.
Interessant ist die beträchtlich größer gemalte Ölstudie zu dem andächtig lauschen-
den kleinen Mädchen des Bildes. Der Zusammenhang mit Eybl erhellt auch aus
einem anderen Ölgemälde desselben Jahres. Es gibt eine Szene aus dem Kloster-
leben wieder (ein Stoffgebiet, auf das Pettenkofen in viel späteren Jahren nochmals
59
•8
zurückkommt) : zwei Kapuzinermönche im Kreuzgang ihres ärmlich einfachen Klosters,
— und derselbe Kreuzgang kommt auf einem Bilde Eybls in der Sammlung Ludwig
Lobmeyrs in Wien vor.
Vom Land in die Stadt führt ein Bildchen, das eine längst verschwundene Alt-
wiener Type festhält : einen Sesselträger, der, einen grauen Zylinder auf und einen
Kragenmantel um, bei einem Glas Wein sitzt. Es ist kaum später als um die
Mitte der vierziger Jahre entstanden.
Von den bürgerlichen Szenen aus dem Jahre 1848, die Pettenkofen lithographiert
hat, gibt es, wenn man von der bereits erwähnten nur ganz leicht lavierten Blei-
stiftskizze zu dem Barrikaden-Blatt der „Bewegung" absieht, nur eine einzige auch
als Bild: das Aquarell „Die Amnestierten".
Größere Bedeutung kommt den auch viel zahlreicheren Soldatenbildern zu. Sie
zerfallen von selbst in zwei Gruppen: in solche, die auch als Lithographien vor-
kommen, und in solche, die es bloß als Bilder, Aquarelle oder Ölgemälde gibt.
Hier hat Pettenkofen, wie bereits bei den einschlägigen Lithographien festgestellt
wurde, sein eigentliches Arbeitsfeld gefunden, eine Zeitlang wenigstens. Auf diesem
Gebiete arbeiteten zwar auch andere — Fendi und sein Kreis — aber gerade hier
tat es ihm keiner, auch der begabte Karl Schindler nicht, gleich. Das Getümmel und
die Schrecken des Krieges lehrten ihn lebhafte Bewegtheit darstellen und als
Künstler Mienen und Geberden des Menschen meistern; bei der Darstellung von
Szenen aus dem Soldatenleben fand er den Weg vom damals üblichen Sittenbild
mit seiner konventionellen, anekdotisch zugespitzten Komposition und seinen Farben,
die, so gefällig und pikant sie auch sein mochten, immer doch manieriert waren,
zur treuen ehrlichen Wiedergabe eines Stückes Natur und Leben, bei dessen Aus-
wahl und künstlerischer Behandlung freilich den obersten Richter jederzeit sein
Geschmack abgab; Kriegsbilder malend, lernte er endlich die ungarische Land-
schaft und den ungarischen Bauer kennen, Vorwürfe, an deren Bewältigung er
nachmals die beste Kraft seines Lebens wenden sollte.
Zuerst sei von jenen Soldatenbildern die Rede, deren Vorwürfe Pettenkofen auch
lithographiert hat. Die Bilder, zum größeren Teil Aquarelle, sind entweder im
selben Jahre wie die Lithographie oder früher oder auch später als diese, stets
aber ihr zeitlich nahe, entstanden. Sie stimmen entweder genau mit den Stein-
zeichnungen überein oder weichen bald mehr, bald weniger von ihnen ab, in ein
paar Fällen existieren sogar mehrere Varianten, so daß es etwa eine Lithographie,
ein Aquarell und ein Ölbild desselben Gegenstandes gibt, der Studien natürlich
nicht zu gedenken. Aquarelle und Ölgemälde sind uns von den Themen folgender
Lithographien bekannt geworden: „Russisches Lager", „Transport von Verwun-
deten", „Kress Chevauxlegers im Lager bei Äcs" — alle drei Blätter aus dem
Jahre 1849; „Corporal Angelo Ferrarini", „Der mitleidige Soldat", „Der brave
Tambur" — die ersten beiden Blätter vom Jahre 1850 datiert, das dritte un-
datiert, wahrscheinlich aber aus demselben Jahre; zehn der zwölf „Szenen aus der
Ehren-Halle des k. k. Militär-Fuhrwesens-Corps", sämtliche zwölf Blätter mit der
Jahreszahl 1851 versehen. Das Aquarell „Russisches Lager" bei Dr. August Heymann
stammt aus dem Jahre 1851, das Ölbild im Kunsthistorischen Hofmuseum aus dem
60
TAFEL X
ÖSTERREICHISCHE INFANTERIE, EINE FURT PASSIEREND. ÖLBILD.
1851. WIEN, K. K. ÖSTERREICHISCHE STAATSGALERIE.
TAFEL XI
RUSSISCHES BIVUAK. ÖLBILD. 1852. WIEN, KUNSTHISTORISCHES HOF-
MUSEUM.
-'qOH
>)*>
*.
Jahre 1852. Vom „Ver-
wundetentransport" gibt
es ein Aquarell vom Jahre
1850 und zwei Ölbilder
aus den Jahren 1851 und
1853. Das Datum 1845
auf einem Ölbild, das statt
des Ochsengespannes der
anderen Fassungen zwei
Pferde vor dem Wagen
zeigt, 1876 und 1878 auf
Pariser Auktionen vor-
kommt und von Henri
Lefort radiert ist, muß in
den Katalogen verlesen
sein, höchstwahrschein-
lich wird es 1849 lauten.
Skizziert wurde dieses
Thema mit dem Bleistift,
der Feder und in Ölfar-
ben. Das Aquarell „Kress
Chevauxlegers im Lager
bei Äcs" ist wie die Litho-
graphie vom Jahre 1849
datiert und das mit An-
gelo Ferrarini ist gleich-
falls 1849, also ein Jahr
früher als die Lithogra-
phie entstanden. Dem
Jahre 1850 gehören die
Aquarelle „Der mitlei-
dige Soldat" und „Der
brave Tambur", beide bei Dr. August Heymann, an. Von den zehn uns bekannt
gewordenen Aquarellen mit den Heldentaten des Fuhrwesenscorps' ist eines vom
Jahre 1850 datiert, acht stammen gleich sämtlichen Lithographien aus dem Jahre
1851, auf einem sind Zehner und Einer der Jahreszahl weggeschnitten.
Aus dieser Zusammenstellung der Daten geht hervor, daß alle Soldatenbilder
Pettenkofens, die mit Lithographien von seiner Hand gleiche Themen haben, in
den Jahren 1849 bis 1853 entstanden sind. In frühere Zeit reichen jene mit
Wasser- oder Ölfarben gemalten Soldatenszenen zurück, deren Vorwürfe nicht auch
als Lithographien behandelt sind. Das frühest datierte dieser Werke gehört dem
Jahre 1846 an, es ist ein vorzügliches Ölbildchen bei Kommerzialrat Franz Xaver
Mayer, betitelt „Die Horcher".^') Es seien hier natürlich nur die wichtigsten dieser
Arbeiten erwähnt. Zu einem kleinen Leinwandbild, das plündernde Husaren dar-
Wasberträgerin. Aquarell. 1853.
Wien, Dr. Albert Figdor.
61
Theißlandschaft mit zwei Pferden. Ölbild. 1853.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
stellt und vom Jahre 1849 datiert ist, hat sich die Bleistiftvorzeichnung erhalten,
die in einer Figur wesentlich abweicht und leicht laviert ist. Ein Aquarell bei Bau-
meister Josef Sturany stellt eine Marketenderin dar, die an der Leiche des Soldaten,
dem sie vermählt war, wehklagt. Auf einem anderen noch vorzüglicheren Aquarell, das
derzeit Alfred Wawra in Wien gehört, wird ein schlafender Soldat von einer Marketen-
derin, die auf sein Gewehr gestützt neben ihm steht, bewacht. Beide Aquarelle stammen
aus dem Jahre 1850. Vom selben Jahre ist ein größeres Ölbild „Soldaten beim Mahle"
datiert. Ein Jahr später entstand das stimmungsvolle Ölbild in der k. k. österreichi-
schen Staatsgalerie, das österreichische Infanterie darstellt, wie sie an einem trüben,
grauen Tag müde und langsam eine Furt passiert. Dem Jahre 1853 gehören die be-
rühmten „Ungarischen Freiwilligen" an, ein Bild, von dem ebenso wie vom „Verwun-
detentransport" weiter unten nochmals die Rede sein soll. Die Jahre 1846 und 1853
bezeichnen die Grenzen, innerhalb deren die Soldatenbilder dieser zweiten Gruppe an-
zusetzen sind, auch die undatierten. Nach dem Jahre 1853 aber hat Pettenkofen Bilder,
die den Krieg, die Soldaten der Gegenwart darstellen, nur selten mehr gemalt.
Von den eben erwähnten Soldatenszenen, die keine Jahreszahlen tragen, seien ein
paar kurz erwähnt. Vor allem zwei Gegenstücke, Aquarelle oder besser gesagt:
lavierte Bleistiftzeichnungen, beide viele kleine vorzüglich gezeichnete Figuren
zählend, auch in der Gesamtanlage ganz meisterhaft. Beide Bilder stellen öster-
reichisches Militär dar, das eine eine Artilleriebrigade, die in ein Dorf oder in
ein Landstädtchen einfährt, das andere Infanterie, die auf dem Hauptplatz des-
selben oder eines ähnlichen Ortes kampiert. In der mühelosen Bewältigung einer
so bewegten und figurenreichen Komposition stehen die beiden Blätter unter den
Lithographien dem „Sturm auf Ofen" und der sogenannten „Einnahme von Brescia"
nahe, wahrscheinlich stammen auch sie aus dem Jahre 1849. Ein Vorwurf, mit dem
sich Pettenkofen, wie die vielen Skizzen und Fassungen beweisen, lange und ein-
gehend beschäftigt haben muß, sind Soldaten, die am Abend nach der Schlacht
unter düsterem Gewitterhimmel die Leichen der Gefallenen nach einer Grube
schleifen. Die ausführlichste Behandlung hat dieser Vorwurf, der in gewissem
62
Theißlandschaft mit neun Pferden. Ölbild. 1854.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
Sinne als Fortsetzung oder Steigerung des „Verwundetentransportes" aufgefaßt
werden könnte, in einem Aquarell erfahren, das sich heute im Budapester Museum
befindet. Außer Feder- und Bleistiftskizzen des geschilderten Inhalts gibt es auch
drei Ölskizzen, aus denen man schließen kann, daß Pettenkofen das Thema auch
als Ölbild behandeln wollte. Vielleicht fand er aber selbst den Vorwurf allzu
grausig, vielleicht ließ er sich durch die Rücksicht auf die Verkäuflichkeit leiten,
jedenfalls stand er schließlich von einer bildmäßigen Ausführung ab und ließ so
ein Werk ungeschaffen, das sicherlich zu den bedeutendsten seiner Frühzeit gezählt
hätte.
Im Aquarell und in der Ölmalerei hat Pettenkofen, wie an der Hand dieser aus
den Jahren 1846 bis 1853 stammenden Soldatenbilder am deutlichsten verfolgt
werden kann, ganz erhebliche Wandlungen durchgemacht, die im allgemeinen
wohl als Fortschritt zu bezeichnen sein werden. Wenn auch, wie es nun einmal
schon im Leben geht, auch hier vielfach das neue Gute auf Kosten des alten
Guten errungen wurde. In beiden Techniken ist deutlich eine Abkehr von der
Manier der Fendi-Schule zu konstatieren. Im Aquarell ist dies leichter zu sehen
als in der Ölmalerei. Vor allem ist die graziöse, leicht andeutende Art, bei der das
Weiß des Papieres eine so hervorragende Rolle gespielt hat, gänzlich aufgegeben.
Nun wird die ganze Papierfläche mit Farben, die weniger stark kontrastieren, nicht
mehr so bunt und lebhaft sind, bedeckt, Lichter sind häufig mit dem Radiermesser
ausgekratzt, nicht mehr mühsam ausgespart. Der Gesamteindruck ist kräftiger,
kühner und geschlossener, freilich auch derber und einförmiger. Wir erinnern uns,
eine völlig analoge Entwicklung von Stil und Technik auch an den Lithographien
beobachtet zu haben. Vollkommen deutlich wird das Streben nach einem einheit-
63
liehen Tone; im Aquarell scheint einem warmen, ziemlich dunkelbraunen, auf den
Ölbildern einem kühleren grauen der Vorzug gegeben zu sein.
Das Ende und den Gipfel nicht nur der Soldatenbilder, sondern überhaupt von
Pettenkofens Arbeiten der ersten Wiener Periode bilden der „Verwundeten-
transport" und die „Ungarischen Freiwilligen", zwei Ölgemälde vom Jahre 1853,
die freilich der Zeit nach bereits jenseits des Einschnittes fallen, der jene Epoche
von der nächsten trennt und durch eine Reise des Künstlers nach Paris im
Jahre 1852 gebildet wird. Beide Werke gehören aber der Form und dem Inhalt
nach noch vollständig zur ersten Wiener Periode, was beim „Verwundeten-
transport" überdies durch die Fassungen aus den Jahren 1849, 1850 und 1851
äußerlich dokumentiert wird. In beiden Werken ist Pettenkofens Kunst zur reifen
Meisterschaft gediehen. Die letzte Formulierung des „Verwundetentransportes"
ist nach langen Irrfahrten — das Bild war sogar schon jenseits des Atlantischen
Ozeans gewesen — nach Wien gekommen, wohin es eigentlich gehört, die
„Ungarischen Freiwilligen" aber haben in Amerika und zwar im Metropolitan
Museum zu New York, wo sie als Leihgabe des Mr. George W. Vanderbilt aus-
gestellt sind, eine Stätte gefunden. Das schwungvolle Lob, das ihnen im Jahre
1869 kein Geringerer als Theophil Gautier gespendet hat, mag eine Vorstellung von
dem Bilde, das dem Autor nur nach einer etwas kleinlichen Radierung von Gustave
Greux und nach einer verblaßten alten Photographie bekannt ist,^'^) zu geben ver-
suchen. Gautier sagt'"): „A cöte, du Jeune homme dessinant de Meissonier,
regardez, s'il vous plait, un tout petit tableau qui soutient parfaitement ce voisinage
dangereux. II est signe d'un nom etranger, hongrois ce nous semble, Petten Koffen.
Nous avons vu de lui, si notre memoire ne nous trompe, dans la galerie du prince
Gortschakoff, un groupe de Tsiganes d'une grande originalite locale et d'une
execution tres-fine. Tächez de retenir ces syllabes exotiques; elles designent un
artiste d'un vrai talent et que la vogue adoptera quand eile le connaitra mieux.
Le cadre dont il s'agit represente des Enröles volontaires hongrois. Une
charrette de construction aussi primitive qu'une telega russe empörte dans un
tourbillon de poussiere, au vol de trois petits chevaux pleins de feu, les enroles
couches pele-mele avec leur fourniment. Un ciel clair et leger s'etend sur la ligne
horizontale de la Pusta, que rompt seule la perche des puits se dressant comme
une vergue d'oü pend un bout de corde. Theodore Valerio nous a dejä fait con-
naitre, dans ces eaux-fortes et ses aquarelles, ce paysage indefini qui a la grandeur
de la mer, et dont la monotonie ne manque pas d'un certain charme melan-
colique. Derriere le rustique vehicule lance au galop, estompe par la poudre
qu'il souleve, se distingue vaguement une autre voiture trainant aussi des enroles.
Un garcon de mine fiere, au chapeau orne de feuillage, guide le fougueux
attelage avec une audace süre d'elle-meme qu'eüt enviee Automedon, le cocher
d'Achille. Un compagnon est assis prfes de lui; derriere, gardant l'equilibre malgre
les cahots, se tient debout un jeune homme battant du tambour. Les volontaires,
couches ou accoudes parmi leurs sacs, les jambes pendant hors des ridelles, fument
insoucieusement leurs pipes ä long fourneau. Ils ont encore leurs vetements de
grosse toile et leurs manteaux en peau de mouton qu'ils vont bientot echanger
64
TAFEL XII
DER VERWUNDETENTRANSPORT. ÖLBILD. 1853. WIEN,
RUDOLF REICHERT.
TAFEL XIII
NACH DEM DUELL. ÖLBILD. 1853. AMSTERDAM, MUSEUM FODOR.
contre les sveltes costumes militaires. Leurs armes brimballent au flanc de la
voiture. A la contenance de ces gaillards moustachus et basanes, ce ne serait pas
une conjecture de penser, qu'ils ont noye dans d'abandonantes libations leur
dernier jour de liberte. — Chevaux, figures, ustensiles, tout est touche avec la
finesse la plus spirituelle, d'une couleur gaie et charmante, d'un dessin delicat,
exact et precis. La composition a du feu, du mouvement, de la vie. Chose difficile
dans un art fixe, le groupe fuit ä toute vitesse. Les jantes des rues disparaissent
dans l'eblouissement de la rapidite; les chevaux echeveles piaffent, devorent l'espace,
et bientot la voiture sera hors du cadre."")
Gautiers Urteil, an sich etwas phrasenhaft und durch seine Unkenntnis von
Pettenkofens anderen Arbeiten, besonders von denen aus der Zeit zwischen
1853 und 1869, stark beeinträchtigt, gewinnt aber durch den Zusammenhang, in
dem es ausgesprochen ist, an Bedeutung. Es findet sich in einer Serie von Feuille-
tons, die eine Leihausstellung behandeln. Sie war zu einem wohltätigen Zwecke
veranstaltet und enthielt moderne Bilder aus Pariser Privatbesitz. Vor Pettenkofens
Gemälden werden Hauptwerke von Eugene Delacroix, Jules Dupre, Theodore
Rousseau und Edouard Meissonier besprochen. —
Das Thema des „Verwundetentransportes" ist folgendes: An einem trostlosen
Regentag schleppt sich durch den unendlichen Kot der Puszta ein trübseliges Fuhr-
werk. Qualvoll langsam geht es vorwärts, sinken doch die Räder fast bis an die
Naben ein. Den ermüdeten Ochsen helfen hinten am Wagen anschiebend Soldaten
der Eskorte. Das Gefährt ist voll Verwundeter, vom Leichtblessierten an bis zu
dem im Todeskrampf Erstarrten. Ein Arzt spendet aus der Feldflasche Labung.
Nicht nur die öde, bleierne Niedergeschlagenheit der Gesamtstimmung, sondern
auch das schreckliche Elend auf den fahlen, schmerzverzerrten Gesichtern ist vom
Künstler meisterhaft zum Ausdruck gebracht. Hätte Pettenkofen im „Verwundeten-
transport" ein Tendenzbild schaffen wollen, so hätte er damit proleptisch einen
Werestschagin übertrumpft. Wenn man will, kann man den „Verwundeten-
transport" das traurige Ende des Liedes nennen, das mit den „Ungarischen Frei-
willigen" so lustig begonnen hat. Die „Leichenschlepper" hätten dann das dumpfe
Schlußstück dieser gemalten Trilogie abgeben sollen. Aber sicherlich waren für
Pettenkofen das gedankliche und das malerische Moment, wie es wohl auch das
Richtige ist, zur untrennbaren Einheit verschmolzen.
Wie stark ihn der Vorwurf lange Zeit hindurch beschäftigt hat, geht aus den
verschiedenen, sich über vier Jahre verteilenden Fassungen hervor, worin er ihm
immer neue Seiten abzugewinnen sucht. Sie führen die Entwicklung der Idee in
drei Hauptstadien vor. Das erste wird durch das Ölbild vom Jahre 1849 bezeichnet,
das zweite durch die Lithographie desselben, das Aquarell des folgenden und das Öl-
bild des nächstnächsten Jahres, das dritte durch das im Jahre 1853 entstandene Ölbild.
Das erste Ölbild zeigt das Sujet noch mit dem der „Leichenschlepper" verquickt,
denn man sieht darauf auch, wie am Abend nach der Schlacht Verwundete aufgelesen
werden. Etliche davon werden schon auf einem von zwei Pferden gezogenen
Karren weitergeschafft. Mit dem einen, der vorne auf dem Fuhrwerk sitzt, plau-
dert der Bauer, der das Gespann lenkt.
65
Die Lithographie, wie das eben besprochene Bild vom Jahre 1849, ist noch ziem-
lich hell gehalten. Der Wagen ist mit Ochsen bespannt und fährt nach rechts.
Hinter dem Soldaten links vorne, von dessen Gewehr nur der Lauf zu sehen ist,
fehlt noch der Hund. Der Bauer hält eine Gerte. Der Regimentsarzt, der die Feld-
flasche noch nicht dem Gesicht des Verwundeten genähert hat, trägt einen Zwei-
spitz, der Soldat hinter den beiden eine Kappe. Von dem Manne, der die Hand
über die Wagenleiter hängen läßt, ist nur der verbundene Kopf sichtbar. Der
Blessierte links hinten hat über dem Verband eine Kappe auf, von dem rechts hinten
flattert ein Ärmel weg. Vor dem Wagen liegt ein Tschako im Kot. Über den
Ochsen sind ein Haus und ein Ziehbrunnen sichtbar. Links vorne wird in der
Entfernung ein zweiter Karren vom Bildrand überschnitten.
Auf dem Aquarell vom Jahre 1850 bewegt sich der Zug gleichfalls nach rechts,
von der Lithographie unterscheidet es sich hauptsächlich dadurch, daß hinter dem
Soldaten links vorne ein Hündchen einhertrottet.
Das Ölbild vom Jahre 1851 zeigt den Wagen nach links fahrend. Am Hori-
zont, der noch immer oberhalb der Rücken der Ochsen verläuft, ragen links und
rechts Baumgruppen auf. Wie auf der Lithographie ist deutlich zu sehen, daß es
regnet. Rechts oben ist das Gewölk beträchtlich dunkler geworden. Dem Soldaten
links vorne, von dessen Gewehr auch der Kolben sichtbar ist, folgt das Hündlein.
Der Bauernkutscher hantiert mit einem Leitseil. Der Feldbader hat eine Kappe
auf und hält die Flasche bereits am Munde seines Patienten. Der Soldat hinter
den beiden trägt einen Tschako. Am Wagen hängen eine Feldflasche, eine Patron-
tasche, ein Brotbeutel und ein Tschako. Auf der Lithographie sind es außer der
Patrontasche ein Tornister und zwei Seitengewehre. Der Verwundete, der die
Hand überhängen läßt, hat den Kopf bloß, der links hinten hat den seinen nur
eingewickelt, und sein Ärmel ist es, der aufs Rad herabhängt. Ein zweiter Wagen
fährt nicht nach, sondern vor dem ersten.
Auf dem Bilde vom Jahre 1853 bewegt sich der Zug wieder nach rechts. Alles ver-
schwimmt in ödem Grau. Zu regnen scheint es nicht. Der Horizont ist unter die Rücken
der Ochsen und das Fuhrwerk hinabgerückt. Der Bauer geht auf der anderen, der vom
Beschauer abgekehrten Seite des Gespannes. Die Ochsen haben besonders lange Hörner.
Rechts vorne schreitet schwer die eindrucksvolle Gestalt einer Marketenderin mit großem
Hut, Feldflasche und Krug durch den Kot. Ihr folgt traurig ein langbeiniger Hund.
Die hinten anschiebenden Soldaten sind nicht mehr so parallel gebildet wie bis-
her: der linke hat das Gewehr geschultert und raucht aus seiner Pfeife. Der
Feldarzt ist von den beiden Soldaten, mit denen er früher ein Ganzes gebildet hat,
losgelöst. Der Verwundete hat seinen Kopf völlig unverbunden. Hinten sitzen nicht
mehr drei, sondern nur mehr zwei Soldaten. Statt der herabhängenden Hand ist
eine starr emporragende, die eines Toten sichtbar.
Diese Fassung ist als die endgültige anzusehen. Mit ihr war für den Künstler
das Thema erschöpft, — wenn er auch noch im Jahre 1869 zwei Ölskizzen des
„Verwundetentransportes" an Plach verkauft.
Pettenkofen soll auf seinen „Verwundetentransport" nicht gut zu sprechen ge-
wesen sein.^O — wahrscheinlich weil ihm dieses Werk zu oft als Maßstab für
66
.Fischerhütte. Aquarell. 1854.
Wien, Dr. Albert Figdor.
andere vorgehalten wurde; und der alte Fürst Nikolaus Eszterhäzy, dem Petten-
kofen einmal das Bild zu zeigen Gelegenheit fand, soll ihn gebeten haben, es
wieder mitzunehmen, — weil es zu traurig sei.^**) —
Pettenkofens Wirksamkeit als Wiener Genremaler hat im „Verwundetentransport"
und in den „Ungarischen Freiwilligen" gegipfelt. Beide Bilder, jenes freilich nur in
seiner letzten Fassung, sind 1853 gemalt und fallen daher eigentlich schon in die
durch Pettenkofens ersten Pariser Aufenthalt während der Jahre 1852-53 eingeleitete
nächste Phase seiner künstlerischen Entwicklung. Doch durften sie hier behandelt
werden, weil ihre Konzeption, wie wir wissen, noch der Zeit des ungarischen Feld-
zuges, jedenfalls noch dem Jahre 1849 angehört. Der „Verwundetentransport" ist als
Lithographie von diesem Jahre datiert, und aus demselben Jahre stammt auch die
Lithographie: „Die Überfallene Feldpost", die in gewissem Sinne als die einzige Vor-
stufe zu den „Ungarischen Freiwilligen" angesehen werden kann.
Aus chronologischen Gründen und wegen neuer künstlerischer Eigenschaften mögen
folgende Arbeiten Pettenkofens aus den Jahren 1851 und 1852 hier am Schluß be-
sprochen werden.
Zuerst sei eine Folge kleiner, höchst reizender Klosterneuburger Landschaften
und Interieurs vom Jahre 1851 erwähnt, zehn Aquarelle und ein Ölbild. Die Serie,
heute im Besitz Theodor Bergmanns in Wien, zeigt uns den Künstler zum ersten
Male als ungemein feinfühligen und geschmackvollen Maler von Landschaften und
Innenräumen, wenngleich es natürlicherweise Landschaftsstudien von seiner Hand
auch schon aus früherer Zeit gibt. Pettenkofen ist in diesen Bildchen völlig selb-
ständig, sie könnten keinem anderen Wiener Maler jener Tage zugewiesen werden.
67
9*
Eigentümlich sind ihnen die trotz aller Feinheit der Ausführung markige, nichts
weniger als glatte oder süßliche Maltechnik, die kühle und satte Farbenskala und
der bewegte Himmel mit weißen Wolken vor tiefblauem Grund. Die Bildchen, zu
einem Album vereinigt, sind intimen Charakters. Sie waren für die Geliebte be-
stimmt und schildern den Ort, das Haus, wo sie den Sommer zubrachte. Noch
persönlicher und vertraulicher, aber, so flott und graziös sie auch gemacht sind,
künstlerisch doch von untergeordneter Bedeutung, sind Zeichnungen, bald mit der
Feder, bald in Sepia mit dem Pinsel verfertigt, zum Teil ganz flüchtig hingeworfen,
zum Teil sorgfältig ausgeführt, fast durchwegs Illustrationen von Briefen an die Ge-
liebte, die, vielleicht nicht ganz wahrheitswidrig, meist wohl heftig übertreibend, ge-
wöhnlich ausgelassen lustig, manchmal aber auch mit leiser Wehmut, häufiger voll
heißer Leidenschaft als objektiv und gefaßt, Freuden und Leiden der Liebe
schildern. Auch diese Blätter wurden, hinterher natürlich, zu einem Album zu-
sammengebunden und sind vom August und September 1851 und vom Februar
1852 datiert.
Von größerer, ja von epochaler Bedeutung für des Künstlers Entwicklungsgang
sind ein paar ebenfalls von 1851 und 1852 datierte Naturstudien, ungarische
Bauern und einen Bauernhof auf der Puszta darstellend. Sie stammen unzweifel-
haft aus Szolnok, wo Pettenkofen bereits im Herbst 1851 nachgewiesen werden
kann, wo er ein neues Stoffgebiet entdeckt und durch diese Entdeckung einer
neuen künstlerischen Auffassung entgegenreift. Sie lehrt ihn das anekdotische
Genrebild überwinden und anspruchsloser und objektiver ein Stück Natur wieder-
geben, wobei er das Hauptgewicht auf die rein malerische Erfassung und Be-
handlung des Gegenstandes legt. Diese Wandlung aber soll später eingehender
zu schildern versucht werden. —
Bei der Betrachtung von Pettenkofens künstlerischer Wirksamkeit in der Zeit
von 1837 bis 1852 haben wir gesehen, daß er sich nicht nur unter den Wiener
Lithographen, sondern auch unter den Wiener Genremalern jener Epoche eine
erste Stelle errungen und die Schilderung des Soldatenlebens, insbesondere des
ungarischen Feldzuges der Jahre 1848 und 1849 zu einer Spezialität ausgebildet
hat. Der „Abschied des Landwehrmannes", den Johann Peter Krafft 1813 gemalt
hat, gilt mit Recht als der Anfang der Wiener Genremalerei im Vormärz, ein
Bild wie Pettenkofens „Transport von Verwundeten" vom Jahre 1853 würde sie
nicht unwürdig beschließen. Krafft war der Schüler Louis Davids und 1852 pries
er sich mit Tränen der Freude in den Augen glücklich, daß er noch vor seinem
Ableben ein so bedeutendes historisches Bild wie Delaroches „Napoleon" sehen durfte.
Es ist daher begreiflich, daß seine beiden Szenen aus dem Leben des Landwehr-
mannes verkappte Historienbilder sind. Das große Format, das Pathos der Geberden,
die heroischen Staturen verraten das deutlich genug. Wie ganz anders wirkt da-
gegen Pettenkofens kleines Bild. Um wie viel natürlicher und schlichter, um wie
viel wahrheitsgetreuer erscheint es uns in Farbe und in Darstellung. Wir glauben
hier einem Stück trostloser Wirklichkeit gegenüberzustehen, dort, an Kraffts Ge-
stalten sehen wir nur mehr Pose und Theater. In einem Bilde, wie dem „Ver-
wundetentransport" ist aber auch die kokette und pointierende Art, die gleicher-
68
•^*^
Schweineherde am Wasser. Aquarell. 1854.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
weise dem Kolorit und der Komposition der Fendi-Schule eignet, abgetan und
überwunden. Diese Vergleiche sollen nicht etwa Krafft und Fendi und seine Schüler
auf Kosten des Pettenkofen vom Jahre 1853 herabsetzen, sie sollen nur die Ent-
wicklung, die Weiterbildung — absichtlich sei hier das so leicht irreführende Wort
Fortschritt vermieden — dartun, die die Wiener Genremalerei innerhalb der oben
angegebenen Zeitgrenzen durchgemacht hat.
Die Wiener Genremalerei, deren engen und vielfältigen Zusammenhang mit den
gleichzeitigen sozialen und politischen Verhältnissen Wiens Rudolf von Eitelberger
in einer Reihe vorzüglicher Studien klargelegt hat,'") macht, wie wir heute längst
und gut wissen, den Ruhmestitel der damaligen Wiener bildenden Kunst aus.
Gleichwohl ward sie aufs heftigste von der freilich zu Beginn jener Periode schon
im Absterben begriffenen akademischen und von der kirchlich-romantischen Rich-
tung, die wieder eine der anderen spinnefeind waren, befehdet. Auf der Akademie
trug mit Führich an der Spitze die kirchlich-romantische Richtung den Sieg über die
Genremalerei davon. Führich war an der Lambergischen Galerie, die schon 1821 ihr
hochherziger Gründer der Akademie testamentarisch vermacht hatte, seit 1834
zweiter Kustos, Professor an der Akademie wurde er 1840. Danhauser nahm im
Jahre 1844 seinen Abschied von der Akademie. Bewogen wurde er zu diesem
Schritte durch die Zurückweisung, die sein Bild „Hundekomödie", eine satirische
Antwort auf gewisse ihm feindliche Zeitungskritiken, auf der Ausstellung des
Kunstvereines erfahren hatte. Waldmüller war seit 1829 an der Lambergischen
Galerie angestellt, seit 1830 war er Professor an der Akademie. Kann es als aus-
gemacht gelten, daß Pettenkofen vom Austritt Danhausers aus dem akademischen Lehr-
69
körper auf das schmerz-
lichste berührt worden
ist, so wird er in dem
literarischen Streite, den
Waldmüller und Eitel-
berger, der in der zweiten
Hälfte der vierziger Jahre
im Wiener Kunstleben
eine Rolle zu spielen be-
gann und damals auch
schon an der Akademie
Kunstgeschichte vortrug,
in den Jahren 1847 und
1848 miteinander hat-
ten,") unzweifelhaft auf
der Seite Waldmüllers ge-
standen sein, — war
er auch später mit Eitel-
berger befreundet und
hatte er auch als reifer
Meister gegen Wald-
müllers künstlerische Art
Einwendungen zu erhe-
ben. Mit dessen Schrift
über die Reform des aka-
demischen Unterrichtes
aber war er sicher durch-
aus einverstanden. —
Diese mutmaßliche Stel-
lungnahme Pettenkofens
zu so wichtigen Ereig-
nissen, wie es Danhausers Abgang von der Akademie und Waldmüllers und Eitel-
bergers literarische Fehde für die Wiener Kunstkreise am Vorabend der Revolution
unzweifelhaft gewesen sind, hat uns bereits mitten in das Kunstgetriebe Wiens zur
Zeit von Pettenkofens erster Entwicklungsperiode hineingeführt. Ihr Abschluß ver-
lockt ohnehin dazu, all das, was sich während der durchmessenen dreißig Jahre
in Wien auf dem Gebiete der bildenden Kunst zugetragen hat, rasch zu über-
blicken.
Die Palme gebührt der Genremalerei. Krafft, Fendi, Karl Schindler, Danhauser,
Ranftl, Gauermann, Raffalt, Waldmüller waren außer Pettenkofen ihre hervor-
ragendsten Vertreter. Krafft pflegte auch das Historienbild, Ranftl und Gauermann
zeichneten sich als Tiermaler aus, RafTalt war vorwiegend Landschafter, Wald-
müller war der vielseitigste von allen und malte Genrebilder, Landschaften, Porträte
und Stilleben. Daneben war dank der hohen Künstlerschaft und machtvollen
Ungarischer Bauer, stehend, nach rechts. Aquarell. 1851.
Budapest, Baron Julius Forster.
70
Persönlichkeit Führichs
die kirchlich-romantische
Richtung zu neuem Le-
ben erwacht und an der
Akademie zum ausschlag-
gebenden Faktor gewor-
den. Führich und seinen
Schülern fiel auch in der
neuen Ära, die für die
Akademie durch die Stu-
dienreform des Unter-
richtsministers Grafen
Thun eingeleitet wurde,
der erste große Auftrag
zu : die Ausmalung der
Altlerchenfelder Kirche,
die seit 1853 so weit war,
daß mit der Innendeko-
ration begonnen werden
konnte. Die beiden echte-
sten österreichischen Ro-
mantiker freilich, Steinle
und Schwind, hatten 1837
und 1839 die Heimat ver-
lassen. Unabhängig, aber
darum nur um so ein-
drucksvoller, entwickelt
sich die malerische Tätig-
keit Amerlings und Rahls.
Jener ist ein Genremaler,
bei dem die lebensgroße
weibliche Figur die Hauptrolle spielt, und ein pompöser Porträtist, dieser, den
Hebbel als einen Wahlverwandten feiert, schafft Historienbilder nicht nur großen
Formates, sondern auch großen Stiles. Beide haben sich in der Fremde ausgiebig
umgetan, beide bereiten gewissermaßen die Zeit Makarts und Canons vor. Als
Porträtist erfreut sich der fabelhaft fruchtbare Kriehuber des außerordentlichsten
Rufes, mit seinen lithographierten Bildnissen steht er einzig da, als Maler von
Miniaturporträten sucht Daffinger, der Freund Grillparzers, seinesgleichen. Als
Landschafter sind Thomas Ender und die drei Alt, der Vater Jakob und die beiden
Söhne Rudolf und Franz, zu nennen. Die meisten Steinzeichner wurden bereits in
Verbindung mit Pettenkofens lithographischer Tätigkeit genannt, der Holzschnitt
wurde von Blasius Höfel und seiner Schule gepflegt, reproduzierende Stiche
schufen Rahl, der Vater, Benedetti und Stöber, die Originalradierung lag fast gänz-
lich brach, nur einige wenige Künstler haben ab und zu ein Blatt radiert: Gauer-
Ungarischer Bauer, stehend, nach links. Aquarell. 1854.
Budapest, Stefan von Czdrän.
71
mann, Danhauser, Ranftl. Die Plastik gieng fast während der ganzen Periode leer
aus: Klieber, Schaller, Kähßmann, Bauer schufen ein paar nicht allzu hervor-
ragende Werke fast durchwegs klassizistischer Art. Ebenso schlimm stand es mit
der Architektur, doch waren schon seit 1843 jene beiden Künstler an der Akademie
tätig, die im zweiten Drittel des vergangenen Jahrhunderts Wien seinen schönsten
Monumentalbau schenken sollten : Eduard Van der Null und August von Siccards-
burg.
Große Ereignisse für die Wiener Künstler und Kunstfreunde waren zwei Aus-
stellungen ausländischer Gemälde in den Jahren 1843 und 1852. Auf der ersten
waren Gallaits „Abdankung Karls V. in Brüssel im Jahre 1555" und Biefves
„Kompromiß der niederländischen Edlen im Jahre 1566" zu sehen, die zweite Aus-
stellung, die im jüngeren Kunstverein stattfand, zeigte Gallaits Gemälde „Egmont
vor der Enthauptung" und die Napoleon-Bilder Delaroches. Der jüngere Kunst-
verein war 1850 gegründet worden, seine Geschäftsleitung lag in den Händen
Arthabers. Während man dem älteren Kunstverein, der seine Entstehung Metter-
nich verdankte, gänzliche Untätigkeit vorwarf, ward am jüngeren bereits im Jahre
1852 gerügt, daß er zu viele Ausländer vorführe. 1850 ward endlich, um nochmals
des Beginnes der hauptsächlich durch Eitelberger eingeleiteten kunstgeschichtlichen
Ära zu gedenken und so diese Skizze der Wiener Kunstzustände in der ersten
Hälfte des XIX. Jahrhunderts abzurunden, der Grundstein zur „k. k. Centralcommission
zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale" gelegt. Mit der Schöpfung dieses
Institutes gieng Österreich Deutschland voran.
In der österreichischen Dichtkunst war 1852 bereits die schönste Blüte abgewelkt.
Um so erstaunlicher und wunderbarer ist die schwere, reiche Fülle, die sie in der
Zeit von Pettenkofens Geburt bis zu seiner Reise nach Paris, also während des
Menschenalters von 1822 auf 1852 entfaltet hat. Grillparzer hatte in den zwanziger
und dreißiger Jahren dem deutschen Theater viele köstliche Gaben beschert, 1840
aber hatte er sich, nachdem er in diesem Jahre seine drei ungedruckten Dramen
„Des Meeres und der Liebe Wellen", „Der Traum ein Leben" und „Weh dem,
der lügt" in Buchform hatte erscheinen lassen, gekränkt, enttäuscht und verbittert
von der Öffentlichkeit zurückgezogen. Sein Tagebuchvers verrät deutlich die trübe
Stimmung, die ihn beherrscht, zeigt, wie er sein Verhältnis zu Publikum und
Kritik aufgefaßt und beurteilt hat:
„Was je den Menschen schwer gefallen,
Eins ist das Bitterste von allen:
Vermissen, was Schon unser war,
Den Kranz verlieren aus dem Haar;
Nachdem man sterben sich gesehen.
Mit seiner eig'nen Leiche gehen."
Der leichtlebigere, elastischere Bauernfeld war dagegen unermüdlich tätig und
schilderte, wie es sein Freund Danhauser als Maler tat, als dramatischer Dichter
die Wiener Gesellschaft. Von Halm erschien 1837 die „Griseldis", 1843 der „Sohn
der Wildnis". Hebbel, seit 1846 in Wien ansässig, stand 1852 auf der Höhe seiner
Schaffenskraft. Bis auf den „Gyges" und die „Nibelungen" hatte er schon alle
seine bedeutenderen Tragödien geschrieben. Nestroy beherrschte seit Anfang der
72
dreißiger Jahre die Vorstadtbühne. Rai-
mund, dessen sämtliche Dramen sich auf
kaum mehr als ein Dutzend Jahre ver-
teilen, hatte sich 1836 erschossen. Lenau,
der andere Melancholiker unter den
Dichtern des Kaiserstaates, war 1844
wahnsinnig geworden und starb 1850.
Aber auch Anastasius Grüns poetische
Tätigkeit ist mit dem Jahre 1850 fast
ganz abgeschlossen. Dasselbe gilt von
Zedlitz, der hier nur darum erwähnt sei,
weil er als Korrespondent der „Allge-
meinen Zeitung" dann und wann Kritiken
über bildende Kunst verfaßte und dabei
besonders Danhauser mit verständnisloser
Härte abfällig beurteilte. Von Stifter waren
1852 bereits die „Studien" und die „Bun-
ten Steine", also seine beiden berühm-
testen Werke, erschienen. Noch schlim-
mer als mit der Wiener Literatur steht
es am Abschluß dieser Epoche mit der
Wiener Musik, weil sie nur Verluste und
kaum einen Gewinn aufzuweisen hat.
Noch in den zwanziger Jahren des Jahr-
hunderts waren Beethoven und Schubert gestorben, Lanners und des älteren Strauß
süße Wiener Tanzweisen, die mehr als irgend etwas anderes dem Ausland eine
Vorstellung von Wien gaben, sind in den vierziger Jahren für immer verklungen.
Die Oper stand die ganze Zeit her unter dem Zeichen Meyerbeers, ins Burgtheater
zog 1850 mit Laube ein neuer Geist ein.
Wien selbst, die Stadt, hatte sich in der Zeit von 1822 bis 1852 wohl nicht
allzu sehr verändert, war doch überhaupt nicht viel und künstlerisch nur ganz wenig
gebaut worden. Nüchterne Verwaltungsgebäude, Kasernen und Bahnhöfe sind die
Zeugen des damals in der Architektur herrschenden Bureaukratismus, an dem das
Regime des allmächtigen Hof baurates Sprenger die Hauptschuld trug. Erst Rösners
Johanneskirche in der Praterstraße und besonders Müllers Altlerchenfelderkirche in
der Lerchenfelderstraße leiten eine neue, bessere Phase der Wiener Architektur
ein. Noch aber waren die Basteien nicht gefallen. Erst deren Entfernung, die zwar
das wunderliebe Bild des alten Wien zerstörte, konnte zum Ausgangspunkt für
die glänzende Bauperiode der nächsten Jahrzehnte werden.
Die Umwälzung auf politischem Gebiete haben wir ja an der Hand von Petten-
kofens Arbeiten, wenn auch bloß von weitem, flüchtig und bruchstückweise, mit-
erlebt. Das Metternichsche System, so lange unerschüttert, scheitert endlich in den
Stürmen des Jahres 1848. Oberitalien und Ungarn erheben sich gegen Österreich,
in Prag findet ein Slawenkongreß statt, der die gegen das Deutschtum gekehrten
Ungarischer Bauer, sitzend. Aquarell. 1854.
Budapest, Museum der schönen Künste.
73
Bestrebungen der slawischen Völker Österreichs zentralisieren soll und der eine
Volkserhebung in Prag zur Folge hat. In Wien scheint zuerst die Revolution zu
triumphieren, und man erhofft sich da von der blutig erstrittenen Freiheit den
Himmel auf Erden. Metternich ist vertrieben, die Zensur abgeschafft, die Preßfrei-
heit erobert, eine Konstitution vom Kaiser selbst bewilligt. Aber auf die Märztage
folgen die Oktobertage. 'Wie vorher in Prag, so wird schließlich auch in Wien die
Revolution mit Waffengewalt niedergeworfen, und auch die Aufstände in Italien
und Ungarn gelingt es, in Ungarn mit Hilfe eines russischen Heeres, in blutigen
Kämpfen zu unterdrücken. Zur selben Zeit kommen die Nachrichten von der
Kapitulation von Vilagos und von der Einnahme von Venedig nach W^ien, am
13. September 1849 wird der aus Italien heimkehrende Radetzky, der Sieger von
Custozza und Novara, von der Bevölkerung Wiens mit unbeschreiblichem Jubel
empfangen. 1850 in Olmütz obsiegt Österreich vorläufig wenigstens auch über den
Gegner, der sich ihm drohend und machtvoll im Norden zu erheben beginnt, über
Preußen, das sich in Olmütz allen österreichischen Forderungen fügt. Auf Öster-
reichs Kaiserthron hatte noch zu Ende des tollen Jahres ein Wechsel stattgefunden :
der achtzehnjährige Franz Josef war seinem Oheim Ferdinand nachgefolgt. Knüpften
sich alle guten Hoffnungen an den jugendlichen Monarchen, so herrschte doch einst-
weilen die Reaktion und stellte fast alle Errungenschaften des Jahres 1848 in Frage.
Aber nicht bloß in Wien, sondern auch in anderen Ländern Europas war der Absolu-
tismus wieder hergestellt. 1852 erhielt Frankreich wieder einen Kaiser, und die
verblüffende, eines gewissen Schwunges keineswegs entbehrende Art, wie er auf-
trat, ließ Europa wieder einmal voll Spannung nach Paris blicken. Dieser Um-
schwung an der Seine, der sicherlich vielfach zu den schönsten Hoffnungen zu be-
rechtigen schien, mag unter anderem mit dazu beigetragen haben, daß Petten-
kofen zu Beginn des Jahres, an dessen Ende Louis Napoleon auf Grund von
Senätsbeschluß und Volksabstimmung zum Kaiser proklamiert wurde, Wien, über
das sich die alte, kaum zerstreute Finsternis aufs neue herabgesenkt hatte, verließ
und nach Paris reiste.
Aber nicht Napoleon III. war es, der in der Zukunft die Geschicke Europas
lenken sollte. Der Mann, der dazu bestimmt war, weilte gerade im Jahre 1852 als
Vertreter des erkrankten Grafen Arnim, des königlich preußischen Gesandten am
österreichischen Kaiserhofe, in Wien und Pest, ja sogar an demjenigen Orte in
Ungarn, dessen Name mit Pettenkofens Künstlerschaft untrennbar verbunden ist
und wohin dieser das Jahr vorher zum ersten Male gekommen war, in Szolnok.
74
ZWEITES KAPITEL
SZOLNOR 1S51-1881
ismarck schreibt am 27. Juni 1852 aus Szolnok an seine Frau:
„In den vorhandenen Atlanten wirst Du eine Karte von Ungarn
finden, auf dieser einen Fluß Theiß, und wenn Du den über
Szegedin hinauf nach der Quelle suchst, einen Ort Szolnok ..."
Er hatte in Alberti-Irsa, wohin er von Pest mit der Bahn ge-
fahren war, zu tun und wollte sich von da aus „Spasses halber"
die ungarischen Steppen zwischen Donau und Theiß ansehen.
Wegen der Betyaren wollte man ihn nicht ohne Eskorte reisen
lassen. Er erzählt weiter: Nach dem Frühstück „bestieg ich
einen sehr niedrigen Leiterwagen mit Strohsäcken und 3 Steppenpferden davor, die
Ulanen luden ihre Karabiner, saßen auf, und fort gings im sausenden Galopp. Hilde-
brand [Bismarcks Kammerdiener] und ein ungrischer Lohndiener auf dem Vordersack,
und als Kutscher ein dunkelbrauner Bauer mit Schnurrbart, breitrandigem Hut, langen,
speckglänzenden schwarzen Haaren, einem Hemd, das über dem Magen aufhört und
einen handbreiten dunkelbraunen Gurt eigner Haut sichtbar läßt, bis die weißen Hosen
anfangen, von denen jedes Bein weit genug zu einem Weiberrock ist, und die bis
an die Knie reichen wo die bespornten Stiefel anfangen. Denke Dir festen Rasengrund,
eben wie der Tisch, auf dem man bis an den Horizont meilenweit nichts sieht, als die
hohen kahlen Bäume der für die halbwilden Pferde und Ochsen gegrabenen Zieh-
brunnen (Püttschwengel). Tausende von weißbraunen Ochsen mit armlangen
Hörnern, flüchtig wie Wild, von zottigen unansehnlichen Pferden, gehütet von be-
rittnen halbnackten Hirten mit lanzenartigen Stöcken, unendliche Schweineherden,
unter denen jederzeit ein Esel, der den Pelz (bunda) des Hirten trägt und gelegentlich
ihn selbst, dann große Schaaren von Trappen, Hasen, hamsterartige Zeisel, gelegent-
lich an einem Weiher mit salzhaltigem Wasser wilde Gänse, Enten, Kibitze, waren
die Gegenstände die an uns und wir an ihnen vorüberflogen, während der
3 Stunden die wir auf 7 Meilen bis Ketskemet fuhren, mit etwas Aufenthalt in
einer Csarda (einsames Wirtshaus)." Er spricht dann von Kecskem^t und den
Räubern, deretwegen er auch tags darauf seine Fahrt über die Puszta wieder nur
selbst bewaffnet und unter militärischer Bedeckung fortsetzte. „Vor einigen Tagen",
heißt es in dem Briefe weiter, „waren mehre Gensdarmen im Gefecht mit ihnen
geblieben, dafür aber 2 Räuber gefangen und in Kecskemet standrechtlich er-
75
xo»
Markt in Szolnok. Ölbild. 1854.
Wien, Franz Xaver Mayer.
schössen worden. Dergleichen erlebt man in unsern langweiligen Gegenden gar-
nicht. Um die Zeit wo Du heut morgen aufwachtest, hast Du schwerlich gedacht,
daß ich in dem Augenblick in Cumanien in der Gegend von Felegy-hdza und Csongrad
mit Hildebrand im gestreckten Galopp über die Pusta (Steppe) flog, einen liebens-
würdigen sonnenverbrannten Ulanenoffizier neben mir, jeder die geladenen Pistolen
vor sich im Heu liegend, und ein Commando Ulanen, die gespannten Carabiner
in der Faust, hinterherjagend. Drei schnelle Pferdchen zogen uns, die unweigerlich
Rosa (sprich Ruscha) Csillak (Stern) und der nebenlaufende Petyar (Vagabund)
heißen, von dem Kutscher ununterbrochen bei Namen und in bittendem Ton an-
geredet werden, bis er den Peitschenstiel quer über den Kopf hält und mega, mega (halt
an) ruft, dann verwandelt sich der Galopp in sausende Carriere. Ein sehr wohl-
thuendes Gefühl. Die Räuber ließen sich nicht sehn; wie mir mein netter brauner
Lieutenant sagte, würden sie schon vor Tagesanbruch gewußt haben, daß ich
unter Bedeckung reiste, gewiß aber seien welche von ihnen unter den würdig
aussehenden stattlichen Bauern, die uns auf den Stationen aus den gestickten bis
zur Erde gehenden^ Schafpelzmänteln ohne Ärmel ernsthaft betrachteten und mit
76
Markt in Szolnok. Ölbild. 1854.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
einem ehrenfesten istein adiamek (Gelobt sei Gott) begrüßten. Die Sonnenhitze war
glühend den ganzen Tag, ich bin im Gesicht wie ein Krebs so roth. Ich habe
18 Meilen in 12 Stunden gemacht, wobei noch 2 bis 3 Stunden, wenn nicht
77
mehr auf Umspannen und Warten zu rechnen sind, da die 12 Pferde die ich
brauchte für uns und die Bedeckung erst gefangen werden mußten. Dabei waren
vielleicht ein % des Weges tiefster Mahlsand und Dünen, wie bei Stolpmünde.
Um 5 kam ich hier an, wo ein buntes Gewühl von Ungarn, Slowaken, Wlachen
die Straßen {_Sz. ist ein Dorf von etwa 6000 Einwohnern, aber Eisenbahn und
Dampfschiffstation an der Theiß) belebt, und mir die wildesten und verrück-
testen Zigeunermelodien ins Zimmer schallen. Dazwischen singen sie, durch die
Nase mit weitaufgerissenem Munde, in kranker klagender Molldissonanz, Ge-
schichten von schwarzen Augen und von tapferm Tod eines Räubers in Tönen,
die an den Wind erinnern wenn er im Schornstein lettische Lieder heult. Die
Weiber sind im Ganzen gutgewachsen, aber von Gesicht bis auf einige ausge-
zeichnet schöne, nicht hübsch, alle haben pechschwarzes Haar, nach hinten in
Zöpfe geflochten, mit rothen Bändern darin. Die Frauen entweder lebhaft grünrothe
Tücher oder rothsametne Häubchen mit Gold auf dem Kopf, ein sehr schön gelbes
seidnes Tuch um Schulter und Brust, schwarze auch urblaue kurze Röcke und
rothe Saffianstiefel die bis unter das Kleid gehn, lebhafte Farben, meist ein gelb-
liches Braun im Gesicht, und große brennend schwarze Augen. Im Ganzen gewährt
so ein Trupp Weiber ein Farbenspiel, das Dir gefallen würde, jede Farbe am Anzug
so energisch wie sie sein kann. Ich habe nach meiner Ankunft um 5, in Erwartung
des Diners, in der Theiß geschwommen, Csardas tanzen sehn, bedauert daß ich
nicht zeichnen konnte um die fabelhaften Gestalten für Dich zu Papier zu bringen,
dann Paprika-Hähndel, Stürl (Fisch) und Tick gegessen, viel Ungar getrunken, an
Nanne [seine Frau] geschrieben und will nun zu Bett gehen, wenn die Zigeuner-
musik mich schlafen läßt."')
Diese Schilderung ist doppelt und dreifach interessant und wertvoll: weil sie
von Bismarck herrührt, weil sie aus der Zeit stammt, in der Pettenkofen zum
ersten Male nach Szolnok kam, dem Ort, der für seine Kunst von solcher Bedeutung
werden sollte, — weil sie so anschaulich und lebendig ist, weil sie, wenngleich
von einem Laien in Kunstsachen geschrieben, dennoch gerade das Malerische
des Eindruckes von Land und Leuten betont. Aufs willkommenste ergänzt wird
sie durch eine andere, die der Autor aus dem Munde eines gebürtigen Szolnokers,
des Malers und Professors Ujhäzy Ferencz^) vernommen hat, dessen Jugend-
erinnerungen noch in die dreißiger und vierziger Jahre zurückreichen. Sie liegt
dem größten Teile der folgenden Ausführungen zugrunde:
Szolnok befindet sich im „Alföld", zu deutsch Niederland. So heißt das „Pester
Becken", die „größte ungarische Ebene", die im Westen und Süden von der Donau,
im Norden und Osten von den Ausläufern der nördlichen und östlichen Karpathen
begrenzt und von der Theiß durchflössen wird und beinahe die Hälfte von Ungarn
im engeren Sinne ausmacht. Szolnok liegt an der Theiß, und zwar auf jener Land-
spitze, die durch die Theiß und ihren Nebenfluß, die Zagyva, gebildet wird. Szolnck
war schon unter den Arpaden der Hauptort des gleichnamigen Komitats, das von der
Theiß bis nach Siebenbürgen reichte. Nach der Eroberung Ofens erbaute König Fer-
dinand I. in Szolnok an Stelle der früheren Erdwerke eine Festung, die aber schon
1552 von den Türken eingenommen wurde und bis 1685 in deren Besitz verblieb.
78
r
»'
Szolnoker Markt. Lavierte Bleistiftstudie.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
Unmittelbar südlich von Jazygien gelegen, ist Szolnok eine kernmagyarische Stadt. Es
zerfiel noch in den dreißiger und vierziger Jahren des abgelaufenen Jahrhunderts in
folgende fünf Teile : in den Tabän, die Umgebung der Festung, in die Katonaväros,
die Soldatenstadt, in die Fekete- oder Ciganyväros, die Zigeunerstadt, in die Ujväros,
die Neustadt, und in den Burgyin, die noch erhaltene Partie des alten Szolnok nörd-
lich vom Markte. Heutzutage ist den Theißüberschwemmungen durch gewaltige
Dämme gewehrt. Trat aber damals die Theiß aus, so sah sie gegen Süden wie ein
Meer aus. Der Mond gieng über dem Wasser auf. Dann gab es eine unendliche Fülle
von Fischen. Die Weiber schnitten das Fett aus ihnen heraus und warfen das
übrige wieder ins Wasser. Bei Überschwemmungen war daher Szolnok sehr un-
gesund, das Theißwasser war verpestet, es gab aber kein anderes Trinkwasser.
Wegen des Fiebers, das man sich so in Szolnok holen konnte, fuhr einmal der
junge Raffalt, der Freund Pettenkofens, nach ganz kurzem Aufenthalt wieder weg.
Szolnok war Ungarns Hauptsalzlager. Das Salz kam auf Flößen aus der Märmaros
her. Die in gewaltigen Mengen aufgestapelten Salzfässer wurden von Soldaten be-
wacht, und wenn in der Nacht deren Ruf „Halt, wer da!" erscholl, so sagten die
Bauern zu einander: „Hallod? Hallod? Kukorekol a csäszär kakasa." „Hörst du?
Hörst du? Des Kaisers Hahn kräht." Damals war noch alles ungemein billig. Ein
Scheffel Weizen — es ist der berühmte „Theißweizen" — kostete ein paar Groschen.
79
Oft tauschten die Bauern das Geschirr, das die Slovaken zu Markt brachten, gegen
den Weizen ein, mit dem sie es vollfüllten. Wer in Rock und Hose gieng, galt für
einen Nemet, einen Deutschen. Die einzige Gasse, die benannt war, hieß Nemet-
utca, da wohnten die deutschen Beamten des Salzkammergutes. Um die Mitte der
dreißiger Jahre kamen die ersten deutschen Gewerbetreibenden nach Szolnok: ein
Buchbinder, eine Hebamme und ein Blaufärber, der ein Bayer war. Sie machten
gute Geschäfte. Juden gab es damals noch nicht in Szolnok. Sie wohnten in Abony.
Der Handel lag in den Händen von Armeniern und Griechen. Die Pelzmacher z. B.
zerfielen in Magyaren, die die Bundas für die Bauern machten, und in Deutsche,
die die feineren Pelzmäntel und Pelzmützen herstellten. Natürlich spielte die Gar-
nison, deren Kaserne die alte Festung war, eine wichtige Rolle in der Stadt. Die
Kulturträger in Szolnok waren die Franziskaner, die dort auch heute noch ein
Kloster haben. Darin befand sich eine Lateinschule, an der die Patres unterrichteten,
einer lehrte auch zeichnen. Die Franziskaner waren sehr streng. Professor Ujhazy
erinnert sich, einmal als Kind heraußen vor der Kirchentür einen Mann und eine
Frau, die mit Strohseilen aneinander gebunden waren, knien gesehen zu haben.
Die aus der Kirche Kommenden spieen vor ihnen aus. Es waren Ehebrecher.
Die Eisenbahn, die von Budapest über Czegled nach Szolnok führt, ist die älteste
Ungarns und wurde schon 1847 dem Verkehr übergeben. Als Pettenkofen das erste
Mal nach Szolnok reiste, konnte er sie daher bereits benutzen. Mit der Bahn von
Wien nach Szolnok freilich konnte er erst seit dem Jahre 1855 fahren.
So viel über Szolnok vor und zu der Zeit, da Pettenkofen es kennen lernte.
Pettenkofens Beziehungen zu Ungarn reichen weit zurück. Wir erinnern uns,
daß sein Vater in Ungarn geboren war, daß sogar die freilich schlecht verbürgte
Rede von einem väterlichen Gut in Ungarn geht. Eybl, Pettenkofens Lehrer,
der seit Beginn der vierziger Jahre Porträte ungarischer Magnaten lithographiert,
der Ungar Borsos, mit dem Pettenkofen von der Akademie her befreundet ist, der
in Pest lebende Maler Georg Raab, den Pettenkofen, wie sein Bildnis von dessen
Vater wahrscheinlich macht, gekannt haben wird, können Pettenkofens Aufmerk-
samkeit auf Ungarn hingelenkt haben. Daß übrigens damals auch noch andere
österreichische Künstler (es sei bloß W^aldmüUer genannt) mit Ungarn in Ver-
bindung gestanden sind, die Leitha überschritten und für ungarische Auftraggeber
gearbeitet haben, ist nur natürlich, gab es doch zu jener Zeit noch so gut wie keine
autochthone Kunst in Ungarn. Clemens Brentanos Novelle „Die mehreren Weh-
müller und die ungarischen Nationalgesichter" schildert humorvoll die künstlerische
Abhängigkeit Ungarns vom deutschen Nachbarland am Anfang des XIX. Jahr-
hunderts. Nach Ungarn selbst scheint Pettenkofen nicht vor dem Feldzug der
Jahre 1848 und 1849 gekommen zu sein. Wenigstens finden wir vorher keinerlei
Reflex eines ungarischen Aufenthaltes in seinen Werken. Szolnok kann Pettenkofen
bereits während des Feldzuges kennen gelernt haben. Bei Szolnok fand nämlich am
5. März 1849 ein Treffen statt, in dem sich die Österreicher unter Karger vor den
Ungarn unter Damjanich zurückziehen mußten. Pettenkofens Aufenthalt in Szolnok
ist zum ersten Male im Oktober des Jahres 1851 beglaubigt. Er schreibt nämlich am
18. Oktober 1851 aus Pest an seinen schon erwähnten Freund Franz Xaver Mayer in
80
TAFEL XIV
NIEDERÖSTERREICHISCHES BAUERNHAUS MIT GEMÜSEWASCHENDER
BÄUERIN. ÖLBILD. 1854. REICHENBERG, HEINRICH FRH. V. LIEBIEGSCHE
SAMMLUNG DER STADT.
laauÄa
TAFEL XV
KLOSTERNEUBURGER BAUERNHAUS MIT BÄUERIN UND KIND. ÖLBILD.
1854. WIEN, BARON LOUIS ROTHSCHILD.
.aaiajö .c
Wien, daß er sehr fleißig gewesen sei und sich von dieser angestrengten Arbeit das
günstigste Resultat erhoffe; bis zum 17. Oktober sei er in Szent-Miklös im Banat ge-
wesen, zwei, drei Tage bleibe er in Pest und dann gehe er auf einige Tage nach
Szolnok. Ist es am wahrscheinlichsten, daß Pettenkofen während des Feldzuges Ungarn
als Neuland für den Maler entdeckt hat und schon damals nach Szolnok gekommen
ist oder wenigstens davon gehört hat, so mag doch auch in der folgenden Mitteilung
Professor Ujhäzys ein
Körnlein Wahrheit
stecken. Vom Wie-
ner Kunsthändler Ge-
org Plach, für den
Pettenkofen frühzei-
tig beschäftigt war,
hätten ungarische
Aristokraten Bilder
verlangt, die Genre-
szenen aus ihrer Hei-
mat darstellten. Plach
hätte dagegen ge-
fragt, welche Gegend
Ungarns hiefür die
besten Motive liefere ;
auf die Auskunft
„Szolnok" hin hätte
er versprochen, sol-
che Bilder zu be-
schaffen, und dann
hätte er den jungen
Pettenkofen bewo-
gen, nach Szolnok zu
reisen. Daß dabei
Graf und Gräfin Näkö ,
von denen noch ge-
sprochen werden soll,
ihre Hände im Spiele
in
Pandurentrommler. Lavierte Bleistiftstudie.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
gehabt haben, darf da-
rum nicht von vorn-
herein als unmöglich
ausgeschlossen wer-
den, weil Pettenko-
fen, als er im Jahre
1851 zum ersten
Male in Szolnok war,
auch zum ersten
Male Nagy - Szent-
Miklos, die Herr-
schaft der Grafen
Näkö, kennen lernte.
Im folgenden muß
die bisher gewählte
Form der chronolo-
gischen Darstellung
aufgegeben werden.
Im Herzen von Pet-
tenkofens künstleri-
scher Tätigkeit ste-
hen seine ungari-
schen Bilder, die zum
weitaus größten Teile
in Szolnok, wohin er
durch dreißig Jahre
immer wieder gieng,
geschaffen wurden.
Als Maler ungari-
scher Bilder ist Pettenkofen vorzugsweise bekannt, durch sie sind seine übrigen Werke
nahezu verdunkelt worden. Hier soll nun vorerst versucht werden, die Vorwürfe
dieser zahlreichen Arbeiten, die aus Ölgemälden, Aquarellen und Zeichnungen, aus
Studien, Skizzen und ausgeführten Bildern bestehen, wenigstens beiläufig zu schildern.
Soweit es bei der Einförmigkeit und Verwandtschaft all dieser Themen untereinander
und bei der großen Anzahl der Werke möglich ist, werden später, im Verlauf der
Darstellung, Szolnoker Bilder bloß beispielsweise und nur dort zur Sprache kommen, wo
sie in der künstlerischen Entwicklung Pettenkofens hingehören. Hier sollen alle unga-
rischen Bilder des Künstlers als Ganzes und unter einem beschrieben werden, und
81
zwar, wie gesagt, nur im Hinblick auf das Gegenständliche. Dies möge nun so
geschehen, daß zur Ergänzung von Bismarcks und Professor Ujhdzys Schilderungen
des alten Szolnok hier mitgeteilt werde, was der Autor selbst vor wenigen Jahren
an einem schönen Spätsommertag in Szolnok und seiner Umgebung gesehen hat,
und zwar mit Augen, die sich bemüht haben, das wahrzunehmen, was einen Maler
interessieren könnte, insbesondere das wiederzufinden, was Pettenkofen für Hun-
derte von seinen Bildern zum Vorwurf gedient hat:
Natürlich hatten ich und ein ungarischer Freund, der mir aufs liebenswürdigste
und allerbeste den Führer machte,*) es uns so eingerichtet, daß wir in Szolnok in
der Nacht vor einem Markttag ankamen und diesen dann vom Sonnenaufgang an
ganz mitmachen konnten. Der größte Teil des Marktes spielte sich auf dem Haupt-
platz der Stadt ab (denn Szolnok ist jetzt eine Stadt und hat nach der Volkszählung
vom Jahre 1900 25.379 Einwohner), doch dehnt sich das Marktgetriebe auch auf
Nebenplätze und Nebengassen aus. In der Mitte des großen Platzes befindet sich
heutzutage ein artesischer Brunnen. Ihm zu beiden Seiten erheben sich ein Obelisk,
den das 88. Infanterieregiment seinen 1866 „auf dem Felde der Ehre gefallenen
Waffenbrüdern" errichtet hat, und eine nüchterne Dreifaltigkeitssäule aus Sandstein,
die erst im Jahre 1900 aufgestellt wurde, unten von einem Gitter umgeben ist und
auf dem Sockel die Rundfiguren der vier Heiligen Peter, Paul, Anton von Padua
und Franz von Assisi zeigt. Zu Pettenkofens Zeiten stand auf dem Platz, nicht ganz
in dessen Mitte, nur die so oft von ihm gemalte schöne barocke Dreifaltigkeitssäule.
Auch die niederen schindelgedeckten Häuser, die damals den Platz eingerahmt haben,
sind weit weniger malerischen mehrstöckigen Bauten gewichen. Das Marktgewühl
selbst aber hat sich wohl nur wenig verändert.^) Zuerst fallen die vielen Wagen,
die vielen, vielen Pferde auf, namentlich diese beherrschen und bestimmen eigent-
lich den Eindruck des Ganzen. Sie sind nicht groß, haben gerade Hälse, struppiges
Haar und ganz bestimmte Farben. Ein ziemlich dunkles Braun herrscht vor. Ihr
Geschirr besteht fast aus ebenso viel Schnurwerk wie Riemzeug. Oft stehen ihrer
drei, vier ausgesträngft und fressen hinten aus dem Wagen. Neben vielen Gespannen
laufen frei, Glocken um die Hälse, Fohlen einher. Nicht selten liegen Schafpelze
auf dem Rücken der Pferde. Die Fuhrwerke sind leichte, niedre Leiterwagen mit
langen Deichseln und Trittstangen zu beiden Seiten. Viele Wagen sind mit gelb-
grauen, aus Schilf geflochtenen Piachen bedeckt. Der Wiener kennt diese ungari-
schen Marktwagen aus den Frühstunden vom Naschmarkt und vom Markt „Am
Hof" her. Durch das dichte Gewühl scheinen die fahrenden Wagen gewissermaßen
zu schwimmen. Es macht nämlich den Eindruck, als ob sie sich ganz lautlos fort-
bewegten. Natürlich geht das schwache Geräusch, das sie machen, in dem allge-
meinen Gesumm völlig unter. Dieses ist auffallend gedämpft, Lärm verursachen
eigentlich nur die schreienden Gänse. Auch viele Reiter gibt es; häufig hat ein
Reiter mehrere Pferde bei sich. Die Bauern tragen hohe runde Filzhüte, auch schon
Pelzmützen, sie haben schwarze Röcke an, und die weiten weißen Hosen, die
Gatyas, haben sie meistens in die Röhrenstiefel gesteckt. Sie tragen auch blaue
Schürzen. Schon sieht man viele Pelze: die rockähnlichen Subas und die mantel-
artigen Bundas, die Kragen haben, an deren Ecken Rosetten befestigt und auf
82
TAFEL XVI
ZIGEUNERLAGER AUF DER PUSZTA. AQUARELL. 1855. WIEN, KUNST-
HISTORISCHES HOFMUSEUM.
I
TAFEL XVII
ZIGEUNER ZU PFERD. AQUARELLSTUDIE. WIEN, EUGEN MILLER
V. AICHHOLZ.
i
i
Zwei Burschen und zwei Mädchen an einem ungarischen Marktwagen. Lavierte Bleistiftstudie.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
deren Ränder bunte Tulpenmuster gesteppt sind. Die meisten Bauern rauchen aus
langröhrigen Pfeifen und tragen Backenbärte, haben die Kinne ausrasiert. Bunt
sind die Weiber angezogen. In die Zöpfe haben sie grellrote oder giftgrüne Bänder
eingeflochten, die unten in große Schleifen endigen. Viele Weiber hocken auf großen,
dichtgeflochtenen Körben in der Form von plattgedrückten Riesenkürbissen; sie
haben viereckige Luft- und Guckfensterchen und beherbergen Enten. Scharen von
schnatternden und flügelschlagenden Gänsen werden getrieben. Federchen von ihnen
erfüllen die staubige Luft, in der das warme Gold der Spätsommersonne flimmert.
In Haufen liegen mit gebundenen Beinen die Hühner still und ruhig auf dem Boden.
Viel Geflügel wird, wie es bei uns schon lange verboten ist, an den Beinen auf-
gehängt getragen. Die Weiber stehen, was dem Wiener übrigens gleichfalls, wenig-
stens vom Markt beim Hauptzollamt her, bekannt ist, in einer Reihe nebeneinander,
jede Hühner und Tauben in der Hand. Die Käufer gehen die Reihe ab, prüfen
das Stück, das ihnen gefällt, und feilschen darum. Auf der Erde liegen Haufen
von grünem Paprika, Paradiesäpfeln, Kraut, Rüben, Zwiebeln, Borre. Gemahlener
roter Paprika und gelbes Kukuruzkorn stehen in Säcken auf dem Boden, der mit
Stroh und Mist bedeckt ist, Körbe sind mit Trauben gefüllt. Auf Tischen, Bänken
oder wieder auf der Erde werden Schnüre und Seile, Siebe, Schaffe und Butten,
alle Arten Geschirr, irdenes und eisernes, Gewänder, Hüte, Schuhe, Kästen, Betten,
83
aber auch Eßwaren und alles mögliche andere noch feilgeboten. Vielerlei starke
Farben bringen die bunten Stoffe in das Bild; sie liegen auf Tüchern, die über
den Boden gebreitet sind. Merkwürdig sind die riesigen Brote, deren Durchmesser
oft bis zu einem halben Meter beträgt; ihr Teig wurde seitlich aufgeschnitten, und
dieser Schnitt dient, hart gebacken, als Handhabe. Männer und Weiber tragen
Bündel an Stangen über der Achsel; die Weiber tragen, ähnlich den Venezianerinnen,
in blanken Kannen auch Milch oder in Holzkübeln Wasser auf jene Weise, in jedem
Kübel schwimmt dann zuoberst eine Holzscheibe, die das Verschütten des Wassers
erschwert. Hier ißt ein Bauer Trauben, dort ein anderer zu Brot Speck und grünen
Paprika. In dem Gewühl taucht ein Hajduk mit einer Trommel auf. Ein Gefährt,
das eigentlich ein Faß auf zwei Rädern ist, führt Wasser; oben auf dem Faß
stehen etliche Eimer. Ein anderes Fuhrwerk rollt einen großmächtigen Käfig voller
Gänse vorwärts. Ein Wagen ist mit Kürbissen (Mitte September ist die eigentliche
Zeit der Kürbisse und Melonen schon vorbei), ein anderer mit Kukuruzkolben ge-
füllt, ein dritter, den vier langgehörnte Ochsen ziehen, ist hoch mit Kukuruzstroh
beladen. Ein Herrschaftswagen fällt schon durch den Kutscher im dunkelblauen
Dolmäny auf, der reich schwarz verschnürt und mit vielen blanken Kugelknöpfchen
besetzt ist. Die Mietkutschen sind ähnlich z. B. denen in Ischl gelb lackiert. Nach und
nach verläuft sich das Gewühl. In einer leeren Straße überrascht der Horizont, der
mit dem Straßenniveau zusammenfällt: man wird sich bewußt, mitten auf einer
ungeheuren Ebene zu sein.
Der Tabän (das Wort ist türkischen Ursprungs und bedeutet ungefähr Wasser-
stadt, in Szolnok zieht sich der so benannte Stadtteil längs der Zagyva hin, bis
ihn die Theiß abschneidet), der Tabän besteht aus alten verwahrlosten, halb
verfallenen Häusern, die nur mannshoch und mit Schilf gedeckt sind. Auf den
winkeligen Gassen und Gäßchen, die im Gegensatz zum Hauptplatz unge-
pflastert sind, liegt fußhoher Staub. Man stellt sich vor, wie grundlos bei
Regenwetter der Kot sein muß. Hochgelegte Bretter dienen als Fußsteige. Hier
tränkt ein Bauer an einem Ziehbrunnen seine Pferde, dort wird eine Schweine-
herde über die Gasse getrieben, im Wassergraben schwimmen Enten, auf einem
Dach liegen gelbe Kürbisse, auf dem anderen hochgelbe und dunkelrote Ku-
kuruzkolben. Schwere Gehänge von Kukuruzkolben dienen einem Baum mit ab-
gekappten Ästen zur seltsamen Zierde. Die meisten Bäume sind Akazien und
Zypressen.
Im Tabän lebt ein eigentümliches Volk, das noch von den Türken abstammen
soll. Oft gibt da ein Tanzfest Anlaß zu blutigen Kämpfen. Werden die Tanzunter-
haltungen verboten, so ist bei Hochzeiten der Teufel los. Wenige Wochen, bevor
wir nach Szolnok kamen, hatten eifersüchtige Burschen den Bräutigam beim Hoch-
zeitsfest einfach niedergeknallt. Sie stellten sich der Reihe nach auf und einer nach
dem andern schoß auf ihn. Von den sechzehn Tätern wurden vierzehn verhaftet,
zwei entkamen. Gefängnisstrafe gilt durchaus nicht als entehrend. Die Buben aus
dem Tabän, die in der Szolnoker Künstlerkolonie, von der noch die Rede sein wird,
zum Tragen des Malgeräts und zu ähnlichem verwendet werden, sind an den
Körpern voller Messerstiche.
84
Die wallachische Post. Ölbild. 1855.
Wien, Josef Engelhart.
Zum Unterschied von den Bewohnern des Tabän sind die in Szolnok ansässigen
Zigeuner durchaus friedfertig. Das Zigeunerviertel, die Ciganyväros, ist viel weniger
malerisch als der Tabän. Die Gassen sind gerade, die Häuser zwar schmutzig,
aber weniger verfallen, einige verraten sogar eine gewisse Wohlhabenheit. Lustig
waren die Kinder, die unser Wagen auf die Gasse lockte. Sie kamen nackt oder
nur mit schmutzigen Hemden bekleidet aus den Türen gelaufen. Etliche höchstens
vier, fünf Jahre alte Buben hielten Geigen in den Händen. Zwei ganz kleine
spielten, im Staub sitzend, Karten. Außerhalb der Häuser gibt es auch Zelte. Das
eine war voll schmierigen Bettzeuges. Davor lag auf einem ebenso wenig reinen
Tuch ein Stück rohen Teiges. Ein Feuerchen ward mit Pferdeäpfeln gespeist. Eine
häßliche Alte rauchte aus ihrer Pfeife, ein hübsches jüngeres Weibsbild nagte an
einem Kukuruzkolben. Ein nacktes kleines Kind mit ägyptischem Profil hatte ein
scharlachrotes Tuch um den Kopf gewunden. Zwei etwas größere Kinder führten,
um von uns ein paar Kreuzer zu bekommen, einen eigentümlichen gemessenen
Tanz auf und sangen dazu. Der Text des eintönigen Liedes soll an Obszönität das
Ungeheuerlichste leisten. Die Alte untersagte es ihnen aber bald. Fragt man, hörte
ich bei dieser Gelegenheit, eine Zigeunerin nach dem Vater ihres Kindes, so ant-
wortet sie: „Ich kenn' ihn nicht." Das Interessanteste im Zigeunerviertel aber war
der Zigeuner Nana György, der Mitte der siebziger Jahre als zwöli^ ähriger Bursche
Pettenkofen Modell gestanden war. Er wußte von Pettenkofen zu berichten: „Er
malte auch die Theiß-Brücke mit ihren großen Eisbrechern. Heutzutage ist das
Holz naturfarben, damals aber war die Brücke grün, nur das Geländer rot ange-
strichen. Er malte auch oft auf dem Markt. Ich trug ihm die Staffelei nach. Häufig
brachte er mir ein Frühstück mit. Er aß im ,König von Ungarn' zusammen mit
mehreren andern. Er hatte das Kinn ausrasiert und rauchte Virginier-Zigarren.
Er war sehr ernst, sprach beim Malen nie und hatte keine Liebschaft. Er
war ein Offizier. Mit dem Maler Theodor Flesch, der seinen Namen später in
,Feledi Tivadar' magyarisierte, war er sehr gut. Ich stand auch Leopold Karl
Müller Halbakt."
85
Die Zigeuner, diese Reste eines uralten Kulturvolkes, haben nicht nur pracht-
volle Akte, sondern auch wunderbare Bewegungen. Darum werden sie Maleraugen
immer wieder anziehen. Doch wird aus ihnen nichts. Auf dem Gymnasium springen
die meisten von ihnen schon in den ersten Klassen ab. Einer, der es zum Advo-
katen gebracht hat, stellt einen Ausnahmsfall dar. In Szolnok wird alljährlich, und
zwar im vornehmsten Saal der Stadt der große Zigeunerball abgehalten, zu dem
auch der Bürgermeister kommt. Präsidiert wird da von der Frau des Primas der
ersten Kapelle. Die Rangordnung ergibt sich aus der Anciennität. Auf dem Ball,
der vor meinem Aufenthalt in Szolnok der letzte gewesen war, hatte die Frau des
ersten Primas einen Schlafrock an und warf diejenigen Gäste, die sich ohne Karten
hineingewagt hatten, eigenhändig zur Tür hinaus. Dabei gab es die fürchterlichsten,
unflätigsten Schimpfwörter zu hören.
Nach dem Besuch des Zigeunerquartiers gieng es im Wagen zur Stadt hinaus.
In der Nähe der Zagyva steht — als Antwort auf den oben erwähnten Obelisken
des Hauptplatzes — ein Denkmal zu Ehren der am 5. März 1849 für die Freiheit
des Vaterlandes auf demi Schlachtfeld gebliebenen Honveds. Diesem Denkmal
gegenüber, jenseits der Straße erhebt sich eine barocke Mariensäule. In der Nähe
der Stadt hat die Theiß flach ansteigende, niedrige Ufer, die mit Weiden be-
wachsen sind. Am Ufer der Stadtseite sind viele große Holzstöße aufgeschlichtet.
Auf dem Wasser selbst schwimmen Flöße und ein Boot. Aus krippenartigen
Trögen, in die mit Eimern das Theißwasser geschöpft wird, werden Pferde ge-
tränkt. Jenseits des Flusses dehnt sich die Puszta aus. Störend wirken einstweilen
hüben wie drüben die Fabriksschlote. Sonst sind für die Ebene charakteristisch
zahlreiche vieldrähtige Telegraphenstangen, die längs der Eisenbahnlinien stehen
(in Szolnok, wo abgesehen vom Wasserweg der Theiß sieben Landstraßen zu-
sammenlaufen, verkehrten im Jahre 1907 auf ebenso vielen Eisenbahnlinien nicht
weniger als 180 Züge täglich), und die hochstängigen Ziehbrunnen, die G6meskut,
nach dem Gdm, dem Reiher, benannt. Wie dieser langbeinige, langhalsige und
langschnäbelige Vogel Fische aus dem Wasser emporhebt, so zieht der hohe
schlanke Gemeskut aus der Erde Wasser auf. Petöfi hat einen solchen Brunnen
mit einer langbeinigen Mücke verglichen: wie diese das Blut des Menschenleibes,
so saugt jener das Blut der Mutter Erde, das Wasser, aus. Je weiter uns der
Wagen auf die Ebene hinaus und von der Stadt wegbringt, desto ursprünglicher
wird die Szene. Wir besuchen eine Tanya, ein Bauerngehöft auf der Puszta. Das
Haus ist nieder und mit Stroh gedeckt. Aus der Streu ist ein niederer Zaun auf-
gerichtet, der den Hof einfriedet. Aus festgetretenem Pferdemist sind torfähnliche
Ziegel ausgestochen. Sie sind zu mächtigen Haufen aufgestapelt und dienen als
Brennmaterial. Riesige Strohtristen wimmeln von Spatzen. Im Freien ist urweltlich
einfach der Backofen aufgemauert. An einem offenen Feuer kocht die Bäuerin im
Hof Zwetschkenmus. In einem Zimmer des Hauses ist eine gewaltige Menge Korn
aufgeschüttet. Ein anderer Raum ist durch die hochgetürmten Betten und die dicht
von der Decke herabhängenden buntfarbigen Weiberröcke, die den Stolz der
Bäuerin bilden, ausgezeichnet. Alle Zimmer sind ungemein rein und haben Böden aus
gestampftem Lehm. Von dem Gehöft gieng es weiter über die Puszta an die Theiß.
86
TAFEL XVIII
ZWEI ZIGEUNERKINDER BEI EINEM KESSEL. AQUARELLSTUDIE. 1855.
WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
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^'^
Ä
I
■
TAFEL XIX
DAS STELLDICHEIN. ÖLBILD. 1855. WIEN, BARON ALPHONS ROTHSCHILD.
Zigeunerhütte auf der Puszta. Aquarell. 1855.
Reichenberg, Heinrich Frh, v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
Wo wir an den Fluß kamen, hat er sich tief eingefressen. Hier sind seine
Ufer hohe, steile, gelbfarbige Böschungen. Heroben steht eine malerische
Fischerhütte. Das Gärtlein nebenan ist voll großer Sonnenblumen. In die Krone
einer uralten riesigen Weide ist ein großer Taubenschlag eingebaut. Unten
setzt eben eine Fähre einen Heuwagen über den Fluß. Ein Ochs als Vor-
spann hilft hierauf den drei Pferden, die mächtige Fuhre das steile Ufer hinan-
schleppen. Auf dem saftig grünen Rasen der Theiß- Auen wachsen zahlreiche
Weiden. Das Überschwemmungsgebiet ist durch einen Damm abgetrennt. Aber
auch noch jenseits des Dammes liegt das Terrain tiefer. Prächtiger Luzerner
Klee wächst darauf. An einem Wassertümpel, der noch von der Frühjahrs-
überschwemmung herrührt, fischen Buben. Die Sonne senkt sich, der Abend
bricht herein, und es wird Zeit, an die Heimkehr zu denken. Die Dünste über
der Puszta nehmen wunderbare Farben an, blutrot geht hinter ihnen die Sonne
unter. Es wird kühl, wir hüllen uns fester in unsere Mäntel, und unsere
raschen, ausdauernden Pferde jagen mit uns über die Ebene und durch die Stadt
zur Bahn. —
Diese drei Schilderungen von Szolnok vor und zu der Zeit, da Pettenkofen das
erstemal hinkam, und von Szolnok, wie es heutzutage aussieht, sollen, wie schon
bemerkt, nicht so sehr von dem fremden, eigenartigen Milieu, das dort anzutreffen
ist, eine Vorstellung zu geben, sondern vor allem mit Worten den Inbegriff von
all den Motiven anzudeuten versuchen, die dort der Maler Pettenkofen dreißig
Jahre hindurch für seine Bilder zu finden gewußt hat.
87
Wie sich im Laufe dieses Menschenalters, während der Jahre zwischen 1851
und 1881, Pettenkofens malerische Technik, seine künstlerische Auffassung ge-
wandelt hat, davon sei einstweilen noch nicht die Rede. Es seien nur, durch das
Vorhergehende vielleicht ein bißchen belebt, die wichtigsten Vorwürfe aufgezählt,
die Pettenkofen Szolnok verdankt: vor allem die Märkte, als Szolnoker Märkte
häufig durch die Dreifaltigkeitssäule bestimmbar; Märkte überhaupt und besondere
Märkte, wie Pferdemärkte, Geflügelmärkte, Getreidemärkte, Obst- und Gemüse-
märkte, unter denen die Kürbis- und Melonenmärkte hervorzuheben sind, Brot-
märkte, Leinwandmärkte, Geschirrmärkte. Einzelheiten von Märkten, wie Verkäufer
aller Art allein oder mit ihren Marktständen, Marktfuhrwerke und -gespanne. Über-
haupt ungarische Bauernwagen: einer allein, ihrer mehrere, mit Bauern oder ohne
solche, mit Kukuruz, Getreide, Melonen beladen oder leer, auf der Puszta, bei
einem Gehöft, auf dem Markt. Die Hauptsache am Wagen natürlich stets die
Pferde: Füchse, Rappen, Schimmel, Isabellen, Schecken. Ein Pferd allein oder
ihrer mehrere, meistens drei, vier, die gewöhnliche Bespannung eines Wagens, zu-
sammen. Am Wagen oder ausgesträngt. Angeschirrt oder ohne Geschirr. Von der
Seite, von vorne, von hinten. Auf dem Markt, im Hof eines Bauernhauses, auf
der Puszta, im Stall. Aus der Krippe, aus dem Wagen, an einem Heuschober
fressend. Auf der Weide, bei der Tränke oder in der Schwemme. Ein totes Pferd,
ein Pferdegeripp auf der Puszta. Das Pferd als Hauptsache des Bildes oder als
Staffage. Andere Tiere: Die langgehörnten Ochsen, als Vierer-, als Zweierzug vor
einem Wagen, auf der Weide. Eine Kuh, Schaf- und Schweineherden, ein gefesseltes
Lamm, Gänse, Hühner, Hunde. Ungarische Bauern: Allein oder mit ihren Wagen,
neben oder auf ihren Pferden, mit ihren Ochsen, Schafen, Schweinen, Hunden.
Fleischer, Fischer, Schafhirten, Pferdehirten, Rinderhirten, Schweinehirten. In Pelzen
oder bloß in den weiten Leinwandhosen. Einzeln oder in Gruppen. Mit der Getreide-,
der Mais- oder der Kürbisernte beschäftigt. Bäuerinnen: Wasser tragend, auf dem
Feld, im Garten, beim Haus arbeitend, mit Kindern beschäftigt. Kinder allein. Zigeuner :
Geigend, rauchend, mit einem Schwein auf dem Rücken, mit einer aufgespießten
Schlange, mit einem Fohlen, zu Pferde. Zigeunerweiber : ihr Kind säugend, lausend,
tragend. Zigeunermädchen: am Feuer kauernd, trinkend, rauchend, mit Uniform-
stücken eines österreichischen Infanteristen bekleidet. Kinder, schlafend, spielend.
Alte und junge Zigeuner, ganze Figuren, Kniestücke und Brustbilder. Zigeuner auf
der Wanderung, Zigeuner mit ihrem Karren, Zigeuner am Feuer, Zigeuner badend.
Zigeunerlager, Zigeunerzelte, Zigeunerhütten, Zigeunerdörfer. Bestimmte Teile von
Szolnok: das Schustergäßchen, die Theißbrücke, das Theißufer mit Flößen und
Booten auf dem Wasser und den riesigen Holzhaufen auf dem Lande, ein Blick
auf die Kirche. Szolnoker Ansichten bei Sonnenschein und Regenwetter. Hütten
und Strohtristen an Tümpeln. Dorfstraßen, Bauerngehöfte von innen und außen,
Ziehbrunnen, Getreideschober, ein Taubenschlag im Kukuruzfeld, Sonnenblumen,
Melonen. Alle möglichen Stimmungen auf der Puszta und an der Theiß, mit und
ohne Staffage. »
Schon dieser trockenen Aufzählung der Vorwürfe von Pettenkofens ungarischen
Bildern läßt sich eines mit Sicherheit entnehmen: er hat als Maler Szolnok und
88
TAFEL XX
ZIGEUNERZELTE AUF DER PUSZTA, VORNE BADENDE ZIGEUNER. ÖL-
BILD. (1856?) REICHENBERG, HEINRICH FRH. V. LIEBIEGSCHE SAMMLUNG
DER STADT.
Weibliches Porträt. Ölbild.
Wien, Salo Cohn.
seine Umgebung sowie die Menschen, die dort leben, erschöpfend behandelt. Damit
aber hat er, und das ist eine Sache von großer kunstgeschichtlicher Wichtigkeit,
die Stoffgebiete der Malerei um ein neues, interessantes bereichert. Wieder sei
89
einstweilen sowohl von den spezifisch malerischen Qualitäten, die Pettenkofen bei
seinen ungarischen Bilderthemen vor allem angezogen haben mögen, als auch von
den spezifisch malerischen Fähigkeiten, die er bei der Behandlung jener Vorwürfe
entwickelt hat, noch nicht die Rede. Seine ungarischen Bilder seien einstweilen
bloß von dem Standpunkt eines Beschauers aus gewertet, den an ihnen zuerst
und hauptsächlich das Stoffliche fesselt, und zwar derart, daß er Lust bekommt,
sich ein solches Werk zu kaufen. Es sei etwa an einen Pariser gedacht, der zwar
schon von der ungarischen Pusztä und von den Zigeunern, die auf ihr hausen,
gehört hat, der aber diese merkwürdigen Nomaden und jene wunderbare Steppe
auf Pettenkofens Bildern zum ersten Male in seinem Leben vor Augen sieht. Es ist
natürlich klar, daß auch schon in einem solchen Falle, selbst wenn das Kunst-
empfinden dieses Beschauers als recht wenig entwickelt angenommen würde, der
Eindruck, den die Bilder auf ihn machen, durch die oben erwähnten spezifisch
malerischen Fähigkeiten des Künstlers wesentlich mitbestimmt wird. Trotzdem aber
dünkt uns, muß Pettenkofen bereits aus der bloßen Erschließung dieses neuen
Stoffgebietes ein namhaftes Verdienst vindiziert werden. Wohl wird auf die natura-
listische Malerei noch immer das Schlagwort angewendet: „Es kommt nicht darauf
an, was, sondern wie gemalt werde." Die einseitige Gültigkeit dieses Satzes ist
aber bereits durch den Hinweis auf die Bedeutung zu entkräften, die die Kunst-
geschichte mit Recht der Eroberung der profanen Welt der Gegenwart, des Aktes,
der Landschaft, des Stillebens für das Stoffbereich der bildenden Künste zuschreibt.
Durch Pettenkofen hat die Welt die Puszta und ihre Bewohner kennen gelernt,
einen charakteristischen und wichtigen Teil des Ungarlandes. Und wenn der Wiener
Pettenkofen daher in der anderen Reichshälfte als ungarischer Maler in Anspruch
genommen wird, so ist dieses Quidproquo schließlich zu begreifen. Und wenn
Pettenkofen als der bahnbrechende und hervorragendste Maler des ungarischen
Landes und Volkes im Mai des Jahres 1913 zu Szolnok aus Anlaß des zehnjährigen
Jubiläums der dortigen Künstlerkolonie durch die Enthüllung eines Denkmals^)
geehrt worden ist, so kann diese Tat schöner Begeisterung und rascher Dank-
barkeit in Österreich nur einen Widerhall der herzlichsten Gefühle wachrufen. —
Der Ruhm, als erster die malerischen Schönheiten der ungarischen Tiefebene
und ihrer Bewohner erkannt und mit hoher Künstlerschaft dargestellt zu haben,
wird Pettenkofen durch Theodore Valerio, der schon von Gautier im Zusammen-
hang mit ihm genannt wurde, wohl kaum ernstlich streitig gemacht. Richtig ist,
daß der Franzose Valörio, der 1819 zu Heserange im Moseldepartement geboren
und ein Schüler und Freund Charlets war, schon zu Beginn der fünfziger Jahre
die ungarischen Steppen durchwanderte und deren so außerordentlich interessante
und mannigfaltige Volkstypen hauptsächlich mit Zeichenstift und Wasserfarben
porträtierte. Nach seinen eigenen Entwürfen hat er auch radiert. Er gab z. B.
eine „Suite de dessins d'apr^s nature gravis ä l'eau forte" heraus, deren erster Teil,
betitelt: „La Hongrie", 1854 bei Goupil und Delarue in Paris erschienen ist. Er
soll sogar in Wien die ungarischen Magnaten für seine Zwecke zu interessieren
versucht haben. Am bekanntesten aber machte er sich durch seine Bilder vom
Krim-Krieg, die er, der siebzehn Jahre hindurch halb Europa bereiste, an Ort und
90
Maler Josef Borsos. Ölbild.
Budapest, Museum der schönen Künste.
91
Stelle schuf und die in den verschiedensten Journalen reproduziert wurden. Übrigens
muß Pettenkofen mit ihm bekannt gewesen sein. Wenigstens finden sich in seinem
Nachlaß zwei Radierungen Valerios und hat er in einem seiner Notizbücher eine
Pariser Adresse des Künstlers verzeichnet. Valerio starb 1879.
Seine Arbeiten sind durchaus nicht ungeschickt, aber grundsätzlich von denen
Pettenkofens verschieden. Sie zeigen, mit diesen verglichen, zu viel Manier und
Routine, wirken auch ein bißchen geleckt und süßlich und leiden vor allem an
einer ziemlich starken Theatralik. Am besten charakterisiert man sie vielleicht,
wenn man sie gute Figurinen und Dekorationsentwürfe nennt. —
Schon die obige Aufzählung der Vorwürfe von Pettenkofens ungarischen Ge-
mälden zeigt, daß sie allesamt keine Genrebilder im Sinne der Altwiener Maler-
schule mehr sind. Alles Anekdotische ist verschwunden, nirgends wird pointiert
erzählt. Sachlich wird das geschildert, was man in und bei Szolnok sehen konnte
und was von dem Künstler malerischer Darstellung für wert befunden wurde. Nichts
ist erfunden, wenn auch sicherlich unter der Kontrolle des persönlichen Geschmackes
die Wirklichkeit hie und da korrigiert, das Ganze von diesem oder jenem Gesichts-
punkt wieder des persönlichen Geschmackes aus arrangiert ist. An der Stelle von
Ereignissen hält der Pinsel Zustände fest, der Ruhe gibt er den Vorzug vor der
Bewegung. In die dargestellten Figuren und Landschaften ist weder Sentimentalität
noch Romantik hineingetragen. Der Titel „Melancholische Zigeunerin", der sich in
einem Auktionskatalog findet, ist bestimmt nicht von Pettenkofen gewählt. Ihm lag
gewiß nichts ferner, als die Puszta und die Zigeuner etwa mit den Augen seines
älteren Zeitgenossen Lenau anzusehen. Gerade früher wurde gesagt, daß er das
ungarische Volksleben nicht nach Art der Altwiener Genremaler darstellte, hier sei
hinzugefügt, daß er seine ungarischen Themen auch nicht nach Art seiner etwas
jüngeren deutschen Zeitgenossen, z. B. eines Knaus, Vautier, Defregger, behandelt
hat, wie dies unter den ungarischen Malern etwa ein Bihari Sandor tat. Jene
deutschen Genremaler der zweiten Hälfte des Jahrhunderts haben mit den Genre-
malern des alten Wien gemeinsam, daß sie etwas, das sich besser schreiben und
erzählen als malen läßt, zur Hauptsache eines Bildes zu machen pflegten, waren
aber anspruchsvoller als die alten Wiener und diesen wohl in der Ausdrucksmalerei
überlegen. Unzweifelhaft standen sie ihnen aber im eigentlich Malerischen nach
(man vergleiche in Gedanken nur einmal das Kolorit eines Knaus mit dem eines
Danhauser zum Beispiel). Vor diesem Fehler nun blieb Pettenkofen durch sein außer-
gewöhnlich starkes und feines malerisches Empfinden, das er aus dem Wien des Vor-
märz überkommen hatte und in Paris stetig nährte und wandelnd steigerte, bewahrt.
Bloß ein paar Szolnoker Gemälde könnten von dem eben Dargelegten Aus-
nahmen zu bilden scheinen: beispielsweise das „Stelldichein" in seinen verschiedenen
Fassungen und deren mehr oder weniger veränderte Wiederholungen. Aber auch
in diesen paar Fällen ist der Vorgang selbst so einfach, so natürlich, wirkt seine
Darstellung so ungezwungen, erinnert davon so durchaus nichts an das lebende
Bild und ist vor allem das GegenständHche so völlig dem rein Malerischen unter-
geordnet, daß auch hier von einem Genrebild in der Art der alten Wiener oder
der jüngeren Deutschen keine Rede sein kann. —
92
Von Pettenkofens Stil
und Technik soll erst spä-
ter gehandelt werden, im
Verlauf der chronologi-
schen Darstellung und
nachdem die französischen
Einflüsse angeführt sein
werden. —
Mit Hilfe des im An-
hang mitgeteilten Itine-
rars, das hauptsächlich
auf Grund von Notizbü-
chern und Briefen zu-
sammengestellt ist, läßt
sich ein Aufenthalt Petten-
kofens in Szolnok für fol-
gende Jahre nachweisen:
1851 (einige Tage im
Oktober).
1854 (für dieses Jahr
versagt das Itinerar, doch
haben von den zahlreichen
das Datum 1854 tragen-
den Bildern fast alle un-
garische Vorwürfe, so daß
ein Aufenthalt in Szolnok,
jedenfalls aber in Ungarn
wahrscheinlich ist).
1859 (schon imjuli inUn-
garn, aber nicht in Szolnok,
dort den ganzen September
und halben Oktober).
1861 (im September und
nochmals im Oktober, im
ganzen etwa einen Monat
dort).
1863 (vom halben Juli bis längstens Anfang September).
1867 (kaum drei 'Wochen im September und Oktober).
1868 (ein paar Tage im Juli).
1874 (drei Wochen im August).
1876 (vom 15. August bis zum 24. Oktober; der längste nachweisbare Aufenthalt).
1879 (vom 2. September bis zum 30. Oktober).
1881 (vom 23. August bis zum 6. Oktober, der letzte Aufenthalt, der nach-
zuweisen ist).
Julie Freiin v. Helfert. Ölstudie.
Wien, Städtisches Museum.
93
Aus dieser Zusammenstellung, deren unbedingte Vollständigkeit freilich nicht
gewährleistet werden kann, ergibt sich folgendes: Pettenkofen gieng ziemlich
unregelmäßig, manchmal sogar in Zwischenräumen von mehreren Jahren, nach
Szolnok und hielt sich dort nie allzu lange auf, durchschnittlich wird man sagen
können: einen starken Monat, und zwar während des Hochsommers und Früh-
herbstes. Des weiteren führen diese verhältnismäßig seltenen und kurzen Szolnoker
Aufenthalte, verglichen mit den zahlreichen Bildern mit ungarischen Themen, zu
den Schlüssen, daß Pettenkofen einerseits in Szolnok stets ganz außerordentlich
fleißig gewesen sein muß und daß er anderseits, was wir auch sonst bestätigt
finden werden, die Bilder nicht gleich an Ort und Stelle, sondern oft erst viel
später mit Hilfe von Studien und Notizen zu vollenden pflegte. Dies gilt übrigens,
wie schon hier bemerkt werde, für die letzte Schaffensperiode des Künstlers
weniger als für die früheren.
Pettenkofens Fleiß in Szolnok wird übrigens durch ihn selbst in zwei Briefen aus-
drücklich bestätigt. Das eine Mal schreibt er, daß er in den zwei Monaten, die er in
Szolnok ist, „mit Ausnahme von 14 Tagen oder drei Wochen fortwährend mit Regen,
Sturm und gedecktem Himmel das unsäglichste Gefrette" habe und daß ihn das
Leben, das er dort zu führen gezwungen sei, sehr verdrießlich gestimmt habe, und
fährt dann fort: „Doch bringe ich einiges mit und wollte ich in diesem Genre
weitermalen, hätte ich wohl für 100 Bilder reiches Material, welches ich mit geiziger
Genauigkeit auf jede Minute des Tages bei schlimmstem Wetter gesammelt
habe."") Und in dem zweiten Briefe heißt es, daß er in Ungarn „mehr als anderswo
in verhältnismäßig kurzer Zeit machen könne und [für diese Arbeiten] eines guten
Erfolges gewiß" sei.') —
Von den Leuten, mit denen Pettenkofen in Szolnok verkehrte, ist an erster
Stelle der sogenannte „Szolnoker Müller", der Honv6dhauptmann Adolf Müller, zu
erwähnen. Dieses Müller Großvater mütterlicherseits war der reiche Szolnoker
Zimmermeister Homälyosi-Dunkel, der auch große Holzfabriken erbaut hatte. Er
war von Kaiser Franz in den Adelsstand erhoben worden, weil er gegen Napoleon
sechs Husaren gestellt hatte. Der Schwiegersohn dieses Dunkel, Müller, ein großer
Blumenfreund, hatte zwei Söhne, den ebengenannten Adolf und Gustav. Beide
dienten als Kadetten im Regiment Turszky. Mit diesem ihren Regiment giengen
sie 1849 zu den Honv^ds über und fochten den Feldzug auf ungarischer Seite mit.
Adolf wurde dafür nachher zu Festungshaft verurteilt und saß seine Strafe in
Kufstein und Italien ab. In seine Vaterstadt zurückgekehrt, trieb er einen Handel
mit Faßdauben, die seit alter Zeit die Theiß herabkamen und von Szolnok aus
über Fiume nach Frankreich verkauft wurden. Schon als er selbst noch beim
Fischermeister Stibinger eingemietet war, wohnte Pettenkofen bei ihm. Später
baute sich Müller ein Haus, das heute noch steht, neben dem Pfarrhof der Burg-
kirche. Früher stand es frei, heute ist es von einem ganzen Häuserkomplex ein-
geschlossen, schräg gegenüber von ihm befindet sich die Künstlerkolonie. Auch in
diesem Haus wohnte Pettenkofen bei Müller. Dieser hatte Sinn für bildende Kunst,
sein Heim wurde der Versammlungsort aller Maler, die nach Szolnok kamen. Der
Verkehr mit diesen regte ihn an, selbst zu malen, schließlich gab er sogar in
94
Liegender weiblicher Akt. Ölstudie.
Wien, Alfred Wawra.
Szolnok Zeichenunterricht. In der Budapester Galerie hieng vor noch nicht allzu
langer Zeit unter dem Namen Pettenkofen ein Szolnoker Markt, der von Müller
gemalt war. Müller besaß auch ein Bildchen von Pettenkofens Hand, das heute
im Szolnoker Stadthaus aufbewahrt wird. Müller diente Pettenkofen, der nicht viel
mehr ungarisch als „Ne mozogj", d. i. „Beweg dich nicht!" verstanden haben
soll, auch als Dolmetsch.") Später wohnte Pettenkofen in der Magyar-utca im
Hause des Kleiderhändlers Weiß, der seinen Namen in Feh^r magyarisierte. Dieses
Haus stieß an den Geflügelmarkt, und aus dem großen Zimmer, das Pettenkofen
bei Weiß innehatte, konnte man den Markt sehen. Pettenkofen soll ihn von da
aus auch gemalt haben. Der Sohn des Hauses begleitete Pettenkofen, wenn er
malen gieng, trug ihm das Malgerät und half ihm gleichfalls mit seinem Ungarisch
aus. Noch später wohnte Pettenkofen im Hause des Oberarztes Dr. Becsy in der
Väroshäz-utca. 0 Schließlich sei auch noch der Szolnoker Photograph Chryastel
angeführt, bei dem Pettenkofen in der späteren Zeit dann und wann als Behelfe
für seine Bilder photographische Aufnahmen bestellte.'")
Wie Pettenkofen — während eines Aufenthaltes in den siebziger oder achtziger
Jahren — einen Tag in Szolnok verbracht hat, wird folgendermaßen geschildert:
In der Frühe gieng er aus und machte sich kleine Zeichennotizen. Hatte er was
Passendes gefunden, so malte er es, im Marktgewühl alle um Haupteslänge über-
ragend und von allen respektiert, gleich an Ort und Stelle auf ein kleines Brett.
Abends studierte er die Luftstimmungen. Im Kaffeehaus spielte er Schach, warf
aber, nichts weniger als ein Matador, das Spiel um, wenn es schlecht für ihn stand.
Nach dem Abendessen notierte er sich Farbeneindrücke, überhaupt alles, was ihm
95
tagsüber aufgefallen war, oder las alte Klassiker. — Einmal ritt ein Bursch mit zwei
Pferden vorüber. Als ihn Pettenkofen malen wollte, sprang er aber ab und wollte
nicht wieder aufsitzen. Da packte ihn Pettenkofen beim Kragen und setzte ihn
derb aufs Pferd. Das imponierte dem Kerl so, daß er sich dann nicht mehr
rührte.") —
Außer Pettenkofen malten aber noch andere Künstler in Szolnok. Begreiflicher-
weise waren es zuerst Österreicher. Ob Ignaz Raffalt, der Vater, in Szolnok war,
ist ungewiß; jedenfalls finden sich unter seinen Bildern ein paar mit ungarischen
Vorwürfen. Sicher aber ist, daß sein Sohn, der hochbegabte frühverstorbene Johann
Gualbert Raffalt, ein intimer Freund Pettenkofens, dort gemalt hat. Nachweislich
war er im Jahre 1863 zusammen mit Pettenkofen in Szolnok. Gewisse Bilder Raffalts
sind denen Pettenkofens vom Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre,
die durch ein kräftiges, sattes Kolorit ausgezeichnet sind, zum Verwechseln ähnlich.
Auch Leopold Karl Müller, der schon als ganz junger Mensch auf Veranlassung
seines Lehrers Karl Blaas an dessen Fresken in der Kirche von Föth in der Nähe
von GödöUö mithalf, malte in den Jahren 1861 und 1862 dort. Im Gegensatz zu
Raffalt, der höchst wahrscheinlich durch Pettenkofen dazu bewogen wurde, nach
Szolnok zu gehen, scheint Müller unabhängig von Pettenkofen dorthin gekommen
zu sein. Die beiden später so innig befreundeten Künstler sollen einander sogar
in Szolnok zuerst näher kennen gelernt haben. Karl v. Kratzer (von dem noch
die Rede sein wird und der hier nicht so sehr als Maler denn als Freund Petten-
kofens genannt sei) war gleichfalls in Szolnok, und zwar vor dem Jahre 1874, wie
aus einem vom 7. Oktober dieses Jahres datierten Briefe Pettenkofens an ihn aus
Szolnok hervorgeht; Pettenkofen schreibt da, daß er ihm von dem Leben in Szolnok
nichts zu sagen brauche, weil er es ja kenne. Auch Otto v. Thoren, nur um
sechs Jahre jünger als Pettenkofen und wie dieser ein ehemaliger Militär, malte
in Szolnok mit ihm zusammen im Jahre 1881.
Ferner sollen auch der Münchener Pferde- und Schlachtenmaler Heinrich Lang
und seine Frau Tina Blau, er 1860-61, sie während der siebziger Jahre, in Szolnok
gemalt haben; desgleichen die beiden Frankfurter Adolf Schreyer und Adolf
von den Velden.'^) Doch ist nur von Schreyer und Lang nachzuweisen, daß
Pettenkofen mit ihnen bekannt war.
Seit den siebziger Jahren, in denen dank dem 'Wirken Munkäcsys die ungarische
Kunst einen starken Aufschwung nahm, kamen, durch Pettenkofens und der anderen
fremden Künstler Beispiel angelockt, auch ungarische Maler nach Szolnok.
Ihre Tätigkeit in der Stadt und deren Umgebung hatte zur Folge, daß sich dort
Bürgerschaft und Landbevölkerung immer mehr daran gewöhnten, Künstler in
ihrer Mitte zu sehen, und daß, als unter dem nachhaltigen Eindrucke der Millenniums-
feier des Jahres 1896 drei Jahre später eine kleine Künstlerschar mit dem Plane
hervortrat, in Szolnok eine Künstlerkolonie zu gründen, dieser Gedanke allseits auf
Verständnis stieß und Förderung erfuhr. Der Staat, die Gemeinde und private
Gönner fanden sich zusammen, die nötigen Mittel aufzubringen, 1901 wurde der
Szolnoker Künstlerverein gegründet, 1902 konnte bereits das Künstlerheim bezogen
werden. Jenen Mitgliedern des Vereines, die die geistigen Urheber der Kolonie
96
I
TAFEL XXI
UNGARISCHES BAUERNFUHRWERK. ÖLBILD. 1857. WIEN, BARON LOUIS
ROTHSCHILD.
sind, tritt in der letzten Zeit schon wieder eine ganze Schar junger und jüngster
aufstrebender Begabungen zur Seite. '^)
Das sympathische einfache Gebäude der Kolonie ist ebenerdig, enthält nicht nur
Atelier-, sondern auch Wohnräume für die Künstler und liegt inmitten eines großen
Gartens, den jetzt das Pettenkofen-Denkmal schmückt und in dem früher das Gips-
modell des originellsten Denkmales aufgestellt war, das Budapest besitzt, nämlich
des „Anonymus" von Nikolaus Ligeti. Als der Verfasser im Jahre 1907 in Szolnok
war und auch die Kolonie besuchte, malte gerade im Garten beim vollsten Mittag-
sonnenlicht des wunderbaren Septembertages ein junger Künstler ein bildschönes
Ungarischer Bauernwagen. Bleistiftstudie. 1856.
Wien, Dr. August Heymann.
Zigeunermädchen. Sie hatte einen bunten Shawl um die bloßen Schultern geschlungen
und war, an den schlanken Stamm eines spärlich belaubten Bäumchens gelehnt,
ganz mit Sonnenflecken besprengt. Ein anderes Mitglied der Kolonie saß unter
einem Malerschirm an einer staubigen Straße und malte an einem Landschafts-
motiv. Unweit der Staffelei lag der halbnackte Trägerjunge aus dem Tabän. —
So hat Pettenkofens Tätigkeit in Szolnok befruchtend sogar noch auf die
ungarische Kunst und Kunstpflege unserer Tage gewirkt. —
Daß sich im Szolnoker Komitatshaus noch eine vom Jahre 1875 datierte Ölskizze
Pettenkofens, die drei Kinder an einem dünnen Wasserlauf wohl auf der Puszta
darstellt, erhalten hat, sei hier zum Schluß der Vollständigkeit halber erwähnt. —
Wie es wohl selbstverständlich ist und wie bereits angedeutet wurde, hielt sich
Pettenkofen nach dem Feldzug der Jahre 1848 und 1849 auch noch in anderen
Gegenden Ungarns auf als in Szolnok. Vor allem wird es wohl die Hoffnung,
97
13
Ungarisches Bauerngehöft mit zwei Pferden. Aquarell. 1856.
Wien, Gottfried und Hermann Bißler.
interessante neue Motive zu finden, vereint mit einer angeborenen Wanderlust,
gewesen sein, was ihn auch an andere Punkte Ungarns führte; manche Gegenden,
die er während des Krieges kennen gelernt hatte, wird er wiedersehen haben
wollen, an einen anderen Ort mag ihn eine Einladung von befreundeter Seite
aus gelockt haben.
Schon im Herbst des Jahres 1851 hielt er sich in Nagy-Szent-Miklös auf. Der
Ort liegt an einem Verbindungskanal von Theiß und Maros im Komitat Torontäl
und heißt auch Serbisch- oder Raiczisch-Szent-Miklös. Wie schon die letztere
Bezeichnung andeutet, ist Nagy-Szent-Miklös durch das Nationalitätengemisch
interessant, das dort anzutreffen ist. Charakteristische Typen von magyarischen,
serbischen und wallachischen Bauern und von Zigeunern werden dort das Maler-
auge angezogen haben. Nagy-Szent-Miklös ist aber auch die Herrschaft der Grafen
Näkö, eines Geschlechtes, das gerade damals in der Gräfin Bertha, einer gebürtigen
Gyertyänffy de Bobda, der Gattin des Grafen Koloman, seinem Stamme ein ganz
besonderes Edelreis aufgepfropft hatte. Die im Jahre 1820 geborene Gräfin hatte
1842 geheiratet. Daß Pettenkofen schon im Jahre 1851 die Bekanntschaft des gräf-
lichen Paares gemacht hat, ist, wie oben bereits angedeutet wurde, nicht unmög-
lich. Später verkehrte er sicher häufig im gastfreundlichen Näköschen Hause. Aus
seinem Nachlaß haben sich Photographien erhalten, die Bilder der Gräfin und die
Gräfin selbst in ihrem Atelier darstellen, ihren Tod am 23. Dezember 1882 ver-
zeichnet er in seinem Notizbuch, Bilder von seiner Hand haben sich einst in gräf-
lichem Besitz befunden. Die Gräfin Bertha war nicht nur durch ihre Schönheit,
Anmut, Liebenswürdigkeit und ihr hinreißendes Temperament, durch ihre werk-
98
.„5^
V«^^^^^Bbb
Ungarisches Bauernfuhrwerk. Ölbild. 1856.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
tätige Herzensgüte, ihre Bildung und ihren Geist ausgezeichnet, sondern auch
als Malerin und Klaviervirtuosin gleich hoch begabt. In ihrem Palais in der
Dorotheergasse in Wien (dem Hause, in dem sich heute die Kunsthandlung
Miethke befindet) und in ihrer Villa zu Schwarzau (nahe dem Schneeberg in
Niederösterreich) versammelte sich namentlich in den sechziger und siebziger
Jahren eine Auslese von hervorragenden bildenden Künstlern und Musikern. Liszt,
Wagner, Amerling, Lenbach, Makart finden sich darunter. Liszt konnte stunden-
lang ihren Phantasien auf dem Klavier zuhören und auch Wagner, der einmal
einen im gräflich Näköschen Hause in Schwarzau verbrachten Abend sehr an-
schaulich geschildert hat,") fand ihr Spiel „sehr originell und fesselnd", ihr
malerisches Talent konnte in der im Jahre 1906 zu Budapest veranstalteten Aus-
stellung der von ihr gemalten Kopien nach alten Meistern und Originalbilder ge-
schätzt werden.'")
1853 war Pettenkofen in Fünfkirchen (Pecs) im Komitat Baranya am Mecseg-
Gebirge zwischen Drau und Donau und in Waitzen (Väcz) an der Donau, dort
wo sie das Knie nach Süden macht. Waitzen dürfte er aus dem Feldzug gekannt
haben, denn dort hatten am 10. April 1849 die Kreß-Chevauxlegers mitgefochten.
1858 besuchte er Zenta an der Theiß, im Komitat Bäcs-Bodrog, berühmt durch
den Sieg des Prinzen Eugen über die Türken im Jahre 1697, und fuhr von hier
nach Nagy-Szent-Miklös, wo er elf Tage verweilte.
1859 hielt er sich auf dem Wege von Pest nach Szolnok nicht ganz eine Woche
in Jäsz-Bereny, das an der Zagyva liegt, auf. Von Szolnok reiste er im Oktober
nach Nagy-Szent-Miklos.
99
13'
1861 machte er von Szolnok einen Abstecher nach Gyula, das an der Weißen
Koros liegt und der Hauptort des Komitates Bekes ist. Gyula ist die Stadt, in
deren Nähe einst Eytas (d. i. Ajtös) gelegen hat, das Dörflein, wo sich Albrecht
Dürers Vorfahren, wie es in des Künstlers Familienchronik heißt, „der Ochsen und
Pferd genährt haben". In Gyula ist Dürers Vater bei einem Goldschmied in der
Lehre gewesen.
Im Jahre 1869 fährt Pettenkofen über Brück an der Leitha nach Wieselburg
und Raab. W^ieselburg liegt östlich vom Neusiedler See an der Kleinen oder
Wieselburger Donau. Wo in diese die Raab und die Rabnitz münden, liegt Raab
(Györ), das am 28. Juni 1849 von den Österreichern unter Haynau erstürmt wurde.
An dieser „Affaire" waren auch die Kreß-Chevauxlegers beteiligt und, wie schon
bemerkt wurde, stellt Pettenkofens Lithographie, die unter dem Titel „Die Ein-
nahme von Brescia" bekannt ist, wahrscheinlich eine Episode jenes Kampfes dar.
Nach Raab kann daher Pettenkofen durch die Erinnerung an das, was er dort
vor zwanzig Jahren miterlebt hatte, geführt worden sein. Von Raab fuhr er nach
Stuhlweißenburg (Szekes-Fehervär), der altehrwürdigen Stadt, in der einst Ungarns
Könige gekrönt und bestattet wurden. Sie liegt nordöstlich vom Plattensee zwischen
Bakony-Wald und Donau. Von Stuhlweißenburg machte er einen Abstecher nach
Siöfok am nordöstlichen Ufer des Plattensees und kehrte von da wieder nach
Wieselburg zurück.
Im August des Jahres 1879 fuhr Pettenkofen von Szolnok nach Abony.
In die Jahre 1876 und 1879 fallen kurze Aufenthalte in Preßburg.
1851 und 1881, im Anfangs- und Endjahr seiner Fahrten nach Ungarn, und
natürlich auch zu wiederholten Malen während dieser dreißig Jahre war Petten-
kofen in Budapest. Er weilte dort aber niemals lang.
So viel von jenen Aufenthalten Pettenkofens in Ungarn, die das Itinerar nach-
zuweisen erlaubt. —
Szolnok, als Teil für das Ganze genommen, war für Pettenkofen eine unerschöpf-
liche Fundgrube malerischer Motive. Um diese ihrer würdig, mit allen Mitteln
einer stetig vervollkommneten Technik verwerten zu können, suchte er aber die
Hauptstadt Frankreichs auf, die auch dem Menschen mehr zu geben vermochte,
als die ungarische Steppe.
100
DRITTES KAPITEL
mPlS 1852-1883
ie Wanderlust scheint Pettenkofen von seinem Vater geerbt
zu haben, der ja noch in den Tagen, als die Postkutsche die
Eisenbahn ersetzte, große Reisen unternommen haben soll.
Pettenkofen war zeitlebens kein seßhafter Mann: in der Heimat,
an einem Orte litt es ihn niemals lang. Sieht man von der
militärischen Tour ab, die den Rekruten zu seinem Regiment
nach Italien gebracht hatte, so war das Ziel seiner ersten großen
Reise Paris, — wohin er freilich, ist der Überlieferung zu trauen,
schon als Kind mit seinem Vater gekommen sein soll.
Was ihn nach Paris zog, brauchte eigentlich gar nicht mehr erörtert zu werden.
Vor allem natürlich die Kunst, die seit der letzten Jahrhundertwende an den Ufern
der Seine zur mächtigsten von ganz Europa emporgewachsen war. Dann aber
wird ihn auch der allgemeine Zauber der alten Lutetia gelockt haben, mit dem sie
heute noch gerade so wie damals jeden umstrickt, der ihr empfänglichen Sinnes
naht. Fühlen wir uns der „madre terra d'Italia" dafür zu ehrfürchtigem Dank ver-
pflichtet, daß wir ihr den Grundstock all unserer Geisteshabe schulden, so ist für
uns Paris die Stätte, wo wir Kultur und Zivilisation der Gegenwart am augen-
fälligsten, eindringlichsten und überwältigendsten verkörpert finden, im guten wie
im schlimmen.
Unter Pettenkofens gleichaltrigen Freunden mag es den einen oder andern ge-
geben haben, der den Pariser Boden kannte und ihn ihm verlockend genug zu
schildern gewußt haben wird. Von Heinrich Porges, an den er am 4. März 1858
Karl V. Kratzer in Paris von Wien aus Grüße aufträgt und bei dem er noch im
Winter 1871-72 in Paris, 40 rue d'Anjou, wohnt, weiß man es.') Auch der eben
genannte Kratzer, ein wohlhabender Dilettant, dessen Anhänglichkeit und Ergeben-
heit sich Pettenkofen gerne gefallen ließ und mit dem ihn lebemännische Interessen
verknüpften, kann jenem Bekanntenkreis angehört haben.")
Anderseits gab es, wie schon erwähnt, genug, was ihm damals die Heimat zu
verleiden geeignet war. Aus der Erkenntnis heraus, daß er zum Maler geboren
sei, wollte er von der Brotarbeit der Lithographie, die überdies am Ende ihrer
Entwicklungsfähigkeit angelangt zu sein schien, loskommen. Der Vater der Ge-
liebten hatte seine Werbung um deren Hand ausgeschlagen. Durch das, was er
101
in Paris zu lernen, durch die Anerkennung, die er dort zu finden gedachte, hoffte
er, daheim den Kampf um die Geliebte mit größerer Aussicht auf Erfolg wieder
aufnehmen zu können. Schließlich war in Wien, in Österreich längst wieder die
Reaktion mächtig geworden. Unter dem Eindruck von des Prinzen Louis Napoleon
Staatsstreich am 2. Dezember 1851 hatte der Kaiser die Verfassung, die „Mistver-
fassung", wie sie Fürst Schwarzenberg kurz und bündig nannte, durch das Patent
vom 31. Dezember desselben Jahres wieder aufgehoben. Die Reformen auf dem
Gebiet der Kunstpflege waren einer Richtung förderlich, die nicht die Pettenkofens
war. Einer mündlichen Mitteilung zufolge, ') die leider auf ihre Richtigkeit hin nicht
mehr zu überprüfen ist,^) war es aber des damaligen Unterrichtsministers Grafen
Leo Thun Bruder, Graf Franz Thun, der Pettenkofen durch ein Stipendium die
Mittel zur Reise nach Paris an die Hand gab. Dies wäre immerhin merkwürdig,
da bekanntlich die beiden Grafen Thun Gönner der Führich-Schule waren.
Dem Süddeutschen hat Paris wohl mehr zu bieten als dem Fremdling aus dem
deutschen Norden, und Wien, auf dessen Deutschtum die nationalen Züge von
Slawen, Magyaren und Italienern schmeidigend eingewirkt haben, ist Paris ent-
schieden wesensverwandter als etwa Berlin. Dazu kommt seit dem Ende des
XVIII. Jahrhunderts die politische Verbindung Frankreichs und Österreichs — es
seien nur die Namen der beiden habsburgischen Kaisertöchter Marie Antoinette und
Maria Louise genannt, die mit französischen Herrschern vermählt waren. Diese Ver-
bindungen hatten immerhin eine gewisse Verringerung der Distanz zwischen den
beiden Kapitalen zur Folge gehabt. So darf vielleicht im Hinblick auf das alles
gesagt werden, daß es auch der Wiener in Pettenkofen war, den eine besondere
Sehnsucht nach Paris erfüllte, der ein besonderes Verständnis für Pariser Eigen-
art nach Paris mitbrachte.
Daß Künstler nach Paris gepilgert sind, um dort zu lernen, wird häufiger wohl erst
seit den Tagen des ersten Kaiserreiches, als dank der machtvollen Persönlichkeit Louis
Davids der Klassizismus zur offiziellen Kunst wurde, der Fall gewesen sein. Von
Wiener Künstlern war Kraflft ein Schüler Davids, und noch Rahl wird in Paris mehr
von David als von Delacroix gelernt haben. Pettenkofen aber, der als Lithograph in
Raffet und Gavarni Vorbilder erblickt hatte, ist natürlich weder wegen Davids,
noch wegen Delacroix' nach Paris gereist. Was ihn an die Seine zog, waren die
Pariser Sitten- und Landschaftsmaler, um die er nicht bloß durch Zeitungsberichte
und mündliche Mitteilungen wußte, sondern auch durch das eine oder andere Bild
von ihnen, das sich nach Wien verirrt haben muß.
Pettenkofen ist, wie noch ausführlich begründet werden soll, im Jahre 1852,
vermutlich schon im Frühling nach Paris gekommen. Einer seiner ersten Gänge
wird ihn sicherlich in den „Salon" geführt haben. Die Ausstellung war am
1. April eröffnet worden und fand im Palais Royal statt. Es war, wie der
offizielle Titel lautet, die „Soixante-quinzieme Exposition des ouvrages des Ar-
tistes vivants". Im Vorjahr, dem Jahre des Staatsstreiches, hatte keine Ausstellung
stattgefunden. Von bedeutenderen Malern hatten ausgestellt: Chasseriau, Cogniet,
Corot, Courbet, Couture, Daubigny, Dupre, Flandrin, Gerome, Meissonier, Raffet,
Rousseau.
102
Rastende Zigeuner. Ölbild. 1857.
Amsterdam, Museum Podor.
Über diejenigen dieser Künstler, die Pettenkofen besonders interessieren mußten,
sei ein Wort gesagt: Daubigny hatte schon 1848 eine Medaille zweiter Klasse er-
halten und hatte zwei Bilder ausgestellt: „Moisson" und „Vue prise sur les bords
de la Seine". Jules Dupre (es hatten auch Gustave und Leon- Victore ausgestellt),
bereits 1833 mit einer Medaille zweiter Klasse ausgezeichnet, war schon 1849
Ritter der Ehrenlegion geworden. Von Meissonier waren drei Bilder zu sehen:
„Homme choisissant son epee", „Jeune homme travaillant" und „Bravi". Bereits
1840 hatte er die Medaille dritter, 1841 die zweiter und 1843 und 1848 die erster
Klasse erhalten, 1846 war er Ritter der Ehrenlegion geworden. Im Katalog steht
hinter Dupres und seinem Namen die bedeutsame Silbe „ex", d. h., daß beider
Arbeiten ohne Prüfung aufgenommen waren. Rousseau hatte zwei Bilder ausge-
stellt: „Paysage; effet du soleil" und „Paysage apres la pluie; groupe de ebenes
dans la lande". Rousseau wurde auf Grund dieser beiden Bilder Ritter der Ehren-
legion. In der „Jury des Recompenses" für den Salon vom Jahre 1850 befanden sich
unter anderen Decamps und Delacroix, die beide aber 1852 nicht ausstellten.
Da Pettenkofen erst im Mai 1853 Paris verläßt, so hat er natürlich auch den
Salon dieses Jahres, der „aux Menus-Plaisirs" aufgetan war, kennen gelernt. Von
den Ausstellern seien vor allem diejenigen angeführt, die bisher noch nicht ge-
nannt wurden und für die Pettenkofen naturgemäß ein besonderes Interesse haben
mußte. Tabellarisch aufgezählt, sind es folgende:
Millet. Von ihm waren drei Bilder zu sehen: „Moissonneurs", „Un berger; effet
du soir", „Une tondeuse de moutons". — Troyon. Er hatte drei Sujets aus der
Normandie ausgestellt: „Vallee de la Touque", „L'abreuvoir", „Chemin creux".
Schon 1838 hatte er eine Medaille dritter, 1840 eine zweiter, 1846 und 1848 eine
103
Medaille erster Klasse erhalten, 1859 war er Ritter der Ehrenlegion geworden.
Hinter seinem Namen steht „ex". — Der Belgier Willems. Es waren drei Bilder von
ihm vorhanden: „Vente publique de tableaux, ä Anvers en 1660", „La veuve",
„Le peintre dans son atelier". Er wurde dafür Ritter der Ehrenlegion. Schon 1844
hatte er eine Medaille dritter, 1846 eine zweiter Klasse erhalten, beide Male für
Genrebilder. — Sonst waren auf dieser Ausstellung noch vertreten: Der alte Beilange,
Rosa Bonheur, bereits 1848 mit einer Medaille erster Klasse prämiiert, der Schüler
V
Gallaits, Jaroslaw Cermak, ein Prager, mit dem Pettenkofen nachmals bekannt
wurde, Chintreuil, Corot, Courbet, Daubigny, Delacroix, Fromentin, Gallait (mit
den „Letzten Augenblicken des Grafen Egmont"), Harpignies, der Hamburger
Heilbuth, mit dem Pettenkofen nachher verkehrte, Huet, Knaus, der interessanter-
weise für zwei Genrebilder, die er zu dieser Ausstellung eingesandt hatte, dieselbe
Auszeichnung, eine Medaille zweiter Klasse, erhielt wie Millet; Meissonier, Rousseau
und Stevens. Dieser mit folgenden Bildern: „Le matin du mercredi des Cendres",
„Des bourgeois et de manants trouvent, au point du jour, le corps d'un seigneur
de la cour assassine par les guisards", „Decouragement". Er erhielt für diese
Arbeiten eine Medaille dritter Klasse — im Vorjahre hatte sein älterer Bruder Joseph
für ein Tierstück eine Medaille zweiter Klasse erhalten.
Decamps hatte auch 1853 nicht ausgestellt. Auf der Ausstellung im Jahre 1850
aber waren von ihm nicht weniger als zehn Bilder zu sehen gewesen, auf Grund
deren er 1851 (übrigens zugleich mit Diaz) Offizier der Ehrenlegion geworden
war. Ritter der Ehrenlegion und durch das „ex" ausgezeichnet war er schon im
Jahre 1850. Er sei hier darum besonders erwähnt, weil er, wie noch gezeigt
werden soll, auf Pettenkofen Einfluß genommen hat.
Die aufgezählten Namen allein geben schon ungefähr ein Bild von dem, was
Pettenkofen während seines ersten Pariser Aufenthaltes von französischer Malerei
kennen lernen konnte. Die den Namen angefügten Auszeichnungen, auch in Paris
wohl kaum verläßlichere Kriterien als anderswo, sind aber immerhin geeignet,
über das Ansehen zu orientieren, in dem die einzelnen Meister standen.
Der Eindruck, den der junge Wiener in den beiden „Salons" empfieng, mag
stark genug gewesen sein. Hier sah er wohl das verwirklicht, was ihm selbst
schon lange als Ideal vorgeschwebt haben wird. Die Genrebilder seiner Lands-
leute mochten ihm da recht schablonenmäßig, manieriert und unwahr vorkommen.
Bei den Franzosen fand er höchste Naturtreue, auserlesenen persönlichen Ge-
schmack, lebhaftes, aufs feinste abgestuftes Kolorit, großen Stil auch bei kleinem
Format, vor allem aber kühne, breite, lockere Pinselführung — nirgends Kon-
vention, außer kraftvoller Künstlerschaft nur wenig allgemeines Schulgut, dafür
Freiheit und eine ganze Menge stärkster Individualitäten.
Anziehend und erfreulich ist es nun zu sehen, wie sich Pettenkofen all den
neuen Eindrücken gegenüber verhält. Keinesfalls — das sei gleich vorwegge-
nommen — verliert er sich selbst, wird er jemandes Nachahmer. Er nimmt An-
regungen auf, vermag sie aber auch zu verarbeiten. —
Über einiges Tatsächliche von Pettenkofens erstem Pariser Aufenthalt sind wir
durch Alfred de Lostalot,') der offensichtlich auf Mitteilungen aus Maler- und
104
TAFEL XXn
ZIGEUNERHÜTTE IM WALDE. ÖLBILD. 1857. WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
TAFEL XXIII
UNGARISCHER BAUERNHOF MIT BÄUMEN UND STROHSCHOBERN. ÖL-
BILD. WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
f
Ochsengespann. Aquarell. 1857.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
Kunsthändlerkreisen fußt, ziemlich gut unterrichtet.
Pettenkofen soll in Paris zwei Bilder zu Ende gemalt haben, die er angefangen
aus Wien mitgebracht hatte: „Soldaten, die an der Tür eines Bauernhauses auf
einen Spion lauern" und „Räuber, die im Kornfeld ihre Beute teilen". Das erstere
Bild könnte nur eine seither verschollene Wiederaufnahme des von Pettenkofen
schon 1846 in dem Bilde „Die Horcher", das Franz Xaver Mayer in Wien gehört,
behandelten Themas sein, wahrscheinlich aber ist damit irrigerweise das bereits
erwähnte") Bild „The Surprise" in der Wallace CoUection gemeint, das aber nicht
von Pettenkofens Hand ist.
Als Pettenkofen das zweite Bild „Die Räuber", das er auf Bestellung eines
Wiener Kunstfreundes gemalt hatte, eben verpacken wollte, sah es zufällig der
Pariser Händler Van Cuyck. Diesem gefiel es dermaßen, daß er es durchaus
kaufen wollte und einen hohen Preis dafür bot. Da Pettenkofen aber nicht mehr
darüber verfügen konnte, gab ihm Van Cuyck sofort zwei andere Bilder in Auf-
trag: „Nach dem Duell" und „Ungarische Freiwillige".
Die „Räuber im Kornfeld" wurden später von Sir Richard Wallace erworben
und befinden sich noch heute in der Wallace CoUection in London.
Die „Scene aprös un duel" gieng aus dem Besitz Van Cuycks über A. Willet an
das Museum Fodor in Amsterdam über. Die „Ungarischen Freiwilligen" verkaufte
Van Cuyck an den Sammler Rone. Als dessen Eigentum waren sie noch im Jahre
ihres Entstehens, also 1853, im „Cercle de 1' Union artistique" öffentlich zu sehen.
Diese Ausstellung hat Pettenkofens Ruf in Paris begründet. Van Cuyck kaufte aber
die „Ungarischen Freiwilligen" bald wieder zurück und hielt sein Wort, sich bis
zu seinem Tode nicht mehr von ihnen zu trennen. Erst seine Erben veräußerten
105
14
sie und auch diese erst nach den Kriegsereignissen vom Jahre 1871, und zwar nach
London. Von London ist das Bild über Paris nach Wien gekommen. Hier aber
wird Lostalots Bericht unklar und falsch. Denn im Gegensatz zu dem, was er
sagt, kam das Bild auf der Auktion Gsell nicht vor. Wohl aber wurde es gleich-
zeitig, nämlich am 5. April 1872, von dem Pariser Kunsthändler Everard in der
Gartenbaugesellschaft zu Wien versteigert und um 16.350 fl. von Sedelmeyer, der
es zu Beginn des Jahres erworben und sofort an Everard weitergegeben hatte,
zurückgekauft. Als sein Eigentum war das Bild 1873 auf der W^iener Weltaus-
stellung zu sehen. 1879 verkaufte er es dann um 50.000 Francs an Mr. Cornelius
Vanderbilt in New York, dessen Sohn es heute noch gehört.')
An den „Ungarischen Freiwilligen" vom Jahre 1853 nun und der 1851 in Wien
entstandenen Fassung des „Verwundetentransportes" glaubt Lostalot die große
Wandlung, die die Kenntnis der Pariser Malerei in Pettenkofens Stil hervorgerufen
hat, nachweisen zu können.
Die beiden Bilder „Räuber im Kornfeld" und „Nach dem Duell" verraten schon
als Kostümstücke den französischen Einfluß. Freilich muß hier sogleich angemerkt
werden, daß das Aquarell „Landsknecht im Kornfeld", auch ein Kostümstück,
schon 1851, also noch in Wien gemalt worden ist.
Die „Räuber im Kornfeld" sind farbiger, die Duellszene ist toniger gemalt. Die
„Räuber" erinnern mehr an Meissonier und Willems, bei der Duellszene muß
man, was die weichere Malweise betrifft, eher an Stevens denken. Für die Wahl
der Themen aber werden Meissonier, Willems und Stevens gleichermaßen vor-
bildlich gewesen sein. Der letztere hatte sich damals, wie seine obengenannten
Bilder bezeugen, noch nicht völlig selbst gefunden. Er suchte noch seine Vorwürfe
in der Vergangenheit, die moderne Frau inmitten ihres Milieus war noch nicht
das Hauptthema seines delikaten Pinsels geworden.
Das Kostüm als solches war Pettenkofen ja nicht fremd. Schon im „Erzherzog
Carl" hatte er ein Stück freilich nicht allzu ferner Vergangenheit darstellen müssen.
Seine Wiener Kollegen hatten ihre Helden gelegentlich ja auch in alte Trachten
gesteckt. Diese waren dann aber meist recht phantastisch, wenn nicht gar theatra-
lisch ausgefallen. Von diesem Beigeschmack sind nicht einmal die Arbeiten von
Johann Nepomuk Geiger und Leander Ruß völlig frei, und Fendis im Auftrag der
Erzherzogin Sophie gemalte Aquarelle z. B., die Schillerische Gedichte illustrieren,
wirken geradezu ein bißchen komisch. Mittlerweile war durch die belgischen Histo-
rienmaler eine ganz andere Kostümtreue eingeführt worden. In München gieng
sie von dem alten Kaulbach auf Piloty über, Meissonier in Paris und Menzel in
Berlin betrieben aber, man möchte sagen auf wissenschaftliche Weise, kostümge-
schichtliche Studien und schufen so, ein jeder von den beiden als der ausgezeichnete
Künstler, der er war, Werke von einer realistischen Treue, wie sie bis dahin bei
Historienbildern und historischen Genrebildern noch nicht dagewesen war.
Von einer solchen Kostümechtheit nun sind die drei genannten Bilder Petten-
kofens noch weit entfernt. Er wendet sich auch, was für seine Entwicklung von
der allergrößten Bedeutung ist, sofort wieder jenen Motiven zu, die ihm die Be-
achtung auch der Franzosen eingetragen hatten: denjenigen, die er sich aus der
106
TAFEL XXIV
PFERDE VORM STROHSCHOBER. ÖLBILD. 1858. WIEN, FRANZ XAVER
MAYER.
MIITOillllli^^ f
I
Totes Pferd. Aquarell. (1857?,)
Wien, Eugen Miller von Aichholz.
ungarischen Tiefebene holen mußte. Auch die Technik des Aquarells, die in Frank-
reich verhältnismäßig nur wenig geübt wurde, pflegte Pettenkofen mindestens in
den fünfziger Jahren fleißig weiter.
In der Klein- und Feinmalerei Meissoniers hat er sicherlich etwas Verwandtes
erblickt. An Geschmack durfte er sich wohl mit ihm messen, im Naturalismus
auch des Kolorits aber konnte ihm der Franzose als Vorbild dienen. Noch eifriger
aber gieng er bei den Meistern des „Paysage intime", den Männern von Barbizon,
in die Schule, besonders bei Rousseau, Dupre, Daubigny und Troyon. Für Corots
Silberton hat ihm sicher nicht das Verständnis gefehlt, doch wird ihm Corot alles in
allem zu wenig körperhaft und zu romantisch gewesen sein. Diaz hat ihn wohl
hauptsächlich als Landschafter interessiert. Troyon aber war für ihn nicht bloß als
Landschafter, sondern auch als Tiermaler wichtig. Besonders aber wird ihm eine
Eigenschaft des Künstlers, die die Zeitgenossen oft gerügt haben, nämlich die Skizzen-
haftigkeit oder besser gesagt: die nicht zu weit getriebene Vollendung seiner Bilder
angezogen haben. Die besten Arbeiten Pettenkofens aus allen Zeiten seines Schaffens
weisen diese Eigenschaft gleichfalls auf, aber erst von den siebziger Jahren an
scheint er sich ihres Wertes voll bewußt zu werden. Ein Beweis der Hochschätzung,
die Pettenkofen Troyon zollte, liegt darin, daß er seinem Wiener Mäzen Friedrich
Gsell, von dem noch zu handeln sein wird, wiederholt empfahl, Bilder des franzö-
sischen Meisters zu kaufen.
Bei seinem ersten Aufenthalt in Paris machte Pettenkofen die persönliche Be-
kanntschaft des Brüsseler Malers Alfred Stevens. Pettenkofen soll den um sechs
Jahre jüngeren Künstler schon lange in dessen Atelier besucht haben, bevor dieser
erfuhr, daß der Österreicher, der sich ebenso bescheiden wie angelegentlich für
107
M*
seine Malerei interessierte, den er für einen Amateur gehalten hatte, selbst Maler
war/) Stevens scheint der erste jener Maler gewesen zu sein, mit denen Petten-
kofen im Laufe der Zeit in Paris näher bekannt wurde. Als Zeugen dieser Freund-
schaft fanden sich in Pettenkofens Nachlaß folgende drei Photographien: Eine nach
Stevens Bilde, das drei trauernde Damen darstellt und von 1857 datiert ist; sie
trägt die handschriftliche Widmung: „ä mon ami Pettenkofen Alfred Stevens."
Eine andere, abermals nach einem Bilde des Brüsselers, dessen Vorwurf ein
Mädchen ist, das vom Schreiben aufgeschreckt wird. Die Widmung dieses Blattes
von dem Photographen Richebourg an den Maler ist vom Jahre 1861 datiert. Auch
diese Photographie trägt von Stevens' Hand die Worte: „A mon ami Pettenkofen."
Eine dritte Photographie zeigt Stevens' Atelier mit ihm selbst und seiner Frau,
eine vierte endlich, die wieder mit einer handschriftlichen Widmung versehen ist,
stellt Stevens allein dar.
Alfred Stevens, dessen künstlerischer Höhepunkt in die sechziger Jahre fällt und
der neben Meissonier als der gefeiertste Interieur- und Sittenmaler jener Epoche
gelten kann, steht dem modernen Empfinden schon darum näher als Meissonier,
weil er seine Figuren nicht wie dieser mit dem Kostüm vergangener Zeiten dra-
piert, sondern weil er nicht weniger treu als geschmackvoll die Pariserinnen des
zweiten Kaiserreiches schildert. Im Februar des Jahres 1900 waren zu Paris in der
Ecole des Beaux-Arts fast zweihundert seiner Bilder ausgestellt und riefen geradezu
„einen Rausch des Entzückens" hervor.") Vor Stevens' Bildern begreift man es,
daß er ein Verehrer der japanischen Kunst war. Es besteht eine offenkundige
Wesensverwandtschaft zwischen ihnen und den ebenso duftigen wie preziösen
Kunstwerken der Japaner. Pettenkofens malerischer Geschmack wird sich unzweifel-
haft an Stevens' Bildern geschult haben.
Auch mit Willems war Pettenkofen befreundet, vermutlich durch Vermittlung
von Stevens. In Pettenkofens Nachlaß fanden sich zwei Photographien des Künstlers
selbst, deren eine die handschriftliche Widmung: „A mon ami Pettenkofen
F. Willems" trägt, dann eine mit einer ähnlichen Widmung versehene Photo-
graphie nach Willems' Gemälde, das eine Witwe vor dem Bilde ihres Gemahls
darstellt und wohl mit dem Bilde „La veuve" identisch ist, das der Künstler im
Salon des Jahres 1853 ausgestellt hatte, und endlich eine Ölskizze von Willems,
die ein kleines Mädchen wiedergibt und rechts unten eingeritzt die Worte zeigt:
„Souvenir Florent Willems, Paris."
In einem Wiener Brief vom 4. März 1858 an Karl v. Kratzer in Paris gibt
Pettenkofen an Willems und Stevens Grüße auf und bittet um die Besorgung von
acht Fuß grundierter, unaufgespannter „feiner Leinwand für Bilder mit kleinen
Figuren, ungefähr wie sie Willems benützt".
Meissoniers Bekanntschaft wird Pettenkofen höchst wahrscheinlich noch nicht bei
seinem ersten Pariser Aufenthalt, sondern erst in späteren Jahren gemacht haben.
Auch nach sieben Bildern Meissoniers enthielt Pettenkofens Nachlaß Photographien,
dreien von ihnen („Un Cavalier", „Une Chanson", „Les joueurs de cartes") ist der
Faksimilestempel des Künstlers aufgedruckt. Außerdem stammt aus Pettenkofens
Besitz eine kleine auf Holz gemalte Kostümstudie Meissoniers mit dessen eigen-
108
händiger Widmung: „ä mon
ami Pettenkofen EMeissonier."
Dieses Bildchen ist erst un-
längst wieder im Wiener Kunst-
handel aufgetaucht.")
Ein Künstler dagegen, des-
sen Bekanntschaft Pettenkofen,
wenn er ihn nicht etwa schon
vorher in Ungarn kennen ge-
lernt hatte, aller Wahrschein-
lichkeit nach noch während
seines ersten Aufenthaltes in
Paris machte, ist der schon
erwähnte Theodore Valerio.
Wenigstens findet sich dessen
Adresse (Rue de Luxembourg
22) bereits an dreizehnter Stelle
des Adreßverzeichnisses in
einem Notizbuch Pettenkofens,
dessen früheste Eintragung vom
20. Mai 1853 datiert ist.
Von anderen französischen
Künstlern, mit denen Petten-
kofen näher bekannt gewesen
sein muß, seien Gerome, der
seinerzeit so beliebte Maler an-
tiker Stoffe, und Flameng, na-
türlich der ältere, der auch
radierte, und der ausgezeichnete
Porträtist Ricard genannt. Pet-
tenkofens Nachlaß enthält eine
Photographie Geromes und
nicht weniger als fünf Photographien nach Bildern desselben. Der Bildhauer
Gustave Deloye, mit dem Pettenkofen gleichfalls in Paris, aber erst in den acht-
ziger Jahren verkehrt haben muß, sei darum hier angeführt, weil er lange in Wien
lebte, wo er zuerst für den Silberschmied Klinkosch und dann für den Fürsten
Liechtenstein, der ihm sogar ein Atelier eingeräumt hatte, arbeitete. Von Deloye
rührt übrigens auch das Porträtmedaillon auf dem Grabstein Friedrich Gsells her,
des bereits erwähnten Wiener Kaufmannes und Kunstfreundes, dessen großartige
Bildersammlung auch besonders viele Arbeiten Pettenkofens enthielt.
Natürlich kannte Pettenkofen auch alle namhaften österreichischen Künstler, die
während der einunddreißig Jahre, in denen er Paris immer wieder aufsuchte, dort
arbeiteten. Der älteste von diesen war Otto v. Thoren, von dem übrigens, ebenso
wie von dem Schüler Gallaits, dem Prager Jaroslav Cermak, schon die Rede war.
Wallachischer Fleischer. Aquarell.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
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Mit dem Kunsthändler Karl Sedelmeyer, einem geborenen Wiener, der ursprünglich
bei dem schon genannten Georg Plach angestellt gewesen war, 1857 das erste Mal
nach Paris gekommen, aber erst 1868 dauernd dorthin übersiedelt ist, hängen die
folgenden österreichischen Maler zusammen : Eugen Jettel, der Pettenkofen, wie wir
noch sehen werden, besonders nahe gestanden ist, Mihäly Munkäcsy und Vaclav
Brozik. Dem Kreise Thorens und Jetteis gehörte auch noch Rudolf Ribarz an, mit
dem Pettenkofen ebenfalls in Paris verkehrte. Alle diese Bekanntschaften datieren
aber erst aus den siebziger und achtziger Jahren. Zum Schlüsse sei noch ein Öster-
reicher genannt, der lange in Paris tätig war und dessen Pariser Adresse sich
Pettenkofen in den siebziger Jahren zweimal notiert, der kürzlich in Florenz ver-
storbene Bildhauer S. Beer.
Schon Stevens und Willems, die füglich zuerst aufgezählt werden mußten,
waren keine Franzosen. Andere ausländische, und zwar deutsche Künstler
aus Pettenkofens Bekanntenkreis in Paris sind: der Frankfurter Schreyer, den
Pettenkofen wohl durch Schmitson kennen gelernt haben wird, und der Ham-
burger Heilbuth.
Weder unter den oben angeführten malenden Landsleuten Pettenkofens, noch
unter den zuletzt genannten deutschen Malern, mit denen er in Paris zusammen-
traf, findet sich jemand, von dem behauptet werden könnte, daß er ihn künstlerisch
beeinflußt hätte. Dagegen mag er dem Spanier Mariano Fortuny, mit dem er
übrigens nicht nur in Paris, sondern auch in Rom verkehrte, die eine oder andere
Anregung verdanken; sicher aber hat die beiden Künstler ein verwandtes Streben
miteinander verbunden. Daß Pettenkofen überdies mit Fortuny und dessen Familie
befreundet war, beweisen folgende Photographien in seinem Nachlaß: Porträtauf-
nahmen Fortunys selbst, seiner Frau, einmal mit zwei Kindern, dann bloß mit dem
kleineren und nicht weniger als zehn Photographien nach Gemälden Fortunys. Am
20. Jänner 1875 verzeichnet Pettenkofen in seinem Tagebuch den Besuch der Aus-
stellung von Werken Fortunys, die in Paris zum Gedächtnis des im vergangenen
Herbst verstorbenen Künstlers stattgefunden hatte.
Interessant ist Pettenkofens Bekanntschaft mit einem andern in Paris lebenden
ausländischen Maler, dem begabten frühverstorbenen Neapolitaner Joseph de Nittis,
der ein hübsches Büchlein „Notes et Souvenirs",") hinterlassen hat und über den
ein Faden von Pettenkofen zu Man et läuft. Bei seinem Freunde de Nittis zu Gaste,
malte nämlich Manet in dessen Garten kurz vor der Kriegserklärung im Jahre 1870
sein berühmtes Bild „Le j ardin".
De Nittis spricht in seinen Erinnerungen von dem talentvollen jungverstorbenen
spanischen Maler Zamacois, der ein Schüler Meissoniers war und dem „cercle
Vibert" angehörte. Auch mit Vibert, einem seinerzeit stark überschätzten Maler
witziger Mönchsszenen, und Zamacois muß Pettenkofen verkehrt haben, desgleichen
mit dem Spanier Rico, der in der Art Fortunys zu malen versuchte und ebenfalls
diesem Künstlerkreis zuzuzählen sein wird.
Im Dezember des Jahres 1874 scheint Pettenkofen in Paris abermals zu dem
Künstlerverein „Cercle de l'union artistique", dessen Wahlspruch: „L'Art unit les
peuples" war und auf dessen Ausstellung im Jahre 1853, wie schon erwähnt, seine
110
»
►
TAFEL XXV
WANDERNDE ZIGEUNERFAMILIE. ÖLBILD. 1858. WIEN, FRANZ XAVER
MAYER.
„Ungarischen Freiwilli-
gen" seinen Namen be-
kannt gemacht hatten, in
Beziehung getreten zu
sein.
In anderen als Künstler-
kreisen scheint Petten-
kofen, der niemals das
Französische vollkommen
beherrscht hat, nicht ver-
kehrt zu haben. Von dem
originellen Dr. Gruby, von
dem z. B. erzählt wird,
daß er einer Betschwester,
die anders nicht dazu zu
bringen war, die für ihre
Gesundheit notwendige
Bewegung zu machen, ver-
ordnete, täglich dreimal
um die Notre-Dame-Kir-
che zu gehen und dabei
so und so viele Vaterunser
zu beten, ließ er sich ärzt-
lich behandeln. Viele hiel-
ten Dr. Gruby für einen
Charlatan oder Narren,
Pettenkofen aber sah tiefer
und hielt große Stücke
von ihm. Dürfte er durch
seinen Freund Heinrich
Porges in Paris eingeführt
worden sein, so war er in
den letzten Jahren mit
Charles Sedelmeyer be-
freundet. Er kannte ihn
natürlich schon von Wien und Plach her. In den Jahren 1878 und 1882 hatte er
Sedelmeyers Atelier in der Rue St. Lazare gemietet, in dem später Sedelmeyers
Schwiegersohn Brozik arbeitete. 1860 hatte Pettenkofen ein Atelier 9, Rue de
Laval. Unter dem Datum des 11. Dezember 1874 verzeichnet er in seinem Tage-
buch ein Atelier in einer „Maison Poissy". Im Winter 1871-72 wohnte er im Hotel
de Suisse und dann im Hotel du Midi in der Rue Lafayette, dazwischen wie
schon gesagt bei seinem Freunde Heinrich Porges. Auch 1872 stieg er im Hotel du
Midi ab; im Winter 1874 dagegen im Hotel de France in der berühmten Kunst-
händlerstraße, der Rue Laffitte, im Winter 1882 im Hotel Victoria in der Rue Lafayette.
Wandernder Zigeunerjunge. Ölbild. 1858.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
111
Schlafendes kleines Zigeunermädchen. Aquarell. 185g.
Budapest, Baron Dr. Adolf Kohner.
Schon die obige flüchtige Aufzählung der Künstler, zu denen Pettenkofen vom
Jahre 1852 bis zum Jahre 1883, da er das letzte Mal nach Paris kam, persönliche
Beziehungen hatte, vermöchte vielleicht die Entwicklung anzudeuten, die während
dieses Zeitraumes die Pariser Malerei nahm. Als Pettenkofen das erste Mal nach
Paris kam, da stand die Schule von Barbizon in höchster Blüte und schufen noch
in voller Kraft Ingres, Horace Vernet und Delacroix. 1883 aber, als Pettenkofen
zum letzten Mal die stumpfen Türme der Notre-Dame-Kirche grüßte, war Edouard
Manet bereits drei Jahre tot. Seit der Ausstellung bei Nadar im Jahre 1871 hatte
der Impressionismus Schlacht um Schlacht geschlagen, und war er 1883 auch noch
nicht von allen Seiten anerkannt, so stand er doch schon als eine Macht da, mit
der gerechnet werden mußte. Seit dem Beginn der sechziger Jahre hatten sich die
französischen Künstler mit der Kunst Japans vertraut gemacht, und Pettenkofens
Freunde Stevens und Fortuny werden unter den ersten Sammlern japanischer
Kunst genannt. Mit Dr. Zacharias Astruc, dem Maler, Bildhauer und Schriftsteller,
einem Mitglied der japanischen Gesellschaft vom „Jinglar", der im „Etendard"
eine Reihe Aufsehen erregender Artikel über das „Reich der aufgehenden Sonne"
veröffentlichte, war Pettenkofen gleichfalls bekannt. Daß sich Pettenkofen selbst
für die Kunst Japans interessiert hat, geht daraus hervor, daß sich in seinem
112
TAFEL XXVI
ZIGEUNERMÄDCHEN AUF DER PUSZTA. AQUARELL. 1859. WIEN, EUGEN
MILLER V. AICHHOLZ.
Kleines Zigeunermädchen, ein Kind wiegend. Ölbild. (^1860?)
Wien, Franz Xaver Mayer.
Nachlaß ein paar Bände von Hokusais „Mangwa" und ein Band von dessen „Hundert
Ansichten des Fujiyama" gefunden haben.
Aber auch die Wirksamkeit zweier so verschiedener Persönlichkeiten, wie der
Courbets, der als Künstler und als Mensch die Pariser so sehr zu beschäftigen
wußte, und der Dores, dessen Holzschnitte die ganze Welt eroberten, fällt fast
restlos in jene einunddreißig Jahre, während welcher Pettenkofen nach Paris kam.
Die Plastik schritt während jenes Menschenalters von dem anmutigen Pradier,
dem leidenschaftlichen Rüde, dem trockenen David d'Angers und dem ausgezeich-
neten Realismus von Baryes Tierstücken über Fremiet, den Autor der kühn
komponierten Gruppe von St. Georgs Drachenkampf, Carpeaux, berühmt durch
seine Gruppe des Tanzes an der Großen Oper, Dubois, von dem das ebenso form-
reife wie seelenvolle Reiterstandbild der Jungfrau von Orleans vor der Kathedrale
zu Rheims herrührt, und Falguiere, den Schöpfer schöner, fester Frauengestalten,
zu dem edeln Bartholome und dem genialen Impressionisten Rodin fort.
Als das bedeutendste Werk der Architektur, das während jenes Zeitraumes in
Paris geschaffen wurde, sei Garniers Große Oper genannt.
Je weniger von dem zu berichten ist, was Pettenkofen selbst während der Jahre
1852 bis 1883 in Paris erlebt und getan hat, desto schwerer ist es, der Verlockung
zu widerstehen, wenn auch noch so knapp, von den Wandlungen und Umstürzen
auf den verschiedenen Gebieten des großen Lebens zu erzählen, deren gewiß nichts
weniger als teilnahmsloser Zeuge er war.
113
15
Das Stelldichein. Ölbild.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
Als Pettenkofen 1852 das erste Mal nach Paris kam, da war Balzac erst zwei
Jahre tot, Beranger lebte noch als zweiundsiebenzigj ähriger Greis, Victor Hugo
grollte in Belgien in der Verbannung, Dumas pere hatte schon den Gipfel seines
Ruhmes überschritten, von seinem Sohne erschien gerade die „Kameliendame** als
Stück, Merimee war bereits Akademiker, Alfred de Musset, „der Gassenjunge",
wurde eben unter die Unsterblichen aufgenommen, die George Sand hatte sich
schon auf ihr Schloß zurückgezogen, Gautier gab gerade seine „Emaux et
Cam^es" heraus, und Murgers „Seines de la Vie de Boheme" und Heines
„Romancero" waren erst ein Jahr alt. Als Pettenkofen 1883 das letzte Mal Paris
sah, da standen Daudet und Zola auf der Höhe ihres Ruhmes, Maupassant
hatte bereits einen Namen, Sardou war schon fünf Jahre Mitglied der Aka-
demie. In die Zwischenzeit fällt das Wirken Flauberts, der Goncourts, Scribes,
Beaudelaires, Feuillets, Taines und Renans. Während des genannten Zeit-
raumes, in den hinein noch Auber, Meyerbeer, Halevy und Berlioz lebten,
schufen Gounod, Thomas und Offenbach ihre Hauptwerke und begründeten
Saint-Saens und Massenet ihren Ruf. 1861 führte Wagner in Paris seinen „Tann-
häuser" auf.
Den größten Eindruck freilich macht der Wandel, den die politischen Verhältnisse
während jener Zeit erfahren haben. Als Pettenkofen 1852 Paris kennen lernte, war
Napoleon III. noch Prinz-Präsident. Als er 1883 das letzte Mal dort war, stand in
Jules Gr6vy bereits der dritte Präsident an der Spitze Frankreichs. Das ganze
114
Ungarischer Bauemjunge mit Pferd vorm Eingang in ein Bauerngehöft. Ölbild.
Wien, Baron Alphons Rothschild.
zweite Kaiserreich, Sedan, die Kaiserproklamation von Versailles, die Commune
und ein Dutzend Jahre der dritten Republik liegen dazwischen. —
Im folgenden seien ein paar künstlerische Ereignisse erwähnt, die Pettenkofen
in Paris miterlebt hat und die ihn gewiß nicht gleichgültig gelassen haben.
Im Jahre 1855 fand in Paris in Verbindung mit der Weltausstellung eine inter-
nationale Kunstausstellung, und zwar im Palais des Beaux Arts, Avenue Montaigne,
statt. Sie ist durch die Beteiligung der österreichischen Künstler, zu denen damals
natürlich auch noch die mailändischen und venezianischen gehört haben, interes-
sant. Hier seien bloß die Wiener Maler angeführt: Rudolf Alt, Karl Blaas, Borsos,
Eduard Engerth, Eybl, Führich, Gauermann, Remi van Haanen, Mansch, Kupel-
wieser, Ignaz Raffalt, Steinle, Trenkwald und Waldmüller (dieser war mit nicht
weniger als sechs Bildern vertreten). Pettenkofen, zeitlebens kein Freund von Aus-
stellungen, fehlte.
Im selben Jahre 1855 errichtete, nebenbei bemerkt, Courbet, dessen Bildern von
der Künstlerjury der Weltausstellung ein ungünstiger Platz angewiesen war, in
der Nähe des Pont d'Iena unmittelbar beim Eingang in die Ausstellung eine
Holzbaracke, auf der mit großen Buchstaben: „Le Realisme! G. Courbet" ge-
schrieben stand und in der von ihm achtunddreißig große Bilder zu sehen waren.
1865, als die Jury des „Salon" den Zurückgewiesenen ein paar Nebensäle ein-
geräumt hatte, stellte Manet seine ersten Aufsehen erregenden Bilder aus: die
„Geißelung Christi" und das „Nackte Mädchen mit der Katze". Die „Geißelung
115
15*
Christi" ist das Bild, das beim Publikum eine solche Entrüstung hervorrief, daß
es vor Angriffen mit Stöcken und Schirmen geschützt werden mußte. Beide Bilder
wird Pettenkofen, der schon anfangs Juli nach Paris kam, gesehen haben.
(Die W^eltausstellung des Jahres 1867 hat ihn nicht nach Paris zu locken vermocht.)
1878 fand in Paris abermals eine Weltausstellung statt. Über die damit ver-
bundene Kunstausstellung schreibt Pettenkofen am 8. Mai an Franz Xaver Mayer: „Die
Wiener Kunstausstellung hat manches Gute; Makart gefällt sehr; Jettel hat außer-
ordentliche Fortschritte gemacht, und seine Landschaften gehören unter die besten
der ganzen Ausstellung, in welcher die Franzosen natürlich den einzigen und
obersten Rang einnehmen." Pettenkofen selbst hatte wie gewöhnlich nicht ausge-
stellt. Im selben Jahre wird er sicherlich die Goya-Ausstellung im Trocadero be-
sichtigt haben. Sein Freund Fortuny, der 1878 freilich nicht mehr lebte, war näm-
lich der Schwiegersohn Federico Madrazos, der von dem Enkel Goyas eine be-
trächtliche Anzahl von dessen Zeichnungen erworben hatte. Den größten Teil dieser
Blätter erbte Madrazos Tochter, eben die Frau Fortunys, einen Teil auch deren
Brüder Don Ricardo und Don Raimundo,") mit denen Pettenkofen gleichfalls be-
kannt war. Durch diese vier Personen wird er zweifellos viel von Goya erfahren
haben. Daß sich Pettenkofen für den großen spanischen Maler-Radierer interessiert
hat, beweisen sieben Photographien nach Bildern desselben in seinem Nachlaß. —
Im folgenden sei mit Hilfe des Itinerars übersichtlich zusammengestellt, wann sich
Pettenkofen in Paris aufgehalten hat:
1852-53: Vom Frühjahr 1852 an (?) bis zum 20. Mai 1853.
1855: Vom 11. März bis zum 21. Juli.
1856: Vom 23. März bis zum 19. Mai.
1857: Vom halben April 1857 bis ?
1858: Vom 25. bis zum 28. JuH.
1858: Von Ende September bis Anfang Oktober.
1859: Vom 28. April bis 12. Juni.
1860: Vom 25. Februar bis zum 18. Mai.
1861: Am 14. Juli.
1862: Vom 17. (?) bis zum 22. Oktober.
1863: Vom 24. bis zum 30. September.
1865: Vom 6. JuH bis zum 31. August.
1866: Vom 24. Mai bis zum 9. (?) September.
1871-72: Vom 12. Dezember 1871 bis zum 31. März 1872.
1874-75: Vom 9. Dezember 1874 bis zum 14. Jänner 1875.
1875: Vom 12. September bis zum 2. November.
1877-78: Vom 17. September 1877 bis zum 17. August 1878.
1882-83: Vom 2. November 1882 bis zum 31. Juli 1883.
Aus dieser Liste geht hervor, daß die längsten Aufenthahe des Künstlers in Paris
ungefähr ein Jahr gedauert haben und in die Jahre 1852-53 und 1877-78 fallen;
daß er sich im Jahre 1861 am kürzesten in Paris aufgehalten hat, bloß einen Tag;
daß er 1858 und 1875 je zweimal zu verschiedenen Zeiten dort war; daß er in
den Jahren 1867 bis 1870, 1873, 1876 und 1879 bis 1881 gar nicht nach Paris
116
Lausende Zigeunerin. Ölbild.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
gekommen ist und daß die längste Unterbrechung seiner Pariser Besuche die vier
Jahre zwischen 1866 und 1871 sind.
Äußerst interessant ist ein Vergleich der Gesamtzeit, die Pettenkofen in Paris
verbracht hat, mit der, die er auf alle seine Aufenthalte in Szolnok verwendet hat.
117
Straße in einem ungarischen Dorf. Bleistiftstudie.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
Läßt man für beide Summen die Jahre 1854 und 1864, für die das Itinerar ver-
sagt, außer Betracht und rechnet man bei der Pariser Summe für den Aufenthalt
im Jahre 1857, von dem bloß der Anfangstermin bekannt ist, drei Monate, so hat
sich Pettenkofen alles in allem in Szolnok kein ganzes Jahr, in Paris dagegen fünf
Jahre und acht Monate lang aufgehalten. Dieses Verhältnis beleuchtet, hält man
sich die große Menge von Bildern Pettenkofens, die Szolnoker Themen behandeln,
vor Augen, aufs deutlichste den Unterschied zwischen dem, was für Pettenkofen
Paris und was für ihn Szolnok war: Szolnok war der Ort, wo er verhältnismäßig
rasch Ideen für seine Arbeiten sammelte, Paris dagegen lehrte ihn die Szolnoker
Motive immer wieder neu sehen und neu behandeln. —
Außer Paris hat sich Pettenkofen von Frankreich auffallend wenig angesehen.
Im April 1856 machte er einen Abstecher nach Havre und im selben Jahre war
er auch in Dieppe. Im Winter 1871 fuhr er von Venedig über Genua nach Paris
und berührte auf der Reise ganz kurz Mentone, Nizza, Cannes, Marseille und Lyon.
Im Jänner des Jahres 1875 reiste er von Paris nach Turin und unterbrach dabei,
scheint es, in Macon die Fahrt. Im September desselben Jahres besuchte er von
Paris aus Trouville, Villersville sur mer, abermals Le Havre und Rouen. Selbst-
verständlich ist es, daß er sich die Umgebung von Paris ein wenig angesehen hat.
In Poissy, wo er wahrscheinlich Meissonier, der dort geboren ist, aufsuchte, war
er im Dezember 1874, im Oktober 1875 und im November 1882. Im April des
Jahres 1878 findet sich in seinem Tagebuch ein Ausflug nach Barbizon verzeichnet.
Wahrscheinlich wird er Jettel besucht haben. Im Oktober 1875 ist er in St. Cloud,
im November 1882 in St. Germain.
Unter Pettenkofens Werken findet sich kein einziges, das mit Sicherheit als
Pariser Motiv bezeichnet werden könnte, und auch die französische Provinz liefert
118
i^tfSiTK^.-..,.
•». Ä>-» 5*^-^"->**T;. -Ä-
Zigeunerhütte. Bleistiftstudie. 1860.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
ihm nur zweimal einen Vorwurf: am 28. April 1856 zeichnet er im Hafen
von Havre ein Segelschiff, und derselben Zeit gehört eine Ansicht von Dieppe
an. —
Als Pettenkofen am 15. Juli 1870 in Nürnberg war, wurde dort um vier Uhr
nachmittags die Kriegserklärung ausgegeben.") Trotzdem wollte er, wie es in seinem
Tagebuch unter diesem Datum ausdrücklich vermerkt ist, am nächsten Tag um
sieben Uhr früh nach Paris fahren. Er reiste auch wirklich ab und war um vier
Uhr nachmittags in Heidelberg, um acht Uhr abends aber konnte der Zug, wohl
wegen der deutschen Truppentransporte, Kehl nicht mehr passieren. Pettenkofen
verblieb dann in Basel. Diese Absicht, den Entscheidungskampf zwischen Franzosen
und Deutschen im Herzen Frankreichs zu erleben, ist wohl der deutlichste Beweis
dafür, wie sehr ihm Paris ans Herz gewachsen war. Freilich wird hier auch die
Stimmung des von Beustischen Revanchegedanken erfüllten Österreichers mitge-
spielt haben, die bekanntlich beim Ausbruch des großen Krieges mehr mit Napoleon III.
als mit Bismarck sympathisierte.
Schon im Dezember des Jahres 1871 sucht Pettenkofen Paris wieder auf und am 18. Mai
1874 schreibt er nach einigen Worten bitterer Klage über seine Vaterstadt aus
Venedig an Karl v- Kratzer, daß er kommenden Herbst für immer nach Paris gehen
werde. Teilt eine Zeitungsnotiz die Wahrheit mit, so hat er aber schon im Jahre
1864 geplant, sich in Paris ständig niederzulassen, '0 und zuletzt spielt er sogar
noch im Jahre 1888 (in einem Briefe vom 20. Juni an Fräulein Julie Gsell) mit
dem Gedanken, in Paris dauernden Aufenthalt zu nehmen.
119
Vasari erzählt im Leben des Donatello, daß sich dieser nach dem allseitigen
Lob, das er in Padua geerntet hatte, gewaltig nach dem nimmermüden Tadel
seiner Vaterstadt am Arno sehnte und dorthin zurückkehrte, weil ihn jenes Lob
all das, was er gelernt habe, vergessen lasse, während ihn dieser Tadel zum Studium
ansporne und ihm so zu größerem Ruhm verhelfe. Ganz ähnlich scheint Petten-
kofen gefühlt zu haben, nur war es bei ihm die Fremde, von der er, wenn auch
unter stetem Ringen, künstlerische Förderung erhoffte, und die Heimat, in der er
zu versauern fürchtete. Pettenkofen kannte gar wohl die große Gefahr, die „in der
Gewohnheit trägem Gleise" heranschleicht, und scheute keine Mühe, Neues kennen
zu lernen, sich damit zu messen, es selbst zu versuchen. Das Konzept eines Briefes,
das sich noch in einem Notizbuch erhalten hat und etwa im August des Jahres
1888 geschrieben sein muß, bezeugt dies. Der Brief ist an Sedelmeyer in Paris
gerichtet und handelt von Jettel. Es heißt da: „J. ist seiner ganzen Natur nach der
Gewohnheit sklavisch ergeben, die Vergleichung des Gewohnten mit dem erst noch
zu findenden Bessern übt keinen treibenden Reiz mehr [auf ihn] aus, denn die
Scheu vor dem Neuen, welches erst gefunden und mit Anstrengung festgehalten
werden soll, erzeugt Unlust . . . , sich unter Kämpfen um Suchen und Streben auf
ungewohnte Bahnen zu wagen, und das Mißtrauen gegen sich selbst, die Furcht,
das Bestehende über dem Suchen — zu verlieren." Diese Worte, in Bezug auf
Jettel niedergeschrieben, mag sich Pettenkofen am Ende seines Lebens aufbewahrt
haben, weil sie so recht aus seiner eigenen mühsam errungenen Erfahrung ge-
flossen zu sein scheinen. Wohl ist die Fassung ein bißchen schwerfällig und undeut-
lich, der Gedanke selbst aber ist klar und klar ist auch, daß Pettenkofen das „erst
noch zu findende Bessere", das „Neue, welches erst gefunden und mit Anstrengung
festgehalten werden soll", an keinem andern Ort der Welt so verwirklicht oder
doch angedeutet fand wie in Paris und daß er zu der Überwindung der Scheu,
„sich unter Kämpfen um Suchen und Streben auf ungewohnte Bahnen zu wagen,"
durch nichts so angefeuert wurde, wie durch das stark pulsierende, gärende, rast-
lose, hochfliegende Pariser Leben.
Auf die Länge der Zeit hätte er es allerdings nicht auszuhalten vermocht. Seinen
wiederholten Vorsatz, für immer nach Paris zu übersiedeln, führte er niemals aus.
Am 14. März 1879 schreibt er aus München an Franz Xaver Mayer, daß er an
die Isar gezogen sei, weil ihn Paris zu sehr aufrege. Der arme de Nittis seufzt
knapp vor seinem Tode auf: „D'abord, nous quittons Paris. Cette vie me pese;
eile devore", und das, was Edmond de Goncourt „cette fievre, qui est le propre
de l'existence capiteuse de Paris" nennt, hätte auch Pettenkofen schließlich auf-
gerieben.
120
VIERTES KAPITEL
DIE FÜNFZIGER UND
SECHZIGER JAHRE
ie fünfziger Jahre des Jahrhunderts sind die dreißiger Jahre
von Pettenkofens Leben. Es sind unzweifelhaft die künstlerisch
erträgnisreichsten seines ganzen Daseins und nicht bloß darum,
weil aus ihnen die meisten datierten Werke stammen.
Am Beginn der fünfziger Jahre steht ein folgenschweres Er-
eignis. Als Pettenkofen im Frühjahre 1852 nach Paris gereist
war, hatte er das Versprechen der Geliebten mitgenommen,
daß sie ein Jahr lang auf ihn warten wolle. Er hoffte, nach seiner Heimkehr zu-
gleich mit einer Professur an der Wiener Akademie auch die Hand der Geliebten
zu erringen. Aber deren Vater, ein angesehener und wohlhabender Wiener Advokat,
verfolgte andere, ehrgeizigere Pläne mit ihr. Eine von ihm angezettelte Intrige hatte
den Erfolg, daß das Mädchen, noch ehe das Jahr um war, das Pettenkofen gegebene
Wort brach und sich mit einem Manne vermählte, der bereits seit dem Revolutions-
jahr eine hohe Beamtenstelle bekleidete, damit aber erst am Beginne einer der
glänzendsten Laufbahnen im österreichischen Staatsdienst zu stehen schien. 1854
ward er durch Verleihung des Ordens der eisernen Krone und Erhebung in den
erblichen Freiherrnstand ausgezeichnet. 1863 aber wurde er auf einem zwar dem
Range nach hervorragenden, aber politisch indifferenten Posten kalt gestellt. Nie-
mand, er selbst wohl am wenigsten, ahnte damals, daß er es sein ganzes ferneres,
fast noch zwei Menschenalter währendes Leben bleiben sollte.
Als Pettenkofen 1853 heimkehrte, wollte er zuerst die Geliebte und sich selbst
erschießen. Er tat es nicht. Die Geliebte gab sich ihm als das Weib des andern,
das sie war, zu eigen. Aus unsäglich rührenden Aufzeichnungen von Pettenkofens
Hand, die aus jenen Tagen stammen und sich erhalten haben, geht hervor, daß er
damals ein Marienbild malen wollte, das die Geliebte „zur Sühnung ihrer ihr kaum
bewußten schweren Schuld" in die Martinskirche bei Klosterneuburg stiften sollte. 0
Die merkwürdige Frau, die zeitlebens mit ihrem Manne vereint blieb, brachte es
nun zuwege, ungefähr zwanzig Jahre hindurch mit Pettenkofen ein Verhältnis zu
unterhalten, in dessen Verlauf sie sogar mit ihm zusammen gereist sein soll. Waren
die Liebenden getrennt, so verkehrten sie brieflich miteinander. Die Briefe der Frau
121 . 16
ließ Pettenkofen noch auf dem Sterbebett vernichten. Sie hingegen vererbte seine
Briefe einer entfernten Verwandten und treuen Freundin von ihr, die all die Jahre
hindurch die Vertraute der beiden gewesen war. An den Namen dieser Freundin
waren alle Briefe Pettenkofens gerichtet. Als diese Freundin knapp vor ihrem Tode
fast alle Briefe verbrannte, erriet sie vielleicht nicht, was jene sonderbare Frau
eigentlich gewollt hatte. Es wird erzählt, daß sie sich in ihrem Alter ihrer Bezie-
hungen zu Pettenkofen gerühmt habe, und damit stimmt überein, daß sie seine
Briefe bloß weitergegeben und nicht selbst vernichtet und ihr von seiner Hand ge-
maltes Bildnis einer Wiener öffentlichen Sammlung letztwillig vermacht hat. Die
spärlichen Reste, die sich von Pettenkofens Briefen an die geliebte Frau erhalten
haben, sind immerhin bedeutend genug, um erkennen und aufs lebhafteste be-
dauern zu lassen, daß da für das Verständnis nicht nur des Menschen, sondern
auch des Künstlers höchst wichtige Dokumente verloren gegangen sind.
Zweifellos war jene eigentümliche Frau für Pettenkofen „la femme de sa vie",
und seine Beziehungen zu ihr dürfen, sucht man seinen Werdegang und sein Wesen
zu begreifen, nicht außer Acht gelassen werden. In der Jugend überstrahlte wohl
die romantische Seite des Verhältnisses alles Bedenkliche und Widerwärtige, das
damit verbunden war, in den fünfziger Jahren war die Freude am wenn auch heim-
lichen und widerrechtlichen Besitz der Geliebten dem künstlerischen Schaffen mehr
ein Ansporn als ein Hemmnis. Später, wohl schon in den sechziger Jahren, werden
die Schattenseiten stärker hervorgetreten sein und auch die künstlerische Produk-
tion ungünstig beeinflußt haben. Das Kernfaule, alles Unerquickliche und Ermüdende
des Verhältnisses wird den Gegensatz der beiden Charaktere und Temperamente,
der von Anfang an vorhanden gewesen zu sein scheint, um so qualvoller verschärft
haben, je mehr naturgemäß die Leidenschaft verglomm. Jedenfalls wird man
schwerlich fehl gehen, wenn man bei der Betrachtung von Pettenkofens Leben
zum Beispiel seine Unrast und seinen Widerwillen gegen Wien wenigstens teil-
weise mit jenem Verhältnis in Zusammenhang bringt oder wenn man die Wurzeln
seiner Nervosität und Hypochondrie, zweier verwandter Übel, mit welchen beiden
wieder, einem bekannten schlimmen Zirkel gemäß, zugleich als Ursache und als
Wirkung seine Krankheit unzertrennlich verwachsen ist, bis eben in jenes Ver-
hältnis zurückverfolgt. Ja vielleicht ist es sogar nicht einmal zu weit gegangen,
wenn man auch in gewissen Vorwürfen von Pettenkofens Malerei, die von den
fünfziger Jahren bis in die achtziger Jahre immer wiederkehren, wie dem Stelldich-
ein und dem Zweikampf, Reflexe jenes Verhältnisses wiederzufinden vermeint. —
Beim Überblick über die fünfziger und sechziger Jahre oder genauer gesprochen :
über jenen Zeitraum, der einerseits durch den Beginn des eben geschilderten Ver-
hältnisses und die erste Reise nach Paris am Anfang der fünfziger Jahre und ander-
seits durch den ersten längeren Aufenthalt in Venedig, die Erneuerung der Be-
kanntschaft mit Leopold Karl Müller und den Abbruch jenes Liebesverhältnisses
in den ersten siebziger Jahren begrenzt wird — beim Überblick über diese Epoche
wird es sich empfehlen, zuerst das karge Tatsachenmaterial, insofern es nicht aus
künstlerischen Werken besteht und wie es an der Hand des Tagebuches und der
Briefe zusammengebracht werden kann, von sachlichen und chronologischen Ge-
122
Sichtspunkten aus, so gut es
geht, zu gruppieren. Selbst-
verständlich muß dabei alles
auf Paris und Szolnok Be-
zügliche als bereits erwähnt
beiseite gelassen werden.
Dann erst soll eine Übersicht
über die malerischen Lei-
stungen der Periode folgen.
Im Frühjahre 1853 nimmt
Pettenkofen auf der Heim-
fahrt von Paris nach Wien
den Umweg über Belgien,
es kennen zu lernen. Seine
neuen Pariser Freunde, der
Brüsseler Stevens und der
Lütticher Willems mögen
ihn dazu veranlaßt haben.
Lange kann der Aufenthalt
kaum gedauert haben. Das
Geld wird nicht allzu reich-
lich gewesen sein, und die
Sehnsucht, die Geliebte wie-
derzusehen, wird nachhause
getrieben haben. 1855 be-
rührt er auf der Fahrt von
Wien nach Paris Brüssel. Im
September des Jahres 1858
hält er sich, bevor er nach
Paris geht, in Blankenberghe
und Ostende auf. In den
Herbst des Jahres 1862 fällt
ein etwas längerer Aufenthalt \
in den Niederlanden. Station
wird in Antwerpen, dem
Haag, Amsterdam, Rotter-
dam, Scheveningen und Ost-
ende gemacht. Über den Ein-
druck, den er von Holland
empfangen hat, äußert sich
Pettenkofen in einem Briefe
vom 15. September aus Am-
sterdam an Mayer in Wien
folgendermaßen: „Mit großem ^"'°" ^"'^°^"- Kreidezeichnung. .86..
.a-
< Ȋr/
Wien, Charlotte Reithoffer.
123
l6«
Bedauern scheide ich morgen oder übermorgen, um nach Belgien zu gehen,
aus Holland, für welches ich die wenigen Tage meines Hierseins eine unaus-
sprechliche Neigung gefaßt; aber es ist kein Land für meine Tätigkeit an Ort und
Stelle. Ich habe hier sehr, sehr vieles von großem und bleibendem Nutzen gesehen
und beobachtet, vor allem aber mir zu meiner größten Ermunterung die volle
Überzeugung persönlich verschafft, daß die Sympathie, welche mein bescheidenes
Talent hier bereits gefunden, eine fortwährende Quelle der Ermutigung und des
materiellen Nutzens für mich sein und bleiben wird." Zum Verständnis des letzten
Passus' sei bemerkt, daß einerseits Pettenkofen schon im Jahre 1857 von der
Königlichen Akademie der bildenden Künste in Amsterdam zu ihrem Mitglied er-
nannt und daß anderseits sein Gemälde vom Jahre 1853 „Nach dem Duell" schon
im Jahre 1858 vom Museum Fodor in Amsterdam angekauft worden war, freilich
nicht unmittelbar vom Künstler selbst, sondern auf der Pariser Versteigerung
A. Willet, und zwar um den ansehnlichen Preis von 1474 holländischen Gulden.
Aber nicht nur nach den Niederlanden, sondern auch nach Italien, der anderen
Kunstheimat, die gegenüber Frankreich im Lauf der Zeit hatte zurücktreten müssen,
unternahm Pettenkofen in den fünfziger und sechziger Jahren Reisen. Die Erinne-
rungen aus seiner Militärzeit werden ihn hingezogen haben. Es ist auch Venedig,
das er zuerst, und zwar im Frühling des Jahres 1858 aufsucht. Aber seines Bleibens
scheint dort nicht lange gewesen zu sein. Jedenfalls spiegelt sich dieser Aufenthalt
nicht in seinen Bildern wieder. Die Volksstimmung mag dort, namentlich für den
Österreicher und gar für den ehemaligen österreichischen Soldaten recht unbe-
haglich gewesen sein. Pettenkofen war im April, vielleicht auch noch im Mai dort,
Richard Wagner kam Ende August hin. Er erzählt in seinen Memoiren, daß die
österreichische Militärmusik allabendlich auf dem Markusplatz spielte, unter anderm
auch die Ouvertüren seines „Rienzi" und seines „Tannhäuser". Die dicht versam-
melte Menge hätte aufmerksam gelauscht, niemals hätten sich aber nach dem
Schluß eines Stückes zwei Hände erhoben, um zu applaudieren. Diese Stille und
Ruhe hätten bei dem sonst so lebhaften und geräuschvollen italienischen Publikum
doppelt unheimlich gewirkt. Aber jeder dem österreichischen Orchester gespendete
Beifall wäre als Verrat am Vaterland angesehen worden. „An dieser sonderbaren
Spannung zwischen Publikum und Behörde litt nun eben alles öffentliche Leben
in Venedig und namentlich äußerte sich dieses auffallend in dem Verhalten der
Bevölkerung gegen die österreichischen Offiziere, welche in der venezianischen
Öffentlichkeit wie Öl auf dem Wasser herumschwammen."") So ist es nur zu be-
greiflich, daß Pettenkofen damals in Venedig nur kurz verweilt und vor allem
daß er damals dort keine Muße zur Arbeit gefunden hat. Aber schon im folgenden
Sommer reist er wieder nach Italien. Aus der Eintragung, die sich unter dem
21. Juli 1859 in seinem Tagebuch iindet und „[von Wien] abgereist nach Italien"
lautet, läßt sich der Schluß ziehen, daß er die Absicht hatte, zu längerem Aufent-
halt nach Italien zu fahren. Es ist, als ob er sich der Hoffnung hingegeben hätte,
nach dem am 11. Juli abgeschlossenen Frieden von Villafranca, der Österreich die
Lombardei kostete, in Venezien günstigere Verhältnisse anzutreffen als im Vorjahr.
Daß dies ein Irrtum war, beweist der rasche Verlauf seiner Reise: am 24. Juli ist
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Kaiser Franz Josef I. bei der DonauUberschwemmung in Wien im Jahre 1862. Ölbild. 1862. Wien, Städtisches Museum.
er in Venedig, am 25. in Verona, am 27. in Casarsa, am 31. in Nabresina und
am 1. August schon wieder in Wien. Das Frühjahr 1863 aber sieht ihn schon
wieder in Venedig, wo er sich vom 16. März bis zum 12. April aufhält. An
125
diesem Tage reist er nach Treviso und Pordenone ab, zwei Orten, von denen er
wenigstens den letzteren ebenfalls noch von seiner Militärzeit her kannte, weil er
1841 und 1842 dort auf Manöver gewesen war. In den Mai und den Juni des
Jahres 1865 fällt eine längere Reise durch Italien, die aber die dem Künstler be-
reits bekannten Orte vermeidet und ihn nur neue kennen lehrt. Sie führt ihn nach
Mailand, Genua, Pisa, Florenz, Rom und Turin. Aber sowohl in Genua, als auch
in Florenz hält er sich nur je ein paar Tage auf, in Rom dagegen verweilt er
über anderthalb Monate. Alle diese Aufenthalte jedoch scheinen für seine künst-
lerische Produktion ziemlich unfruchtbar geblieben zu sein, wenigstens findet sich
unter seinen sämtlichen Arbeiten kaum eine bedeutendere, deren Vorwurf auf einen
auf jenen Reisen berührten Ort zurückgienge. Erst ein Aufenthalt im Frühling
1867 in Riva, das freilich nur national zu Italien gehört, erweist sich als malerisch
oder richtiger gesagt: zeichnerisch ergiebig. "Wenn aber auch die damals in Riva
entstandenen Arbeiten Pettenkofens künstlerisch nicht allzu hoch zu bewerten sind,
so hat es doch den Anschein, als ob erst der Prager Friede, durch den Österreich
auch Veneziens verlustig gieng, hätte geschlossen werden müssen, damit Petten-
kofen auf italienischem Boden Muße zur Arbeit fände. In den Mai des Jahres 1869
fällt abermals ein längerer Aufenthalt in Riva, von wo Pettenkofen auch, aber
nur für einen Tag, einen Abstecher nach Verona macht.
In Deutschland hält sich Pettenkofen während der zwei Jahrzehnte, von denen
hier die Rede ist, mit einer einzigen Ausnahme nirgends länger auf, als man
braucht, eine etwas ermüdende Tour zu unterbrechen, einen flüchtigen Überblick
über eine fremde Stadt zu gewinnen und sich etwa eine unbekannte Galerie oder
eine neue Ausstellung rasch anzusehen. 1855 berührt er auf der Fahrt nach Paris
Berlin und Köln, 1856, demselben Ziele zustrebend, Leipzig und Frankfurt, 1858
reist er abermals über Leipzig nach Paris, 1859 hält er sich ein paar Tage in
Frankfurt auf, 1860 kommt er auf seiner Pariser Fahrt über Berlin, Düsseldorf und
Aachen und der Rückweg nach Wien führt ihn über Köln und Dresden. 1861 geht
es nach Paris über München und über München auch wieder zurück nach Wien,
1862 fährt er über München und über Köln nach den Niederlanden und auch die
Heimfahrt nach Wien unterbricht er für ein paar Tage in München, im nächsten
Jahre reist er gleichfalls über München und Köln nach Paris, 1865 kehrt er über
München von Paris nach Wien zurück, 1866 fährt er über München und Straßburg
nach Paris. Diese häufige W^iederkehr von München als Station auf den Reisen
der sechziger Jahre hat gewiß ihren Grund, die Aufenthalte sind aber so kurz (der
längste währt, den Tag der Ankunft und den Tag der Abfahrt mitgerechnet, drei
Tage), daß es ungewiß bleibt, ob der Besuch einer Sammlung, einer Ausstellung
oder eines Ateliers oder etwa bloß die Bequemlichkeit der Eisenbahnverbindung
dazu veranlaßt haben. Vielleicht aber ist es mehr als bloßer Zufall, daß Pettenkofen,
der in den fünfziger Jahren immerhin zweimal nach Berlin gekommen ist, in den
sechziger Jahren, da endlich Preußens und Österreichs schon seit langem geführter
Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zur offenen Austragung kommt, die
größte Stadt Süddeutschlands auffallend bevorzugt, Berlin aber vermeidet. (Er ist
auch in seinem Leben nie mehr hingekommen.) Jedenfalls findet der schon oben
126
l
Pferde am Ziehbrunnen. Ölbild.
Budapest, Graf Ludwig Kärolyi.
127
angedeutete längste Aufenthalt, den Pettenkofen während der in Rede stehenden
zwei Jahrzehnte in Deutschland nimmt, nicht in einer Kunst-, sondern in einer
Badestadt, in Ems statt, wohin er am 28. Juli 1858 von Paris über Köln, Lahn-
stein und Koblenz fährt und wo er dann über einen Monat die Kur gebraucht.
In den Mai des Jahres 1865 fällt eine kleine Schweizer Reise.
Im selben Jahre gliedert Pettenkofen diesem Aufenthalt in den helvetischen Alpen
einen in den österreichischen an; im Sommer des Jahres 1863 verbringt er kurze Zeit
im Salzkammergut, im Herbst des Jahres 1866 und in den Sommern der beiden
folgenden Jahre verweilt er bald kürzer, bald länger in den österreichischen Alpen,
und in den April des Jahres 1869 fällt der schon erwähnte Aufenthalt in Südtirol.
Diesen tatsächlich ausgeführten Reisen sei noch ein Reiseplan angereiht, der nie-
mals zur Ausführung gelangt ist. In dem schon zitierten Schreiben an Karl von
Kratzer, das vom 4. März 1858 aus Wien datiert ist, teilt Pettenkofen dem Freunde
mit, daß er nächsten Sommer über Paris nach London reisen und dort ein Jahr
bleiben wolle. Die Scheu vor der Seefahrt und der ihm völlig fremden englischen
Sprache scheint ihn damals ebenso wie später davon abgehalten zu haben, seinen
Plan ins Werk zu setzen.
In diesen zwanzig Jahren verbringt Pettenkofen jedes Jahr längere Zeit in seiner
Vaterstadt; entsprechende Wiener Aufenthalte werden auch für die Jahre 1854 und
1864, für die das Itinerar versagt, anzunehmen sein.
Für die fünfziger und sechziger Jahre läßt sich noch feststellen, wo Pettenkofen
in Wien gewohnt hat. Im September 1853 zieht er von der Wieden in das Haus
Nr. 274 auf der Währingerstraße. Ist der Mitteilung eines Ausstellungskataloges')
zu trauen, so hat er auch schon im Jahre 1851 in Währing gewohnt. Im Jänner
1856 ist seine Wiener Adresse: „Landstraße, Glacis Nr. 500 [heute Heumarkt Nr. 9],
3. Hof, 3. Stock." Im März 1858 wohnt er wieder Währingerstraße 274. Diese
Wohnung hatte er übrigens von nun an bis zum Jahre 1870 inne, in welchem
das Haus dem Neubau des Palais' Chotek (heute ist dieses in das „Atelier für
Wohnungseinrichtungen" von F. O. Schmidt umgewandelt) zum Opfer fiel. Der Ab-
bruch jenes ihm lieb gewordenen schön gelegenen alten Hauses gieng Pettenkofen
so nahe, daß er sich darnach wie heimatlos vorgekommen sein soU.O —
Pettenkofens Freund- und Bekanntschaften, die den fünfziger und sechziger Jahren
angehören und im folgenden besprochen werden sollen, stammen fast alle aus Wien;
von den anderen ist eben schon in den beiden vorhergehenden Kapiteln die Rede ge-
wesen.
Zuerst möge der Künstler gedacht werden.
Pettenkofen war sowohl mit Ignaz Raffalt, dem Vater, als auch mit Johann Gual-
bert, dem Sohne, sehr gut. Des Alten, der im Freundeskreis einfach „der Nazi"
genannt wurde, nimmt er sich in einem Pariser Brief vom 23. Mai 1855 an Franz
Xaver Mayer in Wien mit folgenden Worten, deren völliger Sinn heutzutage frei-
lich nicht mehr zu erschließen ist, wärmstens an: „Aus Ihren lieben Zeilen ersehe
ich zu meiner Freude, . . . daß Sie auch den Nazi nicht vergessen. Sie tuen recht
daran, er verdient es auch; er, der Nazi, hat genug für Sie getan, so daß Sie auch
einmal etwas für ihn tuen können." Und am Schlüsse des Briefes heißt es noch-
128
Schimmel. Ölbild.
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
mals: „ . . . vergessen Sie den Nazi nicht." In eine Landschaft Ignaz Raffalts im
Besitz Franz Xaver Mayers (sen.; heute befindet sie sich im Besitz des gleich-
namigen Sohnes) hat Pettenkofen ein paar Schweine hineingemalt. Auch an einera
anderen Bilde des alten Raifalt, einer Klosterneuburger Landschaft, soll er mit-
gearbeitet haben. ^) Durch die Bedeutung, die Ignaz Raffalt, der „Wolken-Raffalt",
auf seinen Bildern der Luft beimaß, mag Pettenkofen dazu angeregt worden sein,
auch seinerseits als Maler der Luft eine erhöhte Aufmerksamkeit zu schenken. Der
ältere Raffalt starb im Sommer des Jahres 1857; auf einem jener berühmten Aus-
flüge, die die Künstler des alten Wien in die wunderschöne Umgebung ihrer Vater-
stadt zu veranstalten pflegten, traf ihn der Schlag.
Pettenkofen scheint die Freundschaft, die ihn mit dem älteren Raffalt verbunden
hatte, auf dessen Sohn Johann, der um vierzehn Jahre jünger als er selbst war,
übertragen zu haben. Am 22. März 1860 erkundigt er sich von Paris aus bei Kratzer
nach Raffalts Befinden und läßt ihn auffordern, ihm zu schreiben. Mitte Juli des
Jahres 1863 reist er „mit Raffalt nach Salzburg, Zell am See und Szolnok". Am
27. April des Jahres 1865 fährt er mit Raffalt von W^ien nach Graz, wo sie s;ch
einen Tag lang aufhalten, und von da über Triest nach Mailand. Er scheint dann die
bereits erwähnte italienische Reise fast ganz in Raffalts Gesellschaft gemacht und
129
17
sich erst am 29. Juni in Rom von ihm getrennt zu haben, um über Turin nach
Paris zu fahren. Am 10. August desselben Jahres, also noch nicht dreißigjährig, ist
dann Raffalt in Rom gestorben. Dieser Tod, der Pettenkofen sehr nahe gegangen
sein muß, findet sich auf einem Zettel aus seinem Nachlaß notiert. Johann Raffalt
war auch mit Leopold Karl Müller befreundet. Raffalt, der sehr begabt war, zeigt sich,
wie schon erwähnt, in gewissen Bildern, namentlich solchen, die das österreichische
Soldatenleben behandeln oder ihre Motive der Puszta entlehnen, deutlich von Petten-
kofen abhängig. Er scheint sich besonders jene Malereien Pettenkofens, die, wie
wir noch sehen werden, mit ihrem grellen Licht und ihren schweren Schatten an
Decamps anknüpfen, zum Vorbild gewählt zu haben. Im Wiener Kunsthandel war
im Frühling des Jahres 1913 ein Bild zu sehen, das zwei ungarische Bauern mit
ihren Pferden an einer sandigen Böschung darstellt und der Tradition nach von
Johann Raffalt und von Pettenkofen gemalt sein soll. Tatsächlich stach die Malerei
des dunkelbraunen Pferdes von allem übrigen ab und war Pettenkofens Hand gar
wohl zuzutrauen.
Das Hauptwerk, das Johann Raffalt hinterlassen zu haben scheint, ein umfäng-
liches Bild, das einen figurenreichen, vielfach bewegten ungarischen Pferdemarkt
darstellt, erinnert an einen anderen hochbegabten Künstler, der auch noch in jugend-
lichem Alter in der ersten Hälfte der sechziger Jahre zu Wien starb und den Petten-
kofen gleichfalls kannte und sehr hoch schätzte: an Teutwart Schmitson. Schmitson,
dessen romantischer Lebensgang bei Wurzbach") nachgelesen werden möge, zeich-
nete sich durch Pferdestücke großen Formates aus. Pettenkofen, seit seiner vor-
märzlichen Periode auf seinen Bildern jede Bewegung vermeidend, wird an Schmitson
neben der allgemeinen Großzügigkeit und der breiten saftigen Malweise besonders
die vorzügliche Wiedergabe der bewegten Tiere bewundert haben. Schmitson ge-
hört neben Rudolf Alt, Pettenkofen, Troyon und Waldmüller zu den in der Galerie
Friedrich Gsells am stärksten vertretenen Künstlern. Pettenkofen kann Schmitson
durch Plach oder durch Gsell kennen gelernt haben. Daß er sehr große Stücke von
ihm gehalten hat, geht daraus hervor, daß sich in seinem Nachlaß nicht weniger
als neunzehn Zeichnungen des Frankfurter Künstlers, größtenteils Aktstudien, vor-
gefunden haben. Von einer „Skizze Schmitsons" hatte er sich schon früher getrennt;
er hatte sie im Jahre 1871 um zweihundert Gulden dem Maler Ethofer verkauft.
Pettenkofen soll vor Bildern Schmitsons sogar einmal geäußert haben, solchen
Sachen gegenüber käme man sich wie ein Bub vor und täte besser daran, die
Malerei überhaupt aufzugeben.') Unter Pettenkofens Notizen finden sich einmal
hinter dem Namen Schmitsons die unverständlichen Worte „im 28. Regiment".
Wie schon erwähnt, ist Pettenkofen wahrscheinlich durch Schmitson mit dem
Frankfurter Maler Schreyer bekannt geworden; jedenfalls hat er von Schmitson,
der mit Menzel befreundet war, viel von diesem gehört.
Daß Pettenkofen schon 1867 mit Otto von Thoren und dessen Familie in freund-
schaftlichem Verkehr gestanden hat, ist aus einem vom 13. November dieses Jahres
datierten Briefe an Kratzer zu ersehen.
Sind dies die paar Künstler, mit denen Pettenkofen zu jener Zeit einzig und allein
in Wien näher verkehrt zu haben scheint, so muß im folgenden vor allem von
130
Bauerngarten in Hallstatt. Ölbild. (1883?)
Wien, S. Kende.
zwei Männern gesprochen werden, die zwar nur als Händler und als Sammler
mit der Kunst zusammenhängen, aber auf Pettenkofens Leben von größtem Einfluß
waren.
Mit dem Kunsthändler Georg Plach hatte Pettenkofen, wie schon mitgeteilt wurde,
vermutlich bereits vor seiner ersten Reise nach Paris zu tun. Daß sich Plach aber
erst dann für Pettenkofen werktätig interessiert hat, nachdem sich dieser auch in
Paris einen Namen gemacht hatte, darf wohl als ausgemacht gelten. In Petten-
kofens Briefen und Notizbüchern tritt der Name Plachs erst im Jahre 1856 auf.*)
Setzt dieses Datum den tatsächlichen Beginn von Pettenkofens Beziehungen zu
Plach ungefähr um fünf Jahre zu spät an, so wird dagegen der 12. April 1877,
unter dem Pettenkofen in seinen Notizbüchern zum letzten Mal einen Verkauf an
Plach einträgt, so ziemlich richtig den Termin angeben, zu dem sich jene Bezie-
hungen zu lösen angefangen haben. In der Zwischenzeit aber stand Pettenkofen
mit Plach in reger geschäftlicher Verbindung. Plach ist im Jahre 1884 gestorben.
Er war für Pettenkofen schon darum von großer Bedeutung, weil er ihn mit einem
Käufer großen Stiles bekannt gemacht hat, auf den Pettenkofen fast zwei Jahrzehnte
hindurch zählen durfte, mit Friedrich Gsell. Wie eifrig dieser Arbeiten Pettenkofens
gesammelt hat, erhellt daraus, daß im Katalog der Auktion seines Nachlasses, die
im März des Jahres 1872 unter Plachs Leitung im Wiener Künstlerhaus stattfand,
nicht weniger als 132 Nummern Werke Pettenkofens sind. Mit Gsell aber stand
131
17»
Plach, wie er im Vorwort des eben genannten Kataloges selbst mitteilt, seit der
Versteigerung der Barono wsky sehen Galerie im Jahre 1849 in Geschäftsverbindung.
Über Plachs Bedeutung für den Wiener Kunsthandel in der Zeit von 1850 bis
1880 und über seinen beruflichen Werdegang ist Theodor von Frimmels Geschichte
der Wiener Gemäldesammlungen") nachzuschlagen. Hier seien bloß ein paar Streif-
lichter auf Plachs Charakter geworfen. Er besaß eine feine Witterung, war außer-
ordentlich regsam und ließ sich bei seinen Geschäften nicht leicht durch Skrupel
beirren. Besonders gern kaufte er um billiges Geld die „Attributen", wie er
sich ausdrückte, die er dann zu den höchsten Preisen als eigenhändige Werke
der betreffenden Meister an den Mann zu bringen verstand. Von jedem Bilde
wußte er eine Geschichte zu erzählen. Zu lügen und sich zu verstellen war ihm
zur zweiten Natur geworden. Sogar den Schauspielern vom Burgtheater, mit
denen er häufig nach der Vorstellung zusammentraf, spielte er Komödie vor; er
erzählte ihnen die unglaublichsten Sachen und trieb solche Narrheiten, daß sie aus
dem Staunen und dem Lachen gar nicht herauskamen. Er sprang mit Künstlern und
Käufern, auch wenn sie seine Freunde waren, auf das unerhörteste um. Da er
aber Witz und Phantasie und vor allem eine unverwüstliche gute Laune besaß,
so war es selbst für die Geschädigten schwer, ihm ernstlich böse zu werden. Doch
hatte er einmal wegen des Verkaufes falscher Bilder eine schlimme Affäre mit der
Künstlergenossenschaft. Man erzählt Stücke folgender Art von ihm: Er gabelte
zum Beispiel irgendwo ein hübsches Mädel auf, setzte sie in einen Fiaker, fuhr
mit ihr zu Amerling, gab ihm einen Hunderter und bewog ihn, sie zu malen. War
er so in den Besitz eines Bildes gelangt, verkaufte er es womöglich auf der Stelle
mit großem Profit an seinem Stammtisch, dem unter anderen der alte Raffalt und
ein gewisser Holle, ein preußischer Amateur, '") angehörten. Ein anderes Mal kaufte
er von Amerling ein Bild, das den dicken alten Raffalt als Falstaff darstellte, und
ließ zwei Kopien darnach anfertigen. Alle beide hieng er zwei Bekannten, eine
jede natürlich als das Original, an, und als der eine wutschnaubend zu ihm kam
und ihm vorhielt, er hätte ihn versichert, ihm ein Original Amerlings zu ver-
kaufen, in Wahrheit aber besitze der und jener das Original und ihn habe er mit
einer Kopie aufs Eis geführt, beschwichtigte er ihn mit den Worten: „Aber dem
dummen Kerl, der gar nichts von Bildern versteht, werd' ich doch nicht das Ori-
ginal geben. Das Original haben natürlich Sie." Und dem andern sagte er das
Gleiche. Er selbst aber hatte noch das echte Bild zu verkaufen. Als einmal ein
Photograph zu ihm kam und sich erbot, ihm durch Übermalen photographischer
Abzüge rasch und leicht täuschende Kopien von Bildern herzustellen, gab er ihm
sofort eines von Pettenkofen mit, auf daß er die neue Kunst daran probiere. Plach
hatte auch eine Frau, deren Schönheit stadtbekannt war. Hans Makart, einer der
letzten Schützlinge Plachs, hat sie lebensgroß gemalt. (Das Bild befindet sich heute
in der Österreichischen Staatsgalerie.) Auch seiner schönen Gattin wußte sich Plach
bei seinen Geschäften nicht weniger vorteilhaft als unbekümmert zu bedienen. Aus
Plachs Geschäft sind, ihm im Charakter überlegen und an Tüchtigkeit nicht nach-
stehend, die Kunsthändler Charles Sedelmeyer in Paris") und Friedrich Schwarz
in Wien hervorgegangen. Pettenkofen wird nicht nur lange Zeit von Plach, der
132
ihm praktisch natürlich
turmhoch überlegen war,
materiell abhängig gewe-
sen sein — war er doch,
wie wir noch sehen wer-
den, bis an sein Lebens-
ende dessen Schuldner —
sondern es werden ihn
auch trotz allem Bedenk-
lichen im Wesen des
Mannes dessen Originali-
tät und Begabung immer
wieder angezogen haben.
Plach dürfte es auch,
wie gesagt, gewesen sein,
durch den Pettenkofen
Friedrich Gsell kennen ge-
lernt hat. Gsell, von Ge-
burt ein Elsässer, war ein
großer Wollhändler. Er
kaufte die Wolle in Un-
garn und verkaufte sie wei-
ter. Den Grund zu seinem
Vermögen hatte er in Dien-
sten der Straßburger Firma
Joltrois & Ehrmann gelegt.
Bilder zu sammeln, hatte
Gsell Ende der vierziger
Jahre begonnen. Seine mei-
sten Ankäufe wurden ihm wohl durch Plach vermittelt. Da er sehr reich war, noch zu
einer verhältnismäßig wohlfeilen Zeit sammelte, selbst Geschmack und Verständnis
besaß, sich gut beraten ließ und bei seinen Ankäufen zielbewußt und großzügig vor-
gieng, so gelang es ihm, in den wenig mehr als zwanzig Jahren seiner Sammeltätigkeit
eine Galerie zustande zu bringen, die als die immerhin rasch entstandene Sammlung
eines Privatmannes ihresgleichen suchte. Der Katalog der Versteigerung von Gsells
Nachlaß legt heutzutage eigentlich allein mehr geschlossenes Zeugnis von der Bedeu-
tung dieser Wiener Privatgalerie ab. Auf die kostbaren alten Bilder, die größtenteils in
den angesehensten öffentlichen Kunstbesitz übergegangen sind, einzugehen, ist hier
natürlich nicht der Platz, doch sollen einige von ihnen im Zusammenhang mit
Pettenkofen weiter unten zur Sprache kommen. Unter den modernen Meistern, die
in Gsells Galerie vertreten waren, seien zuerst alle Pariser genannt, für die Petten-
kofen, wie bereits zu zeigen versucht wurde, Interesse hatte : Decamps (3 Ölbilder
und 1 Zeichnung), Diaz (3 Ölbilder), Dupre (1 Ölbild), Fromentin (1 Ölbild), Ge-
rome (1 Ölbild und 1 Zeichnung), Meissonier (1 Ölbild), Millet (2 Ölbilder), Raffet
Kleines Mädchen in der Tür eines Salzburger Bauernhauses. Ölbild. (1864.)
Wien, Franz Xaver Mayer.
133
I^f^^l00m^.: ■^^q\:.rp^j^j!:-^.s?pms^wmm^^ (5 Ölbilder und 14 Aquarelle und Zeich-
nungen), Ricard (1 Ölbild), Rousseau
(2 Ölbilder), Stevens (2 Ölbilder), Troyon
(20 Ölbilder und 18 Zeichnungen und
Aquarelle), Willems (2 Ölbilder). Von den
hervorragenderen Österreichern waren in
der Sammlung, abgesehen von Petten-
kofen, zu finden: Rudolf Alt (2 Ölbilder
und 299 Aquarelle und Zeichnungen),
Amerling (1 Ölbild und 2 Zeichnungen),
Canon (1 Ölstudie), Daffinger (1 Miniatur),
Danhauser (1 Ölbild und 1 Zeichnung),
Gau ermann (6 Ölbilder und 144 Ölstudien
und Zeichnungen), Heicke (1 Ölstudie),
Johann Nepomuk Geiger (4 Federzeich-
nungen), Remi van Haanen (1 Ölskizze),
Jettel (3 Ölbilder), Kriehuber (30 Aqua-
relle und Zeichnungen), Laufberger
(1 Federzeichnung), Lichtenfels (1 Öl-
bild), Johann Raffalt (1 Ölbild und 8 Stu-
dien), Ranftl (1 Aquarell), Schmitson,
wenn man ihn zu den Österreichern rech-
nen darf, (25 Ölbilder, 102 Studien und
2 Zeichenbücher), Schönn (2 Ölbilder),
Schrödl (7 Zeichnungen), Straßgschwandt-
ner (1 Ölbild und 66 Zeichnungen) und
der letzte, nicht der schlechteste: Wald-
müller (36 Ölbilder).
Diejenige Seite von Gsells Wesen, die
^ für Pettenkofen vor allem in Betracht
, ^ • u • nr r •■ ^ ^ T.-. , . ^ kam, ist durch seine Galerie wohl am
Zigeunerknabe, sich eine Pfeife anzündend. Rotelstudie.
Reichenberg, Frh.v.Uebiegsche Gemäldesammlung der Stadt. besten Und Vollständigsten Veranschau-
licht. Hatte zuerst Plach zwischen Petten-
kofen und Gsell vermittelt, so stand Pettenkofen jedenfalls vom Jahre 1861 an mit
Gsell direkt in Verbindung. In dem ältesten Bilderverzeichnis von Pettenkofens
Hand, das sich aus seinem Nachlaß erhalten hat, findet sich nämlich die Notiz,
daß er am 24. Dezember 1861 um sechshundert Gulden Herrn Gsell eine „Markt-
szene mit Pferden" verkauft habe. Es ist dies das erste Mal, daß in den auf uns
gekommenen Aufzeichnungen Pettenkofens der Name Gsells vorkommt. Von da an
aber kehrt er in Verbindung mit verkauften Bildern oder erhaltenen Beträgen in
den Notizbüchern immer wieder, bis sich am 25. September des Jahres 1871 Gsells
Tod verzeichnet findet.
An dritter Stelle — wahrlich nicht nach der Bedeutung, die ihm für Pettenkofens
Leben zukommt — ist hier Franz Xaver Mayer zu nennen. Dieser väterliche Freund
. 134
Pettenkofens steht in dessen
ganzem Leben wie eine un-
verrückbare Säule da. Er
ist derjenige, auf den sich
Pettenkofen jederzeit und
in allen Lagen unbedingt
verlassen konnte. Franz
Xaver Mayer tritt, wie
schon erwähnt, in Petten-
kofens Leben zum ersten
Mal als der vierte Tabular-
gläubiger auf, der bei der
öffentlichen Versteigerung
von Pettenkofens über und
über verschuldetem väter-
lichen Gut Reiteben im
Jahre 1835 nicht mehr be-
friedigt werden konnte.
Vom Jahre 1835 an bis
zum Jahre 1851 läßt sich
ein Verkehr Pettenkofens
mit Mayer zwar nicht ur-
kundlich belegen, doch
spricht alles dafür, daß sich
dieser auch während jener
Zeit um den heranreifenden
Künstler gekümmert hat.
Vom 18. Oktober 1851 aber
bis zum 29. Oktober 1888,
also wenige Monate vor
Pettenkofens Tod, haben
sich fast hundert Briefe von
ihm an Mayer erhalten.
Es ist die ausgedehnteste
Korrespondenz, die Pettenkofen während seines Lebens geführt hat. Gleich der erste
Brief schlägt den Ton an, der für sämtliche die langen siebenunddreißig Jahre hin-
durch charakteristisch bleibt. Es heißt da: „Hochgeehrter Herr von Mayer, teurer,
edler Freund!! . . . Wie soll ich mich, wo ich Ihnen so vieles zu sagen habe, . . .
an eine schriftliche Aussprache meines tiefgefühlten Dankes machen für die so
freundliche Bereitwilligkeit, mit der Sie mir die Last materieller Sorgen zu verrin-
gern suchen und mir so mehr Zeit und Gedanke[n] für meine Kunst geben." Im
schon zitierten Pariser Brief vom 23. Mai 1855 heißt es ferner: „ . . . Verzeihen
Sie, daß man Sie mit meinen Wohnungsschlüsseln belastet. Wäre ich Kaiser, ich
würde die mehrer Städte in Ihre Hände legen, ..." Franz Xaver Mayer, der Mann
Zigeuner mit üeige, sich eine Pfeife anzündend. Ölbild. Purkersdorf.V. Zuckerkandl.
135
des praktischen Lebens, hilft dem Künstler finanzielle Schwierigkeiten überwinden,
ordnet dessen Geldangelegenheiten, erweist ihm auch sonst Gefälligkeiten aller Art
und ist immer der anteilnehmende, warmfühlende Freund und schließlich die ganze
Zeit hindurch, freilich nicht in so großem Stile wie Friedrich Gsell, auch ein Käufer
von Pettenkofens Bildern. Daß die Bezahlung zumeist in Form der Abschreibung
von einer Schuld hat erfolgen müssen, ist eine Sache für sich. Alle Bilder, die
Franz Xaver Mayer, der Vater, von Pettenkofen erworben hat, befinden sich noch
heute im Besitz von dessen Sohn. Überhaupt ist dieser, Herr Kommerzialrat Franz
Xaver Mayer, so glücklich, in seinem Elternhaus in der Inneren Stadt, Annagasse
Nr. 8, noch eine kostbare Altwiener Privatgalerie sein eigen zu nennen, wie sie
sich gleich unverrückt und unversehrt kaum ein zweites Mal bis auf unsere Tage
erhalten haben dürfte. Sie enthält nicht weniger als vierzig Werke von Pettenkofens
Hand: Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen — zwei Bilder, das eine bereits er-
wähnte von Raffalt sen. und das andere von Alexandre-Marie Longuet, an denen
Pettenkofen mitgearbeitet hat, nicht mitgezählt. Das älteste Datum auf diesen Bil-
dern ist 1845, das jüngste 1886. Von den Pettenkofen-Schätzen der Mayerschen
Sammlung geben die vielen Reproduktionen darnach, die dem vorliegenden Werk
zur Zierde gereichen, eine Vorstellung. Natürlich sind auch die anderen Altwiener
Meister in der Galerie gut vertreten, ja sogar ein kleines, aber echtes Bild von
Rembrandt gehört ihr an. — Daß der alte Mayer, der „Kaffee-Mayer", wie sein
Spitzname lautete, weil er einen Großhandel mit Kaffee betrieb, gute Beziehungen
zu Kunst und Künstlern hatte, war schon durch seine Nachbarschaft zur Akademie
der bildenden Künste bedingt, die bis zum Jahre 1876 seinem Hause gegenüber,
nur durch das enge Gäßlein davon getrennt, in den Räumen des ehemaligen Sankt-
Annen-Klosters untergebracht war.
Außer Gsell und Mayer scheint Pettenkofen in dem geschilderten Zeitraum nur
noch zwei Männer gekannt zu haben, mit denen er gut war und die ihm wenig-
stens dann und wann einmal ein Bild abkauften. Der eine ist Karl von Kratzer,
von dem schon die Rede war, der andere Dr. Max Josef Schüler in Graz,'-) an
den er am 22. März 1860 von Paris aus Kratzer Grüße aufträgt und dem er am
15. Jänner 1863 ein Bild verkauft. —
Auf Wiener Ausstellungen kommt Pettenkofen in den fünfziger und sechziger
Jahren immerhin ein paar Mal vor, und zwar auf den Ausstellungen des Kunst-
vereines, natürlich des jüngeren, und in den Jahren 1854, 1856 und 1866. Daraus,
daß im Jahre 1866 das Aquarell „Der mitleidige Soldat", das bereits 1850 gemalt
war, ausgestellt ist und daß in den Jahren 1856 und 1866 in den Katalogen bei den
ausgestellten Bildern Pettenkofens Besitzer genannt sind, läßt sich mit aller Wahr-
scheinlichkeit entnehmen, daß Pettenkofen, der niemals ein Freund von Ausstel-
lungen war, auch damals nicht selbst ausgestellt hat. Dasselbe gilt auch wohl für die
paar Bilder von ihm, die 1854 und 1855 auf Ausstellungen des Pester Kunstvereines
zu sehen waren und von denen die im letzteren Jahre ausgestellten von der Pester
Zeitungskritik mit ebenso wenig Verständnis wie Liebe beurteilt wurden.'^)
Aber auch an ausländischen Ausstellungen jener Zeit war Pettenkofen beteiligt.
Von der Ausstellung der „Ungarischen Freiwilligen" im Jahre 1853 in Paris war
136
schon die Rede. 1854 riefen auf
der „Ersten allgemeinen deut-
schen Gemäldeausstellung" in
München der „Verwundeten-
transport" in der Fassung des
Jahres vorher und der „Fluß-
übergang österreichischer Infan-
terie" Aufsehen hervor. Ferner
waren sogar auf der vom 1. Mai
bis zum 15. November des Jah-
res 1862 geöffneten internatio-
nalen Kunstausstellung in Lon-
don zwei Bilder von ihm zu
sehen. Vermutlich waren sie
ohne sein unmittelbares Zutun
über den Kanal gesandt wor-
den. Es waren die Nummern
1118: „Gipsies bathing", ein
Ölbild (entweder das um die
Mitte der fünfziger Jahre anzu-
setzende Bild in Reichenberg
oder das wahrscheinlich vom
Beginn der sechziger Jahre
stammende bei Baron Gustav
Springer in Wien, wohl kaum
dagegen das vom Jahre 1855 da-
tierte bei Georg Weiß ebenda),
und 1172: „Gipsy Life, Hun-
gary", ein Aquarell (vermutlich
eines jener Zigeunerlager aus
den Jahren 1855 und 1856, wie
sie Baron Alfons Rothschild
oder das Kunsthistorische Hof-
museum besitzt). Die Ausstel-
lung war ungemein reich be-
schickt und griff sehr weit zu-
rück. Unter den Franzosen waren z. B., um ein paar der jüngsten ein paar der älte-
sten entgegenzustellen, neben Gerome, Cabanel, Hamon, Daubigny und Meissonier
auch noch Ingres, Charlet, Delaroche, Ary Scheffer, Delacroix, Diaz und Decamps
vertreten. In der österreichischen Abteilung waren sogar noch Füger und Quadal
zu sehen, im übrigen scheint sie ein ziemlich vollständiges Bild der malerischen
Bestrebungen des Donaureiches während der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts
gegeben zu haben. '0 Pettenkofen erhielt für die Beteiligung an dieser Ausstellung
1863 das Ritterkreuz des Franz Josefs-Ordens.'*)
Zigeunerin, sich eine Pfeife anzündend. Ölbild. (,1862 ?j
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
137
18
Hier dürfen vielleicht auch noch die anderen Auszeichnungen, die Pettenkofen
während der sechziger Jahre zuteil wurden, angeführt werden: im selben Jahre 1863
wurde er von der „R^union des artistes-peintres etc. du Royaume des Pays-Bas
sous le nom de la soci6t6 ,Arti et Amicitiae'" zu ihrem Ehrenmitglied ernannt,'")
und 1866 ward er wirkliches Mitglied der k. k. Akademie der bildenden Künste in
Wien. ")
Auf Wiener Kunstauktionen kommen Arbeiten Pettenkofens das erste Mal 1859
bei Plach, dann 1860 bei Sedelmeyer, 1862 bei Mayer & Co., 1865 bei Alexander
Posonyi und 1866 wieder bei Sedelmeyer vor. Erst vom Jahre 1868 an erscheinen
sie häufiger und sind von da an bis auf den heutigen Tag, man könnte fast sagen :
ein eiserner Bestand jeder größeren Wiener Bilderversteigerung geblieben. 1868
werden auf vier Auktionen Kaesers, 1869 auf einer Auktion Kaesers, auf dreien
Plachs, dreien Alexander Posonyis, einer Friedrich Schwarz' und einer Sedelmeyers
Bilder Pettenkofens veräußert. Das Ausland gieng hierin Wien voraus, denn, wie
wir bereits gehört haben, gelangte in Paris schon im Jahre 1858 Pettenkofens Ge-
mälde „Nach dem Duell" zur Versteigerung. —
Was die Wiener bildende Kunst zwischen 1850 und 1870 anbelangt, so muß ge-
sagt werden, daß für sie innerhalb dieser Zeit nicht wenig geschehen ist, sowohl
von Seiten des Staates, als auch aus dem Schöße der Künstlerschaft selbst heraus :
1864 wurde das Kunstgewerbemuseum, drei Jahre später die Kunstgewerbeschule
gegründet, und schon im Jahre 1869 konnte die eben erst entstandene Künstler-
genossenschaft ihr eigenes Haus beziehen.
Die jene zwei Jahrzehnte füllende Wiener bildende Kunst selbst ist hier, so reich
sie sich auch entfaltet, bald geschildert, weil sie ihrem vorwiegend architektoni-
schen, dekorativen Charakter gemäß mit den Zielen, dem Wesen von Pettenkofens
Malerei so gut wie nichts gemein hat. Die Abtragung der Basteien, die 1857 be-
schlossen wird, die Anlage der 1865 eröffneten Ringstraße auf den so gewonnenen
Gründen, die Monumentalbauten, die sich zu beiden Seiten der Ringstraße von den
sechziger Jahren an erheben, drücken dieser Periode den Stempel auf. Es ist nur
begreiflich, daß sich nicht bloß die Plastik, deren bedeutendster Vertreter, der
markige Erfurter Fernkorn, allerdings gerade hierin eine Ausnahme macht, sondern
auch die Malerei der tonangebenden Schwesterkunst der Architektur unterordnet.
War, wie bereits erwähnt, der Führich-Schule schon zu Beginn der fünfziger Jahre
in der Ausmalung der Altlerchenfelder Kirche eine große dekorative Aufgabe zu-
gefallen, so kamen Rahl, der Antipode Führichs, seit 1863 neben diesem Professor
an der Akademie, und seine Schüler bei der malerischen Ausstattung des Arsenals,
des Musikvereinsgebäudes und des Opernhauses zu Worte. Dieses mit Fresken zu
schmücken, wurde Mitte der sechziger Jahre auch der längst zum Ausländer ge-
wordene Schwind in seine Vaterstadt berufen. Direktor der Akademie ist Rüben,
ein Schüler des Cornelius. Bezeichnenderweise ist Amerling der am meisten ge-
feierte Porträtmaler der Zeit. Er hat mit seinen lebensgroßen, sehr geschickten,
aber etwas äußerlichen und süßlichen Bildnissen die lebenswahreren und künstle-
risch höher stehenden Aquarellporträte Kriehubers und die Miniaturbildnisse Daf-
fingers abgelöst. Für den Massenbedarf an Porträten arbeitete die der Lithograr
138
phie rasch den Garaus ma-
chende Photographie. Von
den Genre- und Land-
schaftsmalern des Vormärz
gehen in voller Kraft nur
drei in die geschilderte
Epoche über : Waldmüller,
der zwar 1866 stirbt, dem
aber noch im Greisenalter
eine neue Licbtmalerei auf-
gegangen war, deren ganze
Bedeutung erst die Nach-
welt zu ermessen vermocht
hat, Rudolf Alt und —
Pettenkofen selbst, denen
beiden auch diese Ent-
wicklungsphase der öster-
reichischen Kunst zu über-
leben bestimmt war. Am
deutlichsten aber kommt
der Wandel der Zeiten
vielleicht darin zum Aus-
druck, daß sich 1869, also
noch im letzten Jahre der
Periode, die hier zu über-
blicken versucht wird, der-
jenige Künstler in Wien
niederläßt, der dem folgen-
den Abschnitt der österreichischen Kunstgeschichte den Namen geben sollte:
Hans Makart. —
Noch rascher als ein Bild dessen, was in den zwanzig Jahren von 1850 bis
1870 auf dem Gebiete der österreichischen Kunst vorgefallen ist, läßt sich ein Bild
der politischen Lage Österreichs während jenes Zeitraumes umreißen. Vier Worte
genügen: der Abschluß des Konkordates im Jahre 1855, der unglückliche Krieg in
Italien im Jahre 1859, der unglückliche Krieg gegen Preußen im Jahre 1866, der
Ausgleich mit Ungarn im Jahre 1867. Den Abschluß des Konkordates am 18. August
1855 hat Pettenkofen jedenfalls auf österreichischem Boden erlebt, denn am 26. Juli
1855 ist er in Sauerbrunn bei Salzburg und am 15. September schreibt er von Wien
aus an Franz Xaver Mayer. Von der Niederlage Gyulays bei Magenta am 4. Juni
1859 hört er in Paris, während der Schlacht bei Solferino am 24. Juni aber ist er
bereits in Wien. Die Kunde von der verlorenen Schlacht bei Königgrätz aber eben-
so wie die von den Siegen bei Custozza und Lissa trifft Pettenkofen in Paris.
Während der Krönung Kaiser Franz Josefs I. zum König von Ungarn am 8. Juni
1867 war er, scheint es, in Riva. —
Brustbild eines Zigeuners. Ölstudie. Wien, K. k. Ssterreichische Staatsgalerie.
139
x8'
Die Bilder, die Pettenkofen in den fünfziger Jahren und die, die er in den sech-
ziger Jahren gemalt hat, lassen sich ziemlich deutlich unterscheiden, wenigstens dem
Stil und der Technik nach.
Die Besprechung der unglaublich ergiebigen fünfziger Jahre, die mehrfach auf
bereits Gesagtes zurückgreifen muß, wird am besten mit dem Militärbild be-
gonnen. Es hat mit dem „Verwundetentransport" und den „Ungarischen Frei-
willigen" vom Jahre 1853 seinen Gipfel und im wesentlichen auch sein Ende er-
reicht. Gleichwohl gibt es Nachzügler: die „Vor dem Haustor plaudernden Sol-
daten" und die „Hütte mit einem toten Soldaten" vom Jahre 1854 und die „Sol-
daten in einem Bauernhaus" vom Jahre 1856. Aus dem Jahre dazwischen stammt
ferner jene Fassung des so beliebten „Verwundetentransportes", die sich heute als
Leihgut des Mr. George W. Vanderbilt im Metropolitan Museum in New York be-
findet. Von zeitgenössischen Militärbildern, die sogar noch den sechziger Jahren
angehören, wird unten die Rede sein. Auch Pettenkofens Tätigkeit als Porträt-
maler ist der Hauptsache nach um das Jahr 1850 abgeschlossen, doch stammt ein
lebensgroßes Mädchenbrustbild, heute im Besitz des Herrn Salo Cohn in Wien,
ist der Bleistiftnotiz eines Auktionskataloges") zu trauen, aus dem Jahre 1855. Der
Malweise nach wäre es gut möglich. Ungefähr derselben Zeit muß nicht nur das
nicht ganz zu Ende geführte kleine Profilbildnis der Geliebten, sondern auch das
lebensgroße Brustbild von Pettenkofens Freunde, dem Maler Borsos, angehören,
das sich heute im Budapester Museum befindet. Pettenkofen selbst erwähnt dieses
Bild in seinen Notizbüchern erst im März des Jahres 1865. Das Bild ist aber aller
Wahrscheinlichkeit nach vor 1861 entstanden, weil der Dargestellte darauf langes
Haar träg^, während er auf einer Lithographie Marastonis, die vom 1, August jenes
Jahres datiert ist, das Haar kurz geschnitten hat. Auch auf Pettenkofens Aquarell-
porträt des befreundeten Künstlers, das 1847 gemalt ist, trägt dieser langes Haar.
In der Regel nun deutet das lange Haar auf jüngere Jahre, und auf Pettenkofens
Ölbild sieht Borsos auch tatsächlich noch jünger aus als auf der Lithographie
seines Landsmannes. Das Porträt wird daher noch in die fünfziger Jahre gehören,
ein Ansatz, mit dem sich auch das kühle Kolorit in Einklang bringen läßt.'") Außer-
dem wird eine richtige Porträtzeichnung unten zu Beginn der sechziger Jahre zu
erwähnen sein. Von den Kostümbildern ist das älteste das vom Jahre 1851 da-
tierte Aquarell, das einen „Landsknecht im Kornfeld" darstellt. 1852 folgen die
„Räuber im Kornfeld" in der Wallace CoUection in London, und dem Jahr darauf
gehört das „Duell vor der Stadtmauer" im Museum Fodor in Amsterdam an. Diese
drei Bilder bleiben aber trotz des Erfolges, für den doch der Verkauf der beiden
letzteren im Ausland angesehen werden muß, fast ganz ohne Nachfolge. Es ist
einzig und allein die „Ölstudie eines jungen Kavaliers in der Tracht des XVII. Jahr-
hunderts" zu erwähnen, die ungefähr aus der Zeit des Amsterdamer Bildes stammen
wird und vermutlich mit der „Ölstudie (Kostüm des XVII. Jahrhunderts)" identisch
ist, die Pettenkofen im Juli 1867 um 200 fl. an Gsell verkauft. Ein Akt, die Öl-
studie eines liegenden Weibes, heute im Besitz Alfred Wawras, gehört seiner
kühlen Farbengebung nach unzweifelhaft den fünfziger Jahren an. Von Werken
intimeren Charakters wurden die beiden Albums aus den Jahren 1851 und
140
TAFEL XXVII
DER KUSS. ÖLBILD. (1864.) WIEN, KUNSTHISTORISCHES HOFMUSEUM.
I
I
TAFEL XXVIII
ZIGEUNERMÄDCHEN, AUF EINEM HERD HOCKEND UND RAUCHEND.
UNVOLLENDETES ÖLBILD. WIEN, FRITZ DOBNER V. DOBENAU.
.
Stilleben mit totem Huhn. Ölbild.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
1852, das eine von Pettenkofen für die Geliebte gemalt, das andere von ihr aus
Zeichnungen von ihm, die für sie bestimmt waren, zusammengestellt, bereits er-
wähnt. Das Aquarellbildnis des Wirtes von Zell am Ziller und die seine Tochter
darstellende Zeichnung vom Jahre 1856, endlich der wohl um dieselbe Zeit für
die Geliebte nmit Feldblumen bemalte Fächer schließen sich an. In einem anderen,
wenn auch nicht ganz im selben Sinne, wird auch die vom gleichen Jahre und
aus Paris datierte Zeichnung einer auf einer Ottomane ruhenden Dame hierher
gehören. Fremdländische Motive werden nur auf zwei bereits angeführten
flüchtigen Zeichnungen, die beide ebenfalls aus dem Jahre 1856 stammen und
in Havre und Dieppe entstanden sind, behandelt.
Was, vom stofflichen Gesichtspunkt aus betrachtet, übrig bleibt, die große, große
Mehrzahl dessen, was Pettenkofen in den fünfziger Jahren geschaffen hat, sind
Bilder, deren Themen dem ungarischen oder dem niederösterreichischen Land-
leben, der ungarischen oder der niederösterreichischen Landschaft entnommen sind.
Der niederösterreichischen Bilder aber sind verhältnismäßig so wenige, daß sie
füglich vernachlässigt, d. h. unter einem mit den ungarischen behandelt werden
können. Was die Themen der ungarischen Bilder anbelangt, so sind sie im allge-
meinen bereits im Kapitel „Szolnok" aufgezählt worden. Die in den fünfziger Jahren
entstandenen ungarischen Bilder müssen daher hier zuerst und vorwiegend vom
stilistischen Standpunkt aus besprochen werden.
Vor allem wichtig ist die Frage nach dem französischen Einfluß. Er läßt sich,
sieht man von dem bereits erörterten, nur kurze Zeit währenden Einfluß auf die
Stoffwahl ab, nach zwei Richtungen hin feststellen. Einmal in der einer feinfühligen
141
Tonmalerei. Als frühestes Beispiel dafür kann das Bild in der Österreichischen
Staatsgalerie angesehen werden, das vom Jahre 1851 datiert ist und „Österreichi-
sche Infanterie, einen Fluß passierend" darstellt. Es eröffnet eine ganze Gruppe
von Gemälden, bei denen allen der landschaftliche Charakter überwiegt und denen
allen der niedere Horizont und das große Stück bewölkten Himmels gemeinsam
sind. In gewissem Sinne ist hierher auch der „Verwundetentransport" in der Fas-
sung vom Jahre 1853 zu rechnen, nur stehen bei ihm die Figuren im Mittelpunkt
des Interesses und sein Kolorit ist ein bißchen zu wenig gleichmäßig gedämpft; die
Farben der Marketenderin fallen etwas heraus. Besonders eigneten sich für diese
Malerei wolkige Abende bald nach Sonnenuntergang an der über ihre Ufer ge-
tretenen Theiß. Solche Bilder sind die „Theißlandschaft mit den zwei Pferden"
vom Jahre 1853 und die „Theißlandschaft mit den neun Pferden" vom Jahre
1854, beide in der Liebiegschen Gemäldesammlung der Stadt Reichenberg. Bei
dem letzteren Bilde ist der Sommerabend heiterer, der Himmel nur mit gleich-
förmigem Dunst bedeckt. Bei der ersteren sind links zwei Drittel des Firmamentes
mit dunkleren Gewitterwolken überzogen, nur im letzten Drittel rechts ist es hell.
Vom Jahre 1855 datiert ist eine Theißlandschaft, die vorne im Wasser mit einer
Zigeunerin und ihren zwei Kindern staffiert ist. Hier ist der Himmel bis auf eine
dunkle Wolkenwand, die sich nach links zu allmählich auflöst, an ihrem oberen
Rande noch von der Sonne vergoldet ist und schwer über der Ebene lastet, rein.
Das Bild gehört dem Herrn Georg Weiß in Wien. Bei dem vom Jahre 1855 da-
tierten Bilde „Die wallachische Post" im Besitz Josef Engelharts in Wien breitet
sich über den ganzen Himmel schweres, aber zerklüftetes, vom Winde nach rechts
getriebenes Gewölk aus; es ist nach dem Regen, der Wind hat ihm Einhalt getan,
sobald er aber aufhört zu wehen, werden sich die Wolken wieder verdichten, sich
senken und ihr Wasser herabträufen. Der düsterste Himmel hängt über der „Theiß-
landschaft mit den drei Zigeunerzelten und den badenden Zigeunerweibern und
-kindern davor". Hier ist das Licht zum ersten Mal im Rücken des Beschauers, schwere
graue Wolkenmassen füllen vollständig den Himmel aus. Das undatierte Bild, das aber
um die Mitte der fünfziger Jahre entstanden sein wird, gehört gleichfalls der Galerie der
Stadt Reichenberg an. Auch das 1904 in Paris versteigerte Bild „Le Debordement",
das vom Jahre 1859 datiert ist und aus der Sammlung des Herrn Serge von Der-
wies in St. Petersburg stammt, gehört hierher. Im seichten Theißwasser stehen da
drei Pferde und ein Fohlen, der Himmel ist ziemlich rein und hell. Auf allen diesen
Bildern spielt die Spiegelung des vom Himmel ausstrahlenden, das Gewölk durch-
brechenden Lichtes im Wasser eine große Rolle. Pferde im Wasser, am Troge
und badende Zigeuner sind die Staffage. Fast überall ist die Silhouette des für die
Puszta so charakteristischen Ziehbrunnens zu sehen.
Mag Pettenkofen auch wie schon erwähnt die Anregung, sich malerisch eindring-
licher mit dem bewölkten Himmel zu befassen, durch die berühmten „Lüfte" des
älteren Raffalt empfangen haben, so kann es doch nicht bezweifelt werden, daß
eine Gruppe von Bildern wie die eben besprochenen ohne Kenntnis des „Paysage
intime" kaum entstanden sein könnte. Die naturwahreren Farben (wir erinnern uns,
daß Pettenkofens Kolorit am Ausgang der vorhergehenden Periode ein bißchen
142
Der Kuß zu Pferde. ÖlbUd. (1864.)
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
manieriert geworden war) und der immer mehr sich lockernde Farbenauftrag sprechen
allein schon für eine solche Vertrautheit. Die Anlehnung an einen bestimmten
Künstler aber läßt sich in diesem Falle nicht feststellen. Man kann nur sagen, daß
die Meisterwerke Rousseaus, Daubignys und Dupres, vielleicht auch Diaz' als Ideale
vorgeschwebt haben müssen.
Anders steht es mit einer zweiten Gruppe von Bildern, die sich durch scharfe
Gegensätze von Licht und Schatten auszeichnen. Ihre Farben sind stark und satt;
auch die, mit denen die hellen Partien gemalt sind, wirken kompakt. Die Atmo-
sphäre, die auf einem solchen Bilde supponiert wird, ist fast von allem Wasser-
dunst, der über die Dinge den zarten Schleier legt, frei. Es ist die klare, reine
Luft nach einem Regen, die alles so deutlich macht und die Ferne so unheimlich nahe
rückt. Interessant sind die Schatten; ihnen ist immer Blau beigemengt, das bald stärker,
bald schwächer hervortritt. Was war das im Jahre 1894 in Wien, als hier zum ersten
Mal die Münchner Sezession ausstellte, für ein albernes Gespött über die „blauen
Schatten", die einige Münchner Künstler auf ihren Bildern gemalt hatten. Fünf
Jahre vorher war Pettenkofen gestorben und er hatte — ^chon zu Beginn der fünf-
ziger Jahre „blaue Schatten" gemalt! Doch das nur nebenher. — Alle hier ge-
143
meinten Bilder sind sehr pastos gemalt. Das das grellste Sommermittagssonnenlicht
zurückwerfende Weiß der Wand eines Bauernhauses ist z. B. so dick aufgetragen,
daß die Struktur des Pigments auf dem Bilde die Unebenheiten des Mörtelbewurfes
in der Wirklichkeit wiedergibt.
Dieser Gruppe gehören folgende Bilder an: „Niederösterreichisches Bauernhaus mit
dem Treidelpferd und zwei Kindern." Das Gemälde ist vom Jahre 1851 datiert
und ist Eigentum des Fürsten Johannes von und zu Liechtenstein. (Das dargestellte
Haus ist aller Wahrscheinlichkeit nach ein Klosterneuburger Haus, denn das Treidel-
pferd deutet auf einen Ort an einem großen Strome, die Bauart des Hauses und
die Tracht der Kinder sind niederösterreichisch und Pettenkofen hält sich im
Jahre 1851 nachweisbar in Klosterneuburg an der Donau auf.) — „Klosterneuburger
Haus mit der hölzernen Stiege und mit Frau und Kind als Staffage." Das Bild ge-
hört dem Baron Louis Rothschild und ist 1854 gemalt. — „Niederösterreichisches
Bauernhaus mit der geschirrwaschenden Bäuerin davor." Dieses Bild ist vom
Jahre 1856 datiert und ist Eigentum der städtischen Sammlung in Reichenberg. Ein
undatiertes Bild mit einem ähnlichen Vorwurf — es wäscht auch hier vor der grell
von der Sonne beschienenen Wand eines Bauernhauses eine Bäuerin, aber Wäsche
und nicht Geschirr, und das Lokale ist deutlich ungarisch und alles ist einfacher —
ist unbedingt auch der in Rede stehenden Gruppe zuzuteilen, dürfte aber beträcht-
lich später, etwa um 1860 anzusetzen sein. Aus dem Jahre 1857 stammt das „Unga-
rische Bauernfuhrwerk hinter einer Pfütze" im Besitz des Barons Louis Rothschild.
Ferner ist in diesem Zusammenhang noch das Bild „Die lausende Zigeunerin" zu
nennen, das nicht datiert ist, aber dem Ende der fünfziger Jahre angehören wird
und sich in der Österreichischen Staatsgalerie befindet. Allen diesen Bildern ist,
abgesehen von den oben erörterten malerischen Eigenschaften, gegenständlich eine
vom grellen Sonnenlicht beschienene Hauswand gemeinsam, mit deren Weiß bläu-
liche Schatten kontrastieren. Das Figurale spielt eine bedeutende Rolle, auf den
beiden zuletzt genannten Bildern ist es die Hauptsache.
Für diese Reihe von Ölgemälden Pettenkofens nun läßt sich im Gegensatz zur
vorherbesprochenen ein bestimmtes französisches Vorbild nachweisen: Alexandre
Decamps. Wer diesen ausgezeichneten Meister kennt, wird zugeben müssen, daß
die stilistischen Eigentümlichkeiten, die eben für gewisse Bilder Pettenkofens in
Anspruch genommen wurden, ebensogut von Bildern Decamps hätten ausgesagt
werden können. Die Übereinstimmung wird durch den gemeinschaftlichen orien-
talischen Stoffkreis erhöht, denn die Puszta mit ihren Zigeunern dem Orient zuzu-
rechnen, ist weniger paradox, als es scheinen mag. Die Brücke, die von Decamps
zu Pettenkofen führt, wird hier nicht zum ersten Mal erkannt, schon 1876 spricht
C. von Vincenti in seinem Büchlein „Wiener Kunst-Renaissance" davon, daß Petten-
kofen „den eminenten Farbensinn eines Decamps besitze".^")
Nun läßt sich folgende wichtige Feststellung machen: Die frühesten Stücke der
beiden eben besprochenen Gruppen von Bildern Pettenkofens, an denen französische
Einflüsse nachzuweisen waren, sowohl der Gruppe von Bildern mit den hohen
Lüften, als auch der Gruppe von Bildern mit den grellen Beleuchtungen in der
Art Decamps', stammen bereits aus dem Jahre 1851: hier das Bild „Österreichische
144
Szolnoker Geschirrmarkt, ülbild.
Budapest, Graf Ludwig Kärolyi.
Infanterie, einen Fluß passierend" und dort das Bild „Niederösterreichisches Bauern-
haus mit Treidelpferd und zwei Kindern". Wir erinnern uns nun aber ferner, daß
das älteste Stück der Gruppe von Kostümbildern Pettenkofens, denen schon weiter
145
19
oben französischer Einfluß nachgesagt wurde, gleichfalls aus dem Jahre 1851
stammt: der „Landsknecht im Kornfeld". Daraus muß also der Schluß gezogen
werden, daß der französische Einfluß auf den Maler Pettenkofen schon im Jahre
1851 zu wirken beginnt. Das ist aber ein Jahr vor seinem ersten Aufenthalt in
Paris. Es sei hier daran erinnert, daß Pettenkofens Pariser Aufenthalt im Jahre
1852 als sein erster Pariser Aufenthalt nicht urkundlich belegbar ist, sondern daß
er sich als solcher nur erschließen läßt. Nun möge hier alles zusammengefaßt
werden, was dafür spricht, daß Pettenkofen das erste Mal nicht schon 1851, son-
dern erst 1852 nach Paris gekommen ist: Aus dem Jahre 1851 gibt es eine Reihe
von datierten Arbeiten Pettenkofens, die schon ihrer Gegenstände wegen, aber
auch aus anderen Gründen nur in Österreich entstanden sein können: mindestens
vier Lithographien der Serie „Die k. k. österreichische Armee", das ganze Dutzend
Lithographien der Folge „Zwölf Szenen aus der Ehrenhalle des k. k. Militär-Fuhr-
wesen-Corps", mindestens acht Aquarelle zu den entsprechenden Lithographien
dieser Serie, das eine Ölbildchen und die elf Aquarelle mit Klosterneuburger An-
sichten im Album für die Geliebte, die Aquarellfassung des „Russischen Bivouacs",
das Ölbild „Zwei Kinder bei Sonnenblumen", das Aquarell „Des Künstlers Woh-
nung in Währing" und endlich die drei oben genannten Bilder: „Landsknecht im
Kornfeld", „Niederösterreichisches Bauernhaus mit Treidelpferd und zwei Kindern"
und „Österreichische Infanterie, einen Fluß passierend". Das ist auch für ein ganzes
Jahr eine genügend große Arbeitsleistung, umso mehr, wenn man bedenkt, daß ja
sicher auch einiges Undatierte und Unbekannte in diesem Jahr entstanden sein
wird. Doch könnte Pettenkofen Ende des Jahres 1851 nach Paris gefahren sein.
Nach Paris und gar das erste Mal aber wird ein Maler höchstwahrscheinlich nicht
im Herbst oder Winter, sondern im Frühling gehen, da er die große Ausstellung
offen findet. Spricht dies alles gegen einen ersten Pariser Aufenthalt im Jahre 1851,
so spricht folgendes für einen solchen im Jahre 1852: Das Tagebuch hebt im Mai
1853 mit dem Schluß eines Pariser Aufenthaltes an. Der Beginn des Tagebuches
bezeugt, daß sich Pettenkofen eines denkwürdigen Lebensabschnittes bewußt war.
Das trifft für einen ersten Pariser Aufenthalt natürlich besser zu als für einen
zweiten. Die Geliebte heiratete am 29. Jänner 1853, und durchaus glaubwürdige
mündliche Überlieferung versichert, daß das Mädchen Pettenkofen, als er das erste
Mal nach Paris reiste, gelobt hatte, ein Jahr lang seiner zu warten, daß sie aber
ihr Wort schon nach einem halben Jahre brach. Wörtlich genommen, würde das
heißen, daß Pettenkofen Ende Juli das erste Mal nach Paris gieng. Wahrscheinlich
aber wird er schon im Frühling gereist sein. Ist aber einerseits der französische
Einfluß bereits für das Jahr 1851 mit aller Sicherheit nachzuweisen und kann
es anderseits als ausgemacht gelten, daß Pettenkofen erst 1852 zum ersten Male
nach Paris gekommen ist, so muß er schon 1851 in der Heimat jene modernen
Franzosen kennen gelernt haben, die ihm dermaßen imponieren, daß er bereits in
Werken desselben Jahres die von ihnen gewiesenen neuen Bahnen einschlägt und
offenbar ihretwegen die Reise nach Paris plant. Auf welche Weise er sich diese
Kenntnis verschafft hat, kann heute leider nicht mehr festgestellt werden. Durch
irgendwelche öffentliche Ausstellung sicher nicht, da die Zeitungen von nichts der-
146
Ungarischer Brotmarkt. Ölbild.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
gleichen zu berichten wissen. Am ehesten kann er daher diese für ihn so bedeu-
tungsvollen französischen Bilder im Hause eines Privatsammlers gesehen haben. —
Der Gruppe von Bildern mit dem Decampsschen Einschlag reihen sich solche
an, bei denen der Gegensatz von Licht und Schatten nicht so hervortritt wie bei
jenen, die aber gleichfalls mit ungemein starken, satten Farben gemalt sind. Als
Beispiele seien genannt: der „Kuß über den Zaun, mit den zwei Pferden" vom
Jahre 1855 im Besitz des Barons Alfons Rothschild in Wien, der „Bauernknabe
mit dem Pferd, vorm Eingang in eine Tanya" ebenda und die beiden einander
sehr ähnlichen Fassungen des „Stelldicheins mit den zwei Pferden" im Besitz des
Barons Albert Wodianer in Wien und der Liebiegschen Gemäldesammlung der
Stadt Reichenberg. Der „Bauemknabe" und die beiden zuletzt genannten Dar-
stellungen des „Stelldicheins" sind nicht datiert, werden aber den letzten fünfziger
Jahren zugewiesen werden dürfen. Auch Bilder wie die „Pferde vorm Strohschober"
und der „Ungarische Eselskarren mit zwei Bauernkindern", beide vom Jahre 1858,
dieses jetzt bei H. O. Miethke, jenes bei Franz Xaver Mayer in Wien, gehören hierher,
obwohl ihre Farben schon etwas weniger wuchten als die der eben besprochenen.
Gemälde dieser und der vorhergehenden Gruppe sind es, an die sich, nebenbei
bemerkt und wie schon erwähnt, der junge Raffalt angeschlossen hat.
An die Bilder mit dem satten, schweren Kolorit läßt sich am besten eine Reihe von
solchen angliedern, deren am meisten hervorstechendes Merkmal ihre Farbigkeit
ist. Manchmal streift diese Farbigkeit beinahe an eine Buntheit, die ein ganz klein
wenig kalt und hart ist. Die Gegensätze von Licht und Schatten sind natürlich auch
auf diesen Bildern stark herausgearbeitet, und auf der Darstellung eines Szolnoker
Marktes kontrastiert etwa die vom grellen Sonnenlicht beschienene Dreifaltigkeits-
säule scharf mit dem finsteren Wetterhimmel oder dem tiefdunkeln Schatten, den
147
19*
die Flache eines Marktstandes wirft. Hierher gehören Bilder wie die beiden vom
Jahre 1854 datierten Szolnoker Märkte, der eine bei Franz Xaver Mayer in Wien,
der andere in der Liebiegschen Sammlung der Stadt Reichenberg.
Eine weitere Gruppe wird durch Bilder wie folgende vertreten: „Zigeunerin mit
dem Kind an der Brust auf der Wanderschaft" bei Franz Xaver Mayer, „W^an-
dernder Zigeunerjunge" in der Liebieg-Sammlung zu Reichenberg und „Hockendes
kleines Zigeunermädchen, das ein Kind wiegt" bei Franz Xaver Mayer. Die
„Zigeunerin" und der „Zigeunerjunge" wurden 1858 gemalt, das „Kleine Zigeuner-
mädchen" stammt wahrscheinlich aus dem Jahre 1859, 1860 wurde es von Mayer
gekauft. Gemeinsam ist diesen drei Bildern eine äußerst sorgfältige Ausführung.
Ihre Malweise ist beinahe glatt zu nennen. Das Thema ist in allen drei Fällen die
menschliche Gestalt, und zwar die eines Zigeuners. Die Wiedergabe eines be-
stimmten Ausdruckes, worin sich Pettenkofen schon Jahre vorher auf Bildern wie
z. B. dem „Verwundetentransport" so erfolgreich versucht hat, ist außerordentlich
gelungen.
Andere Gemälde dagegen zeigen eine unverkennbare Anlehnung an Vorbilder
aus der Schule von Barbizon, z. B. die vom Jahre 1857 datierte „Zigeunerhütte im
Walde" bei Ludwig Lobmeyr und die undatierte, aber ungefähr derselben Zeit zu-
zuweisende „Ungarische Bauernwirtschaft" ebenda. Bei dem ersteren Bilde stellen
die entschieden zum Ausdruck gebrachten Kontraste von Licht und Schatten an
der sonnenbeschienenen mit dickem Stroh gedeckten Hütte die Verbindung mit der
Gruppe von Bildern, die an Decamps erinnern, und der Gruppe von Bildern mit
den satten, schweren Farben her, doch schon hier, noch viel mehr aber auf dem
zweitgenannten Bilde, der „Ungarischen Bauernwirtschaft", ist die lockere, flächige
Behandlung des Baumschlages spezifisch französisch. Ein im Vergleich mit den
sonst bei Pettenkofen üblichen Maßen ungewöhnlich großes Bild, der „Szolnoker
Markt" vom Jahre 1855, heute im Besitz Alexander Beers in Baden bei Wien,
stellt auch in seiner Technik eine Ausnahme dar: die Farben sind eigentlich
ziemlich bunt, aber gedämpft, und das Ganze ist durchaus verblasen gemalt. Am
weitesten aber geht in der aufgelösten Malweise das gleichfalls ziemlich große Bild
„Ungarisches Bauernfuhrwerk, über die Puszta fahrend", das vom Jahre 1856 datiert
und Eigentum Ludwig Lobmeyrs ist. Die Malweise dieses Bildes ist fleckiger als
die des vorhergehenden, sein Gesamteindruck vor allem infolge der Einheitlichkeit
des Tones weitaus angenehmer. Der „Markt" ist ursprünglich signiert und datiert;
das „Fuhrwerk" ist gleichfalls mit Signatur und Datum versehen, dieses wie jene
aber sind von Pettenkofen nachträglich hinzugefügt, was durch die Form der kleinen
Initialen „a. p.", mit denen Pettenkofen nicht vor Ende der sechziger Jahre zu unter-
zeichnen anfängt, und die Tatsache, daß Pettenkofen auf ausdrücklichen Wunsch
Ludwig Lobmeyrs alle seine nicht signierten Arbeiten in dessen Besitz nachsigniert
hat, zu beweisen ist. Bei diesem Bilde könnte daher gesagt werden, es sei zweifel-
haft, ob es Pettenkofen zur Zeit, als er es malte, für ein vollendetes oder für ein
unfertiges Bild gehalten habe. Dieses Bedenken fällt aber bei dem ersten Bilde,
dem „Markte", weg, und daher ist es als ein ungemein interessanter früher Versuch
anzusehen, etwa in der Art eines Troyon mehr andeutend als vollendend zu malen.
148
Kopf eines Mädchens aus Riva. Bleistiftzeichnung. (1867.)
Wien, Ludwig Lobmeyr.
149
und so möglichst viel von der ursprünglichen Frische des ersten Entwurfes zu be-
wahren.
Alles aber, was bisher von Pettenkofens Bildern der fünfziger Jahre gesagt worden
ist, gilt bloß von den Ölgemälden. Diesen aber stehen kaum in geringerer Anzahl
die Aquarelle zur Seite. Auch sie weisen selbstverständlich vielerlei und große
Stilverschiedenheiten auf. Doch lassen sie sich, sieht man einstweilen von dem
Unterschied zwischen Studie und ausgeführtem Bild ab, der bei den Ölbildern der
Periode gar nicht in Betracht gekommen ist, hier aber eine große Rolle spielt,
immerhin in vier Gruppen zerlegen, die zum Teile und bis zu einem gewissen Grade
den Gruppen, die bei den Ölbildern aufzustellen versucht wurden, entsprechen. Es
gibt mit kräftigen Farben gemalte Aquarelle, bei denen der Kontrast von be-
stimmten warmen und kalten Farben zuerst in die Augen springt; das Kolorit
anderer ist gleichfalls stark und satt, zugleich aber mannigfaltiger und geschlos-
sener; die Buntheit wieder anderer ist fast ein bißchen hart und kalt; eine vierte
Gruppe endlich zeichnet sich durch äußerst breite, tonige Malweise aus. Für die
erste Art mögen als Beispiele dienen: „Die Zigeunerhütte auf der Puszta" vom
Jahre 1853 bei Karl Widakowich in Wien, die „Fischerhütte" vom Jahre 1854 bei
Dr. Albert Figdor, die „Schweineherde am Wasser" vom selben Jahre bei Ludwig
Lobmeyr, die „Erdhütte auf der Puszta", die „Zwei Zigeunerkinder am Kessel",
beide Aquarelle vom Jahre 1855 und bei Ludwig Lobmeyr, der „Zigeunerreiter"
ungefähr aus derselben Zeit bei Eugen Miller von Aichholz, das „Ochsengespann"
vom Jahre 1857 bei Ludwig Lobmeyr und das wahrscheinlich aus demselben Jahre
stammende „Tote Pferd" bei Miller von Aichholz. Die Aquarelle dieser Art sind
natürlich am ehesten den Ölbildern mit dem Decampsschen Einschlag zu verglei-
chen; der Kontrast zwischen Licht und Schatten auf diesen ist auf jenen zu einem
von gewissen wärmeren und kalten Farben geworden. Die zweite Gruppe entspricht
etwa der der Ölbilder mit dem starken, satten Kolorit. Sie wird repräsentiert durch
drei große ausgeführte Aquarelle, alle drei Zigeunerlager darstellend, eines vom Jahre
1855 im Kunsthistorischen Hofmuseum, zwei vom Jahre 1856 bei Baron Alfons
Rothschild, und durch die „Puszta mit Pferden" vom Jahre 1858 bei Gottfried und
Hermann Eißler. Die dritte Gruppe deckt sich bei Ölbildern und Aquarellen fast
restlos. Charakterisiert wird sie durch eine Buntheit, die an Härte und Kälte streift.
Ihr gehören Bilder wie die „Wasserträgerin" vom Jahre 1853 bei Dr. Albert Figdor
und der „Szolnoker Markt", gleichfalls vom Jahre 1853, derzeit bei S. Kende in
Wien, an. Die vierte Gruppe endlich besteht aus den breit und etwas verschwommen
gemalten Aquarellen, die den zuletzt genannten Ölbildern entsprechen, möglicher-
weise sogar wie diese auf französische Beispiele zurückgehen. Baron Gustav
Springer in Wien besitzt z. B. ein Aquarell von Decamps, mit dem Pettenkofens
Aquarelle der vierten Gruppe einige Verwandtschaft zeigen. Die Gruppe der sorg-
fältig ausgeführten, beinahe glatt gemalten Ölbilder findet unter den Aquarellen
nur inhaltlich ein Korrelat. Auch unter den Aquarellen der fünfziger Jahre nämlich
gibt es eine Menge Einzelfiguren von ungarischen Bauern und Zigeunern, z. B.
der nach rechts stehende ungarische Bauer bei Baron Julius Forster vom Jahre
1851, der nach links stehende bei Stefan von Czärän und der auf dem Boden sit-
150
Lagernde Soldaten im Herbstwald. Ölbild. (1868?)
Wien, Gottfried und Hermann Eißler.
151
zende im Museum der schönen Künste, beide vom Jahre 1854, alle drei in Buda-
pest. Ein vom nächsten Jahre datiertes und einen stehenden langhaarigen ungari-
schen Schweinehirten darstellendes Aquarell ragt unter der Menge der verwandten
Arbeiten durch die Größe seines Formates hervor. Es kam schon 1865 auf der
Auktion Böhm vor, scheint von Karl Goebel, in dessen Besitz es nachträglich geriet,
überarbeitet worden zu sein und tauchte erst neuerdings wieder im Wiener Kunst-
handel auf. Alle diese Arbeiten wirken ihrer Technik zufolge in der Regel viel
frischer und flotter als ihre in Öl gemalten Gegenstücke. Denn Pettenkofen hat bei
seinen Aquarellen niemals die durch den glatten Elfenbeingrund der Miniaturen
bedingte, mit spitzem, trockenem Pinsel Strichelchen neben Strichelchen setzende
Technik geübt, wie sie etwa an den Aquarellen eines Daffinger oder Agricola
beobachtet werden kann, sondern hat von allem Anfang an nach Art der Eng-
länder auf körnigem Papier mit breitem, saftigem Pinsel gearbeitet. Hier sei die
zwar selbstverständliche, aber vielleicht doch nicht ganz überflüssige Bemerkung
eingeschaltet, daß bei einer Aquarellmalerei im Gegensatz zur Ölmalerei, wo immer
wieder übermalt und schlimmstenfalls abgekratzt werden kann, jeder Pinselstrich
sitzen muß, da ein Übermalen von dunkeln mit hellen Farben naturgemäß völlig
ausgeschlossen und auch die Korrektur durch Auswaschen eine mehr als mißliche
Sache ist. Der Aquarellmaler muß sich daher einer besonders sicheren Hand er-
freuen, und für Pettenkofens Künstlerschaft ist es höchst bezeichnend, daß er von
der Jugend bis ins Alter im Aquarell so Außerordentliches zu leisten imstande war.
Einteilungen von der Art der obigen werden immer den Anschein erwecken, als
seien sie zu grob ausgefallen. Demgegenüber kann nicht nachdrücklich genug be-
tont werden, daß selbstverständlich alle Gruppen untereinander durch zahlreiche
Übergangsfälle verbunden sind und daß vor allem die angeführten Werke, wie
ja schon wiederholt versichert wurde, bloß als Beispiele anzusehen sind. Ge-
rade Pettenkofens Aquarelle der fünfziger Jahre aber sind trotz aller ihrer Mannig-
faltigkeit doch viel einheitlicher als die gleichzeitigen Ölbilder. Die gewissen kon-
trastierenden kalten und wärmeren Farben, die als das Hauptmerkmal der ersten
Gruppe hervorgehoben wurden und sich von einem satten, dunkeln Graulich-Blau-
Violett über ein scharfes Gift-, ein trübes Apfelgrün und ein schmutziges Gelblich-
grau zu einem ungemein intensiven Gelbbraun bewegen, kehren nämlich, natürlich
modifiziert, in allen Gruppen wieder.
Die Aquarellstudie wird durch die schon erwähnten Blätter: „Zwei Zigeuner-
kinder beim Kessel" vom Jahre 1855, „Zigeunerreiter", „Ochsengespann" vom Jahre
1857, „Totes Pferd" und außerdem noch durch das Blatt „Wallachischer Fleischer",
das sicherlich vom Ende der fünfziger Jahre stammt und der Liebiegschen Samm-
lung der Stadt Reichenberg gehört, vertreten. Die raschere und für das Arbeiten
nach der Natur bequemere Technik des Aquarells wurde von Pettenkofen häufig
zur Herstellung von Studien für Ölbilder verwendet. Die Aquarellstudie des „Zi-
geunerreiters" bei Miller von Aichholz ist ein Beleg dafür. Der Reiter kehrt als
Teil einer größeren Komposition auf dem undatierten Ölbild „W^andernde Zigeuner"
bei Baron Louis Rothschild wieder. Die Aquarellstudien sind das Material, das
Pettenkofen aus Szolnok mitbrachte. Sie, die an Ort und Stelle und nach der Natur
152
gemacht waren, wurden
nachher in Wien oder in
Paris zu Bildern verar-
beitet.
Selbstverständlich wurde
als Studie für ein Bild auch
die Zeichnung, die mit
leichten Farbtönen oder
mit Sepia lavierte, die auf
Tonpapier mit Bleistift ge-
zeichnete und mit Kreide
weiß gehöhte und die
einfache Bleistiftzeichnung
verwendet. Alle Zeichnun-
gen der fünfziger Jahre sind
sehr klar und bestimmt,
was bei den einfachen Blei-
stiftzeichnungen natürlich
am deutlichsten zu ersehen
ist. Die vom 14. September
1856 datierte Studie im Be-
sitz Dr. August Heymanns
für das Gespann auf dem
Bilde „Ungarisches Bauern-
fuhrwerk bei einer Pfütze"
(vom Jahre 1857 und im
Besitz Baron Louis Roth-
schilds) mag als Beleg da-
für dienen. Die mit Sepia
lavierte Studie zu einem
Szolnoker Markt, die der
Mitte oder noch der ersten
Hälfte der fünfziger Jahre
angehören kann, und die
mit „halben Färblein", wie Albrecht Dürer sagen würde, belebte Studie von
ungarischen Bauern und Bäuerinnen an einem Marktwagen, die der zweiten Hälfte
der fünfziger Jahre zuzuweisen sein dürfte und Ludwig Lobmeyr gehört, endlich
die gleichfalls leicht getonte Bleistiftstudie nach einem Pandurentrommler, die aus
dem Besitz des Herrn Julius Herz von Hertenried in den der Österreichischen
Staatsgalerie übergangen ist, sind weitere Beispiele für Pettenkofens Zeichenweise
während dieses Jahrzehntes.
Alles in allem genommen, werden im Hinblick auf Stil und Technik von Petten-
kofens Werken die fünfziger Jahre eine Zeit unermüdlichen Suchens und Versuchens
genannt werden können. Der Künstler gibt sich nie lange zufrieden, er wechselt
Weiblicher Akt. Ölbild. (1868?)
Wien, Ludwig Lobmeyr.
153
häufig seine Methode. Einmal hat es ihm die fleckige, lockere Malweise der Fran-
zosen angetan, dann wieder pflegt er treu die glattverschmolzene Ölmalerei der
alten Wiener. Bald bevorzugt er lebhafte Kontraste von Licht und Schatten, bald
tonige Stimmungen. Satte, starke Farben und bunte, etwas harte und kühle lösen
einander ab. Die Ölmalerei und die Aquarellmalerei kommen gleichmäßig zu Worte.
Trotz aller Mannigfaltigkeit aber wird man von Pettenkofens Malerei in den fünf-
ziger Jahren sagen können: sie ist eher farbig als tonig, eher hart als weich, eher
kühl als warm. —
In der Malerei der sechziger Jahre dagegen herrscht deutlich das Streben nach
Tonigkeit vor, die Buntheit dämpft sich, der Farbenauftrag wird lockerer und
weicher, wenn er auch fast noch immer verschmolzen bleibt. Das trübende Medium
in der atmosphärischen Luft wird mitgemalt. Die in der Sommersonne zitternde
Luft über dem Szolnoker Marktgewühl samt dem Staub und Dunst, den sie in sich
aufgenommen hat, kommt auf den Marktbildern dieses Jahrzehntes immer über-
zeugender zum Ausdruck. Ist auch dann und wann ein Bild auf einen kühlen Ge-
samtton gestimmt, so wird doch immer mehr und mehr der Wärme des Tones
der Vorzug gegeben.
Die Produktivität der sechziger Jahre ist lange nicht mehr so groß wie die des
Jahrzehntes vorher. Freilich hat auch Pettenkofen während dieser Zeit so gut wie
nicht datiert, die Bilder der sechziger Jahre sind daher als solche nicht immer mit
Sicherheit zu erkennen. Im folgenden seien etliche wichtigere Typen von Petten-
kofens Arbeiten aus den sechziger Jahren, und zwar solche, die einigermaßen zu
datieren sind, besprochen.
Für den Sommer 1863 ist ein Aufenthalt Pettenkofens im Salzkammergut nach-
zuweisen. Damals wird er den „Salzburger Bauern im Hof eines Hauses" und das
„Kleine Mädchen unter der Tür eines Salzburger Bauernhauses", Bilder, die beide
Franz Xaxer Mayer das Jahr darauf von ihm gekauft hat, gemalt haben; vielleicht
hat Pettenkofen 1863 auch bloß die Studien dazu gemalt. Das letztere Bild nimmt
bis zu einem gewissen Grade die Kontrastmalerei in der Art Decamps' wieder auf,
doch ist es weicher und wärmer als die entsprechenden Bilder der fünfziger Jahre.
Sehr tonig dagegen ist der „Bauerngarten in Hallstatt" gehalten, ein Bild, das
heute S. Kende in Wien gehört und umi dieselbe Zeit entstanden sein muß. Petten-
kofen war nämlich auch schon Ende April 1861 in Hallstatt, was durch sein Porträt
Anton Reithoffers bezeugt wird, aber um jene Jahreszeit war ein so hochsommer-
licher Garten, wie es der des Bildes ist, im schattenreichen Hallstatt gewiß noch
nicht als Modell zu finden. Die genannten beiden Bilder sind nicht nur durch das
Lokale, sondern auch durch ein Monogramm miteinander verknüpft, das in einer
eigentümlichen Verschlingung der beiden Initialen A. P. besteht und das von
Pettenkofen nur selten angewendet worden ist. Das erste Mal begegnet es auf dem
oben besprochenen großen „Szolnoker Markt" vom Jahre 1855. Ein Bild wie das
einen „Schimmel" darstellende im Besitz von Gottfried und Hermann Eißler, das
gleichfalls jenes Monogramm zeigt, wird daher schon wegen der Form seiner
Signatur in die Zeit von 1855 bis 1863-64 anzusetzen sein. Die weiche und doch
farbenkräftige Malweise spricht aber eher für das Ende als den Anfang dieser Frist.
154
Das Bild ist leicht und
sicher gemalt, der ab-
gerackerte Gaul darauf
vorzüglich charakterisiert.
Sicher noch dem Beginn
der sechziger Jahre gehört
ein berühmtes Bild der
Sammlung Gsell an, das
auf dem Umweg über Paris
erst jüngst wieder nach
Österreich zurückgekehrt
ist. Es ist der „Zigeuner,
der sich, die Geige auf
dem Schoß, eine Pfeife
anzündet", heute im Be-
sitz Generaldirektor Viktor
Zuckerkandis in Purkers-
dorf bei Wien. Die Rötel-
zeichnung eines halbnack-
ten Knaben, deren Repro-
duktion dem Katalog der
Auktion von Pettenkofens
Nachlaß als Titelvignette
diente und die sich heute
in der Liebiegschen Samm-
lung zu Reichenberg be-
findet, ist eine Vorstudie
zum Bewegungsmotiv des
Bildes. Stofflich führt die-
ses die Reihe der sowohl
unter den Ölgemälden, als
auch unter den Aquarellen
vertretenen Einzelfiguren
von der Puszta weiter. Dem Stil und der Technik nach schließt es sich an die
Gruppe der Bilder mit den satten, starken Farben an. Natürlich ist es viel lockerer
gemalt als etwa die „Zigeunerin mit dem Kinde" vom Jahre 1858 bei Franz Xaver
Mayer. Ungefähr von derselben Art wie der „Zigeuner mit der Geige" ist das
Kniestück einer Zigeunerin, die sich, ihren blauen Rock über den Kopf geschlagen,
eine Pfeife anzündet. Dieses Bild, das sich in der K. k. österreichischen Staats-
galerie befindet, ist darum wichtig, weil es, aus dem Besitz Dr. Max Josef Schülers
in Graz stammend, höchstwahrscheinlich identisch ist mit dem „kleinen Bilde",
das Pettenkofen am 15. Jänner 1863 an jenen Sammler verkauft, das demzufolge
im Jahre vorher entstanden sein dürfte und sohin die beiläufige Entstehungszeit
auch für verwandte Bilder wie den „Zigeuner mit der Geige" und das nicht ganz
Lautenschlägerin. Ölskizze.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
155
zu Ende geführte Brustbild eines Zigeuners (in der Österreichischen Staatsgalerie)
angäbe. Den genannten Figurenbildern ist auch das „Auf dem Herd sitzende Zi-
geunermädchen" anzureihen; es hat die Beine hochgezogen und zündet sich eine
Pfeife an. Ein ähnliches Bild hat Pettenkofen schon viel früher gemalt. Es gehört
dem Fürsten Liechtenstein. Die zwei später entstandenen Fassungen unterscheiden
sich von jener älteren Arbeit hauptsächlich dadurch, daß das Zigeunerkind — es
ist in beiden Fällen nicht mit Sicherheit zu entscheiden, ob es ein Bub oder ein
Mädel ist — als Akt dargestellt ist. Das kleinere, nicht ganz vollendete, künstlerisch
aber freiere Bild, das hier der Mitte oder zweiten Hälfte der sechziger Jahre zu-
gewiesen wird, gehört k. u. k. Truchseß Fritz Dobner von Dobenau in Wien, das
große, wahrscheinlich erst aus den achtziger Jahren stammende, von dem noch
gesprochen werden soll, befindet sich jetzt im Besitz der Österreichischen Staats-
galerie. Das reizende Stilleben eines toten weißen Huhnes und eines gelben Ton-
kruges, das Ludwig Lobmeyr gehört, ist die sorgfältige Ausführung der untersten
Partie jener Komposition. —
Gleichfalls noch den ersten sechziger Jahren wird ein Bild wie die „Pferde am Zieh-
brunnen" im Besitz des Grafen Ludwig Karolyi in Budapest zuzuweisen sein. Auch
dieses Werk setzt die Reihe der Bilder mit den satten, schweren Farben, und
zwar an jenem Ende fort, wo die vom Jahre 1858 datierten „Pferde am Stroh-
schober" bei Franz Xaver Mayer stehen, ist aber natürlich viel leichter und
weicher gemalt als jene Werke der fünfziger Jahre. Ein anderes Bild im Besitz
des Grafen Karolyi, der „Szolnoker Geschirrmarkt", zeigt vielfache Übereinstim-
mung mit dem „Ungarischen Leinwandmarkt" der Liebiegschen Sammlung in
Reichenberg, besonders in der etwas eckigen Formenbehandlung. Die beiden sicher
zugleich entstandenen Bilder fallen gerade durch ihre Härte, die freilich mehr in
der Zeichnung als im Kolorit zum Ausdruck kommt, ein bißchen aus der Manier
der sechziger Jahre heraus, doch gehören sie diesen sicherlich an. Sie werden un-
gefähr um das Jahr 1865 anzusetzen und als ein mit Pettenkofens künstlerischen
Gepflogenheiten durchaus übereinstimmender Versuch, in einer Zeit weicherer Pinsel-
führung auch einmal wieder etwas härter zu malen, zu verstehen sein. Wohl die
bekanntesten von Pettenkofens ungarischen Bildern der sechziger Jahre sind die
verschiedenen Fassungen eines Stelldicheins auf der Puszta. Das für Pettenkofen
bedeutungsvolle Thema wird 1854 in einem Bilde, dessen gegenwärtiger Besitzer
leider nicht angegeben werden kann, zum ersten Mal behandelt. Es stellt einen
jungen ungarischen Bauern oder Zigeuner dar, der auf einem Esel sitzt und über
einen Zaun sein Mädchen küßt. Fassungen des Stelldicheins, wo der Bursche zwei
Pferde bei sich hat, aber auf keinem oben sitzt, vom Ende der fünfziger Jahre und
im Besitz der Barone Alfons Rothschild und Albert Wodianer und der Liebieg-
schen Sammlung in Reichenberg wurden bereits erwähnt. Im Jahre 1864 nun
nimmt Pettenkofen nach einem Bilderverzeichnis, das sich in seinem ältesten Notiz-
buch befindet, dieses Thema wieder auf. Er malt einen „Bauern zu Pferd, ein Mädel
küssend". Das zweite Pferd ist in dieser Bezeichnung nicht genannt. Das Bild in dieser
Fassung scheint von Pettenkofen mehr als einmal gemalt worden zu sein. Das hier
abgebildete Exemplar gehört der Österreichischen Staatsgalerie. Im selben Jahre
156
Mädchen, unter der Statue eines Amor ein Billet-doux verbergend. Bleistift- und Sepiazeichnung. Wien, Julius Reich.
157
findet Pettenkofen jene Formulierung des ewigen Themas, die als die einfachste auch
den meisten Anklang gefunden hat: über einen niederen Erdzaun neigen sich Bursch
und Mädel einander zu, um sich zu küssen. Pettenkofen verkauft 1864 zwei Fas-
sungen des Bildes und eine Studie dazu an Gsell. In dessen Nachlaßauktion findet
sich nur mehr die Studie, die beiden Bilder muß er schon früher abgegeben haben.
Eines kam noch 1868 durch Kaeser ans Belvedere, das andere ward 1902 in
Amerika verkauft. Das Exemplar aus kaiserlichem Besitz ist hier abgebildet. Mit
den „Räubern im Kornfeld" in London, der „Szene nach dem Duell" in Amster-
dam und dem „Bauernknaben mit einem Pferd, vorm Eingang in ein ungarisches
Bauerngehöft" hat dieses Bild die vielen breiten Risse gemein, die sogar auf der
Reproduktion kenntlich sind. Wahrscheinlich war das Trockenmittel daran schuld,
das Pettenkofen später in den achtziger Jahren, offenbar angesichts der Sprünge,
die er noch selbst auf älteren seiner Bilder beobachten konnte, so sorgfältig zu
studieren begann. Das Bild des Kunsthistorischen Hofmuseums ist ungemein weich
gemalt und in einem warmen Ton gehalten. Vom Jahre 1866 stammt der „Unga-
rische Bauernwagen, auf dem Melonen verpackt werden", vom folgenden Jahre der
„Alte Melonen Verkäufer"; beide Bilder wurden von Pettenkofen an Franz Xaver
Mayer verkauft, aus dessen Einschreibbuch auch die Datierungen, die nicht genau
die Vollendungstermine sein müssen, stammen. Der „Markt mit dem Ochsen-
gespann im Vordergrund", 1869 von Franz Xaver Mayer gekauft, zeichnet sich
durch besondere Weichheit der Töne aus. Die „Ungarische Dorfstraße, auf der ein
Bauer drei Pferde zur Schwemme reitet", im Besitz Julius Eymers in ^Vien, wird
ungefähr derselben Zeit angehören. Während aber die Gesamthaltung des „Marktes"
ziemlich kühl ist, herrschen auf der „Straße" die warmen Töne vor. Doch ist sie
kein sehr glückliches Werk, die Weichheit ist hier zur Verschwommenheit abge-
flaut. Ein Meisterstück und ein würdiger Abschluß von Pettenkofens malerischer
Tätigkeit in den sechziger Jahren dagegen ist das Bild, das der Künstler selbst
„Ungarischer Markt mit Fuhrwerk, Pferden und Melonen" nennt und das er am
8. April 1870 Franz Xaver Mayer verkauft. Begonnen wurde es gewiß noch im
Jahre 1869. Sein Kolorit ist zugleich weich und kräftig, satt und duftig. Farbig-
keit und Tonigkeit finden sich darauf aufs glücklichste vereint.
Pettenkofen hat während der sechziger Jahre aber auch andere Vorwürfe be-
handelt als die bisher besprochenen. 1861 zeichnet er in Hallstatt seinen Freund,
den Maler Anton Reithoffer, — das Blatt scheint das einzige Porträt des Jahrzehntes
zu sein. Aus Pettenkofens Nachlaß hat sich, was hier wohl erwähnt werden darf,
eine vom Jahre 1857 datierte Lithographie Kriehubers erhalten, die gleichfalls Anton
Reithoffer darstellt. 1862 erhält er einen eigentümlichen Auftrag: er hat den Kaiser
zu malen, wie er den Schaden besichtigt, den die große Donau-Überschwemmung
des Jahres angerichtet hat. Auf dem Bild, das sich im Museum der Stadt Wien
befindet, halten große Vorzüge und große Schwächen einander die Wage. Die
Komposition ist sehr gut: hochragend auf das massige, von der Flut halb zerstörte
Balkenwerk hingestellt, wirkt die Figur des Monarchen imponierend genug. Nur
scheint sie doch etwas zu lang geraten zu sein, und ist schon sie nicht ganz von
Pose frei, so gemahnt vollends der Gestus des Fleischhauers Josef Wimmer,
158
Markt in Szolnok, vorne zwei ausgespannte Ochsen. Ölbild. (,i86g.)
Wien, Franz Xaver Mayer.
des Bestellers des Bildes, ein bißchen ans Theater. Die trübe Regenstimmung bot
Anlaß, das ganze Bild in einem vornehmen kühlen Grau zu halten. Sechs Jahre
später stimmt Pettenkofen abermals ein Bild auf ähnlich kühle, graue Töne. Es
ist der „Herbstliche Buchenwald" (schlanke Buchenstämme muß Pettenkofen zeit-
lebens besonders gern gehabt haben, Nadelholz hat er, scheint es, niemals gemalt)
„mit ein paar Soldaten an einem Lagerfeuer"; einer von ihnen verbindet sich
vorne eine Wunde am Bein. Aber nicht nur in diesem Bilde, das Gottfried und
Hermann Eißler gehört, nimmt Pettenkofen das militärische Thema wieder avif.
1869 variiert er in Form zweier Skizzen sogar nochmals den „Verwundetentrans-
port". Von den beiden Skizzen ist die eine, Plach gewidmete und dann in den Be-
sitz Gsells übergegangene, verschollen. Die zweite gehört Baron Louis Rothschild
und ist vor allem im Licht ganz ausgezeichnet. Freilich muß hier angemerkt
werden, daß diese Datierung gleich allen ähnlichen, die auf Verkaufsnotizen Petten-
kofens selbst zurückgehen, nicht unbedingt verläßlich ist. Es wäre natürlich mög-
lich, daß er sich erst damals von einer Arbeit getrennt hat, die schon Jahre vorher
entstanden war. Fest steht, daß dieser Fall bei Pettenkofen ebenso zu belegen ist
wie der, daß Jahre nachher ein altes Thema nochmals aufgenommen wird. Immer-
159
hin spricht die freiere, flottere Technik, zunächst aber die auch auf der Skizze er-
kennbare Tonmalerei entschieden zugunsten der letzten sechziger Jahre. 1868 ver-
kauft Pettenkofen Plach ein „kleines Ölbild: Badende im Wald". Das ist un-
zweifelhaft der weibliche Akt bei Ludwig Lobmeyr, und es ist wahrscheinlich, daß
er in diesem Jahre entstanden ist. Akte hat Pettenkofen wohl viele gezeichnet,
aber nur sehr wenige gemalt. Von dem liegenden weiblichen Akt der fünfziger
Jahre war schon oben die Rede. Derselben Zeit wie die „Badende" wird die ihrem
Vorwurf nach ganz vereinzelt dastehende Ölstudie einer „Lautenspielerin", gleich-
falls im Besitz Ludwig Lobmeyrs, angehören. Wegen des verwandten Sentiments,
das vielleicht als Anklang an ein zeitloses Rokoko charakterisiert werden darf, läßt sich
mit der „Lautenspielerin" die reizende Zeichnung eines „Mädchens, das unter der
Statue eines Amor ein Billet-doux verbergen will" in Zusammenhang bringen. Das
Blatt gehört Kommerzialrat Julius Reich in Wien. Endlich sind vom Jahre 1867
die bereits flüchtig erwähnten ersten italienischen Themen, Studien nach Volks-
typen aus Riva zu nennen, Arbeiten, die aber besser vom Gesichtspunkt der Technik
als dem des Motivs aus zu behandeln sein werden.
Ganz auffallend tritt während der sechziger Jahre das Aquarell zurück. 1864
führt Pettenkofen in der Verkaufsliste des ersten Notizbuches neben Ölstudien,
Bleistift- und Sepiazeichnungen auch Aquarelle an, alles in allem 37 Arbeiten,
die er alle Gsell abläßt, und 1867 spricht er an derselben Stelle von „fünf Aqua-
rellen aus Ungarn", die abermals Gsell ersteht. 1869 kauft Franz Xaver Mayer
zwei Aquarelle von dem Künstler, einen „Ungarischen Schafhirten" und den hier
abgebildeten „Jungen ungarischen Bauern, der sich seine Pfeife anzündet". Die
beiden Blätter werden auch nicht viel früher entstanden sein. Sehr angenehm ist
namentlich die Wirkung des „Jungen Bauern" nicht. Das Bild ist allzusehr aus-
geführt und ein etwas trübes Braun schlägt vor, — schon einmal, um 1850, verfiel
Pettenkofen beim Aquarellieren diesem braunen Gesamtton und, wie wir sehen
werden, nimmt er ihn sogar in den achtziger Jahren, freilich viel kraftvoller, noch-
mals wieder auf.
Es ist, als ob während der sechziger Jahre die Aquarelle durch die Zeichnungen
abgelöst worden wären, denn diese treten jetzt merklich hervor. Schon Blätter
vom Anfang des Jahrzehntes, wie die 1860 datierte „Zigeunererdhütte" bei Ludwig
Lobmeyr und die sicher gleichzeitige „Ungarische Dorfstraße" ebenda, sind mit
weicherem Bleistift gemacht. Das Porträt Reithoffers vom Jahre darauf zeigt be-
reits schwarze und weiße Kreide. Weichem Bleistift und schwarzer Kreide gesellt
sich auf körnigem Grund auch der Rötel, lauter Materialien, die früher nicht oder
doch nur ganz vereinzelt angewendet worden sind. 1867 in Riva nun zeichnet
Pettenkofen ziemlich große Köpfe, vorwiegend mit weichem, breiten Bleistift, und
auf kleinerem Räume ganze Figuren mit spitzer Sepia- oder Tuschfeder, häufig
hilft er mit dem Pinsel nach, manchmal erzielt er mit dem bloß in Wasser ge-
tauchten Pinsel, mit dem er die frische Federzeichnung übergeht, eigentümliche
Wirkungen. Sowohl die Köpfe aber, von denen hier als Beispiel der eines Mäd-
chens wiedergegeben ist, als auch die ganzen Figuren gehören keineswegs zu
Pettenkofens glücklichsten Schöpfungen. Diese wie jene sind eigentümlich hart, ja
160
TAFEL XXIX
SZOLNOKER MARKT. ÖLBILD. (1870.) WIEN, FRANZ XAVER MAYER.
/.
Straße eines ungarischen Dorfes mit einem Bauern, der drei Pferde zur Schwemme reitet. Ölbild. Wien, Julius Eymer.
die Köpfe erinnern sogar ein wenig an die im Kerne eigentlich unkünstlerischen
Zeichnungen von Christian Wilhelm Allers, dessen durch den Lichtdruck reprodu-
zierte Serien: „Meininger," „Unsere Marine," „Bismarck in Friedrichsruh", „Das
deutsche Korpsleben" usw. einst viel bewundert wurden. —
Dem Ende der sechziger Jahre wird am besten Pettenkofens Tätigkeit als — Re-
staurator von Bildern anzugliedern sein, obwohl sie bereits im Jahre 1857 anhebt
und er die meisten Arbeiten dieser Art erst im Jahre 1871 ausgeführt hat. Petten-
kofen scheint sich nur während der Zeit von 1857 bis 1871 auf diesem merkwür-
digen Gebiet bewegt zu haben, auf dem sich der Künstler und der Kunstgelehrte
die Hände reichen sollen, auf dem ein vollwertiger Künstler ebenso erwünscht wie
gefährlich ist und auf dem sich Kenntnisse, die einzig und allein durch Erfahrung
und Übung gewonnen werden können, mit angeborenem Takt vereinigen müssen.
Freilich wird er vor- und nachher, um ein Wort des Künstlerjargons zu ge-
brauchen, als „Bilderdoktor" tätig gewesen sein, als der er bei allen Malern, die
Gelegenheit hatten, von ihm bei ihrer Arbeit mit Rat und Tat unterstützt zu werden,
den höchsten Ruf genoß. Von einer solchen Mithilfe, die er einmal dem alten
Raffalt hatte angedeihen lassen, war hier bereits die Rede. Staffagen in ein fremdes
Bild zu setzen, scheint eine Force und eine Art Lieblingsbeschäftigung von ihm
gewesen zu sein. Er gilt auch heute noch in Künstlerkreisen als unerreichter
Meister der Anbringung von Staffagen. Noch hat sich ein gutes diesbezügliches
Wort von ihm erhalten: „Eine Staffage darf nur dorthin kommen, wo sie nichts
Gutes verdirbt."^") — Natürlich erschöpft sich im „Staffieren" das, was von einem
161
Restaurator verlangt wird, nicht, und heutzutage, da man in dieser Hinsicht viel
rigoroser denkt als einst, wäre speziell das derartige Tun eines Restaurators aufs
strengste verpönt.
Im März 1868 malt Pettenkofen für 200 fl. seinem Freunde Kratzer eine Staffage,
unter dem Datum des 24. Mai 1869 verzeichnet er in der Bilderliste des ersten
Notizbuches drei Staffagen, die er um 200 fl. für Plach gemacht hat. Ob diese
Staffagen in alte oder in neue Bilder hineingemalt worden sind, muß dahingestellt
bleiben. Unter dem 1. August 1871 findet sich sowohl im ersten als auch im
zweiten Notizbuch vermerkt: „Staffage in eine Landschaft von J . . . um 200 fl.
für Herrn Plach gemacht." Mit dem „J." ist wahrscheinlich Eugen Jettel gemeint.
Außerdem sei hier nochmals daran erinnert, daß sich im Besitz Franz Xaver
Mayers eine Landschaft des Franzosen Alexandre-Marie Longuet befindet, in die
Pettenkofen ein wasserschöpfendes Mädchen als Staffage gemalt hat.
Die interessanteste Staffage Pettenkofens aber, von der wir wissen und die wir
von unserem heutigen Standpunkt aus geradezu als Fälschung bezeichnen müßten,
ist die, die er 1871 um 100 fl. für Plach in ein Bild Ruysdaels gemalt hat. Er ver-
zeichnet sie unter demselben Datum wie die eben erwähnte Staffage in einem Bild
Jetteis. Es ist natürlich äußerst verlockend, nachzuspüren, was das für ein Bild war,
doch muß gleich gesagt werden, daß darüber nur Vermutungen angestellt werden
können.
Plachs ausgiebigster und ständigster Käufer um jene Zeit war Friedrich Gsell,
der freilich im September des genannten Jahres 1871 starb, in dessen Nachlaß aber
drei Bilder Jakob und zwei Salomon Ruysdaels vorkommen und von dem Petten-
kofen im nämlichen Jahre nicht weniger als vier Restaurieraufträge erhält. Es wäre
daher ganz wohl möglich, daß es sich um einen Ruysdael aus Gsells Galerie
handelt.
Die drei Bilder Jakob Ruysdaels nun (ein viertes: Waldausgang, Nr. 496 des
Auktionskataloges, wird bereits von diesem selbst als „moderne Imitation" be-
zeichnet, geht um 32 fl. in den Besitz eines Herrn Höger über und kommt nach
dem allen nicht in Betracht) sind nach dem Katalog folgende: Nr. 97: Wald-
ausgang (Eichen und Buchen, am Boden bemooste Stämme, im Hintergrund Hirt
mit Schafen, Durchblick auf die See). Holz. 69:98 cm. „Vorzügliche Erhaltung."
Aus den Galerien Pierard in Valenciennes und Festetits in Wien. Gekauft wurde es
um 5100 fl. von Posonyi. Nach C. Hofstede de Groot^') befindet es sich jetzt in
der Sammlung W. A. Clarks. — Nr. 98: Landschaft mit Wasserfall. Das Haupt-
stück der Sammlung. (Im Katalog in einer Lithographie abgebildet.) Bezeichnet.
Leinwand. 69:55 cm. Aus der fürstlich Eszterhäzyschen Galerie von Gsell im
Jänner 1871 um den „Höchstpreis" von 20.000 fl. auf der Auktion von des Grafen
Brunatti Nachlaß gekauft. Auf der Auktion Gsell wurde es um 27.000 fl. von
einem Herrn Hornick erstanden und nach Hofstede de Groot^O befand es sich
1896 im Besitz von Charles Sedelmeyer in Paris. — Nr. 495: Gothische Dorfkirche.
Staffage von Cuyp. Holz. 82:70 cm. „Stimmung und Luft an den Judenfriedhof
der Dresdener Galerie erinnernd." Aus der Sammlung des Barons Rauter. Das
Bild wurde um 2400 fl. von Plach selbst gekauft, wo es sich heute befindet, ist
162
auch Hofstede de Groot
unbekannt.^')
Wenn von Ruysdael
schlechthin die Rede ist,
so meint man wohl Jakob
Ruysdael. Daher spräche
die Wahrscheinlichkeit da-
für, daß sich das von Pet-
tenkofen mit einer Staffage
versehene Bild Ruysdaels
unter den drei eben ge-
nannten Jakob Ruysdaels
befindet, und von diesen
wieder käme vielleicht an
erster Stelle das mittlere
in Betracht, und zwar da-
rum, weil es im Jänner
1871 von Gsell gekauft
wurde. Natürlich geschah
das durch Vermittlung
Plachs, und damit wäre für
das Jahr 1871 ein Ruys-
dael nachgewiesen, der
durch Plachs Hände ge-
gangen ist.
Der Vollständigkeit hal-
ber seien aber auch die bei-
den Bilder Salomon Ruys-
daels angeführt, die Gsell
gehört haben, obwohl es
von vornherein recht un-
wahrscheinlich ist, daß Pet-
tenkofen mit einem von
diesen zu tun gehabt hat: Nr. 99: Landschaft mit Thieren. Signiert. Holz. 50:68 cm.
Das Bild wurde von Plach selbst um 1088 fl. erstanden. — Nr. 100: Hütte unter
Bäumen am Wasser. Signiert: 1663. Holz. 53 : 63 cm. „Bekanntlich das vorzüglichste
Bild des Meisters, vortrefflich erhalten." Aus der Galerie Festetits. Das Gemälde
wurde um 5800 fl. von Hornick erstanden.
Sind die bisher besprochenen Arbeiten an Bildern anderer keine Restaurierarbeiten
im strengsten Sinne des Wortes, so seien im folgenden wirkliche „Wiederherstellungen"
aufgezählt. Sie finden sich in Pettenkofens Notizen unter den Schlagwörtern „Re-
stauration" und „Übermalung" verzeichnet. Dabei darf wohl an Pettenkofens Lehrer
Eybl erinnert werden, der sich als Maler, der an der Belvedere-Galerie angestellt
war, natürlich besonders viel mit dem Bilderrestaurieren zu beschäftigen hatte.
Junger üigeuner, sich eine Pfeife anzuiuicnd. Aquarell. ( 1869?) Wien, Franz X. Mayer.
163
Ungarischer Markt. Ölbild.
Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
Die erste und allem Anschein nach die größte Restaurierarbeit, die Pettenkofen
überhaupt auszuführen hatte, gilt einem Bilde von Metsu. Plach zahlt ihm dafür
im April des Jahres 1857 die für Plach und jene verhältnismäßig frühe Zeit immer-
hin beträchtliche Summe von 200 fl. Die Tatsache findet sich in dem frühesten der
paar aus Pettenkofens Nachlaß erhaltenen Bilderverzeichnisse eingetragen. Mit
Hilfe der schon oben angestellten Schlüsse kommt man bei dem Versuch, dieses
Bild zu identifizieren, abermals auf die Sammlung Gsell, die auch tatsächlich ein
Bild unter dem Namen Metsus enthält, mit dessen ganz erheblicher Größe — es
mißt 70:90 cm — auch die relative Höhe des Honorars gut in Einklang zu bringen
wäre. Das Bild führt im Katalog der Nachlaßauktion die Nummer 66 und ist da
folgendermaßen beschrieben: Der Prinz von Oranien reitet mit seinen Kavalieren
nach der im Hintergrund sichtbaren Reitschule, von einem Windhund begleitet.
Rechts ein Stallmeister mit einem Pagen, der einen Braunen hält. Leinwand. Daß
es schon früher durch Plachs Hände gegangen war, erhellt daraus, daß es aus der
1859 von ihm versteigerten Sammlung Festetits stammt, in die es aus der Galerie
des Barons Puthon gekommen war. Hofstede de Groot^^) führt das Bild bloß als
Bestandteil der Sammlung Festetits an, was allein schon dafür spräche, daß der
Name seines Autors nicht ganz sicher ist. Tatsächlich hat es auch Bode eher für
einen späteren Aelbert Cuyp gehalten. Als solcher ist es aber bei Hofstede de
Groot nicht verzeichnet. Auch David Teniers und Francois Duchatel hat das
Bild schon geheißen. ^^) Auf der Auktion Gsell wurde es um 36.000 fl. von Plach
für Baron Nathaniel Rothschild gekauft, dessen Erbe Baron Alfons es heute noch
besitzt. Aus dem Nachlaß Pettenkofens hat sich eine Zeitungsnotiz erhalten, die
die Ergebnisse der Auktion Gsell mitteilt. Es heißt da, daß den höchsten Preis
das in Rede stehende Bild Metsus erzielte, das von Rothschild für 30.600 fl. (die
164
Ungarischer Markt. Ölbild.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
Summe deckt sich, wie man sieht, nicht mit der oben angegebenen, die der Ein-
tragung in einem Auktionskatalog entnommen ist) angekauft wurde, den nächst
hohen aber ein „Großer ungarischer Markt" von Pettenkofen, den der Wiener
Händler Löscher im Auftrag des Abgeordneten Kuranda um 18.050 fl. erstand.
Die Notiz scheint von Pettenkofen selbst ausgeschnitten worden zu sein. Es mag
für ihn ein eigentümliches Gefühl gewesen sein, zu sehen, daß die höchsten Preise
erzielt wurden von dem Bild eines alten Meisters, das immerhin zum Teil, und
von einem Bild, das ganz von seiner Hand gemalt war.
Unter dem Datum des 10. Mai 1868 notiert sich ferner Pettenkofen, daß er für eine
Übermalung von dem Sammler Bosch 80, für eine ebensolche von Plach 50 fl. erhalten
hat. Läßt sich in diesen beiden Fällen ebenso wie in dem von Pettenkofen 1871 ver-
zeichneten, wo er für die Restauration von „verschiedenen kleineren und größeren
Bildern" von Gsell 300 fl. gutgeschrieben erhält, natürlich nicht mehr feststellen,
welche Bilder gemeint sind, so sind besonders interessant jene Restaurierarbeiten,
die Pettenkofen außerdem im selben Jahre für Gsell ausgeführt hat. Da Gsell, wie
schon erwähnt, Ende September 1871 gestorben ist und daher die von Petten-
kofen noch in diesem Jahre für ihn restaurierten Bilder kaum mehr seine Samm-
lung verlassen haben werden, so kann wenigstens das Eine als ausgemacht gelten,
daß alle im Katalog der Nachlaßauktion zu finden sein müssen. Weil aber Petten-
kofen stets nur den Meister und nie einen Bildertitel angibt und in zwei Fällen
der Katalog unter dem betreffenden Maler mehrere Bilder anführt, so kann auch
hier, wie oben bei der in einen Ruysdael gemalten Staffage, nur geraten werden,
welches Bild gemeint sein könne. Bei anderen läßt sich wieder nicht herausbringen,
wo sie sich heute befinden. Identität und heutiger Standort sind nur in einem ein-
zigen Falle festzustellen, — vorausgesetzt, daß Plach bei der Übernahme der Samm-
lung zur Auktion keine Neutaufe vorgenommen hat und daß Pettenkofen nicht den
Namen des Meisters vergessen hat. Beides ist nicht sehr wahrscheinlich, da einer
165
Ungarischer Markt bei Regen. Ölbild.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
seits Gsell wohl die meisten seiner Bilder von Plach gekauft und dieser daher schon
früher Gelegenheit gehabt hatte zu taufen und anderseits Pettenkofen zu genau, zu
pedantisch und kunstgeschichtlich zu interessiert war, als daß er sich um einen
Namen nicht erkundigt oder ihn unterdrückt hätte. Mit dem zuletzt charakterisierten
Falle, dem günstigsten, sei begonnen.
1871 notiert sich Pettenkofen, daß ihm Gsell — die Gründe, warum Gsell Plach
als Zwischenhändler ausgeschlossen und direkt mit Pettenkofen verkehrt hat, liegen
auf der Hand — daß ihm Gsell für die Restaurierung des „Brustbildes eines alten
Italieners" 100 fl. gutgeschrieben hat. Nun kommen im Katalog nur zwei Brust-
bilder von unbekannten alten Italienern vor: Nr. 184: Venezianische Schule, Papst
Sixtus V., Leinwand, 48 : 41 cm groß, ist das eine. Da dieses Porträt aber als
„verputzt" bezeichnet ist und um bloß 70 fl. von Plach gekauft wird, kann es un-
möglich das von Pettenkofen restaurierte Bild sein. Das andere aber ist Nr. 153:
Alte Florentiner Schule, XV. Jahrhundert: Mädchen mit goldgeringelten Haaren,
mit Geschmeide geziert. Von dem bekränzten Kopf fällt ein weißer Schleier über
den Nacken. In der zierlichen Hand ein Blumensträußchen. „Voll Anmut und von
großer Vollendung. " Ebenholzrahmen. Holz: 44 : 35 cm. Aus der Galerie Schleißheim.
Es wurde um 665 fl. vom Kunsthändler Kohlbacher gekauft. Dieses Bild nun ist
der schon von Morelli richtig erkannte, von Thode aber kaum verständlicherweise als
Dürer publizierte Bartolommeo Veneto des Städelschen Instituts in Frankfurt am
Main. Im Katalog des Instituts vom Jahre 1879 ist bei dem damals noch als
Florentiner Schule des XV. Jahrhunderts (Nr. 13 der italienischen Schulen) bezeich-
neten Bilde angegeben, daß es aus Schleißheim und aus der Galerie Gsell stamme.
Es wurde 1872 vom Frankfurter Kunstverein um 2500 fl. erworben, — Kohlbacher
hatte das Jahr vorher 665 dafür bezahlt!
Ferner merkt sich Pettenkofen 1871 an, daß er Gsell um 100 fl. ein Bild von
Sassoferrato restauriert hat. Im Katalog findet sich nur ein einziges Bild dieses
166
Ungarischer Markt. Ölbild.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie.
Malers, das in Betracht kommt: Nr. 175: Madonna mit dem schlafenden Kinde.
Leinwand. 88 : 58 cm. „Gut erhalten." Dieser Vermerk ist für Plachs Geschäfts-
praxis ungemein charakteristisch und kann vielleicht bei der Identifizierung der noch
zu besprechenden beiden anderen Restaurierarbeiten Pettenkofens verwertet werden.
Das Bild wurde von Flach selbst um 1000 fl. gekauft. Leider ist nicht zu eruieren,
wo es hingekommen ist. (Das zweite Bild, bei dem im Katalog allerdings bloß
mit einem Fragezeichen der Name Sassoferrato steht, wurde um bloß 161 fl. an
einen gewissen Kahn verkauft und kommt, wie gesagt, seiner Minderwertigkeit
wegen nicht in Betracht.)
Weiter hat Pettenkofen 1871 um 100 fl. ein Bild von Ostade für Gsell restauriert.
Da im Katalog nicht weniger als vier Bilder von Ostade, und zwar nur von Adriaen
Ostade vorkommen, so hat man hier natürlich gar keinen Anhaltspunkt dafür, wel-
ches der vier von Pettenkofen restauriert worden ist. Immerhin seien sie aufgezählt:
Nr. 76: Das Innere einer Scheune, in der ein geschlachtetes Schwein hängt. Auf dem
Boden Hühner, Hausgerät u. a. Signiert 1643. Holz. 69 : 49 cm. Aus der Galerie
Pierard aus Valenciennes. Es wurde um 1830 fl. von einem Herrn Engländer
gekauft. Nach Hofstede de Groot^*^^) befindet es sich heute im Städelschen Institut zu
Frankfurt. — Nr. 11: Eine Schenke, in der ein Weib zur Fiedel tanzt. Die ange-
heiterten Bauern sehen zu. Bezeichnet mit Namen 1642 (recte 1643). In tergo
alte adelige Siegel. Holz. 47 : 65 cm. Aus der Galerie Eszterhäzy. Das Bild wurde
um 1920 fl. von Hornick gekauft. Hofstede de Groot") verzeichnet es das letzte
Mal als Nr. 149 einer Auktion, die am 25. Mai 1907 bei Charles Sedelmeyer in
Paris stattgefunden hat. — Nr. 78: Dorfschenke. Bezeichnet. Holz. 27 : 22 cm. Aus
der Galerie Festetits. Es wurde um 1990 fl. von Artaria & Co. gekauft. Nach Hof-
167
stede de Groot") befand es sich noch 1908 bei Kunsthändler Charles Brunner in
Paris. — Nr. 79: Spielende Kinder in einer Bauernstube. Monogrammiert. Holz.
21 : 25 cm. Gekauft wurde es um 1060 ü. vom Kunsthändler Löscher. Hofstede de
Groot^') weiß nicht anzugeben, wo das Bild heutzutage aufbewahrt wird.
Schließlich notiert sich Pettenkofen im Jahre 1871 noch, daß er für Gsell ein
Porträt von Tintoretto restauriert und dafür 200 fl. gutgeschrieben erhalten hat.
Nach dem Preis zu urteilen, möchte man meinen, daß hier eine nicht unbeträcht-
liche Arbeit an ein besonders wertvolles Bild gewendet worden ist. Der Katalog
verzeichnet nicht weniger als drei Bildnisse Jacopo Tintorettos, unter denen es
natürlich sehr schwer ist das von Pettenkofen restaurierte auch nur zu vermuten:
Nr. 170: Bildnis eines Senators im pelz verbrämten schwarzen Kleide. (In schlechtem
Holzschnitt reproduziert.) Leinwand. 100 : 82 cm. In schwarzem Rahmen. Aus der
Sammlung Böhm. Es wurde von Plach um 1750 fl. erstanden. — Nr. 171: Feldherr
in Rüstung, zur Seite ein Mohr, im Hintergrund die Flotte. Leinwand. 112:113 cm.
Aus den Galerien Manfrin und Festetits. Es wurde um 1810 fl. von einem gewissen
Caruta gekauft. — Nr. 172: Ein Senator in rotem hermelinverbrämten Kleide;
grüne Draperie. „Gut erhalten." Leinwand. 136 : 105 cm. "Wie das vorige aus den
Galerien Manfrin und Festetits. Es wurde um 1650 fl. von Plach selbst gekauft. —
Die beiden anderen Bilder von Jacopo Tintoretto, Nr. 173: Dornenkrönung und
Nr. 174: Dreifaltigkeit und Maria mit Donatoren, fallen, da sie keine Porträte sind,
weg, und die beiden Bilder Domenico Tintorettos, Nr. 175: Bildnis eines Dogen,
Leinwand, 46 : 54 cm, und Nr. 176: Porträt eines Kahlkopfes, der, einen Pelzrock
an, im Lehnstuhl ruht, Leinwand, 115 : 93 cm, aus der Galerie Berry stammend,
kommen wohl auch nicht in Betracht. Das erste scheint überhaupt nicht verkauft
worden zu sein, das zweite, obwohl es im Katalog mit dem Zusatz „von bester
Erhaltung" versehen ist, hat um nur 330 fl. Plach selbst gekauft, und schließlich
meint man wohl, wenn man Tintoretto schlechthin sagt, Jacopo und nicht Dome-
nico. — Nach dem Beispiel des Sassoferrato möchte man fast glauben, daß Petten-
kofen das Bild Nr. 172, den Senator im roten Gewand, restauriert hat, weil es
mit der Anmerkung „gut erhalten" versehen ist. —
Dies ist alles, was von der Restauriertätigkeit Pettenkofens bekannt ist. Seit
Gsells Tode scheint er sie gänzlich aufgegeben zu haben.
Mit den Bildern der alten Meister aber hat er sich auch weiterhin eingehend
befaßt, aber nicht mehr, indem er sie erhielt und verbesserte, sondern lediglich,
indem er sich ihrer freute und von ihnen lernte.
168
I
TAFEL XXX
FISCHERBARKEN AM STRANDE VON PORTICI. AQUARELLSTUDIE. (1873.)
WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
TAFEL XXXI
BÄUERIN AUS TORRE DEL GRECO, MIT BLUMENTÖPFEN BESCHÄFTIGT.
AQUARELL. (1873.) WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
- r.if.ivtjyBpfej,'
TAFEL XXXII
NEAPOLITA^aSCHE NETZFLICKERIN. AQUARELLSTUDIE. (1873.) WIEN,
LUDWIG LOBMEYR.
hOU
TAFEL XXXIII
INNERES EINES NEAPOLITANISCHEN BAUERNHAUSES MIT HOLZSTIEGE
UND NÄHENDER FRAU. AQUARELL. (1873.) WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
TAFEL XXXIV
NEAPOLITANISCHES BAUERNHAUS MIT BÄUERIN. ÖLBILD. (1873?) WIEN,
LUDWIG LOBMEYR.
FÜNFTES KAPITEL
DIE SIEBZIGER
JAHRE
uch das Jahrzehnt von 1870 auf 1880 stellt sich als eine Periode
von Pettenkofens Leben dar, und zwar sowohl menschlich als
auch künstlerisch genommen.
Für Pettenkofen beginnen die siebziger Jahre nicht angenehm.
Schon im Sommer 1870 gebraucht er in Brestenberg am Hall-
wiler See in der Schweiz eine Kur. Das deutet darauf hin, daß
seine Gesundheit angegriffen war oder daß er sie so fühlte. Was an seiner Krank-
heit Einbildung, was Wirklichkeit war, wird sich schon zu seinen Lebzeiten nur
schwer haben feststellen lassen. Schließlich läuft es aber auf dasselbe hinaus, ob
jemand tatsächlich krank ist oder ob er sich krank fühlt — kommt es doch einzig
und allein auf das Fühlen an. Jedenfalls aber muß man von nun an bei der Be-
urteilung von Pettenkofens Tun und Lassen die Krankheit mit in Rechnung ziehen.
Den Markstein für den Beginn der neuen Epoche bildet jedoch die Bekannt-
schaft mit Leopold Karl Müller oder besser gesagt die Erneuerung dieser Be-
kanntschaft, die bald zur edelsten und für beide Teile fruchtbringendsten Freund-
schaft werden sollte. Unter dem 11. November 1871 notiert sich Pettenkofen:
„Mit Müller in Padua." Er war aber Müller, den er schon von früher her, von
Wien und Szolnok aus kannte, ohne daß sie einander näher getreten wären,
bereits im Winter 1870 in Venedig begegnet. Damals müssen sie einander näher
kennen gelernt haben, denn sie hatten schon damals im Palazzo Rezzonico (er,
der heute dem Mr. Barett Browning gehört, war damals ganz an Maler vermietet, und
es sei hier daran erinnert, daß ihn unter anderem Fresken von Tiepolo schmücken,
den Pettenkofen sehr geliebt und bewundert hat) — denn sie hatten schon damals
in diesem Palast ein gemeinschaftliches Atelier, das sie auch im folgenden Winter,
in dem sie miteinander einen Abstecher nach Padua machten, wieder vereinte.
Anläßlich dieses Ausfluges kommt in Pettenkofens Aufzeichnungen zum ersten
Mal der Name Müller vor. Damals scheint Pettenkofen nach 28 Jahren zum
ersten Mal wieder Padua betreten zu haben. Es wird in ihm nicht nur freudige
Erinnerungen ausgelöst haben. War es doch der Ort, wo er als blutjunger Mensch
169
zwei Jahre in Garnison gewesen, wo er im Spital krank gelegen war und wo er
schließlich seinen Abschied hatte nehmen müssen. Daß er gerade in Gesellschaft
Müllers diese Erinnerungen aufgefrischt hat, beweist allein schon, daß er dessen
verständnisvoller, zartfühlender Teilnahme durchaus sicher war. Wenn nicht früher,
so haben sich an jenem Novembertag des Jahres 1871 in dem Städtchen am
Bacchiglione, wo Giotto, Donatello, Mantegna und Tizian geschaffen haben, die
Bande geknüpft, die erst durch Pettenkofens Tod zerrissen werden sollten. Das
Jahr 1871, das Pettenkofen seinen Mäcen Friedrich Gsell raubt, hat ihm endgültig
Leopold Karl Müller zum Freunde geschenkt.
Müller, der um zwölf Jahre jünger als Pettenkofen und 1870 sechsunddreißig
Jahre alt war, befand sich damals in einer Krise. Er hatte in diesem Jahre seine
Stellung als Illustrator des Wiener politischen Witzblattes „Figaro", in der ihm
sein Freund Ferdinand Lauf berger vorangegangen war und in der ihm Ernst Juch
nachfolgte, aufgegeben. 1860 war ihm die Mutter, 1862 der Vater gestorben. In
dessen Todesjahr hatte er jene Stellung angenommen, weil sie es ihm ermöglichte,
seine vier unverheirateten Schwestern zu erhalten. Er hatte sich aber immer als
Maler gefühlt und seine Tätigkeit als solcher nur blutenden Herzens mit dem
Karikaturenzeichnen, für das er freilich gleichfalls ungewöhnlich begabt war, ver-
tauscht. Wann es ihm seine karg bemessene freie Zeit erlaubte, griff er zu Pinsel
und Palette, und ein Pariser Aufenthalt im Jahre 1867 hatte in ihm den Entschluß,
sich von der zeichnerischen Journalistik loszusagen, unerschütterlich gemacht. 1870
endlich konnte er ihn in die Tat umwandeln. Sein Instinkt trieb ihn der Sonne
und den Farben Italiens entgegen, die den Wiener nun einmal am raschesten und
in einziger Pracht zu Venedig begrüßen, sein guter Stern brachte ihn dort mit
Pettenkofen zusammen.
Der Zustand Müllers war etwas, das Pettenkofen aus eigener Erfahrung kannte,
das er selbst durchlebt hatte. Auch er hatte sich von der Brotarbeit der Litho-
graphie losgerissen, um Maler zu werden, auch er war es eigentlich erst durch
Paris geworden. Auch er zog als Künstler und als Mensch sein Leben lang der
Sonne nach, auch er liebte Venedig, liebte Italien und, was ihm seit vielen Jahren
die Zigeuner waren, das sollten Müller bald die braunen und schwarzen Menschen
am heiligen Nil werden, denen näherzukommen er 1870 wenigstens schon den
ersten Schritt tat. Mußte Pettenkofen einerseits den Charakter und die Tatkraft
des jüngeren Mannes hochschätzen und bewundern, so wird ihm, der eine so starke
Neigung zur Hypochondrie hatte, anderseits das frische, wagemutige, immer froh-
gelaunte Wesen desselben gar bald ans Herz gewachsen sein. Die Hauptsache
aber war, daß er dem jüngeren Freunde etwas, und zwar viel sein konnte. Er war
im Besitze einer reifen Meisterschaft, sein Vorbild, der tägliche Umgang mit ihm,
die Gelegenheit, ihm bei seiner Arbeit zusehen und sich bei der eigenen Arbeit
seines Rates erfreuen zu dürfen, das war für Müller ein gerade zu jener Zeit gar
nicht hoch genug anzuschlagender Gewinst, wofür er Pettenkofen auch sein Leben
lang die freudigste Dankbarkeit bewahrte. —
Wenn das Freundschaftsbündnis mit Leopold Müller auch sicherlich nicht der
Anlaß war, daß sich die Beziehungen, die Pettenkofen mit der für sein Leben so
170
TAFEL XXXV
HOF EINES UNGARISCHEN BAUERNHAUSES MIT ZWEI KINDERN AM
BODEN UND BUNTEN GEWANDSTÜCKEN AUF ZWEI DÜRREN BÄUMEN.
ÖLBILD. (1874?) WIEN, LUDWIG LOBMEYR.
MA wsiaa; 'w^
.1
j
1
lü
Ungarischer Markt mit Schirmen. Ölbild. iS;4.
IUI iiiiiiiiiiiiiiiiii iiMiii
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
bedeutungsvollen Frau verknüpften, gelöst haben, so bot es ihm doch, als dies
geschah, ganz gewiß den verläßlichsten Rückhalt. Bereits im Frühjahr 1869 — so
verrät der älteste der dem Autor vorliegenden letzten Briefe Pettenkofens — gieng
durch dieses Verhältnis ein tiefer Riß. Schon in diesem vom 20. Mai datierten
Gratulationsbrief aus Riva, zwischen dessen Schrift auf ganz entzückende Weise
ein blaues Blümlein mit Aquarellfarben eingemalt ist, so täuschend, daß man es weg-
heben möchte, und in dem es unter anderem heißt „ . . . sei überzeugt, daß
die Innigkeit und Wahrhaftigkeit meiner Gefühle bis zum letzten Herzschlag kein
Maß und keine Grenzen kennen werden" — schon in diesem Schreiben finden
sich aber auch Stellen, die den nahen Bruch als unvermeidlich erscheinen lassen.
Sie lauten: „Ich will im Gegenteil die volle Überzeugung aussprechen, daß Du,
von richtigem Gefühl und Sinn geleitet, wohl erkennen wirst, wie wenig Du damit
gewinnst, wenn Du in mir nur den Abieiter schlimmer und verwöhnter Launen
siehst und daß Du Dich dabei zum mindesten um den Wert unseres Verhältnisses
bringst. Welche Leere dann ! Lasse vor allem die Achtung und die Teilnahme
fortbestehen ..." Und weiter: „Fördere also meine Überzeugung von Deiner
innigsten Teilnahme für mich, belebe dadurch meinen Mut und meine Kraft, reibe
den letzten Rest meiner Gesundheit nicht durch Gemütsreizungen auf und nehme
dagegen alles, was ich zu bieten imstande bin — meine besten und edelsten Ge-
fühle bis ans Ende meines Lebens." Diese Sätze charakterisieren nicht nur das
Verhältnis der beiden Menschen zueinander, wenigstens zur Zeit, als sein Ende
herannahte, sondern werfen auch ein grelles Licht auf Pettenkofens Gesundheits-
zustand. In dem zitierten Briefe unterschreibt er sich „Hiob", in einem — inhalt-
lich weniger belangreichen — vom 29. März 1872 aus Paris gar „Hiob-Lazarus".
Aus der ersten Hälfte Oktober desselben Jahres sind drei Münchener Briefe Petten-
kofens an die Geliebte erhalten, in denen allen es sich um ihre bevorstehende
171
Ankunft in München handelt. In dem ersten dieser drei Briefe, der vom 3. Oktober
1872 datiert ist, kommt Pettenkofens Stimmung vielleicht am deutlichsten zum
Ausdruck. Es heißt darin: „Auf Deine unter besseren Umständen so glückliche
Absicht, hierher zu kommen, wiederhole ich Dir ungefähr, was ich Dir bereits nach
Ischl geschrieben, daß der Gedanke an ein Wiedersehen hier meine Brust mit
Freude, aber auch mit Sorge erfüllt, denn ich denke meiner gegenwärtig ernsten
Lage, meiner krankhaften Reizbarkeit, und wie wenig dieses alles geeignet ist,
Deinen möglicherweise auf Frohes und Glückliches gerichteten Erwartungen zu
entsprechen oder [sie] zu verwirklichen. — Ich kann aber mein Herz nicht be-
wegen, ein entschiedenes Nein zu sagen, und so überlasse ich Ausführung oder
Unterlassung Deiner in diesem Augenblick gewiß besseren Einsicht, als ich selbst
besitze. Ich gebe Dir dabei nur wohl zu bedenken meine sorgenvolle Stimmung
und meinen kränklichen Zustand, in welchem ich keinen Augenblick vor Ohnmacht
und bei größerer Erregung vor Lähmung der Glieder sicher bin, — daß wir keinen
Augenblick der Freiheit hier genießen können, denn es gibt nicht Tritt und Schritt,
wo man nicht auf diejenige Gattung Wiener stößt, vor welchen sich sehen zu
lassen, nicht ohne Konsequenzen wäre." Der nächste vom 8. Oktober datierte
Brief hängt Erinnerungen an Erlebnisse nach, die einundzwanzig Jahre zurück-
liegen und mit der Geliebten zusammenhängen. In ihm wie im folgenden, der am
12, Oktober geschrieben ist, finden sich Klagen über das schlechte Wetter, die
von nun an in Pettenkofens Briefen geradezu ständig werden, und kommen aber-
mals die widerstreitenden Gefühle zum Ausdruck, mit denen ihn der Gedanke,
die Geliebte in München wiederzusehen, erfüllt. So heißt es in dem letztgenannten
Schreiben: „Mit einem Sturm von Gefühlen sehe ich Deiner Ankunft hier entgegen.
Es fehlt mir wahrlich an Worten, meine vorherrschenden Gefühle hierüber auch
nur annäherungsweise aussprechen zu können. Ich betrachte dieses mir noch immer
als unerwartet erscheinende Wiedersehen als notwendig für uns beide, insofern
ich die besten Hoffnungen darauf setze, daß es für das Gemüt unser beider ein
beruhigendes sein wird. Und so sehe ich Deiner Ankunft hier als dem einzigen
freudigen Ereignis entgegen, das ich noch zu erwarten haben könnte." Der nächste
Brief ist der letzte, den Pettenkofen an jene Frau, die einundzwanzig Jahre hin-
durch in seinem Leben eine solche Rolle spielte, gerichtet hat. Er ist nur von
„Mittwoch Abend" datiert, was darauf schließen läßt, daß sich Pettenkofen mit
der Adressatin an ein und demselben Orte befunden hat.
Daß dieser Brief, der schon seinem Inhalt und seiner Form nach mit den drei
bereits zitierten aus der ersten Hälfte des Oktobers 1872 stammenden aufs engste
verbunden ist, ihnen auch zeitlich sehr nahe steht, ist von vorneherein wahr-
scheinlich. Daß er überhaupt zu ihnen gehört, geht auch daraus hervor, daß er
mit ihnen zusammen aufbewahrt worden ist, als das Ende der Reihe von Briefen,
die Pettenkofen im Laufe von mehr als zwei Jahrzehnten an jene Frau geschrieben
hat, — ebenso wie ja auch der Anfang dieser Briefe bis auf unsere Tage erhalten
worden ist.
Am 30. Oktober 1872 war Pettenkofen noch in München, weil er an diesem
Tag von da aus an Franz Xaver Mayer schreibt. So führt alles darauf hin, daß
172
Karren mit Eseln. Ölbild. 1874.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
jener Brief in der zweiten Oktoberhälfte in München, und zwar während der An-
wesenheit jener Frau geschrieben worden ist. Er ist ganz kurz gehalten, der
Schrift merkt man deutlich die Erregung an, die Geliebte ist mit „Sie" angeredet,
und es fehlt die Unterschrift. Ihr Brief habe auf ihn einen größeren Eindruck ge-
macht, als sie sich wohl vorgestellt haben möchte. Aus Gesundheits- und Ge-
schäftsrücksichten könne er sie erst in den nächsten Tagen um einige Minuten
bitten. Das ist der Inhalt. Auf dieses Schreiben hin scheint der endgültige Bruch,
vermutlich in Form eines Briefes der Frau, erfolgt zu sein. Die Befürchtungen,
die Pettenkofen vor dem Zusammentreffen hegte, hatten sich bewahrheitet. Am
13. Dezember 1872 schreibt er noch immer aus München an Franz Xaver Mayer:
„Mir fehlt die Gabe, mich schriftlich mitteilen zu können, sobald ich von mir
selber sprechen soll. Ich fühlte wohl, daß ich Ihnen so manche Erklärung schuldig
sei. Aber sobald ich im Schreiben warm geworden, fühle ich auch immer, daß
dies alles doch nur Dinge seien, die nur mir als wichtig erscheinen können. [Ich]
hoffe, Sie im nächsten Sommer wiederzusehen und mich mit Ihnen aussprechen
zu können." Diese Worte enthalten eine weitere Bestätigung dafür, daß jenes Ver-
hältnis im Herbst 1872 in München sein Ende gefunden hat.
Das Facit des merkwürdigen Liebesbundes zu ziehen, ist natürlich schwer. Im
allgemeinen wird man sich geneigt fühlen, seine Wirkung auf Pettenkofen eher
als ungünstig, denn als günstig anzunehmen. Seinem Gesundheitszustand hat es
zweifellos geschadet und damit auch seiner künstlerischen Produktion. Doch gilt
dies wohl nur von der zweiten Hälfte der sechziger Jahre an. In den fünfziger
Jahren hätte Pettenkofen kaum mehr schaffen können, als er geschaffen hat, und
daß damals seine Liebe zu jener Frau für seine Malerei ein Ansporn war, ist
ganz wohl möglich, gewiß empfand er sie damals als kein Hindernis. Alle Schuld
173
am schließlichen Bruch der Frau zuzuschreiben, wäre sicher falsch. Wie die Dinge
lagen, mußte das Ende einmal kommen. Daß es nicht auf eine versöhnlichere Art
kam, daran war wohl das Temperament beider schuld. Daß die Frau das Maß des
Gewöhnlichen überragt hat, beweist die Liebe, die Pettenkofen durch mehr als
zwanzig Jahre für sie gefühlt hat. Als ausgemacht aber kann gelten, daß sie ein
„robusteres Gewissen" und eine kräftigere Natur besessen hat als er. —
Das dritte Moment, das den Eintritt der neuen Periode von Pettenkofens Leben
bestimmt, ist sein Aufenthalt in Italien, der sich nun nach dem „venti settembre"
als künstlerisch fruchtbar zu erweisen anfängt. Nicht sogleich. Wenigstens ist
Pettenkofen nicht sogleich imstande, italienische Motive zu verarbeiten. Aber er
vermag in Venedig zu malen, vorderhand bloß Bilder, zu denen er sich die Studien
aus Szolnok mitgebracht hat. Erst von seinem Aufenthalt in Neapel im Winter
1873 an beginnen die italienischen Vorwürfe unter seinen Werken eine Rolle zu
spielen, die ihnen bis zu seinem Tode unbestritten bleibt. Von jenem Aufenthalt
am parthenop eischen Golf an ist Szolnok nicht mehr der ausschließliche, kaum
mehr der bevorzugteste Ort, von dem her sich Pettenkofen Anregungen für seine
Bilder holt.
Es ist für Pettenkofens und Müllers Freundschaftsverhältnis charakteristisch, daß
Pettenkofen zu jenem Neapolitaner Aufenthalt, der in seiner künstlerischen Ent-
wickelung Epoche machen sollte, durch Müller veranlaßt, fast könnte man sagen:
gezwungen wurde.
Müller plante, angeregt durch seinen Freund Jettel, den die Lektüre von Grego-
rovius mit einer schwärmerischen Sehnsucht nach Sizilien erfüllt hatte, *) für den
Winter 1872 auf 1873 mit Jettel zusammen eine Reise nach Neapel und Sizilien
und suchte von Wien aus Pettenkofen, der damals in München weilte, zu bewegen
mitzufahren. In einem Briefe vom Allerseelentage des Jahres 1872 aus München
erbittet sich Pettenkofen Bedenkzeit, in einem vom 12. November lehnt er ab.
Der erste Brief ist für Pettenkofens Gemütsverfassung und Gesundheitszustand
während jener Zeit — er hatte eben mit der Geliebten für immer gebrochen — zu
bezeichnend, als daß er nicht zum größten Teil hier wiedergegeben zu werden ver-
diente. Es heißt darin: „Lieber Figaro! Teurer Freund! Ich trage seit fünf Tagen
Ihren lieben Brief im Sack herum, ohne ihn erwidern zu können, so sehr hat mich
dieser mit Wünschen und Zweifeln in Bewegung gesetzt. Nichts in der Welt hätte
mich auch in diesem Augenblick mit lebhafteren Gefühlen erfüllen können. Ich er-
kenne in Ihrem herzlichen Antrag einen mir vom Glück gebotenen Moment, meine
Gesundheit, mein Gemüt und meine geringen Fähigkeit[en] zu verbessern, die alle
zusammen der Verbesserung gar sehr bedürfen und wozu Sie mir den freund-
lichen und vielversprechenden Anlaß bieten. Aber ich bin durch meinen fortwährend
leidenden Gesundheitszustand, der mich seit mehr als einem Jahre an allen ern-
steren Anstrengungen hindert, zum Grübler und Zweifler geworden, und ich ge-
stehe offen und mit nicht geringem Schmerz, daß mir in diesem Zustande, welchen
ich selbst als einen gemütsversunkenen erkenne, eine solche Reise wie eine sehr
große Unternehmung vorkommt, zu welcher mich zu entschließen ich in diesem
Augenblick nicht die nötige Energie habe. Aber die lebhafte Vorstellung einer
174
TAFEL XXXVI
HOF EINER UNGARISCHEN BAUERNWIRTSCHAFT; DARIN EINE BÄUERIN,
DIE HÜHNER FÜTTERT. ÖLBILD. (1874?) WIEN, WILHELM KUFFNER.
Ungarische Ochsengespanne. Ölbild. 1874.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
solchen Reise mit Ihnen, den ich als Mensch[en] [?] wie als Künstler gleich hoch
schätze und liebe, hat eine so mächtige und bewegende Kraft für mich, daß ich
ohne heftigen inneren Kampf nicht darauf verzichten könnte."
Müller folgt seinem Dämon und ist schon ungefähr Mitte Dezember 1872 mit
Jettel in Sizilien. Goethe nennt Sizilien den Schlüssel zu Italien. Für Müller ward
es der Schlüssel zu Afrika, denn schon den nächsten Winter 1873-74 verbringt er
in Ägypten.
Unter dem 19. Dezember schreibt Müller aus Palermo an Pettenkofen in Mün-
chen, anknüpfend an den Eindruck, den ihm und Jettel das malerische Durcheinander
in Neapel gemacht hat: „Ein über das andere Mal schrein wir wie auf Kommando:
Ach! wenn der Pettenkofen jetzt hier wäre!"
Ungefähr einen Monat später entschließt sich Pettenkofen tatsächlich, die Reise
nach Neapel anzutreten. Er fährt am 18. Jänner 1873 von München weg, hält sich
ein paar Tage in Venedig, ein paar in Rom auf und ist am 3. Februar in Neapel.
Sein Begleiter ist der heutzutage in Salzburg lebende Maler Theodor Ethofer, den
Pettenkofen „Etti" nannte und mit dem er sehr gut war. Pettenkofen erwähnt Et-
hofer zum ersten Mal in dem oben ausführlich zitierten Brief an Müller aus Mün-
chen, und zwar so, daß daraus zu schließen ist, er habe bereits vergangenen
Sommer (1872) in Venedig näher mit ihm verkehrt.
In einem nicht mehr erhaltenen Telegramm, das Pettenkofen noch am Tage
seiner Ankunft Müller nach Palermo gesandt haben muß, scheint er dem Freunde
seine Unzufriedenheit mit Neapel ausgedrückt zu haben. Müller antwortet am fol-
genden Tage, er sei sprachlos darüber, daß Pettenkofen Neapel nicht gefalle. Von
Venedig sei er so begeistert und Neapel gefalle ihm nicht! Auf das hin traue er
175
sich nicht mehr, Pettenkofen nach Palermo zu rufen (was er vorher unter Hinweis
darauf, daß Pettenkofen die kleine Seefahrt von Neapel aus nicht scheuen solle,
zweimal getan hatte). „Ein sehr warmer Freund Ihrer Persönlichkeit und Ihrer
Leistungen, Obrist Berres sagte mir am Tage vor meiner Abreise von Wien : Ach,
wenn der Gustel doch nur einmal nach Neapel gehen würde! Was für eine Masse
Dinge wäre nicht dort für seinen Pinsel!"
Daß es nun Pettenkofen in Neapel schlechthin nicht gefallen hat, ist selbstver-
ständlich nicht richtig. Die am ersten Tage abgeschickte Depesche hatte da, wie
das schon geht, in ihrer Knappheit und Voreiligkeit zu viel gesagt. In einem der
ausführlichsten und interessantesten Briefe, die sich von Pettenkofen erhalten haben,
ist alles Für und Wider, das er Neapel und seiner Umgebung gegenüber auf dem
Herzen hatte, anschaulich vorgebracht. Der Brief, der einen Monat nach jenem
Telegramm, am 5. März 1873, an Eugen Jettel geschrieben ist, sei hier nach dem
Abdruck, den er am 5. Jänner 1893 im Kunstblatt der „Neuen Freien Presse" ge-
funden hat, vollinhaltlich wiedergegeben:
„Lieber, werter Freund! Gestern, spät Abends, habe ich zu meiner freudigen
Überraschung Ihren lieben Brief erhalten. Bei der außerordentlichen Sehnsucht,
welche ich jeden Tag mehr nach einem Zusammenkommen mit Ihnen und Freund
Müller empfinde, ist auch schon jede schriftliche Berührung ein freudiges Ereignis
für mich. Bei meinem so großen Verlangen nach einer endlichen persönlichen Ver-
einigung wäre ich kaum entschuldbar zu finden, wenn ich Sie und Müller durch
übertriebene Schilderungen, namentlich von Torre del Greco, zu einem raschen
Hierherkommen anlockte. Wenn auch mein im Grunde herzliches Verlangen nach
Ihrer beider Gesellschaft hier, durch die Ihnen beiden eigenen vortrefflichen Eigen-
schaften, nicht ganz frei von (dem Künstler erlaubtem und gebotenem) Egoismus
ist, so bin ich doch zu ehrlich, meine Wünsche durch den Kunstgriff zu erreichen,
daß ich Ihnen nur die Schönheiten und Reize des fraglichen Terrains, nicht aber
die Mühen, Plagen und Schwierigkeiten schildere, welche es — zum wenigsten
mir — unmöglich machen, da in Öl zu malen, geschweige eingehendere, größere
Arbeiten im Freien zu unternehmen. Seit ich hier bin, welches ich vom ersten
Sonnenschein an rechne, bin ich betäubt, seit ich versucht, zu arbeiten, wirbelt mir
der Kopf. Es fehlt mir alle Ruhe, alle Sammlung und aller Mut. Für mich
ist hier das Straßenleben und von diesem die Marktplätze das Verlockendste und
durch die Aufmerksamkeit, welche ich diesen Gegenständen mit Vorliebe zuwende,
das Bilderreichste. Die Effekte dieser Bilder sind durch die Menge und Mannig-
faltigkeit des Durcheinandergeworfenen der Gegenstände und Farben für mich
wahrhaft bezaubernd und durch die Gierigkeit, mit der ich alles dieses sehe, allein
schon verwirrend. Aber nun kommen noch all die Dinge, welche aus diesem
Chaos heraus durch die betreffenden Sinne an meine leider nicht mehr sehr starken
Nerven geleitet werden. Es wäre schwer, ja unmöglich, Ihnen einen Begriif von
dem bestialischen Getümmel, dem Höllenlärm, welcher der Wirkung der Dampf-
pfeife gleichkommt, zu geben, wenn Sie auf Ihren Spaziergängen in Neapel nicht
die Orte berührt haben, welche für mich die ergiebigsten und erfolgreichsten sein
würden, wenn ich dort mehr als nur in stenographischer Eile zu skizzieren im
176
TAFEL XXXVII
ALTE VENEZIANERIN MIT VOGELKÄFIGEN. ÖLBILD. (1874.) WIEN, FRANZ
XAVER MAYER.
:^ii>i,mm^i^ mmmmm^
I
■4
'S
TAFEL XXXVIII
ALTE VENEZIANERIN, SICH SCHNEUZEND. ÖLBILD. 1874. WIEN, EUGEN
MILLER V. AICHHOLZ.
L
TAFEL XXXIX
BLUMENSTÜCK. ÖLBILD. 1874. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
.SvIOHHDIA V r ^?>Lt'?nvA'T,T.r
Ungarisches Bauernfuhrwerk. Ölstudie.
Wien, K. k. Österreichische Staatsgalerie.
Stande wäre. Aber auch dieses ist mir bei meiner immer wachsenden Empfind-
lichkeit kaum möglich durch das viehische Umdrängen des tumult- und spektakel-
süchtigen Gesindels, sobald man nur den Blick an etwas heftet und einen Blei-
stift in der Hand zeigt. Es ist mir außerordentlich schmerzlich, diesen Bil-
dern, welche mich, ich kann sagen, zauberhaft anzogen, im Bewußtsein meiner
künstlerischen und physischen Schwäche zu entsagen. Ich fühlte mich dadurch um-
somehr angetrieben, in der Nähe von Neapel einen ruhigen und für mich mög-
lichen Ort zu finden. Von allem, was ich bis jetzt gesehen, ist Torre del
Greco nach meiner Wahl am bilderreichsten sowohl in seinen Straßen, seinen Schiffs-
bauplätzen am Meere, als auch in seinen Bauernhöfen, die letzteren (zwar in
kleinem Räume) mit landschaftlicher Umgebung und Hintergrund; diese Bauern-
höfe müssen Ihnen, wenn sie einmal nebst dem reichen Pflanzenwuchs, welcher
sie jetzt ziert, den Schmuck des Sommers, das Laub der Rebendächer und des
Feigenbaumes haben, so manches herrliche Bild geben. Torre del Greco ist
eine ansehnliche, an den Berg aufsteigende Stadt, auf Lava (an den Ufern von
prächtiger Farbe und auch Form) erbaut und sehr stark bevölkert. Aber, obgleich
hier eine Menge reicher Leute wohnt, gibt es doch nur die dreckigsten und elend-
sten Spelunken von Wirtshäusern, in denen eine Existenz nicht möglich ist. Man
könnte hier sicherlich wohnen, vielleicht sogar gut wohnen, leben aber könnte ich
hier nicht, da ich rücksichtlich meiner nicht starken Gesundheit auf Fleischnahrung
und trinkbares Wasser, welches beides hier nicht zu finden ist, angewiesen bin.
Aber dies wäre bei der geringen Entfernung (20 bis 25 Minuten Eisenbahn) von
Neapel kein Grund, daß ich mich dort nicht schon in verschiedene Arbeiten ein-
gelassen, wenn ich die Beunruhigungen bei der Arbeit zu ertragen im Stande wäre,
177
23
welchen der Maler an diesen Orten durch die Bestialität des lärmenden, hailo-
henden, skandalsüchtigen Gesindels ausgesetzt ist, welches sogleich einen engen
Kreis um ihn schließt, sobald er nur Miene macht, sich vor einem Gegenstande
festzusetzen ; dann folgt noch regelmäßig die tumultuarische Begleitung dieser Bande,
wie dies bei den die Bevölkerung eines Städtchens zur Vorstellung ladenden Aus-
trommlern einer Seiltänzertruppe der Fall zu sein pflegt. Bei einiger Sprach-
kenntnis, welche ich gar nicht, Ethofer nicht genügend in der Mundart besitzt, bei
etwas weniger empfindlichen Nerven wie die meinigen wäre es wol leicht möglich,
diese für mich wirklichen Hindernisse nach und nach zum Teile zu entfernen,
zum Teile zu gewöhnen. Ich möchte wol wissen, wie andere es machen,
solche Beschwernisse zu umgehen oder zu ignorieren! Wol denkbar aber ist
es mir, daß sie von vielen anderen von [wo] immerher empfunden wurden, was
ich daraus zu schließen geneigt bin, daß man bei dem hierzulande unsäglichen
Reichtum von Bildern so erzjämmerlich wenig wahrhaft gute Bilder von daher
zu sehen bekommt, und das beste, O. Achenbach, ist, wenn man die Natur hier
mit strengem Auge gesehen, doch nur dekorativer Art. Ich habe Ihnen mit
diesem nur die Schwierigkeiten gegeben, welche ich selbst finde, ohne mich in
Vermutungen einzulassen, ob dieselben auch Bezug auf Sie und Müller haben
würden. Jedenfalls sind der Landschaftsmalerei in dieser Art große Erleichterungen
zugestanden. Ich denke Sie mir in Palermo in der göttlichen, ländlichen Ruhe,
welche ich so unsäglich für mich wünsche, um auch nur zum allergeringsten, be-
scheidensten Teile den Anforderungen gerecht werden zu können, welche ich,
von augenblicklicher Täuschung hingerissen, hier an mich selbst stelle. Ich
möchte Sie und Müller um keinen Preis bewegen, auf Illusionen hin Ihre Abreise
von Palermo zu beschleunigen. Aus den Illustrationen Freund Müllers (leider fehlt
mir ein weiter eingehender Vergleich), für welche ich ihm heute noch den Dank
schuldig bin, weiß ich wol mit Bestimmtheit (nach individueller Ansicht) zu sagen,
daß Sie in Torre del Greco gleich diesen für Sie vollkommen geschaffene Gegen-
stände, wenn auch von anderem Charakter, finden würden, aber ich möchte nicht
um den Preis unseres von mir ersehnten Zusammenkommens die Verantwortung
übernehmen, daß Sie auch die Bequemlichkeiten, welche Sie sicherlich in Palermo
haben werden, hier finden würden, mit welchen eingehendes Schaffen und Vollen-
den vor der Natur allein denkbar ist. Mit wirklichem Schmerz spreche ich diese
Gedanken aus, denn dadurch wird die Aussicht auf unsere Vereinigung gewiß
nicht nähergerückt, von der ich eine große und wohltätige Wirkung für mich zu
vermuten mich nicht entschlagen kann. Sie beide würden mich mit dem
Ihnen eigentümlichen Wert ermutigend anregen, und Müller würde mir mit seiner
beweglichen, frischen Tätigkeit und seinem unverdrossenen praktischen Vorgehen
über manche kleinliche Bedenken und Ungeschicklichkeiten hinweghelfen; ein
persönlicher Austausch würde wohltätig ermunternd sein. Ich würde dann viel-
leicht nicht denken, daß es möglich sein könnte, daß ich vielleicht schon in wenigen
Tagen, gleich Tannhäuser, diesen Reizen (diesen Ueberreizen könnte ich wol sagen)
ohne die Potenz der Befriedigung (vielleicht auch Tannhäusers Fall) den Rücken
kehre — um von einem Katzenjammer in den andern zu verfallen. Bei der
178
etwas getrübten Stimmung, wel-
cher ich mich mit jedem Tage
weniger entschlagen kann, würden
mich einige Stellen Ihres lieben
Briefes noch trauriger gestimmt
haben, hätten die Randverzierun-
gen des den Nagel immer auf
den Kopf treffenden , Figaro' nicht
einen völligen Umschlag bewirkt.
Möge er diesen meinen herzlichen
Dank mitnehmen für den frohen
Lacher, welchen er unbewußt her-
vorgerufen. — Einer freundlichen
Erwiderung entgegensehend, grüße
ich Sie wie Figaro. Mit ganzem
Herzen Ihr Pettenkofen."
Die Stadtteile Neapels, wo sich
noch bis auf den heutigen Tag das
ursprüngliche Volksleben mit all
seiner malerischen Buntheit und
Bewegtheit, mit seinem Lärm und
Schmutz und der ihm eigentüm-
lichen Drastik erhalten hat, schwin-
den immer mehr und mehr dahin.
Sie werden von den Einheimi-
schen mit einem Ton, in dem sich
Stolz und Wehmut mischen, „Na-
boli vecchia" genannt. Wer je-
mals dort auch nur mit dem photo-
graphischen Apparat eine Moment-
aufnahme zu machen versucht hat,
wird zugeben, daß Pettenkofens
Schilderung nicht allzu übertrieben
und hypochondrisch ist. Petten-
kofen und Ethofer aber hatten mit
noch ganz anderen Unannehmlich-
keiten zu kämpfen, als in dem Brief an Jettel aufgezählt sind. Abends besuchten
sie beide einen Aktkurs an der Accademia delle belle arti. Einmal war es im Saal
besonders ruhig. Plötzlich unterbrach ein fürchterlicher Knall die Stille, es knatterte
und zischte und Rauch stieg auf, als ob die Hölle los wäre. Die beiden Freunde,
die in der letzten Reihe saßen, flohen entsetzt, ihre Zeichenbretter in Stich lassend,
zur Tür. Ein ungeheueres Gelächter folgte ihnen. Die Schüler, natürlich lauter
junge, tolle Kerle und miteinander im Einverständnis, hatten ein geräuschvolles
Feuerwerk abgebrannt. Das war selbstverständlich für Pettenkofens Nerven zu
Junge Venezianerin, im Gebetbuch lesend. Ölbild. 1874.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
179
viel, und mit dem Aktzeichnen war es aus. Ein anderes Mißgeschick traf ihn
beim Aquarellmalen in Torre del Greco. Er bemerkte nämlich, daß die blauen
Schatten auf seinen Blättern ausbleichten, und zwar auch dann, wenn er sie nach-
malte. Als Ursache dieser ärgerlichen Erscheinung wurde ihm später mitgeteilt,
daß er wahrscheinlich beim Malen schwefelhaltiges Wasser benützt hätte. 0
Immerhin verblieb Pettenkofen bis Ende Mai am Golf von Neapel, und die
künstlerische Ausbeute, die er von dort mitnahm, war reich genug. Freilich ist er
nie mehr wieder hingefahren. Zu Müller und Jettel nach Palermo reisten Petten-
kofen und Ethofer nicht, weil diese auf eine dringliche Anfrage, ob dort wirklich
künstlerisch mehr zu holen sei als in Neapel, telegraphisch antworteten: „Neapel
ist allerdings malerischer." Damals suchten Pettenkofen und Ethofer auch den
neapolitanischen Maler Domenico Morelli auf, um von ihm zu erfahren, wo es
malerische Punkte gebe.^)
Am 29. Mai 1873 fuhr Pettenkofen nach Rom. Dort verweilte er wieder nur ein
paar Tage, während deren er mit Fortuny, Villegas und Ramon Tusquez zu-
sammentraf. Von da gieng's über Perugia und Florenz nach Venedig, wo er einen
knappen Monat bis zum 3. Juli blieb.
Venedig nun ist derjenige Ort Italiens, wo sich Pettenkofen vom Beginn der
siebziger Jahre an am längsten und häufigsten aufhält. Im Winter 1870 ist er dort,
im Herbst 1871, in den Sommern 1872 und 1873, dann vom Oktober 1873 bis in
den Juli 1874 hinein und in den Sommern 1875, 1876 und 1877, die Jahre 1878
und 1879 freilich kommt er nicht hin.
Dann verweilt er, abgesehen von kürzeren Aufenthalten wie dem eben erwähnten,
ein paar Mal längere Zeit in Rom. Schon den Winter 1873 auf 1874 möchte er
am liebsten dort verbringen, ohne Angabe der Gründe aber schreibt er sowohl
Kratzer (am 3. November 1873) als auch Mayer (am 6. November 1873), daß
dorthin zu gehen für ihn unmöglich sei. Wußte er vielleicht jene Frau dort, von
der er sich vor einem Jahre für immer geschieden hatte und der er nicht begegnen
wollte? 1875 endlich bringt er die Zeit vom 19. Jänner bis zum 14. April in Rom
zu und noch am 27. November desselben Jahres kommt er wieder hin, bleibt bis
zum 22. Dezember dort und hält sich dann, obwohl er sich in einem Brief vom
26. Dezember aus Florenz an Franz Xaver Mayer über die Teuerkeit der römischen
Ateliers beklagt, vom 8. März 1876 bis zum 5. Juni 1877 abermals dort auf.
Während sich aber unter Pettenkofens Arbeiten vom Jahre 1873 an mit Sicherheit
Motive aus Venedig nachweisen lassen, hat er wedef aus Rom, noch aus dessen
Umgebung Vorwürfe für seine Bilder geschöpft. Aber er vermochte dort zu ar-
beiten. Was ihm sonst die ewige Stadt geboten haben wird, ist überflüssig auch
nur mit einer Silbe zu streifen. Im Hinblick auf die malerische Ausbeute verhält
es sich mit Florenz, wo er im Winter 1875-76 am längsten (vom 22. Dezember
bis zum 8. März) verweilte, ähnlich wie mit Rom. Dagegen findet er in Assisi,
wo er sich 1876 vom 7. Juni bis zum 9. Juli aufhält, Themen, die ihn malerisch
interessieren. Gleicherweise fruchtbar oder mindestens anregend scheint sich ein
Aufenthalt in Belluno und in dessen Umgebung während des Sommers 1875 er-
wiesen zu haben. Bevor er in diesem Jahre dorthin gegangen ist, schreibt er Kratzer am
180
16. Juni aus Ve-
nedig, und eine
Stelle dieses Brie-
fes, die ebenso
sein Verhältnis zu
Venedig wie zu
den tirolischen und
Venezianer Alpen
beleuchtet, sei hier
wiedergegeben. Zu-
erst beklagt er sich
über die Hitze in
Venedig, die ihm
körperlich sehr
schlecht bekomme
und ihn zur Ab-
reise zwinge; die-
se falle ihm sehr
schwer, weil er
keinen Ort kenne,
der ihm zur Erho-
lung und Arbeit zu-
gleich passend wä-
re. Dann heißt es
weiter: „Ohne Ar-
beit halte ich es
nirgends vierund-
zwanzig Stunden
aus ; die Ruhe, wel-
che ich so sehr
brauche und wel-
che ich in unseren
Gebirgsländern fin-
den würde, würde
mich in kürzester
Zeit — ermorden,
denn ich würde da
gewiß nicht malen
können, da ich mich nicht begnügen kann, Bauernhütten oder dergleichen darzu-
stellen. Es ist mein besonderes Verlangen, in den paar Monaten, welche ich noch
meine Studien fortsetze, der italienischen Rasse nahe zu sein, und so werde ich
in den nächsten Tagen von hier ins venezianische Gebirg gehen."
Was Pettenkofen sonst während der siebziger Jahre von Italien gesehen hat,
teilt das im Anhang abgedruckte Itinerar mit. —
9
Stubeninneres mit Hündchen. Ölbild. 1875.
"^
Wien, Ludwig Lobmeyr.
181
Pettenkofen hat am Golf von Neapel, durch die Ungunst der Verhältnisse dazu
gezwungen, nur Aquarelle gemalt. Es sind große, äußerst flotte Arbeiten, die be-
sonders im Licht und in der Farbigkeit ihresgleichen suchen. Das Aquarell, das in
den sechziger Jahren etwas hinter die Ölmalerei hatte zurücktreten müssen, begann
damit aufs neue in Pettenkofens Schaffen eine wichtige und glänzende Rolle zu
spielen. Was diese Neapolitaner Aquarelle aus dem Winter des Jahres 1873 von
denen der fünfziger Jahre unterscheidet, ist vor allem die größte Naturwahrheit,
der völlige Mangel irgend welcher, auch der schwächsten Manier. Aber auch der
Pinselzug hat auf ihnen eine Kühnheit und Sicherheit erlangt, wie sie bisher noch
nicht zu sehen war. Es sind reine Wasserfarbenmalereien, das höchste Licht ist
das W^eiß des Papiers, mit dem die trotz Ausbleichen und Übermalen noch immer
wirkungsvollen bläulichen Schatten lebhaft kontrastieren. Die Themen dieser Aqua-
relle sind ungefähr folgende: Hof- und Gassenwinkel, belebt durch bunte Wäsche-
stücke, die zum Trocknen aufgehängt sind, durch Grünzeug, durch rotgebrannte
Tongefäße, durch einen angeschirrten Maulesel oder ein arbeitendes Weib;
Bäuerinnen vor ihrem Haus mit Netzflicken, in ihrem Garten mit Gemüse oder
Blumen, in ihrer Stube mit Vogelkäfigen beschäftigt; an den Strand gezogene
dunkle Fischerboote, von vorne, von der Seite, mit herabgelassenen und mit ein-
gezogenen Segeln, sich vom hellblauen Meer abhebend oder in der Farbe gut zum
düstern Wolkenhimmel stimmend; ein Fischer an seine Barke gelehnt; braune
Muli allein oder mit ihrem Treiber, leer oder beladen ; ein Hund, an ein Bäumchen
gekettet, dessen dürres Geäst auf eine grell von der Sonne beschienene Wand
einen wirren Schatten wirft; eine Küche mit einem offenen Herd, einem kleinen
Mädchen und zwei Katzen; die Stube ejnes Bauernhauses mit einer braun und
schwarz geräucherten einmal absetzenden Holztreppe, mit Kupfergeschirr an der
Wand und einer Frau, die auf einem Sessel sitzt und näht.
Die meisten dieser Aquarelle befinden sich im Besitz Ludwig Lobmeyrs, dessen
Name von Pettenkofen zum ersten Mal am 17. Juli 1873 genannt wird. An diesem
Tage verkauft er ihm 14 Aquarellstudien. Es ist anzunehmen, daß alle 14 Stück
Motive vom Golf von Neapel zu Gegenständen hatten.
Hier sind abgebildet: „Die Netzflickerin", „Die Fischerbarken am Strand von
Portici", „Die Bäuerin aus Torre del Greco, die im Garten mit Blumentöpfen be-
schäftigt ist" und der „Innenraum mit der Stiege und der nähenden Bäuerin".
Alle vier Blätter gehören Ludwig Lobmeyr.
Ein Ölbild, gleichfalls bei Ludwig Lobmeyr, das den Hof eines italienischen
Bauernhauses darstellt (an dem vom vollsten Sonnenlicht getroffenen Pfeiler eines
dunkeln Schuppens sitzt eine Bäuerin, ober dem Dach des Schuppens ist Wäsche
aufgehängt) geht aller Wahrscheinlichkeit nach gleichfalls auf den Neapolitaner
Aufenthalt im Winter des Jahres 1873 zurück. Es erinnert stark an die aus den
fünfziger Jahren stammenden Bilder in der Art des Decamps, doch ist es viel
lockerer und weicher gemalt.
Unter den Neapler Aquarellen im Besitz Ludwig Lobmeyrs stellt eines eine
alte Bäuerin dar, die ein rotes Tuch auf dem Kopf hat und sich mit einem Vogel-
käfig auf dem Tisch vor ihr zu schaffen macht. Aus dieser Naturstudie ist das
182
Vor der Schmiede. Ölbild.
Wien, Ludwig Lobmeyr.
im Jahre 1874 zu Venedig gemalte Ölbild im Besitz Franz Xaver Mayers hervor-
gegangen. Das Hauptmotiv der mit dem Vogelbauer beschäftigten Alten ist ge-
blieben, ihr rotes Kopftuch ist der lebhafteste Farbfleck des ganzen Gemäldes. Doch
183
ist nicht nur der liebevoll behandelte Hausrat, sondern auch, man möchte sagen:
die malerische Haltung des Bildes venezianisch geworden. Das Licht ist gedämpft,
alles ist von einem leicht verschleiernden Helldunkel umflossen, der Gesamtton ist
ungemein warm, die Malweise weich und locker.
Andere Ölbilder, nicht nur in Venedig gemalt, sondern auch venezianische Mo-
tive darstellend, sind: das Kniestück eines stehenden Mädchens, das im Gebet-
buch liest, ein im Kirchenstuhl knieendes und betendes Mädchen, eine sitzende
Alte, die liest, und eine (es ist dasselbe Modell), die sich schneuzt.
Auch diese kleinen Bilder sind ungemein warm im Ton und sehr locker und
flüssig gemalt. Besonders die beiden „Betenden Mädchen" sind viel einfarbiger als
die „Alte mit dem Vogelkäfig", ein goldiges Braun ist auf allen diesen Bildern die
bestimmende Farbe. Die „Sich schneuzende Alte" fällt durch ihre Drastik auf. Vor-
würfe wie dieser oder die „Lausende Zigeunerin" vom Ende der fünfziger Jahre
zeigen Pettenkofen als einen Nachfolger der Niederländer des XVII. Jahrhunderts.
Alle diese Bilder sind vom Jahre 1874 datiert, die beiden „Betenden Mädchen" vom
Mai dieses Jahres. Ebenfalls in diesem Monat ist ein Bildchen mit einem seltenen
Vorwurf entstanden: auf einem Kommodeneck steht ein großer weißer blau-
geblümter Blumentopf, der mit weißen Pfingstrosen gefüllt ist ; vorne unten flattern zwei
Schmetterlinge. Die Struktur der Blumenkörper kommt nur, und zwar meisterhaft,
durch die Art, wie das pastose Weiß aufgetragen ist, zum Ausdruck.
Das „Stehende betende Mädchen", die „Sich schneuzende Alte" und das Blumenstück
gehören Eugen Miller v. Aichholz, den Pettenkofen in seinen Tagebüchern am
15. November 1874 zum ersten Mal nennt. Pettenkofen hat an diesem Tage Herrn
von Miller für 15.250 Gulden 18 Bilder verkauft, darunter auch die genannten.
Daß Pettenkofen mit den Hauptkäufern seiner Werke — wie mit Gsell und
Mayer sen. so von nun an mit Lobmeyr und Miller von Aichholz — , bis der Tod
dazwischen tritt, in freundschaftlichem Verhältnis gestanden ist, legt gewiß für
ihn als Menschen das denkbar günstigste Zeugnis ab.
In Florenz wurde 1876 das Grisaille-Brustbild eines Knaben gemalt.
In Assisi interessierten Pettenkofen zwei Motive: ein Garten, den er mit einem
Mönch staffierte und noch in der Mitte der achtziger Jahre auf dem Ölbild ver-
wertete, das in den Besitz Franz Xaver Mayers übergegangen ist,0 und eine
Küche. Das letztere Motiv ist als ein aus der Stadt des heiligen Franz herrührendes
durch das Ölbild, das eine in einer Küche vor dem Kamin sitzende und spinnende
Bäuerin darstellt, und die Bezeichnung: „Assisi 1876"^) trägt, gesichert.
Bei der Feststellung der Motive dagegen, die Pettenkofen während der siebziger
Jahre aus den venezianischen Bergen geholt hat, ist man auf das Raten angewiesen.
Vielleicht ist das entzückende Bildchen im Besitz des Fürsten Liechtenstein, das
die reich mit Blumengeschirr ausgestattete Dachterrasse eines italienischen Bauern-
hauses darstellt, dort entstanden. Aus den siebziger Jahren stammt es jedenfalls.
Diesem Bilde steht gegenständlich und technisch ein vom Jahre 1876 datiertes im
Besitz Franz Xaver Mayers nahe. Es stellt eine Brüstung dar, auf der aller-
hand Gefäße: Kübel, Kisten, Gartengeschirre mit südlichen Pflanzen und Blumen
stehen, um die Schmetterlinge spielen. Ist am Ende gleich dem vorigen dieses Bild
184
TAFEL XL
ZWEI UNGARISCHE BAUERNKINDER BEI SONNENBLUMEN. ÖLBILD.
(1876.) WIEN, K. K. ÖSTERREICHISCHE STAATSGALERIE.
in Assisi und nicht in den Bergen des Veneto entstanden? Vielleicht gibt aber die
Ölskizze, die in einem Garten ein Mädchen bei Vogelkäfigen darstellt, 1877 von
Pettenkofen Karl v. Kratzer gewidmet worden ist und sich heute in der Öster-
reichischen Staatsgalerie befindet, eine Anregung aus einem Orte im veneziani-
schen Gebirg wieder.
Den italienischen Bildern stehen noch immer, wenigstens so zahlreich wie diese,
die ungarischen gegenüber. Die in die erste Hälfte der siebziger Jahre datierbaren
ungarischen Bilder sind vorwiegend sehr kleinen Formates. Hierher gehören zum
Beispiel die beiden „Ungarischen Märkte", die denselben Hintergrund haben, deren
Figurales aber verschieden ist, nur Gänse finden sich beide Male im Mittelgrund.
Das eine Bildchen gehört Ministerialrat Johann Földi in Budapest, das andere dem
Kunsthistorischen Hofmuseum in Wien. Der verhältnismäßig große und in der
Regel ziemlich leer belassene Vordergrund — er erinnert unwillkürlich an photo-
graphische Aufnahmen, die Pettenkofen, nebenbei bemerkt, um jene Zeit bereits
dann und wann für seine Bilder benützt hat') — der so beschaffene Vordergrund
namentlich des Bildchens beim Ministerialrat Földi wird von nun an für die Quer-
stücke dieser Art charakteristisch. Auch die beiden Märkte, der eine bei grauem
Wetter, der andere bei Regen, jener im Besitz der Österreichischen Staatsgalerie,
dieser das Eigentum Ludwig Lobmeyrs, gehören hierher. Sie sind mit Sicherheit
in den Anfang der siebziger Jahre zu datieren. Drei Bildchen, sämtlich aus dem
Jahre 1874, schließen sich abermals zu einer Gruppe zusammen. Das eine mit sehr
großem Vordergrund stellt zwei ungarische Markt-Plachenwagen mit Ochsen-
gespannen dar, das andere einen ungarischen Markt mit Verkäufern, die auf dem
Boden sitzen und sich gegen die Sonne mit Schirmen schützen, das dritte endlich
den Piachenkarren eines ungarischen Bauern, der aus einer an der Deichsel
befestigten Futterraufe seine drei ausgesträngten Esel fressen läßt. Charakteristisch
ist für diese drei Bildchen nicht so sehr der goldbraune Ton, den wir bereits auf
den venezianischen Bildern des Jahres 1874 kennen gelernt haben, als vielmehr
die gänzlich aufgelöste, auf ein Zusammengehen der groben Pinselstriche bei Be-
trachtung aus der Ferne berechnete fleckige Malweise, die man, wenn man wollte,
impressionistisch nennen könnte. Alle drei Bilder wurden im Jahre ihres Ent-
stehens zusammen mit den bereits angeführten venezianischen vom Künstler
an Eugen Miller v. Aichholz verkauft, das „Eselsgespann" befindet sich noch in
dessen Besitz, der „Markt mit Schirmen bei Sonnenschein" und die beiden „Ochsen-
züge" gehören dem Kunsthistorischen Hofmuseum.
Das Bildchen mit der ungarischen Bäuerin, die inmitten der Strohschober ihrer
Wirtschaft die Hühner füttert, gehört infolge seines warmen Gelbbraun und seiner
flotten Tupftechnik gleichfalls hierher. Es befindet sich heute im Besitz Wilhelm
Kuffners in Wien und ist aller Wahrscheinlichkeit nach identisch mit dem von
Pettenkofen selbst als „Bauernhof (Hühner)" bezeichneten Bilde, das er am
15. November 1874 Eugen Miller v. Aichholz verkauft hat.
Am 24. Juni 1874 schreibt Pettenkofen von Venedig aus an Franz Xaver Mayer
in Wien und schickt ihm zugleich ein Kistchen mit drei kleinen Bildern zur freund-
lichen Aufbewahrung. Von den Bildern heißt es im Brief: es sind „Kleinigkeiten,
185 ,,
Arbeiten, die ich hier gemacht habe, um die Übung im Kleinmalen zu erhalten
oder neue Erfahrungen darin festzuhalten." Es ist zweifellos, daß es sich hier um
Arbeiten von der Art der eben besprochenen, wenn nicht gar um drei von ihnen
selbst handelt.
Ein Bild größeren, ja für Pettenkofen geradezu großen Formates wird vielleicht
hier am besten einzureihen sein. Es hat gleichfalls ein ungarisches Motiv, ein
von vorne gesehenes Bauerngespann auf der Puszta, zum Vorwurf, die fleckige,
fast wilde Malweise ist, vergröbert, ungefähr die der beiden Bildchen mit den
Eseln und den Ochsen. Nur ist die Stimmung gerade das Gegenteil von der auf
diesen zwei Bildern festgehaltenen: die hier mit schweren, dunkeln, vorwiegend
kalten Farben zum Ausdruck gebrachte Stimmung ist eine, wie sie bei schlechtem,
dem Herbst vorauseilenden Wetter nach einem Regen an Spätsommertagen auf
der Puszta zu beobachten sein mag. Das Bild, das ein falsches Monogramm hat,
befindet sich in der Österreichischen Staatsgalerie. Wenn nicht in diesem Zu-
sammenhang, wäre es nur schwer im Oeuvre Pettenkofens unterzubringen.
Anderer Art ist ein Bild, das Pettenkofen 1874 Ludwig Lobmeyr verkauft hat
und das dieser noch besitzt. Es hat folgenden Gegenstand: Vor den zwei Türen
eines niederen ungarischen Bauernhauses stehen zwei dürre Bäume, an deren ab-
gekappte Äste verschiedenfarbige Lappen und Kleidungsstücke gehängt und braun
und grün und grau und gelb glasierte Tongefäße gesteckt sind; zwischen den Türen
auf der Erde sitzen zwei Kinder, vorne auf dem Boden liegen ein paar Kürbisse,
hinter denen eine hölzerne Mulde und ein irdener Krug stehen. Die außergewöhn-
liche Buntfarbigkeit des Vorwurfes ist auch hier durch das warme Goldbraun des
Daches, der Türen und des Bodens zusammengehalten. Das Bild ist aber, wenn
auch keineswegs glatt, so doch viel verschmolzener gemalt als die bisher bespro-
chenen mit ungarischen Themen.
Ein anderes Bild — „Sonnenblumen mit Staffage" nennt es Pettenkofen selbst —
hat er am 18. Jänner 1877 an Dr. Max Josef Schüler in Graz verkauft, der als Be-
kannter und Käufer bereits in den sechziger Jahren aufgetreten ist. Das Bild, das
nach dem Datum des Verkaufes im Jahre 1876, in dem sich Pettenkofen, nebenbei
bemerkt, am längsten in Szolnok aufgehalten hat, gemalt sein wird, gehört heute
der Österreichischen Staatsgalerie in Wien. Die „Staffage" besteht in zwei unga-
rischen Bauernkindern, von denen das größere, ein Mädchen, das kleine, das in
einer hölzernen Mulde liegt, in den Schlaf zu wiegen sucht. Das Bild, ein Hoch-
stück und gleichfalls nicht groß, gibt die Sommersonnigkeit unübertrefflich wieder.
Es ist ganz außerordentlich frei und locker gemalt.
Werden die „16 Bildchen", die Pettenkofen im Februar und März 1877 für
8700 fl. Herrn Theodor Eggers verkauft, als Wiederaufnahme und Fortsetzung der
oben besprochenen Kleinmalereien anzusehen sein, so kann der kleine „Szolnoker
Markt bei Regen", der am 26. Juni 1880 in den Besitz Franz Xaver Mayers über-
gegangen ist, als die Krone von Pettenkofens Kleinmalereien der siebziger Jahre
gelten. Man weiß nicht, was man mehr daran bewundern soll: den schweren blei-
farbenen Regenhimmel, das gedämpft bunte Marktgewühl, den das zerstreute Licht
des Regentages spiegelnden Kot der Straße oder den meisterhaft verkürzten Graben,
186
der, von vielen Brettern über-
brückt, links jener entlang läuft.
In seinem Tagebuch nennt Pet-
tenkofen selbst das Werk : „ Straße
in Ungarn bei Regenwetter (klei-
nes Bildchen)". Da Franz Xaver
Mayer 1879 kein und 1880 nur
dieses eine Bild von Pettenkofen
erworben hat, so muß es mit
demjenigen identisch sein, von
welchem Pettenkofen in seinem
Münchner Brief vom 14. März
1879 an Franz Xaver Mayer auf
folgende Weise spricht: „Meine
Hauptabsicht ... für dieses Jahr
war, mich durch ein meinen Fä-
higkeiten entsprechendes Werk
in eine meine künstlerischen und
bürgerlichen Ansprüche för-
dernde Erinnerung zu bringen."
„Es drückt mich seit langem
aufs quälendste, daß ich ... es
nicht zur Vollendung des Bild-
chens gebracht habe, welches
ich wünschte Ihnen als Beweis
meiner verbesserten Auffas-
sungsweise und meiner innigen
und herzlichsten Verehrung zu
schicken." Diese Äußerungen
beweisen nicht nur, daß sich
Pettenkofen mit dem Bildchen
besondere Mühe gegeben, son-
dern auch, daß er etwas davon
gehalten hat.
Neben Ungarn und Italien beginnt von den siebziger Jahren an auch Südtirol
Pettenkofen Stoffe für seine Bilder zu liefern. Im Frühling 1872 und im Spät-
sommer 1873 hielt sich Pettenkofen länger in Riva auf, das ihn immer wieder zur
Arbeit anregte. Wenn er von hier aus am 22. Mai 1872 Franz Xaver Mayer
schreibt, daß er trachte, möglichst viel an „Aquarellen, Zeichnungen und Studien
zusammenzubringen, um damit einen Verkauf vielleicht im Anschluß an einen an-
deren größeren Verkauf in einem machen zu können," und daß er .„diese Tätigkeit
so lange wie möglich fortsetzen" wolle, so geht aus dieser Äußerung hervor, daß
er damals in Riva von der genannten leichteren Ware viel produziert hat. Aller
Wahrscheinlichkeit nach besteht ein großer, wenn nicht der größte Teil der kleineren
Italienische Dachterrasse. Ölbild.
Wien, Fürst Johannes von und zu Liechtenstein.
187
14'
Arbeiten Pettenkofens, die Ludwig Lobmeyr besitzt, aus solchen 1872 in Riva
entstandenen Blättern.
Im August 1875 hielt sich Pettenkofen ein paar Tage in Toblach auf, in seinem
Tagebuch steht neben dem Datum des 16. August verzeichnet „altes Haus (Schloß
eines Herrn Klebelsberg, jetzt [Conte] Fedrigotti in Innsbruck, alte Zimmer mit
bäuerischen Neuerungen)". Aus diesem im Jahre 1500 erbauten Herrenhaus hat
sich Pettenkofen unter anderem das Motiv für das Bildchen „Zimmer ecke mit
Hündchen" bei Ludwig Lobmeyr geholt.
Das etwa gleich große Bild „Vor der Schmiede", ebenfalls bei Lobmeyr, ist,
seiner Technik nach zu urteilen, höchst wahrscheinlich ungefähr zur gleichen Zeit
wie die „Zimmerecke" entstanden. Ihm kommt darum eine gewisse Bedeutung zu,
weil seine Staffage, der Reiter und der Schmied, das Kostüm des XVII. Jahr-
hunderts zeigt und von dem Bilde daher behauptet werden kann, daß es die Reihe
der Kostümbilder aus Pettenkofens letzter Periode, wenn schon nicht eröffne, so
doch vorbereite.
Im Anschluß an dieses Bild sei von einem Zug in Pettenkofens künstlerischem
Wesen die Rede, der sicherlich niemals darin gefehlt hat, vom Beginn dieses Jahr-
zehntes an aber immer deutlicher hervortritt, am besten als retrospektiv zu be-
zeichnen sein wird und zu einer Zeit, da in der deutschen Literatur Scheffel und
Hamerling und Dahn und Ebers den Ton angegeben haben, weiter nicht befremden
kann. Die bereits erwähnten Restaurierungen alter Bilder, die Pettenkofen um das
Jahr 1870 herum ausgeführt hat, sind natürlich nicht so sehr ein Ausfluß als viel-
mehr eine Weckung und Nahrung jenes Hanges. Bald aber äußert sich dieser
auch in Ankäufen von Gipsabgüssen (1875 in Florenz) und „antiken" Stoffen und
Kostümen (1875 in Rom, Florenz und Bologna). In Kisten verpackt, werden diese
Gegenstände bald in München bei Lenbach, bald in Wien bei Franz Xaver Mayer
deponiert. Die Adressen von Trödlern finden sich im Tagebuch notiert. Alte Stiche
werden erworben, so 1879 in München solche von Rugendas. Von nun an be-
gegnen unter den täglichen Notizen immer häufiger alte Kunstwerke und Künstler-
namen: 1872 in Würzburg Tiepolo, 1875 in Amsterdam Bartholomäus van der
Helst und Bakhuizen, in Haarlem Frans Hals und 1877 in Vicenza Palladio und
Tiepolo.
Sieht man von der einen eben erwähnten Ausnahme ab, so sollten sich aber
alle diese Absichten und Vorbereitungen erst im nächsten Jahrzehnt zu Werken
verdichten.
Von ähnlicher inhaltlicher Bedeutung wie das Bild „Vor der Schmiede" ist eines,
das Pettenkofen 1877 gemalt hat. Es stellt ein kleines, städtisches Mädchen dar,
das ein Hündlein an der Leine führt, dem gegenüber sich ein Straßenköter unge-
bührlich benimmt. Zu dem Bilde gibt es überdies eine Reihe von Vorarbeiten. Es
ist darum wichtig, weil es wieder ein ausgesprochenes Genrebild ist, — in den acht-
ziger Jahren hat dann Pettenkofen, wie noch gezeigt werden soll, gleichsam eine
Übung seiner Jugendzeit neu belebend, eine ganze Menge von Genrebildern —
freilich nicht ausgeführt, aber doch geplant. Das Bild ist auch durch seine Technik
merkwürdig: es ist eine Gouachemalerei. Dieses Verfahren, das Pettenkofen sicherlich
188
in Paris kennen gelernt hat, fin-
det sich bereits bei jenem Ra-
gazzo angewendet, den Petten-
kofen das Jahr vorher in Florenz
gemalt hat. —
Dies wäre, an der Hand von
Beispielen angestellt, ein Ver-
such, das künstlerische Ergebnis
der siebziger Jahre zu über-
blicken. Zusammenfassend wird
man vielleicht folgendes sagen
dürfen: Pettenkofen lernt wäh-
rend dieses Jahrzehntes neue Ge-
genden kennen, die seinem Pin-
sel Motive liefern, die seine
künstlerischen Neigungen anzie-
hen und befriedigen. Neapel und
Venedig sind die Hauptorte die-
ses Neulandes. Aber auch sonst
bereichert er seine Stoffgebiete
durch Wiederaufnahme des
Genre- und Kostümbildes. Was
die Auffassung betrifft, so
schreitet er von der nahsich-
tigen zur fernsichtigen fort;
bei der Darstellung eines Mark-
tes gibt er z. B. nicht mehr
wie früher eine jede Figur
sorgfältig wieder, sondern be-
müht sich, das aus einer ge-
wissen Distanz gesehene Markt-
gewühl als Ganzes, in dem sich
Einzelheiten nicht mehr deut-
lich unterscheiden lassen, fest-
zuhalten. Hand in Hand geht mit dieser geänderten Auffassung die unter den
technischen Errungenschaften der Periode an erster Stelle zu nennende fleckige
Malweise, die Pettenkofen besonders im Jahre 1874 gepflegt zu haben scheint.
Zeitweise wird ein goldigbrauner Ton bevorzugt. Doch kann von einer einseitigen
Tonmalerei während des Jahrzehntes nicht die Rede sein. Gegen dessen Mitte zu
fällt der Höhepunkt von Pettenkofens Kleinmalerei. Das Aquarell spielt eigentlich
nur im Winter 1873 zu Neapel, wo die Umstände zu seiner Anwendung genötigt
haben, eine größere Rolle. In einem Münchner Brief vom 14. März 1879 an
Franz Xaver Mayer konstatiert Pettenkofen selbst, daß er im Aquarell lange
nichts gemacht habe. In der zweiten Hälfte der siebziger Jahre erweitert sich
Mädchen im Garten bei einem Vogelkäfig. Ölbild. 1877.
Wien, K. k. Osterreichische Staatsgalerie.
189
der Kreis der von Pettenkofen ausgeübten technischen Verfahren um die Gouache-
malerei.
Jedenfalls aber ist die Produktion der siebziger Jahre, als Ganzes genommen,
nicht sehr reich. Es ist, als ob Perioden von ein paar ungemein fruchtbaren
Wochen Perioden von mehreren, ja vielen durchaus unergiebigen Monaten gegen-
überstünden.
Schuld an diesem unverkennbaren Rückgang von Pettenkofens Schaffenskraft ist
natürlich seine Krankheit. Ihretwegen war er im Juni und Juli 1870 in Marienbad,
dann, wie schon erwähnt, im August in Brestenberg; im Jänner 1872 unterzog er
sich in Auteuil einer Kaltwasserbehandlung, deren Erfolg er Franz Xaver Mayer in
einem Brief vom 22. Mai 1872 aus Riva als „sehr zweifelhaft" hinstellt und noch
im Sommer desselben Jahres gebraucht er, bereits zum zweiten Mal, eine Kur in
Ems. Mit der im Juli und August 1873 gebrauchten Karlsbader Kur ist er, wie aus
einem an Karl v. Kratzer gerichteten Brief vom 22. August d. J. hervorgeht, zu-
frieden. Im Sommer 1873 badet er in Ostende, kaum zwei Wochen.
Hier darf wohl eine Erwähnung des ausführlichen Verzeichnisses gewisser von
Pettenkofen selbst gewöhnlich „Anfälle" genannter Krankheitszustände eingeschaltet
werden. Diese Liste, die sich im Besitz der Damen Müller befindet, endet mit
dem 12. Mai 1887. Der Umstand, daß sie mit dem Jahre 1872, zufälligerweise
gleichfalls mit dem 12. Mai, anhebt, ist ein weiterer Beleg dafür, daß Pettenkofens
Gesundheit vom Beginn der siebziger Jahre an erschüttert war.
Am 28. Dezember 1877 schreibt Pettenkofen aus Paris an Franz Xaver Mayer:
„Ich beklage und verdamme die der großen Rücksicht der Selbsterhaltung gegen-
über nur kleinlichen Rücksichten und Bedenken, welche mich abgehalten haben,
auch dieses Jahr den eigenen ernsten Ermahnungen und denen des ärztlichen
Freundes" (gemeint ist wahrscheinlich Dr. Gruby in Paris) „entgegen meine Ge-
sundheit mit allem, was daran hängt, durch einen Winteraufenthalt in Cairo zu
verbessern. Mein Gesundheitszustand im ganzen wie im einzelnen gibt mir vollen
Anlaß, diese Unterlassung aufs tiefste zu bereuen. Und doch hat der Winter kaum
erst begonnen. — Eine so entschiedene Auskunft über diese meine wichtigste per-
sönliche Angelegenheit, von welcher alle anderen so nachteilig beeinflußt werden,
gebe ich nur Ihnen, so ungern ich 's auch tue, aber ich glaube, dies mir schuldig
zu sein gegenüber der Meinung, welche Sie, verehrter Freund, möglicherweise von
mir haben könnten, als wäre meine nachlässige Betreibung fruchtbringender Pro-
duktion nur die Folge launenhafter Verdrießlichkeit über kleine Schwierigkeiten und
Unbequemlichkeiten, die jeder zu bestehen hat und welche von jedem, der nur mit
gutem Willen gerüstet ist, leicht übersehen oder doch leicht überwunden werden
kann. Ich aber weiß, verehrter Freund, daß, wenn ich noch etwas der Rede
Wertes zu erreichen imstande bin, dies nur im ringenden Kampf mit meiner miß-
lichen Gesundheit geschehen kann. Niemand braucht das zu wissen, aber ich sage
es Ihnen im Vertrauen." Ferner schreibt Pettenkofen in einem Brief vom 23. Juli
1878 ebenfalls aus Paris und an Franz Xaver Mayer: Zur Abreise von hier „noch
vor Erreichung von Resultaten meiner bisherigen Arbeiten" zwingt mich die „außer-
ordentliche Verschlimmerung meines langwierigen Leberleidens, zu welchem sich
190
in letzterer Zeit besorgliche
Krankheitserscheinungen ge-
sellt haben und welche es mir
unmöglich machen, den auf-
reibenden Kampf, welchen ich
durch so lange Zeit gegen die
Beschwerden dieses Übels füh-
re, fortzusetzen. Ich bin end-
lich genötigt — was ich wohl
vor allem anderen hätte tun
müssen — wenn nicht Heilung,
doch Besserung meines Übels
zu suchen, so lange noch die
Möglichkeit dazu da ist." Pet-
tenkofen spricht dann weiter
von einer abermaligen Kur in
Karlsbad, zu der er sich werde
entschließen müssen. Doch hat
er sich in den siebziger Jahren
keiner mehr unterzogen.
Diese beiden Briefstellen sind
darum wichtig, weil sie den
lähmenden Einfluß von Petten-
kofens körperlichem Übelbefin-
den auf sein künstlerisches
Schaffen expressis verbis fest-
stellen und weil sich in ihnen
zum ersten Mal eine bestimmte
Krankheit genannt findet. Was
für tiefe Gemütsdepressionen
seine gestörte Gesundheit bei
ihm hervorzurufen imstande
war, beweist folgender Satz in
einem Brief, gleichfalls an Franz
Xaver Mayer aus München und
vom 14. März 1879: „Furcht
vor der Pest, von welcher Sie
als von einem uns drohenden
Unglück erwähnen, empfinde ich bei meinem Gesundheitszustand, der mich ohne
allen Zweifel der Sorge um mein höheres Alter enthebt, im geringsten nicht."
Der typische Neurastheniker entlarvt sich in den Klagen über das Wetter, von denen,
gleichwie von den Beschwerden über das Atelier, wie schon gesagt, vom Beginn der
siebziger Jahre an fast kein Brief mehr frei ist: bald ist die Hitze, bald die Kälte
unerträglich. Unter einem fürchtet er sich vor dem Wiener Winter und beschwert
Motiv aus Venedig. Ölstudie (Siccativ-Experiment). 1881.
Wien, K. k. Österreichische Staatsgalerie.
191
sich über den Scirocco in Venedig, dann wieder findet er den Florentiner Winter
zu kalt. Unter dem Winter leidet er überhaupt am meisten. In einem Brief an
Leopold Karl Müller vom 3. September 1877 schreibt er, nachdem er abgelehnt
hat, mit nach Ägypten zu fahren: „. • • und so werde ich fünf endlose Monate lang
der arme Dulder eines unbarmherzigen Winters sein — einer stupiden Einrichtung
der Natur, der sich jeder Lausbub der technischen Hochschule in Stixneusiedel
zu schämen hätte."
Im Winter 1873 scheint sich Pettenkofens übler Gesundheitszustand irgendwie
herumgesprochen zu haben, und am 19. Dezember brachte „Die Presse" folgende
Notiz: „Der in Rom weilende österreichische Maler Pettenkofen ist, wie man der
,Morgen-Post' meldet, so schwer erkrankt, daß sein Zustand große Befürchtungen
erregt."') Pettenkofen hat sich über diese „müßige und charakterlose", über diese
„bübische Zeitungsnachricht", wie aus seinen Briefen vom 23. Dezember 1873 an
Franz Xaver Mayer und vom 4. Jänner 1874 an Karl v. Kratzer hervorgeht, sehr
aufgeregt und geärgert. Ein Dementi der Meldung aber, von dem Pettenkofen in
dem eben genannten Schreiben an Kratzer spricht, scheint, in der „Presse" und in
der „Morgen-Post" wenigstens, nicht erfolgt zu sein. —
Abgesehen von den bereits erwähnten Reisen nach Szolnok, nach Paris, nach
Italien und in Italien und nach den Badeorten ist Pettenkofen auch sonst noch
während der siebziger Jahre durch seine ahasverische Unrast genug umhergetrieben
worden. Besonders sei eine in die erste Hälfte des September 1875 fallende Reise
nach den Niederlanden erwähnt. Im Tagebuch finden sich zwar unter dem 8. dieses
Monates die Eintragungen „zwischen Delft und Rotterdam . . . malerische Land-
schaften mit Windmühlen, ferne Stadt, mannigfaltige Vordergründe, ... an den
Kanälen viel Malerisches" — aber was Pettenkofen schon vor dreizehn Jahren von
Holland gesagt hatte, daß es kein Land sei, das ihn künstlerisch zu inspirieren
vermöchte, hatte seither seine Geltung nicht verloren; er scheint auch 1875 dort
weder gemalt noch gezeichnet zu haben.
Eine andere beträchtlich größere Reise ward von Pettenkofen wiederholt aufs
ernstlichste geplant, schließlich aber doch niemals ausgeführt: die Fahrt nach
Ägypten zusammen mit seinem Freunde Müller, der ihn vom Jahre 1875 an immer
wieder, das letzte Mal noch 1886, aufs dringendste auffordert mitzukommen. Ein
großer Teil des Briefwechsels zwischen Pettenkofen und Müller dreht sich um
diese nie zustandegekommene Tour. Das erste Mal ist von ihr die Rede in Petten-
kofens vom 25. Oktober 1875 datiertem Pariser Brief; er schreibt Müller da, daß
er zur angegebenen Zeit nicht nach Ägypten reisen könne; außerdem habe ihm
sein Vetter Mayer gesagt, er müsse dort für den Tag zwei bis drei Pfund rechnen,
was ihm zu viel sei. (Nebenher bemerkt, duzen einander um diese Zeit die beiden
Freunde schon; brieflich spricht Pettenkofen Müller zum ersten Mal in dem vom
27. April 1875 datierten Brief aus Venedig mit Du an.) 1875 war Müller mit Huber,
den Pettenkofen bereits in dem eben erwähnten Schreiben grüßen läßt, noch im
August in Ägypten. Im Spätherbst wollte er abermals hinfahren, da sollte Petten-
kofen mitkommen; Lenbach und Makart würden auch von der Partie sein. So
berichtet er in einem Brief vom 16. August aus Cairo. In einem Grazer Brief vom
192
TAFEL XLI
UNGARISCHER MARKT BEI REGEN. ÖLBILD. (1880.) WIEN, FRANZ XAVER
MAYER.
28. Oktober 1875 schreibt Müller Pettenkofen, daß er mit Sparsamkeit in fünf
Monaten in Ägypten nicht mehr als 2000 fl. brauchen werde; er, Müller, verstehe
schlecht, mit dem Gelde umzugehen, von Pettenkofen aber sei er überzeugt, daß
er weniger brauchen werde; Pettenkofen werde z. B., da er weniger trinke, in
zwei Tagen mit einer großen Flasche "Wein auskommen. Am 19. November 1875
vermerkt Pettenkofen in Triest resigniert in sein Tagebuch: „Abfahrt der Gesell-
schaft nach Alexandrien." Die „Gesellschaft" bestand aus Müller, Makart, Lenbach,
Huber, dem Architekten Gnauth und dem Fürsten KhevenhüUer. Sie fuhr damals
dem fidelsten Winter am Nil entgegen. Müller soll den Moment des Abschieds, da
die Reisegefährten in See stechen und Pettenkofen ihnen vom Ufer her betrübten
Sinnes nachwinkt, in einer irgendwo publizierten lustigen Zeichnung festgehalten
haben. In einem Florentiner Brief vom 28. Dezember 1875 an Franz Xaver Mayer
drückt Pettenkofen seine Reue darüber aus, daß er nicht mit nach Cairo gefahren ■
sei, und schiebt alle Schuld daran, daß er es nicht getan habe, auf seinen „Wider-
willen vor einer langen Seereise". Im Jahre 1877 wiederholt sich dasselbe Spiel.
Am 3. September schreibt Pettenkofen Müller totunglücklich aus Paris, daß er
wieder nicht mit nach Ägypten kommen könne. Am 19. desselben Monats hatte
er aber scheinbar seine Meinung geändert, wenigstens schreibt er Müller: „Das
Vorgefühl des Winters, welcher jetzt schon seinen Anfang hier nehmen zu wollen
scheint, hat mich bereits erfaßt, macht mich feig, dem Weitern entgegenzusehen,
und gibt mir den Mut, an eine Überfahrt zu denken, der sich unter der weiteren
Einwirkung winterlicher Gefühle bis zur Tat steigern dürfte. Da ich mir meine
Reise und meinen Aufenthalt drüben nur in Deiner , schützenden' Gesellschaft
denken kann, ist es mir zur völligen Ausbildung meines Entschlusses unerläßlich
nötig: a) zu glauben, daß Du Dich für meine Mitreise wirklich interessierst, 2) daß
ich dann Dein Reiseprogramm genau kenne. Eine Abreise vor Mitte Oktober
wäre mir zu bald, eine weitere Reise von Cairo aus, wenn Du eine solche
wirklich in Aussicht hast, würde ich nicht unternehmen, allein in Cairo [zu] sitzen,
denke ich mir — augenblicklich — scheußlich." Die Antwort Müllers hat sich nicht
erhalten. Sicher aber traf nicht ihn die Schuld, daß Pettenkofen nicht mitgereist
ist. Wie sehr es diesen im Dezember desselben Jahres 1877 abermals gereut hat,
nicht mit an den Nil gefahren zu sein, ist bereits oben mitgeteilt worden. Noch
am 28. Februar 1881 schreibt Müller aus Gherga^) in Ägypten an Pettenkofen in
Venedig: Ich habe „Dinge gesehen, Dinge, die aller Beschreibung spotten — auch
aller Malerei. Ich war in den Tropen — habe ganz Oberägypten gesehen und einen
Teil Nubiens. Ich versichere Dich, es ist wenig, wenn ich sage, daß ich jeden
Tag mindestens einmal an Dich dachte, wenn ich die oberägyptischen Dörfer
und Städte durchzog. Es ist eine zum Himmel schreiende Sünde, daß Du nicht
hierher kommst. Oberägypten ist Deine Domäne, ist für Dich erfunden worden.
Niemand könnte Oberägypten so gut packen, als Du es könntest. Und wie ge-
sund Du hier werden würdest! Welch einen herrlichen Winter habe ich durch-
lebt." Und noch 1886 schreibt Müller Pettenkofen am 10. Jänner aus Cairo: „Es
ist jammerschade, daß Du nicht auch da bist und mitschanzest. Du würdest hier
viel malen und auch Deiner Gesundheit nützen." —
193
»5
Wichtiger, als Pettenkofen auf seinen tatsächlich ausgeführten und auf seinen
bloß geplanten Reisen zu begleiten, ist es wohl, die Orte, die Gegenden nam-
haft zu machen, von denen bisher noch nicht gehandelt worden ist und wo er
sich während der siebziger Jahre häufiger und länger aufgehalten hat.
Da ist an erster Stelle München zu nennen. Während des Jahrzehnts ist Petten-
kofen nur das einzige Jahr 1876 gar nicht dorthin gekommen. Sonst verweilt er in
jedem Jahre bald länger, bald kürzer in München. Sein ausgedehntester Aufenthalt
daselbst erstreckt sich von Mitte September 1878 bis Mitte Juni 1879, ferner ver-
weilt er, nachdem er am 24. Juli zum Ehrenmitglied der königlich bayerischen
Akademie der bildenden Künste in München ernannt worden war, vom 1. Sep-
tember bis in den Jänner des folgenden Jahres hinein in München, und 1877 bleibt
er von der Mitte August bis zur Mitte September dort.
Was Pettenkofen an München anzog, war die „Vereinigung von Land und
Malerstadt", wie er sich einmal in einem Brief vom 14. März 1879 an Franz
Xaver Mayer ausdrückt. Im selben Schreiben betont er aber auch, was ihm
München verleidet hat: „Wenn schon das Klima packend auf meinen empfindlichen
Organismus wirkt, so wirkt der gänzliche Mangel an genügender geistiger und ge-
mütlicher Anregung im empfindlichsten Grad herabstimmend auf mein Gemüt. Es
herrscht hier leider — eine Schattenseite dieser sonst freundlichen Stadt — aus-
schließlich nur die Zerstreuung und Vergnügung des Kneipenlebens, zu welcher
ich selbst in tiefster Not nach Zerstreuung aus Abneigung wie aus Gesundheits-
rücksichten nicht greifen kann und dadurch zu dem unter den gegebenen Um-
ständen schlimmen In-mich-Versenken geführt werde."
Fleißig suchte Pettenkofen die österreichischen Alpen auf, besonders Tirol und
meistens während des Sommers. In Südtirol verweilte er am liebsten. Von seinen
Aufenthalten in Riva war schon die Rede. 1871 und 1878 kam er auch ins Salz-
kammergut. Nur in den Jahren 1874, -76 und -77 sahen ihn die Alpen nicht.
Häufig kam er nach Graz, wo er freilich nur in den Sommern 1871 und -79 länger
als ein paar Tage verweilte. Wahrscheinlich besuchte er dort seinen Freund, den
Dr. Max Josef Schüler.
Das Jahrzehnt von 1870 auf 1880 ist die Zeit, in der Pettenkofen während seines
ganzen Lebens am wenigsten in Wien war. In den Jahren 1872 und 1878 kam
er gar nicht hin. Im Weltausstellungsjahr 1873 hielt er sich knappe drei Wochen
in seiner Vaterstadt auf, im Jahre 1875 gar nur zehn Tage.
In Pettenkofens Briefen finden sich ein paar Stellen, die sein Verhältnis zu Wien
ins "rechte Licht rücken.
Am 18. Mai 1874 schreibt er Kratzer, der ihm vorher von dem zu einer Zeit,
da der berüchtigte „Krach" des Vorjahres in Wien natürlich noch nicht verschmerzt
sein konnte, recht wohl begreiflichen ungünstigen Verlauf einer Auktion (der Ale-
xander Posonyis am 27. April?) Mitteilung gemacht haben muß, aus Venedig:
„Die Nachricht, welche Sie mir geben, daß zwei Bilder auf der Auktion ohne An-
bot blieben, kann meinen Entschluß, mein Geschäft zur Zeit selbst und in Paris
zu betreiben, gewiß nicht wankend machen. In Wien mag es wohl sehr schlecht
stehen, aber Wien ist zum Glück nicht die Welt, und ich habe Existenz und Ge-
194
TAFEL XLII
DAS DUELL IN DER AU. PASTELLBILD. (1882.) PARIS, CHARLES SEDEL-
MEYER.
-^3:i3Si.äSgKSS
SBEH-ri^'R.--;
r
<
Das Duell in der Au. Ölskizze.
Budapest, Baron Johann Harkäny.
sundheit und Leben eingesetzt, durch eisernes Studium das nachzuholen und zu
erreichen, was mir immer als ein Mangel in meinem Können hinderlich gewesen,
und ich glaube zum mindesten ein[en] Teil erreicht zu haben und dadurch außer
der Berührung der gegenwärtig schlechten Zeit zu stehen. Ich habe mir Wien
bereits abgewöhnt und werde hoffentlich nie mehr anderer Gesinnung werden •
und dort leben." Hierauf folgt der schon weiter oben mitgeteilte Satz, daß er
kommenden Herbst für immer nach Paris gehen werde.
Diesem Zug nach der Fremde, der sich, wie wir wissen, als trügerisch erweisen
sollte, steht die um diese Zeit immer stärker werdende Sehnsucht nach einem
eigenen Heim gegenüber, die unwillkürlich trotz aller wirklichen und aller er-
künstelten Abneigung doch immer wieder zugleich auch auf die alte Vaterstadt
gerichtet ist. Schon in einem venezianischen Brief vom 28. April 1875 an Karl
von Kratzer regt sie sich. Dort heißt es nach Klagen über die Unbilden des
Winters und die ewige Ateliemot: „Ich sehne mich unsäglich nach einem ruhigen
heimlichen Wohnort und nach einer gleichmäßigen behäbigen Tätigkeit." Viel
stärker aber kommt dieses Heimweh in einem um weniges später, am 5. Mai,
gleichfalls aus Venedig an Franz Xaver Mayer geschriebenen Brief zum Ausdruck:
„Das Bedürfnis nach einem sichern heimatlichen W^ohnort ist nach und nach be-
reits übermächtig in mir geworden und ich fühle recht sehr das Bangen eines
,Nirgendszuhauseseins'. Wien ist meine natürliche Heimat, wo ich meinen mensch-
195
25*
liehen Gefühlen nach hingehöre, aber mit der Malerei, welche mein ganzes
Wesen allein vollkommen beschäftigt, ist es ein anderes. Ich wüßte aus dem, was
sich da bietet, nichts zu machen, ich wüßte da nichts zu machen, das ich mir
nicht von anderswo erst wieder holen müßte, und was dann immer wieder ein
Mittelbares, Unvollkommenes geben könnte; was meinem Sinne wie meinen Fähig-
keiten nicht entspricht. Es überkommt mich eine tiefe Entmutigung da [in Wien]
schaffen zu müssen, um eine natürliche Heimat zu gewinnen. Zu dem kommen
augenblicklich da noch die gegenwärtigen moralischen und pekuniären Verhältnisse,
deren deprimierendem Einfluß man sich in nächster Nähe um so weniger ent-
ziehen kann. Ich habe somit durchaus nicht das beruhigende Bewußtsein, eine
Heimat zu haben, welche den Bedürfnissen meines Berufes wie denen meiner
Gefühle entspricht. Und so fehlt es mir an der Beruhigtheit und an der Befriedi-
gung, welche ich meinem ganzen Wesen nach so notwendig brauche, um mit Er-
folg meine gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse, so weit diese im Bereich
meines Talentes liegen, nutzbar zu machen." 1878 aber hat jene Sehnsucht bereits
einen Entschluß gezeitigt, dem er am 15. November dieses Jahres in einem Brief
aus München an Franz Xaver Mayer folgende Worte leiht: „Mein unendliches,
praktisches wie gemütliches, Bedürfnis nach einem heimatlichen Wohnsitz wird
immer drängender, und ich bin somit zu dem entschiedenen Entschlüsse gelangt,
mein bisheriges Wanderleben, als einer geregelten und somit erfolgreichen Pro-
duktivität entschieden hinderlich, aufzugeben und, sobald nur die größte Strenge
des Winters vorüber ist, nach Wien zu kommen, um mir da das ,Heim' zu schaffen,
das ich meinem Wesen nach in der Fremde nicht finde, und welches ich zur
Verwertung meiner Studien und Erfahrungen in meinem Fache brauche. Der Ge-
danke an eine solche Tätigkeit, nach welcher ich mich seit Jahren sehne, mag
mir über den Gedanken hinaushelfen, daß mir die alte Heimat sonst wenig Frohes
und Verlockendes zu bieten hat, als die Befriedigung der treuen natürlich[en] An-
hänglichkeit, welche ich für sie empfinde." Im März 1879 freilich erscheint die
Festigkeit der Absicht, nach Wien zu übersiedeln, schon wieder erschüttert.
Wenigstens fügen sich in einem Brief vom 14. dieses Monats aus München an
Franz Xaver Mayer den bereits mitgeteilten lebhaften Klagen über München fol-
gende Worte an: „Instinktmäßig denke ich an Wien, fürchte aber dort die größte
Nahrung für meine Nervosität."
Daß Pettenkofen am Ende der siebziger Jahre den Entschluß gefaßt hat,
sein Wanderleben aufzugeben und sich in seiner Vaterstadt dauernd nieder-
zulassen, geht wohl nicht nur auf Krankheit und Alter zurück, sondern hängt
auch sicherlich damit zusammen, daß er sich in diesem Jahrzehnt be-
sonders lange von der Heimat ferngehalten hat — fernhalten hat müssen — ,
denn es gibt gerade zu dieser Zeit Umstände und Ereignisse, die besonders
darnach angetan waren, ihm den Aufenthalt in Wien zu verleiden: der Tod
Gsells, des langjährigen Mäzens und Freundes; der Bruch mit der Geliebten,
die ja in Wien wohnte; 1873 die Weltausstellung und der finanzielle Zusammen-
bruch, dessen üble Folgen noch lange zu verspüren waren; der Festzugsrummel
des Jahres 1879.
196
Kavaliere, ihre Gegner zum Duell erwartend. Kohlenzeichnung.
Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
Mochte er aber auch dessen, was in der Heimat vorgieng, nur mit Widerwillen
und Bitterkeit gedenken, so ließ es ihn doch weder äußerlich unberührt, noch in-
nerlich gleichgültig.
1873 auf der Weltausstellung waren von Pettenkofen nicht weniger als 22 Ar-
beiten, Ölbilder und Aquarelle, ausgestellt,") ohne sein Zutun, vermutlich gegen
seinen Willen und anfangs wohl auch ohne sein Wissen. Seine Wiener Freunde,
ihnen voran Franz Xaver Mayer, scheinen die Ausstellung mit seinen Bildern be-
schickt zu haben. Wegen dieser — ungewollten — „Mitwirkung zu den Erfolgen der
internationalen Wiener Weltausstellung des Jahres 1873", wie es im Diplom heißt,
erhielt er aber am 30. Oktober 1873 den Orden der Eisernen Krone III. Klasse. Am
8. November dankt er Franz Xaver Mayer aus Venedig für dessen freund-
lichen Glückwunsch zur Auszeichnung, die ihm, wie dieser wohl richtig urteilen
werde, „mehr Bedrückung als Freude" zu machen imstande sei. Im Dezember 1874
wird er in den Ritterstand erhoben.
Mit seinem Widerwillen gegen Ausstellungen war es Pettenkofen, nebenbei be-
merkt, wirklich ernst. Denn am 8. Mai 1878 beantwortet er Franz Xaver; Mayers
Anfrage, ob von ihm Arbeiten auf der Pariser Weltausstellung dieses Jahres zu
sehen wären, auf folgende Weise: „Ausgestellt habe ich nicht! Das^Vorstehende
[Klagen über Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit] gibt hierüber den richtigen Auf-
197
Schluß. Ich beklage zwar den Anlaß, der mich verhindert hat, nicht aber, nicht
ausgestellt zu haben. Nun kann ich wohl sagen, daß ich ein .jungfräulicher'
Künstler bin, denn ich habe niemals selbst ausgestellt." Und am 15. Jänner 1879
schreibt er Franz Xaver Mayer: „Was die von Lobmeyr angeregte Ausstellung
Ihrer ganzen Sammlung betrifft, so muß ich außer dem von Ihnen angeführten
Grund dagegen (während des traurigen Winters Ihre Wohnung nicht ihres heiteren
Schmuckes zu berauben) noch den Grund dagegen anführen, daß das Interesse des
kunstliebenden Publikums in Wien dermalen ein sehr frostiges ist und Sie sich einer
frostigen Aufnahme aussetzen könnten. Darum rate ich Ihnen, nicht auszustellen."'")
Daß Pettenkofen an Vorgängen, die Wien, die Österreich betrafen, Anteil ge-
nommen hat, braucht natürlich nicht erst bewiesen zu werden. Immerhin seien
zwei einschlägige Stellen aus seinen Briefen angeführt: Als sich im Sommer 1876
Serbien und Montenegro gegen die Türkei erhoben und Österreich die Okkupation
von Bosnien und der Herzegowina ins Auge faßte, schrieb Pettenkofen am 17. Juli
1876 von Venedig aus an Franz Xaver Mayer: „Nachdem ich während der ganzen
Zeit meines von jedem Verkehr abgeschlossenen Aufenthaltes [in Assisi] beinahe
in gänzlicher Unwissenheit über alle die Vorgänge gewesen, welche augenblicklich
das gespannteste Interesse der ganzen Welt in Tätigkeit erhalten,") bin ich durch
österreichische und ausländische Zeitungen in diejenige Aufregung versetzt, welche
jeder patriotische Österreicher, wie ich glaube, ,jetzt' empfinden muß. Hieran reihen
sich meine peinlich besorgten Gedanken an unsere entmutigenden gesellschaftlichen
Zustände." Und im Hinblick auf den Festzug schreibt er unter dem 14. März 1879
an dieselbe Adresse: „Ich freue mich über die große lebhafte Tätigkeit, welche
Wien aufregt, um eine Festlichkeit zu begehen, welche ebenso sehr Zeugnis gibt
von seinem'^) Patriotismus, wie von seiner") Leichtlebigkeit und dem guten Ge-
schmack, sich zu amüsieren."
Mit besonderem Interesse verfolgte Pettenkofen an sich weniger bedeutende
Wiener Ereignisse, die uns wieder auf das Gebiet der Kunst hinüberleiten: die
Kunstauktionen, auf denen Werke seiner Hand feilgeboten wurden. Diese Ver-
steigerungen setzten ja die Preise fest, die er ungefähr für seine Bilder verlangen
durfte, und bestimmten damit zugleich die Höhe seiner Einkünfte. Von der größten
dieser Auktionen, der von Gsells Nachlaß, war schon ausführlich die Rede. Daß
ihn die Mitteilung Kratzers, es wären auf einer Auktion im Frühjahr 1874 zwei
seiner Bilder unverkauft geblieben, unangenehm berührt hat, wurde gleichfalls schon
erwähnt. Am 15. November 1878 schreibt er Mayer aus München: In wenigen
Tagen soll die Oelzeltsche Bildersammlung versteigert werden, „und ich bin sehr
begierig, ob da zum augenblicklichen Kurs günstig oder ungünstig (hausse oder
baisse) entschieden wird." Die Auktion, die am 18. November unter der Leitung
Kaesers stattfand, brachte, nebenbei bemerkt, hohe Preise. Die vier Bilder Petten-
kofens, die sich in der Oelzeltschen Sammlung befanden, wurden um 2510, 2760,
2980 und 8500 fl. verkauft. Die letzte Summe wurde für den „Großen Szolnoker
Markt" gezahlt.
Eine wie große Rolle Pettenkofen während der siebziger Jahre auf dem Wiener
Kunstmarkt gespielt hat, mag daraus ersehen werden, daß in diesem Jahrzehnt
198
TAFEL XLIII
DER APOTHEKER. AQUARELL. (1885.) WIEN, EUGEN MILLER V. AICH-
HOLZ.
vi
M
Der Schuster. Ölbild. (1885.)
Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
auf mehr als fünfzig Auktionen, die in Wien von Holle, Kaeser, Löscher, Löscher
und Plach, Miethke, Miethke und Wawra, Plach, A. Posonyi, Ruf und Flach,
Schwarz, Sedelmeyer aus Paris und Wawra veranstaltet wurden, Bilder von ihm
vorkamen. Das im Anhang mitgeteilte Verzeichnis der Auktionen gibt nähere Auf-
schlüsse darüber. — Auch Deutschland beteiligte sich seit den siebziger Jahren
auf dem Wege öffentlicher Feilbietung am Kauf und Verkauf von Werken Petten-
199
kofens. 1874 versteigert Lepke in Berlin, 1878 und 1879 Heberle in Köln Bilder
von ihm.
Die größte Bedeutung aber für Pettenkofen hatten selbstverständlich die Pariser
Auktionen, weil sie die Preise des Weltmarktes diktierten. Mehr als ein Dutzend
Versteigerungen, auf denen während der siebziger Jahre zu Paris Bilder Petten-
kofens vorkamen, hat sich ausfindig machen lassen. Unter ihnen verdient eine
darum besondere Beachtung, weil sie von einem Wiener Freunde Pettenkofens
veranstaltet worden ist. Es ist die Auktion Eugen Millers von Aichholz am
15. April 1876 im H6tel Drouot. Sämtliche 18 Bilder, die Miller am 15. November
1874 von Pettenkofen um 15.250 Gulden erstanden hatte, wurden da neben anderen
modernen Gemälden feilgeboten. Der Pessimismus, mit dem Pettenkofen in einem
Brief vom 5. März 1876 aus Florenz an Franz Xaver Mayer wegen der ungün-
stigen Zeitumstände und darum, weil sich unter den zum Verkauf gebrachten
Werken keine von namhaften französischen Meistern befänden, dieser Versteige-
rung entgegensah, erwies sich als vollkommen gerechtfertigt: es blieben fast alle
seine Bilder unverkauft.
Daß der 1871 verstorbene Friedrich Gsell als Abnehmer von Bildern Petten-
kofens noch während der siebziger Jahre in Eugen Miller von Aichholz und Ludwig
Lobmeyr Nachfolger gefunden hat, ist schon früher mitgeteilt worden. Diesen
beiden Käufern großen Stiles hat sich 1877 als dritter der Hamburger Theodor
Eggers angeschlossen, der sich in Wien oder genauer gesagt: in Leesdorf bei
Baden niedergelassen hatte. Im Februar 1877 hat ihm Pettenkofen „16 Bildchen"
für 8700 Gulden verkauft. Nicht weniger als 25 Bilder Pettenkofens aus dem Be-
sitz von Eggers wurden 1888, also noch bei Lebzeiten des Künstlers, durch Miethke
in Wien versteigert. — Aber auch noch mit dem Hause Friedrich Gsells blieb
Pettenkofen weiter in Verbindung. Einerseits durch den ihm befreundeten Fried-
rich Ehrmann, der an hervorragender Stelle in Gsells Geschäft tätig gewesen war
und später, zu Beginn der achtziger Jahre, für Pettenkofen Bilder verkaufte; ander-
seits durch Gsells überlebende Schwester, Fräulein Julie Gsell, die nach dem
Tode ihres Bruders Wien verließ und nach Bischweiler im Elsaß übersiedelte.
Dort pflegte sie Pettenkofen auf der Fahrt nach oder von Paris aufzusuchen und
noch bis in den Juni 1888 stand er mit ihr in Korrespondenz. Bis zum Jahre 1883,
in dem er das letzte Mal nach Paris reiste, überbrachte er Fräulein Gsell persön-
lich, später, zuletzt noch im Jahre vor seinem Tode, schickte er ihr von Zeit zu
Zeit ein Bild „als Zeichen seiner Freundschaft und Verehrung" — zugleich aber
auch als Ratenzahlung einer alten Schuld, deren Guthaben von Friedrich Gsell auf
seine Schwester Julie übergegangen und bei Pettenkofens Tod noch nicht völlig
erloschen war. Durch die geschilderte Art der Schuldabtragung gelangte Fräulein
Gsell allmählich in den Besitz von einem halben Dutzend von Bildern Petten-
kofens, die nach ihrem Tode ihre Nichte Madame Valade erbte.
Unter den Künstlern, mit denen Pettenkofen während der siebziger Jahre ver-
kehrte, stand ihm Leopold Karl Müller am nächsten. Als schönes Freundschafts-
denkmal hat sich Pettenkofens Brief an Müller vom 18. November 1876 erhalten.
Pettenkofen beginnt ihn mit einer Mitteilung, daß Eitelberger, der damals in Sachen
200
TAFEL XLIV
BLICK AUF DIE DÄCHER DER CALLE DEI FUSERI IN VENEDIG. GOUACHE-
BILD. 1885. WIEN, EUGEN MILLER V. AICHHOLZ.
der österreichischen Kunstpflege vielleicht das gewichtigste Wort zu sprechen hatte,
ihm gegenüber den lebhaften W^unsch ausgesprochen habe, Müller als Professor an
die Wiener Akademie zu bekommen, und daß er, Pettenkofen, sich Eitelberger als
Vermittler bei Müller angetragen habe. „In diesem Eingang," heißt es dann weiter,
„ist alles enthalten, um was es sich handelt, und ich habe daher im Interesse
Deiner, welches ich in meiner Freundschaft für Dich sehr wohl empfinde, nur die
Bemerkung hinzuzufügen. Du möchtest diese Sache einer ernstlichen und vorurteils-
freien Erwägung unterziehen. So, wie ich Eitelberger für Dich gestimmt verlassen
habe, dürftest Du — unter uns gesagt — so manche Bedingung zugunsten Deiner
persönlichen Freiheit als auch anderer Vorteile stellen können, ohne dadurch den
Wert, Dich gewonnen zu haben, zu schwächen. Du wirst hoffentlich zufolge dieses
ein Wort an Eitelberger schreiben, und wäre [es] auch nur ablehnend und in Form
des Dankes für seine große Sympathie und [das] Vertrauen, welches er im Inter-
esse der Akademie in Dich setzt. Ich kenne und veranschlage den Wert der per-
sönlichen Freiheit zu hoch, um noch etwas hinzuzufügen, was berechnet wäre.
Dich zu einer solchen Annahme zu bestimmen, obgleich ich der Akademie einen
solchen Gewinn wünschte. Ich denke. Du wirst die Sache wohl überlegen, [den]
Vergleich nämlich eines verdienstvollen Wirkungskreises und beruhigter Existenz
mit den Reizen der durch Umstände oft eingeschränkten persönlichen Freiheit."
Der männliche Ernst, die knappe Sachlichkeit und die freundschaftliche Wärme,
womit Pettenkofen hier dem Freunde ein Ziel beleuchtet, das ihm selbst in jungen
Jahren trotz aller Abneigung gegen den akademischen Unterricht als erstrebens-
wert erschienen war, haben etwas Rührendes an sich. Im Jahre darauf hat Müller
dieser Berufung Folge geleistet.
Die Wärme des Freundschaftsverhältnisses, das Pettenkofen mit Müller verband,
scheint auch auf die Beziehungen ausgestrahlt zu haben, die Pettenkofen zu Künst-
lern hatte, mit denen auch Müller gut war. Sehr nahe ist ihm der um 23 Jahre
jüngere Eugen Jettel gestanden. Das beweisen schon seine strenge, aber eindring-
liche Charakteristik Jetteis, die bereits weiter oben mitgeteilt wurde, das gleichfalls
schon erwähnte ausführliche Schreiben an ihn vom Jahre 1873 aus Neapel und der
im September 1875 in Gesellschaft Jetteis unternommene Ausflug von Trouville
nach Villerville. Aber auch zwei Briefe an Franz Xaver Mayer legen davon Zeugnis
ab, daß Pettenkofen Jettel sehr hoch schätzte. In dem einen, schon mehrfach an-
gezogenen vom 8. Mai aus Paris findet sich im Anschluß an die Auskunft, daß die
Weltausstellung zwar eröffnet, aber noch nicht fertig sei, die bereits wörtlich mit-
geteilte Stelle, in der nebeneinander die Namen Makarts und Jetteis vorkommen.
Das Lob Jetteis, der außerordentliche Fortschritte gemacht habe und dessen Land-
schaften den besten der ganzen Ausstellung zuzuzählen seien, wirkt hier neben der
eiskalten Objektivität, mit der der Erfolg Makarts konstatiert ist, besonders warm.
In einem Brief vom 31. Juli desselben Jahres, abermals aus Paris, beschreibt Petten-
kofen mit liebevoller Ausführlichkeit vier Bilder Jetteis, die er überdies noch durch
Federskizzen erläutert. Sie gehören Sedelmeyer, dem gegenüber Jettel durch einen
Vertrag verhalten ist, alle seine Bilder nur ihm zu verkaufen. Sedelmeyer erbietet
sich, zwei dieser vier Bilder nach Wien zur Ansicht zu schicken. Pettenkofen
201
s6
schließt seine Mitteilungen über Jetteis Bilder mit den Worten: „Ich glaube, daß
es für Jettel wünschenswert wäre, sich in Wien wieder in günstige Erinnerung zu
bringen, um daß seine Bilder auf vaterländischem Boden die Wertschätzung ge-
nießen, welche sie in Wirklichkeit verdienen. Er wurde bei der Medaillenverteilung
in den Ausstellungen hier übergangen, doch teilt er hierin nur das Los so vieler
anderer, welche vor so vielen mit Auszeichnung[en] Beteiligten eine Anerkennung
verdient haben."
Mit Rudolf Huber, der, wie bereits erwähnt, 1875 mit Müller in Ägypten war,
tauscht Pettenkofen in diesem Jahre durch Müllers Vermittlung Grüße aus.
Auch Franz Lenbach war ja mit Müller befreundet. Daß auch er jener Künstler-
gesellschaft angehört hat, die Pettenkofen am 19. November 1875 von der Trie-
stiner Rhede aus schweren Herzens nach Alexandrien abdampfen sah, wurde schon
gesagt. Pettenkofen muß mit Lenbach in München bereits während der siebziger
Jahre intim verkehrt haben. Mit Lenbach und Knaus war er im Frühjahr 1876
auch in Rom beisammen.
Im folgenden seien unter den übrigen Künstlern, mit denen Pettenkofen während
der siebziger Jahre mehr oder weniger vertrauten Umgang gepflogen hat, zuerst
die österreichischen aufgezählt: Mit Eduard Kaiser war Pettenkofen noch von seiner
vormärzlichen Wiener Periode her befreundet. Er traf ihn im Juni 1876 in Assisi,
wahrscheinlich mit Aufnahmen für die Arundel Society beschäftigt. Mit Ethofer
war er nicht nur, wie schon erwähnt, im Sommer 1872 in Venedig und im Winter
1872 auf 1873 in Neapel, sondern auch 1875 in Riva und 1876 in Rom beisammen.
In Rom verkehrte er auch mit dem Bildhauer Josef Kopf und dem Maler Heinrich
Ludwig, dem gelehrten Herausgeber von Lionardos Trattato della pittura. Ludwigs
Bekanntschaft wird namentlich für Pettenkofens kunsttheoretische Interessen von
Bedeutung gewesen sein. Mit Franz Rüben, dem Sohn des Akademiedirektors, Ludwig
Passini, Giovanni Simonetti und Eugen Blaas verkehrte er schon vor dem Herbst
1875 in Venedig; Eugen Felix, mit dem zusammen er im Juli des Weltausstellungs-
jahres 1873 in Wien die Gastfreundschaft Kratzers genoß, traf er im Herbst des-
selben Jahres in Venedig wieder. Julius Blaas, den Bruder Eugens, läßt er im
Sommer 1879 durch Kratzer in Wien grüßen. Über den Tod Kurzbauers gibt er
am 15. Jänner 1879 Franz Xaver Mayer von München aus die melancholische
Auskunft: „Ich soll Ihnen über das Befinden Kurzbauers berichten. Heute drei
Uhr hat man ihn zur ewigen Ruhe in die Erde gelegt. An einem Krebsübel im
Gesicht seit langem martervoll leidend, war der Tod wohl das kleinste Übel für
ihn." Im selben Brief teilt er mit, daß William Unger, der übrigens schon sechs
Jahre vorher für die damals neu gegründete Wiener „Gesellschaft für vervielfälti-
gende Kunst" ein auf dem Herd hockendes Zigeunermädel Pettenkofens radiert hatte,
neuerdings eines seiner Bilder, und zwar eines von denen, die Mayer gehörten, zu
radieren beabsichtige und er für seinen Teil ihm die Erlaubnis hiezu gegeben habe.
Von ausländischen Künstlern, mit denen Pettenkofen in den siebziger Jahren ver-
kehrte, sind die drei Spanier Fortuny, Villegas und Ramon Tusquez, mit denen er
im Frühling 1873 in Rom beisammen war, und auch Lenbach und Knaus schon
genannt worden. Im selben Jahre 1876, in dem er mit den beiden letzteren in
202
Bücherstilleben. Aquarell.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
Rom zusammentraf, machte er dort auch die Bekanntschaft Alma Tademas, von
dem er das Atelier übernahm. 1873 lernte Pettenkofen in Wien, und zwar in dem
heute nicht mehr existierenden Hotel „Zur Stadt Frankfurt" in der Spiegelgasse,
durch Lenbach Arnold Boecklin kennen. In Venedig soll Pettenkofen die Bekannt-
schaft Whistlers gemacht haben.") Dies könnte nur im Herbste 1880 gewesen sein,
denn Whistler war nur ein einziges Mal in seinem Leben in Venedig, und zwar
in den Jahren 1879 und 1880 vierzehn Monate hindurch und Pettenkofen war 1879
gar nicht dort und 1880 erst vom 18. September an. In Cecil van Haanen, Eugen
Blaas, Franz Ruhen und Martin Rico hätten Whistler und Pettenkofen gemein-
same Bekannte gehabt. Whistler gieng es in Venedig finanziell sehr schlecht. Er
zeichnete dort nachmals berühmt gewordene Pastelle.")
Unter den übrigen Freunden und Bekannten Pettenkofens aus den siebziger
Jahren sind außer den bereits genannten und den alten wie Franz Xaver Mayer
und Kratzer, deren steter Verkehr mit ihm bereits durch seine an sie gerichteten
Briefe gewährleistet ist, etwa noch Direktor August Rath, der Schwager Ludwig
Lobmeyrs, und der Frankfurter Architekt und Sammler Alexander Günther her-
vorzuheben. —
Von den wichtigsten Ereignissen, die während der siebziger Jahre unmittelbar
oder mittelbar Wien betroffen haben, wurden diejenigen bereits aufgezählt, die
Pettenkofen irgendwie in Mitleidenschaft gezogen oder über die sich von ihm
irgendwelche Äußerungen erhalten haben: die Weltausstellung, der Bankerott, die
203
a6»
Nötigung Österreichs, Bosnien und die Herzegowina zu besetzen, der Festzug. Der
neue Ausgleich mit Ungarn im Jahre 1877, der den Dualismus schuf, und zwei
Jahre nachher das Bündnis mit Deutschland, von so grundlegender Bedeutung
dieses wie jener für das Schicksal der Monarchie auch sind, seien hier ebenso
wie die Donauregulierung und Hochquellenwasserleitung, die beide wieder für die
Stadt Wien Ereignisse von der größten Tragweite sind und Pettenkofen, der einer-
seits sehr viel auf gesundes Trinkwasser hielt und anderseits selbst eine Donau-
überschwemmung gemalt hatte, gewiß nicht unberührt gelassen haben werden, mit
Stillschweigen übergangen. Am meisten wird Pettenkofen schon als alten Wiener
und Künstler die rasch fortschreitende architektonische Ausgestaltung der Stadt
interessiert haben. Während der siebziger Jahre wurde in Wien an folgenden wich-
tigeren Monumentalbauten gebaut: an der Akademie der bildenden Künste, den
beiden Hofmuseen, dem Justizpalast, dem Parlamentsgebäude, dem Rathaus, dem
Burgtheater, der Universität, der Votivkirche, der Börse, dem Kunstgewerbemuseum
und der Kunstgewerbeschule. Davon wurden in dem Jahrzehnt vollendet: 1871 das
Kunstgewerbemuseum, 1877 die Börse, die Kunstgewerbeschule und die Akademie
der bildenden Künste, die selbstverständlich der Bau war, den Pettenkofen mit
dem größten Anteil verfolgt haben wird, und 1879 die Votivkirche. Zugleich mit
der Architektur, die damals in Wien durch Hansen, Ferstel, Schmidt und Semper
aufs glänzendste vertreten war, wurden auch der Plastik neue Aufgaben gestellt.
Das 1872 enthüllte Schubert-Denkmal von Kundmann sei darum angeführt, weil
es das erste Monument ist, das in Wien einem Künstler, einem Bürgerlichen ge-
setzt wurde. In den siebziger Jahren kam auch Zumbusch nach Wien, aus dessen
Hand die meisten großen Denkmäler hervorgehen sollten, mit denen Wien in der
nächsten Periode geschmückt wurde. Den begabtesten und eigenartigsten Plastiker
aber besaß das Wien jener Zeit in Viktor Tilgner. Der Stempel jedoch wurde
dem Kunstleben Wiens während der siebziger Jahre durch Hans Makart aufge-
drückt, der wieder mit dem Festzug zu Ehren der Silbernen Hochzeit des Kaiser-
paares im Jahre 1879 seinen höchsten Triumph feierte. Makart verdunkelte alle
anderen Maler, auch den edeln Feuerbach, der damals krank und verbittert Pro-
fessor an der Akademie war. Die vielen malerischen Talente, die es damals außer-
dem noch in Wien gab, gelangten eigentlich alle erst nach Makarts baldigem Tode
zur vollen Entfaltung. Dies gilt vielleicht nicht von dem beträchtlich älteren Canon
und sicher nicht von dem allerdings in Wien so gut wie fremden Pettenkofen und
dem gleich ihm aus dem Vormärz herüberragenden Rudolf Alt, der still und un-
wandelbar seines Weges gieng, vom Schicksal auserkoren, rüstig schaffend auch
noch das nächste Jahrhundert zu erleben.
204
SECHSTES KAPITEL
WIEN 1S80-1889
in eigenes Heim in seiner Vaterstadt, das er sich, wie wir ge-
hört haben, so sehnlichst wünschte, hat Pettenkofen auch wäh-
rend der letzten neun Jahre seines Lebens nicht gefunden.
„Hätte ich auch nur das bescheidenste Heim in Wien, würde
ich trotz manchen andern Bedenkens unverweilt dahingehen,
denn mehr und mehr fühle ich das Bedürfnis des ,Zu-
hauseseins' an dem Orte, den ich nach meinen herzlichen Ge-
fühlen — leider aber im Widerstreit zu meinen Erfahrun-
gen — als meine wahre Heimat erkennen muß", schreibt er am 14. Dezember 1883
von Venedig aus an Franz Xaver Mayer. Drei Jahre später erklingt, wieder im
Wintermonat und wieder aus Venedig, das alte Lied, dessen erste Strophe, die
Klage über den W^inter, uns auch nicht mehr neu anmutet, abermals: „Ich habe
seit Wochen nur der Wärme genossen, welche ich selbst besitze und welche mir
das Bett und der niemals abzulegende Winterrock gibt. Die Öfen sind stinkig,
aber sie wärmen nicht. Der Plagen für mich sind viele, aber meine Furcht vor
Wien mit seinem unbarmherzigen Klima, und weil ich nicht das kleinste, be-
scheidenste ,Heim' besitze, was ich als Winterquartier betrachten könnte, ist noch
größer." So heißt es in einem Brief an Franz Xaver Mayer vom 4. Dezember 1886.
Ja sogar noch am 8. Oktober 1888 in einem Brief wieder an Mayer und aus Bozen
wird dieselbe Weise, diesmal mit leicht scherzhaftem Unterton, nochmals — zum
letzten Mal — aufgenommen. „Hätte ich auch nur das bescheidenste ,Heim' in
Wien, würde ich keinen Augenblick zögern, sogleich dahin zu kommen. — Wie
schwer es sein würde, mir ein solches in der Bälde, wie ich's brauche, verschaffen
zu können, entmutigt mich, den Versuch zu wagen und auf unbestimmte Hoff-
nungen hin noch vor Anbruch des vollen Winters dahin zurückzukommen. —
Wenn Sie, mein hochverehrter Freund, etwas in dieser Sache tun könnten, würden
Sie dies schon längst ohne meine besondere Aufforderung getan haben, darum
will ich auch keinerlei Bitte um Ihre Intervention an Sie richten; vielleicht aber
entschließen Sie sich, mir die Hausmeisterstelle Ihres Hauses in Mistelbach zu
verleihen; freilich wäre das nicht gerade in Wien, da Sie aber öfter dahinkommen,
so hätte ich da wohl öfter die Befriedigung, Sie wiederzusehen, als wenn ich
205
mich irgendwo anders befände, und dies würde meinem Herzen überaus wohl tun."
Aber noch im selben Jahre 1888 hält der Sehnsucht nach dem Heim in der Vater-
stadt ein so starker Widerwille gegen Wien die Wage, daß Pettenkofen, wie wir
bereits wissen, am 20. Juni Fräulein Julie Gsell schreiben kann, er hoffe von Zeit
zu Zeit seine Reise oder auch seine Umsiedlung nach Paris bewerkstelligen zu
können.
Allein trotz alledem ruhte das Schwergewicht von Pettenkofens Leben in dessen
letztem nicht mehr vollständigen Jahrzehnt nirgends anders als in Wien. Ein Heim
fesselte ihn allerdings nicht an seine Vaterstadt; wenn er sich in ihr aufhielt,
mußte er in einem Hotel wohnen (seit dem Verlust der ihm so teuern Währinger
W^ohnung im Jahre 1870 scheint er in Wien immer im Hotel „Elisabeth" in der
Weihburggasse Quartier genommen zu haben). 0 Dafür aber bot ihm das Atelier
an der Akademie, das ihm das Unterrichtsministerium im Jahre 1880, in welchem
er auch den Titel „k. k. Professor" erhielt, ^ auf drei Jahre vermietete,') manche
Bequemlichkeit, vor allem aber die Möglichkeit ungestörter Arbeit. Zwar spottet
er noch 1881 über seine neue Werkstatt, wenn er am 12. Februar von Venedig
aus an Franz Xaver Mayer schreibt: „Mein Atelier in Wien, in so schlechtem
Zustand es auch immer sein mag, macht mir nur den einen Kummer, daß ich
es bezahlen muß", er behält es aber doch bis an sein Lebensende und hat es
gewiß im Laufe der Zeit und bei zunehmender Krankheit immer höher schätzen
gelernt. —
Der Bezug des Ateliers an der Akademie kann als der äußere Markstein für
den Beginn der letzten Periode von Pettenkofens Leben gelten. Eine deutlichere
Cäsur wird jedoch durch die Veränderung des Charakters seiner während der
achtziger Jahre geschaffenen Werke gebildet. Mit seinen Arbeiten sei daher be-
gonnen.
Das ungarische Genre wird noch nicht aufgegeben. Es läßt sich im Gegenteil
nachweisen, daß Pettenkofen noch im Juni 1888 persönlich ein Bildchen „Markt
in einem ungarischen Dorfe" dem Obersten von Lachnit verkauft. 0 Nun war es
durchaus nicht Pettenkofens Art, einem Freunde, den er, wie es hier der Fall war,
besonders hochschätzte, ein altes Bild tale quäle zu überlassen. Er malte entweder
ein Bild nach einer alten Studie oder malte ein vor Zeiten angefangenes Bild zu
Ende, jedenfalls aber arbeitete er daran, bevor er es aus der Hand gab. Er war
aber im Herbst 1881 das letzte Mal in Szolnok. Schon im Frühling dieses Jahres
hatte er Franz Xaver Mayer mit merkwürdiger Voraussicht aus Venedig geschrieben:
„Wenn es meine Gesundheit zuläßt, möchte ich mich gern noch einmal der Plage,
nach Ungarn zu reisen, unterziehen. Ich habe in Wien, wie Sie wissen, noch
mehrere Arbeiten von dort stehen, welche ich nur mit Aushilfe der dortigen Natur
vollenden kann."
Daraus, daß Pettenkofen 1881 das letzte Mal in Szolnok gewesen ist, aber noch
bis frühestens Mitte 1888 Bilder mit ungarischen Vorwürfen gemalt hat, läßt sich
der Schluß ziehen, daß alle die vielen Arbeiten dieser Art, die er während der
achtziger Jahre verkaufte, entweder mehr oder weniger flüchtige Naturstudien von
jenem letzten Szolnoker Aufenthalt her, unfertig belassen oder zu Ende gemalt,
206
waren oder daß diese Bilder
zwar neu gearbeitet waren,
aber auf Grund solcher
oder noch älterer Studien.
Was die Betrachtung des
Verlaufes von Pettenkofens
künstlerischer Tätigkeit so
anziehend gestaltet, ist das
Moment der Entwicklung,
das durchwegs vorhanden
ist. Er ist als Künstler nie-
mals still gestanden, son-
dern hat sich in rastloser
Arbeit immer weiter ge-
bildet. Natürlich hat auch
er dann und wann einmal
einen falschen Weg ein-
geschlagen und selbstver-
ständlich gibt es auch bei
ihm Zeiten der Müdigkeit
und Unlust, die auf die
Produktion abfärben, alles
in allem aber darf von ihm
— wohl das höchste Lob,
das einem Schaffenden ge-
zollt werden kann — gesagt
werden, daß er bis an sein
Lebensende fortschreitet.
So kommt es, daß sich
auch noch unter Petten-
kofens ungarischen Bildern
der achtziger Jahre Leistungen finden, die seinen besten zugezählt werden können.
Die vor der Natur alla prima ebenso rasch wie unfehlbar sicher hingetupften Farben-
eindrücke sagen dem durch die Schule des Impressionismus gegangenen modernen
Betrachter ganz besonders zu. Doch darf nicht außer Acht gelassen werden, daß
namentlich Bildchen, wie sie z. B. Baron Dr. Adolf Kohner in Budapest in dem
„Ungarischen Markt" und den „Szolnoker Mietwagen" besitzt und wie sie in großer
Zahl durch die Nachlaß-Auktion in den Handel gekommen sind, von Pettenkofen,
wenn er sich auch ihres künstlerischen Wertes unzweifelhaft bewußt war, trotzdem
gewiß nicht als fertige Bilder angesehen wurden. Mit seiner Signatur (als die er
bei solchen Gelegenheiten in der späten Zeit bloß die kleinen Initialen „a. p." zu
verwenden pflegte) hat er sie nur zu Verkaufszwecken versehen. Den Typus eines
vollendeten ungarischen Bildes vom Beginn der achtziger Jahre stellen die „Unga-
rischen Marktweiber" dar, die aus dem Besitz des Obersten von Lachnit in den des
Im Archiv. Unvollendetes Ölbild.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
207
Ministerialrates Johann Földi in Budapest übergegangen sind. Das hier farbig wieder-
gegebene aus dem Nachlaß stammende Bild desselben Gegenstandes bei Oskar
Bondy in Wien ist eine nicht zu Ende geführte Variante des vorher genannten
Werkchens. Die skizzenhaften kleinen Bilder dieser Art, deren Vorfahren noch aus
der ersten Hälfte der achtziger Jahre bereits angeführt wurden, unterscheiden sich
von diesen durch eine erhöhte Farbigkeit. Derartige Bildchen sind es, die Petten-
kofen im Laufe der achtziger Jahre öfter, jedesmal in größerer Anzahl, an seinen
Freund Friedrich Ehrmann mit einem vorher ausbedungenen Gewinstanteil bei
weiterer Abgabe verkaufte, so z. B. laut Eintragungen ins Tagebuch am 21. Mai
1880 nicht weniger als 27 Stück, am 6. März 1882 12 Stück. Als Repräsentant
der vielen im Nachlaß vorhandenen Bilder, die, so entzückend sie auch häufig
wirken, dennoch nicht mehr als Anfänge, Untermalungen sind, mag die in Farben
reproduzierte ungarische Marktszene aus dem Besitz des Hauptmannes Franz
Artaria gelten. Ihr ist in der Gegenüberstellung von hellem Giftgrün, warmem
Lichtbraun und rosigem Weiß ein ganz besonderer koloristischer Reiz eigen.
Das ungarische Marktgewühl, als Ganzes oder im Einzelnen genommen auch
das Thema der bisher besprochenen Bildchen, — „kleine Brettchen" nennt sie
Pettenkofen gelegentlich selbst — wurde von ihm aber auch noch während der
achtziger Jahre in größerem Format dargestellt. Als Beispiel dafür möge der
„Szolnoker Markt" im Besitz der Damen Müller dienen. Er ist nicht ganz vollendet
und nimmt im wesentlichen die Auffassungs- und Darstellungsweise des „Szolnoker
Marktes" vom Jahre 1869 bei Franz Xaver Mayer auf. Die Farben sind weniger
bunt als die der kleinen Bilder, satter und dunkler und in ihrer Wirkung mehr
zusammengehalten. Das Ganze wirkt aber lebendiger als das um zwölf, vierzehn
Jahre ältere Bild. Ein eigentümlicher prickelnder Reiz ist vorhanden; Pettenkofen,
der sich nie schämte, Schüler zu sein, hat vielleicht von Fortuny und Favretto
gelernt.
Auf anderen Bahnen zeigt ihn das große Bild, das gleichfalls aus dem Nachlaß
herkommt, jetzt der Österreichischen Staatsgalerie gehört und ein fast ganz nacktes,
halbwüchsiges Zigeunermädchen darstellt, das mit angezogenen Beinen auf einem
Herd sitzt und eine Pfeife raucht. Das Thema selbst ist alt; wie wir wissen, hat
es Pettenkofen noch in den fünfziger Jahren darzustellen begonnen. Das Neue dieser
Fassung liegt vor allem in der ungewöhnlichen Größe des Formates. Es ist, als
ob sich Pettenkofen mit den großen Figurenbildern, die sein Freund Müller um
jene Zeit aus Ägypten mitbrachte, in einen W^ettstreit hätte einlassen wollen. Das
große Format, das sich ihm zeitlebens als ungünstig erwies, ließ ihn auch diesmal
im Stich. Das Bild wirkt trotz des vorzüglichen Aktes nicht sehr angenehm ; es hat
etwas Frostiges und Glattes an sich, das ältere und kleinere Bild mit dem gleichen
Vorwurf, das k. u. k. Truchseß Dobner von Dobenau besitzt, gleich dem in Rede
stehenden nicht ganz vollendet, ist viel lebendiger.
Hatte Pettenkofen schon im Jahre 1881 das letzte Mal aus der für ihn so reich-
haltigen Fundgrube Szolnok geschöpft, so versah ihn bis wenige Monate vor seinem
Tode Venedig, der andere Ort, der für ihn gleichfalls wie kaum ein dritter voll
künstlerischer Anregungen war, mit immer neuen Motiven. Dem so gehaßten
208
TAFEL XLV . - ;
GARTEN IN GRÜNAU. GOUACHEBILD. (1886.) WIEN, EUGEN MILLER V. |
AICHHOLZ.
I
Kücheninneres. Aquarell.
Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum.
Winter und der leidigen Ateliernot zum Trotz muß Pettenkofen in einem Brief vom
14. Dezernber 1883 an Franz Xaver Mayer Venedig und den Venezianern ihr
Recht lassen.
209
87
Er schreibt im Anschluß an die Mitteilung, daß es ihm erst nach drei Wochen
gelungen sei, eine sehr schlechte Werkstatt zu finden: „Doch das Ungesunde,
welches sich durch Feuchtigkeit und Unheizbarkeit an solche Orte hängt, abge-
rechnet, läßt mich alles andere unberührt, denn der venezianische Typus ist hoch
malerisch und mit fieberhafter Ungeduld erwarte ich die Austrocknung des Ofens,
welcher nach hiesiger Art aus Ziegeln gemauert wird und welchen ich machen zu
lassen genötigt war."
Aber vorerst sei noch nicht von Pettenkofens figuralen venezianischen Bildern
die Rede. Es zieht ihn schon auch die Architektur der Lagunenstadt an, aber,
seinem ganzen, bei allem Selbstbewußtsein doch im Grunde bescheidenen und fast
scheuen Wesen entsprechend, nicht etwa, mag er auch noch so malerisch verfallen
und verwittert sein, der Monumentalbau irgend eines großen alten Meisters, son-
dern zum Beispiel ein Hof, umgeben von den hohen Mauern der vielstöckigen
venezianischen Zinshäuser, ein Hof, in dem Wäsche zum Trocknen aufgehängt ist,
in dem ein paar Bäumchen wachsen und eine Menge Blumentöpfe steht, auf die
und deren bunten Pflanzeninhalt von hoch oben herab die Sonne scheint. Ein
anderes Mal malt er von der Terrasse seines Hotels aus den Blick hinunter in ein
enges venezianisches Gäßchen, die Calle dei Fuseri. Wer die Dächer Venedigs
und deren vielgestaltige Schornsteine kennt, weiß auch, was in diesem Fall dem
Künstler den Pinsel in die Hand gedrückt hat. Eine Notiz, die sich aus Petten-
kofens Nachlaß noch erhalten hat, bezieht sich auf den Vorwurf des eben genannten
Bildes. Sie lautet: „Als mich einmal ein . . . G. besuchte (in Venedig, Hotel
V[ictoria]) und ich ihm die malerische Aussicht auf die Dächer der Calle [dei]
Fuseri, welche ich von meinem Fenster aus übersah, zeigte, machte er mich auf-,
merksam, daß Goethe auf derselben Stelle, auf der sich seinerzeit das Albergo
Königin Elisabeth befand, [gewohnt habe.]"
Die „Calle dei Fuseri" gehört Eugen Miller von Aichholz und ist ein vom
Jahre 1885 datiertes Aquarell, das sich besonders durch die Wiedergabe von Licht
und Luft auszeichnet, der „Venezianische Hof" dagegen ist ein Ölbild im Besitz
der Stadt Reichenberg, das gleichfalls der Mitte der achtziger Jahre angehören
dürfte.
Als drittes Beispiel von Pettenkofens venezianischer Architekturmalerei der acht-
ziger Jahre sei das aus dem Nachlaß stammende kleine Ölbild " im Besitz der Öster-
reichischen Staatsgalerie angeführt, das anscheinend ebenfalls von einem Fenster
aus gemalt ist und den Blick auf einen kleinen venezianischen Platz an einem
Kanal darstellt. An sich reizend durch seine flotte Unmittelbarkeit, ist das Bildchen
durch die mit Bleistift in den noch nassen Firnis eingeschriebene Notiz „Siccatif-
Experiment 24/4 81" bemerkenswert. Ein zweites ähnliches Siccativ-Experiment,
vom 24. Jänner 1881 datiert, stellt Schiff'e im Hafen Venedigs dar und ist aus dem
Nachlaß in den Besitz des Kommerzialrates Franz Xaver Mayer übergegangen.
Diese Trockenmittel- Versuche beweisen die Sorgfalt, die Pettenkofen als alter Mann
bei der technischen Herstellung seiner Arbeiten walten ließ. Er hatte eben, wie
schon oben erwähnt, die zerstörende Wirkung schlechter Trockenmittel an eigenen
älteren Bildern kennen zu lernen Gelegenheit gefunden.
210
TAFEL XLVI
KÜCHE IN RIVA. AQUARELL. (1886.) WIEN, EUGEN MILLER V. AICH-
HOLZ.
Klostergarten. Motiv aus Assisi. Ölbild. (1885.)
Wien, Franz Xaver Mayer.
211
27*
Eine der letzten Arbeiten, die Pettenkofen überhaupt ausgeführt hat, ist aber-
mals ein Motiv aus Venedig, das Ölbild „Venezianische Küche", das er am
26. Februar 1888 beendigt und schon am 6. März um 5000 Gulden dem Kunst-
händler Neumann verkauft.
Südliche Küchen haben Pettenkofen öfter zur malerischen Wiedergabe verlockt.
Der vom warmen Braun stufenweise ins Schwarz verräucherte Innenraum, erhellt
von dem durch ein kleines Fenster hereinfallenden Sonnenlicht und belebt durch
eine Figur, die irgend ein farbiges Kleidungsstück an sich hat, das war das Thema,
in das sich Pettenkofen zu vertiefen nicht müde ward. Schon im Jahre 1876 brachte
er aus Assisi Küchenstudien mit, die meisten fertigte er wohl in Riva an, wo er
sich auch im Herbst 1886 wieder längere Zeit aufhielt. Das Aquarell im Besitz
Eugen Millers von Aichholz ist durch die Eintragungen in Pettenkofens Tagebuch
vom 17. und 23. November und vom 9. Dezember 1887 als „Küche in Riva"
sichergestellt. Dieses Motiv hat er mehrmals behandelt, ebenso finden sich zahl-
reiche Zeichenstudien darnach vor. Eine Abwandlung des Themas ist ein anderes
Aquarell, heutzutage im Besitz des Kunsthistorischen Hofmuseums. Jenes ist ein
Querbild, auf dem der offene Herd ganz, die Lichtquelle gar nicht sichtbar ist;
beim Kessel macht sich hier eine Frauensperson zu schaffen, der ein auf dem
merkwürdigen Tisch neben dem Herd sitzendes kleines Mädchen zusieht. Das Bild
im Hofmuseum hat Hochformat, der Herd ist vom linken Bildrand überschnitten,
dafür ist rechts aber auch das lichtspendende Fenster zu sehen; auf dem Herd
sitzt ein kleines Mädchen, eine Schüssel auf dem Schoß. Das Bild bei Herrn
von Miller ist ungleich frischer und erweckt deutlich den Eindruck, daß es an Ort
und Stelle geschaffen ist. Das Aquarell des Museums ist im Vergleich damit
trockener, es stört das allzu viele etwas tote Braun, man möchte fast glauben,
daß dieses Bild nach Studien daheim im Atelier fertiggestellt wurde.
Den Kücheninterieurs aus Assisi, Venedig und Riva ist, wie hier eingeschaltet
werde, auch eines aus Toblach anzufügen, das Pettenkofen 1882 Franz Xaver
Mayer verkauft und das, da er vor 1882 das letztemal 1875 in Toblach war, in
seiner Konzeption noch in dieses Jahr zurückgehen muß.
In Assisi war Pettenkofen nur einmal in seinem Leben, im Sommer 1876.
Aber Motive aus diesem Ort hat er zu wiederholten Malen noch in den achtziger
Jahren verwertet. So verkauft er am 3. März 1880 Friedrich Ehrmann drei
Studien aus Assisi: „Kind am Fenster", „Zimmer mit Gabletten-Bett" und „Weib,
Hände waschend". Am 3. Juni desselben Jahres tritt er Franz Xaver Mayer das
kleine Ölbild „Garten aus Assisi" ab, das durch ein Mädchen zwischen Blumen-
geschirr und bei Vogelkäfigen staffiert ist. Auffallender ist aber noch das ziem-
lich große und ausführliche Ölbild bei Franz Xaver Mayer, das Pettenkofen diesem
erst zu Beginn des Jahres 1886 übergibt und an dem er einem Briefe zufolge
noch am heiligen Abend des Jahres vorher arbeitet. Es sei hier nur daran er-
innert, daß das Bild, von dem weiter oben schon die Rede war, einen Garten,
in dem ein Mönch beschäftigt ist, darstellt und als eine wohlgelungene Leistung
betrachtet werden darf.
Neben Ungarn und Italien, zu welchem eben vorher anläßlich der Besprechung
212
TAFEL XLVII
DER HUFSCHMIED. GOUACHEBILD. (1886.) WIEN, EUGEN MILLER V.
AICHHOLZ.
T>: la'iiAT
V HHJJiM Maoua yism
T'CT'TJT.
TAFEL XLVIII
STRASZENKAMPF IN EINEM VENEZIANISCHEN GÄSSCHEN. UNVOLL-
ENDETES ÖLBILD.(1887.)WIEN, K.K. ÖSTERREICHISCHE STAATSGALERIE.
r^TI:
I
¥
I
I
Venezianischer Hof. Ölbild.
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt.
213
der Kücheninterieurs im Widerstreit mit der Landkarte Riva gerechnet wurde, ist
das erträgnisreichste Gebiet für Pettenkofens künstlerische Tätigkeit während der
achtziger Jahre Tirol, wo er sich in den Sommern und Herbsten der Jahre 1882,
1884, 1886, 1887 und 1888 längere Zeit aufhält. Bozen, Riva, Toblach und Ster-
zing sind die Orte, wo er am meisten für Stift und Pinsel findet.
Eine Spezialität, die Pettenkofen im letzten Jahrzehnt seines Lebens fast aus-
schließlich auf Grund tirolischer Motive ausgebildet hat und die er in Öl- und
Aquarellfarben, mit der Kreide und dem Bleistift pflegt, sind die verschiedenen
Handwerker, die er in ihren Werkstätten, umgeben von ihrem Gerät und den Er-
zeugnissen ihres Fleißes, darstellt. So hat er den Schmied — diesen besonders
gern und zwar als Huf-, als Sensen- und als Nagelschmied — , den Schuster, den
Töpfer, den Tischler und den Schleifer geschildert. Darf man den Handwerkern
auch die geistigen Arbeiter zuzählen, so sind hier noch der Apotheker, der Amts-
schreiber und der Archivar zu nennen.
Zwei dieser Bilder verdienen eine besondere Hervorhebung: der „Hufschmied"
und der „Schuster". Das erstere ist ein Aquarell im Besitz Eugen Millers von Aich-
holz. Dieser erzählt, von Pettenkofen über die Entstehung des Bildes folgendes
gehört zu haben: Auf dem Stilfser Joch, auf dem Wege nach Trafoi und Mals^)
mußten die Pferde von Pettenkofens Wagen beschlagen werden. Dies veranlaßte
ihn, die Schmiede zu betreten. Künstlerisch zog ihn darin besonders der mannig-
faltige Widerschein des draußen frisch gefallenen Schnees an. Er machte sich eine
flüchtige Studie, die er durch Notizen vervollständigte, und malte darnach später
das Aquarell. Auf dieses bezieht sich unzweifelhaft auch die aus des Künstlers
Nachlaß erhaltene Aufzeichnung : „Schmiede, Aquarell. Eilig in der Ausführung,
flüchtige Technik, vollendet in der Ton- und Farben Wirkung. " Den zweiten Teil
dieses Urteiles wird sich auch heute noch der Betrachter des Bildes gerne
zu eigen machen. Da der Zettel, auf dem jene Notiz steht, mit der Jahreszahl 1886
versehen ist, so darf das Aquarell, das Pettenkofen am 4. Februar 1888 um
300 Gulden Herrn von Miller verkauft hat, als im Jahre 1886 entstanden ange-
sehen werden.
Anders verhält es sich mit dem zweiten Bilde, dem „Schuster". Das Motiv ist,
schon nach der Wandvertäfelung zu urteilen, dem „alten Hause" in Toblach ent-
nommen. Da Pettenkofen das „kleine Bildchen" bereits am 21. Mai 1885 an den
Obersten von Lachnit, aus dessen Besitz es in den des Ministerialrates Johann
Földi in Budapest übergegangen ist, verkauft und er in den achtziger Jahren erst
im August 1887 nach Toblach kommt, so muß es noch nach Studien von seinem
ersten Toblacher Aufenthalt im Jahre 1875 gemalt sein. Bezeugt ist, daß er wäh-
rend der achtziger Jahre in seinem Atelier an der Wiener Akademie daran arbeitete.
Dieses soll damals stets voller Schuhe gewesen sein, nach denen sich eine vor-
treffliche Bleistiftstudie aus dem Nachlaß im Besitz des Grafen Lanckoronski von
Brzezie in Wien befindet. Aber das Bild selbst hat trotz des Rufes, dessen es sich
in Liebhaberkreisen erfreut und trotz oder vielleicht wegen seiner gediegenen Aus-
führung etwas, das nicht anders denn als Mangel an Frische, an Unmittelbarkeit
zu bezeichnen ist und das leider mehr als einer Arbeit aus Pettenkofens letzter
214
TAFEL IL
DES KÜNSTLERS ATELIER. GOUACHEBILD. WIEN, MARIE UND BERTA
MÜLLER.
Szolnoker Mietwagen. Ölskizze.
Budapest, Baron Dr. Adolf Kohner.
Zeit anhaftet. Das Gegenteil von dem, was der Künstler selbst in seiner allzu
harten Selbstkritik an dem vorher besprochenen Aquarell „Tiroler Hufschmied" als
„eilig in der Ausführung und flüchtige Technik" rügt, ist der Fehler dieses kleinen
Ölbildes, bei dessen Betrachtung einem unwillkürlich die Worte einfallen, die Petten-
kofen auf einem vom Jahre 1885 datierten Zettel niedergeschrieben hat: „Seit
15 Jahren bin ich krank und erhalte mich nur künstlich, aber Treibhauspflanzen
tragen keine genießbaren Früchte."
Nicht alle Stücke dieser Bildergruppe sind über ein vorbereitendes Stadium
hinausgediehen. Der „Archivar", ein Ölbild der Liebiegschen Sammlung in Reichen-
berg, ist z. B. vom Künstler in unfertigem Zustand stehen gelassen worden. Das
Motiv stammt ebenfalls aus Tirol, und einer dortigen Klosterbibliothek werden
wohl auch die alten Folianten angehören, nach denen Pettenkofen das ausgezeich-
nete Bücherstilleben bei Eugen Miller von Aichholz aquarelliert hat.
Naturalistische Arbeiten Pettenkofens, deren Motive weder auf Ungarn, noch auf
Italien, noch auf Tirol zurückgehen, gehören während der achtziger Jahre zu den
größten Seltenheiten. Dennoch gibt es solche, und ein paar davon seien beispiels-
halber angeführt.
Eine, ein Aquarell im Besitz Eugen Millers von Aichholz stellt eine Partie des
Gartens von dessen Besitzung in Grünau bei Gmunden dar. Zu diesem Bilde
wurde der Künstler wohl durch die im durchsonnten Grün zum Trocknen aufge-
hängte weiße Wäsche und durch das mannigfaltige Spiel von Licht und Schatten
im Gezweig der Bäume, auf den Leintüchern, auf dem Rasen mit Wäschekorb
und Sessel und in der stark verkürzten Kegelstatt verleitet. Dem Itinerar zufolge
muß das Aquarell im August 1886 gemalt sein.
Derselben oder einer noch späteren Zeit gehört ein anderes Aquarell an, das
sogar ein Wiener Motiv behandelt: des Künstlers Atelier an der Akademie. Man
wird schwerlich fehlgehen, wenn man als Ursache dieser außerordentlichen Arbeit
nicht bloß die Freude an den schönen, starken Farbenkontrasten von Gelb und
215
Rot und Weiß und Schwarz im Vordergrund, für die der dunkle Hintergrund mit
seiner gedämpften Buntheit wieder die wirksamste Folie abgibt, sondern auch die
Freude am allmählich zusammengetragenen Besitz, am Surrogat für das so sehr
ersehnte „eigene Heim" annimmt. Natürlich ist dieses Bild, das den Damen Müller
gehört, auch durch seinen Vorwurf, durch die Gegenstände interessant, die es uns
kennen lehrt. Diese Dinge, die den Künstler während der letzten Zeit bei seiner
Arbeit in Wien umgeben haben, werden übrigens alle noch pietätvoll von den
Schwestern Leopold Müllers, Pettenkofens Erbinnen, aufbewahrt.
Unter den auf dem Aquarell angedeuteten Bildern an der Wand sei das rechts
von der Tür hervorgehoben. Es ist eine flotte große Ölstudie, die aus dem Nach-
laß in den Besitz Eugen Millers von Aichholz übergegangen ist, und stellt Len-
bachs Garten in München dar. Das Bild mit seinen schlanken, herbstlich verfärbten
Laubbäumen verdient hier wegen seines Motivs, das gleichfalls weder Tirol noch
Italien noch Ungarn angehört, Erwähnung. Pettenkofen hat es vermutlich im
Herbst 1883 in München gemalt. —
Aber alle die bisher behandelten Bilder, so sehr sich auch, wie noch gezeigt
werden soll, die angeführten Aquarelle zum Beispiel von allen früheren unter-
scheiden, sind nicht diejenigen Arbeiten Pettenkofens, welche als charakteristisch
für seine letzte Periode angesehen werden müssen.
Diese Arbeiten nun sind durch innere und durch äußere Merkmale, häufig durch
diese wie jene zugleich, gekennzeichnet. Es treten nämlich einerseits neue Vor-
würfe, anderseits neue Verfahren auf, und oft ist ein neues Thema mit Hilfe einer
neuen Technik dargestellt. Die Neuerungen im Gegenständlichen lassen sich durch
drei Worte erläutern : Pettenkofen malt Kostümbilder und malt Genrebilder, und
zwar solche, die anekdotisch zugespitzt sind, die eine Pointe haben, die ein bißchen
ins Literarische hinüberspielen, in das, was die Kritik der nächsten Generation
den Bildern eines Knaus und Vautier und Defregger so sehr verübelt hat ; Petten-
kofen betätigt sich schließlich als Illustrator. Die neuen technischen Verfahren aber,
die er anwendet, sind vor allem die Gouache- und die Pastellmalerei; ferner spielt
jetzt die Zeichnung bei ihm eine vorherrschende Rolle, und zwar im größeren
Format besonders die Kreide-, weniger die Kohlenzeichnung, im kleineren Format
die Pinsel- und Federzeichnung mit Tusche und Sepia und Deckweiß.
Natürlich lassen sich die Ansätze sowohl zu den technischen, als auch zu den
gegenständlichen Neuerungen schon in etwas frühere Zeit zurückverfolgen. Es sei
z. B. an das Gouachebild des „Florentiner Knaben" und an das Kostümbild „Vor
der Schmiede", beide aus der Mitte der siebziger Jahre, erinnert. Noch viel merk-
würdiger aber ist die Wiederaufnahme von künstlerischen Gepflogenheiten der
Jugendzeit: Pettenkofen pflegt das Genrebild und die Illustration wieder.
Die erste bedeutende und genau datierbare Arbeit der neuen Art ist das große
Bild „Während des Duells", auch genannt „Die Pferde der Duellanten" oder „Das
Duell in der Au". Diese drei verschiedenen Titel ersetzen schon beinahe eine Be-
schreibung : In einem herbstlichen Laubgehölz erwarten Stallknechte mit den Pferden
ihrer Herren den Ausgang eines Zweikampfes. Das Kostüm ist etwa das der Prinz-
Eugen-Zeit, also das der Wende des XVII. Jahrhunderts auf das XVIII. Die Bäume
216
sind jene schlanken Laubbäume, hoch-
aufgeschossene junge Buchen, wie sie
Pettenkofen besonders geliebt hat. Schon
auf der aus dem Jahre 1857 stammenden
„Zigeunerhütte im Walde" bei Lobmeyr
kommen sie vor.
Pettenkofen spricht in einem Brief, den
er an Franz Xaver Mayer am 3. Juni
1883 von Venedig aus schreibt, selbst
von diesem Bilde und seiner Technik:
„Pastellmalerei ist eben in Paris wieder
Mode geworden; und so habe ich voriges
Jahr, angeregt durch manches, das ich
dort sah, einen Versuch gemacht, ,das
Duell', dessen Sie erwähnen, gleichzeitig
mit meinem Bild in Pastell zu malen.
Aber die mir unbekannte und ungeübte
Technik machte mir solche Schwierig-
keiten, daß ich diese Arbeit, obgleich
schon ziemlich fortgeschritten, stehen ge-
lassen hätte, hätte mich Herr Sedelmeyer
(als Käufer) durch sein ganz unverdientes
Lob nicht zur Vollendung getrieben. Aber
es ist eine schwache Arbeit geblieben, und es ist mir recht unlieb, daß dieser
Versuch in einer Ausstellung hängen soll."
Die Unzufriedenheit des Künstlers mit seiner Arbeit wird von Herrn Sedelmeyer
bestätigt. Er erzählt, daß er Pettenkofen, der damals bei ihm wohnte, abends das
beim Fenster hinausbürsten sah, was er tagsüber gearbeitet hatte. Die Ausstellung,
auf Grund deren Mayer in dem Brief, den Pettenkofen beantwortet, von dem Bilde
gesprochen haben muß, kann nur diejenige sein, die Sedelmeyer erst im nächsten
Jahre 1884 unter dem Titel „Kollektion von Gemälden österreichischer und ungari-
scher in Paris lebender Künstler, ausgestellt im Künstlerhaus" in Wien veranstaltet
hat und von der Mayer im vorhinein gehört haben muß. Die Ausstellung umfaßte
unter anderem Arbeiten von Brozik, Eduard Charlemont, Jettel, Hynais, Munkäcsy,
Payer, Ribarz und Thoren. Von Pettenkofen enthält sie den „Verwundetentransport"
vom Jahre 1853 und das „Duell", das im Katalog ausdrücklich als im Jahre 1883
und in Paris gemalt bezeichnet ist.
Pettenkofen hat das Bild am 25. Juli 1883 Sedelmeyer verkauft, der es 1887 in
Amerika veräußerte und 1909 wieder zurückerwarb.
Der Widerspruch in den von Pettenkofen und von Sedelmeyer angegebenen
Daten erklärt sich einfach dadurch, daß jener das Bild immer wieder vorgenommen
hat. Es gibt auch heute noch verschiedene Fassungen davon, die zwar sämtlich
weniger ausgeführt sind als das Exemplar im Besitze Sedelmeyers, darum aber
noch nicht alle vorbereitende Studien dazu sein müssen. So weiß Rudolf Konopa
Ungarischer Markt. Ölskizze.
Budapest, Baron Dr. Adolf Kohner.
217
von Rudolf Huber, daß sich Pettenkofen noch in Wien mit dem „Duell in der Au"
beschäftigt hat. Das wäre aber vor dem Winter 1884 nicht möglich, da Petten-
kofen nach dem Herbst 1882, in dem er seinem eigenen Zeugnis zufolge das
erste Mal an dem Bilde arbeitete, nicht früher nach Wien kam als eben im Winter
1884. Pettenkofen bat seinen Freund Huber, der als ehemaliger Kavallerist und
als Tiermaler dazu besonders geeignet war, ihm bei einer Expedition, die er mit
Pferden und Modellen in die Auen der Donau vorhatte, behilflich zu sein. Wirk-
lich kam das ebenso umständliche wie kostspielige Unternehmen zustande, an Ort
und Stelle war Pettenkofen aber von der Wirkung des Ganzen so enttäuscht, daß
er keinen Strich zeichnete und sohin alles umsonst war. — Solche verschiedene
Fassungen des Bildes finden sich bei Markgraf Alfons Pallavicini, bei k. u. k. Truch-
seß Fritz Dobner von Dobenau, bei Eugen Miller von Aichholz und bei den Brüdern
Gottfried und Hermann Eißler in W^ien und bei Baron Johann Harkäny in Buda-
pest. Eugen von Miller und Baron Harkäny besitzen große Ölstudien, die Brüder
Eißler eine große leicht getonte Kohlenstudie; das Exemplar bei Truchseß von
Dobner ist eine kleine Ölskizze, das bei Markgraf Pallavicini, im Gegensatz zu
allen übrigen Fassungen ein Hochstück, ist gleichfalls groß und ist flüchtig in
Pastell ausgeführt.
Abgesehen von den verschiedenen technischen Verfahren, liegen die Unter-
schiede vor allem in der Haltung der zusehenden Diener und der bald mehr von
der Seite, bald mehr von hinten gesehenen Pferde. Die Kohlenstudie bei den
Brüdern Eißler wirkt vielleicht am unmittelbarsten. Natürlich gibt es auch eine
Menge von Detailstudien für die Pferde und die Landschaft. Ferner hängen die
beiden Reitbücher von Newcastle und von Parrocel, die sich Pettenkofen im No-
vember 1882 und im Jänner 1883 in Paris kauft, unstreitig mit seinen Bemühungen
um das eben erörterte Werk zusammen.
Im Anschluß an dieses Duellbild wird am besten ein anderes zu besprechen
sein, das aber über eine große Kohlenstudie nicht hinausgediehen zu sein scheint.
Diese gehört Ministerialrat Johann Földi in Budapest und stellt Kavaliere dar, die
ihre Gegner zum Duell erwarten. Das Kostüm ist diesmal das des XVII. Jahr-
hunderts. Die Idee zu einem solchen Bilde hat Pettenkofen lange beschäftigt. Wir
erinnern uns der wahrscheinlich noch aus der ersten Hälfte der fünfziger Jahre
stammenden Ölstudie eines wartenden Kavaliers, der sich die Handschuhe an-
zieht. Auch noch Ende der sechziger Jahre hat sich Pettenkofen mit diesem Thema
befaßt, denn in einer vom 26. Dezember 1868 datierten Liste, die „Bilder und
Studien im Versteck" überschrieben ist, findet es sich folgendermaßen vermerkt:
„Kavaliere, ihre Gegner zum Duell erwartend — aus den betreffenden Kostümen
ein Paket zum Absenden machen." Schließlich ist es in einer in die achtziger
Jahre anzusetzenden Notiz, die „Skizzen und angefangene Bilder" betitelt ist, etwas
näher beschrieben: „5 Figuren groß — 3 Figuren klein. Herbst. Früher Morgen.
Nebel. Waldweg." Die flotte Studie bei Herrn Ministerialrat Földi dürfte den
achtziger Jahren zuzuweisen sein. —
Das in Paris entstandene „Duell in der Au", wenigstens in seiner am meisten
ausgeführten Fassung, gehört als Pastellmalerei und als Kostümbild zu den be-
218
sprochenen Neuerungen der achtziger
Jahre. Gleichfalls dazu gehört der „Apo-
theker" oder „Provisor", wie das Aquarell
heißt, das Eigentum Eugen Millers von
Aichholz ist. Nach dem Modell, das er
schließlich für das Bild benützte, zeichnete
und malte Pettenkofen, wie vom Jahre
1883 datierte Studien beweisen, schon im
Winter dieses Jahres in Venedig. Vor
allem auf dieses Modell scheint sich die
oben mitgeteilte gleichzeitige Äußerung
vom „hochmalerischen venezianischen
Typus" zu beziehen. Aber Pettenkofen
braucht damals nicht schon auch die Idee
zum Bilde gehabt zu haben. Erst am
2. Mai 1884 notiert er sich in sein Tage-
buch: „Malerei in der Apotheke S.Stefano"
und erst am 13. Juli des nächsten Jahres
verkauft er das Bild an Eugen von Miller.
Auch zu diesem Bilde gibt es zahl-
reiche Studien und verworfene Fassungen
in Bleistift, Kreide, Kohle, Sepia und
Aquarell; der Apotheker ist in ganzer
Figur oder als Brustbild aufgenommen,
und auch das Laboratorium ist für sich
allein dargestellt. Die alte Einrichtung
der Apotheke, an der besonders die ori-
ginellen kupfernen Retorten auffallen,
scheint aus der Goldoni-Zeit zu stammen und wohl das Kostüm, mit dem Petten-
kofen sein Modell bekleidete, bestimmt zu haben.
Das „Duell in der Au", wenigstens in dem Exemplar bei Sedelmeyer, ist bereits
eines jener Genrebilder, die für den modernen Geschmack, der sich freilich seiner
Wandelbarkeit und Hinfälligkeit stets bewußt bleiben sollte, schon beinahe ein
wenig zu viel erzählen. Die Fassungen, auf denen das eigentliche Duell hinten
nicht mehr sichtbar ist und die zusehenden Reitknechte weniger erregten Anteil
nehmen, sagen dem heutigen Betrachter noch am meisten zu.
Von dieser letzteren, nur ganz schwach ans Theater gemahnenden diskreten
Art ist das Aquarell „Der Apotheker". W^as darauf die Figur tut — der Mann
gießt aus einer Phiole ein paar Tropfen in einen Tiegel — ist so ungezwungen
und unaufdringlich, daß dem Bilde gegenüber der Vorwurf der Pose nicht nur un-
ausgesprochen, sondern auch ungedacht bleiben muß. Das Ganze ist eigentlich
nichts anderes als ein Zustandsbild, freilich mit der Tracht und dem Innenraum
einer vergangenen Zeit. Sich an diesem letzteren Umstand allein aber zu stoßen,
wäre gewiß durchaus verfehlt, da es sich der Künstler nie wird nehmen lassen,
Ungarische Marktweiber. Ölbild. 1888.
Budapest, Ministerialrat Johann Földi.
219
28*
auch einmal ein Stück Vergangenheit darzustellen. Er muß es nur völlig im Geist
seiner Kunst anpacken und nach Zolas berühmtem Wort durch sein Temperament
sehen. Pettenkofen bleibt auf Bildern wie dem „Apotheker" durchaus malerisch
und höchst persönlich, und die große Mühe, die in der ganzen Arbeit unzweifel-
haft steckt, ist durchaus nicht zu merken, so frisch und flott ist alles gemalt. Das
aber sind die drei Klippen, an denen zum Beispiel ein so bedeutender Künstler wie
Meissonier gescheitert ist. Er malte Dinge, die besser zu erzählen gewesen wären,
war von einer solchen Sachlichkeit, daß man über sie seiner Persönlichkeit vergaß,
und seine überpeinliche Ausführung ließ die aufgewendete Mühe unverhüllt. —
Ist nach alledem der „Apotheker" kein Genrebild im heute verpönten Sinne und
gehört er daher, was seinen Gegenstand anbelangt, nur als Kostümbild zu den
oben charakterisierten Neuerungen, so unterscheidet sich dafür seine Technik, wenn
auch noch nicht dem Prinzip, so doch dem Grade nach, von der von Petten-
kofens früheren Aquarellen. Sie ist noch breiter, noch kühner geworden und ist
noch viel mehr für die Fernsicht berechnet als etwa die der neapolitanischen
Aquarelle aus dem Jahre 1873.
Dagegen zeigt die Technik der schon besprochenen Aquarelle „Hufschmiede",
„Garten in Grünau" und „Des Künstlers Atelier" einen prinzipiellen Unterschied
gegenüber der Technik aller früheren Aquarelle Pettenkofens. Auf diesen dreien
kommt nämlich, sowohl rein, als auch mit anderen Farben gemischt, Deckweiß
vor, während auf den früheren das Weiß immer ausgespart, dann und wann ein-
mal, z.B. am Beginn der fünfziger Jahre, auch ausgekratzt ist. Da die „Schmiede"
und der „Garten" in das Jahr 1886 datiert werden können, so wird dieses Jahr
ungefähr die Zeit bezeichnen, in der sich Pettenkofen mit jener technischen Neue-
rung praktisch befaßte. Daß er schon früher Gouachefarben verwendet hat, wissen
wir: mit ihnen ist die Studie eines Florentiner Knaben vom Jahre 1875 und das
„Mädchen mit den zwei Hunden" vom Jahre 1877 gemalt.
W^ährend der achtziger Jahre wandte Pettenkofen überhaupt der Aquarelltechnik,
die er eigentlich seit dem Jahre 1873 vernachlässigt hatte, eine erhöhte Aufmerk-
samkeit zu. Am 12. Februar 1883 trägt er zu Paris in sein Tagebuch ein, daß er
bei Sedelmeyer Aquarelle von Mauve gesehen habe. Diesen Belgier hat er, wie
Herr Sedelmeyer mitteilt, sehr bewundert, — besonders um der „valeurs" willen.
Es ist nicht ausgeschlossen, daß ihn dessen flächige Technik angeregt hat, selber
breiter und kühner zu werden. — Von theoretischer Beschäftigung mit der Aquarell-
technik zeugt eine Notiz, die ungefähr aus dem Jahre 1888 stammen dürfte. Sie
lautet : „Es bleibt der noch so jungen Maltechnik — dem Aquarellmaler — manches
zu lernen, zu vervollkommnen übrig, und das hat mich in der letzten Zeit ange-
regt, mich derselben mehr anzuschließen, in derselben der Natur ähnlicher [zu]
werden, als dies bis jetzt das Bestreben war, — vielleicht weil man die Mittel nur
da für ausreichend hielt, wo es sich nur um den momentanen Ausdruck einer
Naturerscheinung handelte. In Vergleichung mit der Natur gibt es da noch vieles
zu lernen. — "
Wie der „Apotheker" zu Venedig und auf Grund venezianischer Eindrücke ist
das „Rencontre" oder der „Zweikampf in einem venezianischen Gäßlein" konzi-
220
f
TAFEL L
UNGARISCHE MARKTWEIBER. UNVOLLENDETES ÖLBILD. WIEN, OSKAR
BONDY.
TAFEL LI
UNGARISCHER MARKT. UNVOLLEITOETES ÖLBILD. WIEN, HAUPTMANN
FRANZ ARTARIA.
Winkel mit allerlei Gerät. (Motiv aus Riva.) 1886.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
piert worden. Die Notiz, die Pettenkofen am 30. April 1884 zu Venedig in sein
Tagebuch schreibt und die knapp genug „Alte Gasse in Venedig" lautet, bezieht
sich anscheinend darauf, daß ihm damals die Idee zu dem Bilde gekommen ist.
221
Gearbeitet hat er viel später daran, erst im Juni 1887, wo sich im Tagebuch ein
paar Mal die Eintragung findet: „6 Uhr früh. Kleine Gasse." Auch eine Stelle im
Venezianer Brief vom 17. März an Franz Xaver Mayer hat unzweifelhaft die
Malerei am „Rencontre" im Sinne. Sie lautet: „Wohl habe ich Freund Müller
gesagt, daß ich Ende Februar in Wien sein werde, denn ich hatte mich damals,
so wie es meine schwanke Gesundheit forderte, in zeitbeanspruchende Arbeiten
noch nicht eingelassen und an das mehr vom Momente abhängende Zeichnen ge-
halten, welches für mich einen doppelten Wert hat. Weil aber um diese Zeit das
Wetter so lieblich und mild wurde und der günstige Einfluß auf meine Gesund-
heit mich ermutigte, glaubte ich wieder, den Moment benützen zu müssen und
zur Palette zu greifen. Aber wenn auch in allem andern der Anfang schwer ist,
so ist er doch in der Malerei — im ,Bilderanfangen' sehr leicht und nur das Be-
enden wird oft durch die Umstände sehr erschwert." In diesem Falle war das
Zuendeführen so schwer, daß es in weniger als einem Jahre von des Künstlers
Tod überholt wurde. Das Bild kam nicht mehr fertig aus Pettenkofens Hand und
wurde erst auf der Auktion seines Nachlasses verkauft. In jener Calle arbeitend,
soll sich Pettenkofen die Erkältung zugezogen haben, der er später erlegen ist.
Cecil van Haanen erzählt über die Entstehung des Bildes folgendes: Als er im
Winter 1883 auf -84 bei zwei Schwestern namens Raffaelli mit Pettenkofen zu-
sammen ein Atelier hatte,") malte er, van Haanen, ein Bild, das den Blick in ein
enges venezianisches Gäßchen darstellt, aus dem heraus ein altes Weib auf eine
jüngere Frauensperson schimpft, während vorne eine dritte, einen Kleiderklopfer
in der Hand, so als ob sie bereit wäre, damit der Gescholtenen zu Hilfe zu eilen,
halben Leibes aus einer Tür nach den hinten Streitenden späht. Die Photographie
des Bildes, die dem Autor 1905 von Herrn van Haanen gezeigt worden ist, weist
eine so unverkennbare und so unleugbare Übereinstimmung mit dem in Rede
stehenden Gemälde Pettenkofens auf, daß Herrn van Haanens Mitteilung, Petten-
kofen sei durch jene streitenden Weiber zu seinem „Straßenkampf" angeregt worden
und habe zu dessen Schauplatz dieselbe Calle benützt, unbedingt Glauben zu
schenken ist. Wenn es erlaubt ist. Kleines mit Großem zu vergleichen, so hat
Pettenkofen den von Cecil van Haanen heiter gesehenen Vorgang ins Ernste über-
tragen, ähnlich wie z. B. Richard Wagner durch das „übermütige" Stück, zu dem
sein Freund Karl Ritter die Tristansage verarbeiten wollte, zu feiner Tragödie an-
geregt worden ist. ') Abgesehen von allen anderen Unterschieden hat Pettenkofen
den Kampf selbst, einer Gepflogenheit entsprechend, die wir schon seit der ersten
Hälfte der siebziger Jahre an ihm beobachten und die ihn einen großen leeren
Vordergrund bevorzugen läßt, weit nach hinten verlegt und das Kostüm des
XVIII. Jahrhunderts gewählt. Lehrreich für Pettenkofens Arbeitsweise jener späten
Zeit ist eine große Photographie bei Franz Xaver Mayer, die den Straßenkampf
in jener Calle, aufgeführt von kostümierten Modellen oder Theater Statisten, zeigt.
Auch zu diesem Bilde, das Pettenkofen, wie gesagt, nicht mehr beenden sollte, gibt
es eine ganze Menge von Studien aller Art. Es ist die letzte Fassung des Duell-
themas, das Pettenkofen, rechnet man die humoristische Lithographie „Die Be-
denklichkeit" mit, 44 Jahre hindurch, läßt man sie weg und beginnt man die Reihe
222
--^
>t-
Der Jöchelsturm in Sterzing. Leicht lavierte Kreidezeichnung.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
223
seiner Darstellungen eines Zweikampfes mit dem Ölbild „Der Sieger" vom Jahre
1853 in Amsterdam, länger als ein Menschenleben künstlerisch beschäftigt hat.
Ist schon dieses Bild Pettenkofens nicht mehr ganz zu Ende geführt gewesen,
so wird vollends der Schluß dieser Pettenkofens Gemälden gewidmeten Betrach-
tungen in der Aufzählung einer Reihe von bloßen Entwürfen bestehen müssen.
Darf es einerseits als ausgemacht gelten, daß einige dieser Kompositionsskizzen
sowohl der ihnen zugrunde liegenden Idee, als auch der Ausführung nach, die sie
schließlich gefunden haben, in frühere Zeit zurückreichen, so muß anderseits wieder
betont werden, daß sie alle für den Künstler, der so streng gegen sich und so
rasch bereit war, eine Arbeit, die ihn nicht mehr befriedigte, zu zerstören, noch
am Ende seines Lebens eine gewisse Bedeutung gehabt haben müssen, sonst
hätte er, der seinen Nachlaß aufs sorgfältigste gesichtet und für den Verkauf vor-
bereitet hat, sie zweifellos vernichtet; schließlich läßt sich für einige dieser Ent-
würfe mit Bestimmtheit feststellen, daß Pettenkofen während der achtziger Jahre
an ihnen gearbeitet hat.
Es seien zuerst die Kostümbilder angeführt. Unter diesen ist das „Rokoko-Rendez-
vous" besonders interessant, nicht nur weil es das letzte Stelldichein ist, das Petten-
kofen gemalt hat, sondern vor allem darum, weil es fast ganz nach demselben
Schema komponiert ist wie das „Rencontre in einem venezianischen Gäßchen".
Auch auf dem „Rendezvous" läuft gerade ins Bild hinein der Weg, den rechts eine
hohe Gartenmauer und links dicht gepflanztes und streng beschnittenes Busch-
werk begrenzt. Befinden sich dort die Kämpfenden im Hintergrund, so ist hier
die Dame, die sich auf den verschiedenen Fassungen einmal entfernt, das andere
Mal nähert, tief nach hinten gestellt. Der Figur des Mannes, der, den Degen in
der Hand, aus einer Tür links nach hinten späht, entspricht der Liebhaber, der,
die Hand an der Klinke des geöffneten Gartenpförtchens, vorgebeugt, der Ge-
liebten hinten nach- oder entgegensieht. Das große Stück Boden zwischen dem
unteren Bildrand und einerseits der Kämpfergruppe, anderseits der Dame hinten
ist durch ein Schoßhündchen hier, durch weggeworfene Mäntel dort belebt. Das
Kolorit des „Rendezvous" scheint, dem freudigen Vorgang entsprechend, heller
und bunter als das des „Rencontre" geplant gewesen zu sein. Auf der dem Autor
allein im Original bekannten Ölstudie aus dem Nachlaß (heute im Besitz des
Grafen Karl Lanckoronski von Brzezie in Wien) trägt z. B. der Kavalier einen
zinnoberroten Frack.
Von all den hier zu besprechenden Entwürfen scheint dieser noch am meisten
bildmäßige Gestalt angenommen zu haben. Wenigstens gibt es eine in Pastell aus-
geführte Fassung, die mit dem Monogramm des Künstlers versehen und vom Jahre
1883 datiert ist. Auch dieses Thema ist von Pettenkofen in zahlreichen mehr oder
weniger skizzenhaften Arbeiten abgewandelt worden. Unter den erhaltenen Detail-
studien dazu sind die mit schwarzer Kreide und Rötel flott hingeworfenen Figuren-
zeichnungen hervorzuheben. Am 30. Dezember 1882 schreibt Pettenkofen zu Paris
in sein Tagebuch : „Die Zeichnungen des Liotard im Lou vre, 1738, mit Rotstift und
schwarz." Es ist zweifellos, daß ihn diese Technik des alten Meisters dazu angeregt
hat, jenes Thema aus dessen Zeit auch mit dessen Zeichenmaterial zu skizzieren.
224
TAFEL LH
GASSE IN RIVA. KREIDEZEICHNUNG. 1886. WIEN, EUGEN MILLER V.
AICHHOLZ.
Werkstattinneres. Sepiastudie.
Wien, Ludwig Lobmeyr,
Schließlich sei anläßlich des „Rendezvous" noch erwähnt, daß sich dazu auch
eine bloß in den Umrissen gehaltene Pinselzeichnung auf Pauspapier erhalten
hat, auf der die wichtigsten perspektivischen Konstruktionslinien eingetragen sind.
Perspektivische Konstruktionen sind auch für den „Straßenkampf" und die „Vene-
zianische Küche", auf deren offenem Herd, eine Milchschüssel im Schoß, ein kleines
Mädchen sitzt, nachzuweisen. Auch sie tun aufs überzeugendste dar, mit welcher
Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit Pettenkofen noch am Schlüsse seines Lebens seine
Bilder vorbereitet hat.
Andere Entwürfe zu Kostümbildern sind:
„Der Besiegte". Dieses Bild war gewissermaßen als das Gegenstück zu dem im
Museum Fodor in Amsterdam gedacht. Die Skizze zeigt den Unterlegenen, der die
Hand an die Wunde preßt, im Vordergrund niedergestürzt; vor ihm auf dem
Boden liegt sein Degen. Hinten entfernen sich der Täter und sein Begleiter durch
ein Türchen in der Stadtmauer. Dieser Entwurf, der seiner Idee nach wahrschein-
lich noch dem Beginn der fünfziger Jahre angehört, hat Pettenkofen zweifellos
noch während der achtziger Jahre beschäftigt, denn die Notiz: „Nach dem Ren-
contre. Stadtmauer" in dem schon zitierten aus jener letzten Zeit stammenden kleinen
225
39
Verzeichnis, das „Skizzen und angefangene Bilder" überschrieben ist, kann auf keinen
anderen Entwurf gedeutet werden. — Der „Verwundete in der Apotheke". (So
nennt Pettenkofen in der eben angeführten Liste selbst das Bild und notiert sich
dazu als die Zeit, in die er sich die Szene verlegt denkt, das XVI. Jahrhundert.)
Dem Blessierten, der, den Oberkörper entblößt und nach vorne geneigt, auf einem
Stuhl sitzt, wird anscheinend gerade eine Kugel herausgeschnitten. — Altes Weib,
in einer Truhe kramend. Sie kniet und ist von hinten gesehen. Das Licht fällt
von rechts oben ein. Dieser Entwurf hat in dem Ölbild bei Herrn Professor Anton
von Frisch in Wien, das 1886 in Venedig gemalt worden ist, einen vorläufigen Ab-
schluß gefunden. Pettenkofen wollte die Alte ursprünglich in Geschmeide wühlen
lassen, auf dem das höchste Licht ruhen sollte. Doch ersparte er sich schließlich
diesen Effekt. Das Bild sollte „in der Art der alten Niederländer" gemalt werden. ')
— „Hehler und Dieb. Dunkle Spelunke." So in jener Liste. Unter den Entwürfen
selbst findet sich nur einer, der möglicherweise auf diesen Titel zu beziehen wäre
und der zwei Männer in der Tracht des XVII. Jahrhunderts mit Sachen (Säcken,
die das gestohlene Gut bergen ?) beschäftigt zeigt ; rechts von ihnen steht ein dritter
(der Hehler?) und sieht ihnen zu. — „Der Pardon. Einzelner Reiter, Hintergrund
Stadt. XVIII. Jahrhundert." So lautet der Passus im Verzeichnis. Eine Skizze aus
dem Nachlaß läßt sich kaum damit in Verbindung bringen.
Andere Entwürfe gehören insoferne zusammen, als auf ihnen nackte oder halb-
nackte Kinder (meist sind es Zigeunerjungen) die Hauptrolle spielen. Einmal trinkt
ein Zigeunerbube, der auf dem Rücken liegt und den Kopf zwischen die Hinter-
beine einer Ziege gesteckt hat, aus deren Euter, während sein Kamerad rittlings
auf ihr oben sitzt. Diese Skizze erinnert mit der Urweltlichkeit ihres Themas an
verwandte Kunstwerke des Altertums. Ein anderes Mal hat ein Zigeunerjunge auf
ein Stäbchen, das er in der Hand hält, eine noch lebende Schlange aufgespießt
und reizt sie mit der anderen Hand. Dann wieder läuft einer, mit drei einander
bei den Händen fassenden Spielgefährten als dem feurigsten Gespann durch eine
Schnur verbunden, über die Pußta. Ludwig Knaus soll diese Skizze, wie Herr
Eugen Miller von Aichholz erzählt, in Pettenkofens Atelier gesehen und darnach
zu dessen größtem Ärger ein süßliches Bild „Zigeunerfuhrwerk" gemalt haben.
Dessen Entstehungsjahr 1884") gibt nach dieser Mitteilung einen terminus ante
quem für Pettenkofens Skizze ab. Endlich ist ein Zigeunerjunge in einer Schlucht
(versetzte man die Szene nach Szolnok, so könnte man nur an die dort hoch und
steil abfallenden Ufer der Theiß denken) abgestürzt, ein anderer klettert hurtig
den Abhang herab, jenem zu helfen.
Fast alle diese Entwürfe sind große, ziemlich furiose Gouacheskizzen in Schwarz
und Weiß.
Die reichste Komposition aber, mit der sich Pettenkofen während der achtziger
Jahre beschäftigt hat, ist das „Verbotene Bad". So betitelt er in dem öfter ge-
nannten Verzeichnis selbst das Bild. Er fügt da noch folgende erläuternde Worte
hinzu: „Fluß. Höheres Ufer an einer Mühle. Steg über den Fluß." Zu diesem Bild,
das über eine große Gouacheskizze in Clairobscur bei Herrn von Miller nicht hinaus-
gediehen ist, haben sich zahlreiche höchst flüchtige, zum Teil geradezu rätselhafte
226
Bleistiftentwürfe erhalten. Auf Grund von
ihnen allen läßt sich der Vorwurf des
Bildes ungefähr folgendermaßen be-
schreiben. Eine Schar von Knaben badet
an einer Stelle des Flusses, wo das
Baden verboten ist. Vielleicht, weil das
Wasser hier zu tief ist oder die Gefahr
besteht, daß ein Badender unter das
Mühlrad gerät. Als sich die muntere Ge-
sellschaft eben am sorglosesten ihrem
nassen Vergnügen hingibt, kommt über
den nahen Steg der zu dieser Zeit durch-
aus nicht erwartete gefürchtete Herr
Pfarrer. Derjenige, welcher ihn zuerst
erblickt, ruft es erschreckt den anderen
zu, und nun trachtet alles über Hals und
Kopf ans Ufer zu gelangen. Man schwimmt,
watet und läuft, stößt und wird gestoßen,
plantscht und purzelt, greift nach den
Kleidern, versucht in sie hineinzu-
schlüpfen.
Natürlich ist der Vorgang hier poin-
tierter dargestellt, als er auf Pettenkofens
Bild zu sehen gewesen wäre. Den Pfarrer hätte er sicher ganz in den Hintergrund
geschoben, schließlich vielleicht gar nicht gezeigt. Sein Thema wäre eine Menge
aufs mannigfaltigste bewegter Knabenkörper gewesen, malerisch zusammengehalten
durch das Spiel des Sommersonnenlichtes auf dem Wasser und den nassen Lei-
bern. Ins Jugendlichere und Heitere übertragen wäre das Bild etwas dem Karton
Michelangelos „Das Treffen bei Cascina" Verwandtes gewesen. Nur hätte Petten-
kofen sicherlich die Aufgabe malerisch und nicht, wie es der große Florentiner
getan hat, zeichnerisch zu lösen versucht. Dieses für Pettenkofen im Grunde ge-
nommen recht befremdliche Sujet ist unzweifelhaft eine Frucht der Aktstudien, die
er zeitlebens aufs eifrigste betrieben hat.
Die Reihe der Entwürfe sei mit zweien beschlossen, deren einer offenbar auf
Neapel zurückgeht und daher wenigstens dem Gedanken nach 1873 entstanden
sein wird, während vermutlich zu dem anderen ein in Südtirol geschautes Motiv
die Anregung gegeben hat. Dieser wird von Pettenkofen selbst in der Liste der
„Skizzen und angefangenen Bilder" folgendermaßen beschrieben: „Junge Mädchen
hinter einer Gartenplanke. Langformat, die Köpfe 8 cm groß." Der auf braun-
gelbem Grund mit dunkelbraunem und weißem Pinsel ganz flüchtig hingemalten
großen Skizze ist zu entnehmen, daß das kleinere Mädchen dem größeren, das
einen Sonnenschirm hat, in dem Garten, aus dem hohe Malven aufragen, etwas
zeigt. — Die andere Bildidee läßt sich nach den drei Fassungen, in denen sie vor-
liegt, als folgende Szene verstehen: Ein Mädchen diktiert einem öffentlichen
Marktweib. Federstudie.
Wien, K. k. Österreichische Staatsgalerie.
227
»9*
Schreiber, der sein Tischchen an der Säule irgend eines Palazzo aufgestellt hat,
einen Brief in die Feder, —
War bisher von Bildern die Rede, deren Komposition vom Künstler nicht zu
Ende gedacht wurde, geschweige denn, daß ihre Ausführung abgeschlossen wäre,
so sollen nun Zeichnungen betrachtet werden, die er selbst in diesem wie in jenem
Sinne für vollendet gehalten hat.
Pettenkofen hat während der achtziger Jahre mehr denn je gezeichnet und, was
er da gemacht hat, übertrifft an künstlerischer Bedeutung weitaus alle seine
früheren Zeichnungen.
Am 27. Jänner 1886 verkauft Pettenkofen nicht weniger als 133 Zeichnungen
an Ludwig Lobmeyr. Sie dürften der großen Mehrzahl nach in den Sommern der
Jahre 1884 und -85 in Tirol entstanden sein. Manches geht aber auch auf irgend
eine kleine Stadt der Terra ferma, vieles auf Venedig zurück. Das Figurale tritt auf
diesen Blättern zurück, Innenräume, Landschaften, Veduten aus Dörfern und Städt-
chen überwiegen. Die Technik ist ungemein mannigfaltig, ersichtlich durch ein
ausgebreitetes und eindringliches Studium der Handzeichnungen der alten Meister
angeregt. Eine bloß mit dem Sepiapinsel meisterhaft hingeworfene Zeichnung wie
die „Werkstatt" bei Ludwig Lobmeyr oder die aus dem Nachlaß stammende mit
rascher sicherer Kraft geschaffene Federzeichnung eines die Hände in die Hüften
stemmenden dicken Höckerweibes in der Österreichischen Staatsgalerie verraten
die innigste Vertrautheit mit Rembrandts Zeichenstil.
Von Zeichnungen dieser Art aber, die nicht Selbstzweck, sondern Mittel zum
Zwecke, Studien zu Bildern sind, unterscheiden sich prinzipiell diejenigen großen
Kreidezeichnungen, die Pettenkofen 1886 größtenteils in Riva, aber auch in Bozen,
Sterzing und Venedig geschaffen hat. Aus Pettenkofens Nachlaß hat sich ein Ver-
zeichnis erhalten, das den Titel „Kreidezeichnungen" führt und nicht weniger als
92 Nummern umfaßt. Trotz des Titels findet sich hie und da eine andere Technik
vermerkt, z. B. Bleistift oder Kohle oder Tusche, die überwiegende Mehrzahl aber
ist mit schwarzer Kreide gezeichnet. Dieser, im Anhang mitgeteilten Liste kommt
darum ein besonderer Wert zu, weil Pettenkofen ihre Nummern mit Rötel auf die
einzelnen Blätter geschrieben hat und sich viele von ihnen auf diese Weise lokali-
sieren und mit weiterer Hilfe des Itinerars auch genauer datieren lassen. Die
meisten und besten dieser Zeichnungen besitzt Herr Eugen Miller von Aichholz.
Pettenkofen wollte ursprünglich eine Auswahl der besten der Albertina verkaufen.
Bedauerlicherweise soll aber die Summe, die er dafür begehrte, dem Institut zu
hoch gewesen sein.") Am 9. Dezember 1887 verkaufte er 61 Stück dieser Zeich-
nungen um 6000 Gulden Herrn Eugen Miller von Aichholz. Dieser erzählt, daß
ihm der Künstler die Blätter besonders ans Herz gelegt habe, als das Beste, was
er geschaffen hätte. Tatsächlich sind alle diese Zeichnungen von einer bewunderns-
werten Freiheit der Darstellung. Was an ihnen am meisten imponiert, ist die sou-
veräne Beherrschung der künstlerischen Ausdrucksmittel. Von ihrer Großzügigkeit
geben die drei hier erheblich verkleinert reproduzierten Blätter (Das Gäßchen mit
dem Ochsenwagen in Riva, der Winkel mit allerlei Gerät ebendort, der Jöchels-
turm in Sterzing, alle drei Zeichnungen im Besitz des Herrn von Miller) nur eine
228
Gil Blas' Onkel, der Canonicus Gil Perez, lehrt ihn lesen.
Sepiaskizze. Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
schwache Vorstellung. Die Themen
sind z. B. eine Schmiede in Bozen;
Gassen, ein Platz, eine Küche, ein
Bauernhof, Bauerngerätschaften in Riva ;
Dorfhäuser, ein altes Herrenhaus in
Sterzing; eine Klempner Werkstatt, Auf-
nahmen von der Straße, aus dem Kaffee-
haus, aus einer Bibliothek in Venedig;
Innenräume aus Tiroler Bauernhäusern ;
verschiedene Ansichten aus einem nicht
näher bezeichneten Kapuzin er kloster;
eine Gartenecke; ein nähendes Mäd-
chen, ein Bauernschuster in Riva; Köpfe
und Halbfiguren einer alten Veneziane-
rin, eines alten Venezianers, venezia-
nischer Kinder. —
Pettenkofens merkwürdigste Zeich-
nungen aus den achtziger Jahren aber,
vielleicht überhaupt die merkwürdigsten Arbeiten, die er während dieser Zeit ge-
schaffen hat, sind seine Entwürfe zu Illustrationen für Lesages berühmte „Ge-
schichte des Gil Blas von Santillana".
Über die Entstehungszeit dieser Blätter sei gleich hier bemerkt, daß Herr Maler
Theodor Ethofer ausdrücklich mitteilt, daß Pettenkofen bereits 1873 an den Abenden
in Neapel an ihnen gearbeitet habe. Sämtliche auf diese Illustrationen bezüglichen
Notizen, die sich aus dem Nachlaß erhalten haben, gehören jedoch den achtziger
Jahren an. Die Skizzen stellen daher eine Arbeit dar, die in ihren Anfängen be-
reits auf das Weltausstellungsjahr zurückgeht, mit der sich Pettenkofen aber —
vielleicht nach jahrelanger Unterbrechung — erst in den achtziger Jahren intensiv
beschäftigt hat.
Die beträchtliche Anzahl der Blätter macht eine sich über mehrere Jahre er-
streckende Arbeitsfrist von vorneherein wahrscheinlich. Noch auf der Nachlaß-
auktion bei Miethke waren in zwei Mappen 147 Zeichnungen vorhanden. Sie ver-
blieben vorerst Miethke, von dem sie später Herr Eugen Miller von Aichholz
kaufte. Dieser aber besitzt sie leider nicht mehr ganz vollzählig. Zu den im Katalog
der Nachlaßauktion verzeichneten 147 Stück kommen noch etliche andere hinzu,
die freilich so flüchtig sind, daß sie sich nur kaum mehr entziffern lassen. Sie finden
sich verstreut unter den noch bei den Damen Müller erhaltenen Resten von
Pettenkofens künstlerischem Nachlaß.
Die von Pettenkofen unter dem Schlagwort „Gil Blas" zusammengelegten Blätter
sind zwar zum weitaus größten Teil Illustrationsentwürfe im eigentlichen Sinne,
etliche aber sind Naturstudien, die ursprünglich nicht im Hinblick auf Lesages
Roman geschaffen sind. So finden sich unter jenen Zeichnungen auch Landschafts-
studien, Veduten aus alten italienischen Städtchen, rasch festgehaltene Innenräume
und Gerätschaften aus dem XVII. Jahrhundert oder einer noch früheren Epoche,
229
alles Arbeiten, die von dem Künstler erst nachträglich als vielleicht für jenen
Illustrationszweck verwendbar erkannt wurden.
Wie der Grad der Ausführung der einzelnen Zeichnungen verschieden ist, so
abwechslungsreich ist auch ihre Technik. AUerflüchtigste, kaum mehr zu ent-
rätselnde Notizen liegen neben Zeichnungen, die trotz aller Frische und Unbe-
kümmertheit dennoch alle Absichten des Künstlers bereits vollständig erkennen
lassen. Bleistift, Feder und Pinsel wechseln entweder ab oder treten vereinigt auf.
Sepia und Tusche sind häufig mit Weiß gehöht.
Eine Szene, eine Figur, die bestimmte Geste einer solchen, möchte man sagen,
findet sich oft und oft wiederholt. Aber nicht bloß daraus läßt sich schließen,
daß in den erhaltenen Zeichnungen nichts Endgültiges vorliegt. Es ist viel-
mehr selbst keine der am meisten ausgeführten von ihnen so weit gediehen, daß
sie — in Pettenkofens Sinne wenigstens — reproduktionsreif wäre. Das ist jammer-
schade, weil die Skizzen schon so, wie sie auf uns gekommen sind, wirklich etwas
Ausgezeichnetes darstellen. Man möchte glauben, daß die fertigen Illustrationen
etwas geworden wären, was den Vergleich mit den entsprechenden Arbeiten
Menzels nicht hätte zu scheuen brauchen. Muß man einerseits an den Zeichnungen
bewundern, wie vorzüglich trotz der durchgängigen Flüchtigkeit, die ja niemals
ein Detail näher ausführt, dennoch der Charakter des XVII. Jahrhunderts getroffen
ist, so ist man anderseits davon überrascht, daß Pettenkofen, den man seit dem
Beginn der fünfziger Jahre als Naturalisten strenger Observanz kennt, der nichts
darstellt, was er nicht selbst gesehen hat, daß Pettenkofen „inwendig so voller
Figur" ist. Das alte Wort von der Rückkehr zur ersten Liebe bewahrheitet sich
auch in diesem Fall: Pettenkofen nimmt am Ende seines Lebens das wieder auf,
was er in seiner ersten künstlerischen Periode im Vormärz, vornehmlich als Litho-
graph, so eifrig und erfolgreich gepflegt hat: er fängt wieder zu erfinden, zu er-
zählen an, er wendet sich wieder der Illustration, der Schwarz -Weiß -Kunst zu.
Wie sich Pettenkofen die Vervielfältigung seiner Zeichnungen gedacht hat,
dafür findet sich freilich im Nachlaß keinerlei Anhaltspunkt. Doch kann kein
Zweifel darüber bestehen, daß er den Holzschnitt im Auge gehabt hat, der ja in
den siebziger und achtziger Jahren sowohl als „Facsimile-" als auch als „Ton-
holzschnitt" — wenn man sich schon diese nicht sehr klare Unterscheidung zu
eigen macht — eine nicht mehr zu übertreffende Höhe der Vollendung erreicht
hatte. Vielleicht dachte Pettenkofen daran, das zu tun, wozu sich 1876-77 sogar
Menzel bei seinen ausgezeichneten Illustrationen zu Heinrich von Kleists „Zer-
brochenem Krug" bereit gefunden hatte, nämlich nicht auf Holz zu zeichnen, sondern
seine Zeichnungen auf photographischem Wege auf die Holzstöcke übertragen und
dann schneiden zu lassen.
Wie er sich das Werk als Ganzes ungefähr vorgestellt hat, das erfährt man
aus einer ebenso wichtigen wie interessanten Notiz, die sich glücklicherweise aus
dem Nachlaß erhalten hat. Sie lautet: „G[il] Blas.'O Porträt Lesage. Pr6face. Recht-
fertigung. I. Band. [Das soll wohl heißen: ein Band.] Orvieto (oben). fSo steht
deutlich auf dem Zettel. Das ist aber offenbar nichts anderes als eine Verschreibung
für Oviedo, jenen Ort, an den die Eltern des Gil Blas von Santillana aus über-
230
Weißgehöhte Sepiaskizze zum „Gil Blas".
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
siedelten. Pettenkofen wollte augenscheinlich den eigentlichen Text des Buches mit
einer Ansicht Oviedos als oberer Randleiste eröffnen.] Die Eltern. G. Blas fängt
seine Geschichte an. Initialen. (Karte von Spanien. Spanischer Geschichtsauszug in
der Zeit des Gil Blas-Ronian[es]. Historische Porträte. Städteansichten in alter
Zeit.) Sprache französisch? (Breitfolio, klein.) Die Illustrationen zum G. Blas sollen
den Bilderreichtum des Le Sageschen Romans nur benutzen, um ein selbständiges
Kulturbild während der Dauer der Erzählung dar[zu]stellen, und das Verständnis
der Bilder soll nicht von der Kenntnis des Textes allein abhängen. Jedes Bild soll
ein Zeitbild für sich allein geben und als solches verstanden werden können."
Trotz ihrer Dürftigkeit gibt diese Notiz immerhin einigen beachtenswerten Auf-
schluß. Vor allem über die ernste, gediegene Art, wie sich Pettenkofen die künst-
lerische Behandlung gedacht hat. Aus dem Worte „Oviedo" allein wäre bereits
der Schluß zu ziehen, daß er die Absicht hatte, die Gegenden, in denen der Roman
spielt, persönlich aufzusuchen und dort an Ort und Stelle zu zeichnen. Tatsächlich
wird sein Plan einer Reise nach Spanien, die er einmal in Gesellschaft des Redak-
teurs Dr. Wilhelm Lauser unternehmen wollte, auch sonst bestätigt, z. B. durch
die Schwestern Müller, Charles Sedelmeyer und eine aus dem Nachlaß erhaltene
Aufzeichnung, die besagt, daß er sich einmal auch einen Kreditbrief an den Credit
Lyonnais, Agence de Madrid, hat anweisen lassen. Von wann diese Eintragung
stammt, läßt sich nicht mehr feststellen. Die Reise wird wohl hauptsächlich infolge
von Pettenkofens Kränklichkeit unterblieben sein.
231
Auf welche Weise er zu dieser Illustrationsarbeit die bildende Kunst des
XVII. Jahrhunderts heranziehen wollte, lehrt der allerdings ganz flüchtige Entwurf
des Titelblattes. Darauf findet sich der Hinweis auf eine Zeichnung des gebürtigen
Straßburgers und nachmaligen Wiener Hofmalers Wilhelm Baur (1600-1640) in
der Albertina. Aus dem Vergleich von Baurs Sepiazeichnung mit Pettenkofens
Bleistiftskizze geht deutlich hervor, daß jene die Anregung zu dieser gegeben hat.
Nur gedachte Pettenkofen, die beiden oberhalb des Medaillons, das bei ihm den
Titel enthalten sollte, sitzenden männlichen Figuren, die Baur nur zu einem deko-
rativen Zweck verwendet, in die Gestalten der Wahrheit und der Satire umzu-
wandeln. Dagegen wollte er anscheinend die Gruppe des Zeichners und der ihm
zusehenden Personen unten, natürlich entsprechend verändert, sogar bis auf den
am Boden liegenden Hut von dem alten Meister übernehmen.
Was Pettenkofen zuerst am „Gil Blas" angezogen hat, ist sicherlich das, was
alle Leser an diesem Roman fesselt: die mannigfaltige Fülle des Inhalts, die ebenso
geistreiche wie anmutige Form der Darstellung, der überlegene Humor und die
tiefe Menschenkenntnis des Autors. Der Künstler Pettenkofen wird an dem Buch
die bunt und lebhaft bewegte, schier unerschöpflich reiche äußere Handlung und
das Milieu des XVII. Jahrhunderts, das ihm als die Zeit der großen niederländischen
und spanischen Maler besonders ans Herz gewachsen war, geschätzt, der Mensch
endlich, der von einem Arzt zum andern lief und unaufhörlich an sich selbst und
andern herumdokterte, wird sein herzlichstes Behagen an der köstlichen Ver-
spottung des Ärztestandes gefunden haben, dem bekanntlich gar viele Pfeile von
Lesages Satire gelten.
Am 31. Oktober 1888 deponiert Pettenkofen im Hotel „Schwarzer Greif" zu
Bozen außer einer römischen Geschichte des Tacitus und einem Reisehandbuch
für Nordfrankreich und die Niederlande auch ein Exemplar des „Gil Blas". Seine
oben mitgeteilte schriftliche Aufzeichnung über den „Gil Blas" gehört, da sie sich
in dem vom 6. November bis zum 10. Dezember 1888 reichenden Notizbuch findet,
dem Spätherbst dieses Jahres an. Am 16. November 1888 notiert er sich in Venedig
eine von Philippoteaux und Pellicer illustrierte italienische Ausgabe des „Gil Blas";
sie ist 1885 in Mailand gedruckt und hat sich neben einer hundert Jahre vorher
in Berlin erschienenen deutschen, die mit Kupfern Chodowieckis geschmückt ist,
aus dem Nachlaß im Besitz der Damen Müller erhalten. Daten über Philipp IV.
und Lesage müssen, da sie in dem die Tage vom 6. November 1888 bis zum
6. März 1889 umfassenden Notizbuch vorkommen, gar erst während dieser Zeit ver-
merkt worden sein. Daraus geht deutlich genug hervor, daß die Illustrationen zum
„Gil Blas" Pettenkofen bis in die allerletzte Zeit seines Lebens beschäftigt haben. —
Da die Entwürfe der Illustrationen zum „Gil Blas" die letzte Arbeit Petten-
kofens sind, die im Verlauf dieser Darstellung betrachtet wird, so bietet sich zu
einem Versuch, seine gesamte künstlerische Tätigkeit nochmals und im Zusammen-
hang rasch zu überblicken und ihm eine Stelle in der bildenden Kunst seiner Zeit
anzuweisen, wohl hier die beste Gelegenheit,
Was er als Lithograph geleistet hat, kann hier füglich außer Acht gelassen
232
werden, hat es doch bereits im
ersten Kapitel eine eingehende
Würdigung gefunden. Hier sei
nur als Auszug des Ergebnisses
der dort angestellten Betrach-
tungen wiederholt, daß Petten-
kofen unter den Wiener Litho-
graphen der ersten Hälfte des
XIX. Jahrhunderts, denen im
Range nur die gleichzeitigen
Franzosen vorangehen, ein erster
Platz gebührt. Auf einen solchen
hat er auch als Wiener Genre-
maler des Vormärz wohlbegrün-
deten Anspruch. Seine Spezialität
als solcher sind Szenen aus dem
zeitgenössischen Soldaten- und
Kriegsleben. Als Porträtist be-
tätigt er sich eigentlich nur
während jener frühen Periode,
es ragen aber seine Leistungen
über das allgemeine, freilich auf-
fallend hohe Niveau dessen, was
damals in Wien auf diesem Ge-
biete geleistet wurde, nicht allzu
sehr hervor, und als Porträtmaler
wird er von manchem seiner
Wiener Zeitgenossen, es seien
nur Waldmüller, Amerling, Kriehuber, Daffinger genannt, übertroffen. Der Landschaft
schenkt er dazumal noch geringe Beachtung. Die rechtzeitige Bekanntschaft mit
Werken der großen französischen Meister seiner Zeit bewahrt ihn davor, in Manier
zu versinken, eine Gefahr, welche auf gewissen Ölbildern und besonders Aqua-
rellen vom allerersten Anfang der fünfziger Jahre deutlich genug zu erkennen ist.
Zugleich führt ihn sein Stern in das Herz Ungarns und lehrt ihn in der Puszta
und deren Bewohnern eine Fundgrube von Motiven kennen, die er, sowohl was
das Gegenständliche, als auch was dessen künstlerische Auffassung und Dar-
stellung betrifft, von nun an bis zu seinem Lebensende zu erschöpfen trachtet.
Durch seine Szolnoker Bilder macht er sich und Ungarn berühmt. Von der gemalten
Anekdote geht er zum Zustandsbild über, Menschen und Tiere hält er nunmehr
in der Ruhe fest, der Landschaft fällt von jetzt an auf seinen Bildern eine immer
größere Rolle zu. Besonderes Interesse wendet er dem Szolnoker Marktgetriebe,
den dürftig aussehenden und doch so zähen ungarischen Steppenpferden und den
Zigeunern zu. Infolge der ununterbrochenen Fühlung, in der er mit den gleich-
zeitigen führenden Pariser Meistern steht, gelingt es ihm, sich in Stil und Technik
Der Mohr Domingo überrascht Gil Blas beim Fluchtversuch. Weißgehöhte
Tuscheskizze. Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
233
30
stets auf der Höhe der Zeit zu erhalten. Schulte er sich aber an den Franzosen
— zuerst etwa an Meissonier, Decamps und einigen Meistern von Barbizon,
später wohl auch an den Pleinairisten und Impressionisten — , so ahmt er sie doch
niemals sklavisch nach. So vielseitig und so verwandlungsfähig er nämlich auch
ist, so weiß er sich doch immer seine Persönlichkeit zu bewahren. Wie mit dem
Spanier Fortuny und dem Italiener Favretto, so wird er auch mit manchem fran-
zösischen Künstler in verwandtem Streben zusammengetroffen sein. Ist er einerseits
der Entwicklung gefolgt, so war er anderseits zweifellos auch eine der Kräfte, die sie
bewirkt haben — wenn auch keine jener elementaren, die Bahn brechen und die andern
mit sich fortreißen. Immer ein tüchtiger Zeichner, war er doch vom Anfang an
vornehmlich eine koloristische Begabung. Von etwas harter und kühler Buntheit
geht er in seinen Bildern zu warmer Tonigkeit über, und schließlich verleiht ihnen
eine flott und sicher hingesetzte Fleckigkeit vibrierendes Leben. Bevorzugt er zu-
erst die kühnen Formen windbewegter Wolken und starke Gegensätze von Licht
und Schatten, so liebt er später die flimmernde, staub- und dunstdurchsetzte Atmo-
sphäre sonniger Sommertage, die den Dingen Distanz gibt und ihre Farben und
Umrisse verschwimmen läßt. Anfänglich sind ihm bei seinen Marktdarstellungen
die einzelnen Figuren und Sachen das Wichtigste und er malt jede Kleinigkeit so
treu als möglich, schließlich aber gibt er das aus einiger Entfernung gesehene
Marktgewühl als unruhiges Ganzes wieder, dessen Einzelheiten in Form und Farbe
der Blick nicht festzuhalten vermag. Was im Detail verloren geht, z. B. die Dar-
stellung eines Gesichtsausdruckes (man erinnere sich etwa der ausgezeichnet
gemalten schmerzverzerrten Antlitze auf dem „Verwundetentransport"), wird an
Überzeugungskraft der Gesamterscheinung gewonnen. Der Stil der Fernsichtigkeit
überwindet den der Nahsichtigkeit, und mit einer neuen Auffassung geht eine neue
Technik Hand in Hand. In Pettenkofens Technik gibt es große Abwechslung. Zu
Zeiten herrscht das Ölbild, dann wieder das Aquarell, schließlich die Zeichnung
vor. Gouache und Pastell werden gepflegt, die Zeichnung erfährt in Anlehnung an
die alten Meister alle erdenklichen Wandlungen. Pettenkofen verschmäht es nicht,
sich eines so wichtigen Hilfsmittels zu bedienen, wie es für den bildenden Künstler
die Photographie ist. Gleich Meissonier und Menzel, nur natürlich in viel beschei-
denerem Maße, arbeitet auch er mit alten Kostümen, sowohl echten als auch vom
Theaterschneider angefertigten, und studiert auch er aufs sorgfältigste die einschlä-
gigen Werke der alten Meister. Während des letzten Drittels seines Lebens liefern
ihm außer Ungarn noch Neapel und Venedig und die österreichischen Alpenländer,
denen er auch schon früher dann und wann einmal einen Vorwurf entlehnt hat,
Motive. Was Pettenkofen während der achtziger Jahre geschaffen hat, braucht hier,
als in diesem Kapitel bereits ausführlich behandelt, natürlich nicht mehr erwähnt
zu werden: die Kostüm- und Genrebilder, die größtenteils auf Tirol zurückgehenden
Kreidezeichnungen, die Handwerker- und Architekturdarstellungen, die Entwürfe
zu Illustrationen des „Gil Blas". —
Da Pettenkofen bis an sein Lebensende keine Mühe scheut, sich in seiner Kunst
zu vervollkommnen, überhaupt rastlos tätig und außerdem der strengste Kritiker
seiner selbst ist, so gibt er kaum jemals ein Werk aus der Hand, das ihn nicht
234
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Gil Blas sieht zum erstenmal Laura, die Zofe der Schauspielerin Arsenia. Weißgehöhte Tuscheskizze.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
auf der Höhe seines Könnens zeigte, und nur selten wagt er sich an Aufgaben,
denen er nicht gewachsen ist. Seinen Arbeiten ist vielmehr bis zuletzt ein stetiger
Fortschritt anzumerken. Er ist nicht taub für die Rufe seiner Zeit, aber er verkauft
sich nie an die jeweils herrschende Mode oder Gewinstes halber. Wie als Mensch
ist er auch als Künstler vornehm und lauter. Mit dem Besten aus der Kunst der
Vergangenheit und der Gegenwart vertraut, mit auserlesenem Geschmack und einer
scharfen Urteilskraft begabt, bildet er sich selbst den Maßstab, nach dem er sich
und andere bewertet. Wohl lernt er vom Ausland, aber er verleugnet doch niemals
sein Österreichertum. Sein Stil ist international, aber die meisten Vorwürfe seiner
Bilder sind der Heimat entnommen, ist doch Ungarn die Hälfte der Donau-
monarchie. Er ist kein Bahnbrecher und kein Schulhaupt, aber eine ausgereifte,
volle und ganze Persönlichkeit von starker Eigenart, auf die stolz zu sein die
österreichische Kunst alle Ursache hat. —
Man hat Rudolf Alt den österreichischen Menzel genannt. Das ist nicht nur
ziemlich geschmacklos, sondern auch nur zum geringsten Teile richtig. Eher könnte
man Menzel und Pettenkofen in Parallele stellen. Schon Richard Muther hat den
Wiener Künstler unmittelbar nach dem Berliner behandelt. Natürlich überragt Menzel
auch Pettenkofen. Menzel ist die gewaltigere Arbeitskraft, ihm setzt das große
Format keine Schranken, er ist der weitaus sicherere Zeichner. Aber die beiden
Künstler machen eine ähnliche Entwicklung durch. Von der Illustration, von der
Lithographie gehen sie aus. In der Malerei schreiten ihr Stil und ihre Technik stetig
235
30*
fort. Keiner von beiden überlebt sich selbst. In jedem von ihnen paart sich natu-
ralistisches Bestreben mit historisierendem. Jeder hat sein Lieblingsgebiet, das er
nach allen Richtungen hin ausschöpft: Menzel die Fridericianische Epoche, Petten-
kofen die Puszta und ihre Bewohner. Beide haben ihre eigenen Gedanken und
verfügen über eine mehr als gewöhnliche Bildung. Im Kolorit und im Geschmack
ist Pettenkofen Menzel überlegen.
Mit Meissonier, einer verwandten Erscheinung der gleichzeitigen französischen
Malerei, wurde Pettenkofen bereits früher flüchtig verglichen.
Pettenkofen war sich übrigens selbst dieser Beziehungen zu Meissonier und
Menzel, die er beide sehr hoch schätzte, wohl bewußt. —
Plastischer aber als durch solche Gegenüberstellungen wird das Bild, das wir
uns von einer künstlerischen Persönlichkeit machen, durch die Aufdeckung des
Gemeinsamen und des Gegensätzlichen in ihrem Verhältnis zur zeitgenössischen
Kunst der Heimat.
Daher sei hier die Wiener Malerei, wie sie zu Pettenkofens Lebzeiten beschaffen
war, wie sie auf ihn einwirkte und wie er sich zu ihr stellte, nochmals rasch über-
blickt, ist sie doch während seines ersten Lebensabschnittes der Boden, dem seine
Kunst entwächst, das Milieu, das ihn fördernd und hemmend umgibt, während
des zweiten aber der Hintergrund, von dem sie sich abhebt, ohne den sie nicht
richtig eingeschätzt werden kann.
Auf dem Gebiete der Musik hat Wien seit den Tagen Mozarts und Haydns bis
in die jüngste Vergangenheit herauf eine führende Rolle gespielt. Im Hinblick auf
die bildende Kunst aber kann Wien niemals eine solche Bedeutung zugemessen
werden, auch dann nicht, wenn man die glänzenden Perioden der Wiener Archi-
tektur in der ersten Hälfte des XVIII. und in der zweiten des XIX. Jahrhunderts
mit nichten aus dem Auge verliert.
Was besonders die Malerei anbelangt, so kann von einer Wiener Malerei
eigentlich erst vom XIX. Jahrhundert an gesprochen werden. Denn die vielen
tüchtigen und ausgezeichneten Maler des XVIII. Jahrhunderts, die in Wien gewirkt
haben, sind entweder zu sehr von Italien abhängig, als daß man ihre Malerei
wienerisch nennen könnte, oder sie sind überhaupt Italiener, wie Pozzo und
Guglielmi. Die alte Kaiserstadt hat eben zu allen Zeiten fremde Talente angelockt,
und es sei hier daran erinnert, daß auch Füger und Krafft Ausländer sind.
Im XIX. Jahrhundert aber gibt es tatsächlich eine Wiener Malerei, und schreitet
sie auch nicht der Entwicklung voraus — das zu tun, ist seit den Tagen Louis
Davids die Sendung der Pariser Malerei — , so ist sie doch so selbständig und
eigenartig, daß sie, so wie sie ist, an keinem andern Orte der Welt gedacht
werden kann als in Wien.
Ganz grob gesprochen, läßt sich der Werdegang der Wiener Malerei des
XIX. Jahrhunderts in zwei ungefähr gleich lange Perioden einteilen, die mit den
Worten Genre und Makart zu kennzeichnen wären. Die beiden Entwicklungsphasen
werden um die Mitte des Jahrhunderts herum durch zwei so verschiedene Ereig-
nisse wie die Revolution im Jahre 1848 und den Abbruch der Basteien im Jahre
1857 voneinander getrennt. Die zweite Periode endigt erst nach dem Tode Petten-
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/'
Gil Blas als Arzt trifft am Krankenbett von des GewUrzkrämers Sohne mit dem Doktor Cuchillo zusammen.
Feder- und Pinselskizze. Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
kofens, aber vor dem Ausgang des Jahrhunderts, nämlich mit der Gründung der
„Sezession" im Jahre 1897.
Die Benennungen Genre und Makart sind natürlich viel zu enge und heben nur
das AUerwichtigste hervor. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts wird das Genre,
mit dem die Landschaft und das Porträt aufs innigste verschwistert sind, von dem
Klassizismus, der Romantik, dem Nazarenertum und der Historie begleitet. Aber
keine von diesen Richtungen hat in Wien eigentlich tiefer Wurzel geschlagen,
und wahrhaft volkstümlich ist nur die Genremalerei geworden, die überhaupt die
populärste Wiener Kunst des XIX. Jahrhunderts ist.
Fanden die Freskomaler des XVIII. Jahrhunderts in der Kirche, unter dem Adel
und am Kaiserhof ihre Auftraggeber und die Maler der Makartzeit im Staate und
in der Plutokratie, so war der Abnehmer der Genremalerei der ersten Hälfte
des vergangenen Jahrhunderts der bürgerliche Mittelstand. Hatte sich die Genre-
malerei im Vorwurf wie im Format den niederländischen Sittenmalern des XVII.
Jahrhunderts, die gleichfalls das Leben und Treiben von Bürger und Bauer dar-
stellten, angeschlossen, so wählte sich die großflächige Malerei der Makartzeit
Rubens, Veronese und Tiepolo zu ihren Vorbildern. —
Seit der Mitte des Jahrhunderts, da es, wie zu zeigen versucht worden ist, mit
dem Genre zu Ende geht, findet Pettenkofen nur schwer einen Anschluß an die
237
Wiener Malerei. Gleich Waldmüller, nur länger, muß er abseits stehen. Wo, um
nur die drei wichtigsten Repräsentanten aufzuzählen, Führich, Rahl und Makart
den Ton angeben, da ist für Pettenkofen kein Raum. So verschieden nämlich diese
drei Künstler untereinander sind, so haben sie doch etwas gemeinsam — nennen
wir es mit einem der abgegriffensten Schlagwörter: Idealismus. Allen dreien ist
es im letzten Grunde um etwas ganz anderes zu tun als um die möglichst getreue
Wiedergabe eines Naturvorbildes, Jeder von ihnen will auf seine Art über die
Natur hinaus, Pettenkofens wörtlich einbekanntes Ziel aber ist, der Natur so nahe
als möglich zu kommen. Und noch etwas verbindet jene drei untereinander und
trennt sie zugleich von Pettenkofen: das große Format, dessen sie sich zwar nicht
durchwegs, aber häufig bei ihren Arbeiten bedienen. Führich und Rahl verstanden
al fresco zu malen, Makart, ein anderer Ghirlandaio, wünschte einmal sehnlichst,
die Ausmalung der Stephanskirche übertragen zu bekommen. Pettenkofen aber war
zeitlebens ein Kleinmeister — „Perlen sticken" nannte er selbst, vielleicht mit leiser
Ironie, sein Malen. Dieses große Format, die Lust und die Fähigkeit, große Wand-
flächen mit Bildern zu schmücken, ist aber mehr als bloß ein äußeres Moment.
Es ist die augenfälligste Kundgebung des dekorativen Hanges der Wiener Malerei,
der sich schon einmal im bautenreichen Zeitalter des Barock zu höchster Blüte
entfaltet hatte, der während der bürgerlichen Periode der ersten Hälfte des XIX. Jahr-
hunderts scheinbar verloren gegangen und unterdrückt worden war, der aber, als
sich in den sechziger Jahren die vielen Prachtbauten an der Ringstraße zu erheben
begannen, zu neuem Triumph erwachte und in Hans Makart einen alles mit sich
fortreißenden Vertreter fand. 1884 bis 1889, diese kurzen fünf Jahre von Makarts
bis zu seinem eigenen Tode, darf Pettenkofen vielleicht als der Gipfel der Wiener
Malerei angesehen werden. Während dieses Quinquenniums wurde auch durch ihn
und seinen Freund Leopold Karl Müller, der dasselbe künstlerische Credo wie er
betete und der in gewissem Sinne auch sein Schüler genannt werden kann, in der
Wiener Malerei dem koloristischen Naturalismus — wenn man der beiden Bestreben
vielleicht so taufen darf — zum Siege verholfen. Blieb diese Herrschaft aber auch
gewiß nicht ohne nutzbringenden Einfluß, so war sie doch — was hier vorgreifend
und abschließend bemerkt werde — nur von kurzer Dauer. Denn das stärkste
Talent, das die Wiener Malerei der nächsten Folgezeit aufzuweisen hatte und das
sich noch während der achtziger Jahre, also noch zu Lebzeiten Pettenkofens, die
Sporen verdiente, sollte sich auf die Seite der dekorativen Richtung schlagen:
Gustav Klimt. —
Hat schon das eben Gesagte ein Streiflicht auf die Wiener Kunstverhältnisse
während des letzten Jahrzehnts von Pettenkofens Leben geworfen, so sollen sie
nun durch ein paar Worte etwas näher beleuchtet werden. Dies möge mit Hilfe
einer Auslese der allerwichtigsten Namen geschehen. Mit Makart ist Canon, der
ihm schon nach einem Jahre im Tode nachgefolgt ist, durch ein mehrfach ver-
wandtes Streben verbunden. Im selben Jahre wie Pettenkofen stirbt der hochbegabte,
vielseitige Romako, der, solang er lebte, in seiner Vaterstadt durchaus unver-
standen geblieben ist. Unter den Porträtmalern erfreut sich Angeli eines über die
Grenzen Österreichs hinausreichenden Rufes. Der bedeutendste Landschafter ist
238
der feinsinnige Emil Jakob Schindler. Wie die Maler die Glanzzeit des alten
Venedig und Antwerpen heraufbeschwören wollen und die Architekten im Stile
des alten Griechenland, der französischen und deutschen Gotik und der italie-
nischen Renaissance bauen, so beruht auch der mächtige Aufschwung, den das
Wiener Kunstgewerbe dank der neugegründeten staatlichen Schule erfahren hat,
zum größten Teil auf der Nachahmung alter Vorbilder und läßt auf diese Weise
Werke entstehen, die sich zwar durch ihre solide Technik auszeichnen, dem
heutigen Geschmack aber schier unerträglich geworden sind. Durch die Berufung
William Ungers und Wilhelm Hechts nach Wien erleben die Radierung und der
Holzschnitt als vervielfältigende Künste eine hohe Blüte. In der Plastik ragen
r'
Gil Blas' Herr, der Stutzer Don Mathias de Silva, und dessen Freund Don Antonio
Centelles spielen mit dem Wucherer Descomulgado Ball. Bleistiftskizze.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
Zumbusch und Tilgner hervor. Dieser, der Österreicher, mit dem Pettenkofen be-
kannt war, zeichnete sich vor allem durch seine Porträtbüsten aus, jener, der
Mann aus dem Reiche, schuf ein Menschenalter hindurch Wiens größte Denk-
mäler. Die Enthüllung von Zumbusch' Maria -Theresien- Denkmal hat Pettenkofen
noch erlebt. Während der achtziger Jahre wurden die meisten der großen öffent-
lichen Ringstraßenbauten ihrer Bestimmung übergeben: der Justizpalast, das Rat-
haus, die Universität und das Parlament; die beiden Hofmuseen wurden wenig-
stens im Bau vollendet, der heute noch nicht zu Ende geführte Flügel der Hof-
burg wurde zu bauen begonnen. Um von der Architektur, der „steingewordenen
Musik", auf die Musik selbst überzugehen, so ist zu sagen, daß die Wiener Musik
der achtziger Jahre vor allem durch Brahms und Johann Strauß den jüngeren ver-
körpert wurde. Der junge Hugo Wolf rezensierte einstweilen mehr, als er kompo-
nierte, und der greise Brückner konnte kein Gehör finden. In der Literatur zählten,
um von Hamerling und Rosegger, die beide außerhalb Wiens schufen, zu schweigen.
239
Marie v. Ebner-Eschenbach und Pettenkofens Vetter Ferdinand v. Saar erst einen
kleinen Leserkreis. Das Burgtheater hatte sein bescheidenes, enges, altes Haus,
in dem doch so Großes geleistet worden war, mit dem neuen Prunkbau vertauscht.
In seiner Direktion war Dingelstedt durch Wilbrandt abgelöst worden. Die Schau-
spielkunst bedeutete mehr als die Dichtkunst. In der Oper griff, wie anderswo
auch, die Kunst Richard Wagners durch, eine Wiener Besonderheit war der gegen
ihn organisierte Widerstand. Die Offenbachsche Operette, deren Herrschaft auch
in Wien lange unwidersprochen geblieben war, hatte der Wiener Operette weichen
müssen, die dank der Werke von Strauß und Supp6 und Millöcker die Welt zu
erobern begann. Dem Volksstück, das so lange um Raimund getrauert hatte, war in
Anzengruber, der sich endlich durchgerungen hatte, ein starker Helfer erwachsen. —
Von den Werken, die Pettenkofen in den achtziger Jahren geschaffen hat, war
bereits die Rede, mit wenigen Strichen wurde auch schon das zu skizzieren ver-
sucht, was sich während jener Zeit auf dem Gebiet der Wiener Kunst abgespielt
hat, — es bleibt nur mehr die Schilderung von Pettenkofens Privatleben in den
letzten neun Jahren seines Daseins übrig.
Er begann das Jahrzehnt in Venedig, an dem er so viel auszusetzen hatte und
das ihm doch so teuer war. 1880-81, 1883-84 und 1886-87 lebte er vom Herbst
bis in den Sommer dort. 1882 verbrachte er den ganzen September und den größten
Teil des Oktober, 1885 die zweite Hälfte des September und wieder den größten
Teil des Oktober, 1888, das letzte Mal, nur neun bis zehn Tage des November in
der Stadt des heiligen Markus. Die Künstler, mit denen er dort verkehrte, sind die-
selben wie während der siebziger Jahre. Natürlich wird der eine oder andere, wie
z. B. der Ungar Skutezky, den Bekanntenkreis erweitert haben.
Interessant ist die knappe Notiz, die Pettenkofen am 15. Juni 1887 zu Venedig
in sein Tagebuch schreibt: „Leiche des Favretto." Ob er diesen Künstler persön-
lich gekannt hat, ist ungewiß, bezeugt aber ist, daß er ihn von allen italienischen
Malern der Zeit am höchsten geschätzt hat. „Der Favretto ist der einzige unter
ihnen, der was kann", soll er gesagt haben. *^) Favretto hatte sowohl unter dem
Einfluß Fortunys, als auch infolge des Verlustes von einem Auge in seinen letzten
Lebensjahren eine äußerst geschmackvolle, ebenso flotte wie delikate buntfleckige
Malweise angenommen, die auf seinen Spätwerken das Licht und die Luft förm-
lich zittern und flirren läßt.'O Wie wir gesehen haben, strebt die malerische Ent-
wicklung Pettenkofens, vielleicht gleichfalls angeregt durch das Schaffen seines
Freundes Fortuny, einem ähnlichen Ziele zu. Nur gieng er beispielsweise niemals
so weit wie Favretto. Dieser war der dritte Künstler, der Pettenkofen nahe stand
und noch in den dreißiger Jahren starb. Der erste war Johann Gualbert Raffalt,
der zweite Mariano Fortuny.
In das Ende des Juli und den Anfang des August des Jahres 1885 fällt eine
ganz kurze Reise nach Holland, auf der Pettenkofen nur den Haag, Scheveningen
und Amsterdam berührt. Am 1. August suchte er in Amsterdam Maris und Mesdag
auf. Die unter demselben Datum in sein Tagebuch eingetragenen Worte: „Aquarelle
von Mauve bei Goupil" sind wohl nur so zu deuten, daß der Kunsthändler Goupil
240
in Paris Aquarelle von Mauve besitze, die er, Pettenkofen, sich, wenn er das
nächste Mal nach Paris komme, was er damals vielleicht für sehr nahe Zeit plante,
zu besichtigen vornahm. Aquarelle von Mauve und Bilder von Maris hatten auf
ihn, wie wir uns erinnern, schon im Februar 1883, als er sie bei Sedelmeyer in
Paris sah, einen großen Eindruck gemacht.
1883 hält er sich vom halben Oktober bis zum halben November, 1884 vom
halben September bis gegen Ende November, 1888 eine Woche im Oktober in
München auf. 1883 und 1884 muß er dort viel mit Lenbach verkehrt haben. 1884
hat ihn dieser gemalt. Pettenkofen soll Lenbach gleichfalls zu porträtieren versucht
haben, wahrscheinlich hat er aber seine Arbeit, unzufrieden damit, zerstört, jeden-
falls ist nichts von ihrem Verbleib bekannt. In einem jener beiden Jahre wird es
auch gewesen sein, daß er irgendwie auf Lenbachs Porträt Papst Leos XIII. Ein-
fluß genommen hat. Sein Nachlaß hat nämlich eine große Photographie jenes
Bildnisses aufbewahrt, auf der anscheinend von Pettenkofens Hand geschrieben
steht: „Probe! Pettenkofen und Lenbach fec." Entweder hat er, der berühmte
Bilderdoktor, Lenbach einen von diesem befolgten Ratschlag, z. B. hinsichtlich
des Arrangements gegeben oder er hat Scherzes halber irgendwelche Kleinigkeit
des Bildes gemalt. Am 14. Oktober 1888 trägt er zu München in sein Tagebuch
die Namen Hauser, Piglhein und Seitz ein. Hauser, den namhaften Restaurator,
mag er in Sachen der Technik der alten Meister zu befragen gehabt haben, Pigl-
hein interessierte ihn wohl wegen seines Panoramas der Kreuzigung, das damals
viel von sich reden machte, und Seitz, weil auch dieser seine Stoffe aus der Ver-
gangenheit wählte, was ja Pettenkofen in den achtziger Jahren, in denen wir ihn
mit dem „Gil Blas" beschäftigt wissen, gleichfalls tat.
1882 in Kissingen traf er mit den Malern Gentz und Meyerheim zusammen.
Soviel, da von seiner letzten Reise nach Paris bereits die Rede gewesen ist,
über seine Aufenthalte an ausländischen Kunststätten und seinen Verkehr mit
Künstlern des Auslandes in den achtziger Jahren.
Innerhalb der Monarchie hielt er sich, abgesehen von seinem gleichfalls schon
besprochenen letzten Aufenthalt in Szolnok, während der achtziger Jahre, wie eben-
falls anläßlich seiner Werke bereits erwähnt wurde, viel in den Alpenländern, be-
sonders in Tirol auf. Österreichische Künstler, deren Bekanntschaft er auf Grund
seiner Tagebücher und Briefe zu jener Zeit machte oder erneuerte, sind Robert
Ruß, mit dem, Leopold Karl Müller und dessen Schwestern Marie und Bertha
zusammen er im September 1887 in Tirol reiste, Trenkwald, dem er am 26. Juni
1888 vier Bände über Columbus borgt, und Viktor Tilgner, mit dem er noch am
16. Jänner 1889 beisammen ist.
Zu seinen anderen Freunden und Bekannten, die übrigens zu einem großen Teil
bereits als Käufer seiner Bilder angeführt wurden, traten in den achtziger Jahren
nur ganz wenige nennenswerte Personen hinzu. Unter ihnen ist der Fürst Porzia,
der Besitzer jenes berühmten Renaissanceschlosses in Spittal in Kärnten, wo ihn
Pettenkofen in den Sommern der Jahre 1880, 1887 und 1888 aufsucht, hervorzu-
heben. Oberst Lachnit wurde bereits als Käufer genannt.
Größer als der Zuwachs von Pettenkofens Freundes- und Bekanntenkreis ist
241 3,
während der in Rede stehenden Zeit dessen Einbuße. Am 22. Dezember 1882
stirbt die Baronin Nakö, das Jahr darauf Eitelberger, 1884 Plach, mit dem Petten-
kofen zwar seit langem schon durch nichts anderes als durch eine Schuld, die er —
wenigstens seiner strengen Auffassung gemäß — bis über seinen Tod hinaus an
diesen hatte, verknüpft war, der aber immerhin in seinem Leben eine bedeutende
Rolle gespielt hatte.
Traurige und erfreuliche Erlebnisse seiner Freunde geben ihm, wie die erhaltenen
Briefe beweisen, Anlaß zu herzlichen Kundgebungen. Eines dieser betrüblichen
Ereignisse, das aber die gesamte österreichische Kunst aufs schmerzlichste betraf,
ist die Augenerkrankung Leopold Karl Müllers, dem eine Operation nur allzu kurze
und trügerische Heilung brachte. Diese Operation sollte zuerst schon im Winter
1886-87 vorgenommen werden. Unter dem 4. Dezember 1886 schreibt Pettenkofen
aus Venedig an Franz Xaver Mayer: „W^as Sie mir von L. Müller sagen und was
er mir vor einiger Zeit selbst mitteilte, macht mir um ihn Sorge und Kummer,
doch will ich hoffen, daß er seine volle Sehfähigkeit wiedererlangt und der öster-
reichischen Kunst ihr bester Maler noch lange erhalten bleibe." Und am 27. des-
selben Monats schreibt er gleichfalls aus Venedig an Müller selbst: „Mein lieber
Leo! Wenn ich auch meine Scheu vor brieflicher Mitteilung nicht zu bekämpfen
imstande bin (es fehlt mir am frohen und merkwürdigen Stoff, der briefliche Mit-
teilung so leicht fließen macht), so öffnet sich Dir zu dieser Zeit doch mein Herz
in eingewurzelter Freundschaft, um Dir nach gutem alten Brauch herzliche Wünsche
zum neuen Jahr zu schicken. Ich freue mich mit Rührung des Moments, wo
Dein Auge Dir und der selten gewordenen wahren Kunst wieder Freude und
Nutzen machen wird." Am 4. Mai 1887 schreibt er abermals aus Venedig, aber
an Fräulein Marie Müller und zwar auf ihre Anzeige von der nunmehr knapp bevor-
stehenden Operation hin: „Ich beeile mich, Ihnen herzlich Dank zu sagen für die
Ankündigung eines Ereignisses, welchem ich ebensosehr mit Ungeduld als mit
bewegtem Herzen entgegensehe. Obgleich mir schon in Wien, wie hier, von Fach-
kundigen versichert wurde, daß der Erfolg der Operation ein zweifellos guter sein
wird, werde ich doch erst wieder vollkommen beruhigt sein, wenn das Resultat
als vollkommen günstig festgestellt sein wird; und so erwarte ich, das Endgiltige
von Ihnen zu erfahren. Dabei vergesse ich weder auf Sie, Fräulein Marie,
noch auf Ihre guten Schwestern, welche in dieser kritischen Zeit manche Herz-
bewegung zu bekämpfen haben mochten, Leopolds vortreffliches Naturell ist
ihm jetzt eine gewaltige physische und moralische Hilfe, diese harte Probe zu
bestehen, und so wollen wir mit froher Zuversicht der endgiltigen Entscheidung
entgegensehen." Am 6. Juli schreibt er noch immer aus Venedig und auf die
Kunde von der — scheinbar wenigstens — glücklich vorübergegangenen Operation
hin an Fräulein Marie Müller: „Daß Sie meine Gefühle für Sie und Leopold nicht
nach meinem Stillschweigen beurteilen, glaube ich sicher sein zu dürfen, und so
darf ich mir denn auch jede erklärende Entschuldigung ersparen. Schon vor Ihrem
Brief war ich von der glücklichen Operation unterrichtet, und obgleich ich nur
Gutes erwartete und hoffte, fiel mir bei Erhalt Ihrer bestätigenden Nachricht eine
drückende Last von der Brust, und nun genieße ich die Freude mit Ihnen allen
242
Pinselskizzen zum „Gil Blas".
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
243
31*
von ganzem Herzen." Im Oktober hatte die Operation Müllers ein Nachspiel, das
Schlimmes für die Zukunft ahnen ließ. Pettenkofen schreibt darüber am 29. Oktober
an Franz Xaver Mayer: „Müller hat sich in der vorgestrigen Nacht sein operiertes
Auge in etwas beschädigt und wird mehrere Zeit die größte Ruhe unter augen-
ärztlicher Pflege beobachten müssen; er wird also Montag abends nicht bei Ihnen
sein können. Seine Schwestern sind begreiflicherweise nach so vielen erlebten Auf-
regungen des Gemütes über diesen Zwischenfall trotz der Tröstungen Dr. Fuchs'
in einer großen Gemütserregung und auch auf mich hat derselbe bei meiner sonstigen
Überempfindlichkeit einen peinlichen Eindruck gemacht. Jedenfalls würde, wenn
der Abend Montags bei Ihnen stattfindet, durch diesen Fall der heiterste und
froheste Ihrer Gäste fehlen."
Alle diese schriftlich niedergelegten Äußerungen legen ebenso sehr Zeugnis ab
für die warme und zartfühlende freundschaftliche Teilnahme Pettenkofens an dem
Menschen, als auch für seine Hochschätzung des Künstlers Müller. —
Mehr aber als mit anderen war Pettenkofen in dieser Schlußzeit seines Lebens
mit sich selbst beschäftigt, denn seine Krankheit machte, scheint es, rasche Fort-
schritte, die ihm, dem scharfen und geübten Selbstbeobachter, auch abgesehen von
den stetig wachsenden Beschwerden und Schmerzen, nicht verborgen bleiben konnten.
In den achtziger Jahren häufen sich die Kuren, mit denen Pettenkofen sein
Leiden zu bekämpfen sucht. Im Sommer 1880 gebraucht er zu Ebensee in Ober-
österreich eine Kaltwasserkur, im Sommer 1882 weilt er, natürlich gleichfalls zum
Kurgebrauch, in Kissingen, und in den Sommern der Jahre 1883, 1885, 1886 und
1888 unterzieht er sich in Karlsbad der Kur. Im Jahre 1886 gebraucht er, noch
bevor er nach Karlsbad geht, über einen Monat eine ihm anscheinend recht wenig
bekömmliche Kur in Jena.
Überall, wo immer er sich aufhält, befragt er einen Arzt. Es seien nur die nam-
hafteren Ärzte Wiens genannt, die er entweder bloß konsultierte oder von denen
er sich kürzere oder längere Zeit behandeln ließ: Schrötter, Bamberger, Nothnagl,
Oser, Breuer, Skofitz, Pollitzer, Urbantschitsch, Frisch. Mit Professor Schrötter und
mit Dr. Frisch, der Professor der Anatomie an der Akademie der bildenden Künste
und in der letzten Zeit sein behandelnder Arzt war, stand er in freundschaftlichem
Verhältnis. Mit Professor Schrötter, dessen kurz angebundenes Wesen ihm impo-
nierte, duzte er sich sogar. Er verkehrte auch mit der diesem verschwägerten
Familie Wagner, die er ein paarmal in St. Justina bei Bozen besuchte.
Naturgemäß mehren sich sowohl im Tagebuch als auch in den Briefen die
Bemerkungen über den Krankheitszustand. Aber während sie dort bis knapp vor
dem Ende bloß registrierender Art bleiben, schwellen sie hier gelegentlich zu be-
weglichen Klagen an. Unter dem 23. Februar 1888 findet sich z. B. im Tagebuch
eine Zusammenstellung der Anfälle, die er seit dem 1. Oktober des vergangenen
Jahres gehabt hat. In dem bereits angezogenen Pariser Brief vom 6. Jänner 1883
an Franz Xaver Mayer spricht er von seinem Leber- und Milzleiden, das den
Winter über stark im Vordergrund stehe. Den tiefsten Eindruck machen natürlich
jene Stellen seiner Briefe, in denen er seine Schaffenskraft zu seinem Übeln Gesund-
heitszustand in Beziehung setzt. So schreibt er z. B. in dem Brief vom 3. Juni 1883 aus
244
Venedig an Franz Xaver Mayer: „Ja! mein verehrter Freund, zu was Sie mich in Ihrem
Brief anzuregen suchen: viele Sujets zu sammeln, das habe ich bereits getan,
darunter nicht Unbedeutendes, und es wird mir voll ums Herz, wenn ich bedenke,
daß mir die Kraft ausgehen wird, bevor ich einen Teil werde vollenden können.
Wenn nur die Phantasie frisch und bereitwillig ist, fehlt es nicht am Trieb zum
Schaffen und nicht an Illusionen, welche nur zu leicht vergessen machen, daß die
Don Raphael unterhält die Korsaren mit seinem Saitenspiel. Bleistiftskizze
zum „Gil Blas". Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
Arbeitskraft, welche die Ausführung fordert, — eines Tages fehlen könnte." Am
26. Mai 1884 spricht er in einem Brief abermals aus Venedig und abermals an
Franz Xaver Mayer von dem „immerwährenden Kampf geistigen WoUens mit
körperlicher Unfähigkeit " .
Da sich Pettenkofen über die Gefährlichkeit seines Zustandes erstaunlich klar
und er zeitlebens ein Mann peinlichster Gewissenhaftigkeit und Ordnung gewesen
ist, so denkt er bei Zeiten an die Besorgung seiner irdischen Geschäfte. Zuerst
ordnet er, womit er bereits im Herbst des Jahres 1887 begonnen zu haben scheint,
seinen künstlerischen Nachlaß. Er sichtet, vernichtet wohl auch, legt Verzeichnisse
an, läßt schätzen und schließt noch den einen und den andern größeren Verkauf
245
ab. Ja er stellt sogar eigenhändig die Zeichnungen, von denen mehrere auf ein
Passepartout kommen müssen, zusammen, wählt selbst den dickeren braunen und
den dünneren blauen Karton mit dem roten Rand dazu aus und bestimmt selbst
die beiden Stempel, mit denen die Arbeiten seines Nachlasses als solche bezeichnet
worden sind. Auf die Ölbilder und die Passepartouts der Aquarelle und Hand-
zeichnungen wurde als Stempel ein Facsimile seiner Unterschrift „Pettenkofen",
auf die Aquarelle und Handzeichnungen ein Stempel mit Druckbuchstaben „Nach-
laß Pettenkofen" gedrückt.
Dann bereinigt er bis auf drei noch aus alter Zeit herstammende Schuldposten,
um die wir bereits wissen, von denen aber nochmals die Rede sein wird, seine
materiellen Verbindlichkeiten und errichtet schließlich sein Testament.
Zu diesem Schritt wurde er durch das schlechte Verhältnis, in dem er zu seinem
Bruder Ferdinand stand und das für ihn im Februar des Jahres 1888 den Gipfel
der Unerträglichkeit erreicht zu haben scheint, veranlaßt. Was immer auch dieser
Bruder für ein Mensch gewesen sein mag, sicher ist, daß er Pettenkofen sein
ganzes Leben lang fremd geblieben ist und dieser, wie er sich selbst ausdrückt,
nichts mit ihm gemeinsam hatte als die Eltern. Ebenso sicher ist ferner, daß
Pettenkofen den größeren Teil seines Lebens hindurch für diesen Bruder Geldopfer
gebracht hat. Wegen der Heirat, die Ferdinand Pettenkofer — so schreibt sich der
Bruder — eingegangen war und die ihn vollends mit dem Künstler entzweit hatte,
wollte dieser ihm in seinem Testament wohl eine lebenslängliche Rente aussetzen,
ihn aber durchaus nicht zum Universalerben machen und vor allem dessen Frau
und Kinder von der Erbfolge ausschließen. In diesem Sinne errichtete er auch
sein Testament, dessen Entwurf er am 3. April 1888 bei dem Advokaten Dr. Josef
Stöger deponierte. Am selben Abend gieng er der Eintragung im Tagebuch zufolge,
wohl weniger weil er sich erleichtert fühlte, als vielmehr weil ihm nach jenem
aufregenden Entschluß Zerstreuung und Ablenkung vonnöten war, ins Carltheater.
Am 9. April endlich hinterlegte er bei Stöger die endgiltige Fassung des Testa-
mentes, das auch von diesem Tage datiert ist und das am 22. März 1889, einen
Tag nach Pettenkofens Tod, kundgemacht wurde.
Das Testament beginnt mit folgendem Satze: „Da es zumeist auf Zeitumstände,
Launen der Mode oder auch auf andere Umstände ankommt, ob der künstlerische
Nachlaß eines Malers Geld einträgt, und dann, ob mehr oder weniger, so weiß ich
heute nicht, — da ich nur wenig Barvermögen und auch nur wenige künstlerische
Arbeiten hinterlasse, wie viel ich zu vererben haben werde."
Sein Bruder Ferdinand, der ihn übrigens nur ganz kurze Zeit überleben sollte,
erhielt eine lebenslängliche Jahresrente von 1200 fl., die für den Fall, daß eines
der hinterlassenen Lose einen entsprechenden Treffer machte, bis auf das Doppelte
vermehrt werden sollte.
In welchem Betrag das Guthaben, das von Friedrich Gsell auf dessen Schwester
Julie in Bischweiler übergegangen war, noch zu Recht bestünde, sollte von Fräulein
Gsell selbst bestimmt werden, und desgleichen wurde Franz Xaver Mayer ge-
beten, die Summe, die ihm Pettenkofen noch schuldete, aus dessen Nachlaß ein-
zufordern.
246.
Bezeichnend für Pettenkofen und das Verhältnis, in dem der Kunsthändler Plach
zu ihm gestanden war, ist der den dritten Schuldposten betreffende Passus des
Testamentes. Er lautet: „Anbei findet sich eine Schuldverschreibung, von mir aus-
gestellt über ein Guthaben des bereits verstorbenen Kunsthändlers Georg Plach,
welche mir durch dessen Witwe, gegenwärtig Baronin Schwarz, Heugasse 8, nach
dessen Tode auf sein Verlangen zugestellt wurde. Dennoch betrachte ich diese
Schuldverschreibung — jedoch ohne Zurechnung von aufgelaufenen Interessen —
f.
■■>*^
"^S^t^.-
i.m .-^
Der Haushofmeister Rodriguez stellt Gil Blas seinem Herrn, Don Mathias de Silva, vor. Bleistiftskizze.
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
als in voller Giltigkeit, und der darauf haftende Betrag ist meinen Schulden zuzu-
rechnen."
Als Universalerben setzte er die vier Fräulein Müller ein, die Schwestern seines
Freundes Leopold. Hätten diese die Erbeinsetzung abgelehnt, so wäre die Karoline
Riedische Kinderspitalstiftung in Wien an ihre Stelle getreten.
Zum Testamentsvollstrecker ernannte er seinen „hochverehrten Freund" Franz
Xaver Mayer sen.
Von dem Tag, an dem Pettenkofen sein Testament niederschrieb, bis zu jenem,
an dem ihn der Tod ereilte, sollte kein volles Jahr mehr verstreichen.
Noch am 2. März 1889 scheint sich Pettenkofen verhältnismäßig wohl gefühlt
zu haben. Er war da mit Müller und Lichtenfels zusammen und besuchte abends,
was er, der Pferdekenner und -liebhaber, sehr gern getan haben muß, den Zirkus
Renz. Mit dem nächsten Tag aber setzen im Tagebuch die ausführlichen Krank-
247
heitsschilderungen ein, und vom 4. ab konsultiert er Dr. Breuer. Am 7. befragt
er auch Professor Schrötter. Aber noch am 8. hat er mit dem Kostümmeister des
Operntheaters Burghart zu tun. Dienstag den 12. schreibt er in sein Tagebuch:
„Heute früh am schlimmsten, vollkommen gebrochen, die Kräfte tief herunten.
Fieber dauert gleichmäßig fort. Heute früh 91 Puls. Einen Teil der Nacht habe
ich sitzend im Bett zugebracht, der Husten ein krampfhaftes Würgen, kein Aus-
wurf, aber Blut mit Schleirh und Speichel vermischt. Atmen sehr erschwert. Magen-
zustand wie gestern . . . Beim Ausgehen, Stiegensteigen außerordentliche Atemnot,
krampfhafter Husten, Abgeschlagenheit in den Beinen, Kräfte sehr herunten. Großer
Widerwille zu essen, Bedürfnis zu trinken und Kaltes zu trinken. Wasser?" Aber
an diesem Tag macht er noch drei Besuche: bei Dr. Breuer, seinem Bruder und
Dr. Frisch. Unter Donnerstag dem 14. heißt es weiter im Tagebuch: „Diese Nacht
die schlimmste von allen, voll unsäglicher Leiden, die Luftwege alle verstopft,
unausgesetzt tief krampfhaftes, erschöpfendes Husten mit Rasseln und Pfeifen in
den Luftwegen. Mein Kopf wie zerbrochen, — habe den größten Teil der Nacht
sitzend verbracht. Die Nervenschmerzen durchbohrend. Hatte diese Nacht einen
Prießnitzumschlag. Puls 73, Blut 37'8. Entkräftung außerordentlich. Früh und mittag
. . . Essen und Medizinnehmen unmöglich. Milch." Diesen Tag unternahm er zu
Professor Oser seinen letzten Ausgang. Freitag den 15. legte er sich. An diesem
Tage heißt es unter anderm im Tagebuch: „Meine gewöhnliche Reinlichkeits-
Frühabwaschung stellte mir den Hochgenuß vor, den mir der Sprung in einen
kalten klaren See bereiten müßte." Samstag den 16. wurde er auf Betreiben Müllers
aus dem Hotel Elisabeth, wo er wie gewöhnlich wohnte, ins Sanatorium Low
transportiert. Er träg^ an diesem Tage folgendes ein: „Äußerste Entkräftigung und
Atemnot . . . Beide Füße seit vorgestern angeschwollen." Sonntag den 17. heißt
es: „Die Nacht vergieng unter großer Atemnot und Nervenschwäche. Heute der
Schwächezustand am höchsten. Prof. Oser. Fortwährende Atemnot, zunehmende
Schwäche. Die Nacht große Not, Erschöpfung — Verzweiflung!" Montag
den 18.: „Wie vorher. Abends Oser. Nacht Not und Erschöpfung. Schlaflos."
Dienstag den 19.: „Früh 7 Uhr. Große Erstickungsnot, Kräfteverfall! Ich kann
nicht mehr!"
Mit diesen ergreifenden Worten schließen die Eintragungen, die den Künstler
ganz so wie einen kaltblütigen Naturforscher, etwa einen Arzt, bis knapp vor dem
Tod als unerbittlichen Beobachter sogar des eigenen Verfalles zeigen. Jedenfalls
geht aus diesen Notizen auch hervor, daß das, was Pettenkofen in seiner letzten
Lebenszeit einmal nachdenklich und sehnsuchtsvoll in sein Tagebuch schreibt:
„Euthanasie, das sanfte Sterben" ihm selbst nicht beschieden war.
Donnerstag den 21. März um halb 9 Uhr früh wurde er erlöst. Wie Hogarth,
dessen Geburts- und Todesdatum er sich gelegentlich aufschreibt, erreichte er ein
Alter von nicht ganz 67 Jahren. Er starb in den Armen von Dr. Frisch. Zu einer
schleichenden Entzündung des Muskelfleisches war eine Rippenfellentzündung ver-
derblich hinzugetreten. Den Grund zu dieser soll eine Erkältung gelegt haben, die
er sich noch in Venedig, als er im Gäßchen seines „Straßenkampfes" malte, geholt
hatte. Schließlich machte seinem Leben ein Herzschlag ein Ende.
248
Auf dem Totenbett wurde Pettenkofen von Josef Engelhart, dem wienerischesten
unter den Wiener Malern der nächsten Zeit und einem großen Verehrer des Dahin-
geschiedenen bis auf den heutigen Tag, gezeichnet, und diese Zeichnung wurde
dann mittels Heliogravüre vervielfältigt.
Wie so oft enthält auch in diesem Fall der Partezettel manches, was die bitterste
Ironie des Verstorbenen geweckt hätte; so gibt, wie nun schon einmal die übliche
Phrasierung lautet, „schmerzerfüllt Nachricht von dem ihn tief betrübenden Ableben
seines innigstgeliebten Bruders" — Ferdinand Pettenkofen, also just der Mensch,
Dreifaltigkeit auf
der August Petten-
kofen innerlich am
fernsten stand; fer-
ner tituliert die To-
desanzeige Petten-
kofen wohl „k. k.
Professor " und
„ Ritter der eisernen
Krone III. Klasse
und des Franz
Josef- Ordens etc.
etc.," deutet aber
mit keiner Silbe an,
daß er — Maler
war, und schließ-
lich spricht sie gar
von seinem — „ kur-
zen Leiden!"
Das Leichenbe-
gängnis fand am
23. März statt. Der
Leichnam wurde
in der Pfarrkirche
zur allerheiligsten
>T;^^"^-"'^*^''
,.;•?
/
Bleistiftskizze zum „Gil Blas".
Wien, Eugen Miller v. Aichholz.
der Alserstraße ein-
gesegnet und in
einem eigenen Grab
auf dem Zentral-
friedhof bestattet.
Nach dem Tode
Leopold Karl Mül-
lers, der so bald,
schon am 4. Au-
gust 1892, dem
Freunde nachfol-
gen sollte, wurden
die Leichen beider
in einem von der
GemeindeWien ge-
widmeten Ehren -
grab beigesetzt. Es
ist mit einem Mar-
mordenkmal von
der Hand Viktor
Tilgners geziert :
an einem Obelisken
sitzt ein trauernder
Mann, die Rechte über ein Medaillon gelegt, das die Profilbildnisse der beiden
Künstler zeigt. Tilgner hat dieses Monument auf Grund einer (hier abgebildeten)
flüchtigen Bleistiftzeichnung Pettenkofens, die sich in dessen Nachlaß fand, ausge-
führt. Die Zeichnung ist aber keineswegs, wie gemeint wurde, ein Entwurf Petten-
kofens für ein Grabdenkmal. Derlei stünde unter Pettenkofens Arbeiten ganz ver-
einzelt da. Gegen diese Annahme spricht schon der Profilkopf auf dem Medaillon,
der trotz seiner Flüchtigkeit dennoch das XVIII. Jahrhundert erkennen läßt. Die
Zeichnung ist vielmehr eine rasche Notiz, die sich Pettenkofen wie so oft nach
einem Kunstwerk machte, das ihm besonders gefiel. Wo dieses Grabmal nun zu
suchen wäre, weiß der Autor leider nicht zu sagen. Vielleicht in den Denkmal-
wäldern de^ P^re Lachaise oder Montmartre.
Die Gemeinde Wien ehrte übrigens Pettenkofen nicht bloß durch die Verleihung
249
3»
des Ehrengrabes, sondern auch durch die Taufe einer Gasse im dritten Bezirk auf
seinen Namen.
Noch im Herbst von Pettenkofens Todesjahr fand eine ausschließlich ihm gewid-
mete Ausstellung im Wiener Künstlerhaus statt, und im Jänner des folgenden
Jahres wurde ebenda durch Miethke sein künstlerischer Nachlaß, der nicht weniger
als 561 Nummern umfaßte und über 83.000 fl. einbrachte, versteigert. Durch jene
Ausstellung und durch diese Auktion lernten die Wiener erst kennen, was sie an
Pettenkofen verloren hatten.
250
SIEBENTES K^VPITEL
DER pq^NSTLER
UND DER MENSCH
as in diesem Kapitel vorgebracht wird, soll ein Versuch sein,
mit Hilfe des verschiedenartigsten Materials, das sich in das
Gewebe der chronologischen Darstellung nur schwer hätte ein-
flechten lassen, nochmals und zwar geschlossener und von allem
außerhalb der Persönlichkeit Liegenden unabhängiger, als dies
bisher geschehen konnte, ein Bild von Pettenkofens äußerem
und innerem Menschen zu entwerfen.
Mit dem äußeren Menschen, der zugleich Matrize und Abguß des inneren ist,
sei begonnen. Er wird uns vor allem durch eine Reihe von Bildnissen nahe
gebracht.
Das älteste Porträt, das von Pettenkofen vorhanden ist, stellt ihn als zehn- bis
zwölfjährigen Jungen dar. Der dilettantischen Aquarellminiatur, die von der Hand
von Pettenkofens Vetter Theodor Mayer stammt, ist aber nicht sehr zu trauen, da
sie die Augen hellbraun statt hellgrau zeigt. 0
Das nächste Bildnis führt Pettenkofen als Kadetten bei den Bayern-Dragonern
vor, den Helm auf dem Haupt und hoch zu Roß. Das Original, eine Feder-
zeichnung, ist eine gemeinschaftliche Arbeit von Karl Göbel und Pettenkofen selbst,
ist 1841 entstanden und stellt daher Pettenkofen als neunzehnjährigen Jüngling dar.
Göbel hat die Hauptfigur, eben den jugendlichen Pettenkofen, und dieser die paar
übrigen nur leicht angedeuteten Reitergestalten, die den Hintergrund füllen, ge-
zeichnet. Das Blatt ist heute leider verschollen. ^) Eine Kopie darnach war am
16. April 1889 im „Illustrierten Wiener Extrablatt" reproduziert. Da die Zeichnung
dem Autor nur aus diesem abgeleiteten Zeitungscliche bekannt ist, läßt sich aus
diesem Porträt auf Pettenkofens Aussehen als Jüngling kein irgendwie ergebnis-
reicher Schluß ziehen. ')
Eine bessere Vorstellung von Pettenkofens Äußerem vermittelt das schon er-
wähnte, in zwei eigenhändigen Exemplaren erhaltene kleine Aquarell Pettenkofens,
das ihn selbst und seinen Freund, den Maler Franz Brudermann, wiedergibt.
Freilich wird auch auf die Bildnistreue dieser Arbeit nicht allzufest gebaut werden
dürfen. Es fallen der kleine Kopf und, trotz des Gegensatzes zu dem kleineren
251
3»*
Brudermann mit dem Hängebauch, die für den kaum Dreißigjährigen eigentlich wenig
schlanke Gestalt auf. Das Haar ist kastanienbraun, die bequeme Haltung verrät
gleichwohl Schnellkraft. Schon ist das Kinn ausrasiert, eine Barttracht, die Petten-
kofen bis an sein Lebensende beibehält. Auch der Vatermörder, das mit der Hand
geknotete weiche Halstuch und die Virginier-Zigarre sind charakteristisch und
haben im wesentlichen Pettenkofen durchs Leben begleitet. Desgleichen scheint er
zur schönen Zeit und auf dem Land den weichen breitkrempigen Hut (hier ist es
ein Strohhut, auf einer aquarellierten Zeichnung, die sein Logement darstellt und
aus dem Besitz der Geliebten stammt, ist es ein grauer Filzhut) bevorzugt zu
haben.
Eine vom 7. Februar 1852 datierte und „Pepi Berres" ') signierte Bleistiftzeich-
nung im Besitz der Damen Müller, die die Brustbilder von Pettenkofen und
Brudermann darstellt, ist zu schwach, um irgendwelche wichtigere Anhaltspunkte
zu liefern.
Nicht viel später als die eben besprochenen Porträte, aber doch wohl bereits
nach dem ersten Pariser Aufenthalt, dürfte Pettenkofens gleichfalls schon einmal
genannte flotte Aquarellskizze anzusetzen sein, die ihn und die Geliebte darstellt.
Von einer Porträtähnlichkeit, mindestens der Gesichter, kann hier infolge der
Flüchtigkeit der Ausführung nicht gesprochen werden. Dafür scheint die Haltung
vorzüglich wiedergegeben zu sein und auch die Tracht ist von Interesse. Wie auf
dem Aquarell, das Pettenkofen zusammen mit Brudermann darstellt, hat er auch
hier die Hand in der Rocktasche. Hier sieht er zum ersten Mal groß und schlank
aus. Ungemein persönlich mutet, wenngleich hier durch die um Haupteslänge
kleinere Begleiterin motiviert, der leicht vor- und herabgeneigte Kopf an. Der Hut
ist. ein sogenannter Stößer, d.i. ein Zylinder mit flacher, gerader Krempe. Dieser
Stößer gilt in Wien bis auf den heutigen Tag, da er freilich kaum mehr auf der
Straße und nur selten noch auf der Bühne zu sehen ist, als ganz besonders
wienerisch. Der Burgtheaterdirektor Burckhard und der Schauspieler Martinelli
haben ihn getragen, jetzt trägt ihn wohl nur mehr der Klavierfabrikant Bösendorfer.
Pettenkofen scheint sich zeitlebens nicht von ihm getrennt zu haben.
Noch den fünfziger Jahren gehören die vielen Selbstbildnisse in dem oben er-
wähnten Album von Pettenkofens Geliebter an, das aus illustrierten phantastischen
Episteln zusammengestellt ist. Freilich ist hier alles leicht karikiert, trotzdem
werden namentlich gewisse Bewegungen der schlanken, elastischen Gestalt zweifel-
los treu festgehalten sein. Auf einer mit der Feder gezeichneten Schlußvignette des
Fragmentes eines Briefes an die Geliebte, der höchstwahrscheinlich auch noch den
fünfziger Jahren angehört und sich dermalen im Besitz des Autors befindet, sind
zum ersten Mal die sogenannten Sechser zu erkennen, d. h. die von hinten nach
vorne im Bogen aufwärts übers Ohr gekämmten Haare. Auch das ist eine typische
altösterreichische Mode, Schmerling trug sich z. B. so.
Die nächsten Bildnisse sind bereits Photographien. Sie stammen jedenfalls schon
aus den sechziger Jahren und veranschaulichen demnach Pettenkofen als reifen
Mann, zu Beginn oder in der Mitte der Vierzig. Von Aufnahmen in Visiteformat
geben ihn zwei mit ganz geringen Verschiedenheiten in ganzer Figur wieder, eine
252
Pettenkofen und Brudermann in Kloster-
neuburg. Aquarell.
Wien, Dr. Albert Figdor.
dritte') ist ebenso wie eine Aufnahme in Kabinett-
format ein Bruststück, Auch dieser Fall beweist wieder
die grundlegende Bedeutung der Photographie. Denn
so interessant und zum Teil künstlerisch wertvoll die
bisher besprochenen Porträte auch sind, so gewinnt
derjenige, welcher Pettenkofen nicht gekannt hat, doch
erst angesichts dieser Photographien den Eindruck,
nunmehr mit Pettenkofens Äußerem einigermaßen ver-
traut zu sein. Auf den Visitebildern fällt der ernste,
beinahe finstere Ausdruck auf. Das Auge beobachtet
mit ruhiger Schärfe. Die Stirn ist hoch. Das auf dem
Scheitel schon etwas gelichtete Haar ist in der Mitte
abgeteilt, das Kinn zeigt ein Grübchen. Die Haltung
ist vornehm-nachlässig, der Kopf trotz der zwar nicht
sieht-, aber fühlbaren Stütze des Photographen, die
ihn etwas steif aufrecht hält, abermals leicht vor-
geneigt. Die Linke hält einen Stößer. Anderes, teils
weniger, teils mehr, sieht man auf dem Brustbild in Kabinettformat.'') Der Blick
ist leerer, doch läßt sich hier zum ersten Mal, sieht man von dem Kinderbildnis
ab, die helle Farbe der Iris erkennen. Die Stirn erscheint etwas niedriger und
weniger steil. Die proportionierte Nase ist deutlich als gerade zu erkennen. Viel-
sagend ist der Mund mit der sinnlich vollen, beinahe ein bißchen derb aufge-
worfenen Unterlippe.
Nun vergehen etwa anderthalb Jahrzehnte, bis sich Pettenkofen wieder porträ-
tieren läßt. Am 8. Mai 1878 schreibt er aus Paris an Franz Xaver Mayer: „Es
ist sehr freundlich, daß Sie mich an meine Photographie erinnern; ich werde sie
machen lassen, sobald ich mich wieder etwas frischer fühle. Es ist des besseren
Eindruckes wegen." Zu dieser Photographie scheint es aber nicht gekommen zu
sein. Dagegen wurde Pettenkofen einem schriftlichen Zeugnis zufolge das Jahr
darauf von Lenbach porträtiert. Der schon erwähnte Alexander Günther schreibt
nämlich über das in seinem Besitz befindliche Bild am 24. Jänner 1890 aus München
an Leopold Karl Müller: „Mein Porträt ist 1879 gemalt, es ist das einzige, welches
ein vollständiges Bild Pettenkofens und zwar von seiner sympathischen Seite gibt
und, wenn es photographiert wird, werde ich sehr gerne Ihnen und Ihren Fräulein
Schwestern Exemplare der Photographie zustellen." Es ist das hier abgebildete
Pastellporträt von der Hand Lenbachs, von dem sich bis auf den heutigen Tag
zwei Photographien im Besitz der Damen Müller') erhalten haben. Auf diesem
Bild nun, das Lenbach sehr genau, aber weniger eindrucksvoll in Öl wiederholt
hat, *) sieht Pettenkofen nicht nur gealtert, sondern auch kränklich aus. Das Gesicht
ist zugleich hagerer und schwammiger geworden. Das Haar läßt den Scheitel be-
reits bloß, ist angegraut und nicht mehr so sorgfältig gepflegt wie früher, fast ein
bißchen verwildert. Nach Lenbachs Art ist — auf dem Pastell mehr als auf dem
Ölbild — der Blick der hellen Augen besonders herausgearbeitet. Stärker noch als
auf der Kabinettphotographie ist der beinahe trotzige, mindestens von stolzer Selb-
253
ständigkeit zeugende Zug um den Mund. Schön ist die Stirn, deutlich die steile
Doppelfalte über der Nasenwurzel. Außer dem schon Hervorgehobenen fallen die
rechte Braue, die sich anders, nicht im selben flachen Bogen, wölbt als die linke,
die etwas schweren oberen Lider und der große fleischige Lappen des hier zum
ersten Mal ganz sichtbaren Ohres auf.
Wie Pettenkofen am 3. Juni 1883 aus Venedig an Franz Xaver Mayer schreibt,
hat er das Jahr vorher in Paris zur selben Zeit, als er am „Duell in der Au"
arbeitete, auch sich selbst in Pastell zu porträtieren versucht. Er scheint aber mit
diesemi Selbstbildnis ebensowenig zufrieden gewesen zu sein wie mit dem un-
gefähr gleichzeitigen Pastellporträt von Sedelmeyers Frau, das er mit einem Esel
signierte. Während aber das Bildnis der Frau Sedelmeyer noch erhalten ist,
existiert das Selbstporträt nicht mehr. Er hat es sicherlich mit eigener Hand ver-
nichtet.
Lenbach hat aber Pettenkofen noch ein drittes Mal gemalt, im Jahre 1883, ^) als
Einundsechzigj ährigen also. Das Bild, das Franz Xaver Mayer gehört, ist besonders
durch die Radierung, die William Unger darnach hergestellt "), und durch die kleine
Heliogravüre darnach, die den Katalog der Nachlaßauktion eingeleitet hat, bekannt
geworden. Lenbach hat es — wie übrigens die beiden älteren Porträte auch —
mit seinem vollen Namen signiert und dadurch bekundet, daß er es für keine
schlechte Leistung seiner Hand hielt. Angesichts eines derartigen Werkes von
Lenbach muß man sich glücklich preisen, daß Pettenkofens Züge durch einen
solchen Meister der Nachwelt überliefert worden sind. Doch schränkt sich diese
Freude unwillkürlich ein, ist man in der Lage, die photographische Momentauf-
nahme, die sich Lenbach als Hilfsmittel für das Porträt selbst gemacht hat "). niit
diesem zu vergleichen. Vor allem zeigt die Photographie insoferne mehr, als auf
ihr noch der ganze rechte Arm mit der den Pinsel haltenden ausdrucksvollen
mageren Hand und hinten auch noch die von der Linken gehaltene Palette
sichtbar sind. Es ist ein Augenblick festgehalten, in dem sich der mit
seiner Arbeit beschäftigte Künstler, den Pinsel absetzend, mit Haupt und
Augen von dem Bild vor sich auf der Staffelei wegwendet und auf jemanden
blickt, der ihn anspricht. Die uns bereits vertraute vorgeneigte Haltung des
Kopfes, nunmehr schon durch die leichte Alterskrümmung des Rückgrates
verstärkt, fällt als besonders charakteristisch auf. Das Bild zeigt Pettenkofen
viel aufrechter. Ein Vergleich der beiden Antlitze aber entscheidet vollends zu
Gunsten der Photographie. Auf dem Bilde ist alles runder, weicher, mehr ausge-
glichen und darum farbloser. Der Blick ist sanfter, die Stirn ist mehr gewölbt,
der Nasenrücken ist nicht so scharf, die Unterlippe drängt sich weniger vor, das
Haar ist ein bißchen mehr geordnet, aber auch der Körper ist voller, sogar die
Spitzen des Vatermörders sind stumpfer. Nur die etwas auffällige Bildung des
Ohres und die Kerbe im Kinn treten beinahe auf dem Gemälde stärker hervor als
auf der Photographie. Diese Photographie ist vielleicht das einzige Porträt Petten-
kofens, das eine entfernte Ähnlichkeit mit dem erhaltenen Bilde seines Vaters zeigt.
Manche wollen auch auf der Lenbachschen Photographie Pettenkofens Typus un-
garisch, ja geradezu zigeunermäßig finden.
.254
Pettenkofen. Photographie.
Das Porträt Lenbachs ist das letzte, das von Petten-
kofen bei seinen Lebzeiten gemacht wurde.
Das nächste, die schon erwähnte in Heliogravüre
vervielfältigte Zeichnung Josef Engelharts, ^■) stellt
Pettenkofen bereits auf dem Totenbett dar, und gar
erst ein paar Jahre nach seinem Hinscheiden schuf
Viktor Tilgner das wenig ansprechende, die greisen-
haften Züge fast bis zur Grimasse geschärft wieder-
gebende Profilbildnis Pettenkofens an dessen und
Leopold Müllers Grabstein.") —
Die Zartheit von Pettenkofens Gestalt wird durch
sein Körpergewicht verbürgt, das er von Zeit zu Zeit
gewissenhaft verzeichnet. So findet sich z. B. auf
einem Zettel die Notiz: „1857, 19. März. Gewogen
124 Pfd. . . .", und im Tagebuch heißt es beispiels-
weise am 30. November 1869 : „Gewogen 124 Pfund,
vor Tisch, leichte Kleidung" oder am 2. August 1873:
„Gewogen 125 Pfund Vj, leichter Anzug" oder am
1. September 1884: „Gewogen ohne Rock und Hut,
Herbsthosen 66 kg 700 g." Noch in späteren Jahren war er so gelenkig, daß er
ein Bein über den Nacken schlagen und in lustiger Gesellschaft beim Champagner
vorzüglich demonstrieren konnte, wie man in Paris Cancan tanze — ein Tanz, der
ihm übrigens nach seinem eigenen Geständnis in den phantastischen Briefen an
die Geliebte vom Jahre 1852 schon als jungem Menschen und zwar nicht bloß vom
Zusehen her bekannt gewesen sein muß.
Sehr scharf waren bis in sein Alter seine Sinne. Wohl kam es vor, daß er als
Sechzigjähriger beweglich über die Abnahme seiner Sehschärfe klagte, sein Freund
„Leo" vermochte ihn aber leicht von der Grundlosigkeit oder Übertriebenheit
solchen „Lamentos" zu überzeugen. Wenn Pettenkofen längst die Beschwerde über
seine Augen vergessen hatte, warf Müller, etwa auf eine ferne Kirchenuhr zeigend,
herausfordernd hin: „Du behauptest immer. Du hättest so gute Augen, wie viel
Uhr es aber jetzt dort am Turm ist, siehst Du doch nicht." Pettenkofen, die Falle
nicht ahnend und auf sein scharfes Gesicht stolz, sagte dann: „Oho, das seh' ich
schon noch" und las zum großen Gaudium Müllers die Zeit richtig ab.
Pettenkofen war ein starker Esser, genierte sich aber wegen seines Appetites.
Das soll der Grund gewesen sein, warum er z. B. Sedelmeyers Einladung, an
dessen Tisch zu speisen, ablehnte. Sein guter Magen blieb ihm bis an sein Ende
treu, und klagte er gleich auch über ihn, so berichtigte er sich doch auch in diesem
Falle und abermals vor Müller als halbgeärgertem, halb belustigtem Zeugen durch ein
mehr als ausgiebiges „Einverleibungsfest", das dem gesündesten Magen zur Ehre
gereicht hätte, nach nicht zu langer Zeit und aufs gründlichste selbst.
War nun schon einmal von der einen der beiden Hauptkräfte, durch die Natur
das Getriebe der Welt zusammenhält, von dem Hunger, die Rede, so soll auch
die andere, die Liebe, nicht unerwähnt bleiben. Daß diesem Triebe in Pettenkofens
255
Leben keine unbedeutende Rolle zugefallen ist, verrät der sinnliche Mund, der uns
schon von den Porträten her bekannt ist. Dem einigermaßen weltkundigen Be-
trachter von Pettenkofens Leben könnte es ferner auch ohne die diesbezüglichen
Hinweise der mündlichen Überlieferung unmöglich verborgen bleiben, daß ihn das
andere Geschlecht sehr viel Geld gekostet hat. Richtig ist, daß andere Personen
aus Pettenkofens Arbeiten sehr viel besser Kapital zu schlagen gewußt haben als
er selbst und daß er für seinen Bruder hat sorgen müssen, trotzdem blieben bei
seinem Fleiße und den keineswegs unbeträchtlichen Summen, die ihm immerhin
für seine Bilder bezahlt wurden, seine ihn durchs ganze Leben begleitenden
Schulden schlechterdings unerklärlich, setzte man nicht in sein Ausgabenkonto jenen
von ihm im Tagebuch allerdings diskret verschwiegenen, ohne Zweifel aber recht
erheblichen Posten ein. Eine verständlichere Sprache als Vermutungen und Andeu-
tungen aber führen gewisse freie Zeichnungen, die sich von Pettenkofens Hand
erhalten haben. Daß diese Blätter höchst wahrscheinlich gegen seinen Willen auf
die Nachwelt gekommen sind, ist eine Sache für sich, die aber den Historiker na-
türlich nicht dazu veranlassen kann, diese Erzeugnisse übermütiger und üppiger
Stunden ganz mit Stillschweigen zu übergehen. Die Zeichnungen erzählen mit
vollendeter Künstlerschaft und gutem Humor von „Meister Istes" Triumphen und
„Grillen".
Der Frau Leopoldine Mayer hat Pettenkofen einmal auf die Frage, warum er nicht
geheiratet habe, geantwortet, weil er eine Frau nicht hätte erhalten können. Das
war nur insoferne die Wahrheit, als Pettenkofen, ohne ein Knauser zu sein, als
älterer Mann tatsächlich die bei seiner Kränklichkeit ja nicht so unbegründete Angst
hatte, er werde mit seinem Gelde nicht auskommen. Wenn Müller in einem
Fiaker fuhr, so nannte er ihn einen Verschwender, und als ihm während seiner
letzten Krankheit Müller zuredete, doch in ein Sanatorium zugehen, sagte er: „So
was kann ich mir nicht leisten, da bin ich zu arm." Müller mußte ihn schließlich
eigenmächtig ins Sanatorium Low schaffen lassen. — Für Pettenkofens Jungge-
sellentum war natürlich jenes Verhältnis, das in die Blütezeit seines Lebens fällt,
ein triftigerer Grund als die Unzulänglichkeit seiner Mittel. —
Das Aussehen eines Menschen wird durch die Art, wie er sich kleidet, kaum
weniger bestimmt, als durch seine Leiblichkeit. Zu dem, was schon früher anläß-
lich der Bildnisse Pettenkofens von seiner Tracht gesagt worden ist, seien folgende
paar Bemerkungen nachgetragen: Pettenkofen hielt zeitlebens etwas auf sein
Äußeres und trug sich, wenn schon nicht elegant, so doch gewählt und sorgfältig.
Jedenfalls machte er einen sehr distinguierten, keineswegs einen vernachlässigten
Eindruck. Am Schlüsse seines Lebens haftete ihm vielleicht ein bißchen etwas Alt-
modisches an. Er sah wie ein „Offizier in Zivil", wie ein „Kavalier" aus, eine
aristokratische Dame nannte ihn den „Diplomaten" oder den „Lord". Als junger
Mensch mag er wohl etwas eitel gewesen sein. Müller neckte ihn später gern mit
der Behauptung, er habe ihn in jungen Jahren oft zum Friseur gehen sehen, sich
dort die Haare brennen zu lassen.
Seine vom Wiener Dialekt fast völlig freie Redeweise war gemessen und poin-
tiert. Doch kam, im Disput mit einem Freunde etwa, gar leicht sein Temperament
256
f
zum Durchbruch, und dann sprach er
immer schneller und lauter und gestiku-
lierte dabei aufs lebhafteste. Tilgner äußerte
sich einmal sehr amüsiert über eine solche
Szene, die Pettenkofen und Müller in
seinem Atelier aufgeführt hatten. Einer
suchte den andern an Heftigkeit der Ge-
berde und des Wortes zu überbieten, es
war, als ob zwei Vollblutitaliener mitein-
ander stritten, und Tilgner erkundigte sich
nachher bei Fräulein Marie Müller, ob
diese Art der Konversation Müller von
Pettenkofen oder Pettenkofen von Müller
angenommen habe.
Pettenkofens Schrift ist sein Leben lang
angenehm und leicht leserlich. Ist sie
noch zu Beginn der fünfziger Jahre klein
und eng und dünn, so dehnt sie sich im
Lauf der Jahre mehr auseinander und
wird stärker und größer. Sie ist auch
sehr flüssig, was allein schon dafür
spräche, daß die Feder zu führen nichts
Ungewöhntes für ihn war. Ein paar da-
tierte Schriftproben sind im Anhang mitgeteilt.
Pettenkofens Handschrift möge zu seiner Bildung hinüberleiten. Sie war selbst-
verständlich nichts weniger als systematisch. Bevor er als fünfzehnjähriger Junge
an der Akademie, in deren Elementarschule er schon mit zwölf Jahren gekommen
war, die historische Zeichenklasse Kupelwiesers besuchte, hatte er im besten Falle
eine Hauptschule oder die vier Grammatikaiklassen eines Gymnasiums absol-
viert. ") Frühzeitig hieß es verdienen, die Militärjahre kamen dazwischen, und der
außergewöhnliche Fleiß, den er in seinem Beruf entfaltete, ließ ihm gerade in
jenem Alter, in dem der Mensch den Grund zu seinem Wissen zu legen pflegt,
keinerlei Muße, seine allgemeine Bildung zu vervollkommnen. Etwas, das man bei
ihm, der so viel gereist ist und so viel im Ausland gelebt hat, vielleicht zuerst
erwarten möchte, die Kenntnis fremder Sprachen, eignete ihm nur auf sehr un-
vollkommene Weise. Unter seinen Aufzeichnungen fallen die vielen Fremdwörter
und Zitate aus anderen Sprachen mit beigefügten Verdeutschungen auf. Wie er
kein Sprachentalent besaß, so ermangelte er auch der damit so häufig verbundenen
musikalischen Begabung, ja er scheint sogar jedes Interesses für die Musik bar
gewesen zu sein, was immerhin merkwürdig ist, da doch sein Vater nicht nur ein
großer Musikfreund, sondern auch selbst ungewöhnlich musikalisch war. Dagegen
aber scheint er, was bei einem bildenden Künstler bekanntlich nicht so häufig der
Fall ist, von Jugend auf Sinn für Literatur gehabt zu haben und immer ein fleißiger
Leser gewesen zu sein. Dafür sprechen zahlreiche Lesefrüchte, Titel von noch zu
Pettenkofen. Photographie.
257
33
lesenden oder bereits gelesenen Werken, die er sich notiert hat, und vor allem die
schöne Bibliothek, die er hinterlassen hat.
Auf Grund dieses Materials sei im folgenden versucht, ein Bild von Pettenkofens
Lektüre zu entwerfen. Da sich nicht nur aus den Leuten, mit denen jemand um-
geht, sondern auch aus den Büchern, die er liest, erkennen läßt, wer er sei, wird
schon dieser Überblick einen wertvollen Beitrag zur Kenntnis von Pettenkofens
innerem Menschen liefern.
Unter den Büchern aus Pettenkofens Besitz fallen zwei Kategorien besonders
auf: die antiken Klassiker und die Reisebeschreibungen. Der letzteren Zusammen-
hang mit des Künstlers oft besprochenem Wandertrieb liegt auf der Hand. Doch
fällt auf, daß die Schilderungen von Entdeckungsreisen und exotischen Ländern
einen so breiten Raum einnehmen. So sind zum Beispiel vorhanden : Stucks „Ver-
zeichnis von altern und neuern Land- und Reisebeschreibungen", die „Sammlung
der besten Reisebeschreibungen", „(Forsters) Magazin von merkwürdigen neuen
Reisebeschreibungen", die „Geschichte der geographischen Entdeckungsreisen"
(aus der „Allgemeinen deutschen Taschenbibliothek"), Robertsons „Reise in die
mittäglichen Länder, oder nach Australien", „Naturgemähide der neu entdeckten
Polar- und Tropenländer", Bechtingers Buch „Ein Jahr auf den Sandwich-Inseln",
Irvings „Reisen der Gefährten des Columbus", Bemal Diaz del Castillos „Ent-
deckung und Eroberung von Mexiko", De la Casas' „Verheerung Westindiens",
Les Ynca Garcilasso de la Vegas „Geschichte der Eroberung von Florida", des
Jesuitenpaters Wolfgang Bayer „Reise nach Peru", Francisco de Xerez' „Geschichte
der Entdeckung und Eroberung Peru's". Die letztgenannten Werke verraten ein
besonderes Interesse an den von den Spaniern entdeckten und eroberten Gebieten
der neuen Welt. Die ganz außergewöhnliche Stärke dieses Interesses wird noch
überdies durch die Menge der auf verschiedene Zettel geschriebenen Titel von
einschlägigen Büchern bezeugt, die in der Anmerkung'') zusammengestellt sind.
Daß Pettenkofen diese Werke, wenn auch vielleicht nicht alle, wirklich gelesen
hat, geht daraus hervor, daß sich auf den Zetteln das eine oder andere notiert
findet, das er sich später sogar selbst gekauft hat. Das Bestreben, über die um-
fängliche Literatur der Reisebeschreibungen möglichst gut orientiert zu sein, er-
hellt ferner aus folgenden verschiedentlich notierten Büchertiteln: Acosta, Der Je-
suiten Reisebuch; Bekmann, Literatur der älteren Reisebeschreibungen, 2 Bände,
Göttingen 1807; Kapitän Bligk, Reisehandbuch; Dufau und Guadet, Vollstän-
diges Handwörterbuch der wichtigsten geographischen Entdeckungen bis 1542,
Halle 1792; William Rocher, Kolonien, Leipzig 1856, 2. Auflage. Etliche Zitate
zeigen Pettenkofen außerdem mit den Schriften Alexander v. Humboldts wohl
vertraut.
Pettenkofens Guidensammlung kommt an sich nur eine geringe Bedeutung zu,
doch ist manches dieser Büchlein schon allein durch sein Datum interessant: Ein
Führer durch Linz und vom Salzkammergut ist vom Jahre 1851, einer durch Havre
vomi Jahre 1853, einer durch Prag und einer durch Berlin und Potsdam vom Jahre
1858, einer durch Verona vom Jahre 1859 datiert. Da man sich in der Regel das
zuletzt erschienene Reisehandbuch kauft, so erlaubt die Jahreszahl 1867 auf einem
258
französischen Führer durch Spanien
und Portugal den Schluß, daß Petten-
kofen schon in diesem Jahre oder
doch in einem der allernächsten die
oft geplante aber niemals unter-
nommene Reise nach der iberischen
Halbinsel ins Auge faßte. Für diesen
Reiseplan sprechen in seiner kleinen
Kartensammlung auch die drei Karten
von Spanien und Portugal. Sein Inter-
esse an Spanien, das ja auch das Vater-
land seines Freundes Fortuny und
des von ihm so hoch verehrten Velas-
quez ist, kommt überdies in der ihm
gehörenden „Geschichte Spaniens"
von Belmont und in folgenden zwei
von ihm notierten Büchertiteln zum
Ausdruck: Graf Schack (Pettenkofen
schreibt „Jaques!") „Die Poesie und
Kunst der Araber in Spanien und
Sizilien" und Mendoza „Geschichte
der Empörung der Mauren in Gra-
nada". An einen anderen oft erwo-
genen und gleichfalls nicht zur Aus-
führung gelangten Reiseplan erinnern
die Titel zweier Bücher von Buchta
über das moderne Ägypten: „Der Sudan und der Mahdi" und „Der Sudan unter
ägyptischer Herrschaft " .
Ist die reiche Reiseliteratur die eine Besonderheit von Pettenkofens Bibliothek,
so ist die Sammlung von Übersetzungen antiker Klassiker unzweifelhaft die zweite
Merkwürdigkeit, die sie aufzuweisen hat. Seine Bücherei enthielt, fast durchwegs
in Langenscheidtschen Übersetzungen, folgende alte Autoren : Aeschylos, Aristoteles
(„Naturgeschichte der Tiere"), Bion, Caesar, Cicero, Homer (eine Ausgabe mit
Umrißstichen nach Genelli), Horaz, Longos („Daphnis und Chloe" und zwar in
zwei deutschen Übersetzungen und in einer französischen; diese sich im Besitz
von nicht weniger als drei Übersetzungen ausdrückende Vorliebe ist immerhin auf-
fällig; sollte sich Pettenkofen am Ende gar mit dem Gedanken getragen haben,
die berühmte Hirtengeschichte zu illustrieren?), Lukian, Marc Aurel, Martial,
Moschos, Nepos, Plato (nur den „Phaedon"), Plinius den jüngeren, Plutarch, Sallust,
Seneca, Strabo, Tacitus, Theokrit, Thukydides und Vitruv. Juvenal und Ovid finden
sich notiert. Die Aufzeichnung von Friedländers „Römischer Sittengeschichte" und
der Besitz der „Geschichte des Altertums" von Pütz und zweier Karten zur alten
Geschichte und eines dazu gehörenden Namensverzeichnisses legen weiteres Zeugnis
ab für Pettenkofens gründliches Interesse am Altertum.
Pettenkofen. Pastellbild von Franz Lenbach.
259
33*
Durchaus des Lateinischen unkundig kann er nicht gewesen sein, sonst fände
sich in seiner Bibliothek wohl kaum ein lateinisches Lexikon vor. Weil schon von
einem Behelfe zur Erlernung oder Anwendung einer fremden Sprache die Rede
ist, so sei gleich auch erwähnt, daß Pettenkofen nicht weniger als drei englische
Sprachbücher sein eigen nannte, woraus zur Genüge hervorgeht, wie ernstlich er
eine Reise nach England geplant hat.
Die übrige Weltliteratur war besonders durch folgende Werke vertreten: die
deutsche Dichtkunst durch Wieland (Gesamtausgabe), Lichtenberg (Ausgewählte
Werke), Herder („Legenden"), Goethe (Gesamtausgabe und „Faust"), die englische
durch Shakespeare (Gesamtausgabe und „Timon von Athen") und Byron (Gesamt-
ausgabe), die italienische durch Dante, Boccaccio und Ariost und die spanische
durch Cervantes („Don Quijote"). Von Lesage, Pettenkofens Lieblingsdichter, enthält
seine Bibliothek außer den schon erwähnten Ausgaben des „Gil Blas" noch den
„Guzman von Alfarache" und den „Baccalaureus von Salamanca"; die „Geschichte
des Estebanel Gonzales" ist notiert. Merkwürdigerweise weder von Pettenkofen
aufgezeichnet noch unter seinen Büchern findet sich der „Hinkende Teufel".
Bereitet die Einzelausgabe des „Timon von Athen" auf die Züge von Menschen-
verachtung vor, die sich bei Pettenkofen gegen Schluß seines Lebens zu feststellen
lassen, so verrät sich sein Hang zur Satire, abgesehen von Cervantes, Lichtenberg
und Wieland, durch Butlers „Hudibras", eine französische Ausgabe des „Till Eulen-
spiegel" und — die Goethesche Bearbeitung nicht mitgezählt — zwei verschiedene
Ausgaben des Tierepos von Reineke Fuchs.
Ferner ist eine Vorliebe für Biographien, besonders für Autobiographien, unver-
kennbar. Es finden sich nämlich unter Pettenkofens Büchern die Tiecksche Aus-
gabe des „Escudero Marcos Obregon", ferner Quevedo Villegas' „Geschichte und
Leben Don Paul's" und notiert sind die Beschreibungen, die Hans von Schweinichen
und Schärtlin von Burtenbach von ihren Leben hinterlassen haben. Wie schon in
vielen der früher genannten Werke, so kommt besonders in diesen Biographien,
einem Buch wie dem „Meier Helmbrecht", das gleichfalls zu Pettenkofens Bibliothek
gehört, und den Romanen des Lesage, — literarischen Arbeiten, in denen allen
eine bestimmte Zeit entweder durch jemanden, der in ihr gelebt hat, oder durch
jemanden, der sich auf Grund eingehender Studien mit ihr besonders vertraut ge-
macht hat, anschaulich geschildert wird, — jener ausgeprägte Wirklichkeitssinn zum
Ausdruck, der für den produktiven und den rezeptiven Pettenkofen in gleicher
Weise charakteristisch ist.
Die Belletristik der eigenen Zeit spiegelt sich besonders in folgenden Werken
wieder: in des älteren Dumas „Drei Musketieren" und einer ihrer Fortsetzungen,
in ein paar Romanen Paul de Kocks, in Turgenjews „Gedichten in Prosa", in Heines
„Buch der Lieder", „Romanzero" und „Neuen Gedichten" und in den Gedichten Frei-
ligraths. In Freiligraths Versen mag Pettenkofen das Exotische, in den Romanen von
Dumas pöre das Milieu des von ihm so geliebten XVII. Jahrhunderts, bei Heine und
Paul de Kock das pikante, bei Heine überdies das satirische Moment angezogen haben.
Dieser leichteren Ware sei Pettenkofens allerdings kärglicher Besitz an philo-
sophischen Werken gegenübergestellt. Von Kant sind die „Naturgeschichte und
260
Theorie des Himmels", die „Kritik
der praktischen Vernunft" und die
„Macht des Gemüts" vorhanden.
Hegel ist vollständig da, hingegen
fehlt interessanter Weise Schopen-
hauer. Renans „Leben Jesu" leitet
zur Kirchengeschichte über, die gleich
der Geschichte der Päpste durch ein
altes Werk vertreten ist. Zwei alte
Bibeln dürfen wohl hier eingefügt
werden.
Königs „Philosophie der schönen
Künste" (Nürnberg 1784) stellt die
Brücke zu den Büchern über die bil-
dende Kunst her. Zuerst seien die
theoretischen Werke angeführt: Böck-
lerns „Radier -Büchlein" (Nürnberg
1669), Dauws „Kunst-Erfahrner, cu-
rieuser, galanter, doch aber zugleich
erbaulicher Schilder und Mahler"
(Kopenhagen 1721),Lairesses „Großes
Mahler-Buch" in drei Bänden (Nürn-
berg 1784), Schäffers Ausgabe des
Handbuches der Malerei vom Berge
Athos, Ilgs Ausgabe der Tractate
des Heraclius, des Cennini und des
Biondo, Ludwigs (den, wie wir wissen, Pettenkofen persönlich gekannt hat) Aus-
gabe von Lionardo da Vincis Trattato della Pittura, Schönbrunners (des Direktors
der Albertina, deren fleißiger Besucher Pettenkofen war) „Verschiedene Malarten".
Notiert findet sich eine ganze Menge alter, natürlich fast nur italienischer Künstler-
geschichten, die in der Anmerkung'") aufgezählt werden mögen. Von kunsthistorischen
Werken im engeren Sinne des Wortes sind nur folgende vorhanden: Springers
„Handbuch der Kunstgeschichte" (die mit einem Vorwort Friedrich Theodor Vischers
versehene Ausgabe vom Jahre 1855), Guhls „Künstlerbriefe" und „Vorträge und
Reden kunsthistorischen Inhalts" und als einzige Künstlermonographie: Stirlings
„Velasquez". Pettenkofens Interesse an aktuellen Fragen, die den Stand der bil-
denden Kunst seiner Heimat betreffen, offenbart sich im Besitz von Waldmüllers
Broschüre „Belebung der vaterländischen bildenden Künste" (Wien 1857) und der
Schriften von Waldmüllers Gegner und Pettenkofens Freunde Eitelberger: „Wie
steht die Kunst in Österreich?" (ein Separatum aus der Donauzeitung, worin Eitel-
berger vor der Londoner internationalen Ausstellung im Jahre 1862 die bildende
Kunst Österreichs zu überblicken versucht), „Das Wiener Genrebild vor dem Jahre
1848", „Die Plastik Wien's in diesem Jahrhundert" (beide Aufsätze vom Jahre 1877)
und „Die Kunstbewegung in Österreich" (vom Jahre 1878). Diese drei Broschüren
Pettenkofen. Photographie von Franz Lenbach.
261
sind mit handschriftlichen Widmungen des Autors versehen. Für den Maler nötige
Hilfswissenschaften sind durch folgende Werke vertreten : drei Lehrbücher der Per-
spektive, als Unterstützung von deren Studium zwei Lehrbücher der Geometrie
und eines der darstellenden Geometrie, Baumeister-Rueffs „Anleitung zur Kenntnis
des Äußern des Pferdes" (Stuttgart 1857) und drei andere hippologische Werke des
XVIII. Jahrhunderts, alles Bücher, die für den Pferdemaler besonders wichtig waren.
Unter den hierher gehörigen Notizen ist das schon im Verlauf der Darstellung er-
wähnte Reitbuch Newcastles und das Fechtbuch Peschkans (1666) zu erwähnen:
jenes brauchte Pettenkofen zum „Duell in der Au", dieses zum „Straßenkampf in
einem venezianischen Gäßchen". Lacroix' großes kulturgeschichtliches Abbildungs-
werk und Drugulins „Historischer Bilderatlas" finden sich verzeichnet. Hauslabs
Büchlein „Über die charakteristischen Kennzeichen der geschichtlichen Entwickelungs-
Abschnitte der Kriegertracht vom Beginn des XVI. bis zu jenem des XIX. Jahr-
hunderts" gehört der Bibliothek des Künstlers an. Eine besondere Stellung unter
den in Pettenkofens Besitz befindlichen Werken, die sich auf die bildende Kunst
beziehen, nimmt das wohl am besten hier einzuschaltende Werk Eduard Langes
ein: „Heerschau der Soldaten Friedrichs des Großen" (1856), das sich Pettenkofen
natürlich wegen der Holzschnitte Menzels angeschafft hat. Von den paar Japonica
in Pettenkofens Besitz war schon die Rede.
Von diesem für den Künstler so bezeichnenden Bestand von Pettenkofens
Bibliothek sei zum Schluß auf einen anderen übergegangen, der im Gegensatz dazu
bloß für den Menschen charakteristisch ist: es ist die gar nicht so unbeträchtliche
medizinische Literatur, die Pettenkofen sein eigen genannt hat. Darunter finden
sich Hirscheis „Homoeopathischer Arzeneischatz", Matteis „Elektro-Homoeopathie"
und „Neues (homöopathisches) Vademecum", Riklis „Bett- und Partial-Dampf-
bäder-Hausordnung", „Allgemeine Kur-Regeln der Naturheilkunde" und „Lehrbuch
der Naturheilkunde (I. Teil: Fieberkrankheiten, mit besonderer Berücksichtigung
der Blattern)", Liebauts „Regenerationskur", das „Nervensystem des Menschen"
von Moebius und der „Tisch für Magenkranke" von Wiel. Sind des Mercatus
„Consultationes morborum" vom Jahre 1614 als Curiosum zu betrachten, so läßt
eine 1887, also zwei Jahre vor Pettenkofens Tod, zu Mannheim erschienene Schrift
von Schneider, „Die Feuerbestattung", vermuten, daß Pettenkofen daran gedacht
hat, seinen Leichnam verbrennen zu lassen.
Auf ein ganz anderes, aber wieder höchst persönliches Gebiet führt ein „Trente
et quarante-Roulette" betiteltes Büchlein, das 1868 in Bad Ems erschienen ist, wo
Pettenkofen einer Eintragung in sein Tagebuch gemäß am 29. August 1872
121 Thaler verloren hat.
Merkwürdig ist schließlich, um dies auch noch zu besprechen, der Mangel an Dicht-
werken der Heimat. Pettenkofen besitzt eigentlich nur den „Innocenz" seines Vetters
Ferdinand v. Saar, die Novelle, mit der dieser zuerst die Aufmerksamkeit der Kenner
auf sich gezogen hat. Hier wird erwähnt werden dürfen, daß Saar bei der Gestalt
des Malers in seiner Novelle „Ninon" laut eigenen Geständnisses an Pettenkofen
dachte.") Hat Pettenkofen aber auch so gut wie nichts von österreichischer Lite-
ratur sein eigen genannt, so scheint sie ihm doch durchaus nicht fremd geblieben
263
TAFEL LIII
FRANZ LENBACH, PORTRÄT PETTENKOFENS. ÖLBILD. (1883.) WIEN,
FRANZ XAVER MAYER.
zu sein. In dem Fragment eines Briefes an die Geliebte, das wahrscheinlich noch
den fünfziger Jahren angehört und sich heute im Besitz des Autors befindet, zitiert
Pettenkofen nämlich vier Verse aus Zangas hinreißender Schlachtschilderung in
Grillparzers „Traum ein Leben". Daß Pettenkofen es auch versucht hat, der Dicht-
kunst Ungarns, des Landes, mit dem sein Name für alle Zeiten verknüpft bleiben
wird, näher zu kommen, beweisen die beiden Übersetzungen Kertbenys in seiner
Bibliothek: das „Album hundert ungrischer Dichter" und die Dichtungen Petöfis.
Die vielen alten Bücher, die Pettenkofen gehören, zeigen, daß er bei seinen
Aufenthalten in Italien und Paris den Buchhändlern der Straße eine liebevolle Auf-
merksamkeit geschenkt haben muß. Das eine oder das andere alte Buch, das sich
in seiner Bibliothek findet, hat er natürlich nicht des Inhaltes wegen gekauft, sondern
weil ihm der Einband, die typographische Ausstattung gefallen hat.
Auf wie liebenswürdige W^eise Pettenkofen Freunden seine Bücher zur Ver-
fügung gestellt hat, ist aus einem an Leopold Karl Müller gerichteten Zettel zu
ersehen. Er ist (wegen Müllers Augen?) groß mit Bleistift geschrieben, undatiert
und lautet: „Mein lieber Leo! Über den Tag, der gar kein Tag ist und auch nicht
werden wird, magst du dich trösten und in deinem Bette beruhigt ,Nebelfeiem*.
Die beifolgenden'*) Bücher: Geschichte Perus, 1 Bd., Peter Schlemihl, Columbus
v[on] W. Irving, 4 Bde., Velasquez, 1 Bd., Künstlerbriefe [von] Guhl, 2 Bde., Ab-
deriten v[on] Wieland, Marcus Aurelius, Selbstbetrachtungen werden Dich im Ver-
hältnis deiner eigenen Laune interessieren und zerstreuen. Hoffentlich auf
baldiges Wiedersehen. Mit herzlichem Gruß und Wünschen dein Pettenkofen." —
Dieser Versuch, von Pettenkofens Lektüre eine Vorstellung zu gewinnen, ist
notwendigerweise lückenhaft. Trotzdem aber macht er nicht nur mit vielen seiner
geistigen Interessen vertraut, sondern deutet auch bereits den einen oder anderen
Zug seines Charakters an. Die im folgenden mitgeteilten und paraphrasierten Auf-
zeichnungen von Pettenkofens Hand aber, die teils eigene, teils fremde Gedanken
fixieren und sich verstreut auf einzelnen Zetteln aus seinem Nachlaß erhalten
haben, werden weiter in seine Gedankenwelt einführen und Urteile, die er sich
über seine Zeit, über sich selbst und andere bildete, Anschauungen, die er von den
Menschen im allgemeinen, von der Welt, von dem Leben hatte, kennen lehren
und mittelbar und unmittelbar auch seinen Charakter deutlicher hervortreten lassen.
Unter den mannigfaltigen Interessen Pettenkofens, auf die sich nur mehr aus
Lesefrüchten schließen läßt, mag dasjenige, welches er an der Astronomie findet,
zuerst erwähnt werden. Ist es doch dadurch merkwürdig, daß die Astronomie eine
Wissenschaft ist, zu der von Pettenkofens Beruf scheinbar keinerlei Brücken
führen. Dieses Interesse bekundet sich in Notizen über die Verhältnisse auf dem
Monde (auf Grund eines Artikels in der „Gartenlaube"), über die Entfernung der
Erde von der Sonne, vom Monde, über die Beschaffenheit der Erdoberfläche, über
die Polarität. Aufzeichnungen gelten dem Quadranten und der Magnetnadel, be-
sonders aber interessiert sich Pettenkofen für ein Astrolabium, wie aus ein paar
darauf bezüglichen Notizen hervorgeht. Einmal schreibt er sich das Wort Keplers
auf, nach dem Astronomie und Physik so genau miteinander verknüpft seien, daß
keine ohne die andere vervollkommnet werden könne. Am bemerkenswertesten
263
aber ist vielleicht eine Aufzeichnung über den Bielaschen Kometen, die eine nicht
ganz genaue und nicht ganz vollständige Abschrift folgender zwei Stellen aus
Humboldts „Kosmos" ist: „Bielas Comet hat eine Umlaufszeit von 6V4 Jahren....
Er hat das erste sichere Beispiel eines unsere Erdbahn schneidenden Cometen
dargeboten. Die Bahn des Biela'schen Cometen ist daher eine Bahn, die Gefahr
bringen kann, wenn man jedes außerordentliche, in historischen Zeiten noch nicht
erlebte und in seinen Folgen nicht mit Gewißheit zu bestimmende Naturphänomen
gefahrbringend nennen soll." (I, 113, 114.) „Da die Beruhigungsgründe, welche der
Wahrscheinlichkeits-Rechnung entnommen werden, allein auf die denkende Betrach-
tung, auf den Verstand, nicht auf die dumpfe Stimmung der Gemüther und auf die
Einbildungskraft wirken, so hat man der neueren Wissenschaft nicht ganz mit
Unrecht vorgeworfen, daß sie Besorgnisse zu zerstören bemüht ist, die sie selbst
erregt hat. Es liegt tief in der trüben Natur der Menschen, in einer ernsterfüllten
Ansicht der Dinge, daß das Unerwartete, Außerordentliche nur Furcht, nicht Freude
oder Hoffnung erregt." (I, 119.)
Daß sich der vom Wetter so sehr abhängige Pettenkofen für die Ursachen des
Klimas interessiert, kann nicht Wunder nehmen. Auf Grund eines Artikels im Aus-
land (Nr. 6, Februar 1884) merkt er sich an: „ also nicht die Verteilung von
Wasser und Land ist es direkt, welches den namhaftesten Einfluß auf die klimati-
schen Verhältnisse ausübt, sondern es sind vor allem die Meeresströmungen,
welche die unregelmäßige Wärmeverteilung auf der Erdoberfläche schaffen."
Auch mit optischen Erscheinungen befaßt er sich. Eine Notiz handelt von der
„feuchten Luft, die dem direkten Sonnenstrahl den Durchgang zur Erde ge-
stattet, . . .". Eine andere stellt die eigene Beobachtung eines schon von Benvenuto
Cellini in seiner Autobiographie beschriebenen Phänomens fest; sie hat folgenden
Wortlaut: „Schatten auf dem betauten Grasboden, um den Kopf herum heller
Schein von glänzendem Tau (Benv. Cellini). [Dazu eine flüchtige Skizze.] 25. August
V29 Uhr Früh der Schatten 8 — 9 Schritte lang; reiner Himmel um die weißstrahlende
Sonne. Etwas dunstig." —
Mit der eigenen und mit fremder Menschlichkeit beschäftigen sich die im folgenden
mitgeteilten und kommentierten Notizen.
Das Bruchstück des Entwurfes eines Briefes (vielleicht an die Geliebte) ist
sowohl durch das Unabhängigkeitsbedürfnis, das sich darin äußert, als auch durch
die Bedeutung, die es der Selbsterkenntnis beimißt, interessant; es lautet:
„Die täglichen Lebensfragen lassen mir nicht Zeit, eine [!] Rechenschaft über ein
Gefühl zu geben." „. . . auch wollen wir uns den Kopf nicht heiß machen, um
Nachricht von uns zu geben, aus zwei Gründen: 1. bekümmert dies niemanden;
2. wenn dies auch wäre — wir halten uns nicht gebunden, uns mit dem, was
andere kümmert, abzugeben, sondern uns um uns selbst zu kümmern; und selbst
das nehmen wir uns, die Freiheit zu vernachlässigen, wenn es uns behagt. —
Wenige Menschen sind nämlich imstande, eine erträgliche Auskunft von sich selber
zu geben, wie sehr sie sich auch anstrengen."
Wie treffend sich Pettenkofen selbst zu beurteilen vermag, geht aus Aphorismen
wie den im folgenden angeführten hervor :
264
„Ich habe nur zu sehr die unpraktische Eingebung, das Studium als Zweck und
[bin] nur zu wenig [fähig, es] als Mittel für den Zweck [zu] treiben."
Pettenkofen zählte eben nicht zu jenen praktischen Naturen, deren einziges Ziel,
um dessentwillen allein sie alles und jedes unternehmen, der Erfolg ist. Die Art,
wie er z. B. von der Natur für seine Bilder zu lernen pflegte, charakterisiert er
folgendermaßen :
„Es ist zweierlei: Naturstudien zu machen oder Naturstudium zu treiben — [das
letztere ist] eine Spekulation im Großen zur Erkenntnis des Geistes in der Natur."
„Ich bin mein Lebelang [!] ein Arbeitstier gewesen, aber kein weiser Arbeiter
und immer ein schlechter Geschäftsmann."
Mag der erste Teil dieses Ausspruches vielleicht auch etwas übers Ziel schießen, so
ist der zweite, wie wir ja schon wiederholt gesehen haben, zweifellos richtig.
Während sich Pettenkofen für seinen unermüdlichen Fleiß mit verhältnismäßig ge-
ringem Entgelt bescheiden mußte, wurden an seiner Arbeit Zwischenhändler aller
Art reich. Im Hinblick auf eine derartige Erwägung und wohl auch auf das, was
er zeitlebens für den ihm innerlich so fremden Bruder tun mußte, schrieb er sich
neben der Skizze einer brennenden Kerze die bekannte Devise auf: „Aliis
inserviendo consumor".
Dieselbe Vornehmheit der Gesinnung aber, kraft deren er seine Kunst nicht zur
„tüchtigen Kuh" erniedrigen konnte und stets jeder Reklame für seine Person,
selbst der für den Künstler fast unumgänglich notwendigen der Ausstellung, abhold
war, ließ ihn voll selbstbewußten Stolzes die Worte aufschreiben:
„Ich halte es mit dem ,Mehr sein als scheinen' [„Plus etre que paraitre" notiert
er sich ein anderes Mal], ich will etwas sein um meinetwillen ; etwas scheinen der
anderen wegen — Beweis niedriger Denkungsart". —
Als Beispiele seiner Menschenkenntnis, seiner Fähigkeit, sich den Charakter eines
andern klar zu machen, mögen folgende wohl nur bruchstückweise erhaltene Auf-
zeichnungen dienen :
„. . . zuvorkommend bis zum Übermaß. Der einzige Zug, der diese trefflichen
Eigenschaften in gewissem Grad entstellt, ist der Mangel an Festigkeit und eine
Art von krankhafter Unbeständigkeit."
„Lenbach besitzt Intelligenz und praktischen Verstand genug, um seine Mitwelt
genau so zu behandeln, wie sie es verdient."
„ ,r.' — Er hat wohl Verstand, aber keinen Geist, woraus erfolgt, daß es ihm
an Phantasie, an Erkenntnis des Schönen und all dem fehlt, welches des Menschen
Geist mit feinen Fäden wie mit einem Netze umfängt. Seine Person wie sein Be-
nehmen entbehrt jeder Elastizität und gefälliger Form, welches denn auch voll-
kommen seinem Geistesleben entspricht."
„Mein Freund G r hat gute Eigenschaften des Geistes, einen vortrefflichen
Verstand, ausgezeichnetes Gedächtnis und dadurch eine Menge von Wissen. Da
er aber keinerlei Berufstrieb besitzt, vergeudet er diese Eigenschaften zumeist
auf den Tand kritischer Beobachtung und satirischer Kritik von Personen, die
unter seine Freunde und Bekannten gehören, also unter seiner beständigen kriti-
schen Aufsicht stehen. Man bewundert, ihm zuhörend, die Schärfe seines kriti-
265
34
sehen Geistes, ohne sich für die vorgetragene Sache selbst interessieren zu können."
Dafür, daß die Ursachen einer derartigen Charakteristik nicht etwa in persön-
licher Empfindlichkeit zu suchen sind, bürgen folgende Zeilen :
„Wenn man mir die Wahrheit sagt, ist mir dies, und wäre es auch nicht
schmeichelhaft, für mich doch sehr lieb, denn ich unterrichte mich dadurch über
mich selbst und die Menschen und werde auch aufmerksam, mein Benehmen für
diese besser einzurichten."
Wer aber nicht bloß über sich selbst so klar und unbefangen denkt, sondern
auch andere dermaßen zu durchschauen vermag, der kommt leicht in die Lage,
irgend eine gefeierte Größe weniger günstiger zu beurteilen, als dies etwa die
Menge der Fernstehenden tut:
„Vom Meere aus bemerkt man die bedeutende Höhe, je näher man aber seinem
Fuße kommt, desto mehr verschwindet sie. Die beiliegende von Humboldt ent-
worfene Ansicht bestätigt dies, so daß es dem Ch[imborasso?] so geht wie den
berühmten Männern, die auch desto kleiner werden, je näher man ihnen steht."
Daß aber eine solche Bemerkung nicht vereinzelt vorkommt, sondern ihr etliche
andere, womöglich von noch misanthropischerer Denkungsart zeugende zur Seite
stehen, kann nicht Wunder nehmen. Es sind bittere Wahrheiten, die der Mensch-
heit im allgemeinen und gewissen Menschenklassen im besonderen gelten :
„Die Magen- und Geschlechtsfunktion stellen [!] den Menschen gleich dem Tiere;
daß er auf der obersten Stufe derselben [!] steht, ist die einzige Meinung, die er von
seiner Vollkommenheit haben darf."
„Aber wir andern Leute müssen uns von den reichen Leuten alles gefallen lassen,
selbst das, was uns angenehm ist."
„[Weder] Rechenschaft geben, noch Rechenschaft fordern, darin besteht die öster-
reichische, respektive Wiener Gemütlichkeit."
Nimmt dieser Satz Pettenkofens engere Landsleute aufs Korn, so sind es die
ihm am nächsten Stehenden, denen er mit den folgenden Zeilen unbarmherzig ins
Gesicht leuchtet. Sie lesen sich umso schmerzlicher, als sie am 11. März 1889,
also knapp vor seinem Tode niedergeschrieben sind. Wie einsam muß er sich
nach diesen Worten an der Schwelle des Grabes gefühlt haben!
„ , Freunde' sind nur diejenigen, welche einen brauchen; nächstens brauchen
könnten oder doch gelegentlich brauchen dürften. — An Freunde, von denen man
bereits abgebraucht wurde, erinnert man sich immer wieder, wegen ihrer gehabten
besonderen freundschaftlichen Güte. Natürlich darf man Liebenswürdigkeiten artiger
Leute nicht mit Freundschaft [verwechseln.]"
Wie aber Pettenkofens Menschenhaß im Kerne beschaffen gewesen ist, verrät
die folgende im Gegensatz zu den drei vorhergehenden wieder an eine allgemeinere
Adresse gerichtete Aufzeichnung:
„Ich liebe die Menschen, aber ihr Umgang ist mir nur in den seltensten Fällen
auf die Dauer erträglich."
Besonders viele Sätze gelten der Gegenwart, mit der sich Pettenkofen durchaus
nicht befreunden kann, die er auf Kosten der ihn so viel besser und schöner
dünkenden Vergangenheit immer tiefer und tiefer zu stellen geneigt ist:
266
„Ich schätze die Alten so außerordentlich, weil ich unsere Zeit so sehr gering
schätze."
„Für mich leben nur die längst gestorbenen Meister der Kunst." (Diese Worte
sind 1885 geschrieben.)
„Es tut mir leid, daß so viele Talente an der gegenwärtigen Zeit zugrunde
gehen. — Diese Zeit, welche jeder Tiefe des Geistes und der Seele entbehrt —
die Zeit der , Moden-Monomanen', in welcher das Geschick der Kunst in der Hand
unverständiger und verschwenderischer Parvenüs liegt. Heute gilt nur mehr das
Überraschende; daher die Exzentrizität in der Malerei wie im Roman,"
Zum Kreise dieser Klagen gehört auch die folgende, leider unvollständige Notiz,
die überdies davon Zeugnis ablegt, daß Pettenkofen nicht nur in der Malerei, son-
dern auch in der Literatur auf die Form etwas gehalten hat:
„Das Deutsch, welches unsere großen Schriftsteller schreiben, sollte geschützt
werden vor den frechen pygmäenhaften Kerlchen unserer Zeit, welche sich durch
die dumme aller Konsequenz entbehrende Zustutzung ..."
Auch folgender Satz, dessen Tadel offenbar gleichfalls auf die Gegenwart gemünzt
ist, gehört hierher:
„Der Mangel des Verständnisses und Geschmacklosigkeit zeigt [!] sich am deut-
lichsten in der Bewunderung des Unbedeutenden und in der Gleichgiltigkeit für
das Bewundernswerte."
Daß Pettenkofen aber in der Vergangenheit nicht nur Ersatz für die Jämmerlich-
keiten der Gegenwart gefunden, sondern aus ihr auch Trost für ein mögliches
Leben nach dem Tode geschöpft hat, geht aus einer höchst merkwürdigen Nieder-
schrift hervor, die übrigens unverkennbare Ähnlichkeit mit einer berühmten Stelle
in Piatos „Apologie des Sokrates" zeigt. Pettenkofens Aufzeichnung, die wahr-
scheinlich durch jene Worte des Sokrates angeregt worden ist, lautet:
„Die großen Weltbeherrscher und Kriegsmänner, kühnen und entschlossenen
Entdecker und Eroberer; die großen Geister in den Wissenschaften und Künsten;
die großen Meister griechischer Gelehrsamkeit und Kunst; der göttliche Raphael,
der größte Maler Tizian und all die schönen Geister seiner Zeit; und so die
edelsten Herzen wie Christus. Alle sind sie dahingegangen, kein einziger ist zu-
rückgeblieben, und es kann für mich armen Sterblichen nur eine Freude und Ehre
sein, dahin zu kommen, wo sie alle sind."
Eine aristokratische Denkweise drückt sich in der Behauptung aus: „Der
Rang eines Volkes gründet sich auf die Zahl (Häufigkeit) seiner Talente — alles
andere ist — Vieh!"
Das wohl bei Pettenkofen wie auch bei anderen seinesgleichen so häufig vergeb-
liche Bemühen, den angeborenen Adel der Gesinnung mit den Erfordernissen des
praktischen Lebens in Einklang zu setzen, schimmert durch folgende Maxime durch:
„Ich werde Liebenswürdigkeit nie vergessen, auch nicht über darauf folgendes
Unliebsames, nur werde ich mein eigenes Benehmen nach dem mir zuletzt er-
wiesenen einrichten."
Eine Stelle aus dem jüngeren Plinius — es ist der Schluß des 17. Briefes im
VIII. Buche, des Briefes an Macrinus, worin sich Plinius besorgt bei dem Freunde
267 34»
erkundigt, ob er durch die verheerenden Überschwemmungen des Tiber und des
Anio keinen Schaden an Leib und Gut erlitten habe — , diese Stelle kann Petten-
kofen wohl nur darum exzerpiert haben, weil sie seiner Meinung nach die ärgste
Qual der Gemütsverfassung, in der er sich befand, als er die Notiz niederschrieb,
aufs treffendste charakterisiert haben wird: „Denn der Unterschied ist nur gering,
ob man ein Unglück erleidet oder erst erwartet, außer daß der Schmerz sein Maß
hat, die Furcht es aber nicht hat. Den Schmerz empfindet man nur insoweit, als
man das Geschehene kennt, Furcht aber für alles, was etwa noch geschehen
könnte." Er hatte dabei wohl zunächst eine Verschlimmerung seines Krankheits-
zustandes im Sinne.
Daß Pettenkofen — zu Zeiten wenigstens — sein ganzes Leben keineswegs
durch eine rosenfarbene Brille gesehen hat, bezeugt ein Satz wie der folgende, —
der freilich zugleich auch wieder beweist, daß Pettenkofen nicht der Mann gewesen
ist, sich von einem widrigen Schicksal unterkriegen zu lassen:
„Man muß Glück kennen gelernt haben, um vom Unglück niedergeschmettert
werden zu können."
Auf etwas unklare und weitschweifige Weise kommen in der hier zum Schluß
wiederzugebenden Aufzeichnung Gedanken zum Ausdruck, deren wesentlichster
Inhalt uns bereits bekannt ist : Zufällig sind die Verhältnisse, in die uns die Geburt
versetzt, und es gibt höhere Pflichten für uns als diejenigen, welche uns jene Ver-
hältnisse auferlegen. Die Notiz lautet:
„Es ist eine schwache Ansicht von moralischer Verpflichtung, sie bloß auf das
Zufällige der Geburt und des Geburtsortes beschränken zu wollen. Ein solcher
späterer Stand der Dinge kann zur Folge haben, daß sich alle unsere Pflichten
ändern, und es ist nötig, dieselben zu erfüllen, wie sie sind, nicht wie sie bisher
gewesen und wie sie später sich ergeben können. Die, welche von dem bloßen
Geburtsort so großen Lärm machen, haben gewöhnlich keinen klaren Begriff von
ihren V höheren Pflichten. Über unseren Geburtsort können wir nicht verfügen,
während wir an die Erfüllung solcher Pflichten, welche wir freiwillig übernommen
haben, streng gebunden sind."
Wäre es falsch, Pettenkofen darum, weil er einmal beim Rouge-et-Noir 121 Thaler
verloren hat, für einen Hazardspieler zu halten, so gienge man offenbar nicht
weniger fehl, wollte man sich einzig und allein auf Grund der zuletzt mitgeteilten
Aufzeichnungen ein Bild seiner Lebensauffassung machen. Es wäre zweifellos all-
zu einseitig schwarz gefärbt. Man darf eben nicht vergessen, daß diese pessimisti-
schen Notizen sicherlich aus der letzten Zeit von Pettenkofens Leben herrühren,
in der ihm wirkliche und noch mehr eingebildete Krankheit nicht nur in der
Gegenwart, sondern auch in der Vergangenheit alles Schöne und Angenehme hinter
das Widerwärtige und Häßliche zurückdrängte.
Ein Leichtfuß wird Pettenkofen nie gewesen sein, in jüngeren Jahren aber war
er sicherlich ein lebensfroher Gesell, konnte er doch noch als älterer Mann in
einem Kreise, in dem er sich wohl fühlte, ausgelassen lustig sein, ohne dabei aber
jemals die Grenzen der Wohlerzogenheit zu überschreiten. Daß sein Menschenhaß
nicht ganz waschecht war, beweist außer bereits Gesagtem auch sein Verhältnis
268
zu den Kindern, die er sehr gern hatte, und mit denen er vorzüglich umzugehen
wußte. In der von ihm hinterlassenen Photographiensammlung findet sich eine
ganze Menge von Bildern der kleinen Leute. Die Damen Marie und Berta Müller
waren in Bozen Zeuginnen davon, wie Pettenkofen ein zerlumptes Bettelbüblein
zum Krämer hineinnahm, ihm da reichlich Zucker und Kaffee kaufte und ihm nach-
her einschärfte, diese Gaben ja recht schön der Mutter nach Haus zu bringen.
Ein anderes Mal hob er wieder, wie gleichfalls die beiden Fräulein erzählen, ein
kleines Mädchen, das auf der Gasse niedergefallen war und jämmerlich weinte,
auif, ließ es mit den Quasten seines Schirmes spielen und redete ihm so lieb und
tröstlich zu, daß es bald wieder seinen Schmerz vergaß. Daß er für den Fall, daß
die Schwestern seines Freundes Müller die Erbschaft nach ihm nicht angetreten
hätten, sein Vermögen einem Kinderspital hat vermachen wollen, gehört gleich-
falls hierher.
Das Geschichtchen vom Tiroler Betteljungen beweist, daß Pettenkofen ein gutes
Herz hatte und, seinem vornehm zurückhaltenden Wesen entsprechend, mag er,
ohne davon viel Aufhebens zu machen oder davon überhaupt nur zu reden, gar
manche Wohltat erwiesen haben.
Das aus dem Nachlaß in den Besitz der Damen Müller übergegangene Konzept
von Pettenkofens Antwort auf einen Bettelbrief ist ein nicht uninteressantes Ge-
misch von Gutmütigkeit, Wahrheitsliebe und Genauigkeitssinn, gewürzt mit einem
Körnlein Sarkasmus. Es lautet: „Euer Wolgeboren! Wenn Sie einerseits durch
Lebhaftigkeit der Schilderung mein Mitgefühl in besonderer Weise erregten, muß
ich anderseits den mir irrtümlich beigelegten verwandtschaftlichen Grad eines
Vetters (Cousin[s]) berichtigen. — Die Ehe des Feldk[riegs-] Sekretär[s] Ferd. v.
Nespern, [eines] Bruder[s] meiner Mutter war kinderlos; er starb im Frühjahr oder
Sommer 1843; ich sah nachmals die kinderlose Witwe noch im Jahre 1844 oder
[-] 45. — Da den Menschen in Notlagen auch eine kleine Gabe willkommen ist,
lege ich hier 5 fl. bei. Ich bezeige Euer Wolgeboren für Ihre menschen-
freundliche Bestrebung meine Hochachtung. August von Pettenkofen."^**) —
Hat auch die Krankheit, die wirkliche und die eingebildete, die Pettenkofen un-
gefähr die letzten zwei Jahrzehnte seines Lebens hindurch so viel zu schaffen
machte, die allseits bezeugte Vornehmheit seines Charakters nicht zu erschüttern
vermocht, so wird sie doch, wie wir bereits zu vermuten Gelegenheit hatten, im
Verein mit mancher gerade an nahestehenden Menschen gemachten schlimmen
Erfahrung sicherlich seinem Wesen den einen oder andern herben Zug aufgeprägt
haben.
Aber nicht in dieser Hinsicht soll hier nochmals von Pettenkofens Krankheit die
Rede sein. Lediglich auf seine Hypochondrie soll ein Blick geworfen werden. Zu
ihr wird man bereits die krankhaft übertriebene Selbstbeobachtung rechnen dürfen,
die sich unter anderem in dem schon erwähnten 25 Jahre hindurch mit peinlicher
Genauigkeit geführten Verzeichnis seiner Anfälle kundgibt. Sowohl mit dieser Selbst-
beobachtung als auch mit der trotz allem Dilettieren im medizinischen Studium vor-
handenen Angst, etwas zu versäumen oder von einem Arzte unrecht behandelt zu
werden, hängt es zusammen, daß Pettenkofen von einem Doktor zum andern läuft,
269
eine Heilmethode nach der andern probiert. Ein Berg von Rezepten, der sich im
Nachlaß vorgefunden hat, legt davon tragikomisches Zeugnis ab. Hand in Hand
damit, daß sich Pettenkofen von so vielen Ärzten behandeln ließ, gehen sowohl
die Skepsis gegenüber dem ärztlichen Wissen und Vermögen, als auch die Lust,
sich selbst und andere kurieren zu wollen. Die überlegene, lehrhafte Art, wie er
in Briefen über den Gesundheitszustand anderer Diagnosen anstellt und ihnen
Verhaltungsmaßregeln erteilt, ist ergötzlich genug. So angesehen, wohnt z. B.
folgender Briefstelle neben der wärmsten Teilnahme auch ein bißchen unfreiwillige
Komik inne: „Was die noch andauernde Nervosität Frl. L s [der Tochter
des Adressaten] betrifft, ist dies wohl ernst zu beklagen, da man mit solchen Ver-
stimmungen niemals recht froh sein kann. Aber bei ihrer Jugend und sonstigen
vortrefflichen Gesundheitsanlage muß dieser Zustand, der zwar peinlich, in keiner
Weise aber gefährlich ist, ja baldigst den regenerierenden Selbstbestrebungen der
Natur und dem Einfluß von Jugend, Gesundheit der Hauptlebensorgane weichen;
und vieles zur Erreichung ihrer vollen Gesundheit wird ja die Pflege beitragen,
welche hauptsächlich auf Abhärtung durch Heilgymnastik, Bewegung in freier Luft,
passende Beschäftigung und Zerstreuung gerichtet ist." Noch kategorischer muten
Diagnose und Therapie in einem Schreiben vom 9. März 1881 an, das aus Venedig
an Franz Xaver Mayer gerichtet ist: „Sie klagen über ein Leiden, und das kommt,
ohne daß Sie und Ihr Arzt es wissen, von der mit Gas geschwängerten und über-
hitzten Luft in Ihrem Bureau während des Winters. Sie müssen jeden Morgen
einen Spaziergang machen und jeden Abend ohne Unterschied des Wetters einen
tüchtigen Marsch,"
Einen geradezu pathologischen Eindruck macht die allerdings auch wieder ein
wenig zum Lachen reizende Angst, die Pettenkofen vor den verschiedensten
Dingen hegt. So fürchtet er sich z, B, angesichts von Rissen im Mauerwerk davor,
daß der venezianische Palazzo, in dem er sein Atelier hat, heut oder morgen den
Einsturz drohe. Er setzt es mit vieler Mühe durch, daß eine Kommission erscheint,
die die vermeintlichen Zeichen naher Einsturzgefahr in Augenschein nimmt und
ihn schließlich dahin beruhigt, — daß er in dem Gebäude noch hundert Jahre un-
gefährdet malen könne, ^")
Krankhaft ist auch die Angst, die er vor den Hunden und den Gefahren, die
ihre Krankheiten den Menschen drohen, gehabt zu haben scheint. Einmal notiert
er sich das schreckliche Faktum, daß sich die Eier des Bandwurmes des
Hundes (Taenia), vom Menschen eingeatmet, in diesem zu Echinokokken ent-
wickeln, das andere Mal versteigt er sich gar, ausgehend von der Hundswut, zu
einem in seiner Leidenschaftlichkeit abermals etwas lächerlichen Ausfall gegen die
Hundefreunde und deren offizielle Beschützer, Diese sonderbare Notiz hat folgen-
den Wortlaut: „Hundswut, Wie lange werden wir uns noch die gefährliche,
schweinische, lästige und stupide, sinn- und geschmacklose Liebhaberei der Hunde-
freunde gefallen lassen? — da sich die mit der Sicherheit der Bevölkerung be-
traute Behörde, sei es, daß eine große Zahl derselben selbst Hunde hält oder der
Liebhaberei so vieler angesehener Hundebesitzer sich nicht nahe zu treten getraut
(epidemische Hundebefreundung). [Wann] werden wir endlich selbst darangehen,
270
uns diese Last, welche uns diese Freunde unserer Hundeliebhaber allenthalben
geworden sind, vom Halse zu schaffen? — Die Mittel dazu werden uns gleich-
gültig sein, wir werden den Hund oder auch seinen Herrn angreifen."
Auch vor Schlangenbissen scheint ihm auf etwas unnatürliche Weise gebangt zu
haben. Wenigstens schreibt er sich einmal etwas über Ammoniakinjektionen auf,
mit denen Schlangenbisse geheilt werden können.
Von anderer als Pettenkofens Hand, wahrscheinlich von der eines befreundeten
Mediziners, findet sich auf einem Zettel des Nachlasses der Milzbrand-Karbunkel
beschrieben. Er selbst merkt sich im Februar 1884 einen die Malaria in Italien be-
handelnden Artikel der Zeitschrift „Das Ausland" an. Wie ihm diese beiden Krank-
heiten offenbar Angst eingeflößt haben, so muß dies auch die zweischneidige Natur
des Cocains getan haben, dessen Bekanntschaft zu machen allerdings auch der
normale Mensch leicht in die Lage kommt; es finden sich nämlich auf den schon
erwähnten Blättchen des Nachlasses zwei Notizen über die Cocapflanze und ihre
offizin eilen Wirkungen.
Ist hier aber nun schon einmal von Pettenkofens Eigenheiten die Rede,
so sollen den krankhaften gleich noch andere, harmlosere angereiht werden.
In Pettenkofen, der einerseits, wie wir wissen, zeitlebens Schulden hatte und
dadurch niemals völlig frei war, war anderseits das Bedürfnis, unabhängig zu sein,
so stark, daß es ihn, dessen Manieren doch die denkbar besten waren, wie fol-
gende Mitteilung des Herrn Ethofer beweist, gelegentlich beinahe unartig werden
ließ. Im Jahre 1886 waren Ethofer und Cecil van Haanen die Gäste des Fürsten
Porzia auf dessen prachtvollem Renaissanceschloß in Spittal a. d. Drau. Auch
Pettenkofen wurde erwartet und, da der Fürst ausdrücklich wünschte, daß auch
er im Schlosse wohne, gebrauchten Haanen und Ethofer die List, ihm, dessen
Abneigung gegen derlei Zwang sie kannten, gleich bei seiner Ankunft auf dem
Bahnhof zu sagen, daß alle Gasthäuser besetzt seien und er daher, ob er nun
wolle oder nicht, im Schlosse logieren müsse. Pettenkofen ließ sich überreden und
brachte wirklich eine Nacht im Schlosse zu. Beim ersten Spaziergang aber erkun-
digte er sich im nächstbesten Hotel, ob schon Platz sei, erfuhr dabei, wie er
hinters Licht geführt worden war, wurde äußerst zornig und übersiedelte sofort
vom Schlosse ins Hotel.
Pettenkofens Reiselust und Vielgereistheit sind wiederholt hervorgehoben worden
und sind für ihn unzweifelhaft sehr charakteristisch, aber sein Wandertrieb macht
nicht immer einen ganz ursprünglichen Eindruck, sondern sieht oft genug wie Un-
rast aus, namentlich von der Zeit an, da ihm die Sehnsucht nach Seßhaftigkeit,
nach einem eigenen Heim die Wage zu halten anfängt. Daß Pettenkofens Drang
zu reisen so häufig nicht zur Tat geworden ist, daran trägt freilich vom Beginn
der siebziger Jahre an seine Kränklichkeit die größte Schuld. Aber nicht bloß aus
Gesundheitsrücksichten ist Pettenkofen nicht der Typus eines echten und rechten
W^andervogels, — es widerstreben ihm nämlich zu viele Dinge in der Fremde: ihre
Sprache beherrscht er nicht, Besonderheiten ihres Klimas verträgt er nicht, die Kost,
die Gewohnheiten der Einheimischen stoßen ihn ab, die See ist für ihn keine Brücke
zu anderen Ländern, sondern ein unüberwindliches Hindernis, dahin zu gelangen.
271
Den bereits im Verlauf der Darstellung erwähnten, nicht zur Ausführung ge-
langten Reiseplänen dürfen parenthetisch hier wohl noch ein paar andere, die sich
nur auf Zetteln des Nachlasses notiert finden und sich nicht näher datieren lassen,
angefügt werden. Der weitestgehende dieser Pläne scheint der einer Reise nach
Konstantinopel zu sein und zwar von Paris aus und mit dem Orientexpreßzug. —
Im zweiten Kapitel wurde es auffällig gefunden, daß sich Pettenkofen so wenig
von der französischen Provinz ansah. !Pin Zettel beweist, daß er zu Zeiten wenig-
stens die Absicht hatte, Frankreich nach mehreren Richtungen hin zu bereisen.
Auf der einen Seite dieses Blattes ist in Schlagwörtern eine Reise in die Provence
angegeben : „Von Marseille nach Arles / Arles (Arfene, Aliscamps und die ganze
Stadt) / Abbaye de Montmajour und die Stadt Les Beaux / von Arles nach Aigues-
mortes / von Aiguesmortes nach Nimes / von Nimes nach dem Pont du Gard,
St. Gilles / nach Avignon (Palais des papes) / Avignon gegenüber Villeneuve-les-
Avignon / Tarascon und Beaucaire / Carcassonne (la cite de Carcassonne) / Bouches-
du-Rhone / Gard | Vaucluse / Languedoc." Diese Gegenden dürften Pettenkofen
wohl fast ebenso sehr durch ihre antiken Denkmäler wie durch ihre Landschaft
angelockt haben. Ins Herz und in den nördlicheren Teil Frankreichs sollten die
folgendermaßen auf der Rückseite des Zettels verzeichneten Reisen führen: „Tou-
raine / Orleans / von Orleans nach Blois / von Blois nach Amboise und Chenon-
ceaux / zwei Schlösser : Chambord und Chaumont / die Stadt Loches. Von Paris /
Dijon / Auxerre / Meaux."
Andere Pläne gelten viel kleineren Reisen und Tagesausflügen. So wollte
Pettenkofen einmal, wohl von Venedig aus, über Padua, Monselice und Este nach
Montagnana und von da eventuell über Mantua nach Mailand. Ein anderes Mal
beabsichtigte er, wohl gleichfalls von Venedig aus, mit der Bahn über Bassano
nach Marostica und von da im Wagen nach Thiene zu fahren, von wo es dann
wieder mit der Bahn nach Vicenza gehen sollte. Da sich die in der betreffenden
Notiz enthaltenen Worte „Schloß und Graben und Mauer" wohl nur auf Thiene
beziehen können, so muß man annehmen, daß sich Pettenkofen nicht so sehr für
die Fresken des Veronese im Schlosse, als vielmehr für dieses selbst interessiert
hat. Einen ähnlichen Zweck hätte er dann auch mit der Fahrt nach Montagnana
verknüpft, einem Städtchen, das durch seine vorzüglich erhaltenen mittelalterlichen
Befestigungen mit zinnengekrönten Mauern und Türmen berühmt ist. Und wenn
er weiters von Florenz aus über Empoli nach San Gimignano und von da nach
Siena zu fahren plante, so lockte ihn zweifellos abermals das wohlerhaltene Bild
ferner Vergangenheit, das die „Stadt der schönen Türme" bietet. Motive für Bilder
aber dürfte er an allen diesen Orten kaum gesucht haben, eher für seine Illustra-
tionen zum „Gil Blas". —
Nach dieser Abschweifung, die von einigen bisher noch nicht mitgeteilten Reise-
plänen Pettenkofens gehandelt hat, sei aber wieder zu seinen Eigenheiten und
Schrullen zurückgekehrt. Die nunmehr zu besprechenden leiten schon vom Men-
schen zum Künstler über.
Anderen über ihre künstlerischen Leistungen seine Meinung zu sagen, war
Pettenkofen höchst peinlich und fiel ihm sehr schwer. Mußte er es dennoch tun.
272
so gebrauchte er dabei die sonderbarsten Umschweife, hielt mit seiner wirklichen
Ansicht hinter dem Berg oder sagte geradezu etwas anderes als das, was er sich
dachte. Zeigten ihm z. B. die Fräulein Marie und Berta Müller Arbeiten, so fieng
er etwa an: „Meine Damen, Sie haben wahrhaft Tizianisches Talent, aber . . .",
dann äußerte er behutsam ein oder das andere Bedenken und schließlich ließ er
keinen Stein auf dem andern. Kam zu ihm ein junger Mensch auf die Akademie
und bat ihn um sein Urteil über mitgebrachte, nichts weniger als vielversprechende
Studien und Entwürfe, so rief er seinen Freund Müller zuhilfe, dessen Gewandt-
heit größer war, jemandem schonungsvoll beizubringen, daß er die Malerei lieber
stehen lassen und etwas anderes anfangen solle. Den Worten Müllers stimmte er
dann aufs lebhafteste bei.
Herr Maler Dome Skutezky erzählt^') folgendes hierhergehörige Erlebnis, das
er zu Beginn der achtziger Jahre mit Pettenkofen in Venedig hatte. Pettenkofen
wurde ihm, bevor er ihn persönlich kennen lernte, von allen Seiten als ein unnah-
barer Sonderling geschildert. Skutezky kannte Pettenkofen seit Jahren vom Sehen
her in Venedig, schob es aber, obwohl er eine Empfehlung an ihn hatte, immer
wieder hinaus, sich ihm vorzustellen. Da sollte ein Zufall beider Bekanntschaft
vermitteln. Skutezky stand vor einer größeren Reise, wollte sein Atelier aufgeben
und weitervermieten und hängte deshalb an die Haustür den in Venedig wohlbe-
kannten unbeschriebenen weißen Zettel, der anzeigt, daß im Hause etwas zu ver-
mieten sei. Eines Tages läutet es, Skutezky hört Tritte die Stiege heraufkommen,
geht auf den Gang hinaus und vor ihm steht — Pettenkofen. Er begrüßt ihn nicht
ohne Herzklopfen. Pettenkofen aber will, als er das Atelier besetzt sieht, sofort
wieder umkehren. Skutezky erklärt ihm, daß es tatsächlich zu mieten, daß das
Licht gut sei und dergleichen mehr und bringt ihn so endlich hinein. Nach vielem
Bitten und Zureden setzt sich Pettenkofen, spricht geschäftlich über das Atelier
und will gleich wieder gehen. Um ihn zu halten und mitteilsamer zu machen,
sagt ihm Skutezky schließlich, daß er ihm seit vier Jahren den Gruß eines Freundes
zu überbringen habe. Auf das hin taut Pettenkofen endlich auf, und es entwickelt
sich ein Gespräch. Auf Skutezkys Staffelei stand ein fertiges, von London aus be-
stelltes Bild, eines jener süßlichen novellistischen Genrebilder, wie sie im Handel
begehrt sind. Skutezky mußte Pettenkofen ausdrücklich darum bitten, daß er es
ansah. Dann sagte er: „Ah, das wird ja ein nettes, liebes Bild, das werden Sie
leicht verkaufen." Skutezky war betroffen: „So habe ich's nicht gemeint, verehrter
Meister. — Das Bild ist übrigens bereits verkauft." „Um so besser, ja, ja, der-
gleichen verkauft man immer." Skutezky aber wollte durchaus Pettenkofens wirk-
liche Meinung über das Bild erfahren und ließ nicht ab, ihn zu bitten, sie ihm
mitzuteilen. Da sagte er endlich: „Sie wissen ja selbst am besten, wo Sie der
Schuh drückt. Das Bild ist nicht im Freien, ist nicht an Ort und Stelle gemalt."
Mit diesen Worten griff er nach Pinsel und Palette und malte ohneweiters ein
paar kraftvolle Striche in das fertige glatte Bild. Skutezky verstand ihn wohl, —
aber er hatte hernach ein paar Tage zu tun, um die vorzüglichen Übermalungen
aus dem Bilde zu entfernen. Mit ihnen hätte es der Engländer gewiß nicht über-
nommen. — Einige Jahre später — es mochte 1884 gewesen sein — malte
273
35
Skutezky im Hofe des Dogenpalastes ein kleines Bild. Pettenkofen kam zufällig des
Weges und geriet über die Malerei in eine derartige Begeisterung, daß sich
Skutezky fast schämte. „Wer hätte das damals gedacht, als ich das schlechte,
dumme Bild bei Ihnen in der Calle delle Acque sah. Nein, dieser Marmor, — wenn
es Ihnen nur gelänge, die Figuren auf die gleiche Höhe zu bringen." Skutezky
fügt bescheiden hinzu: „Leider gelang es mir nicht, denn den Marmor malen
viele Künstler gut, Figuren aber nur wenige." Man ersieht aus dem Verhalten
Pettenkofens gegenüber diesem zweiten Bilde, daß er, wie auch schon Skutezky
bemerkt, und was wir auch sonst noch bestätigt finden werden, leicht zu Enthu-
siasmus geneigt war.
Pettenkofens schärfere Seite wird durch ein Geschichtchen beleuchtet, das ihn
gleichfalls als Beurteiler der Leistung eines Kollegen zeigt und Herrn Maler
Ethofer zum Gewährsmann hat. Einer Einladung folgend, besuchte Pettenkofen
einmal in Rom in Begleitung Ethofers das Atelier des Malers T. Die beiden
Freunde bekamen da ein Kolossalgemälde zu sehen, das darstellte, wie Tilly, auf
einem blauen Schimmel sitzend, in einer Kapelle den Segen empfieng. Pettenkofen
lobte alles auf überschwängliche Weise. Ethofer wollte seinen Ohren nicht trauen
und fragte Pettenkofen, als sie beide wieder draußen waren, ob denn das, was er
gesagt habe, sein Ernst sei. „Lieber Etti," antwortete Pettenkofen, „wenn ich dem
Manne etwas ausstelle, so hält er mich für einen Esel. Das will ich doch nicht."
Das Bild soll nämlich entsetzlich gewesen sein.
Pettenkofen ließ nie oder nur höchst ungern das, woran er arbeitete, was er
vorbereitete, sehen. Selbst seinen nächsten Freunden konnte er die Bitte, sein
Atelier besichtigen zu dürfen, abschlagen. Einmal wollte Leopold Müller seine
Schwester Marie und eine Cousine in Pettenkofens Atelier an der Akademie führen.
Der sonst so artige Pettenkofen versperrte sich aber und ließ Müller, der nicht
nachgab, und die beiden Damen eine halbe Stunde auf dem Gang warten. Als
er dann schließlich doch aufgeschlossen hatte, fand sein Besuch im Atelier fast
nichts zu sehen. Die Bilder waren entweder versteckt oder mit der bemalten
Seite gegen die Wand gelehnt. — Wie Maler Ethofer erzählt, bat Pettenkofen
einmal von zwei Koburger Zwillingsbrüdern, die Müller hießen und mit denen er
in Rom verkehrte, den einen, der Bildhauer war, er möge ihm als Behelf für ein
Bild, das er gerade in Arbeit hatte und das einen mit einem gestohlenen Hammel
auf dem Rücken einen Abhang herablaufenden Zigeuner darstellen sollte, ein
Figürchen modellieren. Der Bildhauer willfahrte der Bitte, verlangte dafür aber
von Pettenkofen als Gegenleistung, daß er ihm sein Atelier und seine Arbeiten
zeige. Pettenkofen hatte das nämlich, obgleich er selbst das Atelier der beiden
Brüder aufs genaueste kannte, vorher durchaus nicht tun wollen. — Einen ähn-
lichen Vorfall berichtet Franz Rüben: Pettenkofen hörte in Venedig von einem
Bild, das Passini malte; es stellte dessen Tochter dar, wie sie im Garten Rosen
brach oder Äpfel pflückte. Pettenkofen gieng zu Passini hin, um das Bild kennen
zu lernen. Passini aber, darüber ärgerlich, daß Pettenkofen, der selbst niemals
etwas herzeigte, bei den andern alles sehen wollte, verwehrte die Besichtigung
seines Bildes mit den Worten: „Wie du mir, so ich dir."
274
Von Pettenkofens Verschlossenheit war schon oft die Rede. Diese Eigenschaft
seines Charakters ließ ihn z. B. selbst seinen besten Freunden gegenüber all das
verschweigen, was lediglich seine Person angieng. So teilen beispielsweise die
Damen Müller und Frau Leopoldine Mayer übereinstimmend mit, daß Pettenkofen
von seinen Angehörigen nicht oder nur sehr selten und wenig sprach. Die Damen
Müller erfuhren z. B. erst nach seinem Tode, daß er überhaupt einen Bruder
hätte. Aber diese Zurückhaltung allein macht noch nicht sein oben geschildertes
Benehmen gegen Kollegen begreiflich. Dafür scheint Maler Ethofer die richtige
Erklärung zu geben, wenn er sagt: „So verehrungswürdig Pettenkofen als Mensch
war, ein ebenso großer Egoist war er als Künstler; er nützte alles und alle für
seine Zwecke aus." Fällt einem hiebei unwillkürlich die Stelle in dem oben voll-
inhaltlich mitgeteilten Neapolitaner Briefe Pettenkofens an Jettel ein, wo er von
seinem „dem Künstler erlaubten und gebotenen Egoismus" spricht, so muß man
sich anderseits hier auch des bereits erwähnten Falles erinnern, in welchem Petten-
kofen ein von ihm gefundenes Motiv von einem Bekannten einfach weggenommen
wurde.
Am drastischesten aber offenbart sich dieser künstlerische Egoismus Pettenkofens
vielleicht in folgender Anekdote: Hofrat v. Schrötter fand Pettenkofen einmal
ganz außer sich. „Denk' dir, was mir der Müller angetan hat! Ich selbst plag' mich
jahrelang, um auf das Geheimnis der braunen Untermalung zu kommen. Endlich
gelingt's mir. Ich bin so unvorsichtig und sag's dem Müller. Der aber hat nichts
eiliger zu tun, als es allen seinen Schülern zu verraten. Heute weiß es schon die
ganze Akademie." Schrötter, der zu Pettenkofens größtem Erstaunen Müllers Vor-
gehen nicht so entsetzlich finden konnte, stellte folgende Frage an ihn: „Bist du
am Ende auch der Meinung, daß ich, wäre ich so glücklich gewesen, ein Heil-
mittel für die Lungenschwindsucht zu entdecken, nur allein damit kurieren, es
niemand anderm mitteilen dürfte?" „Natürlich!" lautete Pettenkofens im Ton der
vollsten Überzeugung gerufene Antwort. ^^)
An seine Modelle stellte Pettenkofen die denkbar höchsten Anforderungen.
Mittelbar erfuhr der Autor von einem Herrn, der zufällig in Szolnok Zeuge der
von ihm berichteten Szene war, daß Pettenkofen, der für ein Bild — es war viel-
leicht der eben vorhin erwähnte „Hammeldieb" — einen eine Böschung herab-
laufenden Zigeuner brauchte, sein Modell rücksichtslos immer wieder herunter-
rennen ließ. Wie er selbst bei der Arbeit keine Ermüdung kannte, so setzte er
eben auch bei seinen Helfern das Aufgebot all ihrer Kräfte als selbstverständlich
voraus.
Gegen Lob, besonders wenn es zu dick aufgetragen wurde oder doch übertrieben
herauskam, war Pettenkofen sehr empfindlich. Es verstimmte ihn aber auch, wenn
sich jemand, auf dessen Urteil er etwas gab, angesichts einer neuen Arbeit allzu
wortkarg verhielt. Wenn z. B. Franz Xaver Mayer also tat, so ließ Pettenkofen
nicht ab, mit Fragen in ihn zu dringen, was ihm denn an dem Bilde mißfalle.
Nannte dann Herr Mayer etwa eine Stelle, mit der er aus diesem oder jenem
Grunde nicht ganz einverstanden wäre, so stimmte Pettenkofen dieser Meinung
ohneweiters zu : ja, das habe er sich auch schon gedacht. Und dann konnte es
275 35*
geschehen, daß Herr Mayer, wenn er sich nach einiger Zeit bei Pettenkofen wieder
nach dem Bilde erkundigte, die Auskunft erhielt: das existiert nicht mehr. Mit
der Vernichtung von Arbeiten, an denen ihm irgend etwas nicht zusagte, war er
überhaupt schnell bei der Hand. Von verschiedenen glaubwürdigen Seiten wird
berichtet, daß er dieses oder jenes Werk zerrissen, zerbrochen, zerschnitten, zer-
hackt, verbrannt habe. Die Herren Balthasar Krzisch und Maler Rudolf Konopa
besitzen heute noch solche von Pettenkofen halb zerstörte und dann nicht weiter
beachtete Arbeiten, die nachträglich von anderer Hand wieder zusammengesetzt
worden sind.
Pettenkofens hier bereits oft und oft gerühmter Fleiß kommt nicht nur in den
zahlreichen Arbeiten, die er geschaffen, sondern auch in den Übungen zum Aus-
druck, die er noch als reifer Meister, ja sogar noch als alter Mann angestellt hat,
um in seiner Kunst auf der Höhe zu bleiben. Die größte Mühe verwandte er auf
die Zeichnung. Das Zeichnen, sagte er den Fräulein Marie und Berta Müller, ist
die Hauptsache, das Malen kommt von selbst. Er tadelte es an ihnen, daß sie
nicht immer und überall ein Skizzenbuch bei sich hätten, um alles zu zeichnen,
was sich ihnen darböte. Und was er andern riet, befolgte er auch selbst. Maler
Dome Skutezky erzählt, daß er Pettenkofen einmal in Venedig im Restaurant
„Cittä di Firenze" traf, wie er zwischen zwei Gängen des Mittagsmahles seinen ihm
gegenüber an der Wand hängenden Hut auf ein Briefkuvert zeichnete. Er sagte:
„Sie können sich nicht vorstellen, wie schwer es ist, so einen runden steifen Hut
richtig zu zeichnen, ihn so wiederzugeben, daß es der und kein anderer Hut ist.
Schauen Sie nur her, diese Linie da bringe ich nicht zusammen. Ja, wenn ich jung
wäre wie Sie, dann würde ich zeichnen lernen, — wie wollte ich da überhaupt
lernen, lernen."^') Zu Sedelmeyer sagte Pettenkofen, ein Maler müsse so zeichnen
können wie ein Virtuos spielen; zeichnen müsse die Hand von selber können.
Cecil van Haanen bezeugt, daß Pettenkofen in Venedig nicht nur mit Pinsel und
Feder nach Photographien von Bildern des Velasquez, sondern daß er auch nach
Gipsen gezeichnet hat und zwar so, daß z. B. in einer Viertelstunde ein Arm
fertig sein mußte. Franz Rüben teilt mit, daß Pettenkofen in Venedig nach Gips-
abgüssen von ägyptischen Reliefs — es können nur die aus dem Grabe des Ti
sein, von denen noch die Rede sein wird — gezeichnet hat. Maler Andreas
Wildhack erinnert sich, daß Pettenkofen 1860 oder 1861 ein Semester hindurch
an der Wiener Akademie den Aktkurs, den abwechselnd eine Woche Wurzinger,
die andere Karl Mayer leitete, besucht hat. Pettenkofen war damals bereits ein
anerkannter, namhafter Meister und erregte daher unter den jungen Leuten kein
geringes Aufsehen. Daß Pettenkofen zusammen mit Ethofer am Aktkurs an der
Akademie zu Neapel teilnahm, wurde bereits oben mitgeteilt, daß er es auch in
Venedig tat, bezeugen van Haanen und Sedelmeyer. Ein Geschichtchen, das aber-
mals Herr Maler Skutezky mitteilt, ^0 illustriert sowohl Pettenkofens Ansicht über
das Zeichnen, als auch das Verhältnis, in dem er zu Ludwig Passini stand, der
ihm als Maler wohl etwas zu glatt und süßlich gewesen sein wird. Passini zeigte
Pettenkofen einmal ein Aquarell, das er soeben für den Fürsten Liechtenstein
fertig gestellt hatte. Pettenkofen blieb stumm. Auf das Drängen Passinis, doch
276
seine Meinung zu äußern, sagte er nichts als: „Ja, das Zeichnen ist halt schwer."
Mit diesen Worten tat er Passini, der gerade auf sein Zeichnen besonders stolz
war, sehr weh. Passini erwiderte gekränkt und gereizt: „Man macht eben, was
man kann." Pettenkofen wiederholte : „Ja, ja. Zeichnen ist schwer" und gieng. Auf dem
Heimweg kaufte er bei einem Gipsgießer einige Abgüsse von Teilen der Niobiden-
gruppe und schickte sie Passini. — In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt,
daß nach Sedelmeyer Pettenkofen an den französischen Impressionisten vor allem
die schwache Zeichnung rügte.
So viel von der hohen Bedeutung, die Pettenkofen dem Zeichnen beigemessen
hat. Über das Malen im engeren Sinne des Wortes haben sich von ihm zwei Auf-
zeichnungen erhalten. Die eine ist vom Jahre 1886 datiert und lautet: „Die Farben
der Palette werden nach und nach gefunden, durch Beobachtung der Natur." Die
zweite Notiz dürfte so ziemlich derselben Zeit wie die erste angehören und spinnt
den in dieser angedeuteten Gedanken etwas weiter aus: „Über meine Methode
in der Malerei. Die Farben meiner Palette wurden mir nach und nach gegeben
durch das Bedürfnis da[r]nach in Vergleichung der Natur; die Harmonie dieser
Palette kam zu einer bestimmten Vollendung und Selbständigkeit durch Bedürfnis
darnach, welches Arbeit hervorgerufen. Der ganz umgekehrte Fall wird es sein,
wenn man diese Palette einem in die Hand gibt, um daraus das Bedürfnis nach
Harmonie erst zu finden." Dieser nicht sehr glücklich formulierte Ausspruch betont
zwei Momente, ein objektives und ein subjektives. Das objektive ist eine möglichst
treue Nachahmung der in der Natur gesehenen Farben mithilfe der in den Tuben
bereits vorhandenen und der auf der Palette durch Mischung dieser erst zu er-
zeugenden; das subjektive ist die sich im Laufe der Jahre bei der Arbeit allmählich
herausbildende Bevorzugung gewisser Farbenharmonien in der Natur sowohl als
auch auf den Bildern. Anders ausgedrückt, könnte diese Malvorschrift auch lauten:
Naturalistisches Kolorit, gewählt und geläutert durch persönlichen Geschmack.
Tatsächlich wäre „Natur Wahrheit und Geschmack" vielleicht die knappste Formel,
auf die die Eigenart von Pettenkofens Farbengebung — vielleicht seiner ganzen
Malerei — gebracht werden könnte.
Als charakteristisch für Pettenkofens Verhältnis zu den Farben mögen hier noch
folgende drei Mitteilungen Platz finden: Die Damen Marie und Berta Müller er-
zählen, daß sich Pettenkofen, als sie an der Wiener Akademie im Atelier ihres
Bruders malten, jedesmal, wenn er guten Morgen wünschte, von ihnen durch den
Türspalt ihre Paletten zeigen ließ und nach einem Blick auf diese ihnen voraus-
sagte, ob es den Tag gut gehen werde oder nicht. — Fräulein Anna Wagner be-
richtet, daß sich Pettenkofen geärgert habe, als sie ihm auf die Frage, was ihre
Lieblingsfarbe sei, antwortete: Purpur. Er habe der Lavendelfarbe vor allen
andern den Vorzug gegeben. Zu dieser Anekdote sei bemerkt, daß die Makart-
Verehrung der Dame oft einen Streitpunkt zwischen ihr und Pettenkofen abgegeben
hat. — Die Herren Ethofer und Sedelmeyer teilen übereinstimmend mit, daß
Pettenkofen das größte Gewicht auf die „Valeurs" legte.
Wie jeder ordentliche und tüchtige Handwerker — ein Handwerker steckt be-
kanntlich in jedem Künstler — hielt auch Pettenkofen viel auf gute Materialien
377
und gutes Werkzeug. Daß er sich Farben, Pinsel und Leinwand durch Kratzer in
Paris kaufen und von dort nach Wien schicken ließ, wurde schon gesagt. Auch
Sedelmeyer hatte gelegentlich derlei für ihn zu besorgen. In dem diesem Buche
beigegebenen „Verzeichnis der Werke" ist in all den Fällen, wo es sich hat fest-
stellen lassen, die Herkunft der Malgründe angegeben. Eine ganz besondere Sorg-
falt verwendete Pettenkofen auf die Auswahl der Rahmen für seine Bilder. Er
stimmte nicht nur den Rahmen zum Bilde, sondern insoferne auch das Bild zum
Rahmen, als er es erst darin fertig malte. Zu dem „Ungarischen Markt" im Besitz
der Damen Müller hat er sich z. B. den Rahmen eigens aus Paris kommen lassen.
Die Vergoldung mußte echt sein, und in der späteren Zeit hob er oft den Rahmen
eines kleinen Bildes durch einen sorgfältig ausgewählten Peluchegrund.
Aus Pettenkofens Nachlaß haben sich verschiedene Rezepte zu Malmitteln und
Grundierungen, eine Anweisung, Lein- oder Nußöl zu reinigen, und dergleichen
erhalten. Auch die von ihm unseres Wissens niemals ausgeübten Techniken der
Fresko- und der Temperamalerei interessierten ihn. Seine datierten Siccativexperi-
mente wurden bereits angeführt. Fräulein Marie Müller berichtet, daß er auf
Brettchen verschiedene Farbmischungen aufzustreichen und dazu das Datum zu
schreiben pflegte, um auf diese Weise die Dauerhaftigkeit der Mischungen kennen
zu lernen. Auch hat sich aus seinem Nachlaß in Glasflaschen und Papiersäcken
eine ganze Menge von Rohfarben erhalten, wie er sie aufbewahrte, um sie dann
eigenhändig für den Gebrauch zuzubereiten. Frau Leopoldine Mayer erzählt, daß
er ihr oft untermalte Bilder brachte und sie bat, diese in ihren Glasschränken auf-
zubewahren, aber ja niemandem zu zeigen. Nach langer Zeit, manchmal erst nach
Jahren, nahm er die Bilder dann wieder zu sich und malte sie zu Ende. Er tat
dies, um ihre Solidität zu erhöhen.
Diese letztere Mitteilung leitet bereits zu Pettenkofens Arbeitsweise hinüber. Von
ihr, und zwar in einem weiteren Sinne als dem bloß technischen, soll nun ge-
handelt werden.
Ähnlich wie Pettenkofen ein bereits angefangenes Bild stehen ließ und erst
nach einer langen Pause wieder hervorsuchte, um es zu vollenden, konnte er auch
ein Thema Jahre hindurch immer wieder von neuem anpacken. Das beste Beispiel
hiefür ist der „Verwundetentransport", ein Vorwurf, den er bekanntlich 1849 zum
ersten, 1869 zum letzten Mal behandelt hat. Aber nicht immer wurde wie in
diesem Falle die Wiederaufnahme eines alten Themas zu einem neuen Bilde.
Recht häufig unterscheidet sich die zweite Fassung eines Bildes von Pettenkofen
nur recht wenig von der ursprünglichen, so daß jene bei oberflächlicherer Be-
trachtung ganz leicht für eine eigenhändige Kopie dieser angesehen werden könnte.
Hier darf wohl auch nochmals der Vorliebe Pettenkofens für gewisse Sujets wie
das „Duell" und das „Rendezvous" gedacht und schließlich die merkwürdige Tat-
sache verzeichnet werden, daß Pettenkofen, der geschworene Feind des Winters,
niemals ein Schneebild gemalt hat. —
Pettenkofen hat nicht nur von der Natur, sondern auch von der Kunst, und
zwar der gegenwärtigen und der vergangenen gelernt.
Seinen bereits weiter oben mitgeteilten Aussprüchen über seine Art, die Natur
278
zu studieren, sei hier eine Bemerkung angereiht, zu der ihn anscheinend die Lek-
türe von Humboldts „Reisen" veranlaßt hat. Sie lautet: „ — was im Angesicht der
geschilderten Gegenstände niedergeschrieben ist, hat ein Gepräge von Wahrheit
(ich möchte sagen : von Individualität), das auch den unbedeutendsten Dingen einen
gewissen Reiz gibt. — Je gewaltiger und großartiger die Natur , desto
strenger muß man bei Naturschilderungen an der Einfachheit festhalten, die das
vornehmste, oft das einzige Verdienst eines ersten Entwurfes ist."
Zur Vermittlung bedient sich Pettenkofen beim Arbeiten nach der Natur späte-
stens vom Jahre 1869 an, wie wir wissen, auch der Photographie. Außer durch
die in diesem Jahre beim Szolnoker Photographen Chryastel bestellten Aufnahmen
für zwei ungarische Bilder und die Photographie zum „Straßenkampf in einem
venezianischen Gäßlein" wird diese Benützung des photographischen Apparates
auch noch durch etliche Abzüge, die sich aus dem Nachlaß erhalten haben,
belegt : Einer von diesen stellt ein auf dem Boden kauerndes nacktes halbwüchsiges
Zigeunermädel, ein anderer einen an eine Mauer gelehnten Franziskanermönch
dar; das sind zwei Themen, die von Pettenkofen tatsächlich in Bildern behandelt
worden sind. Andere Naturaufnahmen geben italienische und ägyptische Typen
(die Blätter mit diesen sind Pettenkofen wohl durch Müller verschafft worden),
Fisch- und Geflügelstilleben, Brombeerranken und eine Malvengruppe (eine solche
wollte Pettenkofen auf dem Bilde mit den beiden über eine Gartenplanke spähenden
Mädchen verwenden), Akte, Tiere, Architektur und Landschaften wieder. Eine
besondere Erwähnung verdient die Stereoskopaufnahme von Soldatenleichen, die
auf einem Schlachtfeld zu einem Haufen zusammengeworfen sind. Damit hängt
ein Zettel zusammen, auf dem ein Pariser Photograph Lewis notiert ist, bei dem
„Stereoskopen-Bilder von Schlachtfeldern [in] Italien" erhältlich sind. Es ist nur
selbstverständlich, daß Pettenkofen, der so viele Tote und Verwundete des öster-
reichisch-ungarischen Feldzuges während der Jahre 1848-49 nach der Natur oder
nach Erinnerungsbildern gezeichnet und gemalt, der, wie wir uns entsinnen, die
größere Darstellung eines Schlachtfeldes geplant hatte, an einem solchen Hilfs-
mittel, das der technische Fortschritt der Zeit dem Maler an die Hand gab, das
höchste Interesse nahm.
Ein anderer Behelf beim Malen waren für Pettenkofen Kostümstücke, die er zu
Zeiten eifrig sammelte. Die früheste Erwähnung von Kostümen in seinem Besitz
findet sich auf dem schon zitierten Zettel, der vom 26. Dezember 1868 datiert und
„Bilder und Studien im Versteck" überschrieben ist. Da ist notiert, daß für das
zu vollendende Bild „Rauchendes Zigeunermädel" „auf die Reise mitzunehmen
[seien:] Hemd, Kittel, roter Gürtel, weißes Leintuch, Pfeife etc.," für das Bild
„Kavaliere, ihre Gegner zum Duell erwartend" „aus den betreffenden Kostümen
ein Paket zum Absenden zu machen" sei und für das Bild „Der Vogelsteller",
ein ungarisches Motiv, „die betreffenden Wäschestücke [gleichfalls] ins Paket" zu
geben seien. Besonders viel mit Kostümen hat Pettenkofen im Jahre 1875 zu tun.
Am 12. Februar kauft er sich in Rom, wahrscheinlich auf dem berühmten Trödel-
markt vor der Cancelleria, ein Meßkleid aus violettem Samt, gelben Damast, weiße
Seide mit Blumen, solche mit Silber, orangefarbene Seide, mit Gold gestickt, und
279
roten Samt. Am 8. März ersteht er, ebenfalls in Rom, violette Seide, einen Mantel,
ein Mieder und ein grünes Meßgewand. Am 15. April erwirbt er in Florenz grüne
Seide mit Silber sticker ei und eine gelbe Pferdedecke, am 19. einen Sattel mit
grünem Samt, Schuhe aus dem XVII. Jahrhundert, 1 m roten Flanell und 16 m weiße
„Gallone" (d. i. eine Borte), am 23. roten Samt und rote und grüne Gallonen und
am 25. in Bologna ein Paar Handschuhe, ein Paar kleinere, ein Paar größere
weiße Schuhe, ein kleines Stück schwarzen Samt und gelben Samt mit violetten
Zutaten. (Nach etlichen dieser Erwerbungen, mit dem Sattel als Hauptstück, hat
Pettenkofen ein Stilleben aquarelliert.) Am 7. Mai wurden ihm nach Venedig aus
Rom ein „rotes Seminar kleid" (die Robe eines „Gambero" ?) und ein Ziegenfell
nachgeschickt. Am 8. April 1879 bezahlt er einem Schneider in München die An-
fertigung eines Kostümmantels, am 19. Mai aber verkauft er ebenda für 500 Fr.
„antike Stoffe" an Lenbach. Am 12. September 1887 kauft er in Bozen beim Anti-
quitätenhändler Übersbacher einen alten Sattel, am 1. Oktober begleicht er, wieder
in Bozen, bei seinem Freunde, dem Architekten Alexander Günther, die Rechnung
für eine rote Pferdedecke, die dieser für ihn aus Florenz mitgebracht hat. Am 28. Fe-
bruar 1889 verhandelt er mit den Costumiers der Wiener Hofoper Burghart und
Hohenleitner und noch am 8. März, also wenige Tage vor seinem Tode, zahlt
er Burghart für einen Rock und eine Weste aus Zwilch 22 fl. aus. Diese zwei
Kostümstücke, von Pettenkofen noch für seinen „Venezianischen Straßenkampf"
bestellt, gehören heute den Schwestern Müller, den Bozener Sattel und andere
Kostümstücke aus Pettenkofens Nachlaß aber haben sie der Kostümsammlung der
Wiener Akademie der bildenden Künste zum Geschenk gemacht.^')
Aber auch auf theoretischem Wege bemühte sich Pettenkofen der Natur näher-
zukommen. Als reifer Mann wendete er nicht nur perspektivische Hilfskonstruk-
tionen (für das „Rokoko-Rendezvous" und die „Venezianische Küche") an, sondern
studierte er auch, wie viele noch erhaltene Zeichnungen bezeugen, fleißig die Ana-
tomie des Menschen und des Pferdes.
Was aber die Kunst anlangt, so gieng Pettenkofen nicht nur bei der, wie wir
schon wissen, von ihm immer besser gekannten und immer höher verehrten alten,
sondern auch bei der seiner Zeit in die Schule. Er verstand es eben, immer und
überall zu lernen. So haben sich aus seinem Nachlaß ganze Stöße ausgeschnittener
Holzschnitte aus den Zeitschriften „Neue illustrierte Zeitung", „Le monde illustre",
„The illustrated London News", „Harpner's New Monthly Magazine" und „Punch"
erhalten. Pettenkofen sammelte diese Blätter, wie er gelegentlich zu den Schwestern
Müller bemerkte, der Anregungen wegen, die von derlei Sachen ausgiengen und
weiterwirkten. Es ist — wenn das hier eingeschaltet werden darf — interessant
zu sehen, wie noch vor kurzem der heute fast schon ausgestorbene Hirnholz-
schnitt diese wichtige Mittlerrolle von Langholzschnitt und Kupferstich in den An-
fangszeiten der graphischen Künste gespielt hat. Heute sind, abgesehen von der
Photographie selbst, die ja auch schon Pettenkofen ausgiebig benützt hat, und der
seither neu hinzugekommenen Kinematographie, die photomechanischen Repro-
duktionsverfahren, vor allem die beiden Arten der wohlfeilen Zinkätzung an die
Stelle des Hirnholzschnittes getreten. — Pettenkofen, der, wie uns bekannt ist.
380
selbst nicht ausstellte, war aber ein fleißiger Besucher von Gemäldeausstellungen.
Nach den erhaltenen Resten zu urteilen, müssen seine Notiz- und Skizzenbücher
voll gezeichneter und geschriebener Anmerkungen gewesen sein, zu denen ihn die
Bilder der Zeitgenossen veranlaßten. In Photographien hat Pettenkofen begreif-
licherweise nur die Bilder jener gleichzeitigen Maler besessen, mit denen er be-
freundet war. Diese wurden fast alle schon vorher im Laufe der Darstellung erwähnt.
Kaum weniger als die Kunst der Gegenwart hat Pettenkofen die der Vergangenheit
studiert. Äußerst interessant ist, daß er hiebei bereits hinter das klassische Alter-
tum zurückgieng. Wir haben schon gehört, daß er in Venedig nach Gipsabgüssen
ägyptische Reliefs gezeichnet hat. Es müssen dies die zwanzig Abgüsse nach
Flachreliefs sein, die um das Jahr 3000 v. Chr. in die Felswände des von Mariette
entdeckten Grabes des Ti zu Sakkara in Ägypten eingemeißelt worden sind.
Pettenkofen hat sie, vielleicht durch Leopold Karl Müller für die ägyptische Kunst
interessiert, am 19. April 1875 bei Casaglia in Florenz erworben. 1882 hat er sie
dem Gipsmuseum der Wiener Akademie zum Geschenk gemacht. Sie sind mit
den Inventarnummern 1345 — 1364 versehen, befinden sich aber nicht mehr alle im
Museum der Akademie, sondern sind 1902 zum Teile (nämlich die Nummern
1345, 1348, 1354, 1356 und 1364) an das Gipsmuseum der Universität abgegeben
worden. Sie stellen dar: den Fischfang, die Vogeljagd, Männer mit Eseln, Ochsen-
treiber, ein in einer Schlinge gefangenes Kalb, Schafe, einen Hund, einen Affen,
Gazellen, Ibisse, Geflügel im Schilfe, die Todtenklage, die Todtenbarke und das
Opfer vor Osiris. Es sind ausgezeichnete Arbeiten, in den bloßen Umrissen von der
höchsten Lebendigkeit. In Bezug auf sie versteht man die von Franz Ruhen über-
lieferte Äußerung Pettenkofens, daß ihn jetzt nur mehr die Primitiven interessieren.
Mit besonderem Eifer aber hat Pettenkofen die Kunst des klassischen Altertums
studiert und von ihr zu lernen getrachtet. Er hat nicht nur nach antiken Originalen
(nach einem Dionysos-Torso im Louvre, nach einem etruskischen Spiegel usw.),
sondern, wie wir wissen, auch nach deren Gipsabgüssen gezeichnet, und außerdem
haben sich in seinem Nachlaß zahlreiche Photographien sowohl nach antiker Plastik,
als auch nach antiker Architektur erhalten. Die Bronzestatuette des sogenannten
Narciß im Neapler Museum hat Pettenkofen beispielsweise in nicht weniger als vier
verschiedenen Aufnahmen besessen. Sehr merkwürdig ist eine schriftliche Aufzeich-
nung Pettenkofens, die sich mit antiker Malerei befaßt. Es ist ein Exzerpt aus einer
deutschen Übersetzung von Sir William Gells „Pompeiana", das folgendermaßen
lautet: „Es ist auffallend, daß in manchen Fällen, wo sich nämlich ein Gemälde gut
erhalten hat und aus einer gewissen Entfernung dem Auge sichtbar wird, ein Stil
in Anwendung gebracht ist, [der,] wiewohl darauf berechnet, die Wand zu verzieren,
doch bei einer größeren Annäherung keineswegs verständlich erscheint. [In einem
Zimmer] . . . befindet sich ein Gemälde, welches, aus einer gewissen Entfernung
gesehen, eine Stadt, ein Zelt und etwas einer Hochzeitsfeierlichkeit Ähnliches dar-
stellt, allein es verwandelt sich, wenn man sich ihm nähert, in eine Zusammen-
häufung von dem Anschein nach nichts bedeutenden Flecken, so daß es der Ge-
schicklichkeit eines Künstlers spottete, der bemüht war, es in Entfernung von 3 bis
4 Fuß zu kopieren."^'') Pettenkofen war im Februar 1873 in Pompeji. Damals,
281 36
wahrscheinlich einige Zeit nachher, muß er sich auch die eben mitgeteilte Stelle
ausgeschrieben haben, die, an ein Wandbild des „Hauses des tragischen Dichters"
zu Pompeji anknüpfend, vom impressionistischen Stil gewisser antiker Malereien
handelt. Nun ist es sehr interessant und wohl mehr als ein bloßer Zufall, daß,
wie wir uns erinnern, Pettenkofen 1874 in Venedig, wenn man so sagen darf, im-
pressionistisch zu malen beginnt: auch die Pinselstriche auf kleinen Bildern dieses
Jahres, wie z. B. dem „Eselsgespann" bei Eugen Miller v. Aichholz oder den
„Ungarischen Ochsen wagen" im Wiener Hofmuseum, werden erst, aus einiger
Entfernung betrachtet, verständlich. Nun wird ja Pettenkofen durch die ihm be-
kannten impressionistischen antiken Malereien allein gewiß noch nicht zu seinem
fernsichtigen Stil der siebziger Jahre angeregt worden sein, er kannte aber damals
bereits die impressionistischen Bestrebungen Manets und seines Kreises, hatte sich
selbst in seiner Malweise diesen bis zu einem gewissen Grade genähert, und im
Zusammenhang damit mag die von ihm so hoch gehaltene Autorität des klassischen
Altertums auf ihn schon einen mehr oder weniger bestimmenden Einfluß ausgeübt
haben.
Im Zusammenhang mit diesem Interesse an der Kunst und dem bereits früher
geschilderten an der Literatur des Altertums betrachtet, erscheinen auch Petten-
kofens freundschaftliche Beziehungen zu Malern antiker Stoffe wie Geröme, Hamon
und Alma Tadema in einem neuen Lichte.
Der Kunst des Mittelalters ist Pettenkofen anscheinend ferner gestanden, da-
gegen scheint er für die des Quattrocento bereits etwas übrig gehabt zu haben.
Wenigstens hat er nach Botticellis „Grablegung" in München gezeichnet und
haben sich aus seinem Nachlaß Photographien nach Jan van Eyck, Memling, Man-
tegna und Verrocchio erhalten. Ein besonders eindringliches Studium hat er, wahr-
scheinlich während der achtziger Jahre, als innerhalb seiner eigenen Tätigkeit das
Zeichnen mehr Raum zu beanspruchen anfieng, auf die Handzeichnungen der
Meister hauptsächlich des XVI. Jahrhunderts verwendet: Lionardo, Michelangelo,
Raffael, Andrea del Sarto, Annibale Carracci und von deutschen Malern Holbein
d. j. finden sich in seiner Sammlung vertreten. Ferner haben sich aus seinem
Nachlaß Photographien nach Bildern folgender Meister des XVI. Jahrhunderts er-
halten: Andrea del Sarto, Perugino, Palma Vecchio (2 Stück), Tizian (6), Paris
Bordone (2), Moreto, Morone, Correggio und Holbein d. j. (5). Sehr viel hat er
nach allen möglichen Flächenkunstwerken des XVII. Jahrhunderts gezeichnet und
zwar im Hinblick auf seine Illustrationen zum „Gil Blas". Außerdem ist dies die
Zeit der von ihm besonders hochgestellten Maler Velasquez, nach dem er nicht
weniger als 16 Photographien besaß. Van Dyck und Frans Hals. Er nannte aber
auch Photographien nach Rembrandt und Rubens sein eigen. Nach einer Mitteilung
von Fräulein Anna Wagner erklärte er das Bild „Der Maler in seinem Atelier"
von Vermeer in der Galerie des Grafen Czernin für das beste Bild in Wien. Vier
Radierungen Tiepolos und sieben Photographien nach Bildern Goyas zeigen, was
Pettenkofen an späteren Epochen der Kunstentwicklung besonders geschätzt hat.
Es ist nur begreiflich, daß diese ebenso ausgebreitete wie eindringliche Beschäfti-
gung mit der Kunst vergangener Zeiten bei Pettenkofen auch ein gewisses kunst-
282
theoretisches Interesse gezeitigt hat. Speziell in kunstgeschichtlicher Hinsicht äußert
es sich, abgesehen von dem, was darüber bereits gesagt worden ist, in folgendem:
Er hat sich Notizen über die Wasserzeichen auf Handzeichnungen Lionardos,
Michelangelos und Holbeins d. j. gemacht. Er hat sich des Plinius Lebensbeschrei-
bungen der Künstler des Altertums ausgeschrieben. Er hat sich in deutscher Über-
setzung die berühmte Stelle aus dem Vitruv notiert, die von den Proportionen des
Menschen handelt. (Als Photographie war, nebenbei bemerkt, auch die Zeichnung
Lionardos dazu, die sich in der Akademie von Venedig befindet, in seiner Samm-
lung vorhanden.) Er hat sich, wie wir wissen, die Werke der namhaftesten Kunst-
schriftsteller des XVI. und XVII. Jahrhunderts verzeichnet. Er hat endlich, und
das ist das Interessanteste, den Vorsatz gefaßt, selbst über die Malerei seiner Zeit
zu schreiben, was durch folgende Aufzeichnung zu belegen ist: „Kritik der
Malerei meiner Zeit. Wenn ich bedenke, wie viele nützliche und wissenswerte
Nachrichten über die Maler uns aus allen Zeiten dadurch verloren gegangen sind,
daß hierin wohlunterrichtete Männer entweder nicht schreiben konnten oder
wollten, fühle ich mich zu dem Versuch ermutigt, eine Darstellung der Malerei
und der auf sie Einfluß übenden Zustände während der Zeit meines Lebens zu
geben. Indem ich mich an die Überzeugung halte, daß der Wert dieser
Blätter in der klaren Anschauung und Wahrheit liegt, wird es mir leicht, meine
Bedenken zu beschwichtigen, daß ich der Interesse erregenden Schreibart ja un-
kundig sei und [es] sogar unterlasse, meine Unternehmung in schön gesetzter Rede
in üblicher Weise zu entschuldigen. Wer über die Kunst seiner Zeit schreibt,
schreibt ja nur für wenige Menschen, aber sicherlich für alle Zeiten, denn er reiht
damit nur ein Glied an die große Kette der Tradition, die so lange fortlaufen
wird, wie die intellektuellen Bestrebungen der Menschen. Wenn ich der Künstler
und Kunstfreunde, der Kunsthändler und aller derjenigen Erwähnung tue, welche
zum Apparat der Malerei meiner Zeit gehören, geschieht dies nur so weit, als es
zur Vervollständigung der Darstellung notwendig ist." Natürlich ist diese unper-
sönliche und inhaltsarme Einleitungsformel nur ein dürftiger Ersatz für die geplante,
aber wie so manche andere Arbeit Pettenkofens nicht zustande gekommene Schrift,
die sicherlich äußerst lehrreich geworden wäre.
Daß sich Pettenkofen auch mit der Ästhetik beschäftigt hat, kann nach der Dar-
legung seiner übrigen, wie wir gesehen haben, höchst mannigfaltigen kunsttheo-
retischen Interessen nicht Wunder nehmen. Seine Beschäftigung mit der Äs-
thetik ist mit zwei Notizen zu belegen. Die eine lautet: „Nach meiner Auffassung
ist Ästhetik das veredelte Denken, Empfinden, Sehen und Schaffen. Das dürfte
nach meinem Begriff die , Ästhetik' des Künstlers umwerfen." Die andere Auf-
zeichnung hält einen Satz fest, der „die Welt der Anschauung im weitesten Sinn
des Wortes" als das der Ästhetik eigentümliche Gebiet hinstellt. Dieser Ausspruch
ist dem Aufsatz „Über einige Prinzipienfehler der modernen Ästhetik von Dr. Max
Schasler" in der Halleschen „Zeitschrift für Philosophie" entnommen.
Aufschlußreicher als diese etwas blutleeren allgemeinen Sätze sind ein paar viel
persönlicher gefärbte Aussprüche Pettenkofens, in denen eine Art praktischer Äs-
thetik zum Ausdruck kommt. Zu Fräulein Anna Wagner sagte er: „Ich war immer
283 36*
ein Dichter" und „Das Höchste in der Kunst ist die Anmut." Was er natürlich
mit diesen beiden Sätzen, namentlich mit dem ersteren gemeint hat, ist umso
schwerer festzustellen, als die Überlieferung völlig zusammenhanglos ist, denken
läßt sich dabei natürlich allerhand. Verständlicher sind zwei von Professor Robert
Ruß mitgeteilte Äußerungen: „Jedes Bild muß etwas Zuckendes haben" und „Der
Fleiß ist beim Malen die Hauptsache, aber es muß dabei ein Moment kommen,
in dem der Künstler den Fleiß totschlägt."
Für eine richtige Beurteilung von Pettenkofens Verhältnis zur Akademie ist es
nötig, seinem schon zitierten Ausspruch : „Der akademische Unterricht ist der Ruin
aller Kunst" nicht nur seinen Jugendwunsch, Professor an der Akademie zu werden,
und seine durch Professor Ruß verbürgte Äußerung, es habe eine Zeit gegeben,
in der er gerne Rektor der Akademie geworden wäre, sondern vor allem die eben
mitgeteilten Tatsachen entgegenzuhalten, daß er als alter Mann eifrig nach der
Antike, nach dem Gips gezeichnet, daß er mit dem gleichen Fleiß Anatomie,
Perspektive, Kostümkunde und Kunstgeschichte getrieben hat, — alles Gegenstände
des akademischen Unterrichtes, den er einmal so sehr verpönt hatte!
Urteile Pettenkofens über zeitgenössische Künstler sind leider nur in geringer
Anzahl auf uns gekommen. Die bereits mitgeteilten seien hier noch um ein paar
Beispiele vermehrt, die immerhin auf Pettenkofens Beziehungen zur Kunst seiner
Zeit charakteristische Schlaglichter werfen.
Sehr große Stücke hielt er von Menzel. Ihm gilt sogar eine der auf die schon
so oft angeführten Zettel des Nachlasses geschriebenen Notizen: „Im Besten und
Guten, was Menzel macht, liegt immer noch Anregung; und es ist vieles von ihm
zu lernen, sei es durch Nachahmung oder — Vermeidung." Auf demselben Zettel
stehen noch die Worte: „Vergleichung seiner Malerei mit Auffassung und Zeich-
nung." Wie interessant wäre es, wenn diese Worte für uns nicht bloß ein Titel
geblieben wären! — Pettenkofen schätzte aber auch Meissonier sehr hoch. Franz
Rüben war einmal Zeuge, wie Lenbach zu oder vor Pettenkofen äußerte, bei
Meissonier sei alles Garderobe. Da soll Pettenkofen Meissonier aufs nachdrück-
lichste und lebhafteste verteidigt haben. — Unter den Malern der Heimat stellte
Pettenkofen, wie wir schon wissen, seinen Freund Müller am höchsten. Als Müller
einmal vor Pettenkofen als Früchte seines letzten Aufenthaltes in Cairo lebens-
große Brustbilder, Halbfiguren und Kniestücke ägyptischer Modelle auspackte, da
soll Pettenkofen angesichts dieser Arbeiten — so berichten die Schwestern
Müllers — ganz hingerissen gewesen sein und mit Tränen in den Augen ausge-
rufen haben: „Leo, vor dir muß man sich ja niederknieen." — Auf Makart war
er, wie wir schon gehört haben, nicht gut zu sprechen, wenn er dessen Genie
auch anerkannte. Wie Professor Ruß berichtet, nannte er Makarts Malerei ge-
legentlich „Tapeziererkunst", und nach einer Mitteilung von Fräulein Anna Wagner
war ihm Wilhelm Lausers Nekrolog,^') der in der Behauptung gipfelt, Makart sei,
was die Freunde längst geahnt hätten und nunmehr die Psychiatrie bestätigt habe,
schon seit Jahren nicht mehr ganz zurechnungsfähig gewesen, aus der Seele ge-
schrieben. — Mehr Zeugnisse seines kaustischen Witzes als seiner tatsächlichen
Meinung über die beiden Künstler sind folgende Aussprüche Pettenkofens: Vor
284
Canons Deckengemälde „Der Kreislauf des Lebens" im Naturhistorischen Hof-
museum soll er bloß gesagt haben: „Ich habe selten eine so große Leinwand ge-
sehen",^") und gefragt, wie er ein Bild von Schönn finde, sagte er: „Es steht ja
drauf" — (nämlich: schön, — ein Wort, das, nebenbei bemerkt, im Munde Petten-
kofens einem vernichtenden Urteil gleichkam)^').
War bisher davon die Rede, wie Pettenkofen zur Kunst und zu den Künstlern
seiner Zeit stand, was er der Kunst der Vergangenheit verdankte und wie er seine
Künstlerschaft auffaßte und ausübte, so soll zum Schluß auch noch darüber ge-
sprochen werden, wie er sie verwertet hat — ist doch dieses Umsetzen der
eigenen künstlerischen Leistungen in das, was man zum Leben braucht, und was
einem das Leben verbessert und verschönt, für den Menschen und für den Künstler
gleich charakteristisch.
Mit Pettenkofens ganzem vornehmen und zurückhaltenden Wesen stehen sein
Widerwille gegen jede Art von Reklame und sein Unvermögen, sich irgendwie
selbst in Szene zu setzen, in vollem Einklang. Wie wir wissen, hielt er sich
während seines ganzen Lebens von Ausstellungen fern, eine so unüberwindliche
Scheu hatte er sogar vor dieser anständigsten Form, sich selbst auf den Markt
zu bringen und da einem kauflustigen Publikum anzubieten. Nun mußte er aber
doch von seiner Hände Arbeit leben, und da ist es merkwürdig und für ihn be-
zeichnend genug, wie er sich in den verschiedenen Zeiten seines Lebens anstellte,
seine Werke an den Mann zu bringen. Als Lithograph erhielt er Aufträge von
Verlegern. Als Maler arbeitete er die längste Zeit fast ausschließlich für Plach,
der es so einzurichten verstand, daß Pettenkofen immer — wie wir wissen: bis
zum Tode — in seiner Schuld stand und diese Schuld „abzumalen" hatte. Gsell
war ein Jahrzehnt hindurch ein Abnehmer, auf den Pettenkofen zählen konnte.
Vom Tode Gsells an verkauft er seine Arbeiten fast nur mehr an Freunde und
Bekannte, häufig wurde mit diesen vereinbart, daß ihm im Falle des Weiterver-
kaufes ein bestimmter Gewinstanteil zufallen sollte. Mit Kunsthändlern hatte er
in der letzten Periode so gut wie nichts mehr zu tun, — mit Sedelmeyer war er
befreundet, es ist eigentlich der einzige Heinrich Neumann in München, mit dem
er sich in ein Geschäft eingelassen hat. Daß er bei dieser Art, seine Werke zu
verwerten, nicht sehr gut hat fahren können, liegt auf der Hand. Er hätte noch
weniger verdient, hätten seine Bilder nicht, ganz unabhängig von ihm, auf Auk-
tionen hohe Preise erzielt, die immerhin auch seine Käufer, ob sie nun wollten
oder nicht, ein bißchen berücksichtigen mußten.
Im „Verzeichnis der Werke" sind deren Preise, so weit sie sich haben er-
mitteln lassen, angegeben. Im folgenden seien ein paar Stichproben dieser von
Pettenkofens Bildern auf dem Kunstmarkt erzielten Summen mitgeteilt. Zuerst sei
einer der seltenen Fälle vorgebracht, in denen sich verfolgen läßt, wie sich der
Preis von dem Tag an, da der Künstler das Bild aus der Hand gab, bis in die
Gegenwart herauf gewandelt hat.
Am 1. Juni 1864 verkauft Pettenkofen um ungefähr 700 fl. (mit zwei anderen
Gemälden zusammen um 2000 fl.) das Bild „Der Kuß". Am 31. Juli desselben
Jahres verkauft er ein anderes Bild des nämlichen Gegenstandes, wieder an Gsell
285
und um den gleichen Preis von 700 fl. Am selben Tag verkauft er Gsell außer-
dem noch eine Studie zum „Kuß" für den Preis von 150 fl. Auf der Auktion von
Gsells Nachlaß am 14. März 1872 kommt nur ein als Studie bezeichneter „Kuß"
vor, der um 3350 fl. von einem gewissen Horny erstanden wird. Die beiden Bilder
hatte Gsell schon früher abgegeben, eines davon war am 18. Dezember 1868 vom
Wiener Kunsthändler P. Käser um 1725 fl. an die Galerie des Belvedere ver-
kauft worden. Es ist das in diesem Buche reproduzierte Exemplar des Kunst-
historischen Hofmuseums. Am 4. Dezember 1871 hatte derselbe Käser das zweite
Bild um 1852 fl. von der Wiener Firma Miethke & Wawra erworben. Er scheint
es an A. Dreyfus in Paris verkauft zu haben. Auf der von G. Petit geleiteten
Vente Dreyfus am 29. Mai 1889, also etliche Wochen nach Pettenkofens Tod,
wurde nämlich ein Exemplar des „Kusses" um 12.000 frcs. versteigert, anscheinend
an P. C. Hanford aus Chicago. Dieser verkaufte es 1902 in New York um
625 Pfund (= 7500 fl.) an Knoedler & Co. G. Petit scheint sich nachher aber auch
in den Besitz der Studie gesetzt zu haben, die Pettenkofen 1864 um 150 fl. an
Gsell verkauft und Horny 1872 um 3350 fl. auf der Auktion Gsell erstanden hatte.
Denn er verkauft einen „Kuß" am 15. November 1906 um 244 Pfund, das sind
2928 fl.
Im allgemeinen läßt sich über die Preise von Pettenkofens Bildern folgendes
sagen: Er selbst erhält lange Zeit sehr niedrige Preise, sicher war dies noch
während der fünfziger Jahre der Fall, einer Zeit, aus der aber gerade eine Reihe
von Bildern stammt, die später am teuersten bezahlt werden sollten: z. B. das
„Russische Bivouac", der „Verwundetentransport", die „Ungarischen Freiwilligen".
In Pettenkofens ältestem Bilderverzeichnis, das die Jahre 1857 bis 1862 umfaßt,
kommen nur zwei Bilder vor, für deren jedes er über 1000 fl. bekommt: das Ölbild
„Puszta mit Zelten und Zigeunergruppe", das er am 29. Mai 1858 einem nichtge-
nannten Käufer um 1300 fl. verkauft, und das Ölgemälde „Der Kaiser bei der Donau-
überschwemmung", für das er am 7. Mai 1862 von Herrn Wimmer, dem Besteller
des Bildes, 1400 fl. gezahlt erhält. Alle andern Zahlen sind nur dreistellig. Vom
Beginn der sechziger Jahre an tritt Gsell als Mäcen auf, der — anfangs wenig-
stens — freilich auch noch sehr billig kauft. Immerhin soll Gsell, wie Herr Sedelmeyer
mitteilt, in Wien der erste gewesen sein, der für ein Bild von Pettenkofen einen
höheren Preis bezahlt hat, freilich nicht an den Künstler selbst, sondern an Plach.
Gsell soll nämlich für einen „Ungarischen Markt" (den sogenannten „Großen un-
garischen Markt", Nr. 310 des Kataloges der Versteigerung von Gsells Nachlaß?)
1000 fl. gegeben haben. Das wurde damals noch als etwas so Außergewöhnliches
empfunden, daß ein gewisser Baron Schloißnigg in Gegenwart Gsells ausrief:
„Welcher Esel hat denn das bezahlt?" Trotz dieser wenig schmeichelhaften Titu-
latur bekannte sich Gsell, stolz auf seine Kunstkennerschaft und sein Mäcenaten-
tum, als Käufer. Vor allem durch die Auktion von Gsells Nachlaß stiegen die
Preise auch für Pettenkofen selbst. 1874, also zwei Jahre nach dieser Versteige-
rung, erhielt er für so kleine Bilder wie die „Sich schneuzende alte Venezianerin"
und die „Lesende alte Venezianerin" von Eugen Miller v. Aichholz 2000 und
2500 fl. Der höchste Preis aber, den er selbst für ein Bild einnahm, waren 5000 fl..
286
die ihm der Münchner Kunsthändler Heinrich Neumann für die „Venezianische Küche"
bezahlte, — und das war erst am 26. Februar 1888, also ein Jahr vor seinem Tode!
Noch bei seinen Lebzeiten aber hatten Bilder von ihm ganz andere Summen ein-
gebracht, z. B. auf der Auktion Gsell der „Große ungarische Markt" 18.000 fl., im
selben Jahre 1872 die „Ungarischen Freiwilligen" 16.350 fl., 1883 der „Verwundeten-
transport" vom Jahre 1853 11.150 fl., 1887 das Pastell „Pferde der Duellanten"
30.000 frcs. Außerdem läßt sich noch sagen, daß die Preise bis auf den heutigen
Tag fest bleiben, ja sogar steigen. So wurde der oben genannte „Verwundeten-
transport" 1904 um 16.000 fl. verkauft, das „Russische Lager", das 1871 1110 fl.
eingetragen hatte, gieng 1906 auf 18.500 K und für den „Flußübergang", für den
1884 13.000 frcs. gegeben worden waren, wurden 1912 30.000 K gezahlt.
Sind aber auch die Preise, die die Werke eines Künstlers erzielen, vielleicht der
deutlichste Ausdruck der Wertschätzung, die er findet, so sind sie doch weder das
einzige, noch auch das sicherste Kennzeichen der Wirkung, die er auf Zeitgenossen
und Nachwelt ausübt. Die Ehrungen, die er nicht so sehr von Staaten, als viel-
mehr von Künstlervereinigungen erfährt, für sich allein genommen natürlich auch
noch kein untrügliches Beweismittel, sagen da schon etwas mehr. Und hier sei
daran erinnert, daß Pettenkofen das erste Mal schon sehr früh und zwar im Aus-
land, auf eine solche Weise ausgezeichnet wurde, nämlich 1857 durch die „Konink-
lyke Akademie van Beeidende Künsten te Amsterdam", die ihn zu ihrem Mitglied
ernannte. Von allen übrigen bereits angeführten derartigen Ehrungen sei hier nur
nochmals die letzte, die ihm bei Lebzeiten widerfahren ist, der Professortitel, er-
wähnt, den ihm 1880 die Wiener Akademie verliehen hat.
Überdies äußert sich die von einem Künstler ausgehende Wirkung auch noch
in den Urteilen, die die sogenannten Kunstverständigen über ihn fällen. Bei
Pettenkofen ist da zu sagen, daß bereits im Jahre 1861 ein so berufener Kritiker
wie Eitelberger ihn unter den ersten Malern Österreichs anführt.^")
Ganz anders, vor allem nicht reflektiert, sondern unmittelbar ist der Einfluß,
den ein Künstler auf seinesgleichen ausübt. Schulbildend hat Pettenkofen nun wohl
nicht gewirkt, doch darf der Same, den von ihm die ungarische Malerei empfangen
und der, wie bereits geschildert wurde, so eigenartige und reiche Frucht gezeitigt
hat, nicht unterschätzt werden. Einen Schüler im eigentlichen Sinne des Wortes
hat Pettenkofen niemals gehabt. Denn nicht einmal der jüngere Raffalt kann als
solcher gelten. Pettenkofen war aber noch sehr jung, als er andere bereits beein-
flußte, , als andere bereits ihm nahezukommen trachteten. Es sei nur an Zampis
erinnert. Ausgiebig und nachhaltig gelernt haben viele von Pettenkofen. Außer
Johann Gualbert Raffalt sind da wohl Müller und Jettel an erster Stelle zu nennen.
Aber auch auf manchen anderen, der ihm ferner stand, der vielleicht nicht einmal
mit ihm persönlich bekannt war, hat Pettenkofen eingewirkt. Sedelmeyer weiß zu
berichten, daß sein Schwiegersohn Brozik, der Historienmaler, den man doch sonst
gewiß nicht mit Pettenkofen in künstlerischen Zusammenhang bringen würde, unter
dessen Einfluß farbiger wurde. Hevesi spricht von einer Epoche Rudolf Alts, in
der diesen Pettenkofens Sonnigkeit in Bann geschlagen haben soll. Deutlich zeigen
sich z. B. die Wiener Maler Schrödl und Rumpier von Pettenkofen beeinflußt.
287
Franz Rumpier, als Künstler und als Lehrer gleich ausgezeichnet, darf wohl als
der berufenste Verwalter von Pettenkofens künstlerischem Erbe angesprochen
werden. Durch ihn aber haben wieder seine zahlreichen Schüler — er ist seit dem
Jahre 1885 Professor an der Wiener Akademie der bildenden Künste — in Petten-
kofens Geiste die Natur sehen gelernt. So wirkt, was Pettenkofen geschaffen hat,
wenigstens bei vielen Wiener Landschafts- und Genremalern noch in der Gegenwart
lebendig nach.
Von den Anregungen Pettenkofens aber, die auf fruchtbares Erdreich gefallen
sind und Früchte getragen haben, sind die ausgesprochenen Nachahmungen zu
unterscheiden, die ihm wenig Freude bereitet haben werden. Solche haben sich
von Benza, Kratzer und Pettenkofens Bruder Ferdinand erhalten. Sie ragen alle
künstlerisch wenig hervor, die meisten sind geradezu schlecht. Die Bilder von
Pettenkofens Bruder scheinen zu unliebsamen Verwechslungen geführt zu haben.
Diejenigen, welche der Autor zu Gesicht bekommen hat, sind, gewiß infolge eines
von August Pettenkofen ausgeübten Zwanges, mit „Fernand" oder einem ähnlichen
Pseudonym signiert.")
Diese Arbeiten sind schon bedenklich den Fälschungen verwandt, in denen
schließlich gleichfalls die Beliebtheit und die Bedeutung eines Künstlers zum Aus-
druck kommt. Pettenkofen wird seit den siebziger Jahren und bis auf den heutigen
Tag gefälscht. Er ist zweifelsohne einer der am häufigsten gefälschten Wiener
Maler. Es werden z. B. nicht nur Klecksereien Kratzers, denen allerdings bisweilen
Untermalungen Pettenkofens zugrunde Hegen, für Werke Pettenkofens ausgegeben,
sondern es tauchen auch Bilder im Handel auf, die eigens zu dem Zwecke ge-
macht sind, echte vorzutäuschen, und nicht selten von sehr geschickten Händen
herrühren. Der bereits mitgeteilte Umstand, daß sich Pettenkofen häufig selbst
wiederholt hat, erleichtert natürlich dem Fälscher sein Tun, sollte aber auch den
Sammler zu doppelter Vorsicht mahnen. Für Pettenkofens Popularität charakteri-
stisch ist eine Gruppe besonders tiefstehender Fälschungen, Ölbilder, wie sie in
einer minderen Rahmenhandlung zu kaufen sind und die mit Pettenkofen nichts
als das ungarische Sujet und die großgeschriebene Signatur gemeinsam haben. —
Was einen Menschen am deutlichsten und am dauerhaftesten überlebt, sind seine
Taten. Die Taten eines Malers aber sind seine Bilder. Der Geschichtschreiber,
der es übernommen hat, das Schaffen und die Bedeutung eines Malers darzustellen,
hat daher vor allem dessen Werke zu sammeln, zu studieren und kritisch zu sichten,
denn erst auf dieser Grundlage kann er den Werdegang des Künstlers rekonstruieren
und ihm einen Platz in der Entwicklungsreihe seiner Zeit anweisen. Je weiter aber
der Ruhm des Künstlers leuchtet und je zahlreichere Werke er hinterlassen hat,
desto mehr werden sie in alle Welt verstreut sein, und desto schwieriger wird
sich für den Historiker die eben umrissene Aufgabe gestalten.
Noch schwieriger aber wird es ohne Zweifel sein, denselben Künstler dem Leser
auch als Menschen, losgelöst von seinen Werken, nahezubringen. Denn im ersten
Falle steht dem Autor, sollte er auch schriftstellerisch versagen, das gar nicht hoch
genug zu veranschlagende Hilfsmittel der Abbildung zu Gebote, die, läßt auch ihre
288
Originaltreue mehr oder weniger zu wünschen übrig, dennoch sogar demjenigen,
welcher etwa keine einzige Arbeit des Künstlers kennen sollte, dessen Lebenswerk
auf eine Weise vor Augen führt, wie es das Wort allein nie und nimmer zu tun
imstgmde wäre. Von so starker Sinnfälligkeit ist diese Wirkung der bildlichen
Wiedergabe, daß hinter sie die eigentliche wissenschaftliche Leistung des Verfassers,
wie sie oben zu kennzeichnen . versucht wurde, beinahe zurücktritt.
Ein Behelf von ähnlichem Werte, wie für die Schilderung des Künstlers die
Reproduktion, ist, sieht man von den selteneren Formen der Autobiographie und
des Tagebuches ab, für die Schilderung des Menschen der Brief. Es sei beispiels-
weise nur an den großen Anteil erinnert, den an der Kenntnis von Schwinds und
Feuerbachs Menschentum der beiden Briefe beanspruchen dürfen.
Wenn aber wie im Falle Pettenkofens verhältnismäßig nur wenige Briefe er-
halten sind und sich diese wenigen gerade nicht durch die Fülle ihres Inhalts aus-
zeichnen, so muß selbstverständlich Notizen des Künstlers selbst und anderer Per-
sonen Mitteilungen über ihn, wie sie in diesem Kapitel als Grundlage und Ausgangs-
punkt für die Charakteristik des Menschen benützt worden sind, eine erhöhte Be-
deutung zuerkannt werden. Doch ist natürlich nicht zu vergessen, daß das solcher-
maßen zustandegekommene musivische Bild schlechterdings nicht vollständig sein
kann und wahrscheinlich in hauptsächlichen Partien zu skizzenhaft und in belang-
loseren wieder zu sehr ausgeführt erscheinen wird. Der Autor des vorliegenden
Buches hielte sein Ziel annäherungsweise für erreicht, dürfte er sich der Gewißheit
freuen, daß sich in seiner Darstellung Pettenkofens Persönlichkeit neben seinen
Bildern nicht zum bloßen Schemen verflüchtigt.
289
37
ANMERKUNGEN.
ERSTES KAPITEL: WIEN 1822—1852.
1) Schimmer, Häuserchronik. Wien 1849. S. 67.
2) Totenrotel im Wiener Rathaus.
ä) Handschriftliches Tagebuch Perths im Besitze des Herrn Hof- und Gerichtsadvokaten Max
Freiherm v. Mayr in Wien.
Mathias Franz Perth war, wie Alois Trost gütigst mitteilt, Beamter im k. k. Obersthof- und
Landjägermeisteramt, wurde am 1. Februar 1788 geboren und starb am 17. Februar 1856.
Das Journal Perths ist es, aus dem Julius Leisching in seinem hübsch illustrierten Büchlein
»Aus dem Tagebuche eines alten Wieners« (2. Aufl., Wien 1907) einen Auszug veröffentlicht hat,
der zwar von der schriftstellerischen Gewandtheit des Herausgebers, keinesfalls aber von histo-
rischem Sinne zeugt.
Der musikalischen Soireen bei Pettenkofens Vater hat auch bereits Richard Heuberger in seiner
Monographie über Franz Schubert gedacht (Bd. XIV der von Heinrich Reimann herausgegebenen
»Berühmten Musiker«, Berlin 1902, S. 32, Anm. 60 und 61 auf S. 102).
Perth führt solche musikalische Abendunterhaltungen bei Anton Pettenkoffer an: am 18. Mai
1819 (Bd. XXXII, S. 111, 112), am 2., 16. und 30. Dezember 1819 (Bd. XXXII, S. 265, 270 und 274),
am 13. und 27. Jänner 1820 (Bd. XXXII, S. 291 und 302), am 17. Februar 1820 (Bd. XXXII, S. 317),
am 2., 16. und 29. März 1820 (Bd. XXXIII, S. 8, 18 und 28), am 12. April 1820 (Bd. XXXIII, S. 37),
am 19. Oktober 1820 (Bd. XXXIII, S. 210), am 2., 16. und 30. November 1820 (Bd. XXXIII, S. 230,
244 und 254), am 14. und 28. Dezember 1820 (Bd. XXXIII, S. 266 und 273), am 11. und 25. Jänner
1821 (Bd. XXXIII, S. 291 und 307), am 8. und 22. Februar 1821 (Bd. XXXIV, S. 7 und 21), am
8. und 22. März 1821 (Bd. XXXIV, S. 41 und 59). —
Seit der hier in Betracht kommende Teil des Textes gedruckt ist, haben dem Verfasser zwei
Nichten Pettenkofens, die Fräulein Klotilde und Emilie Mayer (vgl. über sie und ihre verwandt-
schaftlichen Beziehungen zu dem Künstler die Anmerkung 1 zum VII. Kapitel) folgende freundliche
Mitteilungen gemacht, die die betreffenden Stellen des Textes ergänzen und berichtigen: Petten-
kofens Vater war ungemein musikalisch. Er spielte mehrere Instrumente und besaß auch eine kost-
bare Sammlung von Instrumenten. Seine musikalische Begabung vererbte sich (was hier wohl
eingeschaltet werden darf) auf seinen Sohn Ferdinand, bei dem sie auf merkwürdige Weise zutage
trat. Er lernte nämlich noch als alter Mann Klavier spielen und brachte es darin zu hoher Vollendung.
Er ließ sich aber höchst selten vor jemandem hören und spielte gewöhnlich so, daß der Klang durch
Tücher, die er über die Saiten gebreitet hatte, gedämpft war. — Pettenkofens Vater veranstaltete
jene musikalischen Soireen, von denen Perth erzählt, nicht als Unternehmer, der damit Geld ver-
dienen wollte, sondern als generöser Amateur und Gastgeber.
Der alte Pettenkofen soll, wie ebenfalls die Schwestern Mayer gütigst mitteilen, adelig gewesen
sein, aber seinen Adelsbrief verloren haben. Das soll der Grund gewesen sein, warum sich später
der Maler als Besitzer des Ordens der eisernen Krone um die Erhebung in den Adelsstand be-
worben hat.
*) Mitteilung der Spitalsflickerin Leopoldine v. Nespern, die Ende 1906 oder Anfang 1907 im
größten Elend in Wien starb. Sie war eine Tochter der Frau von Pettenkofens Onkel mütterlicherseits
290
Ferdinand Edelm v. Nespern, der am 13. November 1841 aus dem Leben schied. Seine Witwe
Amalie, eine geborene Mayerhofer, genas 1849 in Floridsdorf jener Tochter, die sie 1869 oder
1870 in Klosterneuburg adoptierte (Aufzeichnungen Pettenkofens im Notizbuch 7).
Von dieser seiner Tante Amalie soll Pettenkofen ein Porträt gemalt und auch signiert haben.
Auch die Schwester dieser Tante soll er porträtiert haben.
Ob das »Gut in Ungarn« nicht auf einer Verwechslung mit der gleich zu erwähnenden Be-
sitzung in Kärnten beruht, muß dahingestellt bleiben.
Die Aussagen der Leopoldine v. Nespern wurden dem Verfasser gütigst durch Fräulein Elsa
Pistl vermittelt. —
Des alten Pettenkofen Glück im Spiele und seine Leidenschaft, über seine Verhältnisse hinaus
ein großes Haus zu führen, werden durch die Damen Klotilde und Emilie Mayer bestätigt. Eine
Zigeunerin soll ihm einmal prophezeit haben, daß er drei Haupttreffer machen werde, und wirklich
machte er drei Treffer, den dritten aber, der nur 6000 fl. betrug, ließ er als Haupttreffer nicht gelten.
Das Geld soll er nicht nur mit Reisen, sondern hauptsächlich mit seinen Gastereien durchgebracht
haben.
6) Das anonyme Pastellgemälde, ein lebensgroßes Brustbild, befindet sich dermalen im Besitze
der Kindergarten-Vorsteherin Frau Raphaele Feichtinger. Nach der Angabe ihrer Tochter,
Frl. Eugenie, ward es von ihr für eine Schuld von ihrer Großtante, der Mutter Ferdinand
V. Saars, der Schwägerin des Dargestellten und Tante Pettenkofens, übernommen. 1897 war
(was dem Autor leider erst, nachdem die betreffende Partie des Textes schon gedruckt
war, durch Frl. Feichtinger bekannt wurde) das Bild als Nr. 183 auf der Schubert-Ausstellung
der Stadt Wien ausgestellt. Das im Katalog mitgeteilte Todesdatum Anton Pettenkoffers (nicht:
V. Pettenkofers) 9. August 1828 ist unrichtig; auf Grund der Todeseintragung im Archiv der Stadt
Wien starb er erst am 14. Mai 1834. Dagegen ist vermutlich die ganze im Katalog mitgeteilte
Geburtsangabe richtig, weil nach der »Sperrs-Relation« im k. k. landesgerichtlichen Archiv, wo
das Lebensalter des Verstorbenen mit 46 Jahren angegeben ist, das Geburtsjahr stimmt. Diese
Geburtsangabe sei daher hier nachgetragen: Szöny, 2. Mai 1788. Szöny ist wohl gleich 0-Szöny,
das ist ein Ort ganz in der Nähe und südöstlich von Komorn. Daß Pettenkofens, des Malers so
vieler ungarischer Bilder, Vater ein gebürtiger Ungar war, ist natürlich von einer gewissen Be-
deutung. — Das Bild ist jetzt reproduziert in dem Buche von Otto Erich Deutsch: Franz Schubert.
Die Dokumente seines Lebens und Schaffens. III. Bd. Sein Leben in Bildern. 2. Aufl. München und
Leipzig. 1913. S. 327.
Die Fräulein Klotilde und Emilie Mayer besitzen auch noch eine Silhouette des alten Petten-
kofen und zwar aus dem Nachlaß des Hauptmannes Ferdinand.
«) In der »Sperrs-Relation« von 1834 wird diese Tochter Henriette genannt und ihr Alter mit
15 Jahren angegeben. In der Todeseintragung vom Jahre 1837 heißt sie Antonie und ist 16 Jahre alt.
Als die Stelle des Textes, auf die sich diese zwei Zeilen der Anmerkung beziehen, längst ge-
druckt war, erfuhr der Autor von den beiden Fräulein Klotilde und Emilie Mayer, daß eine Schwester
Pettenkofens namens Henriette noch bis zum Jahre 1841 gelebt hat. Auf Grund dieser Tatsache
sind die Angaben über Pettenkofens Geschwister folgendermaßen richtigzustellen: Pettenkofens
Eltern hatten sieben, nicht sechs Kinder. Von diesen überlebten den Vater der Maler August, der
Hauptmann Ferdinand und die zwei Mädchen Henriette und Antonie. Antonie starb 1837 sechzehn-,
Henriette 1841 zweiundzwanzigj ährig.
Henriette schied in Ober-St. Veit bei Wien aus dem Leben und zwar am selben Tage wie ihre
Mutter. Dieses merkwürdige Zusammentreffen führte erfreulicherweise auch auf das längst, aber
immer vergeblich gesuchte Totesdatum von Pettenkofens Mutter. Die auf die beiden Frauen bezüg-
lichen Eintragungen in den Sterberegistern der Pfarrkirche zum hl. Veit (Tom. E, fol. 153) lauten :
»Am 20. Mai 1841 gestorben St. Veit No 90: Frau Anna Pettenkoffer, geb. v. Nespern, Gutsbesitzers-
witwe, gebürtig von Wien, katholisch, 48 Jahre alt, an Zehrfieber gestorben, beerdigt am 22. Mai.«
»Am 20. Mai 1841 gestorben St. Veit No 90: Henriette Pettenkoffer, Tochter der verwitweten
Frau Anna Pettenkoffer, Gutsbesitzerswitwe, katholisch, 22 Jahre alt, am Zehrfieber, beerdigt am
22. Mai.« —
Es sei hier nachgetragen, daß Pettenkofens Eintritt beim Militär unzweifelhaft mit dem Tode
der Mutter zusammenhängt: am 20. Mai stirbt sie, schon am 16. Juni wird er assentiert.
') Quellen: Hinterlassenschaftsakten nach Anton Pettenkofen im k. k. landesgerichtlichen Archiv
und Todeseintragungen im städtischen Archiv zu Wien.
291 37*
8) Der Taufschein, der sich im Besitze des Herrn Kommerzialrates Franz Xaver Mayer in Wien
befindet, gibt nur den Tag der Taufe an. Daß dieser aber identisch mit dem der Geburt ist, geht
aus dem am 18. Dezember 1874 präsentierten Gesuch Pettenkofens hervor, in dem er auf Grund
des ihm am 27. Oktober 1873 verliehenen Ordens der eisernen Krone II. Klasse um die Erhe-
bung in den Ritterstand einkommt (Adels-Archiv des k. k. Ministeriums des Äußern und Regi-
stratur des k. k. Handelsministeriums).
■') Zum Teil auf Grund eines Briefes, den Ferdinand v. Saar am 23. Februar 1905 aus Blansko
in Mähren an den Autor gerichtet hat.
10) Akademie-Protokolle 38 (für die Jahre 1834 bis 1843), S. 19; 4I1/2 (für die Jahre 1839 bis 1846),
S. 29; 59>/2 (für das Schuljahr 1849 bis 1850), S. 28.
i>) Hofrat Prof. Dr. A. Fournier in der »Neuen Freien Presse«, 25. Februar 1910.
12) Nach Leopoldine v. Nespern.
13) Eybl als Lehrer Pettenkofens ist, abgesehen von der weiter unten zu besprechenden Litho-
graphie, durch Friedrich Ehrmann, Cecil van Haanen und Leopoldine v. Nespern beglaubigt.
") Freundliche Mitteilung Herrn Ehrmanns.
1") Gleichfalls auf Grund einer gütigen Mitteilung Herrn Ehrmanns.
18) Haupt-Grundbuchsblatt in der Fachrechnungs-Abteilung des k. u. k. Kriegsministeriums.
") Grundbuchsblatt und liebenswürdige Auskünfte der Herren Hauptmann Sommeregger und
Major Pallua-Gall im k. u. k. Kriegsarchiv.
18) Das Pendant zu diesem Blatt, die »K. k. österreichische Armee, Nr. 1« ist eine Originallitho-
graphie Josef Eduard Weixlgärtners. —
Es sei hier die Gelegenheit ergriffen, die von W^urzbach [Biographisches Lexikon, Bd. LIV
(1886), S. 210 f.] begangenen und von Josef Meder [Die vervielfältigende Kunst der Gegenwart,
Bd. IV (Wien, 1903) : Die Lithographie, S. 66] wiederholten Irrtümer wenigstens im gröbsten richtig
zu stellen: Der Aquarellist und Stillebenmaler Josef Eduard Weixlgärtner ist mit dem Lithographen
identisch. Er wurde 1816 in Ofen geboren und starb 1873 in Wien. Ein Sohn desselben, Johann
W^eixlgärtner (1846 in Wien geboren und 1892 ebenda gestorben), war hauptsächlich als Zeichner
für den Holzschnitt und als Illustrator tätig. Ein zweiter Sohn des Lithographen, Richard
Weixlgärtner (1849 in Wien geboren und 1912 ebenda gestorben), malte Aquarelle mit Sujets aus
Wien und Dalmatien und war Redakteur des »W^iener Neuigkeits -Weltblatts«, für das er auch
nach eigenen photographischen Aufnahmen Architekturen und Landschaften zeichnete. Der Bruder
Josef Eduards, Vinzenz, 1829 in Ofen geboren, lebt noch heute in Budapest, wo er als Zeichen-
lehrer und als Apostel der Pflanzenkost bekannt ist.
") Die Inschrift auf Karl Schindlers Grabstein zu Laab am W^alde in Niederösterreich gibt als
Geburts- und Todesdatum an: 23. Oktober 1821 und 22. August 1842. (Freundliche Mitteilung
Alois Trosts.)
20) Protokoll 7 und 38.
21) Akademie-Protokoll 38.
22) Leipzig 1903, S. 86 ff'.
23) Cf. des Autors Aufsatz : Fünf unbekannte Lithographien Pettenkofens zu Dullers »Erzherzog
Carl von Oesterreich« in den Mitteilungen der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst, Wien 1912,
S. 5 ff., und den Nachtrag hierzu, ebenda, S. 37 f.
21) W^ohl aber gibt es einen Johann Nepomuk Mayer, von dem im »Verzeichnis der Litho-
graphien« (Nr. 77: »Einzug des Frühlings«, Anm.) die Rede ist.
25) Akademie-Protokoll 38. — Im Protokoll 7 heißt es: »Borsos Joseph, gebürtig in Wesprin,
19 Jahr, katholischer Religion, wohnt auf der alten Wieden, Schleiffmühlgasse Nr. 774. Der Vater
ist Zeitungsschreiber.« Sein Eintritt ist hier unter dem 3. November 1840 verzeichnet.
28) Ferdinand Pettenkofen wurde 1836 assentiert, machte vor dem ungarischen Feldzug auch die
Belagerung von Wien mit und gieng 1854 als Hauptmann (erster Klasse) des 22. Jägerbataillons in
Pension. Haupt-Grundbuchsblatt in der Fachrechnungs-Abteilung des k. u. k. Kriegsministeriums.
27) Josef Meder, Die Lithographie in Österreich, S. 4, Bd. IV der Vervielfältigenden Kunst
der Gegenwart, Wien 1887 bis 1903.
28) Cf. Hugo Frh. v. Komers-Lindenbach, Geschichte des k. k. Ulanenregimentes Alexander II.,
Kaiser von Rußland, Nr. 11 (vormals 7. Chevauxlegers-Regiment) von seiner Errichtung 1814 bis
Ende 1877, Wien 1878, S. 146fT.
29) Cf. Komers-Lindenbach, 1. c, S. 140f.
292
30) »L'intr6pide Lefevre. . . . le 19 juin 1800 ä Hallhauzen, lors du passage du Lech, N. Lef6vre,
Soldat a 3me Bataillon de Sapeurs, ne dans le Dept. de la haute-marne, s'elanca le premier sur
une peutre la seule qui restat d'un pont coupe par l'ennemi, franchit un affreux pr^cipice creuse
par le torrent et marcha sous un feu terrible de mousqueterie, contra une batterie des Canons
qu'il enleva ä l'aide de quelques camarades, enhardis par son exemple.«
'1) »Le Retour du Prisonnier.
France adoree!
Douce contr6e.
Je t'embrasse, 6 terre ch^rie!
Enfin, j'ai cesse de souffrir;
Oui desormais je puls mourir,
Salut ä ma Patrie!
(De Berenger.)«
82) Von C. G. Börner, Leipzig, 9. November 1885.
33) A. Einsle, Wien, 25. Jänner 1897, Nr. 2380.
3«) Die Entstehung des Bildes »The Surprise« in der Wallace CoUection zu London (Nr. 621
des Kataloges vom Jahre 1901) ist ohne Kenntnis von Pettenkofens »Horchern« undenkbar. Das
Bild ist signiert und datiert: A. P. 1846. Von Pettenkofen, wie Herr Kunsthändler Friedrich
Schwarz, der den Autor auf das Bild gütigst aufmerksam gemacht hat, meint, ist es bestimmt nicht.
Ein bißchen erinnert es, auf Grund der Photographie geurteilt, an den frühen, wilden Stil des
jüngeren Raffalt. Dann wäre die natürlich nicht von Raffalt selbst beigefügte Signatur, was wohl
auch das wahrscheinlichste ist, eine Fälschung auf Pettenkofen. Dagegen, daß das Bild von dem
Franzosen Adrien-Auguste-Isidore Pils gemalt ist, dem es der Katalog der Wallace CoUection
zuschreibt, sprechen allein schon die österreichischen Uniformen. (Die vor der Tür Wartenden
sind zum Unterschiede von Pettenkofens Original Dragoner.)
3'') Die Bemühungen des Ministeriums und des Autors, von Herrn Vanderbilt die Erlaubnis zu
erlangen, daß das Bild für das vorliegende Werk photographiert werde, waren vergeblich. Die
Radierung von Greux ist als Tafel Alfred de Lostalots Aufsatz über Pettenkofen in der »Gazette
des Beaux-Arts« (1877) beigegeben, für die Kenntnis der alten Photographie ist der Verfasser
Herrn Charles Sedelmeyer in Paris zu Dank verpflichtet.
3«) Im Feuilleton des »Moniteur universel« vom 23. Februar 1860, auf das schon \Vurzbach im
Artikel über Pettenkofen [Biographisches Lexikon, Bd. XXII (1870), S. 135] hinweist. Das Feuilleton
führt den Titel: »Tableaux de l'ecole moderne. Exposition: Au profit de la caisse de secours des
artistes peintres, sculpteurs, architectes et dessinateurs.« Vgl. auch die Feuilletons im »Moniteur«
vom 6., 9. und 20. Februar.
3') Das andere Bild Pettenkofens, das Gautier dann noch erwähnt und von dem er bedauert,
es nicht mehr gesehen zu haben, »Die Zigeunerin, die mit ihren Kindern über die Puszta wandert«,
ist vom Jahre 1858 datiert und befindet sich im Besitze des Herrn Kommerzialrates Franz Xaver
Mayer in \Vien.
3s) Freundliche Mitteilung Friedrich Ehrmanns.
3") Freundliche Mitteilung Charles Sedelmeyers.
<") Rudolf Eitelberger v. Edelberg, Gesammelte kunsthistorische Schriften, I. Band: Kunst
und Künstler Wiens der neueren Zeit, Wien 1879: Die Kunst-Entwicklung des heutigen Wien,
S. 1 ff. Das Wiener Genrebild vor dem Jahre 1848, S. 37 ff. Peter Krafft, S. 61 ff. J. Danhauser
und Ferdinand Waldmüller, S. 73 ff. Friedrich Gauermann, S. 92 ff.
*i) Ferdinand Georg Waldmüller, Das Bedürfnis eines zweckmäßigen Unterrichtes in der Malerei
und plastischen Kunst. Angedeutet nach eigenen Erfahrungen. ^Vien 1847. Wieder abgedruckt bei
Artur Rössler: Georg Ferdinand Waldmüller. Sein Leben, sein W^erk und seine Schriften. Wien
1908. — Rudolf Eitelberger, Die Reform des Kunstunterrichtes und Professor Waldmüllers Lehr-
methode, Wien 1848.
ZWEITES KAPITEL: SZOLNOK 1851—1881.
1) Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin. Herausgegeben vom Fürsten Herbert
Bismarck. Stuttgart 1900. S. 346 ff.
293
*) Er ist am 8. Dezember 1827 in Szolnok geboren. Für seine gütigen Mitteilungen sei hier dem
Herrn Professor der wärmste Dank abgestattet.
3) Herr Dr. Takäcs Zoltän, Kustos am Museum der schönen Künste in Budapest. Er, der liebe
Freund, sei nicht nur für seine dem Autor in Szolnok geleistete Hilfe, sondern auch für all seine nimmer-
müde Bereitwilligkeit, mit der er ihm Jahre hindurch die wertvollsten Auskünfte namentlich über
den Verbleib von Bildern Pettenkofens in Ungarn erteilt hat, aufs herzlichste bedankt. Besten Dank
schuldet der Verfasser auch dem Herrn Obemotär der Stadt Szolnok Dr. Gruber Jozsef und dem Herrn
Maler Fenyes Adolf einerseits für wichtige Führer- und Dolmetscherdienste, anderseits für in-
teressante Mitteilungen über die Verhältnisse in Szolnok.
*) Über die Unterschiede zwischen dem alten und dem neuen Szolnok vgl. den Aufsatz
»Pettenkofen Szolnokon« von Rözsaffy Dezsö in Müveszet IV. ev. (1905), 6. sz., S. 386ff.
s) Das Denkmal ist ein W^erk von Eduard Telcs.
«) Szolnoker Schreiben vom 7. Oktober 1874 an Karl v. Kratzer.
') Pariser Brief vom 8. Mai 1878 an Franz Xaver Mayer.
8) Die Schilderung des »Szolnoker Müller« auf Grund freundlicher Mitteilungen der Herren Pro-
fessor Ujhäzy Ferencz und Maler Deäk-Ebner Lajos. Auch diesem sei hier der aufrichtigste Dank
ausgesprochen.
") Das Haus ist abgebildet bei Rözsaffy Dezsö, 1. c, S. 399.
10) Ein Schreiben Pettenkofens an den »Szolnoker Müller«, worin er Chryastel Weisungen für
photographische Aufnahmen erteilt, ist weiter unten, in der Anmerkung 6 zum V. Kapitel, abge-
druckt.
1') Freundliche Mitteilung des Herrn Malers Deäk-Ebner Lajos.
12) Szolnok a müveszetben. Emleklapok a Szolnoki müvesztelep tizesztendös jubileumära. Szer-
kesztette Dr. Läzär Bela. Kiadja a Szolnoki müveszegyesület. 1913 mäjus haväban. (Szolnok in der
Kunst. Gedenkblätter zum zehnjährigen Jubiläum der Szolnoker Künstlerkolonie. Redigiert von
Dr. Bela Läzär. Herausgegeben vom Szolnoker Künstlerverein. Mai 1913.) Dr. Rözsaffy Dezsö,
Idegen müveszek Szolnokon (Fremde Künstler in Szolnok), S. 7 ff.
") Szolnok a müveszetben Dr. Läzär Bela, Magyar müveszek Szolnokon (Ungarische Künstler
in Szolnok), S. 19 ff. und A Szolnoki müvesztelep törtenete (Die Geschichte der Szolnoker Künstler-
kolonie), S. 27 ff.
Über die Jubiläumsausstellung in Szolnok selbst vgl. den Aufsatz von Dr. Zoltän v. Takäcs im
Pester Lloyd vom 25. Mai 1913.
") Richard Wagner an Mathilde Wesendonck, Tagebuchblätter und Briefe, 1853—1871. III. Auf-
lage. Berlin 1904. Brief aus Wien vom 13. September 1861, S. 282.
15) Über Gräfin Bertha Näkö vgl. die Einleitung des von Dr. Nyäry Sändor verfaßten Kataloges
der Ausstellung ihrer Gemälde, die im Frühjahr 1906 im Budapester Kunstgewerbemuseum zu
wohltätigen Zwecken stattfand: GröfNäkö Kälmänne Festmenyeinek kiällitäsa. Ungefähr den gleichen
Inhalt wie diese Einleitung hat das Feuilleton desselben Autors, das in der Neuen Freien Presse
vom 2. Mai 1906 veröffentlicht war: Eine aristokratische Malerin (Gräfin Bertha Näkö). Vgl. ferner:
Briefe eines Unbekannten (Alexander von Villers). Aus dessen Nachlaß neu herausgegeben von
Karl Graf Lanckoronski und Wilhelm Weigand. 2 Bde. Leipzig 1910. Passim.
DRITTES KAPITEL: PARIS 1852—1883.
1) Mündliche Mitteilung von Heinrich Porges' Bruder Herrn Adolf Porges im Juni 1905 in Paris.
2) Der älteste erhaltene Brief Pettenkofens an Kratzer, der sich damals in Paris befand, ist vom
30. Jänner 1856 datiert. — Kratzer hinterließ eine hübsche Kunstsammlung, in der sich außer
etlichen Bildern Pettenkofens auch zwei Bleistatuetten des Merkur und der Venus von Raphael
Donner befanden, die jetzt dem Kunsthistorischen Hofmuseum angehören. Die Nachlaß-Auktion
fand am 12. Jänner 1904 bei Karl Wawra in Wien statt.
s) Sie wird Herrn k. u. k. Generalmajor Josef Berres Edelm v. Perez, der mit Pettenkofen be-
freundet war, verdankt.
*) Auskunft des k. k. Ministeriums für Kultus und Unterricht auf eine diesbezügliche Anfrage
des Autors, Z. 2126 ddo. 23. August 1911.
294
">) Ventes k l'Hotel Drouot: Tableaux des CoUections Sedelmeyer et San-Donato: Pettenkofen.
Gazette des Beaux-Arts, Paris 1877, 410 ff.
«) Vergl. S. 293, Anm. 34 zu Kapitel I.
^) Briefliche Mitteilung Charles Sedelmeyers.
8) Lostalot, 1. c, 412.
9) Spemanns »Museum«, VII, S. 91, Text zu Taf. 151.
1») Auf einer Auktion des Dorotheums am 18. März 1912. Im Auktionskatalog ist die Studie auf
Tafel 18 in Autotypie abgebildet.
") Paris 1895. — De Nittis starb am 21. August 1884, 38 Jahre alt.
>2) Valerian v. Loga, Goyas Zeichnungen, in den »Graphischen Künsten«, Wien 1908, XXXI, 2.
") So schreibt Pettenkofen in seinem Tagebuch. Er meint damit wohl die durch Bismarck in
den Zeitungen verbreitete Abweisung des französischen Botschafters Benedetti durch König
Wilhelm I. am 13. Juli. Die Kriegserklärung Frankreichs an Deutschland erfolgte erst am 19. Juli.
") Wiener Fremdenblatt, 1864, Nr. 309: »W^ien ist nahe daran, einen seiner bedeutendsten Künstler
für immer zu verlieren. Der ausgezeichnete Maler Pettenkofen gedenkt nämlich nächstens nach
Rom zu reisen und im Frühjahre wieder auf kurze Zeit unsere Residenz zu besuchen, um sodann
wahrscheinlich seinen definitiven Aufenthalt in Paris zu nehmen.« (Auf diese Notiz wurde der Autor
durch seinen Freund Alois Trost gütigst aufmerksam gemacht.)
VIERTES KAPITEL: DIE FÜNFZIGER UND DIE SECHZIGER JAHRE.
1) Das Bild scheint aus begreiflichen Gründen nicht ausgeführt worden zu sein. Jedenfalls
ist es an Ort und Stelle nicht vorhanden. Eine eingeleitete archivalische Nachforschung ist er-
gebnislos verlaufen. Zwei Marienbilder aus viel früherer Zeit haben mit dieser Stiftung natürlich
nichts zu schaffen.
2) Richard Wagner, Mein Leben. München 1911. S. 683.
3) Pettenkofen-Ausstellung im Wiener Künstlerhaus. 1889. Nr. 35.
^) Vgl. Theodor v. Frimmels Einleitung zum Katalog von Pettenkofens künstlerischem Nachlaß
(W^ien 1890), S. IX f. und Carl v. Lützows Aufsatz »August v. Pettenkofen« in den »Graphischen
Künsten«, Wien, XVIII. Jg. (1895), S. 43.
5) Vgl. die Kataloge der Auktionen von P. Kaeser (Wien, 3. Dezember 1869, Nr. 63) und
A. Posonyi (Wien, 27. April 1874, Nr. 70).
6) Biographisches Lexikon, Bd. XXX (1875), S. 327 ff.
') Freundliche Mitteilung Charles Sedelmeyers.
*) Brief an Franz Xaver Mayer vom 28. Mai.
') I. Halbband: Einleitung und Geschichte der kaiserlichen Gemäldegalerie. Leipzig 1899,
S. 42 ff.
10) Die Versteigerung seines künstlerischen Nachlasses fand am 28. Dezember 1869 durch Plach
statt.
11) Er ist es, dessen freundliche Mitteilungen der Schilderung Plachs zugrunde liegen.
12) Sein künstlerischer Nachlaß ward anfangs 1909 durch Wawra in Wien versteigert. August
SchäfFers Vorwort zum Auktionskatalog enthält eine knappe Selbstbiographie Dr. Schülers.
J') Vgl. darüber das von Rözsaffy Dezsö in seinem schon zitierten Aufsatz »Pettenkofen Szol-
nokon« in der Zeitschrift »Müveszet« (1905) auf S. 390 f. Gesagte.
") Für die auf dem schwer zugänglichen Katalog der Ausstellung fußenden Mitteilungen über
sie ist der Autor Mr. Arthur E. Popham an der Kupferstichsammlung des Britischen Museums zu
Dank verpflichtet.
15) Das vom 15. Februar 1863 datierte Verleihungsdekret im Besitze der Schwestern Müller.
1") Die Ernennungsurkunde ist vom 15. Dezember 1863 datiert und befindet sich im Besitze der
Damen Müller.
1') Die Ernennung fand in der Ratssitzung vom 14. April, die Bestätigung durch den Kaiser am
1. Mai statt, und die Urkunde, die sich gleichfalls im Besitze der Schwestern Müller befindet, ist
vom 9. Mai 1866 datiert.
18) Nr. 72 der Auktion G. Posonyis am 10. Februar 1893 in Wien.
295
1') Der vom Autor, der das Bild nur an seinem Platze im Budapester Museum hoch über
einer Tür gesehen hat, nicht bemerkte links unten eingeritzte Name Borsos, auf den Herr
Dr. Läzär Bela brieflich aufmerksam gemacht hat, kann natürlich nicht befremden. Auf der Porträt-
studie Amerlings, die er nach dem Düsseldorfer Kollegen Bendemann gemalt hat und die sich jetzt
im Kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien befindet, ist z. B. gleichfalls der Name des Darge-
stellten mit dem Ende des Pinselstieles in die feuchte Farbe eingeschrieben. Als Arbeit Pettenkofens
ist das Porträt überdies, wie im Katalog nachgelesen werden möge, von inneren Gründen ganz
abgesehen, auch äußerlich aufs beste beglaubigt.
2») (auf S. 144) C. V. Vincenti, Wiener Kunst-Renaissance, Studien und Charakteristiken. Wien
1876. S. 328.
20) (auf S. 161) FreundUche Mitteilung von Prof. Robert Ruß.
21) Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen
Maler des XVII. Jahrhunderts, Eßlingen a. N., Paris. Band IV (1911), Nr. 497 bis Nr. 1042.
22) 1. c, IV (1911), 419.
23) 1. c, IV (1911), 779g.
2<) 1. c. I (1907), 223: »Drei Kavaliere zu Pferd, dabei ein Windhund. Leinwand. 70 : 90 cm.«
25) Vgl. neuestens über das Bild Theodor v. Frimmel: Geschichte der Wiener Gemäldesamm-
lungen. Abschlußbände mit übersichtlichen Zusammenstellungen. Lexikon der Wiener Gemälde-
sammlungen. Buchstabe A bis F. Wien 1915. S. 361 f., Nr. 28.
2«) Hofstede de Groot, 1. c, III (1910), 407 und 416c.
27) 1. c, III (1910), 605.
28) 1. c, III (1910), 571.
29) 1. c, III (1910), 482 a.
FÜNFTES KAPITEL: DIE SIEBZIGER JAHRE.
1) Freundliche Mitteilung Franz Rubens (Venedig, 1905). Rüben machte übrigens einmal Jettel
persönlich mit Gregorovius bekannt. Jettel soll da aber von seinem Ideal sehr enttäuscht worden sein.
2) Diese Mitteilungen werden der Freundlichkeit des Herrn Maler und Commendatore Theodor
Ethofer in Salzburg verdankt.
3) Gleichfalls gütige Mitteilung des Herrn Commendatore Ethofer.
*) Daß dieses Bild ein Motiv aus Assisi darstellt, wird durch Herrn Maler Max Suppantschitsch
freundlichst bestätigt, der auch mitteilt, daß der Garten in Assisi ein Privat- und kein Kloster-
garten ist.
■') Das Bild befand sich 1889 als Eigentum der Frau Gräfin Marie Sizzo-Noris auf der Petten-
kofen-Ausstellung im Wiener Künstlerhaus. Eine Radierung darnach von Th. Alphons ist Lützows
Aufsatz über Pettenkofen in der Zeitschrift für bildende Kunst (Neue Folge, Bd. I [1890], S. 85 ff.)
als Tafel beigegeben.
«) Die Bibliothek der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien bewahrt außer einem Blatt,
auf dem sich vorne und hinten flüchtige Federskizzen und ausführliche schriftliche Erläuterungen
befinden, auch ein Schreiben Pettenkofens an den sogenannten »Szolnoker Müller« (Mappe 4|67,
Inv.-Nr. 21.364 und 21.365) auf. Zeichnungen und Brief sind durch die genauen Anweisungen, die
Pettenkofen darin dem Photographen Chryastel in Szolnok für Aufnahmen erteilt, die er zu zwei
Bildern braucht, interessant.
Der Brief lautet:
»In Eile. Sonntag, den 12. April 1868.
Geehrter Freund!
Indem ich Sie bitte, mein Verlangen zu erfahren, wie es Ihnen geht und was Sie machen, zu
befriedigen, bitte ich Sie zugleich, mir die Gefälligkeit zu erzeigen, M. Chryastel zu fragen, ob er
mir die schon vor längerer Zeit bestellten Photographien machen will. Ich brauche diese dringend,
da es mir an ähnlichen Studien fehlt, um mit meinen Arbeiten noch vor meiner Reise fertig zu
werden. W^enn M. Chryastel diese nicht machen will, so bitte ich Sie, werter Freund, mir dies
mit umgehender Post anzuzeigen, daß ich nicht vergebens darauf warte und meine Arbeiten ver-
zögere. Wenn aber M. Chryastel sie machen will, dann bitte ich Sie, mir die Freundschaft zu
erzeigen und ihm ein wenig mit Ihrer Kenntnis und Umsicht an die Hand zu gehen, namentlich
296
bei Auswahl der Pferde, und ich bitte Sie, die Briefe zu lesen, welche ich M. Ch. für diese Be-
stellung geschrieben habe und in welchen ich alles genau und deutlich angegeben und durch
Zeichnungen erläutert habe. Und in diesem Falle bitte ich Sie, bei den drei Pferden auf einem
Blatte darauf Bedacht zu nehmen, daß die Sonne die Pferde von rückwärts (die Sonne etwas mehr
links) beleuchtet und die Rücken der Pferde starkes Glanzlicht haben. Auch bitte ich, das Pferd
links etwas mehr von hinten sehen zu lassen und die Maschine so hoch zu stellen, daß man ziem-
lich auf den Rücken der Pferde sehen kann. Im übrigen bitte ich, sich an den betreffenden Brief,
welchen ich M. Chr. geschrieben, ganz zu halten, namentlich daß die Pferde klein sind, große
Bäuche und Köpfe haben und im ganzen rechte Bauernschindmähren sind. Doch Sie wissen das
alles, verehrter Freund, besser zu finden wie ich und ich verlasse mich ganz auf Ihre freundschaft-
liche Gefälligkeit.
Ich gebe Ihnen nochmals die drei Pferde [flüchtige Federskizze, die das Gesagte veranschau-
licht], da mir an der Stellung und besonders an der Beleuchtung sehr gelegen ist. Nun bitte ich
Sie, verehrter Freund, mir umgehend zu schreiben und mir wissen zu lassen, wie es Ihnen und
Ihren werten Verwandten geht, welchen ich meine Empfehlung auszurichten bitte. Zu jedem Gegen-
dienst bereit, grüße ich Sie von ganzem Herzen.
Ihr aufrichtiger Freund Pettenkofen.«
Auf der Vorderseite des oben erwähnten Blattes ist ein auf der Pußta nach links fahrendes
Ochsenfuhrwerk gezeichnet. Daneben steht : »Das Licht von hier aus [die Lichtquelle ist links oben
angegeben], aber keine Sonne. Unter den Ochsen und [dem] Wagen muß der Lichtreflex auf dem
nassen Weg sehr stark sein. Auf dem Wagen vorne soll eine Figur stehen und gegen die Mitte
des 'Wagens zu gebückt sein. Hinten auf dem Wagen eine oder zwei Figuren sitzen[d].«
Auf der Rückseite des Blattes sind größer die Ochsen allein gezeichnet. Der rechte Blattrand
halbiert die Vorderräder des Wagens. Die schriftliche Anweisung lautet: »Beide Photographien
sollen so groß sein, als sie die Maschine gibt; die Ochsen sollen so groß sein, daß nur das vordere
Rad noch auf dem Bilde Platz hat. Bei den rückwärtigen [sei. Ochsen der Zeichnung auf der
anderen Seite] ist das Terrain die Hauptsache, so daß der Wagen im Bilde nur mittelgroß
erscheint. — Das Licht von hier aus [abermals links oben], d. h. die Sonne soll links von den
Ochsen stehen, aber durch den grauen Himmel verdeckt sein, so daß keine Sonnenbeleuchtung
sichtbar wird.«
') Die Notiz findet sich in der »Morgen-Post« vom selben Tage, lautet gleich und ist in diesem
Blatte ein vom 18. Dezember datiertes Telegramm aus Rom. Am 18. Dezember 1873 befand sich
Pettenkofen gar nicht in Rom, sondern in Venedig. Interessant ist die Schreibung des Namens in
jener Depesche: »Pettenkoffer«.
8) = Gergia, östlich von Fayum am Nil?
») Weltausstellung 1873 in Wien. Offizieller Kunstkatalog. 3. Auflage. Wien 1873. S. 173, Nr. 512
bis 532, S. 176, Nr. 729.
'») Diese Abneigung Pettenkofens gegen eine Ausstellung seiner Bilder in Wien wurde von den
Herren Lobmeyr und Mayer dankenswerterweise und insoferne respektiert, als sie beide ihre
Sammlungen erst nach des Künstlers Tode ausstellten: Lobmeyr vom 1. Juni 1889 an im Wiener
Künstlerhaus, Mayer vom 2. Juli 1893 an ebenda.
11) Im Manuskript »erhält«.
1*) Im Manuskript »ihrem« und »ihrer«. Die beiden Possessiva sind aber selbstverständlich auf
Wien zu beziehen.
13) Durch Herrn Friedrich Pollak freundlichst vermittelte Nachricht Professor August Wolffs in
Venedig.
1*) Vgl. E. R. and J. Pennell, The Life of James Mc Neill Whistler. London 1908. Zwei Bände.
II, 261, 267 und 269.
SECHSTES KAPITEL: WIEN 1880—1889.
1) Vgl. die Eintragung im Tagebuch unter dem 3. November 1879. —
Am 15. Jänner 1914 wurde im Vestibül des Hotels »Kaiserin EUsabeth« zu Ehren von Grieg,
Liszt, Menzel, Pettenkofen und Wagner, die alle dort gewohnt haben, eine Gedenktafel enthüllt.
2) Das Dekret ist vom 19, Jänner 1880 datiert.
297 * ""
VERZEICHNIS DER TAFELN,
I. Josef Borsos. Aquarellstudie. 1847. Wien, Dr. August Heymann , . . Nach Seite 24
II. Der Unterricht. Ölbild, 1847. Wien, C. A. Wels » » 24
III. Österreichische Infanterie, in einem Dorf kampierend. Unvollendetes
Aquarell. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 44
IV. Österreichische Artillerie, in ein Dorf einrückend. Unvollendetes Aqua-
rell. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 44
V. Der Sturm auf Ofen. Lithographie. 1849 » » 48
VI. Ungarischer Landsturm. Lithographie. 1850 » » 48
VII. Der brave Tambur. Aquarell. 1850. W^ien, Dr. August Heymann ... » » 48
VIII. Ignaz Imrddy Edler v. Omorovicze. Ölbild. 1850. Wien, Dr. Albert Figdor » » 56
IX. Reisewagen auf der Fahrt von W^ien nach Klosterneuburg. Aquarell.
1851. Wien, Theodor Bergmann » » 56
X. Österreichische Infanterie, eine Furt passierend. Ölbild. 1851. Wien,
K. k. österreichische Staatsgalerie » » 60
XI. Russisches Bivuak. Ölbild. 1852. Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum » » 60
XII. Der Verwundetentransport. Ölbild. 1853. Wien, Rudolf Reichert ... » » 64
XIII. Nach dem Duell. Ölbild. 1853. Amsterdam, Museum Fodor » » 64
XIV. Niederösterreichisches Bauernhaus mit gemüsewaschender Bäuerin. Öl-
bild. 1854. Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt » » 80
XV. Klosterneuburger Bauernhaus mit Bäuerin und Kind. Ölbild. 1854. Wien,
Baron Louis Rothschild » » 80
XVI. Zigeunerlager auf der Pußta. Aquarell. 1855. Wien, Kunsthistorisches
Hofmuseum » » 82
XVII. Zigeuner zu Pferd. Aquarellstudie. Wien, Eugen Miller v. Aichholz . . » » 82
XVIII. Zwei Zigeunerkinder bei einem Kessel. Aquarellstudie. 1855. Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 86
XIX. Das Stelldichein. Ölbild. 1855. Wien, Baron Alphons Rothschild ...» »86
XX. Zigeunerzelte auf der Pußta, vorne badende Zigeuner. Ölbild. 1856?
Reichenberg, Heinrich Frh. v. Liebiegsche Sammlung der Stadt ...» »88
XXI. Ungarisches Bauernfuhrwerk. Ölbild. 1857. Wien, Baron Louis Rothschild » » 96
XXII. Zigeunerhütte im Walde. Ölbild. 1857. Wien, Ludwig Lobmeyr ...» »104
XXIII. Ungarischer Bauernhof mit Bäumen und Strohschobern. Ölbild. Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 104
XXIV. Pferde vorm Strohschober. Ölbild. 1858. Wien, Franz Xaver Mayer . » » 106
XXV. Wandernde Zigeunerfamilie. Ölbild. 1858. Wien, Franz Xaver Mayer » » 110
XXVI. Zigeunermädchen auf der Pußta. Aquarell. 1859. Wien, Eugen Miller
V. Aichholz » » 112
XXVII. Der Kuß. Ölbild. 1864. Wien, Kunsthistorisches Hofmuseum .... » » 140
XXVIII. Zigeunermädchen, auf einem Herd hockend und rauchend. Unvollendetes
Ölbild. Wien, Fritz Dobner v. Dobenau » » 140
XXIX. Szolnoker Markt. Ölbild. 1870. Wien, Franz Xaver Mayer » »160
XXX. Fischerbarken am Strande von Portici. Aquarellstudie. 1873. Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 168
630
») Dieses Brustbild in Visiteformat ist mittels Zeichnung stark vergrößert und so als Titelbild
im »Wiener Illustrierten Extrablatt« vom 27. November 1889 reproduziert worden.
Die im Text wiedergegebene, Pettenkofen in ganzer Figur darstellende Photographie in Visite-
format zeigt im Original am linken Rand und von oben bis unten eine schwarze Fehlstelle des
Negativs, die auf dem Klischee retuschiert werden mußte. Diese Aufnahme ist aber schärfer als
die zweite, auf der Pettenkofen fast unverändert ebenfalls in ganzer Figur zu sehen ist.
«) Nach dieser Photographie, die Pettenkofen für die Geliebte in Paris hat aufnehmen lassen,
ist der Holzschnitt in Lützows Aufsatz über den Künstler in der Zeitschrift für bildende Kunst,
N. F., I (1890), S. 85, und nach diesem Holzschnitt wieder das Klischee bei Muther (II, 530)
gemacht. Das Exemplar der Photographie, das dem Klischee im Text zur Vorlage gedient hat,
wird der Freundlichkeit des Fräuleins Anna Wagner verdankt.
') Nach einer dieser beiden Photographien wurde das Klischee des Textes angefertigt. Wo
sich heute das Original befindet, ist dem Verfasser unbekannt.
8) Dieses Ölporträt war 1905 als Nr. 40 des Kataloges, wo es auch abgebildet ist, auf der Lenbach-
Ausstellung in München ausgestellt. Das im Katalog angegebene Datum 1883 beruht offenbar auf
einer Verwechslung mit dem weiter unten zu besprechenden Pettenkofen-Porträt Lenbachs. Die
1905 ausgestellte Skizze wurde damals — leider vergeblich — vom Autor dem Unterrichts-
ministerium zum Ankauf für die Moderne Galerie empfohlen. Seither wurde sie von der Galerie
der Stadt Reichenberg erworben.
9) Die Familie Mayer gibt als Entstehungszeit des Bildes das Jahr 1884 an. Pettenkofen hielt
sich sowohl 1883 als auch 1884 längere Zeit in München auf. Da aber das Jahr 1883, wie wir oben
gesehen haben, im Katalog der Lenbach-Ausstellung als Entstehungszeit für ein Pettenkofen-
Bildnis genannt wird, freilich für eines, auf das es sich unmöglich beziehen kann, da diese Angabe
allem Anschein nach auf Aufzeichnungen Lenbachs zurückgeht und das von der Familie Mayer
angegebene Datum 1884, wie in anderen Fällen auch, vermutlich das der Erwerbung des Bildes
ist, so dürfte es angebracht sein, sich für das Jahr 1883 zu entscheiden.
1°) Als Beilage für Lützows Aufsatz über Pettenkofen in den »Graphischen Künsten«, Jg. XVIII
(1895), Taf. vor S. 25.
Die als Tafel dem vorliegenden Buch beigegebene Heliogravüre ist selbstverständlich nach dem
Original bei Herrn Kommerzialrat Franz Xaver Mayer hergestellt worden. Fräulein Marie Müller
hat dieses Bild zweimal (einmal im Auftrage der Stadt Wien) originalgroß, ein drittes Mal klein, als
Miniaturbildnis, wiederholt. Auch Fräulein Berta Müller hat das Porträt originalgroß kopiert. Daher
finden sich zwei originalgroße Kopien bei den Damen Müller, eine im W^iener Städtischen Museum.
1') Das durch Flecke, die glücklicherweise dem Gesicht ausweichen, entstellte Negativ einer
Vergrößerung darnach wird von den Damen Müller aufbewahrt, die auch, ebenso wie Herr
Professor Robert Ruß einen alten Abzug davon besitzen. Auf der Photographie, die dem ver-
kleinerten Klischee des Textes zugrunde liegt, wurden die Flecke retuschiert.
Auf Grund dieser Photographie und eigener Erinnerungen hat Fräulein Marie Müller im Todes-
jahr Pettenkofens sein Porträt sowohl gezeichnet als auch in Öl gemalt. Die Zeichnung ist, in
Holz geschnitten, dem oben zitierten Aufsatz Lützows in der Zeitschrift für bildende Kunst (S. 125)
beigegeben. Das Ölbild zeigt im Gegensatz zu dem Holzschnitt wie die Photographie auch die
beiden Hände mit Pinsel und Palette.
12) Diese Bleistiftzeichnung war die Nr. 146 der am 24. April 1894 von H. O. Miethke in Wien
veranstalteten Auktion Heinrich Rechtnitz. Sie gehört heute Herrn Dr. August Heymann.
'ä) Eine Zeichnung von F. Umlauft im Besitze Kommerzialrat Franz Xaver Mayers, die einen
zerlumpten Mann darstellt und eine Karikatur Pettenkofens sein soll, und eine zweite Zeichnung
bei Dr. August Heymann, die von Borsos herrühren und gleichfalls ein Porträt Pettenkofens sein
soll, haben beide keinerlei Anspruch auf Authentizität.
^0 Vgl. Carl V. Lützow, August v. Pettenkofen, S. 26 der »Graphischen Künste«, Wien,
XVIII. Jg. (1895).
1 ') Bericht, Gründlicher, des in America zwischen dem Rio Orinoco und Rio de las Amazonas
sich erstreckenden Strich Landes, welches die ostindische Compagnie dem Grafen Friedrich
Casimir zu Hanau überlassen hat. Frankfurt 1669. — Cudena, Pedro: Beschreibung des portugie-
sischen Amerika. Übersetzt von Leiste. Braunschweig 1750. — Gage, Neue merkwürdige Reise-
beschreibung nach New Spania etc. Leipzig 1693. — Gille, Jesuitenpater: Storia dell' Orinoco.
Rom, XVIII. Jhdt. — Gottfried, Newe Welt und americanische Historien. Frankfurt 1651. —
299 38»
Harnisch, W. : Gesammelte Reisen: Des amerikanischen Geheimschreibers W. B. Stevensons
Reisen in Peru und auf der Westküste des Staates Columbia. (Um 1823.) — Harnisch, W. : Ge-
sammelte Reisen: Alex. Caldclenghs Reisen in Südamerika. Leipzig 1830. — Hemmersam, Guine-
ische und westindianische Reisebeschreibung. Nürnberg 1663. — Hennepin: Beschreibung der new
entdeckten Landschaft Louisiana. Nürnberg 1689. — Hennepin, Neue Entdeckungen vieler sehr großen
Landschaften in Amerika zwischen New Mexico und dem Eismeer. Übersetzt von Langen. Bremen
1690. — Irving, Wash.: Transatlantische Skizzen. Leipzig 1855. — Koppe: 3 Berichte Don F. Cortez'
an Karl V. Berlin 1834. — Las Casas, Amerika. — Mendez, Reise des Fernand. In der »Bibliothek
großer Reisen und Entdeckungen«. Jena 1868. — Murr, Reisen einiger Missionäre der Gesellschaft
Jesu in Amerika. Nürnberg 1785. — Orviedo: Geschichte Amerikas. Madrid 1853. — Prescott Will. :
Geschichte der Regierung Ferdinands und Isabellas der Katholischen. 2 Bde. Leipzig 1842. — Rio,
Kapitän Antonio del, und Dr. P. F. Cabrera: Beschreibung einer alten Stadt (Mexico). Berlin 1832.
— Rocheford: Historische Beschreibung der antillischen Inseln. Frankfurt 1688. — Sepp, A., und
A. Böhm: Der Societät Jesu Priester Reisebeschreibung, wie dieselben aus Hispanien in Para
Quaniam kommen etc. Nürnberg 1697. — Solis, La Conquista de Mejico. — Solls, Antonio de:
Geschichte Neu-Spaniens. — S(pringer), I. C. E.: Physikalische Untersuchung, ob auch patagonische
Reisen möglich und die Erzählungen davon wahr sind. Leipzig 1769. — (Vespucci, Am.): Aller-
älteste Nachricht von der Neuen Welt, welche dieser Erfinder derselben ehemals erteilt.
Berlin 1722.
1^) Accolti, Petrus, Florenz 1625. — Amman, Jost, Frankfurt 1578. — Armenini, Joh. Bapt. : Die
wahren Regeln der Malerei in drei Büchern, welche von richtiger Manier zu zeichnen und zu
malen handeln. Ravenna 1587. — Baglione, Joh., Rom 1642. — Bocchi, Franc, Über Donatello.
Florenz 1584. — Bocchi, Franc, Die Raritäten der Stadt Florenz. Florenz 1591. — Bisagno, Franc,
Venedig 1642. — Borghini, Raff., Florenz 1584. — Bosse, Abrah., Paris 1649. — Condivi de la
Ripa [Transone], Ascan., Das Leben des Michelangelo. Rom 1553. — Doni, Venedig 1549. — Dürer,
Albrecht, Kunstbücher. ^ Gauricus, Pomponius, Amsterdam 1609. — Junius, Franc, Amsterdam
1637. — Lamo, Alexander, Cremona 1584. — Lomazzo, Joh. Paul, ein Mailänder Maler, Mailand 1584.
— Lomazzo, Joh. Paul, Idee des Baues von der Malerei. Mailand 1590. — Lomazzo, Joh. Paul,
Von der Gestalt des Menschen, welche die griechischen und lateinischen Antiken erfordern.
Mailand 1591. — [Morello, Benedetto,] Die Leichenbestattung Augustini Caraccii. Bologna 1603. —
Passovinus, Ant., Venedig 1603. — Ridolfi, Carlo, Venedig 1648. — Sandrart, Deutsche Akademie. —
Varchi, Bened., Florenz 1549. — Vasari. — Zucharo, Friedr., Pavia 1604. — Zucharo, Friedr.,
Torino 1607. — [Der sogen. Anonymus des Tizianello,] Das Leben des berühmten Tizian.
Venedig 1622.
") »Der , Maler' ist, wie Sie richtig erraten, Pettenkofen, wenn auch da just nicht alles wörtlich
zu nehmen ist.« (Fürstin Marie zu Hohenlohe und Ferdinand v. Saar. Ein Briefwechsel. Heraus-
gegeben von Anton Bettelheim. Wien 1910. S. 234. Brief Saars vom 9. November 1896.) (Gütige
Mitteilung Alois Trosts.)
18) Auf dem Original stehen zwischen diesem und dem nächsten W^orte ungetilgt die beiden
Worte »die beifolgen«.
19) Dieser Brief kann nur an die Spitalsflickerin Leopoldine v. Nespern gerichtet gewesen sein.
Vgl. über sie Anm. 4 zu Kap. I.
20) Freundliche Mitteilung von Herrn Direktor Szana Tamäs.
") Brief an den Autor vom 11. Juni 1908.
22) Freundliche Mitteilung des Herrn Prof. Alfred v. Schrötter in Graz.
23) In dem schon zitierten Schreiben an den Verfasser vom 11. Juni 1908.
2«) Gleichfalls in dem Briefe vom 11. Juni 1908.
26) Diese Widmung findet sich auch erwähnt in dem Buche: Theodor Lott, Bericht über die
Studienjahre 1876 1 77 bis 1891/92, erstattet aus Anlaß der Feier des zweihundertjährigen Bestandes
der Akademie, Wien 1892, S. 52.
*') Die 1834 in Leipzig erschienene deutsche Übersetzung, die Pettenkofen vorgelegen ist, war
dem Autor unzugänglich. Mit Hilfe des englischen Originals aber ließ sich Pettenkofens nicht
ohneweiters verständliche Notiz ergänzen. Die betreffende Stelle der englischen Ausgabe (Sir
William Gell, Pompeiana. 2 Bde. London 1832. Bd. I, S. 164f.) befindet sich im achten, das Haus
des tragischen Dichters behandelnden Kapitel und lautet:
300
»It is Singular that, in many cases, though a picture be not ill preserved, and may be seen
from the raost convenient distance, a style of painting has been adopted, which, though calculated
to decorate the wall, is by no means intelligible on a nearer approach.
In a Chamber, near the entrance of the chalcidicum, by the statue of Eumachia, is a picture
in which, from a certain distance, a town, a tent, and something like a marriage ceremony, might
be perceived; but which vanished into an assemblage of apparently unmeaning blots, so as to
entirely elude the skill of an artist who was endeavouring to copy it at the distance of three or
four feet.«
") In der »Allgemeinen Kunstchronik«, 11. Oktober 1884; vgl. aber auch die Nummern vom
18. Oktober und vom 20. Dezember dieses Jahres.
28) In einem anonymen Feuilleton des »Neuen Wiener Tagblattes« vom 26. März 1889, über-
schrieben »Aus dem Leben Pettenkofen's. Persönliche Erinnerungen.«
2») Freundliche Mitteilung Maler Rudolf Konopas.
">) In der hier (S. 261) bereits genannten Abhandlung: »Wie steht die Kunst in Österreich?«
") Vgl. auch: Paul Eudel, Fälscherkünste, neu herausgegeben und ergänzt von Arthur Rößler,
Leipzig 1909, S. 101 f.
301
XXXI. Bäuerin aus Torre del Greco, mit Blumentöpfen beschäftigt. Aquarell.
1873. Wien, Ludwig Lobmeyr Nach Seite 168
XXXII. Neapolitanische Netzflickerin. Aquarellstudie. 1873. Wien, Ludwig
Lobmeyr » »168
XXXIII. Inneres eines neapolitanischen Bauernhauses mit Holzstiege und
nähender Frau. Aquarell. 1873. Wien, Ludwig Lobmeyr » » 168
XXXIV. Neapolitanisches Bauernhaus mit Bäuerin. Ölbild. 1873? Wien, Ludwig
Lobmeyr .■ • • » » 168
XXXV. Hof eines ungarischen Bauernhauses mit zwei Kindern am Boden und
bunten Gewandstücken auf zwei dürren Bäumen. Ölbild. 1874? Wien,
Ludwig Lobmeyr » » 170
XXXVI. Hof einer ungarischen Bauernwirtschaft; darin eine Bäuerin, die Hühner
füttert. Ölbild. 1874? Wien, Wilhelm KufFner » »174
XXXVII. Alte Venezianerin mit Vogelkäfigen. Ölbild. 1874. Wien, FranzXaverMayer » » 176
XXXVIII. Alte Venezianerin, sich schneuzend. Ölbild. 1874. Wien, Eugen Miller
V. Aichholz » »176
XXXIX. Blumenstück. Ölbild. 1874. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » »176
XL. Zwei ungarische Bauernkinder bei Sonnenblumen. Ölbild. 1876. Wien,
K. k. österreichische Staatsgalerie » » 184
XLI. Ungarischer Markt bei Regen. Ölbild. 1880. Wien, Franz Xaver Mayer » » 192
XLII. Das Duell in der Au. Pastellbild. 1882. Paris, Charles Sedelmeyer . . » » 194
XLIII. Der Apotheker. Aquarell. 1885. Wien, Eugen Miller v. Aichholz ... » » 198
XLIV. Blick auf die Dächer der Calle dei Fuseri in Venedig. Gouachebild,
1885. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 200
XLV. Garten in Grünau. Gouachebild. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 208
XLVI. Küche in Riva. Aquarell. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz ...» » 210
XLVII. Der Hufschmied. Gouachebild. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz . » » 212
XLVIII. Kampf in einem venezianischen Gäßchen. Unvollendetes Ölbild. 1887.
Wien, K. k. österreichische Staatsgalerie » » 212
IL. Des Künstlers Atelier. Gouachebild. Wien, Marie und Berta Müller . » » 214
L. Ungarische Marktweiber. Unvollendetes Ölbild. Wien, Oskar Bondy . » » 220
LI. Ungarischer Markt. Unvollendetes Ölbild. Wien, Hauptmann Franz Artaria » » 220
LH. Gasse in Riva. Kreidezeichnung. 1886. Wien, Eugen Miller v. Aichholz » » 224
LIII. Franz Lenbach, Porträt Pettenkofens. Ölbild. 1883. Wien, Franz Xaver
Mayer » » 262
621
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