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Full text of "August Pettenkofen"

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AUGUST 
PETTENKOFEN 

1822-1889 


ARPAD  WEIXLGÄRTNER 


AUGUST  PETTENKOFEN 


HERAUSGEGEBEN 

VOM 

K.  K.  MINISTERIUM 

FÜR  KULTUS  UND 

UNTERRICHT 


ERSTER  TEIL 


WIEN 

1916 
GERLACH  &  WIEDLING 


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1.1. 


DRUCK  VON  FRIEDRICH  JASPER  IN  WIEN 


VORWORT 


ichtenberg  sag^  einmal,  daß  ihm  manches  Vorwort  wie  ein  Vor- 
spann vorkomnae,  mit  dem  der  Autor  seinem  Werk  über  den 
Berg  zu  helfen  beabsichtigt.  Auf  die  Gefahr  hin,  daß  dergleichen 
auch  von  dieser,  Vorrede  gesagt  werden  wird,  sei  sie  gleich  von 
vorneherein  als  eine  angekündigt,  die  weiter  auszuholen,  zu  er- 
läutern und  zu  entschuldigen  vorhat. 

Den  Anstoß,  wenngleich  nicht  den  unmittelbaren,  zur  Heraus- 
gabe der  Reihe  von  Monographien,  zu  der  auch  die  vorliegende 
Arbeit  gehört,  erhielt  das  Ministerium  für  Kultus  und  Unterricht 
durch  Richard  Muthers  in  den  Jahren  1893  und  1894  erschienene 
Geschichte  der  Malerei  im  XIX.  Jahrhundert.  Eines  wird  diesem  Werk  auch  sein 
strengster  Kritiker  gelten  lassen  müssen:  die  große  Wirkung,  die  es  auf  die  inter- 
essierten Kreise  ausgeübt  hat.  Je  größer  aber  diese  Wirkung  war,  um  so  peinlicher 
mußte  es  in  Österreich  empfunden  werden,  daß  in  dem  Buch  die  Malerei  der 
Heimat  recht  schlecht  wegkommt.  Dieses  falsche  Bild  sollte  durch  die  genannten 
offiziellen  Publikationen  korrigiert  werden. 

Es  war  aber^durchaus*^nicht  bloß  Muthers  Schuld,  daß  die  Schilderung,  die  er 
von  der  österreichischen  Malerei  gegeben  hat,  so  wenig  befriedigte. 

Auch  heute  noch,  da  seit  dem  Erscheinen  von  Muthers  Werk  jüber  zwanzig  Jahre 
verstrichen  sind,  befindet  sich  gewiß  noch  mehr  als  die  Hälfte  der  österreichischen 
Bilder^des  XIX.  Jahrhunderts  nicht  in  öffentlichem,  sondern  in  privatem  Besitz  und 
ist  daher  wenig  bekannt  und  schwer  zugänglich.  (Das  vom  Unterrichtsministerium 
herausgegebene  und  von  Wilhelm  Freiherrn  v.  Weckbecker  redigierte  Handbuch 
der  Kunstpflege  in  Österreich  —  zum  erstenmal  bereits  1891  erschienen,  in  dritter, 
stark  vermehrter  Auflage  1902  —  ist  zwar  unter  anderem  auch  ein  willkommener 
Wegweiser  zu  den  im  Privatbesitz  versteckten  Kunstschätzen,  bietet  aber  seiner 
Anlage  gemäß  natürlich  nicht  viel  mehr  als  ein  grobmaschiges  Verzeichnis  von 
Künstler-  und  Besitzernamen.)  Die  kaiserliche  Galerie,  die  über  die  erste  Hälfte 
des  XIX.  Jahrhunderts  ziemlich  gut  orientiert,  hat  später  aufgehört,  moderne  öster- 
reichische Bilder  systematisch  zu  sammeln.  Die  Vielheit  der  Sammelgebiete  des 
Wiener  Städtischen  Museums  und  die  geringen  Mittel  der  Gemäldegalerie  der  Aka- 
demie der  bildenden  Künste  in  Wien  haben  es  verhindert,  daß  diese  beiden  Anstalten 


einen  Ersatz  für  den  Ausfall  an  der  kaiserlichen  Sammlung  geboten  hätten,  die  Mo- 
derne Galerie  in  Wien  wurde  aber  nach  langen  Vorbereitungen  erst  1903  gegründet. 

Waren  diese  Umstände  einem  Studium  der  österreichischen  Malerei  nichts  weniger 
als  förderlich,  so  wurde  ein  solches  vollends  durch  die  in  mehr  als  einem  Sinne 
ungenügende  Literatur  gehemmt. 

Als  Muther  sein  Werk  verfaßte,  stand  ihm,  wenn  die  Aufzählung  auf  das  Wich- 
tigste beschränkt  sein  soll,  folgendes  zur  Verfügung:  Constant  v.  Wurzbachs  Bio- 
graphisches Lexikon  des  Kaisertums  Österreich,  in  den  Jahren  1856  bis  1891  er- 
schienen, ein  unentbehrliches  Nachschlagewerk,  dem  nachzurühmen  ist,  daß  es  bil- 
dende Künstler  ebenso  wie  Dichter  und  Musiker  besonders  ausführlich  behandelt. 
Daß  es  stets  mit  Kritik  benützt  werden  muß,  ist  bei  seinem  Umfang  und  der  Art, 
wie  es  zustande  kam  —  die  sechzig  Bände  haben  einen  einzigen  Mann  zum  Ver- 
fasser —  nur  selbstverständHch.  Karl  v.  Lützows  Geschichte  der  k.  k.  Akademie  der 
bildenden  Künste  (Wien  1877)  mit  ihrer  die  Jahre  1876/77  bis  1891/92  umfassenden 
Ergänzung  durch  Theodor  Lott  (Wien  1892).  Cyriak  Bodensteins  Buch:  Hundert 
Jahre  Kunstgeschichte  Wiens:  1788—1888  (Wien  1888;  fortgesetzt  durch  Ludwig 
Wächtler,  Wien  1913).  Von  diesen  vier  Büchern  gibt  aber  das  Lützowsche  allein 
eine  systematische  Darstellung,  die  anderen  drei  sind  lediglich  Materialsammlungen, 
und  beschränken  sich  die  ersten  beiden  auf  die  Akademie  der  bildenden  Künste, 
so  behandeln  die  letzten  zwei  nur  die  Mitglieder  der  Pensionsgesellschaft  bildender 
Künstler  in  Wien.  Versuche,  freilich  recht  bescheidener  Art,  einen  Überblick  über 
die  Entwicklung  der  Wiener,  beziehungsweise  der  österreichisch-ungarischen  Kunst 
im  XIX.  Jahrhundert  zu  geben,  sind  die  einschlägigen  Artikel  in  dem  großen  Sammel- 
werk: Die  österreichisch-ungarische  Monarchie  in  Wort  und  Bild  (Wien  1886 — 1902) 
und  die  Arbeiten  Karl  v.  Lützows  in  der  vom  Gemeinderat  der  Stadt  Wien  zum 
2.  Dezember  1888  herausgegebenen  Denkschrift:  Wien  1848—1888  (Wien  1888)  und 
Alfred  Nossigs  in  Albert  Ilgs  Kunstgeschichtlichen  Charakterbildern  aus  Österreich- 
Ungarn  (Wien  1893).  Richtunggebendes,  jedenfalls  das  Gehaltvollste,  was  über  die 
österreichische  Kunst  der  ersten  beiden  Drittel  des  XIX.  Jahrhunderts  gesagt  worden 
ist,  findet  sich  im  I.  Band  von  Rudolf  v.  Eitelbergers  Gesammelten  kunsthistorischen 
Schriften  (Wien  1879).  Freilich  ermangeln  diese  einzelnen  Persönlichkeiten  oder 
Zweigen  der  österreichischen  Kunst  gewidmeten  Aufsätze  der  Vollständigkeit.  Viel 
Brauchbares  und  Wertvolles  bieten  selbstverständlich  auch  Artikel  in  Fachzeit- 
schriften, vor  allem  in  den  Graphischen  Künsten,  in  der  Zeitschrift  für  bildende 
Kunst  und  in  der  Wiener  Allgemeinen  Kunstchronik.  Auch  in  den  Tagesblättern 
ist  natürlich  manches  Wissenswerte  vergraben.  Ein  auffälliger  Mangel  dagegen 
herrscht  an  Monographien  und  Oeuvrekatalogen;  Ludwig  August  Frankls  Buch  über 
Friedrich  Amerling  (Wien  1889)  und  Karl  L.  Wiesböcks  Verzeichnis  der  Werke 
Johann  Nepomuk  Geigers  (Leipzig  1868)  seien  als  Ausnahmen  angeführt.  Desgleichen 
fehlen  Autobiographien  von  Künstlern;  Führichs  bereits  1844  zum  erstenmal  ge- 
druckte Lebenserinnerungen  und  die  1876  herausgegebene  Selbstbiographie  von 
Karl  Blaas  stehen  so  gut  wie  vereinzelt  da. 

Während  der  Jahre,  die  seit  dem  Erscheinen  von  Muthers  drei  Bänden  ver- 
strichen sind,  hat  sich  auf  dem  in  Rede  stehenden  Gebiet  manches  gebessert.  1897 


VI 


wurde  die  Künstlervereinigung  „Secession"  gegründet,  die  das  gesamte  Wiener 
Kunstleben  mit  frischem  Blut  erfüllte,  und  1903  kam  endlich,  wie  schon  gesagt, 
die  Moderne  Galerie  zustande.  Im  selben  Jahre  wurde  August  Schäffers  Großfolio- 
werk über  die  Modernen  Meister  in  der  kaiserlichen  Gemäldegalerie  in  Wien  ab- 
geschlossen und  erschien  Ludwig  Hevesis  Österreichische  Kunst  im  XIX.  Jahrhundert. 
Die  erstere  Publikation  ist  nicht  nur  durch  ihre  Abbildungen,  sondern  auch  durch 
die  Menge  von  Personalien  ausgezeichnet,  die  ihr  Autor,  der  als  Künstler  und  als 
Galeriedirektor  mit  sehr  vielen  der  von  ihm  besprochenen  Maler  bekannt  oder  be- 
freundet war,  mitzuteilen  weiß,  die  letztere  dadurch,  daß  sie,  wenn  auch  verfrüht, 
doch  zum  erstenmal  den  Versuch  wagt,  die  österreichische  Kunst  des  vergangenen 
Jahrhunderts  als  Ganzes  zu  schildern.  Die  Partien  des  Buches,  in  denen  Hevesi 
Miterlebtes  darstellt,  sind  begreiflicherweise  wertvoller  als  die  älteren,  für  die  er  aus 
zweiter  Hand  schöpfen  mußte.  Lebendigeren  Ausdruck  freilich  haben  die  Wiener 
Kunstereignisse  um  die  Wende  des  XIX.  auf  das  XX.  Jahrhundert  in  den  zwei 
Sammlungen  von  Hevesis  Feuilletons  gefunden,  die  er  1906  und  1909  unter  den 
Titeln  Acht  Jahre  Secession  (März  1897  bis  Juni  1905)  und  Altkunst-Neukunst 
(1894 — 1908)  veranstaltet  hat.  Lediglich  Reproduktionen  nach  Gemälden  von  Alt- 
wiener Meistern  im  Privatbesitz  enthält  die  1905  bis  1913  bei  H.  O.  Miethke  in 
Wien  erschienene  Publikation:  Ein  Jahrhundert  österreichischer  Malerei,  1800 — 1900. 
Das  zehnte  Buch  des  II.  Bandes  (Stuttgart  1912)  von  Heinrich  Friedjungs  Werk: 
Österreich  von  1848  bis  1860  orientiert  knapp  und  anschaulich  über  die  bildende 
Kunst  dieses  Zeitabschnittes  und  über  die  Wiener  Stadterweiterung,  ohne  selbst- 
verständlich viel  Neues  zu  bieten.  Der  Kunstbesitz  der  Privaten  in  Österreich  wird 
seit  1907  systematisch  und  gründlich,  aber  natürlich  nur  schrittweise  durch  die  von 
der  k.  k.  Zentralkommission  für  Kunst-  und  historische  Denkmale  herausgegebene 
Österreichische  Kunsttopographie  verzeichnet.  Wichtige  Auskünfte  über  Wiener 
Maler  und  ihre  Bilder  erteilen  die  Schriften  Theodor  v.  Frimmels,  besonders  die 
seit  1905  von  ihm  herausgegebenen  Blätter  für  Gemäldekunde  und  sein  Lexikon 
der  Wiener  Gemäldesammlungen,  dessen  erster  Band  (München  1913)  die  Buch- 
staben A  bis  F  umfaßt.  Über  ein  Gebiet,  auf  dem  sich  die  Altwiener  Malerei  be- 
sonders auszeichnete,  hat  Eduard  Leischings  große  Publikation:  Die  Bildnisminiatur 
in  Österreich  von  1750  bis  1850  (Wien  1907)  Licht  geworfen.  Seit  1902  sind  endlich 
auch  Künstlermonographien  erschienen,  1902,  1911,  1912,  1914  und  1915  die  vom 
Unterrichtsministerium  herausgegebenen  (Servaes:  Segantini,  Hevesi-Kuzmany:  Alt, 
Dreger-v.  Wörndle:  Führich,  Burg:  Zauner).  Neben  diesen  offiziellen  gingen  auch 
andere  einher,  Artur  Rößlers  Waldmüller  (1907),  Alt  und  Danhauser. 

Dies,  flüchtig  umrissen,  der  Stand  der  allgemeinen  Literatur,  die  heute  jedem  zu 
Gebote  steht,  der  sich  mit  einem  Thema  der  österreichischen  Kunst  des  XIX.  Jahr- 
hunderts beschäftigt. 

Was  nun  die  spezielle  Literatur  über  Pettenkofen  anbelangt,  so  war  es  mit  ihr 
wenigstens  insoferne  nicht  schlecht  bestellt,  als  es  über  ihn  ein  paar  gute  Aufsätze 
gibt,  vor  allem  Theodor  v.  Frimmels  Einleitung  zum  Katalog  der  Auktion  von  des 
Künstlers  Nachlaß  (1890)  und  dann  zwei  Artikel  Lützows  in  der  Zeitschrift  für 
bildende  Kunst  (1890)  und  in  den  Graphischen  Künsten  (1895).  Die  Deutsche  Bio- 


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II 


graphie  hat  erst  in  den  Nachtragsband  vom  Jahre  1907  einen  Artikel  über  Petten- 
kofen  aufgenommen.  Dagegen  findet  sich  sein  Oeuvre  schon  1898  im  II.  Band  von 
Friedrich  v.  Boettichers  Malerwerken  des  XIX.  Jahrhunderts  (Dresden  1895 — 1898) 
ziemlich  ausführlich,  allerdings  zum  Teil  recht  ungenau  verzeichnet.  Alles  Nähere  über 
die  angeführten  Arbeiten  und  die  weitere  Spezialliteratur  ist  im  Anhang  vermerkt. 

So  viel  über  die  literarischen  Quellen.  Nun  zu  den  „ungewollten  mittelbaren", 
unter  denen  bei  Pettenkofen  gewissen  schriftlichen  eine  besondere  Bedeutung  zu- 
kommt. Es  sind  zwölf  Notizbüchlein,  die  aus  dem  Nachlaß  in  den  Besitz  der 
Schwestern  Leopold  Karl  Müllers,  der  Erbinnen  Pettenkofens,  übergegangen  sind 
und  über  die  im  Anhang,  vor  dem  Itinerar,  noch  einiges  Weitere  mitgeteilt  wird. 
Diese  Bändchen  stellen  zum  Teil  vielleicht  Auszüge  aus  ausführlicheren  Tagebüchern 
dar,  die  Pettenkofen  geführt  hat,  die  aber  auf  seinen  ausdrücklichen  Wunsch  nach 
seinem  Tode  zusammen  mit  Stößen  von  Briefen  durch  seinen  Testamentsvollstrecker 
Franz  Xaver  Mayer  den  älteren  verbrannt  worden  sind.  Die  Notizbüchlein  enthalten 
insoferne  mehr  als  die  bloß  geschäftlich  gehaltenen  Register,  wie  sie  gerade  unter 
den  österreichischen  Künstlern  Füger,  Gauermann  und  Amerling  hinterlassen  haben, 
als  sie  außer  den  Aufzeichnungen  über  den  Beginn,  die  Beendigung  und  den  Ver- 
kauf eines  Bildes  hie  und  da  doch  auch  noch  anderes,  z.  B.  einen  schriftlichen  Ent- 
wurf, eine  von  einem  alten  Meister  empfangene  künstlerische  Anregung,  Mitteilungen 
über  den  Verkehr  mit  anderen  Personen  und  über  den  eigenen  Gesundheitszustand 
in  sich  bergen.  Diese  Notizbücher  sind  es  auch  fast  ausschließlich,  auf  Grund  deren 
sich  das  im  Anhang  mitgeteilte  ziemlich  lückenlos  von  1853  bis  1889  reichende  Iti- 
nerar hat  zusammenstellen  lassen,  das  bei  dem  fortwährend  seinen  Aufenthaltsort 
wechselnden  Künstler  natürlich  von  Bedeutung  ist.  Ergänzend  tritt  zum  Inhalt 
dieser  Büchlein  noch  eine  ganze  Menge  auf  lose  Zettel  geschriebener  Notizen  hinzu, 
die  gleichfalls  aus  dem  Nachlaß  in  den  Besitz  der  Schwestern  Müller  übergegangen 
sind.  Der  mannigfaltige  Inhalt  dieser  flüchtig  hingeworfenen  Bemerkungen  liefert 
manchen  willkommenen  Beitrag  zur  Kenntnis  des  Menschen  und  des  Künstlers. 

Von  Pettenkofens  Briefen,  die  sich  erhalten  haben,  sind  die  wichtigsten  die  an 
Franz  Xaver  Mayer  den  älteren  gerichteten.  Sie  befinden  sich  noch  heute  im  Be- 
sitz von  des  Adressaten  Sohn.  Aber  auch  die  paar  auf  uns  gekommenen  Briefe 
und  Fragmente  von  Briefen  an  die  Geliebte  (im  Besitz  des  Autors),  die  Briefe  an 
Leopold  Karl  Müller  (im  Besitz  von  dessen  Schwestern  Marie  und  Berta)  und  die 
31  Briefe  an  Karl  v.  Kratzer  (die  datierten  aus  der  Zeit  vom  30.  Jänner  1856  bis 
zum  16.  August  1879,  alle  aus  Kratzers  Nachlaß  von  Herrn  Josef  Simon  erworben) 
sind,  je  spärlicher  gerade  diese  Art  Quelle  bei  Pettenkofen  fließt,  von  großem 
Wert.  Einem  Briefe  an  Eugen  Jettel  kommt  darum  eine  besondere  Bedeutung  zu, 
weil  darin,  was  sonst  nur  höchst  selten  und  ganz  nebenher  der  Fall  ist,  ausführlich 
und  anziehend  künstlerische  Themen  besprochen  werden.  An  zwei  Stellen,  wo  es 
noch  Briefe  Pettenkofens  gibt,  und  zwar  sicher  in  größerer  Anzahl  und  wahr- 
scheinlich interessanten  Inhalts,  hat  der  Autor  mehr  als  einmal  vergeblich  angeklopft. 

Unter  den  Personen,  deren  dem  Autor  freundlichst  erstattete  mündliche  und 
schriftliche  Angaben  über  Pettenkofen  die  Überlieferung  darstellen,  sind  vor  allem 
zu  nennen:  die  Damen  Luise  (f),  Amelie  (t),  Berta  und  Marie  Müller  und  die  Herren 


VIII 


Friedrich  Ehrmann  (in  Straßburg,  f),  Charles  Sedelmeyer  (in  Paris)  und  Maler 
Theodor  Ethofer  (in  Salzburg,  f).  Die  Mitteilungen  der  Schwestern  Müller,  die  sich 
hauptsächlich  auf  die  achtziger  Jahre  beziehen,  sind  nicht  nur  durch  das  Selbsterlebte, 
das  sie  enthalten,  sondern  auch  durch  das,  was  in  sie  aus  den  Beobachtungen 
Leopold  Karl  Müllers,  der  während  der  beiden  letzten  Jahrzehnte  von  Pettenkofens 
Leben  dessen  intimster  Freund  war,  übergeflossen  ist,  von  höchster  Bedeutung. 
Auf  dieselbe  Periode  und  auf  Paris  beziehen  sich  die  Mitteilungen  des  Herrn  Sedel- 
meyer, auf  die  mit  Pettenkofen  in  Italien  verlebten  siebziger  Jahre  die  des  Herrn 
Malers  Ethofer.  Herr  Friedrich  Ehrmann  dagegen,  der  seinerzeit  in  dem  Geschäfte 
von  Friedrich  Gsell,  dem  ersten  Maecen  Pettenkofens,  eine  hervorragende  Stelle 
innehatte,  reichte  mit  seinen  äußerst  wertvollen  Erinnerungen  noch  in  des  Künstlers 
Wiener  Anfangszeiten  zurück.  Allen  diesen  Damen  und  Herren  fühlt  sich  der  Autor 
zum  größten  Dank  verpflichtet,  besonders  aber  den  Fräulein  Müller,  die  ihm  vor 
allem  auf  vertrauensvollste  Weise  Einblick  in  des  Künstlers  schriftlichen  Nachlaß 
gewährten  und  überhaupt  nicht  müde  wurden,  ihn  mit  Rat  und  Tat  aufs  liebens- 
würdigste zu  unterstützen. 

Bisher  war  von  den  Quellen  die  Rede.  Hinsichtlich  der  Denkmäler  selbst  muß 
zunächst  gesagt  werden,  daß  Pettenkofen  für  die  oben  aufgestellte  Behauptung,  es 
befände  sich  von  den  Werken  der  österreichischen  Maler  des  XIX.  Jahrhunderts 
nur  eine  verhältnismäßig  geringe  Anzahl  in  öffentlichem  Besitz  —  im  Gegensatz 
etwa  zu  Danhauser,  dessen  Hauptwerke  wenigstens  seit  langem  der  kaiserlichen 
Galerie  angehören  —  ein  besonders  gutes  Beispiel  liefert.  Was  von  Pettenkofens 
Arbeiten  in  kaiserlichem  oder  staatlichem  oder  städtischem  Besitz  angetroffen  wird, 
ist  zur  Kenntnis  seiner  Kunst  völlig  unzulänglich.  Diejenige  öffentliche  Sammlung, 
die  von  seinen  Bildern  noch  am  meisten  ihr  eigen  nennt,  die  Heinrich  Freiherr 
V.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt  Reichenberg,  ist  wenig  bequem  zu  erreichen 
und  ist  im  Grunde  eine  Privatsammlung,  die  dank  der  letztwilligen  Verfügung 
ihres  hochsinnigen  Eigentümers  zur  öffentlichen  wurde,  und  zwar  erst  im  Jahre  1904. 

Wer  Pettenkofen  kennen  lernen  will,  muß  auch  heute  noch  vor  allem  in  Privat- 
häusern vorsprechen.  Die  größten  Sammlungen  seiner  Werke  befinden  sich,  mit 
Ausnahme  der  eben  genannten  zu  Reichenberg,  in  Wien  und  gehören  den  Herren 
Dr.  August  Heymann,  Ludwig  Lobmeyr,  Franz  Xaver  Mayer  dem  jüngeren  und 
Eugen  Miller  v.  Aichholz.  Das  Schwergewicht  der  ersten  dieser  Sammlungen 
ruht  in  den  Lithographien,  die  zum  größten  Teil  aus  der  Sammlung  von  Friedrich 
Flesch  in  Unter-St.  Veit  bei  Wien  stammen,  das  der  Sammlung  Eugen  v.  Millers 
in  Arbeiten  der  achtziger,  das  def  Lobmeyrschen  Sammlung  in  Arbeiten  der  sieb- 
ziger Jahre,  nur  in  der  Mayerschen  Sammlung  halten  einander  frühere  und  spätere 
Werke  die  Wage.  Die  Sammlungen  der  Herren  Franz  Xaver  Mayer,  Miller 
V.  Aichholz  und  Lobmeyr  sind  dadurch  ausgezeichnet,  daß  ihre  Hauptbestände 
noch  alle  unmittelbar  dem  Künstler  selbst  abgekauft  wurden.  Aber  noch  vor  und 
neben  diesen  Privatsammlungen  hat  es  in  Wien  andere  gegeben,  die  besonders 
reich  an  Bildern  und  Zeichnungen  Pettenkofens  waren,  die  jedoch  eine  nach  der 
andern  versteigert  wurden,  so  die  Sammlung  Josef  Daniel  Böhms  (1865),  Friedrich 
J.  Gsells  (1872),  A.  R.  v.  Oelzelts  (1878)  und  Theodor  Eggers'  (1888).  Der  größere 


IX 


11» 


Teil  von  Werken  Pettenkoferis  war  und  ist  aber  unzweifelhaft  zu  Partien  von'  je 
ein  paar  Stücken  bei  Privaten  verzettelt,  die  gar  nicht  den  Anspruch  erheben,  als 
Sammler  zu  gelten,  sondern  sich  nur  nach  der  schönen  alten  Sitte  wohlhabenden 
Bürgertums  ihre  Wohnungen  mit  etlichen  guten  Bildern  geschmückt  haben.  Das 
meiste  dieser  Art  ist  zweifelsohne  wieder  in  Wien  zu  finden,  manches  aber  be- 
gegnet auch  im  Ausland,  sogar  in  Rußland  und  in  Amerika. 

-  Diese  Zerstreuung  von  Pettenkofens  Werken  im  internationalen  Privatbesitz 
bringt  es  aber  mit  sich,  daß  sie  fortwährend  hier  und  dort  auf  Auktionen  auf- 
tauchen und  daß  bei  dem  Versuch,  sie  allesamt  zu  verzeichnen,  diesen  Auktionen 
und  ihren  Katalogen  eine  wichtige  Rolle  zufällt.  Auktionskataloge  sind  als  literarische 
Quellen  natürlich  recht  zweifelhafter  Natur,  da  sie  zwischen  der  Erfüllung  primi- 
tivster Geschäftsbedürfnisse  und  der  höherer  wissenschaftlicher  Anforderungen  aufs 
unerquicklichste  hin-  und  herschwanken.  Daß  im  allgemeinen  die  wissenschaftliche 
Brauchbarkeit  der  Auktionskataloge  ständig  wächst,  kann  gerade  im  Falle  Petten- 
kofens mit  Genugtuung  festgestellt  werden.  Über  die  Schattenseiten  eines  Oeuvre- 
kataloges,  der  notgedrungen  zum  großen  Teile  auf  Auktionskatalogen  aufgebaut 
ist,  verbreiten  sich  eingehender  die  Vorbemerkungen  zum  Verzeichnis  der  Werke. 
Daß  dieses  in  den  vom  Unterrichtsministerium  bis  jetzt  herausgegebenen  Mono- 
graphien, sieht  man  von  der  kurzen  Liste  der  Skulpturen  Zauners  ab,  das  erste  ist, 
das  der  Verfasser  selbst  angelegt  hat,  darf  hier  wohl  eingeschaltet  werden. 

Nicht  so  wichtig  wie  die  Auktionen,  aber  immerhin  von  Bedeutung  sind  beim 
Studium  der  Werke  Pettenkofens  die  Ausstellungen.  Häufig  sind  sie  ja  nichts  an- 
deres als  Privatsammlungen,  die  eine  Zeit  lang  der  Öffentlichkeit  zugänglich  ge- 
macht werden.  So  ließen  zu  wiederholten  Malen  die  Herren  Lobmeyr,  Franz  Xaver 
Mayer  der  ältere,  Franz  Xaver  Mayer  der  jüngere  und  Miller  v.  Aichholz  ihre 
Pettenkofenschätze  öffentlich  sehen,  und  auf  der  Deutschböhmischen  Ausstellung 
zu  Reichenberg  im  Jahre  1906  stand  zum  erstenmal  die  Liebiegsche  Sammlung 
der  allgemeinen  Besichtigung  offen.  Die  Pettenkofen-Ausstellung,  die  noch  in  des 
Künstlers  Todesjahr  im  Wiener  Künstlerhaus  veranstaltet  wurde,  lieferte  zwar  natur- 
gemäß kein  vollständiges,  aber  immerhin  ein  anschauliches  Bild  seines  Schaffens. 
Auch  die  Kataloge  dieser  Ausstellungen,  fast  durchwegs  freilich  für  Forschungs- 
zwecke recht  unpraktisch  angelegt,   sind  gleichwohl  nicht  zu  verachtende  Behelfe. 

Damit  ist  wohl  über  das  Quellenmaterial  alles  Nötige  gesagt.  Den  Denkmälern 
selbst  haften  Besonderheiten  an,  die  namentlich  der  Katalogisierung  nicht  unerheb- 
liche Schwierigkeiten  bereitet  haben.  Davon  ist  in  den  Vorbemerkungen  zum  Ver- 
zeichnis der  Werke  die  Rede.  Was  nun  die  Darstellung  anbelangt,  so  sei  hier  bloß 
auf  folgendes  etwas  näher  eingegangen.  Hie  und  da  mag  es  scheinen,  als  ob  das 
ausführlich  geschilderte  Milieu  in  allzu  losem  Zusammenhang  mit  dem  eigentlichen 
Thema,  Pettenkofens  Kunst  und  Leben,  stünde  und  als  ob  das  zeitgeschichtliche 
Beiwerk  gerade  dann  besonders  üppig  wucherte,  wenn  die  Haupthandlung  selbst 
nur  fadendünn  dahinrieselt.  Als  Entschuldigung  dafür  kann  bloß  vorgebracht 
werden,  daß  sich  die  Darstellung  zum  Ziele  gesetzt  hat,  den  Künstler  stets  innerhalb 
seiher  Zeit  zu  begreifen  und  daß  diese,  namentlich  in  Anbetracht  von  Pettenkofens 
Verschlossenheit  und  Zurückhaltung  manchmal  mehr  von  ihm  zu  sagen  weiß  als 


er  selbst.  Daß  der  der  Schilderung  der  Umwelt  eingeräumte  Platz  im  Verlauf  der 
Darstellung  immer  enger  wird,  erklärt  sich  nicht  nur  daraus,  daß  in  den  siebziger 
und  achtziger  Jahren  die  Quellen  zur  Biographie  reichlicher  fließen,  sondern  auch 
daraus,  daß  uns  Gegenwärtigen  die  ersten  Jahrzehnte  von  Pettenkofens  Leben  eben 
doch  beträchtlich  fremder  sind  als  die  letzten.  Daß  es  ferner  Rücksichten  äußerer 
Natur  waren,  die  dazu  gezwungen  haben,  gewisse  Mitteilungen  über  den  Menschen 
Pettenkofen,  der  nun  einmal  vom  Künstler  Pettenkofen  nicht  säuberlich  zu  trennen 
ist,  in  verschleierter  Form  vorzubringen,  sei  bloß  nebenher  erwähnt.  Schließlich 
erheischt  die  Zeit,  die  wir  durchleben  und  die  namentlich  unser  Verhältnis  zum 
Ausland  von  Grund  auf  umzuwandeln  droht,  im  Hinblick  auf  gewisse  fremden 
Ländern  geltende  Bemerkungen  des  vorliegenden  Buches  die  Feststellung,  daß  sein 
Text  bereits  im  Mai  1914  vollständig  ausgedruckt  war. 

In  den  „Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  vervielfältigende  Kunst"  (1873,  I.  Jg., 
Sp.  60)  heißt  es  anläßlich  einer  in  ihrem  „Album"  publizierten  Radierung  William 
Ungers  nach  Pettenkofens  Ölbild,  das  ein  auf  dem  Herd  sitzendes  Zigeunermädchen 
darstellt  und  heute  dem  Fürsten  Johannes  von  und  zu  Liechtenstein  gehört:  „Über  des 
Künstlers  Leben  und  Bildungsgang  schweigen  wir  auf  seinen  ausdrücklichen  Wunsch, 
,da  sich  über  seine  künstlerische  Laufbahn  nichts  sagen  ließe,  was  auch  nur  von 
einigem  Interesse  sein  könnte.'"  Ob  mit  diesen  bescheidenen  Worten  der  Künstler, 
ob  mit  seiner  umfangreichen  Darstellung  der  Autor  Recht  behält,  darüber  wird  die 
Zukunft  zu  entscheiden  haben. 

Eine  besondere  Sorgfalt  wurde  auf  die  den  Text  begleitenden  Abbildungen  ver- 
wendet. Für  ihre  Auswahl  waren  selbstverständlich  ebensowohl  äußere  wie  innere 
Gründe  maßgebend.  Die  abzubildenden  Werke  mußten  nicht  nur  verhältnismäßig 
leicht  zugänglich  sein,  sondern  mußten  sich  auch  möglichst  zur  Reproduktion  eignen. 
Die  Abbildungen  sind,  so  weit  es  anging,  in  chronologischer  Reihenfolge  ange- 
ordnet und  sie  bemühen  sich,  der  Vielseitigkeit  von  Pettenkofens  Schaffen  während 
aller  Perioden  gerecht  zu  werden.  Prinzipiell  ausgeschlossen  wurden  von  der  Re- 
produktion nur  solche  Arbeiten,  die  unter  einem  gewissen  künstlerischen  Mindest- 
maß bleiben.  Hiebei  wurde,  wie  gerne  einbekannt  sei,  vielleicht  sogar  einmal  das 
historische  Interesse  hinter  den  künstlerischen  Geschmack  zurückgestellt. 

Im  allgemeinen  können  die  Abbildungen  als  wohlgelungen  bezeichnet  werden. 
Von  den  Klischees  sind  einige  wenige  ein  bißchen  zu  schwer  und  dunkel  ausge- 
fallen, z.  B.  die  auf  S.  125  und  151.  Schuld  daran  ist  das  kreidefreie  Textpapier, 
das  nicht  nur  eine  besondere  Hefrichtung  der  Zinkstöcke  erfordert,  sondern  auch 
deren  Druck  schwieriger  als  sonst  gestaltet.  Die  geschilderten  kleinen  Mängel 
werden  aber  durch  die  Gediegenheit  des  Papiers  reichlich  aufgewogen.  Bei  den 
farbigen  Autotypien  war  von  den  im  Anfang  bis  zu  den  zuletzt  angefertigten  ein 
steter  Fortschritt  zu  beobachten.  Ein  Dreifarbendruck  wie  der  auf  Tafel  IL  darf, 
zieht  man  die  keineswegs  unerhebliche  Verkleinerung  des  Originals  in  Betracht, 
geradezu  als  tadellos  angesprochen  werden.  Auch  die  farbigen  Lichtdrucke  sind, 
so  vorzüglich  sie  im  allgemeinen  ausgefallen  sind,  nicht  alle  völlig  gleichwertig. 
Das  breite  Aquarell  auf  Tafel  XXXII  ist  z.  B.  durch  den  farbigen  Lichtdruck  weniger 
gut  wiedergegeben  als  das  zur  selben  Zeit,  am  selben  Ort  und  in  derselben  Manier 


XI 


gemalte  auf  Tafel  XXXI,  dem  die  farbige  Autotypie  entschieden  gerechter  wurde. 
Auf  Tafel  XXXV  herrscht,  vergleicht  man  sie  mit  dem  Original,  der  braune  Ton 
unangenehm  vor.  Dagegen  sind  wieder  die  Aquarellstudien  auf  den  Tafeln  I,  III 
und  XVII  durchaus  einwandfrei  wiedergekommen,  und  die  Reproduktion  des  Öl- 
gemäldes auf  Tafel  XL  ist  so  ausgezeichnet,  daß,  sieht  man  von  dem  besonders 
bei  der  farbigen  Wiedergabe  von  Ölbildern  störenden  weißen  Rand  und  vom 
mangelnden  Relief  der  Ölfarben  ab,  die  Nachbildung  mit  dem  gleich  großen  Ori- 
ginal ganz  leicht  verwechselt  werden  könnte.  Vortrefflich  sind  endlich  auch  die 
Heliogravüren,  denen  nur  gelegentlich  die  berühmten  Lüfte  Pettenkofens  (Tafel  X, 
XX  und  XLIV)  oder  eine  pastos  gemalte,  grell  von  der  Sonne  beschienene  weiß- 
getünchte Hauswand  (Tafel  XXI)  Hindernisse  in  den  Weg  gestellt  haben,  denen 
diese  Reproduktionstechnik  nicht  völlig  gewachsen  war.  Wie  gut  die  Heliogravüren 
des  Werkes  sind,  lehrt  wohl  am  augenfälligsten  ein  Vergleich  der  Tafeln  XXV 
und  XXXVII  mit  den  dieselben  Bilder  wiedergebenden  keineswegs  schlechten  Helio- 
gravüren in  dem  oben  zitierten  Werk:  Ein  Jahrhundert  österreichischer  Malerei, 
1800—1900.  Zu  den  Heliogravüren  auf  Tafel  XIII  und  XLII  ist  zu  bemerken,  daß 
sie  nach  fremden  Photographien  angefertigt  wurden;  der  Heliogravüre  nach  dem 
„Duell  in  der  Au"  liegt  eine  Photographie  zugrunde,  die  Herr  Charles  Sedelmeyer  in 
Paris  freundlichst  zur  Verfügung  gestellt  hat.  Die  photographischen  Aufnahmen  für 
die  Tafeln  XIV  und  XX  wurden  selbstverständlich  nach  den  Originalen  in  Reichen- 
berg hergestellt,  bei  der  Anfertigung  der  Heliogravüreplatten  aber  konnten  die  Urbilder 
nicht  zu  Rate  gezogen  werden.  Bis  auf  die  Reproduktion  auf  S.  55  wurden  sämtliche 
Klischees  nach  Arbeiten  Pettenkofens  auf  Grund  photographischer  Originalaufnahmen 
angefertigt,  der  genannten  Autotypie  diente  eine  alte  noch  aus  des  Künstlers  Nach- 
laß stammende  Photographie,  die  heute  den  Schwestern  Müller  gehört,  zur  Vorlage. 

Zu  Dank  ist  der  Autor  all  den  Personen  verpflichtet,  die  es  ihm  gütigst  gestattet 
haben,  die  in  ihrem  Besitz  befindlichen  Arbeiten  Pettenkofens  zum  Zweck  des  vor- 
liegenden Werkes  zu  studieren.  Unter  ihnen  stehen  in  erster  Reihe  diejenigen,  die 
überdies  ihre  Bilder  zur  Reproduktion  dargeliehen  haben.  Ihre  Namen  nennen  die 
Titel  der  Abbildungen  und  die  Verzeichnisse  der  Textillustrationen  und  Tafeln. 

Dank  schuldet  der  Autor,  vor  allem  für  Bildernachweise,  den  Freunden  und  Fach- 
genossen: Josef  K.  Beer  in  Budapest,  E.  W.  Braun  in  Troppau,  Artur  Burda  in 
Wien,  Friedrich  Dörnhöffer,  früher  in  Wien,  jetzt  in  München,  Campbell  Dodgson 
in  London,  Hermann  Egger,  früher  in  Wien,  jetzt  in  Graz,  Theodor  v.  Frimmel, 
Karl  Giehlow  (f),  Gustav  Glück,  Leo  Grünstein,  F.  M.  Haberditzl  in  Wien, 
M.  D.  Henkel  in  Amsterdam,  Hermann  Julius  Hermann,  Karl  M.  Kuzmany  (f), 
Camillo  List  in  Wien,  Simon  Melier  in  Budapest,  Gustav  Pazaurek,  früher  in 
Reichenberg,  jetzt  in  Stuttgart,  Arthur  E.  Popham  in  London,  Rudolf  Schrey, 
früher  in  Wien,  jetzt  in  Frankfurt  a.  M.,  Ernst  Schwedeler-Meyer  in  Reichenberg, 
Robert  Stiaßny  in  Wien,  Wilhelm  Suida,  früher  in  Wien,  jetzt  in  Graz,  Zoltan 
Takäcs  in  Budapest,  Hans  Tietze,  Alois  Trost  in  Wien  und  Wilhelm  R.  Valen- 
tiner in  New -York.  Unter  diesen  gebührt  besonderer  Dank  Herrn  Direktor  Meiler, 
der  die  Güte  hatte,  alle  in  Budapest  gemachten  photographischen  Aufnahmen  zu 
überwachen,  und  den  beiden  lieben  Freunden  Camillo  List  und  Alois  Trost;  jener 


XII 


half  dem  Autor  seine  reichhaltige  Sammlung  von  Auktionskatalogen  auf  Arbeiten 
Pettenkofens  hin  durchsehen,  dieser  unterstützte  ihn  bei  der  Durchsicht  der  Korrek- 
turen des  Textes  im  Hinblick  sowohl  auf  den  Inhalt  als  auch  auf  die  Form  mit 
seinen  wertvollen  Ratschlägen. 

Dank  hat  der  Autor,  zumeist  aus  demselben  Grunde  wie  den  Kollegen,  auch 
folgenden  Herren  Kunsthändlern  abzustatten:  Guido  Arnot,  August  und  Dominik 
Artaria,  Julius  Eymer  (in  der  Firma  L.  T.  Neumann),  Hugo  Haberfeld  (in  der  Firma 
H.  O.  Miethke),  Rudolf  Hirschler  in  Wien,  Josef  Schnell  in  Paris,  Friedrich  Schwarz, 
Ignaz  Schwarz  (in  der  Firma  Gilhofer  &  Ranschburg)  in  Wien,  Charles  Sedelmeyer 
in  Paris,  Rudolf  Töpfer  (in  der  Firma  G.  Pisko),  Alfred  Wawra  und  C.  J.  Wawra  (f ) 
in  Wien.  Unter  diesen  wieder  gebührt  den  beiden  Herren  Artaria  dafür  besonderer 
Dank,  daß  sie  auf  die  liebenswürdigste  Weise  dem  Autor  erlaubt  haben,  ihre  reich- 
haltige und  wohlgeordnete  Sammlung  von  Auktionskatalogen  durchzuarbeiten. 

Zu  besonderer  Genugtuung  gereicht  es  dem  Autor  auch,  daß  sich  so  viele 
Künstler  werktätig  für  seine  Arbeit  interessiert  haben  und  er  folgenden  Herren  für 
mannigfaltige  Unterstützung  danken  kann:  Josef  Berres  Edlem  v.  Perez  (f),  Alfred 
Coßmann  in  Wien,  Ludwig  Deäk-!^bner  in  Budapest,  Josef  Engelhart  in  Wien, 
Theodor  Ethofer  (f)  in  Salzburg,  Adolf  Fönyes  in  Budapest,  Cecil  van  Haanen  in 
Venedig,  Rudolf  Konopa,  Ludwig  Michalek,  Hans  Ranzoni  in  Wien,  Franz  Ruhen 
in  Venedig,  Robert  Ruß,  Ferdinand  Schmutzer  in  Wien,  Damian  Skutezky  in 
Beszterczebänya,  Toni  v.  Stadler  in  München,  Max  Suppantschitsch  in  Wien,  Franz 
Ujhazy  in  Budapest. 

Endlich  obliegt  dem  Autor  noch  die  traurige  Pflicht,  dankbar  aller  derjenigen 
zu  gedenken,  welche  an  seinem  Werk  Anteil  genommen  und  es  gefördert  haben 
und  nun  nicht  mehr  unter  den  Lebenden  weilen.  Die  große  Anzahl  dieser  noch 
vor  der  Vollendung  des  Buches  Dahingegangenen  flößt  dem  Autor  selbst  einen 
leichten  Schauder  ein.  Er  ersieht  daraus  am  deutlichsten,  wie  lange  seine  Arbeit 
gewährt,  ein  wie  großes  Stück  seines  Lebens  er  an  sie  gewendet  hat.  Wird  mit  der 
aufgewendeten  Zeit  und  Mühe  die  Leistung  im  Einklang  stehen? . . .  Die  Namen  dieser 
Toten  lauten:  Vinzenz  Graf  Baillet  de  Latour,  Josef  Berres  Edler  v.  Perez  in  Wien, 
Friedrich  Ehrmann  in  Straßburg,  Julius  Elischer  in  Budapest,  Theodor  Ethofer  in 
Salzburg,  Karl  Giehlow  in  Wien,  Josef  Freiherr  v.  Helfert  in  Klosterneuburg,  Karl 
M.  Kuzmany,  Frau  Leopoldine  Mayer,  geb.  Stuhlberger,  Amelie  Müller,  Luise  Müller, 
Elise  Pfahler,  Ferdinand  v.  Saar,  Robert  v.  Schneider  in  Wien,  Louise  Valade  in 
Bischweiler  im  Elsaß,  Heinrich  Vonwill  er,  C.  J.  Wawra  und  Franz  Wickhoff  in  Wien. 

Wien,  im  September  1915.  Arpad  Weixlgärtner. 


XIII 


ERSTES  KAPITEL 

WIEN  1822-1852 


er  Mann,  dessen  Leben  und  künstlerische  Wirksamkeit  im  fol- 
genden geschildert  werden  soll,  hat  im  Mai  des  Jahres  1822 
das  Licht  der  Welt  erblickt.  Im  Mai  des  vorhergehenden  Jahres 
stirbt  auf  St.  Helena,  nachdem  er  freilich  schon  sechs  Jahre 
nicht  mehr  gelebt  hat,  Napoleon.  1820  gärt  es  in  Spanien,  1821 
findet  in  Laibach  ein  von  der  heiligen  Allianz  einberufener 
Kongreß  statt,  auf  dem  darüber  beraten  wird,  wie  die  Auf- 
stände in  Neapel  und  Piemont  zu  unterdrücken  wären.  Auf  dem 
Laibacher  Kongreß,  dessen  Hauptperson  der  Gegenspieler  des 
Franzosenkaisers,  Metternich,  ist,  wird  der  Grundsatz  verkündet,  „daß  es  den 
Fürsten  allein  zustehe,  die  Geschicke  der  Völker  zu  leiten  und  die  zu  diesem 
Zweck  erforderlichen  Maßnahmen  zu  treffen  und  zu  ändern,  und  daß  die  Fürsten 
niemand  außer  Gott  verantwortlich  seien".  Während  aber  noch  der  Laibacher 
Kongreß  tagt,  bricht  der  Griechenaufstand  los.  In  Neapel  und  Piemont  jedoch 
gelingt  es  österreichischen  Truppen,  die  dort  einrücken,  das  unumschränkte  König- 
tum wieder  herzustellen,  und  Metternich  wird,  als  er  von  Laibach  nach  Wien 
zurückkehrt,  vom  Kaiser  Franz  zum  Haus-,  Hof-  und  Staatskanzler  ernannt,  eine 
Würde,  die  seit  dem  Ableben  Kaunitz'  nicht  mehr  besetzt  gewesen  war. 

So  gibt  es  Kriegsgetümmel  und  Volkserhebung,  die  beide  der  junge  Pettenkofen 
ausgiebig  miterleben  und  künstlerisch  verwerten  sollte,  wie  Zeichen  der  Zukunft 
schon  zur  Zeit,  da  seine  Mutter  mit  ihm  gesegnet  war,  und  die  Fäden,  die  Europas 
Geschicke  lenken,  laufen  in  jenen  Tagen  bedeutungsvoll  nach  der  Stadt,  wo  seine 
Wiege  steht. 

Das  höchste  Lob,  das  dem  Wien  um  das  Jahr  1822  zu  spenden  ist,  dürfte 
wohl  von  der  Kunst  in  Anspruch  genommen  werden,  die  damals  in  köstlicher 
Mannigfaltigkeit  und  bewunderungswürdiger  Fülle  innerhalb  seiner  Mauern  blühte. 
Der  Musik,  der  Lieblingskunst  der  Wiener  bis  auf  den  heutigen  Tag,  gebührt  da 
wie  billig  die  erste  Stelle.  Noch  lebte  Beethoven,  der  aber  die  Neunte  Sinfonie 
noch  nicht  geschrieben  hatte.  Schubert,  dem  gleichfalls  noch  in  den  Zwanziger- 
jahren des  Jahrhunderts  zu  sterben  bestimmt  war,  hatte  „Die  schöne  Müllerin" 
noch  nicht  komponiert.  1823  schließt  sich  neunzehnjährig  Johann  Strauß  dem 
Terzett  an,    das  Josef  Lanner   mit  den   beiden  Brüdern  Drahanek   gebildet  hatte. 


In  der  Oper  wogte  damals  mit  wechselndem  Erfolg  der  Kampf  zwischen  der 
deutschen  und  der  italienischen  Partei,  Rossini  und  Weber  waren  die  Feldrufe. 
Die  Höhe  des  Schauspiels  ist  durch  Schreyvogels  Wirksamkeit  am  Burgtheater 
bestimmt.  Die  Dichtkunst,  die  sich  im  vormärzlichen  Wien  so  mächtig  entfalten 
sollte,  weist  zu  Beginn  der  zwanziger  Jahre  noch  nicht  viel  mehr  als  Knospen  auf. 
Immerhin  hatte  Grillparzer  bereits  „Die  Ahnfrau"  und  „Sappho"  geschrieben,  und  im 
März  1821  war  sogar  schon  die  Trilogie  „Das  goldene  Vlies"  zum  erstenmal  auf- 
geführt worden.  Im  selben  Jahre  war  Bauernfeld  mit  seinem  ersten  Lustspiel  „Der 
Magnetiseur"  hervorgetreten.  Zwei  Jahre  nachher  dichtete  Raimund  sein  erstes 
Stück,  den  „Barometermacher  auf  der  Zauberinsel".  Nestroy  aber  tritt  in  Petten- 
kofens  Geburtsjahr  als  Sarastro  zum  erstenmal  im  Kärntnertortheater  auf,  und  Lenau, 
wie  Pettenkofen  ein  deutscher  Künstler,  der  großenteils  ungarischen  Vorwürfen 
seinen  Ruhm  verdankt,  übersiedelt  im  selben  Jahre  von  Preßburg  nach  Ungarisch- 
Altenburg,  um  das  Studium  der  Jura  mit  dem  der  Landwirtschaft  zu  vertauschen. 

In  der  bildenden  Kunst  aber  bedeutet  die  Zeit  um  Pettenkofens  Geburt  den 
Untergang  des  von  Nazarenertum  und  Romantik  und  von  der  realistischen  Historien- 
malerei verdrängten  Empire.  Dessen  Vertreter  in  der  Architektur,  Nobile,  stand 
zwar  damals  noch  im  rüstigen  Mannesalter,  und  1822  ward  gerade  an  seinem 
charakteristischesten  Wiener  Werke,  dem  äußeren  Burgtor,  gebaut.  Noch  im 
selben  Jahre  starb  aber  Wiens  hervorragendster  Empirebildhauer  Zauner,  und 
Füger,  der  als  Maler  die  höchste  Blüte  der  Wiener  Empirekunst  darstellt,  war 
bereits  1818  verschieden. 

Die  beste  Übersicht  über  das  Wiener  Kunstschaffen  zur  Zeit,  als  Pettenkofen 
geboren  wurde,  gibt  aber  vielleicht  die  außerordentliche  Ausstellung,  die  im  Jahre 
1822  in  der  „österreichisch-kaiserlichen  Akademie  der  vereinigten  bildenden  Künste 
bei  St.  Anna"  stattfand. 

Füger,  der  „weiland  Herr  Direktor",  wie  es  im  Katalog  heißt,  macht  noch  im 
Tode  seinen  Einfluß  geltend.  Es  sind  nämlich  seine  von  Seume  auf  seinem 
Spaziergang  nach  Syrakus  so  höchlich  bewunderten  Bilder  zu  Klopstocks  Messiade 
ausgestellt.  Fügers  Schule  ist  noch  durch  Karl  Peter  Göbel,  der  ein  Testament 
Jakobs,  eine  heilige  Maria,  aber  auch  Porträte  ausgestellt  hat,  und  durch  Anton 
Petter  vertreten,  der  sich  freilich  in  seinem  Bilde,  das  Maximilians  I.  Einzug  in 
Gent  darstellt,  auch  bereits  vom  klassischen  Altertum  entfernt.  Von  den  Naza- 
renern  waren  auf  der  Ausstellung  der  im  selben  Jahre  allzu  jung  verstorbene 
Scheffer  von  Leonhartshoff,  Kupel wieser  und  Kadlik  zu  sehen.  Scheffer  hatte  ein 
Brustbild  der  heiligen  Katharina,  eine  Maria  mit  dem  Kinde  und  eine  Litho- 
graphie nach  seiner  heiligen  Cäcilie,  Kadlik  das  Ölgemälde  „Ein  Engel  lehrt  ein 
Kind  beten"  und  Kupelwieser  mehrere  Bildnisse,  unter  denen  das  des  Schubert- 
Sängers  Vogl  hervorstach,  und  den  „Fischer"  nach  Goethe  ausgestellt.  Außer  in 
dem  letztgenannten  Bilde  kam  die  Romantik  in  Ludwig  Schnorr  von  Carolsfelds 
„Erlkönig",  einem  Vorwurf,  der  in  Wien  mehr  an  Schubert  als  an  Goethe  er- 
innert, und  in  Fendis  Bilde  „Eginhard  und  Emma"  zu  Worte.  Von  Fendi,  der  in 
gewissem  Sinne  der  Vater  des  Altwiener  Sittenbildes  genannt  werden  kann,  sind 
auf  der  Ausstellung   überdies   bloß  Landschaften  und  Kopien  nach  alten  Meistern 


Maler  Leopold  Brunner.   Ölbild.   1840. 


Wien,  Gottfried  und  Hermann  Eißler. 


ZU  sehen.  Eine  große  Rolle  spielt  die  realistische  Historienmalerei.  Ihr  sind  Karl 
Ruß'  viel  Raum  beanspruchende  und  damals  wenigstens  großes  Aufsehen  er- 
regende   „Darstellungen   aus   der   Geschichte    des    österreichischen   Kaiserhauses", 


die  eine  gleichzeitige  Kritik  eine 
„rechte  Hauskapelle  der  Natio- 
nalität" nennt,  und  Höchles 
„Einzug  LI.  K.  K.  Majestäten 
in  Rom  im  Jahre  1819"  zuzu- 
zählen. Die  Richtung  etlicher 
Landschaften  Reinholds  ist 
durch  den  Zusatz  „ideal"  im 
Katalog  hinlänglich  charakteri- 
siert. Naturalistischeres  Bestre- 
ben verraten  die  zahlreichen 
Landschaften  Vater  Steinfelds, 
des  malerischen  Erschließers 
der  österreichischen  Alpenwelt. 
Ritter  von  Duviviers  griechi- 
sche Landschaften  hatten  zu 
einer  Zeit,  da  bereits  der 
Griechenaufstand  ausgebrochen 
war,  sicherlich  aktuelles  Inter- 
esse. Auf  der  Ausstellung  war 
aber  auch,  freilich  ohne  vor- 
erst besonders  aufzufallen,  der 
größte  Landschafter  des  alten 
Wien,  wenn  nicht  überhaupt 
dessen  größter  Maler  vertreten: 
Waldmüller.  Er  war  nach  sieben  Jahren  fruchtlosen  Umherirrens  wieder  in  seine 
Vaterstadt  zurückgekehrt,  hatte  mit  der  ihm  eigenen  Energie  aufs  neue  von 
vorne  angefangen  und  stellte  nun  zum  erstenmal  in  Wien  aus,  und  zwar  eine 
Reihe  von  Bildnissen.  Das  Sittenbild,  dem  in  der  Wiener  Malerei  bald  die  führende 
Rolle  zufallen  sollte,  scheint  bloß  durch  zwei  Bilder  Jakob  Gauermanns  vertreten 
gewesen  zu  sein.  Für  die  Zeit  charakteristisch  ist  es,  daß  im  Katalog  der  Aus- 
stellung Miniatur-  und  Pastellgemälden  und  sogar  „gestickten  Zeichnungen"  ein 
eigener  Platz  eingeräumt  ist.  Unter  den  letzteren  darf  wohl  ein  von  der  Frau 
Gräfin  Rosa  B.  Kaunitz  angefertigtes  Porträt  Goethes  nach  Jagemann  besonders 
hervorgehoben  werden.  Den  damaligen  Umfang  Österreichs  veranschaulichen  Kunst- 
werke, die  aus  Venedig  und  Mailand  eingesandt  sind. 

Diesem  Überblick  über  die  österreichische  Malerei  um  das  Jahr  1822  sei  als  Er- 
gänzung hinzugefügt,  daß  auf  der  Ausstellung  bei  St.  Anna  in  Pettenkofens  Geburts- 
jahr Peter  Krafft  fehlt.  Der  anonyme  Berichterstatter  über  die  Ausstellung  in 
Hormayrs  Archiv  sagt  von  Kraffts  beiden  Bildern  des  in  den  Kampf  ziehenden 
und  heimkehrenden  Landwehrmannes,  daß  sie  eine  „für  Österreich  unvergeßliche 
Epoche"  herbeigeführt  hätten,  und  bedauert  lebhaft,  daß  die  im  Ausstellungsjahre 
von  Krafft  geschaffenen  Gemälde  „Rudolf  von  Habsburgs  Begegnung  mit  dem 
Priester  auf  der  Jagd"  und  „Manfred   und  der   Alpenjäger"  bei  St.  Anna  vermißt 


August  Semeleder.  Ölbild.   1840. 


Wien,  Friedrich  Semeleder. 


werden.  Schließlich  sei  nur 
noch  erwähnt,  daß  sich  im 
Jahre  1822  der  zweiundz wanzig- 
jährige  Führich  zwar  bereits 
selbst  gefunden  hatte,  aber  noch 
in  Prag  weilte,  und  daß  sich 
erst  im  Vorjahre  der  um  vier 
Jahre  jüngere  Schwind  ent- 
schlossen hatte,  seine  philoso- 
phischen Studien  aufzugeben 
und  Maler  zu  werden. 

Wurde  bisher  versucht,  in 
Kürze  die  geistige  Atmosphäre 
von  Pettenkofens  Vaterstadt 
zur  Zeit  seiner  Geburt  zu  schil- 
dern, so  seien  die  folgenden 
Zeilen  seinem  Vaterhaus  ge- 
widmet. 

Der  Name  Pettenkoffer  ist 
in  Wien  bereits  im  Jahre  1775 
nachzuweisen.  Da  wird  als  Be- 
sitzerin des  Hauses  in  der  Fär- 
bergasse, das  die  Nummer  333 
und  das  Schild  „Zum  roten 
Säbel"  führte,  Sebastian  Ehr- 
harts  Witwe,  verehelichte  Pettenkoffer,  genannt.  1783  gehört  dasselbe  Haus  einem 
Anton  Pettenkoffer,  1787  einer  Agnes  Pettenkoffer.')  Obwohl  des  Künstlers  Vater 
Anton  Pettenkoffer  in  Ungarn  geboren  war,")  so  darf  vielleicht  doch  aus  seinem 
Vornamen  Anton  geschlossen  werden,  daß  die  Eigentümer  des  Hauses  in  der 
Färbergasse  seine  Vorfahren  sind.  Von  Anton  Pettenkoffer  wissen  wir  nicht  viel. 
Er  wird  in  den  Urkunden  als  bürgerlicher  Handelsmann  und  Grundbesitzer  oder 
Großgrundbesitzer  bezeichnet.  Das  Merkwürdigste,  was  von  ihm  bekannt  ist,  sind 
wohl  die  musikalischen  Soireen,  die  in  den  Jahren  1819  bis  1821  bei  ihm  „unter 
den  Tuchlauben"  und  „am  Bauernmarkt"  stattgefunden  haben.  Das  Orchester 
dieser  „musikalischen  Abendunterhaltungen"  oder  „Akademien",  von  dem  es 
gelegentlich  heißt,  daß  es  „vollständig  besetzt"  war  oder  daß  es  „dreißig  bis 
vierzig  Künstler  zählte",  bestand  aus  Dilettanten,  die  neben  Werken  von  heute 
vollständig  vergessenen  Komponisten  auch  solche  von  Mozart,  Haydn  und  Schubert 
„mit  bewunderungswürdiger  Präzision  und  zur  allgemeinen  Zufriedenheit"  ihres 
„sehr  gewählten  Auditoriums"  zur  Aufführung  brachten.  Einmal  soll  sich  sogar 
der  Erzherzog  Karl  unter  den  Zuhörern  befunden  haben.  Diese  musikalischen 
Soireen  begannen  zum  Beispiel  im  Jahre  1820  am  19.  Oktober  und  fanden  von 
da  ab  jeden  zweiten  Donnerstag  statt.  Sie  sind  für  das  damalige  Wien,  das  ja 
förmlich   in  Musik  schwamm,    wo   auf  der  Gasse  wie  im  Salon  mit  gleicher  Lust 


Moriz  Kreb.  Ölbild.  1842. 


Wien,  Oberstleutnant  Ladislaus  von  Benesch. 


und  gleichem  Talent  musiziert  wurde,  ungemein  charakteristisch.  Auf  welche 
Weise  Pettenkofens  Vater  an  diesen  Aufführungen  eigentlich  beteiligt  war,  ob  er 
bloß  gegen  Entgelt  einen  Raum  zur  Verfügung  stellte  oder  ob  er  Musiker  und 
Zuhörer  zu  sich  lud,  geht  aus  der  Quelle,  dem  Tagebuch  Perths,  dieses  schreib- 
seligen Herrn  „Adabei"  (so  nennt  man  in  Wien  jemand,  der  überall  „auch  dabei" 
gewesen  sein  muß)  leider  nicht  deutlich  hervor.  Fast  ließe  die  respektvolle  Wen- 
dung „bey  Herrn  von  Pettenkoffer"  das  letztere  vermuten,  sicherlich  dürfen 
Musikliebhaberei  und  Gastfreundlichkeit  als  Eigenschaften  Anton  Pettenkoffers 
nicht  ausgeschlossen  werden.')  Nach  einer  freilich  wenig  verläßlichen  Quelle  soll 
Anton  Pettenkoffer,  nachdem  er  sein  Gut  in  Ungarn  verwirtschaftet  hatte,  zwei- 
mal einen  Haupttreffer  gemacht,  beide  Male  aber  das  gewonnene  Geld  wieder 
durchzubringen  gewußt  haben,  unter  anderem  auch  auf  einer  Reise  nach  Paris, 
auf  die  er  Frau  und  Kinder,  unter  diesen  auch  den  kleinen  August,  mitgenommen 
habe.O  Sicher  ist,  daß  nach  seinem  Tode  am  14.  Mai  1834  das  freilich  nicht 
allzu  beträchtliche  Vermögen,  das  die  Frau  in  die  Ehe  mitgebracht  hatte,  nicht 
mehr  vorhanden  war.  Die  Hinterlassenschaft  bestand  aus  dem  gänzlich  ver- 
wahrlosten und  verschuldeten  Gut  Reiteben  in  Kärnten,  das  bereits  1819  auf 
dem  Exekutionsweg  gerichtlich  geschätzt,  und  aus  einem  Mobiliarvermögen,  das 
schon  1826  von  der  Frau  mit  gerichtlicher  Pfändung  belegt  worden  war.  Das 
landtäfliche  Gut  Groß-Reiteben  lag  im  Lavanttal,  gehörte  zum  Klagenfurter  Kreise, 
umfaßte  über  114  Joch,  war  mit  der  Schankgerechtigkeit  ausgestattet  und  hatte 
ein  Hauptgebäude,  das  „Schloß"  genannt  wurde.  1819  hatte  Anton  Pettenkoffer 
Reiteben  in  öffentlicher  Feilbietung  erstanden,  1835,  ein  Jahr  nach  seinem  Tode, 
mußte  es  abermals  auf  gerichtlichem  Wege  verlizitiert  werden  und  aus  der  Summe, 
die  es  da  eintrug,  konnte  nicht  einmal  der  vierte  Tabulargläubiger  —  es  war  der 
Wiener  Kaufmann  Franz  Xaver  Mayer,  nachmals  einer  der  engsten  Freunde  des 
Malers  —  befriedigt  werden.  In  dem  von  der  Witwe  und  dem  Vormund  der 
Kinder,  Magistratsrat  Josef  Nespern,  eingereichten  Gesuch  um  Genehmigung  der 
Einleitung  der  öffentlichen  Feilbietung  ist  angegeben,  daß  die  Familie  des  Ver- 
storbenen schon  mehrere  Jahre  hindurch  bloß  durch  die  Güte  des  Vaters  der  Frau, 
des  Hofrates  Ferdinand  Edeln  von  Nespern,  erhalten  wird:  bei  ihm  wohne  sie  un- 
entgeltlich und  von  ihm  empfange  sie  Kost,  Kleidung  und  alles  andere  zum  Leben 
Notwendige.  Anton  Pettenkoffer  starb  erst  sechsund vierzig  Jahre  alt  und  zwar,  wie 
die  amtliche  Eintragung  lautet,  an  Luftröhren-  und  Lungenschwindsucht.  Ein 
Porträt  von  ihm,  aber  nicht  von  des  Sohnes  Hand  gemalt,  befindet  sich  noch  in 
Wiener  Privatbesitz.^) 

Ist  das  alles,  was  über  den  Vater  bekannt  ist,  so  weiß  man  noch  viel  weniger 
über  die  Mutter.  Freilich  über  ihre  Familie  sind  wir  besser  unterrichtet.  Ihr  Vater 
ist  der  1787  von  Josef  II.  geadelte  Hofrat  Ferdinand  Edler  von  Nespern,  der  Vor- 
stand der  Erbsteuer-Hofkommission  war.  Ihre  Geschwister  sind  Ferdinand  Edler 
von  Nespern,  1835  k.  k.  Hofkonzipist,  1840  k.  k.  Feldkriegssekretär  beim  k.  k. 
Hofkriegsrat,  gestorben  1841;  Karoline  von  Saar,  die  Mutter  des  Dichters  Ferdi- 
nand von  Saar,  die  1840  als  Privatierswitwe  bezeichnet  wird,  und  Barbara  Mayer, 
die  1840  bereits  verstorben  war.  Die  Vormundschaft  über  die  Kinder  Anton  Petten- 


Des  Künstlers  Mutter  (?).  Ölbild.   1843. 


Wien,  Gottfried  und  Hermann  Eißler. 


koffers  führten  der  Magistratsrat  Josef  Nespern,  wohl  ein  Onkel  der  Frau  väter- 
licherseits, und  deren  Bruder  Ferdinand  von  Nespern,  der  Beamte  beim  Hofkriegs- 
rat.   Des  Künstlers  Mutter  hieß  offiziell  Anna  Maria,   unterschrieb  sich  aber  Nina. 


Sie  hatte  1815  geheiratet  und  gebar  ihrem  Manne  sechs  Kinder,  von  denen  ihn 
aber  nur  drei  überlebten:  eine  Tochter  Henriette  (Antonia)  und  zwei  Söhne, 
Ferdinand  und  August.  Die  Tochter  starb  bereits  1837,")  nur  den  beiden  Söhnen 
war  eine  längere  Lebensdauer  beschieden.  Drei  Mädchen,  Karoline,  Franziska  und 
eine  zweite  Karoline,  waren  bereits  1822,  1828  und  1831  in  kindlichem  Alter  ver- 
storben. ') 

Von  den  sechs  Kindern  ist  August  Xaver  Karl,  der  Maler,  das  vierte.  Sein 
Bruder  Ferdinand  ist  um  zwei  Jahre  älter.  August  ist  am  10.  Mai  1822  geboren. 
Sein  Taufpate  war  sein  Großvater,  der  Hofrat  Ferdinand  Edler  von  Nespern.*") 

1822  wohnten  Pettenkofens  Eltern  im  Hause  Nr.  581  auf  dem  Bauernmarkt, 
1828  im  Hause  Nr.  780  in  der  Wollzeile,  1831  im  Hause  Nr.  370  auf  der  Land- 
straße, im  Todesjahr  des  Vaters  1834  im  Hause  Nr.  646  auf  dem  Haarmarkt. 
Es  stand  querüber  zwischen  der  Rotenturmstraße  und  der  Rabengasse  und  hieß 
im  Volksmund  „Zur  großen  Gans".  Das  dritte  Stockwerk  dieses  Hauses  umfaßte 
die  Wohnung  des  Hofrates  von  Nespern,  der  nach  dem  Tode  ihrer  Männer  seinen 
beiden  Töchtern  Anna  Pettenkoffer  und  Karoline  von  Saar  samt  deren  Kindern 
bei  sich  Unterkunft  gewährte.  So  wuchsen  der  Maler  August  Pettenkofen  und  der 
Dichter  Ferdinand  von  Saar  als  Knaben  nebeneinander  auf,  doch  fand  wegen  des 
gerade  in  der  Kinderzeit  beträchtlichen  Altersunterschiedes  von  elf  Jahren  —  um 
so  viel  war  August  älter  als  Ferdinand  —  kein  inniger  Verkehr  zwischen  ihnen 
statt.  Nach  dem  Tode  des  Großvaters,  der  1840  zweiundneunzigj ährig  starb,  trennten 
sich  vollends  die  Lebenswege  der  beiden  Vettern.") 

August  muß  frühzeitig  zeichnerisches  Talent  verraten  haben,  da  er  bereits  am 
8.  November  1834,  also  noch  im  selben  Jahre,  in  dem  sein  Vater  verscheidet,  und 
erst  zwölf  Jahre  alt,  in  den  Schülerlisten  der  Akademie  zu  St.  Anna  auftaucht. 
1837  fängt  er  bei  Professor  Kupelwieser  nach  den  Antiken  zu  zeichnen  an  und 
erhält  da  im  Winter-  und  Sommerkurs  des  Jahres  1838  und  ebenso  im  Winter- 
kurs des  Jahres  1840  die  Klassifikation  Eins.  1839  besuchte  er  die  „Schule  der 
Historienmalerei".  In  der  Schülerliste  des  Schuljahres  1849 — 50  erscheint  er  aber- 
mals. Hier  ist  in  der  Rubrik  „Eintritt"  irrtümlich  das  Jahr  1842  vermerkt.  Gemeint 
ist  wohl  das  Jahr  1843,  in  dessen  Herbst  Pettenkofen  den  Besuch  der  Akademie 
wieder  aufgenommen  haben  kann.  Vom  Sommer  1841  an  bis  zum  Sommer  1843 
aber  war  er  in  Italien  beim  Militär.  Im  betreffenden  Protokoll  heißt  es  ferner,  daß 
er  von  seinem  Erwerb  lebe  und  im  Hause  Nr.  27  auf  der  Laimgrube  in  Maria- 
hilf wohne.'*') 

Was  Pettenkofen  von  der  Akademie  auf  seine  Künstlerlaufbahn  mitbekommen 
hat,  das  ist  von  ihm  selbst  in  späten  Jahren  sehr  gering  veranschlagt  worden. 
„Der  akademische  Unterricht  ist  der  Ruin  der  Kunst",  hat  er  einmal  Dr.  August 
Fournier  in  Paris  als  ersten  und  letzten  Satz  einer  Theorie  der  Kunstlehre  zu 
diktieren  begonnen.  Den  W^erkstattunterricht  des  Meisters  zog  er  der  akademi- 
schen Lehrmethode  weit  vor.^')  Jedenfalls  war  zur  Zeit,  als  er  die  Akademie  be- 
suchte, außer  Danhauser,  der  1838  bis  1844  Korrektor  war,  unter  deren  Lehrern 
niemand,  der  auf  ihn  einen  gleichzeitig  oder  nachmals  in  seinen  Werken  irgend- 
wie  spürbaren  Einfluß   ausgeübt   hätte,    und  jedenfalls   hielten   seine   Mutter   und 


sein  Großvater  oder  sein  Vormund  das,  was  er  an  der  Akademie  zu  lernen  ver- 
mochte, für  zu  wenig,  denn  man  schickte  ihn  bald  zu  Privatlehrern.  Der  erste 
dieser  außerakademischen  Lehrer  Pettenkofens  soll  ein  Italiener  in  der  Leopold- 
stadt gewesen  sein/')  Mit  diesem,  von  dem  sonst  gar  nichts  bekannt  ist,  wird 
das  weiter  unten  zu  besprechende  Marienbild  in  Zusammenhang  gebracht. 

Dann  lernte  er  bei  Franz  Eybl.  Dessen  Unterricht  und  Vorbild  haben  in  seinem 
künstlerischen  Werdegang   deutliche    Spuren   hinterlassen.     Eybl,   der   vorzügliche 


Maler  Eduard  Kaiser.  Lithographie.   1844. 


Wien,  K.  k.  Hofbibliothek. 


Lithograph,  der  schon  Mitte  der  zwanziger  Jahre  für  die  lithographische  Anstalt 
Mansfeld  &  Co.  gearbeitet  hat,  war  es,  bei  dem  Pettenkofen  auf  den  Stein  zeichnen 
lernte,  eine  künstlerische  Betätigung,  die  im  Mittelpunkt  seiner  ersten  Entwick- 
lungsphase steht.  Viele  seiner  frühesten  Genrebilder  lehnen  sich  unverkennbar  an 
Eybls  Art  an,  und  besonders  seine  Porträte  —  er  hat  solche  beinahe  nur  während 
seiner  ersten  Wiener  Periode  gemalt  —  verraten  Eyblsche  Beeinflussung.  Ein 
anderes  Moment  aber  wiegt,  faßt  man  die  Beziehungen  Pettenkofens  zu  Eybl  ins 
Auge,  vielleicht  noch  schwerer:  von  Eybl,  der  zwar  erst  1853  Kustos  an  der 
Gemäldegalerie  des  Belvederes  wurde,  sicherlich  aber  schon  viel  früher  mit  ihr  in 
Verbindung  stand,    wird  Pettenkofen   die  ehrfurchtsvolle  Liebe  zu    den  alten  Mei- 


Stern  überkommen  haben. 
Hat  sie  ihm  Eybl  vielleicht 
auch  nicht  eingepflanzt, 
so  wird  er,  an  der  schö- 
nen reichen  kaiserlichen 
Sammlung  tätig,  doch  dem 
Schüler  Gelegenheit  ge- 
boten haben,  jener  Vereh- 
rung im  jungen  Herzen 
Raum  zu  geben.  Schließ- 
lich dürfte  ihn  auch  Eybl, 
der  ein  geschickter  und 
gesuchter  Bilderrestaura- 
tor war,  in  die  Restaurier- 
technik eingeführt  haben, 
eine  Kenntnis,  die  er  spä- 
ter zu  verwerten  Gelegen- 
heit haben  sollte.") 

Hat  sich  Pettenkofen  als 
reifer  Meister  bitter  dar- 
über beklagt,  daß  man  ihm 
einen  Eybl  als  Lehrer  ge- 
geben habe,")  so  ist  das 
nicht  anders  zu  verstehen, 
als  daß  er,  durch  die  Schule 
der  großen  Franzosen  ge- 
gangen, die  sauber  und 
sorgsam  ausführende  Art 
der  alten  Wiener  überhaupt  verwarf  und  als  deren  für  ihn  verhängnisvollsten  Ver- 
treter Eybl  mit.  Er  ließ  ja  später  nicht  einmal  Waldmüller  gelten,  als  einen,  der 
die  Hand  nicht  rechtzeitig  vom  Bild  zu  nehmen  wüßte.'"')  Der  strengste  Kritiker  seiner 
selbst,  hat  er  auch  anderer  nicht  geschont  und,  sich  selber  stetig  weiterbildend, 
stand  er  nicht  an,  eigene  Arbeiten  einer  überwundenen  Epoche  unbarmherzig 
herabzusetzen,  gegebenenfalls  auch  einfach  zu  verleugnen.  — 

Das  Jahr  1851  bedeutet  für  Pettenkofens  künstlerischen  Entwicklungsgang  einen 
starken  Einschnitt.  Was  er  bis  dahin  geschaffen  hat,  findet  in  der  Lithographie 
seinen  besten  und  vollständigsten  Ausdruck.  Der  Erörterung  seiner  übrigen  Arbeiten 
jener  Epoche  wird  daher  die  seines  lithographischen  Oeuvres,  das  übrigens  mit 
dem  Jahre  1851  als  endgültig  abgeschlossen  erscheint,  voranzugehen  haben.  Vor- 
her aber  muß  ein  flüchtiger  Blick  auf  den  Stand  der  Lithographie  zur  Zeit,  da 
Pettenkofen  auf  den  Stein  zu  zeichnen  begann,  d.  i.  am  Ende  der  dreißiger  Jahre, 
geworfen  werden. 

Die  Schwierigkeiten  des  Anfanges  (man  erinnere  sich  bloß  der  jahrelangen, 
fruchtlosen    Bemühungen    Senefelders,    die   Lithographie    in   Wien    einzubürgern) 


Marie  Leigeb.  Ölbild.    1845. 


Wien,  Familie  R.  von  Decastello. 


10 


waren  längst  überwunden. 
Von  namhaften  Künstlern 
wurde  die  Lithographie 
gepflegt,  beim  Publikum 
war  sie  beliebt,  es  gab 
rührige,  unternehmungs- 
lustige lithographische  Ver- 
leger und  geschulte  litho- 
graphische Drucker.  Krie- 
hubers  reiches  Schaffen  be- 
deutet die  Blütezeit  des 
Wiener  lithographierten 
Porträts,  die  lithographier- 
te Landschaft  hatten  vor- 
nehmlich Steinfeld  und  Ja- 
kob Alt  gefördert,  nur  in 
der  lithographierten  Histo- 
rie stand  damals  Wien, 
wo  Johann  Nepomuk  Gei- 
ger noch  nicht  hervorge- 
treten war,  hinter  Prag, 
wo  schon  in  den  zwanziger 
Jahren  Führich  seine  Bei- 
träge zur  „Geschichte  Böh- 
mens in  Bildern"  geliefert 
hatte,  noch  zurück. 

Die  älteste  von  Petten- 
kofen  bekannte  Lithogra- 
phie ist  das  vom  Jahre 
1837  datierte  große  Blatt  in  der  Albertina:  der  Kopf  eines  dornengekrönten  Christus  in 
der  Art  Guido  Renis.  Es  ist  für  einen  fünfzehnjährigen  Jungen  immerhin  eine  ganz 
anerkennenswerte  Leistung.  Das  Blatt  mit  den  russischen  Reitern,  das  eine  Blei- 
stiftnotiz als  lithographischen  Versuch  Pettenkofens  unter  der  Leitung  Eybls  be- 
zeichnet, ist  nur  durch  diese  Notiz  beglaubigt,  die  vermutlich  von  Emmerich 
Kann  herrührt  und  daher  nicht  allzu  ernst  genommen  zu  werden  braucht.  Russische 
Soldaten  haben  in  Wien  erst  1849  interessiert,  die  schwache  Arbeit  scheint  eher 
der  Versuch  eines  Dilettanten  aus  dieser  Zeit  zu  sein  als  eine  Anfängerarbeit 
Pettenkofens,  als  die  es  dann  natürlich  um  ungefähr  ein  Dutzend  Jahre  früher  an- 
zusetzen wäre.  Die  beiden  gleichfalls  recht  nichtssagenden  Blätter  mit  dem  erfolg- 
reich und  erfolglos  einschreitenden  Schutzengel  nach  ganz  schlechten  Originalen 
des  mit  Scheffer  von  Leonhartshoff  befreundeten  Adam  Brenner  haben  als  Werke 
Pettenkofens  wenigstens  das  Monogramm  A.  P.  für  sich.  Diese  beiden  Litho- 
graphien, der  Christuskopf  in  der  Albertina  und  ein  schon  erwähntes  und  noch 
näher   zu   behandelndes    Ölbild,    das   Bruststück   einer   heiligen   Maria,   wären   die 


Prokurist  Strommer.  Ölbild.  1845. 


Wien,  Franz  Xaver  Mayer. 


11 


einzigen  religiösen  Vorwürfe,  die  sich  im  gesamten  Oeuvre  Pettenkofens  finden, 
der  einzige  Zoll,    den  er,    wenn  man  so  will,    dem  Nazarenertum  entrichtet  hätte. 

Bald  nach  den  beiden  Blättern,  die  vom  Schutzengel  erzählen,  jedenfalls  noch 
vor  1840,  einem  Jahre,  von  dem  bereits  etliche  künstlerisch  schon  recht  hoch- 
stehende Arbeiten  Pettenkofens  mit  Sicherheit  datiert  werden  können,  dürften  die 
bei  Trentsensky  erschienenen  Mandlbogen,  die  den  Gesamttitel  „Der  Krieg  in 
plastischer  Darstellung"  führen,  entstanden  sein.  Obgleich  sich  auf  diesen  72  Bogen 
nicht  nur  einzelne  Figuren,  sondern  auch  ganze  Figurengruppen  wiederholen  und 
die  Arbeit  daher  kleiner  ist,  als  die  Zahl  der  Blätter  annehmen  läßt,  so  ist  sie 
doch  noch  immer  umfangreich  genug.  Pettenkofens  Autorschaft  ist  sowohl  durch 
eine  Notiz  auf  dem  einzigen  dem  Verfasser  bekanntgewordenen  Exemplar  der 
Serie  in  der  Wiener  Hofbibliothek  als  auch  durch  den  Stil  verbürgt,  der  z.  B. 
manche  Verwandtschaft  mit  des  Künstlers  Illustrationen  zu  Dullers  „Erzherzog 
Carl"  zeigt,  die  freilich  ungefähr  um  fünf  Jahre  jünger  und  demgemäß  viel  reifer 
und  freier  sind.  Immerhin  sind  aber  auch  schon  die  Mandlbogen  gar  nicht  üble 
mit  der  Feder  auf  den  Stein  gezeichnete  Lithographien,  die  jedenfalls  als  Arbeit 
eines  noch  nicht  Achtzehnjährigen  alle  Achtung  verdienen.  Dadurch,  daß  sie  Petten- 
kofen,  der  bald  nachher  zum  Militär  ging,  zum  erstenmal  als  den  Schilderer  des 
Soldatenlebens  zeigen,  als  der  er  in  seiner  vormärzlichen  Periode  vorwiegend  er- 
scheint, kommt  ihnen  noch  eine  besondere  Bedeutung  zu. 

Matthias  Trentsensky  war  im  alten  Wien  ungefähr  das,  was  Martin  Gerlach  im 
heutigen  ist.  Wie  dieser  zuerst  für  seine  „Allegorien  und  Embleme"  und  später 
für  seine  „Jugendbücherei"  alles  zu  gewinnen  wußte,  was  es  in  Österreich  an 
illustratorischen  Talenten  gibt  und  gegeben  hat,  so  verstand  es  auch  Trentsensky, 
für  seine  Mandlbogen  viele  junge  Künstler  heranzuziehen,  die  sich  nachmals  einen 
Namen  gemacht  haben.  Es  seien  außer  Pettenkofen  nur  noch  Schwind,  Ranftl, 
Zampis  und  Loder  genannt. 

Der  Mangel  an  datierten  und  datierbaren  Lithographien  der  nächsten  Zeit  er- 
klärt sich  daraus,  daß  Pettenkofen  1841  bis  1843  beim  Militär  war.  Daß  Petten- 
kofen überhaupt  unter  die  Soldaten  ging,  ist  bei  einem  gesunden  jungen  Men- 
schen, der  überdies  durch  seine  Verwandten  mütterlicherseits  Beziehungen  zum 
Waffenhandwerk  hatte  und  der  sich  auch  aus  den  kleinen  drückenden  Verhält- 
nissen seines  Daheim  hinaussehnen  mochte,  nur  allzu  verständlich.  Pettenkofen 
wurde  am  16.  Juni  „als  unobligater  Regimentskadett  und  gegen  Nachsicht  des 
Erlages  des  Monturgeldes"  zum  Dragonerregiment  König  Ludwig  von  Bayern 
Nr.  2  assentiert.'")  Dieses  Regiment,  das  jetzige  Husarenregiment  Erzherzog 
Franz  Salvator  Nr.  15,  war  in  den  Jahren  1841  bis  1843  mit  zwei  Eskadronen 
in  Padua,  zweien  in  Vicenza,  einer  in  Treviso  und  einer  in  Verona  disloziert. 
Vom  Jahre  1844  an  stand  es  mit  fünf  Eskadronen  in  Mailand  und  einer  in  Pavia, 
der  Stab  befand  sich  1841  bis  1843  in  Padua,  von  1844  an  in  Mailand.  Petten- 
kofen diente  vom  Juni  1841  bis  zum  März  1843  bei  der  vom  Oberstleutnant 
geführten  zweiten  Eskadron  in  Padua.  In  den  Sommern  der  Jahr6  1841  und  1842 
manövrierte  seine  Eskadron  in  Pordenone  und  in  Sacile  und  in  den  Umge- 
bungen   („Konkurrenzen",    wie    der    militärische    Ausdruck    lautet)    dieser    beiden 


12 


¥ 


Orte.  Zu  Beginn  des  Jahres  1843  lag  er,  an  Skrofeln  erkrankt,  zwei  Monate  im 
Paduaner  Militär spital.  Am  25.  März  dieses  Jahres  erhielt  er,  noch  immer  mit  der 
Charge  eines  Regimentskadetten,  als  „Real-Invalide"  seinen  Abschied.")  Das  mag 
dem  jungen  Menschen  nah  genug  gegangen  sein.  Jedenfalls  aber  hat  er  schon  beim 
Militär  und  im  Alter  von   neunzehn  bis  einundzwanzig  Jahren  jenen  Teil  Italiens 


Kinder,  mit  einer  Maus  spielend.    Aquarell.    1845. 


Wien,  Kunsthistorisches  Hofmuseum. 


kennen  gelernt,  der  später  den  reifen  Mann  immer  wieder  anziehen  sollte :  Venedig 
und  die  terra  ferma.  Sicher  wird  er  in  den  dienstfreien  Stunden  auch  ein  wenig 
gezeichnet,  skizziert  haben,  wenngleich  sich  bis  auf  ein  in  Öl  gemaltes  Bildnis, 
von  dem  weiter  unten  noch  gesprochen  werden  soll,  nichts  aus  jener  Zeit  er- 
halten zu  haben  scheint.  Und  ebenso  sicher  wird  er  an  den  Kunstschätzen  der 
Vergangenheit  nicht  stumpfen  Auges  vorübergegangen  sein.  Den  stärkeren  und 
rascher  in  die  Erscheinung  tretenden  Eindruck   machte    aber  jedenfalls  die  leben- 


13 


dige  Gegenwart,  seine  buntbewegte  soldatische  Umgebung  auf  ihn.  Sie  scheint 
ihn  erst  so  recht  zum  Maler  gemacht  oder  doch  auf  ein  Gebiet  hingeführt  zu 
haben,  auf  dem  ihm  als  Künstler  die  ersten  Lorbeeren  wachsen  sollten. 

Das  erste  Werk  aber,  das  er  schuf,  nachdem  er  die  militärische  Laufbahn  auf- 
gegeben, und  in  die  Heimat  wieder  zurückgekehrt  war,  ist  gegenständlich  wenig- 
stens gerade  ein  Widerspiel  zum  Kriegertum.  Es  ist  die  „Heilige  Wegzehrung", 
eine  künstlerisch  nicht  allzu  hervorragende  Lithographie.  Sie  ist  darum  fast  mit 
Bestimmtheit  in  das  Jahr  1843  anzusetzen,  weil  sämtliche  drei  übrigen  Blätter  der 
Lieferung  des  Albums,  der  sie  beigegeben  ist,  die  Jahreszahl  1843  tragen. 

Da  sie  in  zwei  Fassungen  existiert,  hat  sie  unberechtigterweise  Anlaß  zu  einer 
jener  Sammler-  und  Kunsthändlergeschichten  gegeben,  die  von  der  bösen  Zensur 
handeln.  Das  Blatt  interessiert  durch  seine  Mischtechnik:  Kreide,  Feder  und  Ton 
mit  ausgespartem  Weiß.  Noch  mehr  aber  durch  die  Gesellschaft,  in  der  es  sich 
in  dem  von  H.  F.  Müller  verlegten  und  von  Johann  Rauh  gedruckten  „Album  der 
Künstler  Wiens  in  eigenhändigen  Zeichnungen"  befindet.  Es  enthält  Beiträge  nicht 
nur  von  fast  allen  Wiener  Lithographen  jener  Tage,  sondern  auch  von  ein  paar 
Künstlern,  die  sonst  nicht  die  lithographische  Kreide  zu  handhaben  pflegten.  Frei- 
lich zeichnen  sich  die  meisten  Mitarbeiter,  darunter  selbst  die  klangreichsten  Namen 
noch  recht  wenig  aus.  Schuld  daran  mag  vor  allem  die  ungewohnte,  unerprobte 
Technik  sein.  Unter  den  bekannten  Künstlern  finden  sich  Karl  Agricola,  Friedrich 
Wilhelm  L'AUemand,  Leander  Ruß,  Eduard  Ritter,  Ludwig  Schnorr,  Siegmund 
Perger,  W^ilhelm  Rieder,  Eduard  Ender,  L.  Brunner,  Karl  Göbel,  Johann  Ranftl, 
Rudolf  Alt,  Ferdinand  Waldmüller,  Friedrich  Gauermann,  Josef  Höger,  Albert 
Decker,  Josef  Heicke  und  Franz  Eybl,  zu  dessen  Namen  bemerkt  sei,  daß  er 
hier  zum  erstenmal  in  Verbindung  mit  dem  Pettenkofens  vorkommt. 

Entwicklungsgeschichtlich  wichtiger  und  als  Lithographien  bereits  vorzügliche 
Leistungen  sind  die  vier  Blätter  nach  Karl  Schindler,  drei  nach  Gemälden:  „Die 
Zeitungsnachricht",  „Der  Marsch"  und  „Der  Rekrut";  eines,  ein  Tableau,  anschei- 
nend nach  Pinsel-  und  Federzeichnungen:  „K.  k.  österreichische  Armee,  Nr.  2".") 
Da  das  eine  von  den  beiden  dem  Autor  zu  Gesicht  gekommenen  Originalgemälden 
Schindlers,  „Der  Marsch",  1840,  das  andere,  „Der  Rekrut",  1841  datiert  ist  und 
die  vierte  Lithographie  1845  das  „Excudatur"  erhalten  hat,  so  werden  alle  vier 
Blätter  zwischen  1843,  dem  Jahre,  in  dem  Pettenkofen  vom  Militär  zurückkehrte, 
und  1845  anzusetzen  sein,  infolge  der  künstlerischen  Höhe,  die  besonders  die 
Lithographien  nach  dem  „Marsch"  und  nach  dem  „Rekruten"  bereits  einnehmen, 
eher  näher  1845  als  1843.  Das  würde  bereits  nach  dem  Tode  Karl  Schindlers 
sein.  Ob  dann  die  vier  reproduzierenden  Lithographien  —  wir  werden  noch  ein 
paar  solche  unter  den  Frühwerken  Pettenkofens  kennen  lernen  —  als  Akte  der 
Pietät  gegen  einen  frühverstorbenen  Freund  oder  einfach  als  Brotarbeiten,  Kunst- 
händlerbestellungen aufzufassen  wären,  muß  dahingestellt  bleiben. 

Karl  Schindler,  das  Meteor  der  Altwiener  Genremalerei,  ist,  erst  zwanzig  Jahre  alt, 
bereits  1842  gestorben,  ^")  nachdem  er  zahlreiche  Aquarelle,  Ölbilder  und  Zeichnungen 
und  darunter  W^erke  von  ganz  außerordentlichen  künstlerischen  Eigenschaften  ge- 
schaffen  und   auf  seine   Zeitgenossen   einen   ungemeinen   Einfluß   ausgeübt   hatte. 


14 


Die  Bedenklichkeit.  Lithographie.   1845. 


Wien,  K.  k.  Hofbibliothek. 


15 


Sein  Vorbild  ist  zweifellos  Peter  Fendi  gewesen,  der  zwar  mit  ihm  im  selben  Jahre 
der  Welt  Ade  sagen  mußte,  dem  aber  der  Lebensfaden  doch  um  sechsundzwanzig 
Jahre  länger  gesponnen  war. 

Johann  Peter  Krafft  hatte  schon  1813,  also  im  Jahre  der  Völkerschlacht  bei 
Leipzig,  lebensgroß  und  klassizistisch  genug  den  „Abschied"  und  sieben  Jahre 
später  die  „Heimkehr  des  Landwehrmannes"  gemalt  und  so  den  Beweis  erbracht, 
daß  die  großen  Kriegsereignisse  der  Gegenwart  nicht  bloß  in  den  Taten  der  Fürsten 
und  Feldherren,  in  Schlachten  und  Friedensschlüssen,  sondern  auch  in  den  Erleb- 
nissen des  die  Waffen  tragenden  Bürgersmannes  malerischer  Darstellung  wert 
seien.  Fendi  aber  und  vor  allem  der  Jüngling  Karl  Schindler  hatten,  Vertreter  einer 


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Die  Österreicher  rücken  in  Teiningen  ein.  Lithographie  aus  Dullers  „Erzherzog  Carl".  (S.  300.)  1845. 

jüngeren  Epoche,  im  kleinen  Format  das  Genremäßige,  das  Anekdotische  des 
Soldatenlebens  zu  schildern  begonnen  und  damit  die  jungen  Maler  auf  ein  Gebiet 
gewiesen,  das  ebenso  ergiebig  wie  beim  Publikum  beliebt  war,  konnte  man  sich 
doch  in  der  kurzen  Friedenszeit  zwischen  dem  Wiener  Kongreß  und  der  Erhebung 
Italiens  und  Ungarns  mit  Behagen  der  unblutigen  und  heiteren  Seite  des  Kriegs- 
spieles erfreuen. 

Aber  nicht  nur  im  Format,  in  der  Wahl  und  der  Auffassung  des  Themas  waren 
Fendi  und  Karl  Schindler  vorbildlich,  sondern  auch  in  der  von  ihnen  mit  Vorliebe 
geübten  Technik  der  Aquarellmalerei  und  darin  sogar  in  der  Art,  wie  sie  z.  B. 
eine  Farbe  vom  Dunkeln  ins  Helle  rasch  ausklingen  ließen. 

Mit  Karl  Schindler  wird  Pettenkofen  von  der  Akademie  her  bekannt  gewesen 
sein.  Jener  war  am  23.  Juli  1836  fünfzehnjährig  eingetreten.  Freilich  hatte  es  auch 
ihn  nicht  lange  bei  St.  Anna  gelitten,  denn  in  den  akademischen  Akten^")  ist  unter 


16 


dem  4.  Februar  1837  schon  wieder  sein  Austritt  verzeichnet.  Daß  auf  Pettenkofen 
die  ungewöhnliche  Begabung  und  Produktivität  des  nur  um  ein  Jahr  älteren 
Kollegen  von  nachhaltigem  Eindruck  war,  ist  wohl  nicht  bloß  daraus  zu  erschließen, 
daß  er  nach  ihm  lithographierte,  sondern  läßt  sich  auch  damit  belegen,  daß  er  in 
einer  gewissen  Art,  mit  der  Feder  auf  den  Stein  zu  zeichnen,  offenbar  von  ihm 
abhängig  erscheint.  Die  Illustrationen  zum  „Erzherzog  Carl"  und  die  Randbilder 
der  von  Leykum  verlegten  Folge  „K.  k.  österreichisches  Militär"  zeigen  dies  am 
deutlichsten. 

Vom  Jahre  1844  datiert  ist  das  früheste  Porträt,   das  Pettenkofen  lithographiert 
hat.     Das   Blatt   ist   übrigens   nur   in    einem    Exemplar    vor    aller    Schrift    in   der 


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Erzherzog  Karl  in  der  Schlacht  bei  Schliengen.  Lithographie  aus  DuUers  „Erzherzog  Carl".  (S.  345.)  1845. 

Hofbibliothek  erhalten  und  gibt  sich  so  deutlich  als  ein  Versuch,  bei  dem  es  sein 
Bewenden  hatte.  Es  stellt  im  Brustbild  den  Maler  und  Lithographen  Eduard  Kaiser 
dar  und  ist  eine  vorzügliche  Arbeit.  Mit  Kaiser  wird  Pettenkofen  gleichfalls  von 
St.  Anna  her  bekannt  gewesen  sein.  Jedenfalls  hat  jener  1840  dort  den  Kurs  für 
historische  Zeichenkunst  besucht.^')  Auch  späterhin  scheint  Pettenkofen  mit  Kaiser 
verkehrt  zu  haben,  wenigstens  findet  sich  in  Pettenkofens  schriftlichem  Nachlaß  in 
den  Jahren  1875  bis  1883  fünfmal  dessen  Adresse  notiert  und  zwar  in  Rom,  Verona 
und  Paris.  Einmal  ist  er  als  Aquarellmaler,  einmal  als  Peintre  de  la  Societe  Arundel 
bezeichnet.  Zusammen  mit  Kaiser  hat  er  in  den  nächsten  beiden  Jahren  an  der 
Illustration  von  DuUers  „Erzherzog  Carl"  gearbeitet.  Der  Excudatur -Vermerk  auf 
einem  von  ihnen  erlaubt  es,  drei  humoristische  Blätter:  die  „Rast",  den  „Rück- 
halt" und  die  „Bedenklichkeit"  in  das  Jahr  1845  anzusetzen.  Die  lustigen  Vorgänge 


17 


sind  drastisch  geschildert,  und  auch  rein  künstlerisch  genommen  sind  die  drei 
Lithographien  reife,  geschlossene  Leistungen.  Sie  eröffnen  die  Reihe  von  Petten- 
kofens  humoristisch-satirischen  Steinzeichnungen. 

Demselben  Jahre  gehört  das  Huldigungsblatt  auf  den  Palatin  Josef  an.  Wenn 
auch  Pettenkofens  künstlerischer  Anteil  an  dem  Blatte  nicht  sehr  hervorragend  ist, 
so  ist  es  doch  darum  interessant,  weil  es  einerseits  von  Pettenkofen  im  Verein 
mit  Franz  Eybl  nach  Johann  Nepomuk  Geigers  Entwurf  (von  Eybl  das  Porträt, 
von  Pettenkofen  die  figurale  Umrahmung)  auf  Stein  gezeichnet  und  anderseits  die 
erste  Arbeit  Pettenkofens  ist,  die  eine  Beziehung  zu  Ungarn  aufweist.  Eybl,  der 
besonders  im  Jahre  1842  für  Josef  Wagner  in  Pest  viele  Bildnisse  ungarischer 
Zelebritäten  lithographierte,  dürfte  diesen  Faden  geknüpft  haben. 

1845  begann  aber  Pettenkofen  auch  noch  eine  andere  Arbeit,  die  unstreitig  zu 
den  besten  seiner  Frühzeit  gehört.  Es  ist  sein  Anteil  an  den  Illustrationen  von 
Eduard  Dullers  „Erzherzog  Carl  von  Österreich",  der  seit  diesem  Jahre  lieferungs- 
weise bei  Kaulfuß'  Witwe,  Prandel  &  Co.  in  Wien  und  bei  Gustav  Heckenast  in 
Budapest  erschien.  1847  lag  das  Werk  vollendet  vor.  Neben  der  gewöhnlichen 
Ausgabe  in  einem  Bande  gibt  es  auch  noch  eine  auf  besseres  Papier  gedruckte 
zweibändige,  die  sich  aber  sonst  in  nichts  von  jener  unterscheidet. 

Dieses  schöne  illustrierte  Buch  ward  noch  bei  Lebzeiten  Erzherzog  Karls,  des 
Siegers  von  Aspern,  in  Angriff  genommen  und  noch  in  dessen  Todesjahr  und  am 
Ende  jener  kurzen  Friedensperiode  vollendet,  in  der  man  sich  in  Österreich  mit 
Stolz  dessen  erinnern  durfte,  was  die  eigenen  Waffen  dazu  beigetragen  hatten. 
Das  Buch  mag  vielleicht  in  gewisser  Hinsicht  durch  die  Kugler-Menzelsche  Ge- 
schichte Friedrichs  des  Großen  angeregt  worden  sein,  die  bereits  1840  erschienen 
war  und  allerdings  dem  „Erzherzog  Carl",  textlich  und  illustrativ  genommen,  über- 
legen ist.  Der  Autor  des  Werkes  war  eine  vielgewandte  Persönlichkeit  und  be- 
tätigte sich  nicht  nur  als  Historiker,  sondern  auch  als  Dichter  und  zuletzt  sogar 
als  deutsch-katholischer  Prediger.  Für  die  Illustrationen  des  „Erzherzog  Carl"  aber 
war  eine  Elite  österreichischer  Künstler  aufgeboten,  unter  denen  Pettenkofen 
bereits  eine  erste  Stelle  einnimmt.  Peter  Johann  Nepomuk  Geiger,  Eduard  Engerth, 
Fritz  TAUemand,  Wilhelm  August  Rieder,  Eduard  Kaiser,  Moriz  Schwind,  von 
geringeren  Namen  zu  schweigen,  sind  am  illustrativen  Schmuck  des  Werkes  be- 
teiligt. 

Auf  dem  Gebiete  der  österreichischen  Buchillustration  ist  der  „Erzherzog  Carl" 
das  Gegenstück  zu  den  1839  und  1842  erschienenen  Werken :  Die  Nachfolge  Christi 
von  Thomas  a  Kempis,  übersetzt  von  Guido  Görres,  und  die  Legenden  der 
Heiligen,  in  Verse  gebracht  von  Ladislaus  Pyrker.  Diese  W^erke  sind  mit  Illustra- 
tionen nach  Zeichnungen  von  Edward  Steinle  einerseits  und  von  Josef  Führich, 
Franz  Dobiaschofsky,  Leopold  Scholz(?),  Karl  Geiger,  Eduard  Schaller  und  Oswald 
Steinböcke?)  anderseits  geschmückt.  Können  die  Illustratoren  der  zwei  religiösen 
Bücher  als  Vertreter  der  österreichischen  Nazarener  aufgefaßt  werden,  so  darf  man 
in  den  Abbildungen  des  „Erzherzog  Carl"  die  realistische  Historienmalerei  des 
damaligen  Österreich  repräsentiert  sehen.  Die  Nachfolge  Christi  und  die  Heiligen- 
legenden sind  mit  reproduzierenden  Holzschnitten  Blasius  Höfeis,  der  in  Österreich 


18 


den  Linienholzschnitt  zu  neuem  Leben  erweckt  hat,  und  seiner  Schule  ausgestattet, 
während  die  Illustrationen  des  „Erzherzog  Carl"  Schöpfungen  der  Lithographie 
sind,  dieser  von  Höfel  bis  aufs  Messer  befehdeten  graphischen  Technik.  Was  die 
Verwendbarkeit  als  Buchillustration  anbelangt,  sollte  nicht  nur  für  die  damalige 
Zeit  der  Holzschnitt  den  Sieg  über  die  Lithographie  davontragen,  hauptsächlich 
wohl  aus  einem  praktischen  Grunde :  der  Holzstock  kann  nämlich  zugleich  mit  dem 
Typensatz  durch  die  Presse  gehen,  eine  Lithographie  im  Text  aber  verlangt  einen 
doppelten  Druck. 


Verwundung  des  Grafen  CoUoredo.  Lithographie  zu  DuUers  „Erzherzog  Carl".  1846.  Im  Buche  nicht  verwendeter  Probedruck. 

Wien,  Dr.  Hans  Peitler  jun. 

Sämtliche  Lithographien  im  „Erzherzog  Carl"  sind  Federzeichnungen,  auch  die 
Pettenkofens.  Ob  diese  Federzeichnungen  freilich  von  den  Künstlern  unmittelbar 
auf  den  Stein  oder  auf  Papier  gezeichnet  und  von  diesem  erst  mittels  Umdruckes 
auf  den  Stein  übertragen  worden  sind,  läßt  sich  heute  wohl  kaum  mehr  mit 
Sicherheit  feststellen.  In  diesen  mit  der  Feder  gezeichneten  Lithographien  hat  be- 
sonders Johann  Nepomuk  Geiger  geglänzt,  am  außerordentlichsten  sind  vielleicht 
seine  auf  die  angegebene  Weise  geschaffenen  Illustrationen  zu  Anton  Zieglers 
„Memorabilien".  Wir  sehen  im  „Erzherzog  Carl"  Pettenkofen  schon  zum  zweiten 
Male  gemeinschaftlich  mit  Geiger  arbeiten,  einem  ganz  ungewöhnlich  sicheren  und 
geschmackvollen  Zeichner  und  Illustrator,  dem  z.  B.  Hevesi  in  seiner  „Öster- 
reichischen  Kunst   des  19.  Jahrhunderts"    durchaus    nicht    gerecht    wird.-^    Litho- 


19 


graphien,  die  lediglich  mit  der  Feder  auf  Stein  gezeichnet  sind,  hat  Pettenkofen 
nur  zweimal  geschaffen:  in  den  Mandlbogen  und  eben  im  „Erzherzog  Carl".  Hier 
ist  er  vielleicht  insoferne  von  Geiger  abhängig,  als  dieser  als  der  anfängliche  Haupt- 
illustrator des  Werkes  vermutlich  ausschlaggebend  für  die  Wahl  der  Technik  ge- 
wesen sein  und  möglicherweise  auch  Pettenkofen  als  Mitarbeiter  in  Vorschlag  ge- 
bracht haben  wird. 

Doch  sind  Pettenkofens  Federzeichnungen  von  denen  Geigers  prinzipiell  ver- 
schieden. Auf  die  virtuose  Schraffierung  Geigers,  die  dessen  Lithographien  gar  so 
kupferstichmäßig  kühl  erscheinen  läßt,  verzichtet  Pettenkofen  von  vorneherein, 
seine  Steinzeichnungen  erinnern  eher  an  Radierungen,  sind  unruhiger,  vor  allem 
ungemein  lebendig.  Unter  Pettenkofens  Illustrationen  zum  „Erzherzog  Carl"  sind 
seine  frischesten  Kompositionen  zu  suchen.  Jedenfalls  hat  er  nie  mehr  so  bewegt, 
so  feurig  geschildert. 

Probedrucken  zu  den  Lithographien  im  „Erzherzog  Carl"  im  Besitze  des  Herrn 
Dr.  Hans  Peitler  jun.  in  Wien  kommt  darum  eine  besondere  Bedeutung  zu,  weil 
sie,  zum  Teil  mit  Zensurvermerken  versehen,  es  ermöglichen,  Pettenkofens  Arbeit 
für  das  Werk  in  die  Zeit  vom  Juni  1845  bis  zum  Juni  1846  zu  datieren,  und  weil 
sich  überdies  unter  ihnen  nicht  weniger  als  fünf  sonst  nicht  erhaltene  und  nicht 
bekannte  Originallithographien  Pettenkofens  finden,  die  in  das  Buch  gar  nicht  oder 
nur  als  Kopien  von  anderer  Hand  (wahrscheinlich  der  Eduard  Kaisers)  aufge- 
nommen worden  sind.^^) 

Eine  recht  unbedeutende  Arbeit  des  Jahres  1846,  ein  Doppelblatt  mit  öster- 
reichischem Militär  des  XVIII.  Jahrhunderts  sei  darum  genannt,  weil  es  einen  — 
den  ersten  und  letzten  —  Versuch  Pettenkofens  in  der  farbigen  Lithographie  dar- 
stellt und  ihn  wie  im  „Erzherzog  Carl"  mit  der  Tracht  der  Vorzeit  beschäftigt 
zeigt. 

Den  Jahren  1846  und  1847  gehören  Pettenkofens  lithographische  Beiträge  zu  der 
von  Friedrich  Kaiser  redigierten  und  bei  Johann  Höfelich  verlegten  humoristischen 
Zeitschrift  „Der  Kobold"  an.  Kaiser,  der  sich  nicht  nur  als  unglaublich  fruchtbarer 
Volksdichter,  sondern  auch  als  Schauspieler  und  als  Karikaturenzeichner  betätigte, 
war  der  Gründer  der  älteren  „Concordia",  eines  aus  Dichtern  und  Künstlern  be- 
stehenden Vereines,  der  die  Fortsetzung  der  „Ludlamshöhle"  war.  Öhlenschläger 
und  Meyerbeer  waren  Gäste  dieser  „Concordia",  die  1844  auch,  als  Grillparzer  und 
ganz  Österreich  bei  der  Verleihung  des  preußischen  Ordens  „Pour  le  merite"  über- 
gangen worden  waren,  des  Dichters  Geburtstag  mit  demonstrativer  Feierlichkeit 
begieng.  Durch  Kaiser  hätte  Pettenkofen  mit  allen  Geistesgrößen  des  damaligen 
Wien  bekannt  werden  können.  Pettenkofens  Lithographien  zum  „Kobold"  sind  gut, 
wenngleich  keineswegs  besonders  hervorragend.  Neben  S.  Schiller  ist  Anton  Zampis 
zum  ersten  Male  sein  Mitarbeiter.  Die  Witze  sind  noch  völlig  unpolitisch  und  für 
den  heutigen  Geschmack  äußerst  harmlos.  Das  Theater  spielt,  bezeichnend  für 
jene  theatralische  Glanzzeit  Wiens,  eine  große  Rolle.  In  einem  von  Pettenkofens 
Blättern  spiegelt  sich  der  kolossale  Zudrang  zur  Premiere  von  Mey erbeers  „Vielka" 
wieder,  in  einem  zweiten  ein  anderes  wichtiges  Zeitereignis:  die  klinische  Ver- 
wendung des  Schwefeläthers. 


20 


Die  Horcher.  Ölbild.   1846. 


Wien,  Franz  Xaver  Mayer. 


Meyerbeers  Oper  „Vielka"  wurde  mit  Jenny  Lind  in  der  Titelrolle  und  Staudigl 
als  Saldorf  am  18.  Februar  1847  im  Theater  an  der  Wien  zum  ersten  Male  aufge- 
führt. Es  war  das  bedeutendste  musikalische  Ereignis  des  Jahres.  Daß  die  Ein- 
atmung der  Dämpfe  des  Schwefeläthers  in  einen  Zustand  der  Empfindungslosigkeit 
versetzt,  hatte  1846  Jackson  in  Boston  entdeckt.  Zu  Beginn  des  nächsten  Jahres 
wurde  in  Wien  von  Schuh  die  erste  Operation  mit  Äthernarkose  vorgenommen, 
die  überhaupt  in  den  Ländern  deutscher  Zunge  stattgefunden  hat. 

Von  geringer  Bedeutung  sind  auch  Pettenkofens  drei  Lithographien  für  den 
„Staberl  als  Kalendermacher",  einen  illustrierten  Zeitspiegel  —  illustrierten  Bilder- 
spiegel nennt  er  sich  merkwürdigerweise  selbst  — ,  der  bei  Johann  Höfelich  erschien. 
Außer  Pettenkofen  seien  noch  Anton  Zampis,  Eduard  Swoboda  und  Friedrich  Treml 
als  künstlerische  Mitarbeiter  genannt. 

1847  hat  Pettenkofen  ein  erst  1848  erschienenes  Blatt  „Wiener  Bürgerkavallerie" 
und  die  24  Blätter  der  Folge  „K.  k.  österreichisches  Militär",  die  bei  Alois  Leykum 
gedruckt  und  verlegt  ist,  auf  Stein  gezeichnet.    Während  die  erstere  Lithographie 


21 


die  Reproduktion  eines  Entwurfes  von  Leutnant  Karl  Most  ist,  sind  die  letzteren 
Originalarbeiten.  Das  Werk,  zu  dem  sie  sich  zusammenschließen,  ist  Erzherzog 
Albrecht  gewidmet,  der  damals  kommandierender  General  in  Ober-  und  Nieder- 
österreich war.  Jedes  Blatt  hat  in  der  Mitte  eine  Hauptdarstellung  und  rechts  und 
links  je  drei  Nebendarstellungen,  eine  siebente  unten  und  oben  W^appen  oder 
Embleme.  Die  Lithographien  sind  gut,  aber  ein  bißchen  trocken,  wofür  gewiß  auch 
das  Thema,  das  ja  im  wesentlichen  aus  möglichst  getreu  wiederzugebenden  Uni- 
formen bestand,  verantwortlich  gemacht  werden  muß  —  an  Menzels  mit  der  Feder 
auf  den  Stein  gezeichnete  fridericianische  Soldaten,  gleichfalls  Uniformierungs- 
studien, darf  man  freilich  nicht  denken.  Naturgemäß  sind  die  Nebenszenen,  in 
denen  sich  der  Künstler  freier  bewegen  konnte,  viel  frischer,  lebendiger,  häufig 
vorzüglich.  Hinsichtlich  der  Technik  ist  zu  bemerken,  daß  Pettenkofen  hier  nicht 
nur  mit  der  Kreide,  der  Feder  und  dem  das  Weiß  aussparenden  Ton,  sondern 
auch  mit  der  Nadel  gearbeitet  hat. 

Einerseits  wegen  dieses  auch  auf  ihr  vorkommenden  technischen  Details  und 
anderseits,  weil  ihr  ihr  harmlos-lustiger  Inhalt  unter  den  politisch-satirischen  und 
kriegerischen  Darstellungen  der  nächsten  Zeit  keinen  Raum  gönnt,  wird  die  Litho- 
graphie „Der  Einzug  des  Frühlings"  am  besten  hier  einzureihen  sein.  Es  ist  ein 
ungewöhnlich  hübsches  Blatt,  schon  darum  der  Beachtung  wert,  weil  es  unter 
Pettenkofens  Arbeiten  in  seiner  naturalistisch-allegorischen  Art  einzig  dasteht.  Es 
ist  „S.  Mayer"  signiert,  verrät  sich  aber,  ganz  abgesehen  davon,  daß  es  einen 
Künstler  dieses  Namens  im  damaligen  Wien  nicht  gibt,^^)  und  sich  Pettenkofen  zu 
jener  Zeit  gerne  hinter  Pseudonymen  verbirgt,  durch  seinen  ausgeprägten  Stil  als 
Arbeit  Pettenkofens. 

Die  nächsten  Lithographien  Pettenkofens  fallen  bereits  in  das  Jahr  1848  und 
geben  —  sie  sind  gerade  in  diesem  Jahre  nicht  nur  großenteils  vorzüglich,  sondern 
auch  sehr  zahlreich  —  ein  ungemein  interessantes  Bild  der  bewegten  Zeit. 

Den  Reigen  eröffnen  Pettenkofens  Beiträge  zu  den  humoristisch-satirischen 
Blättern,  die  bei  dem  „k.  k.  Hof-Lithographen"  Alois  Leykum  verlegt  und  unter 
dem  Namen  „Wiener  Bilder"  bekannt  sind.  Sie  scheinen  in  sieben  Serien  zu  je 
sechs  Blatt  ausgegeben  worden  zu  sein  und  sind  nicht  nur  von  Pettenkofen,  son- 
dern auch  von  Zampis  lithographiert.  Zwei  von  den  42  Nummern,  die  die  ganze 
Publikation  umfaßt  haben  muß,  sind  dem  Autor  nicht  bekannt  geworden.  Die  Blätter 
selbst  entbehren  häufig  jedes  Titels,  stets  aber  ist  die  Serie  römisch  und  das  Blatt 
arabisch  numeriert.  Anfänglich  sind  die  Scherze  ganz  unpolitisch  und  von  der  harm- 
losen, gutmütigen  Art  derer  im  „Kobold".  Allen  Texten  muß  ein  ganz  vorzüglich 
getroffener  und  bis  in  die  phonetische  Schreibweise  hinein  treu  festgehaltener  Wiener 
Lokalton  nachgerühmt  werden.  Von  der  vierten  Serie  an,  in  der  bereits  —  aller- 
dings erst  in  einer  zweiten  Auflage,  scheint  es  —  die  Hälfte  der  Blätter  den  viel- 
sagenden Titel  „März  1848"  trägt,  schleichen  sich  in  die  Spaße  politische  Anspie- 
lungen ein,  die  freilich  nach  heutigen  Begriffen,  etwa  mit  den  blutigen  Witzen  des 
„Simplicissimus"  verglichen,  noch  immer  zahm  genug  sind.  Während  beispiels- 
halber zuerst  etwa  eine  lustige  Proletariergesellschaft  mit  den  Worten  eines  popu- 
lären Gassenhauers  feststellt:     „Auf  der  Welt,  auf  der  Welt  —  haben  die  Herren 


22 


Die  Rüstung  der  Vorfahren. 


Lithographie  zum  „Kobold".   1846. 


a  ka  Geld",  oder  ein  Mädel,  das  Sonntag  „auf  die  Redoute  muß",  darüber  ent- 
setzt ist,  daß  Samstag  das  Versatzamt  geschlossen  ist,  oder  ein  kleiner  Ministrant 
seinem  Freunde,  einem  Kappelbuben  (Kappel-  oder  Strichbub  hieß  im  alten  Wien, 


23 


was  im  Wien  unserer  Tage  als  Plattenbruder  bezeichnet  wird),  der  stolz  vor  ihm 
seine  Harmonika  ertönen  läßt,  verspricht,  ihn  dann  zwölf  Uhr  läuten  zu  lassen, 
wenn  er  ihm  jetzt  ein  bißchen  auf  seinem  Instrument  zu  spielen  erlaube,  erklärt 
zum  Beispiel  nachher,  als  die  ereignisvollen  Märztage  vorüber  sind,  ein  Bäcker- 
meister einer  Köchin,  die  ihm  einen  bereits  stark  aufgelaufenen  Gugelhupf  bringt, 
damit  er  ihn  schnell  einschieße:  „Das  geht  nicht  so  leicht,  wenn  was  im  Auflaufen 
ist,  muß  man  mit  dem  Schießen  sehr  vorsichtig  sein,  sonst  ist  gleich  die  ganze 
Geschichte  verdalkt,"  oder  remonstriert  ein  Schuljunge  gegen  seinen  Lehrer,  der 
ihn  wegen  Schwätzens  draußen  stehen  lassen  will:  es  gäbe  jetzt  nicht  nur  Lehr- 
sondern auch  Redefreiheit,  oder  vertröstet  unter  dem  Titel  „Gute  Hoffnung"  ein 
Liguorianer  ein  heulendes  Mädel  auf  die  baldige  Aufhebung  des  Zölibates.  Man 
kann  sich  nicht  genug  tun,  Schlagwörter  der  Zeit  wie  Bewegung,  Konstitution, 
Gleichgewicht  u.  a.  doppelsinnig  zu  verwenden,  Studenten  und  Nationalgardisten 
spielen  große  Rollen,  die  Polizei  wird  ausgelacht,  behutsam  wird  an  die  Berliner  Revo- 
lution gerührt,  ein  Scherzwort  gilt  der  Aufhebung  der  Zensur.  Seit  den  Oktobertagen 
kommt  aber  auch  die  Reaktion  humorvoll  zu  Wort:  Szeressaner,  die  berüchtigten 
Rotmäntler  des  Jellacic,  treten  auf,  die  Weldensche  Standrechtspublikation  gibt 
Anlaß  zu  Scherzen,  unter  anderem  über  die  Zeughausplünderung  und  den  von 
einem  jüdischen  Händler  beabsichtigten  Verkauf  dabei  erbeuteter  Waffen  an  die 
ungarischen  Rebellen,  schließlich  finden  sich  die  Truppenaushebungen  behufs  Unter- 
drückung des  Aufstandes  in  Italien  schalkhaft  registriert. 

Die  Lithographien  gehören  zum  Teil  zu  den  flottesten,  die  Pettenkofen  ge- 
schaffen hat.  Es  ist,  als  ob  sich  die  Unruhe,  die  Erregtheit  der  Zeit  auch  den 
Zeichnern  mitgeteilt  hätte.  Denn  auch  Zampis  wächst  gleichsam  über  sich  selbst 
hinaus,  er  schließt  sich  im  Stil  so  geschickt  und  eng  Pettenkofen  an,  daß  es 
sich  heute  bei  manchem  Blatt  durchaus  nicht  mehr  entscheiden  läßt,  wer  von  den 
beiden  es  geschaffen  hat.  Auf  vielen  Steinen  werden  sicherlich  alle  zwei  tätig  ge- 
wesen sein.  Signaturen  fehlen  oft  ganz  oder  sie  sind  pseudonym.  Aber  gerade  die 
sicheren  Blätter  Pettenkofens  sind  voll  prickelnden  Lebens,  voll  französischen 
Reizes  und  Geistes.  Nicht  nur  in  der  souverän  beherrschten  Mischtechnik  und  der 
Art,  wie  eine  Komposition  in  einem  einzigen  Zuge  auf  den  Stein  gebracht  ist, 
sondern  auch  z.  B.  in  dem  bestrickenden  Frauenduft,  den  hier  alle  die  vollen  fri- 
schen Körperlichkeiten  seiner  weiblichen  Gestalten  aushauchen.  Wirklich  zeigt  sich 
hier  Pettenkofen  ganz  ungemein  von  dem  genialen  Gavarni  beeinflußt,  dessen 
fabelhafte  Blüte  ja  um  die  Wende  der  dreißiger  auf  die  vierziger  Jahre  anzusetzen 
ist.  In  den  Folgen  „Les  Actrices",  „Les  Etudiants  de  Paris",  „Baliverneries  pari- 
siennes",  „Le  Dimanche",  „L'Eloquence  de  la  chair",  finden  sich  Blätter,  neben 
denen   sich   einige   Pettenkofens   geradezu   wie   freie  Kopien   darnach   ausnehmen. 

Bei  Johann  Höfelich  verlegt  ist  eine  andere  Serie  von  Blättern,  die  mit  satiri- 
schen Darstellungen  die  Ereignisse  des  Jahres  1848  begleiten  und  unter  deren 
Künstlern  Pettenkofen  abermals  die  erste  Stelle  einnimmt.  Doch  wirkt  diese  Folge, 
die  den  Titel  „Bewegung"  führt,  künstlerisch  und  als  Ganzes  genommen,  lange 
nicht  so  erfreulich  wie  die  vorhergehende,  bei  der  durch  die  Fähigkeit  von  Zampis, 
sich  in  Pettenkofens  Stil  hineinzufinden,  ihn  nachzuahmen,  eine  ziemlich  geschlos- 


24 


TAFEL  I 
JOSEF  BORSOS.  AQUARELLSTUDIE.  1847.  WIEN,  Dr.  AUGUST  HEYMANN. 


TAFEL  II 
DER  UNTERRICHT.  ÖLBILD.  1847.  WIEN,  C.  A.  WELS. 


sene  einheitliche  W^irkung 
zustande  gekommen  ist. 
An  der  „Bewegung"  aber 
sind  außer  Pettenkofen 
und  Zampis  noch  (Josef) 
Lanzedelli,  ein  Mono- 
grammist B.  Z.  und  ein 
Anonymus  beteiligt,  die 
alle  erheblich  schwächere 
Zeichner  sind,  und  auch 
Pettenkofens  Beiträge  sind 
ungleich;  freilich  gehören 
die  meisten  davon  zu  sei- 
nen berühmtesten  acht- 
und  vierziger  Blättern. 
Doch  kommt  der  zerfah- 
rene Eindruck,  den  das 
Ganze  macht,  hat  man 
die  Blätter  nebeneinander 
liegen,  wohl  auch  daher, 
daß  satirische  Darstellun- 
gen mit  naturalistischen 
Wiedergaben  von  bedeu- 
tungsvollen Tagesereig- 
nissen abwechseln.  In- 
haltlich sind  die  Lithogra- 
phien natürlich  wieder 
sehr  interessant:  Metter- 
nichs  Sturz  wird  verhöhnt ; 
ironisch,  aber  richtig  wird 
Preußen  das  in  Deutsch- 
land aufgehende  Licht  genannt;  ein  Tscheche  sagt  zu  einem  Magyaren,  daß 
Palacky,  der  größte  Historiker  der  Zeit,  am  besten  wissen  werde,  daß  Österreich 
nach  Frankfurt  keine  Deputierten  zu  schicken  hat,  der  Magyare  denkt  radi- 
kaler und  möchte  am  liebsten  alle  Deutschen  austreiben;  ein  schäbiger  Zylinder 
und  der  mit  prächtigen  Federn  geschmückte  Hut  eines  Nationalgardisten  versinn- 
lichen die  beiden  Hüte,  unter  deren  einen  Deutschland  kommen  soll;  besonders 
ist  es  auf  Jesuiten  und  Liguorianer  abgesehen:  jene  vergraben  in  einem  Keller 
ihre  Schätze  und  unter  dem  Bilde  sind  die  Zeilen  zu  lesen:  „Wir  haben  uns  ein- 
geschlichen wie  Lämmer,  wir  haben  regiert  wie  Wölfe,  man  hat  uns  verjagt  wie 
Hunde,  wir  werden  verjüngt  wie  Adler  wiederkommen,"  einer  von  diesen,  der 
Pater  Cyrill,  hat  sich  in  einem  verrufenen  Hause  mit  Kleidern  der  Mädchen  ver- 
mummt, um  nicht  entdeckt  zu  werden;  aber  auch  dem  jüdischen  Kapitalismus  gilt 
ein  Pfeil:    ein  Jude  jammert  seinem  Weib  vor,  er  habe  alle  Papiere  zu  Gold  ge- 


Ölstudie  üu  dem   Bilde   ,Der  Unterricht"  vom  Jahre   1847. 


25 


macht,  könne  dieses  aber  nun  nicht  mehr  über  die  Grenze  schaffen.  Kaum  weniger 
interessant  sind  die  Illustrationen  der  Tagesgeschichte:  begeistert  strömen  am 
30.  März  —  in  den  Tagen  vom  13.  bis  zum  15.  März  hat  bekanntlich  die  Erhe- 
bung begonnen  —  Freiwillige  zusammen,  um  nach  Italien  zu  ziehen  und  dort 
die  Keime  des  Aufruhrs  ersticken  zu  helfen;  am  2.  April  wird  unter  Absingung 
des  Liedes  „W^as  ist  des  Deutschen  Vaterland"  dem  Kaiserpaar  die  schwarz-rot- 
goldene Fahne  überreicht;  die  Liguorianer  werden  ausgewiesen;  die  Tiroler  Schützen, 
„die  vorerst  was  leisten  woU'n,  eh  wenn  sie  was  begehr'n",  eilen  ihrem  Kaiser  zu 
Hilfe;  auf  dem  Balkon  der  Universität  wird  ein  Polizeispitzel  ausgestellt;  jubelnd 
zerstreut  sich  das  Volk,  nachdem  der  „allgeliebte"  Kaiser  Ferdinand  alles  bewilligt 
hat,  was  in  der  Sturmpetition  vom  15.  Mai  verlangt  worden  ist;  eine  der  am 
26.  Mai  in  der  Inneren  Stadt  errichteten  sechzig  Barrikaden  ist  dargestellt. 

Läßt  man  die  Ereignisse  des  Jahres  1848  auch  nur  an  der  Hand  dieser  beiden 
bei  Leykum  und  Höfelich  verlegten  Folgen  im  Geiste  an  sich  vorüberziehen,  so 
versteht  man  es  nur  allzu  gut,  warum  das  Jahr  bei  Mit-  und  Nachwelt  das  „tolle"  heißt. 

Mit  Recht  gilt  das  Blatt  mit  den  Jesuiten,  die  ihre  Schätze  vergraben,  als  eine 
von  Pettenkofens  vorzüglichsten  achtundvierziger  Arbeiten,  doch  möchten  wir  per- 
sönlich die  Barrikade,  zu  der  sich  auch  der  ebenso  gelungene  leichtgetönte  zeich- 
nerische Entwurf  (heute  im  Budapester  Museum  der  schönen  Künste)  erhalten  hat, 
für  das  beste  Blatt  erklären.  In  technischer  Hinsicht  ist  von  Pettenkofens  Beiträgen 
zur  „Bewegung"  zu  sagen,  daß  auf  ihnen  reichliches  mit  dem  Pinsel  aufgetragenes 
Schwarz  vorkommt  und  sie  dementsprechend  auch  sehr  viel  Kratzarbeit  zeigen. 
Ein  Blatt  wie  das  mit  den  drei  Männern,  die  bei  Mondschein  in  die  mit  „Prokla- 
mationsflüssigkeit" gefüllte  Tonne  hineingucken,  ist  auf  diese  'Weise  zum  großen 
Teil  weiß  aus  dem  Schwarz  herausgearbeitet.  Durch  Lithographien  Gavarnis  wie 
etwa  dessen  Nachtstück  mit  den  beiden  Strolchen,  die  einen  Herrn  überfallen,  in 
der  Serie  „Paris  le  soir"  kann  Pettenkofen  zu  derlei  Effekten  angeregt  worden  sein. 

Aus  dem  tollen  Jahre  stammen  noch  drei  andere  Lithographien  Pettenkofens. 
Sie  handeln  auf  jenen  drei  Schauplätzen,  auf  denen  sich  damals  Österreichs  Ge- 
schick entschieden  hat:  in  Wien,  in  Italien  und  in  Ungarn.  Die  erste,  ein  ziemlich 
häufiges  Blatt,  das  bei  A.  Paternos  Witwe  und  Sohn  verlegt  ist,  stellt  den  „Ersten 
Angriff  der  Cavallerie  vor  dem  bürgerlichen  Zeughause  am  13.  März"  dar.  Es  ist 
eine  lebhaft  bewegte  Massenszene,  eine  umfangreichere  Neubelebung  der  tempe- 
ramentvollen Schlachtenbilder  im  „Erzherzog  Carl",  ein  Vorläufer  der  Kampfes- 
darstellungen vom  ungarischen  Kriegsschauplatz  des  nächsten  Jahres.  Das  zweite 
Blatt  zeigt  zwei  österreichische  Generale  auf  der  Landkarte  Italiens  stehend;  sein 
Text  verhöhnt  im  Stil  einer  offiziellen  Nachricht  vom  Kriegsschauplatz  die  anfäng- 
liche Untätigkeit  der  österreichischen  Truppen,  die  sich  nach  der  Erhebung  Mai- 
lands am  18.  März  nach  Verona  zurückgezogen  hatten.  Zwischen  diesem  Datum 
und  dem  25.  Juli,  dem  Tage  der  Schlacht  von  Custozza,  muß  das  Blatt  entstanden 
sein,  sonst  wäre  seine  Satire  unverständlich.  Wahrscheinlich  hat  Vater  Radetzkys 
glänzender  Sieg  über  Karl  Albert  den  Spöttern  den  Mund  gestopft  und  das  Er- 
scheinen des  Blattes,  das  uns  auch  nur  in  einem  einzigen  Exemplar  im  Museum 
der  Stadt  Wien  bekannt  ist,  verhindert. 


26 


Dragoner. 


Lithographie  aus  der  Folge  „Das  Kaiserl.  Königl.  Österreich'sche  Militär".  1847 


Die  dritte  Lithographie  des  Jahres  1848  endlich  führt  nach  Ungarn.  Sie  zeigt  die 
Eröffnung  des  ungarischen  Reichstages  am  5.  Juli  in  Pest  unter  dem  Vorsitz  des  Pa- 
latins  Erzherzog  Stefan  und  ist  dem  unglücklichen  Ministerpräsidenten  Grafen  Ludwig 
Batthyäni  gewidmet.  Es  ist  die  erste  der  vier  ganz  großen  Lithographien  Pettenkofens, 
im  Gegensatz  zu   den   anderen   dreien  aber  keine  Originalarbeit,    sondern  die  Re- 


27 


Franz  Imr^dy  Edler  v.  Omorovicze.  Ölbild.   1848. 


Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie. 


28 


Elisabeth  Imrödy  Edle  v.  Omorovicze,  geb.  v.  Etlingen.  Ölbild.  1848. 


Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie. 


29 


Produktion  einer  Zeichnung  oder  eines  Gemäldes  des  ungarischen  Malers  Josef 
Borsos.  Pettenkofen  war  im  großen  Format  kaum  jemals  glücklich,  bei  diesem 
Blatte  ist  er  es  auch  nicht,  aber  nicht  bloß  aus  eigener  Schuld.  Schon  die  Kom- 
position von  Borsos,  der  übrigens  sonst  ein  tüchtiger  Genre-  und  Stillebenmaler  war, 
ist  recht  langweilig.  Er  ist  an  der  offiziellen  Steifheit  einer  solchen  Feierlichkeit 
und  den  paar  Dutzend  Bildnisköpfen,  die  mit  Hilfe  eines  Schlüssels  zu  agnoszieren 
sein  mußten,  gescheitert,  und  Pettenkofens  flaue  Übertragung  auf  den  Stein  ver- 
mochte den  Freund  nicht  zu  retten. 

Borsos  erscheint  in  den  Schülerlisten  der  Wiener  Akademie  1840  als  Teilnehmer 
des  Kurses  für  historische  Zeichenkunst  eingetragen.^ ')  Von  dort  und  damals  kann 
Pettenkofen  mit  ihm  bekannt  gewesen  sein.  Daß  die  Freundschaft  von  längerer 
Dauer  war,  beweisen  zwei  Porträte  des  ungarischen  Malers,  die  Pettenkofen  1847 
und  das  zweite  Mal  etwa  um  die  Mitte  der  fünfziger  Jahre  gemalt  hat.  Sicher 
hat  Borsos  dem  Wiener  Freunde  den  Auftrag  verschafft,  dessen  Erfüllung  den 
unerfreulichen  Eindruck  einer  Arbeit,  die  nur  um  des  lieben  Brotes  willen  geschaffen 
ist,  nicht  zu  verhüllen  imstande  ist. 

Vielleicht  ist  es  auch  Borsos  gewesen,  der  wenigstens  mit  dazu  beitrug,  daß 
Pettenkofen,  als  es  nach  der  Thronbesteigung  Kaiser  Franz  Josefs  I.  in  Ungarn  los- 
gieng,  auch  seinerseits  die  Leitha  überschritt  und  den  Feldzug  gegen  die  Magyaren 
mitmachte.  In  welcher  Form  dies  geschehen  ist,  weiß  man  heutzutage  nicht  mehr. 
Sicher  ist  nur,  daß  er  die  Kämpfe  in  Ungarn  zum  großen  Teil  als  Augenzeuge 
miterlebt  hat,  keinesfalls  aber  als  Kombattant,  als  der  er  übrigens  wohl  kaum  die 
Zeit  zu  so  vielen  zeichnerischen  Aufnahmen  gefunden  hätte,  sondern  bloß  als 
Künstler,  der  vielleicht  für  die  Dauer  des  Feldzuges  einem  bestimmten  Truppenteil 
zugewiesen  war.  -  Eine  weiter  unten  zu  besprechende  Lithographie  legt  die  Ver- 
mutung nahe,  daß  es  die  Kreß-Chevauxlegers  waren,  eine  den  Dragonern  ver- 
wandte Waffe,  an  die  er  sich  anschloß,  was  bei  Pettenkofen,  dem  ehemaligen 
Dragoner,  nur  selbstverständlich  ist.  Als  Kämpfer  mitgemacht  hat  den  Feldzug 
August  Pettenkofens  Bruder  Ferdinand,  und  zwar  als  Oberleutnant  beim  22.  Feld- 
j  ägerbataillon .  ^°) 

Diejenigen  Lithographien  Pettenkofens  nun,  deren  Vorwürfe  dem  ungarischen 
Feldzug  der  Jahre  1848  und  1849  entnommen  sind,  gehören  zu  den  reifsten  und 
meistbegehrten,  die  er  überhaupt  geschaffen  hat.  Sie  sind  sämtlich  bei  L.  T.  Neu- 
mann verlegt  und  zerfallen  in  solche,  die  noch  im  Jahre  1849  und  solche,  die  erst 
in  den  beiden  folgenden  Jahren  entstanden  sind.  Zu  den  ersteren  gehören  der 
„Transport  von  Verwundeten",  das  „Russische  Lager",  „Die  Überfallene  Feldpost", 
„Der  Sturm  auf  Ofen",  die  „Kreß-Chevauxlegers  im  Lager  bei  Äcs"  und  das 
Blatt  „Vor  Komorn".  Die  ersten  drei  Themen  sind  sozusagen  intimer  Natur  und 
jedenfalls  solche,  die  sich  der  Künstler  frei  zu  wählen  in  der  Lage  war;  sie  sind 
unstreitig  auch  am  frischesten  behandelt  und  am  besten  gelungen.  Die  ersten 
beiden  sind  nachmals  dadurch,  daß  sie  Pettenkofen  auch  als  Bilder  ausgeführt 
hat,  besonders  berühmt  geworden.  Ein  vorzügliches  Blatt  ist  auch  „Der  Sturm 
auf  Ofen",  der  ein  Ereignis  der  großen  Geschichte  festhält,  die  berühmte  Ein- 
nahme der  Festung  durch  die  Honv^ds   unter   der  Führung  Görgeys   am  21.  Mai 


30 


Proletariergesellschaft. 


Lithographie  aus  den   , Wiener  Bildern".   1848. 


1849;  es  sei  hier  daran  erinnert,  daß  diese  Erstürmung  der  Anlaß  einesteils  zum 
prunkvollen  Einzug  Kossuths  und  des  gesamten  ungarischen  Reichstages  in  Pest 
und  anderseits  —  mittelbar  —  zur  russischen  Intervention  geworden  ist.  Das  Lob, 
das  man  dieser  vorzüglichen  Leistung  Pettenkofens  zu  spenden  geneigt  ist,  be- 
darf aber  der  Einschränkung.  Gerade  auf  diesem  Blatte  nämlich  zeigt  er  sich  ganz 
besonders  von   Charles  Raffet   abhängig.     Ein   Blatt   wie   das   siebente  in  Raffets 


31 


Folge  „Prise  de  Constantine",  betitelt:  „Arrivee  de  la  2me  colonne  sur  la  preche  . . . 
(13.  Octobre,  1837)"  kann,  wie  schon  Meder^')  bemerkt  hat,  geradezu  als  Vorbild 
für  den  „Sturm  auf  Ofen"  bezeichnet  werden.  Daß  Raffet,  der  vorzügliche  und  un- 
gemein produktive  französische  Lithograph  vorwiegend  militärischer  Szenen,  den 
Österreich  nicht  nur  aus  seinen  Arbeiten,  sondern  auch  persönlich  kannte,  war  er 
doch  bereits  auf  seiner  „Reise  im  südlichen  Rußland  und  in  der  Krim,  durch  Un- 
garn, die  Walachei  und  die  Moldau"  auch  durch  Wien  gekommen,  —  daß  Raffet 
unter  allen  Wiener  Künstlern  Pettenkofen,  der  gleich  ihm  lithographierte,  gleich 
ihm  besonders  am  Soldatenleben  künstlerisches  Gefallen  fand  und  gleich  ihm  ein 
Auge  für  die  ungehobenen  malerischen  Schätze  der  von  der  Donau  durchströmten 
Ebenen  östlich  vom  Ausgang  der  Alpen  hatte,  weitaus  am  meisten  beeinflussen 
hat  müssen,  ist  selbstverständlich.  Daß  aber  auch  ein  Karl  Schindler  Raffets  Arbeiten 
nicht  ohne  Gewinn  betrachtet  hat,  sei  nur  nebenher  bemerkt. 

Das  bereits  früher  erwähnte  Blatt  „Kreß-Chevauxlegers  im  Lager  bei  Äcs, 
Juli  1849"  —  am  I.Juli  defilierten  dort  alle  acht  Eskadronen  des  Regiments  vor 
dem  jungen  Kaiser")  —  scheint  die  erste  Porträtgruppe  zu  sein,  die  Pettenkofen 
selbständig  lithographiert  hat.  Obgleich  es  wie  natürlich  künstlerisch  hoch  über  der 
nach  Borsos  auf  den  Stein  gezeichneten  „Eröffnung  des  ungarischen  Reichstages" 
steht,  so  kann  es  doch  die  gewisse  Befangenheit,  von  der  keines  dieser  Massen- 
bildnisse, selbst  das  beste  nicht,  völlig  frei  ist,  weil  sie  eben  im  Sujet  begründet 
ist,  auch  nicht  gänzlich  überwinden.  Gleichwohl  steht  es  berühmten  verwandten 
Leistungen  der  Zeit,  z.  B.  den  lithographierten  Gruppenbildnissen  Kriehubers,  kaum 
nach.  Auch  dieses  Thema  ward  von  Pettenkofen  nicht  bloß  auf  den  Stein  ge- 
zeichnet, sondern  auch  mit  Wasserfarben  gemalt. 

An  der  Vorlage  leidet  die  letzte  der  Lithographien,  die  auf  den  ungarischen 
Feldzug  zurückgehen  und  noch  in  dessen  zweitem  Jahre  geschaffen  sind.  Es  ist 
das  Blatt  „Vor  Komorn".  Obwohl  sich  Pettenkofen  alle  erdenkliche  Mühe  gibt, 
die  dilettantische  Aquarellvorlage  Caroline  von  Weldens,  der  Gattin  des  Feldzeug- 
meisters von  Weiden,  zu  beleben,  namentlich  durch  die  vortreffliche  und  anschei- 
nend von  ihm  ganz  aus  eigenem  hinzugefügte  Staffage,  so  wirkt  das  Blatt  doch  ziem- 
lich langweilig.  Sein  Vorwurf  ist  natürlich  nicht  uninteressant:  die  Festung  ist  vom 
österreichischen  Belagerungsheer  aus  aufgenommen,  am  31.  März;  sie  ward  be- 
kanntlich nachher  von  Görgey  entsetzt. 

Baronin  Weiden  hat  auch  Bilder  vom  italienischen  Kriegsschauplatz  gemalt: 
Peschiera  während  des  Bombardements  am  27.  Mai  1848,  den  Sturm  auf  Vicenza 
am  10.  Juni  1848,  Feldzeugmeister  W^elden  vor  Treviso  am  Morgen  des  14.  Juni 
1848.  Nach  allen  diesen  drei  Aquarellen  gibt  es  Lithographien  von  Franz  Xaver 
Sandmann,  mit  dem,  wie  weiter  unten  gezeigt  werden  soll,  Pettenkofen  bekannt 
gewesen  sein  muß. 

Dem  Jahre  1849  gehören  ferner  acht  Lithographien  an,  die  zwar,  wie  die  eben 
besprochenen  keine  durch  einen  gemeinschaftlichen  Titel  zusammengehaltene  Serie 
bilden,  gleichwohl  aber  schon  durch  die  Verse,  die  sich  unter  einer  jeden  Dar- 
stellung befinden,  als  zusammengehörig  bezeichnet  sind.  Auch  sie  sind  bei  L.  T. 
Neumann  verlegt.  Ihre  Themen,  im  letzten  Grunde  gleichfalls  dem  ungarischen  Feld- 


32 


Bäcker  und  Köchin. 


Lithographie  aus  den  „Wiener  Bildern".   1848. 


zug  entnommen,  sind  idealer  Art,  verherrlichen  Heldentum  und  Herzensgüte  des 
Soldaten,  ein  einziges  Mal,  bei  „Pirquets  Tod"  ist  ein  individueller  Fall  behandelt, 
ein  bestimmter  Name  genannt,    aber   auch   hier  ist  sowohl  durch  das  Gedicht  als 


33 


auch  durch  die  Komposition  des  Bildes  das  Geschehnis  über  die  Wirklichkeit 
hinausgehoben.  Das  Blatt  hat  übrigens  durch  die  Korrektur,  die  den  ausdrucks- 
vollen Phantasiekopf  des  Sterbenden  in  die  Kopie  irgendeines  leeren  Porträts 
verwandelte,  entschieden  verloren.  Auf  allen  Blättern  ist  das  Milieu  nur  andeutungs- 
weise gegeben.  Beim  „Mitleidigen  Soldaten"  und  „Braven  Tambur"  kommt  durch 
das  zigeunermäßige  Aussehen  der  Kinder  Ungarn  als  Ort  der  Handlung  noch 
am  deutlichsten  zum  Ausdruck. 

So  gut  alle  diese  Lithographien  sind,  so  entbehren  sie  doch  der  Ursprünglichkeit 
und  Kraft  derjenigen,  deren  Vorwürfe  vom  Künstler  mit  eigenen  Augen  geschaut 
sind,  und  teilen  mit  den  Versen,  die  einmal  Johann  Nepomuk  Vogl  zum  Autor 
haben,  eine  gewisse  nicht  ganz  angenehme  Sentimentalität. 

Viel  lebendiger  und  stärker  und  überhaupt  eine  der  vorzüglichsten  Leistungen 
Pettenkofens  auf  dem  Gebiete  der  Lithographie  ist  das  Blatt  mit  der  sogenannten 
Einnahme  von  Brescia.  Dieser  Titel,  der  mit  Bleistift  auf  das  aus  der  Sammlung  • 
Franz  Gauls  in  die  "Wiener  Hofbibliothek  gekommene  Exemplar  geschrieben  steht, 
ist  aller  W^ahrscheinlichkeit  nach  falsch.  Einmal  hätte  Pettenkofen,  wenn  schon  nicht 
von  Italien  her,  so  doch  aus  den  Zeitungsberichten  wissen  müssen,  daß  Brescia 
am  Gebirge  liegt.  Dann  wäre  das  Blatt  die  einzige  realistische  Kriegsszene,  die 
Pettenkofen  im  Jahre  1849  lithographiert  hätte  und  die  nicht  in  Ungarn  spielte. 
Der  Schauplatz  der  Lithographie  ist  vielmehr  wahrscheinlich  abermals  Ungarn; 
dafür  sprechen  die  ebene  Lage  der  im  Hintergrund  angedeuteten  Stadt  und  die 
Gestalt  der  Wagen,  die  im  Vordergrund  von  den  Soldaten  schleunig  bestiegen 
werden.  Ein  Aquarell  Pettenkofens,  das  uns  aber  nicht  zu  Gesicht  gekommen  ist, 
führt  in  einem  Auktionskatalog  den  Titel  „Schlacht  bei  Raab".  Vielleicht  behandelt 
es  denselben  Gegenstand  wie  die  in  Rede  stehende  Lithographie,  zu  der  sich,  wie 
schließlich  bemerkt  sei,  eine  vorzügliche  lavierte  Bleistiftskizze,  die  sich  jetzt  im 
Budapester  Museum  befindet,  erhalten  hat. 

Sonst  sind  vom  Jahre  1849  noch  zwei  ganz  große  Blätter  datiert,  die  den  jungen 
Kaiser  Franz  Josef  zu  Pferd  inmitten  seiner  Generale  und  Feldmarschall  Radetzky, 
den  „Sieger  von  Novara",  und  seinen  Stab,  ebenfalls  beritten,  darstellen.  Ihnen 
gesellt  sich  eine  dritte  gleich  große  zu,  die  auf  ähnliche  Weise  Haynau,  den 
blutigen  Mann  von  Brescia,  Pest  und  Arad,  zeigt.  Allen  drei  Blättern,  so  gut  die 
Porträte  und  die  Pferde  —  es  sind  die  größten  und  sorgfältigsten  Pferdedarstel- 
lungen, die  Pettenkofen  bisher  geschaffen  hat  —  sind,  merkt  man  es  gleichwohl 
an,  daß  es  bestellte,  mehr  um  des  Verdienstes  willen  als  aus  Lust  gemachte 
Arbeiten  sind. 

Zwei  andere  Blätter  vom  Jahre  1850  stellen  sich  deutlich  als  Ergänzungen  der 
ersten  Reihe  von  Szenen  vom  ungarischen  Kriegsschauplatz  dar.  Das  eine,  der 
„Ungarische  Landsturm",  kann  als  das  vorzügliche  Gegenstück  zur  „Überfallenen 
Feldpost"  gelten,  das  andere,  die  Heldentat  des  Korporals  Angelo  Ferrarini, 
eines  Kreß-Cheveauxlegers,^")  schließt  sich  am  engsten  dem  Gruppenbild  der  Unter- 
offiziere dieses  Reiterregiments  im  Lager  von  Acs  an. 

Wie  ein  versöhnender  Epilog  zum  Jahre  1848  mutet  das  Blatt  „Die  Amne- 
stierten" an.  Es  stellt  zwei  Männer  dar,  die  von  der  Höhe  herab  an  einem  Weg- 


34 


Mann  und  Frau. 


Lithographie  aus  den  „Wiener  Bildern".   1848. 


weiser,  der  „nach  Wien"  zeigt,  gerührt  die  Donau  und  den  Stefansturm  grüßen. 
Die  offenbar  aus  Verkaufsrücksichten  vorgenommenen  Änderungen  an  der  Litho- 
graphie (die  Schrift  auf  dem  Arm  des  Wegweisers  ist  verlöscht,  der  Turm  der 
Stadt  ist  abgetragen  und  die  Null  der  Jahreszahl  ist  mit  einer  Sechs  überschrieben) 
müssen   nicht   einmal  von   Pettenkofen   selbst  herrühren.     Auch  dieses  Thema  ist 


35 


5* 


als  Aquarell  behandelt.  Sämtliche  drei  Blätter  sind  bei  L.  T.  Neumann  er- 
schienen. 

Die  Daten  1850  und  1851  finden  sich  auf  elf  Blättern,  die  Pettenkofen  zu  dem 
Bilderwerk  „Die  k.  k.  österreichische  Armee"  beigesteuert  hat.  Die  übrigen  fünf- 
undzwanzig sind  in  den  Jahren  1852  und  1853  von  Anton  Straßgschwandtner  litho- 
graphiert worden.  Das  Werk  ist  abermals  von  Alois  Leykum  verlegt  und  diesmal 
Seiner  Majestät  dem  Kaiser  Franz  Josef  I.  gewidmet. 

Merkt  man  auch  diesen  Lithographien  Pettenkofens  wieder  an,  daß  sie  durch- 
aus nicht  mit  ganzer  Seele  geschaffen  sind,  so  sind  dafür  seine  „Zwölf  Scenen  aus 
der  Ehren-Halle  des  k.  k.  Militär-Fuhrwesens-Corps"  vom  Jahre  1851  vollwertige 
Leistungen.  Schon  der  Umstand,  daß  alle  Vorwürfe  auch  als  Aquarelle  behandelt 
sind,  beweist,  daß  der  Künstler  mit  Lust  und  Liebe  bei  der  Arbeit  war.  Was  ihn 
daran  besonders  interessiert  haben  mag,  ist  das  Pferd,  das  er  hier  zum  ersten 
Mal  höchst  mannigfaltig  bewegt  und  überdies  in  respektabler  Größe  darstellen 
konnte.  Bei  den  Illustrationen  zum  „Erzherzog  Carl"  war  das  Format  zu  klein, 
bei  den  Suiten-Bildern  die  Haltung  der  Pferde  zu  gemessen  und  einförmig. 

Bei  den  Heldentaten  des  Fuhrwesens-Corps'  ist  in  technischer  Hinsicht  zu  be- 
merken, daß  auf  ihnen  mehr  gekratzt  ist  als  auf  den  anderen  auf  den  ungarischen 
Feldzug  zurückgehenden  Blättern.  Auch  auf  den  Uniformblättern  der  Jahre  1850 
und  1851  ist  dies  der  Fall.  Doch  ist  die  Nadel  nicht  bloß  und  nicht  so  sehr  dazu 
verwendet,    Lichter    aufzusetzen,    als   vielmehr    dazu,   Zeichenfehler   auszubessern. 

Den  Heldentaten  des  Fuhrwesens-Corps'  kommt  noch  darum  eine  erhöhte  Be- 
deutung zu,  weil  es  die  letzten  Lithographien  sind,  die  Pettenkofen  geschaffen  hat. 
Fünfzehnjährig  hatte  er  zu  lithographieren  begonnen,  neunundzwanzig  Jahre  war 
er  alt,  als  er  zu  lithographieren  aufhörte,  und  in  den  achtunddreißig  Jahren,  die 
es  ihm  noch  zu  leben  vergönnt  war,  nahm  er  —  vielleicht  von  einer  einzigen  ge- 
ringfügigen Ausnahme  abgesehen  —  die  lithographische  Kreide  nie  mehr  in  die 
Hand.  Diese  Ausnahme  sei  gleich  hier  verzeichnet:  es  gibt  eine  Lithographie  von 
Franz  Xaver  Sandmann,  nach  dem  Projekt  von  Hauser,  Feszl  und  Gerster  den 
israelitischen  Tempel  in  Pest  darstellend.  Auf  dem  Exemplar  der  Sammlung 
Dr.  Heymanns  nun  ist  mit  Bleistift  bemerkt,  daß  die  Figuren  von  Pettenkofen  her- 
rühren. Dies  scheint  der  flotte  nervöse  Stil  der  Staffage,  die  im  auffallenden  Gegen- 
satze zur  glatten  und  sauber  gezeichneten  Architektur  steht,  zu  bestätigen.  Für 
Pettenkofen  spricht  auch  die  reichliche  Handhabung  der  Nadel.  Sandmann  hat 
wahrscheinlich  schon  1843-44  am  Album  der  Künstler  W^iens  mitlithographiert,  für 
das  Pettenkofen  die  „Heilige  W^egzehrung"  beistellte.  Wenigstens  ist  das  Mono- 
gramm X.  S.  auf  Nummer  13,  der  „Ideal  Landschaft",  am  ehesten  auf  ihn  zu  deuten. 

Daran,  daß  Pettenkofen  seit  dem  Jahre  1851  nicht  mehr  lithographiert  hat,  sind 
sicher  mehrere  Gründe  schuld.  Veranlassung  dazu  waren  jedenfalls  seine  Reise 
nach  Paris  und  die  völlig  geänderten  Umstände,  in  denen  er  dort  lebte  und 
arbeitete.  Als  Ursachen  aber  könnten  vielleicht  angeführt  werden:  die  ihm  durch 
den  Pariser  Aufenthalt  gewordene  oder  bestätigte  Erkenntnis,  daß  er  vor  allem 
Maler  und  die  Farbe  für  ihn  das  geeignetste  Mittel  sei,  das,  was  er  künstlerisch 
wollte,    auszudrücken,    ferner   die   unliebsame   Erinnerung   an  manche  nur  wider- 


36 


13.  März   1848.  Erster   Angi  1 


Kavallerie  vor  dem  bürgerlichen  Zeughaus. 


Lithographie.    1848. 


willig  geleistete  und  von  ihm  selbst  künstlerisch  niemals  für  voll  angesehene  Brot- 
arbeit, die  sich  für  ihn  mit  der  Lithographie  verknüpfte,  und  endlich  die  Einsicht, 
daß  ungefähr  um  das  Jahr  1850  die  Lithographie  ihren  Höhepunkt  erreicht  hatte 
und  es  von  da  an  mit  ihr  bergab  gieng. 

Wenn  schon  nicht  zur  Lithographie,  die  dann  längst  aus  der  Mode  gekommen 
war,  so  doch  zur  Schwarz-Weiß-Kunst  sollte  Pettenkofen  aber  am  Ende  seines 
Lebens,  in  den  achtziger  Jahren,  nochmals  zurückkehren. 

Der  Abschied  von  Pettenkofens  Lithographien  verlockt  zum  Versuch  einer 
ästhetischen  Analyse  dessen,  was  er  auf  diesem  Gebiete  geleistet  hat. 

Dabei  müssen  natürlich  die  ersten  unsicheren  Schritte  des  Anfängers  ebenso 
außer  Betracht  bleiben  wie  diejenigen  Blätter,  die  deutlich  die  Unlust  an  der  Brot- 
arbeit zur  Schau  tragen.  W^as  übrig  bleibt,  der  schlackenlose  Kern  seines  graphi- 
schen Oeuvres,  läßt  sich  vielleicht  folgendermaßen  charakterisieren:  Zeichnerische 
Tüchtigkeit,  die  stetig  wächst,  ist  gepaart  mit  einem  ungewöhnlichen  malerischen 
Feingefühl.  Gewisse  Blätter  wirken  geradezu  farbig.  Schon  früh  verrät  sich  die 
von  kritischer  Veranlagung  und  Selbstbeherrschung  zeugende  hohe,  seltene  Kunst, 
rechtzeitig  aufhören,  dem  Werk  den  Reiz  der  frischen  Unmittelbarkeit  des  ersten 
Entwurfes  bewahren  zu  können,  es  nicht  durch  allzu  weitgetriebenes  Vollenden  in 
seiner  Wirkung    zu    beeinträchtigen.    Treuer   Naturalismus   zeigt   sich   von   gutem 


37 


Geschmack  überwacht  und  geleitet  und  ist  von  erfindungsreicher  Kompositions- 
kraft mit  künstlerischem  Leben  erfüllt.  Ungewöhnliche  Charakterisierungsgabe  be- 
fähigt zur  erfolgreichen  Darstellung  der  Affekte  des  Menschen,  wie  sie  sich  in 
dessen  Mienen  und  Gesten  spiegeln.  Auch  dem  Schritte,  der  von  hier  aus  auf  das 
Gebiet  der  Karikatur  hinüberführt,  folgt  das  Gelingen.  Über  behaglichen  Humor 
und  scharfe  Satire  verfügt  der  Künstler  in  gleichem  Maße.  Er  vermag  Lachen  zu 
erregen  und  zu  rühren,  zu  ergreifen.  Eigener  Erzählungsgabe  und  der  Fähigkeit, 
sich  in  die  Vorstellung  eines  anderen  hineinzuleben  und  Gelesenes  in  Bilder  um- 
zuschaffen,  entspringt  die  vorzügliche  Eignung  zum  Illustrator.  Im  Mittelpunkt  von 
des  Künstlers  Interesse  steht  der  Soldat  oder  besser  gesagt:  der  Krieg.  Im  kleinen 
Format  gelingen  ihm  ungemein  anschauliche  äußerst  lebhafte  Kampf szenen.  Selbst 
die  gesteigertsten  Bewegungen  von  Menschen  und  Pferden  weiß  er  überzeugend  fest- 
zuhalten. Trefflich  beobachtete  Pferde  spielen  auf  seinen  militärischen  Blättern  eine 
große  Rolle.  Auf  diesen  tritt  als  Ort  der  Handlung  Ungarn  hervor.  Die  Landschaft  als 
solche  freilich  steht  gegenüber  dem  Figuralen  fast  ganz  zurück.  Aber  auch  das  klein- 
bürgerliche Genre  mit  Wien  als  Hintergrund,  hier  auf  den  Lithographien  humoristisch 
gefaßt,  ist  flott  und  trefflich  behandelt.  Hervorzuheben  ist  der  sinnliche  Reiz,  mit  dem 
des  Künstlers  Frauengestalten  begabt  sind.  Eine  leichte  Neigung  zu  pikanter  Schilde- 
rung läßt  sich  nicht  verkennen.  Nicht  unterschätzt  darf  die  Bedeutung  der  Bildnisse 
werden,  die  sich  dort,  wo  sie  auf  Autopsie  beruhen  und  mit  Lust  gezeichnet  sind,  mit 
den  besten  damals  in  Wien  geschaffenen  messen  können.  All  diese  mannigfaltigen 
Neigungen  und  Begabungen  sind  von  einem  starken  Temperament  durchglüht. 

So  ist  der  Rang,  den  Pettenkofen  unter  den  Maler-Lithographen  während  der  ersten 
Blütezeit  von  Alois  Senefelders  Technik  einnimmt,  ein  hoher.  Unter  denWienern  steht  er 
sicher  in  der  ersten  Reihe,  da  aber  Wien  in  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts  eigent- 
lich der  einzige  Platz  ist,  der  sich  auf  dem  Gebiete  der  Steinzeichnung  mit  Paris 
messen  kann,  so  wird  er  als  Lithograph,  wenn  man  wie  billig  den  bahnbrechenden 
Franzosen  den  Vortritt  läßt,  doch  gleich  nach  diesen  genannt  werden  müssen. 

Wurde  oben  bereits  in  einzelnen  Fällen  des  Einflusses  gedacht,  den  dieser  oder  jener 
französische  Meister  auf  Pettenkofen  ausgeübt  hat,  so  sei  im  folgenden  von  einem  allge- 
meinen Gesichtspunkt  aus  die  Vorbildlichkeit  der  französischen  Lithographie  für  die  öster- 
reichische, so  weit  sie  durch  Pettenkofen  und  seinen  Kreis  vertreten  wird,  kurz  berührt. 

Daß  im  Lande  Napoleons  die  junge  graphische  Technik  der  Steinzeichnung  be- 
sonders zur  Darstellung  militärischer  Szenen  ausgenützt  wurde,  ist  von  vorneherein 
verständlich.  Victor  Adam,  Hippolyte  Beilange,  Nicolas  Charlet,  Jean  Marlet  und 
Auguste  Raffet  haben  hunderte  von  Lithographien  geschaffen,  größtenteils  vor- 
zügliche Arbeiten,  die  in  Ernst  und  Scherz  den  Soldaten  zum  Hauptgegenstand 
haben.  Sieht  man  diese  Blätter  durch,  so  erkennt  man,  daß  sie  nicht  nur  für  den 
Wiener  Künstler,  sondern  auch  für  dessen  Verleger  in  inhaltlicher  und  formaler 
Hinsicht  Anregungen  geboten  haben.  So  findet  sich  die  Anordnung  von  Haupt- 
und  Nebenszenen  auf  einem  Blatte,  wie  sie  etwa  auf  Pettenkofens  und  Weixl- 
gärtners  zwei  Lithographien  „K.  k.  österreichische  Armee"  oder  auf  Pettenkofens 
erster  militärischer  Folge  vorkommt,  bereits  auf  Blättern  wie  z.B.  dem  von  Victor 
Adam  im  Vereine  mit  Nicolas  Maurin  geschaffenen,  das  in  neun  Bildern  die  Ge- 


38 


Entwurf  zur  Lithographie    „Eine  der   60  Barricaden  ...  am   26.  Mai   1848  ...".  Lavierte  Bleistiftzeichnung.    1848. 

Budapest,  Museum  der  schönen  Künste. 

schichte  Napoleons  erzählt,  oder  dem,  das  Victor  Adam  allein  gehört,  „Aux  braves 
de  Mazagran"  betitelt  ist  und  außer  der  Hauptszene  in  der  Mitte,  am  oberen  und 
am   unteren   Rande  je   zwei   kleine    Szenen    zeigt.    Die    ungemein    figurenreichen 


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Kompositionen  der  kleinen  Felder  des  ersten  Blattes  wieder  können  vorbildlich  für 
die  Schlachtenszenen  im  „Erzherzog  Carl"  gewesen  sein  —  das  Thema  ist  hier 
wie  dort  ja  das  gleiche,  nur  von  zwei  entgegengesetzten  Standpunkten  aus  be- 
trachtet: die  Napoleonischen  Kriege.  Von  Charlet  gibt  es  große  Blätter,  noch  vor 
1830  entstanden,  die  sich  deutlich  als  Vorlagen  zur  Serie  der  Heldentaten  des 
Fuhrwesens-Corps'  darstellen.  Auch  hier  sind  in  der  ausführlichen  Legende  der 
Name  und  der  Rang  und  die  Truppengattung  des  Soldaten,  seine  Herkunft,  seine 
Tat  und  deren  Ort  und  Zeit  angegeben.  Zum  Vergleich  mit  dem  Texte  eines  be- 
liebigen Blattes  aus  den  Heldentaten  sei  in  der  Anmerkung'")  ein  französischer 
Text  abgedruckt.  Daß  die  sentimentalen  Soldatenszenen,  denen  Gedichte  beige- 
geben sind,  gleichfalls  von  älteren  französischen  Lithographen  abhängig  sind,  kann 
ebenso  begründet  werden.  Ein  undatiertes,  aber  wahrscheinlich  noch  dem  Ende  der 
zwanziger  Jahre  angehöriges  Blatt  von  Bellang^,  das  einen  verwundeten  zerlumpten 
Soldaten  mit  seinem  Hund  vor  einem  Wegweiser  darstellt,  auf  dem  „France"  zu 
lesen  steht,  sei  als  Beispiel  genannt.  Das  Bild  ist  von  einer  Strophe  keines  Ge- 
ringeren als  Beranger  begleitet,  die  abermals  vergleichshalber  in  der  Anmerkung") 
mitgeteilt  sei.  Daß  sich  die  lithographierten  Folgen  mit  Uniformen  bereits  früh- 
zeitig in  Frankreich  nachweisen  lassen,  ist  eigentlich  überflüssig  zu  erwähnen. 
Charlet,  Beilange  und  Raffet  haben  solche  geschaffen.  Das  Pferd  als  Hauptthema 
war  von  Gericault  und  Carle  Vernet  behandelt  worden.  Mit  humorvollen  graziösen 
Genreszenen,  in  deren  Mittelpunkt  stets  die  unübertrefflich  geschilderte  Pariserin 
aller  Gesellschaftskreise  steht,  war  Gavarni  vorangegangen.  Doch  ist  zu  sagen, 
daß  der  galante  Charakter  seiner  Blätter  von  keinem  Wiener  nachgeahmt  wurde. 
Schließlich  sei  bemerkt,  daß  die  Pariser  Lithographen  sogar  in  der  Darstellung 
einer  Revolution  den  Vorrang  behaupten:  Charlet,  Beilange,  Adam  und  Raffet 
haben  die  Julirevolution  des  Jahres  1830  mit  lithographischen  Aufnahmen  be- 
gleitet. 

Gilt  das  bisher  Gesagte  der  inhaltlichen  Beeinflussung  Pettenkofens  und  seiner 
Verleger  durch  die  Franzosen,  so  sei  nun  noch  in  Ergänzung  des  bei  den  ein- 
zelnen Arbeiten  Angemerkten  ein  Wort  der  technischen  Abhängigkeit  des  Künstlers 
von  ihnen  gewidmet.  Jedenfalls  steht  fest,  daß  er  jene  Mischtechnik,  die  sich  außer 
der  Kreide  auch  noch  des  Pinsels,  der  Feder  und  der  Nadel  bedient,  von  den 
Franzosen  übernommen  hat.  Beispielsweise  sei  ein  vom  Jahre  1828  datiertes  Blatt 
Bellang^s,  Nr.  24  einer  uns  sonst  unbekannten  Serie  von  „Croquis"  erwähnt.  Es 
stellt  einen  Grenadier  dar,  der  einem  Landmädchen  schön  tut,  einen  alten  Bauer, 
der  mit  Napoleon  spricht,  ein  Mädchen,  einen  Soldaten  und  noch  einen  Soldaten, 
der  auf  dem  Boden  liegt.  Schon  auf  diesem  Blatte  ist  die  eben  geschilderte  Misch- 
technik angewendet,  und  bald  in  eingeschränkterem,  bald  in  ausgedehnterem  Maße 
kommt  sie  bei  allen  oben  genannten  französischen  Lithographen  vor.  Unter  den 
Wiener  Steinzeichnern  scheint  nur  Pettenkofen  sie  sich  angeeignet  zu  haben. 
Wenigstens  läßt  sie  sich  in  halbwegs  reichlicherer  Verwendung  kaum  bei  jemand 
anderem  nachweisen.  Die  übrigen  Wiener  haben  die  reine  Kreide  oder  die  reine 
Federzeichnung  bevorzugt.  Was  jedoch  den  das  W^eiß  aussparenden  Ton  betrifft, 
so  scheint  er  eine  Wiener  Spezialität  zu  sein.    Wohl   aber  findet  sich  der  einfach 


40 


Einzug  des  Frühlings. 


Lithographie. 


und  ununterbrochen  von  einer  zweiten  Steinplatte  gedruckte  Ton  —  auch  dieser 
erscheint  freilich  nicht  allzu  häufig  —  oder  der  durch  untergeklebtes  Chinapapier 
erzeugte  auch  bei  den  Franzosen. 

Diesen  dem  Inhalt  und  der  Form  von  Pettenkofens  Lithographien  gewidmeten 
allgemeinen  Bemerkungen  möge  sich  eine  kurze  Erörterung  der  Signaturen,  die 
sich  auf  ihnen  finden,  anreihen.  Berücksichtigt  sollen  bloß  diejenigen  werden,  die 
vom  Künstler  selbst  innerhalb  der  Bildflächen  lithographiert  sind. 


41 


-ij; 


■—jJ-r 


■^^  ■  ^^i,n 


'■  'Ä^^-v^  ^iJ'^V 


österreichische  Soldaten  besteigen  Wagen.  Bleistiftzeichnung.  1849. 


Budapest,  Museum  der  schönen  Künste. 


Der  Name  von  Pettenkofens  Vater  ist  in  den  Urkunden  immer  „Pettenkoffer" 
geschrieben,  jedenfalls  stets  mit  „r"  am  Schlüsse,  Perth  schreibt  ihn  abwechselnd 
mit  einem  und  mit  zwei  „f",  aber  auch  immer  mit  „r"  am  Ende.  „Pettenkoffer" 
lautet  auch  der  Name  des  Künstlers  in  sämtlichen  Akademieprotokollen  und  in 
den  Akten  des  Kriegsarchivs  und  der  Fachrechnungsabteilung  des  Kriegsmini- 
steriums, und  ebenso  signiert  der  fünfzehnjährige  Knabe  auf  der  vom  Jahre  1837 
datierten  Lithographie,  dem  Christuskopf  in  der  Art  Renis  in  der  Albertina.  Der 
Taufschein  gibt  als  Vornamen  „August  Xaver  Carl"  an,  und  dementsprechend 
heißt  der  Jüngling  in  den  Schülerlisten  der  Akademie  mit  einer  einzigen  Ausnahme 
(bezeichnenderweise  im  Protokoll  59 '/i  vom  Schuljahre  1849-50,  wo  als  Vorname 
Carl  eingetragen  erscheint)  und  in  den  militärischen  Akten  „August"  und  so  nennt 
sich  auch,  nach  dem  Initial  „A"  zu  schließen,  der  Knabe  auf  der  Lithographie  vom 
Jahre  1837.  Das  „n"  statt"  des  „r"  am  Schlüsse  kommt  zum  ersten  Male  auf 
Signaturen  des  Jahres  1848  vor.  Das  Blatt  mit  den  ihre  Schätze  vergrabenden 
Jesuiten  ist  „A.  Pettenkoffen"  signiert,  das  mit  dem  „Ersten  Angriff  der  Kavallerie 
vor  dem  Zeughaus"  „Betenkofen".  Mit  „B"  geschrieben  findet  sich  der  Name  nur 
noch  aijf  den  beiden  mit  Ölfarben  gemalten  Porträten  des  Ehepaares  Imredy  vom 
Jahre  1848    und  zweimal   in  Monogrammen,    das    eine  Mal   auf  der   Lithographie 


42 


Osterreichische   Soldaten  besteigen  Wagen  (sogenannte   „Einnahme  von  Brescia").  Lithographie.   184g. 

Wien,  K.  k.  Hofbibliothek. 


mit  der  Wiener  Bürgerkavallerie  vom  Jahre  1847:  „A.  B.",  das  andere  Mal  auf 
dem  Blatte  mit  der  Eröffnung  des  ungarischen  Reichstages:  „C.  B."  vom  Jahre 
1848,  wobei  daran  erinnert  sei,  daß  1849-50  Pettenkofen  auch  im  Akademie- 
protokoll den  Vornamen  „Carl"  hat.  Die  Lithographie  mit  dem  sogenannten  Sturm 
auf  Brescia  vom  Jahre  1849  ist  „C.  Pettenkofen"  signiert  und  von  diesem  Jahre 
an  bis  zum  Jahre  1851,  dieses  mitgezählt,  können  „C.  A.  P."  und  „C.  A.  Petten- 
koffen"  als  die  gewöhnlichen  Signaturen  gelten.  Obwohl  die  Schreibung  mit  „r" 
am  Ende  (beim  vierten  Blatt  der  „K.  k.  österreichischen  Armee"  „C.  A.  Petten- 
kofer")  noch  1850  anzutreffen  ist,  so  darf  doch  die  mit  dem  „n"  am  Schlüsse  vom 
Jahre  1848  an  als  die  normale  angesehen  werden.  Vom  Jahre  1849  ab  verdrängt 
auch  das  einfache  „f"  das  Doppel- „f". 

Bezüglich  der  Aussprache  des  Namens  Pettenkofen  sei  folgendes  bemerkt: 
Heute  wird  der  Ton  auf  die  erste  Silbe  gelegt;  im  alten  Wien  scheint  die  vor- 
letzte Silbe  betont  und  überdies  die  zweite  Silbe  „ten"  ähnlich  einem  „tin"  ge- 
sprochen worden  zu  sein,  womit  wieder  zusammenhängen  dürfte,  daß  sich  das 
„k"  in  ein  „gh"  verwandelte.  Daher  böte  die  Schreibung  „Pettinghofen",  wie  sie 
sich  in   einem  Auktionskatalog'')   bei  Zeichnungen,    von   denen   der  Autor   freilich, 


43 


da  er  sie  weder  in  den  Originalen  noch  in  Reproduktionen  kennt,  nicht  sagen  kann, 
ob  sie  auch  tatsächlich  echt  sind,  an  und  für  sich  als  eine  rein  phonetische  noch 
keinen  Anlaß,  die  Identität  des  Zeichners  mit  Pettenkofen  in  Frage  zu  ziehen.  Das  „h" 
allein  statt  des  „k"  kommt  in  der  mit  Druckbuchstaben  lithographierten  Namens- 
angabe auf  dem  Blatte  mit  dem  „Ersten  Angriff  der  Kavallerie  vor  dem  bürger- 
lichen Zeughaus"  vor,   wo  der  Name  des  Künstlers  „Bettenhofer"  geschrieben  ist. 

Daß  Pettenkofen,  wie  man  häufig  erzählen  hört,  das  „r"  am  Ende  seines  Na- 
mens nur  deshalb  in  „n"  abänderte,  um  sich  von  seinem  Bruder  Ferdinand  zu 
unterscheiden,  der  auch  malte,  und  zwar  schlecht  und  ähnliche  Sujets  wie  August, 
ist  darum  unwahrscheinlich,  weil  die  Schreibung  mit  „n"  am  Schlüsse  seit  dem 
Jahre  1848  nachweisbar  ist  und  Ferdinand,  der,  wie  wir  schon  gehört  haben,  bis 
zum  Jahre  1854  aktiv  war,  vor  seinem  Abschied  sicherlich  keine  Bilder  für  den 
Verkauf  gemalt  haben  wird.  Dagegen  wird  es  richtig  sein,  daß  Ferdinand  mit 
Rücksicht  auf  seinen  Bruder  oder  auf  dessen  Geheiß  seine  Bilder  nicht  mit  „Pet- 
tenkofen" signierte,  sondern  mit  einem  Pseudonym,  am  öftesten  mit  „Fernand". 
Daß  der  berühmte  Münchener  Chemiker  und  Begründer  der  experimentalen  Hy- 
giene Max  Pettenkofer  hieß  und  mit  dem  Maler  ungefähr  gleichalterig  war,  sei  nur 
nebenher  bemerkt.  Daß  es  sein  Name  war,  der  den  Künstler  veranlaßt  hätte,  den 
seinen  zu  ändern,  ist  von  vorneherein  unwahrscheinlich. 

Von  gleichem  Werte  wie  die  in  Kunsthändler-  und  Sammlerkreisen  verbreitete 
Motivierung  der  geänderten  Schreibweise  von  Pettenkofens  Namen  ist  auch  die 
ebendort  zu  vernehmende  Erklärung,  warum  Pettenkofen  so  viele  seiner  Litho- 
graphien mit  Pseudonymen  signiert  habe:  er  hätte  es  wegen  der  Zensur  getan. 
Die  Zensur  aber  kann  gewiß  nicht  der  Grund  sein,  sonst  wären  doch  so  völlig 
harmlose  Blätter  wie  „Die  große  Lotterie",  der  „Vielka-Fieber-Traum",  der  „Affen- 
komödie-Enthusiasmus" im  „Kobold"  nicht  mit  „I.  S.",  „L.  W."  und  „L.  P."  und 
das  nicht  minder  unschuldige  „Der  Spekulant"  im  „Staberl"  mit  „S.  N."  signiert. 
Bei  den  mit  Pseudonymen  Monogrammen  signierten  Blättern  des  „Kobold"  ist 
überdies  Pettenkofens  Name  im  Inhaltsverzeichnis  genannt!  Das  „A.  B."  auf  dem 
Blatte  mit  der  „Wiener  Bürgerkavallerie"  muß  ebenso  wenig  als  Pseudonym 
aufgefaßt  werden,  wie  das  „C.  B."  auf  dem  mit  der  „Eröffnung  des  ungarischen 
Reichstages".  Wissen  wir  doch,  daß  sich  der  Künstler  nicht  nur  „August", 
sondern  auch  „Carl"  genannt  und  selber  seinen  Zunamen  auch  „Betenkofen" 
geschrieben  hat.  Eher  könnten  diese  Signaturen  als  verschleierte  Namens- 
nennungen bezeichnet  werden  und  wären  als  solche  bei  dem  einstigen  Soldaten, 
der  einerseits  bürgerliches  Militär  und  anderseits  die  Eröffnung  des  Parlaments 
im  feindlichen  Bruderland  darstellt,  ganz  wohl  verständlich.  Als  ähnliche  Ver- 
schleierungen könnten  vielleicht  auch  offenbar  absichtlich  undeutliche  Schreibungen, 
wie  z.  B.  die  als  „NR"  zu  lesenden  Monogramme  auf  den  Blättern  mit  dem 
Schuljungen,  der  Redefreiheit  verlangt,  und  mit  dem  Herrn,  der  auf  dem  Eise 
einbricht  und  dem  überdies  die  Uhr  gezogen  wird,  in  den  „Wiener  Bildern" 
aufgefaßt  werden.  Möglicherweise  wären  die  beiden  Monogramme  „L.  M."  und 
„J.  H.",  jenes  in  den  „Wiener  Bildern"  nicht  weniger  als  fünfmal,  dieses  auf  zwei 
Blättern  der  „Bewegung",  mit  der  Zensur  in  Zusammenhang  zu  bringen.  Dagegen 


44 


TAFEL  III 

ÖSTERREICHISCHE   INFANTERIE,    IN   EINEM   DORF   KAMPIEREND.   UN- 
VOLLENDETES AQUARELL.  WIEN,  EUGEN  MILLER  V.  AICHHOLZ. 


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TAFEL  IV 

ÖSTERREICHISCHE  ARTILLERIE,  IN  EIN  DORF  EINRÜCKEND.  UNVOLL- 
ENDETES AQUARELL.  WIEN,  EUGEN  MILLER  V.  AICHHOLZ. 


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Soldat,  einen  Toten  schleppend.   Aquarell. 


Budapest,  Museum  der  schönen  Künste. 


muß  aber  wieder  eingewendet  werden,  daß  die  beiden  „Wiener  Bilder",  das  eine 
mit  dem  Bäcker,  dem  der  Gugelhupf  gebracht  wird,  das  andere  mit  den  beiden 
Choristinnen,  die  sich  mit  dem  statierenden  Soldaten  unterhalten,  mit  „A.  P."  sig- 
niert sind,  obgleich  die  beiden  begleitenden  Texte  recht  verfängliche  Bemerkungen 
über  das  Schießen  aufs  Volk  enthalten.  Aber  nicht  nur  Pseudonyme  Monogramme, 
sondern  auch  ganze  pseudonyme  Namen  kommen  vor.  Unter  ihnen  wäre  die 
Signatur  „S.  Mayer"  auf  dem  doch  gewiß  völlig  unbedenklichen  Blatte  mit  dem 
Einzug  des  Frühlings  durchaus  unverständlich,  sollte  sie  der  Zensur  wegen  ge- 
wählt sein.  Dagegen  könnten  auf  diese  möglicherweise  die  Signaturen  „R.  Limer" 
und  „L.  Reitmayer"  auf  zwei  Blättern  der  „Bewegung"  zurückgeführt  werden; 
desgleichen  die  unleserliche  Unterschrift  ,,Heidog"(?)  auf  dem  anscheinend  nicht 
publizierten  Blatte  mit  den  beiden  österreichischen  Generalen  auf  der  Landkarte 
Italiens.  Doch  möchte  man  gerade  bei  einem  Blatte  wie  diesem  raten,  daß  der 
ehemalige  Soldat,  der  selber  den  heißen  italienischen  Boden  kennen  gelernt  hatte 
und  das  unerschütterliche  Vertrauen  der  Armee  zu  Vater  Radetzky  unzweifelhaft 
geteilt  haben  wird,  den  kurzsichtigen  Hohn  des  Textes,  den  er  zu  illustrieren 
hatte,  nicht  billigte  und  darum  seinen  Namen  verbarg.  Daß  das  scharfe  Blatt  mit 
den  Jesuiten,  die  ihre  Schätze  vergraben,  mit  dem  vollen  Namen  signiert  und  da- 
tiert ist,  könnte  seine  Erklärung  in  der  Aufhebung  der  Zensur  finden. 

Daß  viele  Lithographien  ganz  ohne  Signatur  gelassen  sind,  braucht  wohl  kaum 
eigens  erwähnt  zu  werden. 


45 


Auf  Gemälden  kommen  unseres  Wissens  Pseudonyme  nur  zweimal  vor:  auf  dem 
im  Jahre  1842  in  Padua  gemalten  kleinen  Ölbildnis  von  Pettenkofens  Regiments- 
kameraden Kreb,  wo  die  Signatur  „Ringen"  lautet,  und  auf  dem  Aquarell  mit  dem 
Bauernwirt  aus  Zell  am  Ziller  vom  Jahre  1856,  wo  sich  Pettenkofen  als  „Treu- 
freund" unterschrieben  hat. 

Zum  Schlüsse  dieser  den  Lithographien  gewidmeten  Betrachtungen  seien  noch 
in  statistischer  Form  folgende  Wiederholungen  verzeichnet:  Pettenkofen  hat  wahr- 
scheinlich nach  einem  alten  Meister,  Guido  Reni,  bestimmt  nach  vier  zeitgenössi- 
schen Künstlern:  Adam  Brenner,  Peter  Johann  Nepomuk  Geiger  und  seinen  beiden 
Altersgenossen:  Karl  Schindler  und  Josef  Borsos  und  nach  zwei  Dilettanten:  dem 
Leutnant  Most  und  der  Baronin  Weiden  lithographiert. 

Die  Künstler,  mit  denen  zusammen  er  für  ein  und  dieselbe  Publikation  ge- 
arbeitet hat,  seien  in  alphabetischer  Reihenfolge  angeführt:  Carl  Agricola  (Album), 
Fritz  L'AUemand  (Album,  Erzherzog  Carl),  Rudolf  Alt  (Album),  Leopold  Brunner 
(Album),  Chradnurek  (?)  (Album),  Albert  Decker  (Album),  Eduard  Ender  (Album), 
Eduard  Engerth  (Album,  Erzherzog  Carl),  Franz  Eybl  (Album,  Huldigung  an  den 
Palatin  Josef),  Johann  Fischbach  (Album),  Francisque  (Kobold,  Staberl),  Friedrich 
Gauermann  (Album),  Peter  Johann  Nepomuk  Geiger  (Huldigung  an  den  Palatin 
Josef,  Erzherzog  Carl),  Carl  Peter  Goebel  (Album),  Josef  Hasslwander  (Erzherzog 
Carl),  Josef  Heicke  (Album),  Karl  Herbsthoffer  (Album),  Josef  Höger  (Album), 
Eduard  Kaiser  (Erzherzog  Carl),  Friedrich  Kaiser  (Kobold),  C.  KoUarz  (Erzherzog 
Carl),  Josef  Lanzedelli  (Bewegung),  B.  Lang  (Album),  Friedrich  Loos  (Album), 
J.  Mändl  (Erzherzog  Carl),  Siegmund  Ferdinand  Perger  (Album),  Johann  Matthäus 
Ranftl  (Album).  Wilhelm  August  Rieder  (Album,  Erzherzog  Carl),  Eduard  Ritter 
(Album),  Leander  Ruß  (Album),  Franz  Xaver  Sandmann  (Album?  Israelitischer 
Tempel  in  Pest?),  Schiller  (Kobold),  Ludwig  Ferdinand  Schnorr  von  Carolsfeld 
(Album),  Moritz  von  Schwind  (Erzherzog  Carl),  Anton  Straßgschwandtner  (K.  k. 
österreichische  Armee,  1850—1852),  Eduard  Swoboda  (Kobold,  Staberl),  Friedrich 
Treml  (Staberl),  Ferdinand  Georg  Waldmüller  (Album),  Franz  Weigl  (Album), 
Eduard  Weixlgärtner  (K.  k.  österreichische  Armee,  1845),  B.  Wengler  (Album), 
Anton  Zampis  (Kobold,  Staberl,  Wiener  Bilder,  Bewegung),  B.  Z.  (Bewegung). 

Pettenkofens  Lithographien  sind  bei  folgenden  Verlegern,  die  wieder  in  alpha- 
betischer Ordnung  angeführt  werden  mögen,  erschienen:  Bei  Gustav  Heckenast  in 
Pest  (Erzherzog  Carl),  bei  Johann  Höfelich  in  W^ien  —  auch  alle  anderen  Ver- 
leger Pettenkofens  sind  Wiener  —  (Kobold,  Staberl,  Bewegung),  Kaulfuß'  Witwe, 
Prandel  &  Co.  (Erzherzog  Carl),  Alois  Leykum  (Rast,  Rückhalt,  Bedenklichkeit, 
die  drei  Lithographien  nach  Karl  Schindlers  Bildern,  K.  k.  österreichisches  Militär, 
1847,  Wiener  Bilder,  K.  k.  österreichische  Armee,  1850-52),  H.  F.  Müller  (Album), 
L.  T.  Neumann  (K.  k.  österreichische  Armee,  sämtliche  Blätter  vom  ungarischen 
Feldzug,  fünf  Soldatenszenen  mit  Versen,  die  drei  Suitenbilder,  die  Amnestierten, 
Fuhrwesens-Corps),  A.  Paternos  Witwe  &  Sohn  (Erster  Angriff  der  Kavallerie,  drei 
Soldatenszenen  mit  Versen),  Matthias  Trentsenski  (Mandlbogen). 

Auch  die  Drucker  von  Pettenkofens  Lithographien  seien  in  alphabetischer  Reihen- 
folge   angeführt:    J.  Haller  (Die    Amnestierten),   Johann    Höfelich    (Eröffnung    des 


46 


Der  Reiter  und  sein  Roß. 


Lithographie.   1849-50. 


47 


ungarischen  Reichstages,  sämtliche  Blätter  vom  ungarischen  Feldzug,  vier  Soldaten- 
szenen mit  Versen,  die  drei  Suitenbilder,  Fuhrwesens-Corps),  Alois  Leykum  (die 
zwei  Schutzengel-Blätter,  K.  k.  österreichisches  Militär,  1847,  Wiener  Bürger- 
Kavallerie),  Johann  Rauh  (Album,  K.  k.  österreichische  Armee,  1845,  Erster  An- 
griff der  Kavallerie,  vier  Soldatenszenen  mit  Versen),  J.  P.  SoUinger  (?)  (Erzherzog 
Carl). 

Pettenkofens  Lithographien  seien  die  übrigen  von  ihm  während  seiner  ersten 
Wiener  Periode  geschaffenen  Arbeiten,  Bilder  und  Zeichnungen,  angereiht. 

Eine  angeblich  vorzügliche  Tuschzeichnung  nach  Rembrandt  muß  hier,  da  sie 
dem  Autor  nicht  zu  Gesicht  gekommen  ist  und  er  daher  weder  ihre  innere  noch 
ihre  äußere  Beglaubigung  hat  überprüfen  können,  mit  Stillschweigen  übergangen 
werden.  Das  in  dem  Auktionskatalog,  der  von  ihr  Kunde  gibt,")  mitgeteilte 
Datum  1830  wäre,  die  behauptete  hohe  Qualität  und  Echtheit  der  Zeichnung  vor- 
ausgesetzt, jedenfalls  falsch.  Der  achtjährige  Junge  kann  keine  „vorzügliche"  Kopie 
zustande  gebracht  haben,  da  die  des  doppelt  so  alten  noch  mäßig  genug  sind. 
Vielleicht  lautet  die  Jahreszahl  richtig  gelesen  1839. 

In  der  ersten,  1852  abgeschlossenen  Periode  von  Pettenkofens  künstlerischem 
Entwicklungsgang  steht  der  Maler  hinter  dem  Lithographen  zurück.  Pettenkofen 
hat  während  dieser  Zeit  nicht  nur  mehr  Lithographien  als  Bilder  geschaffen,  er 
erscheint  auch  als  Lithograph  früher  selbständig  denn  als  Maler.  Gleichwohl  kün- 
digt sich  auch  in  seinen  malerischen  Erstlingswerken  besonders  in  der  Wahl 
aparter,  fein  abgestufter  Aquarellfarben  frühzeitig  eine  starke  persönliche  Eigenart 
an,  und  die  Epoche  schließt  damit,  daß  in  Pettenkofen  der  Maler  über  den  Litho- 
graphen einen  endgültigen  Sieg  davonträgt. 

Die  Reihe  von  Pettenkofens  Bildern  muß  mit  einem  Werke  eröffnet  werden, 
das  ohne  die  Beglaubigung  durch  Leopoldine  von  Nespern  wohl  kaum  im  Oeuvre 
des  Künstlers  Platz  gefunden  hätte.  Es  ist  das  Brustbild  einer  Madonna  mit  ge- 
senkten Augen  und  gefalteten  Händen,  das  sich  jetzt  im  Kunsthistorischen 
Hofmuseum  zu  Wien  befindet.  Das  religiöse  Thema  ist  bei  Pettenkofen  äußerst  un- 
gewöhnlich. Wir  wissen,  daß  es  bloß  auf  drei  Lithographien,  und  zwar  den 
frühesten  vorkommt,  die  überdies  alle  keine  Originalarbeiten  sind.  Gleich  hier 
aber  sei  bemerkt,  daß  das  Bild  unmöglich  so  früh  wie  diese  drei  Blätter  entstanden 
sein  kann.  Denn  zeigt  es  einerseits  auch  noch  einige  Unbehilflichkeit  des  Anfän- 
gers, namentlich  in  der  Endigung  des  Kopftuches  über  der  rechten  Schulter  und 
in  dem  eintönig,  sogar  etwas  steif  behandelten  Stück  Mantel  über  dem  rechten 
Oberarm,  so  verrät  anderseits  wieder  die  Technik,  besonders  die  leichte  flüssige 
Malweise  eine  bereits  ziemlich  ausgeschriebene  Hand.  Die  Art,  die  leichte  braune 
Untermalung  gleich  für  eine  warme  Schattengebung  zu  benützen,  wie  sie  der 
junge  Künstler  etwa  von  Rubens'  großer  „Beweinung  Christi"  im  Belvedere  hat  ab- 
sehen können  und  sie  hier  auf  dem  Antlitz  der  Madonna  vorkommt,  findet  sich 
nachmals  auf  vielen  Bildern  Pettenkofens.  Für  ihn  sprechen  auch  die  raffaelischen, 
in  gelenklose,  spitze  Finger  endenden  fleischigen  Hände  und  die  süße  Pikan- 
terie  des  Köpfchens.  Die  Rokokoanmut  des  Bildes  könnte  vielleicht  auf  den  italie- 


48 


TAFEL  V 
DER  STURM  AUF  OFEN.  LITHOGRAPHIE.  1849. 


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TAFEL  VI 
UNGARISCHER  LANDSTURM.  LITHOGRAPHIE.  1850. 


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TAFEL  VII 
DER  BRAVE  TAMBUR.  AQUARELL.  1850.  WIEN,  DR.  AUGUST  HEYMANN. 


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Die  Amnestierten. 


Lithographie.   1850. 


nischen  Maler  zurückgeführt  werden,  der  Pettenkofens  erster  Lehrer  gewesen  sein 
soll,  mit  dem  Nazarenertum  eines  Kupelwieser,  zu  dessen  Füßen  Pettenkofen  auf 
der  Akademie  ja  gleichfalls  gesessen  ist,  hat  sie  wohl  kaum  etwas  zu  schaffen. 
Jedenfalls  dürfte  das  Bild  entgegen  der  Angabe  der  Leopoldine  von  Nespern  nicht 


49 


Marketenderin  an  der  Leiche  des  ihr  angetrauten  Soldaten.  Aquarell.   1850. 


Wien,  Josef  Sturany. 


1840,  sondern  wahrscheinlich  erst,  nachdem  Pettenkofen  vom  Militär  heimgekehrt 
war,  gemalt  worden  sein. 

Sieht  man  von  der  eben  besprochenen  Muttergottes  ab,  der  ja  als  einzigem  reli- 
giösen unter  Pettenkofens  Gemälden  ohnehin  eine  Ausnahmsstellung  zukommt,  so 
wird  sein  malerisches  Oeuvre  am  besten  mit  der  Gruppe  der  von  ihm  geschaffenen 
Porträte  eröffnet  werden  können.  Es  finden  sich  darunter  die  frühest  datierten 
seiner  Gemälde,  die  beiden  Bildnisse  August  Semeleders  und  Leopold  Brunners 
vom  Jahre  1840,  von  denen  dieses  Gottfried  und  Hermann  Eißler,  jenes  Friedrich 
Semeleder  in  Wien  gehört.  Sie  sind  als  die  Werke  eines  Achtzehnjährigen  höchst 
anerkennenswerte  Leistungen.  Semeleder,  1818  geboren,  war  Beamter  des  Bankhauses 
Rothschild,  dilettierte  selber  als  Maler,  Zeichner  und  Radierer  und  war  mit  Petten- 
kofen befreundet.  Der  andere  Dargestellte  ist  vermutlich  identisch  mit  jenem  Tier- 
maler Leopold  Brunner,  der  im  selben  Jahre  wie  Pettenkofen  geboren  ist  und  von 
dem  im  Album  die  vom  Jahre  1843  datierte  Lithographie  Nr.  12  „Das  kranke  Pferd" 
herrührt.  Eine  besondere  Bedeutung  kommt  dem  vom  Jahre  1842  datierten  Bildnis 


50 


Wachehaltende  Marketenderin.  Aquarell.   1850. 


Wien,   Alfred  Wawra. 


des  Dragoner-Kadetten  Moriz  Kreb  zu,  weil  es,  bis  jetzt  wenigstens,  das  einzige 
Werk  ist,  das  Pettenkofen  als  Soldat  in  Italien  und  zwar  in  Padua  geschaffen 
hat.  Es  ist  durch  das  Zeugnis  des  Dargestellten,  in  dessen  Besitz  es  sich  bis  zu 
seinem  Tode  im  Jahre  1912  befunden  hat,  aufs  allerbeste  beglaubigt.  Das  kleine 
Ölbild  ist  nicht  mit  Pettenkofens  Namen,  sondern  mit  dem  Pseudonym  „Ringen" 
bezeichnet.    Dieses  wird  von  dem  dermaligen  Besitzer  des  Bildchens,  dem  Herrn 


51 


7* 


Michael  Wieser  am  22.  März   1848  in  Brescia. 
Lithographie  der  Folge  „Zwölf  Scenen  aus  der  Ehren-Halle  des  k.  k.  Militär-Fuhrwesens-Corps".   185 1. 

Oberstleutnant  v.  Benesch,  als  eine  Anspielung  auf  das  Ringen  zwischen  dem 
Soldaten  und  dem  Künstler,  das  damals  in  Pettenkofens  Innern  zweifellos  statt- 
gefunden hat,  ebenso  ansprechend  wie  überzeugend  erklärt.  Diesen  Bildnissen  von 
Freunden  schließen  sich  ungezwungen  die  beiden  Porträte  von  Pettenkofens  Tante 
und  Mutter  an,  —  zählen  doch  die  Angehörigen  stets  zu  den  frühesten  Modellen 
eines  Künstlers.  Das  Bildnis  der  Tante  Barbara  Mayer  müßte,  falls  es  nach  dem 
Leben  gemalt  ist,  spätestens  im  Jahre  1840  entstanden  sein,  da  diese  Schwester 
von  Pettenkofens  Mutter  in  jenem  Jahre  bereits  als  verstorben  bezeichnet  wird.  Mit 
dem  Porträt  des  Malers  Brunner  verglichen,  wirkt  das  kleine  Bildnis  eher  anfänger- 
hafter, jedenfalls  könnte  man  es  sich  gut  gleichzeitig  mit  jenem  oder  etwas  vor 
jenem  entstanden  denken.  Mit  dem  Porträt  Semeleders  geht  es  schon  wegen  des 
kleinen  Formates  besser  zusammen.  Das  Bildnis  der  Mutter,  im  Besitz  von  Gott- 
fried und  Hermann  Eißler,  ist  vom  Jahre  1843  datiert.  So  gut  es  ist,  überschreitet 
es  doch  nicht  die  damals  unter  den  Wiener  Porträtisten  übliche  Konvention,  und 
zwar  nicht  nur  im  Arrangement  und  in  der  Farbengebung,  sondern  auch  in  der 
Zeichnung  nicht.  Daher  könnte  man  aus  ihm,  selbst  wenn  es  als  das  Konterfei 
der  Mutter  sicher  beglaubigt  wäre,  weder  auf  deren  Äußeres  noch  auf  ihren  Cha- 
rakter irgendwelche  ergebnisreiche  Schlüsse  ziehen.  Die  fast  unnatürlich  großen 
Augen   auf  beiden  Frauenbildnissen   dürften  wohl   eher   auf  Rechnung   des   über- 


52 


Josef  Zahradnik  in  der  Schlacht  bei  Mortara. 
Aquarell  desselben  Gegenstandes  wie  eine  Lithographie  der  Folge  „. .  .  Ehren-Halle  des  k.  k.  Militär-Fuhrwesens-Corps '.  1851. 

Wien,  Dr.  August  Heymann. 

treibenden  Bestrebens  des  Anfängers  als  der  Familienähnlichkeit  der  zwei  Schwe- 
stern zu  setzen  sein.  Den  Jahren  1844  und  1845  gehören  die  Porträte  des  Ehe- 
paares Ferdinand  und  Marie  Leigeb  im  Besitz  der  Familie  Decastello  von  Recht- 
wehr an.  Mit  den  Dargestellten  soll  Pettenkofen  gleichfalls  verwandt  gewesen 
sein.  Ein  richtiger  Auftrag  dürfte  das  gleichfalls  im  Jahre  1845  entstandene  Bildnis 
des  Herrn  Strommer  bei  Kommerzialrat  Franz  Xaver  Mayer  sein.  Strommer  ist  in 
ganzer  Figur  als  Jäger  inmitten  einer  Gebirgslandschaft  dargestellt.  Er  war  der 
Prokurist  Rudolf  von  Arthabers,  der  sich  im  alten  Wien  als  Großindustrieller  und 
als  Kunstmäzen  eines  hohen  Rufes  erfreute.  Das  von  Josef  Preleuthner  angelegte 
Verzeichnis  von  Arthabers  Bildergalerie  aus  dem  Jahre  1845  liefert  ein  interessantes 
und  anschauliches  Bild  von  dem,  was  im  damaligen  Wien  ein  reicher  kunstver- 
ständiger Mann  an  Werken  einheimischer  Maler  zusammenbringen  konnte.  Eine 
Arbeit  Pettenkofens  findet  sich  damals  noch  nicht  in  der  Sammlung.  Erst  1853 
besitzt  laut  des  von  Friedrich  Uhl  verfaßten  Kataloges  aus  diesem  Jahre  Arthaber 
ein  Werk  Pettenkofens:  das  Aquarell  „Der  mitleidige  Soldat"  vom  Jahre  1850. 

Zum  Unterschied  von  den  bisher  besprochenen  Porträten  ist  das  eines  Unbe- 
kannten, das  etwa  der  Mitte  der  vierziger  Jahre  angehören  dürfte,  ein  Aquarell. 
Die  ungemein  saubere  und  sorgfältige  Vorzeichnung  mit  dem  Bleistift  ist  nicht 
minder  nett  und  aufmerksam  in  kühlen,  geschmackvoll  zusammengestimmten  Tönen 


53 


leicht  laviert.  Der  Unbekannte  in  vorgeschrittenen  Jahren,  der  völlig  grundlos  als 
„Graf  Harrach"  bezeichnet  wird,  ist  sitzend  und  in  halber  Figur  dargestellt.  Gleich- 
falls ein  Aquarell  ist  das  im  Jahre  1847  entstandene  Porträt  des  Malers  Borsos 
bei  Dr.  August  Heymann,  das  im  Gegensatz  zu  all  den  bisher  genannten  Bildnissen 
ein  reifes  Meisterwerk  ist.  Schon  zeigt  es  Pettenkofens  glänzendste,  künstlerische 
Eigenschaften:  seinen  Geschmack  in  Zeichnung  und  Farbe,  sein  Vermögen,  dem 
vollendeten  Werk  die  ganze  Frische  eines  ersten  Entwurfes  zu  bewahren.  Der 
Freund  ist  in  legerer  Haltung  bei  der  Arbeit  dargestellt.  Er  hat  den  Malerkittel 
an  und  hält  Palette,  Pinsel  und  Stab  in  der  Hand.  Das  ganze  Bild  ist  vorwiegend 
in  allen  erdenklichen  feinen  Abstufungen  von  Grau  und  Braun  gemalt,  gedämpftes 
Blau  und  Rot  bringen  Leben  in  die  Farbenskala.  Freilich  ist  zu  sagen:  je  unmittel- 
barer das  Blatt  wirkt,  desto  mehr  mag  vielleicht  das  Porträt  hinter  der  mit  Lust 
und  Liebe  und  aus  echtestem  künstlerischen  Antrieb  geschaffenen  Studie  zurück- 
treten. Wichtig  und  charakteristisch  für  die  Entwicklung  des  Künstlers  aber  ist  es, 
daß  er  als  Maler  zuerst  im  Aquarell  eine  solche  Vollkommenheit  erreicht,  in  einer 
Technik,  die  gerade  von  den  Wiener  Genremalern  des  Vormärz  mit  besonderer 
Vorliebe  und  außerordentlichem  Erfolg  gepflegt  wurde.  Daß  die  Malerei  mit  Wasser- 
farben in  der  ersten  Hälfte  des  vergangenen  Jahrhunderts  —  von  England,  dem 
Mutterlande  dieser  Technik,  natürlich  abgesehen  —  kaum  anderswo  zu  solcher 
Bedeutung  gediehen  ist  als  im  alten  Wien,  sei  nur  beim  Vorübergehen  festgestellt. 

Ungefähr  derselben  Zeit  wird  das  zwar  nicht  weit  über  die  warmbraune  Unter- 
malung hinausgediehene,  aber  um  so  lebendigere  Brustbild  des  greisen  Vaters  des 
Wiener  Frauenmalers  Georg  Raab  angehören.  Raab  wird  in  dem  Katalog  der 
Akademieausstellung  vom  Jahre  1844  als  in  Pest  wohnhaft  angegeben,  was  darum 
hier  vermerkt  sei,  weil  von  dieser  Pettenkofen  befreundeten  Familie  aus  vielleicht 
wieder  einer  der  Fäden  läuft,  die  ihn  nach  Ungarn  gewiesen  haben.  Mit  Ungarn 
hängen  auch  die  nächsten  paar  Porträte  zusammen.  Sie  sind  in  den  Jahren  1848 
und  1850  entstanden  und  befinden  sich  heute  im  Kunsthistorischen  Hofmuseum, 
in  der  k.  k.  österreichischen  Staatsgalerie  und  bei  Dr.  Albert  Figdor  in  Wien.  Es 
sind  im  guten  wie  im  schlechten  rechte  Repräsentationsstücke.  Die  Dargestellten 
sind  sitzend  oder  stehend  in  ganzer  Figur  gemalt,  die  damals  so  beliebten  Requisiten 
des  Vorhanges  und  der  Säule  fehlen  nicht. 

Das  interessanteste  dieser  Gruppe  von  vier  Bildern,  die  sämtlich  Mitglieder  der 
Familie  Imredy  von  Omorovicze  darstellen,  ist  das  des  Sammlers  Ignaz  Imredy 
bei  Dr.  Albert  Figdor.  Er  ist  dargestellt  in  noch  jugendlichem  Alter  und  in  be- 
quemer Haustracht,  auf  einen  Lehnstuhl  gestützt,  inmitten  von  Antiquitäten  aller 
Art,  die  er  eifrig  sammelte:  Bildern,  Kästchen,  Bechern,  Waffen,  Folianten,  Fellen 
und  Stoffen.  Ein  ähnliches  Porträt  von  Pettenkofens  Hand,  bei  dem  das  Milieu  eine 
so  hervorragende  Rolle  spielte,  gibt  es  nicht.  Mehr  in  der  Anordnung  all  dieser 
Gegenstände,  die  wahrscheinlich  so  gemalt  werden  mußten,  daß  sie  deutlich  zu  er- 
kennen waren,  als  im  Kolorit  zeigt  sich  der  Einfluß  Danhausers.  Nicht  unerwähnt 
bleibe  auch,  daß  Pettenkofen  gerade  auf  diesem  Bilde,  das  ihm  vielleicht  durch 
Vermittlung  seines  ungarischen  Freundes  Borsos  in  Auftrag  gegeben  wurde,  zum 
erstenmal   wenn   auch   als   die  Umgebung   einer   menschlichen  Figur   ein  Stilleben 


54 


Der  Verwundetentransport. 


Ölbild.   1851. 


malt  und  so  hier  mit  Borsos  auf  eben  jenem  Gebiet  wetteifert,  das  eine  Spezialität 
desselben  ausmachte. 

Nach  Österreich,  und  zwar  nach  dem  altehrwürdigen,  wunderschönen  Kloster- 
neuburg, wo  sich  Pettenkofen  zu  Beginn  der  fünfziger  Jahre  den  Sommer  über  auf- 
gehalten zu  haben  und  wo  damals  eine  kleine  Künstlerkolonie  ansässig  gewesen  zu 
sein  scheint,  führt  das  nächste  Porträt  des  Künstlers,  abermals  ein  Aquarell,  doch 
in  sehr  kleinem  Format,  doppelt  interessant,  weil  es  nicht  nur  den  befreundeten 
Maler  Brudermann,  sondern  auch  Pettenkofen  selbst,  und  zwar  auf  einem  Spazier- 
gang in  der  Gegend  von  Klosterneuburg  oder  Kierling  darstellt.  Wie  sehr  das 
Bildchen  im  Freundeskreis  geschätzt  worden  sein  muß,  beweist  das  Vorhandensein 
von  zwei  fast  ganz  übereinstimmenden  Exemplaren,  die  beide  unzweifelhaft  vom 
Künstlfer  selbst  gemalt  sind.  Sie  befinden  sich  in  den  Sammlungen  Dr.  Albert  Figdors 
und  der  Brüder  Eißler  in  Wien.  Infolge  seiner  französischen  Verve  macht  ein  flüchtiges 
Aquarell,  das  Pettenkofen  selbst  mit  „Stößer"  und  kurzem  Überrock  und  eine  junge 
Dame,  die  Frau,  die  in  seinem  Leben  eine  so  große  Rolle  spielen  sollte,  mit  „Herings- 
kopf", Schal  und  Krinoline,  gleichfalls  während  eines  Klosterneuburger  Spazierganges 
darstellt,  Anspruch  auf  Beachtung.   Das  Aquarell  gehört  Dr.  Albert  Figdor. 

Damit  aber  wären  nicht  nur  die  wichtigsten  von  Pettenkofens  Bildnissen  be- 
sprochen, sondern  wäre  auch  überhaupt  seine  Tätigkeit  als  Porträtist  beinahe  ganz 


55 


erledigt.  Denn  ähnlich  wie  es  sich  mit  seinen  Lithographien  verhält,  steht  es  auch 
mit  seinen  Porträten:  nach  1852,  dem  Jahre,  das  man  als  Abschluß  seiner  ersten 
Wiener  Periode  ansehen  kann,  werden  eigentlich  keine  mehr  von  ihm  geschaffen. 
Freilich  verläuft  die  Grenze  hier  nicht  so  bestimmt  und  scharf  wie  bei  den  Litho- 
graphien, schon  darum  nicht,  weil  etliche  später  entstandene  Studienköpfe  mit 
einem  gewissen  Recht  auch  als  Porträte  ausgegeben  werden  können.  In  vielen 
dieser  Fälle  mögen  wohl  die  Dargestellten  in  des  Künstlers  Arbeiten  in  erster 
Linie  Porträte  erblickt  haben,  er  selbst  aber  hat  sie  sicherlich  zumeist  nicht  nur 
und  nicht  hauptsächlich  in  der  Absicht  gemacht,  die  Züge  der  betreffenden  Modelle 
mit  dem  Stift  oder  dem  Pinsel  festzuhalten,  sondern  vielmehr  als  Studien,  um  die 
Hand  zu  üben,  um  das  Charakteristische  eines  Antlitzes  später  einmal  in  einem  Bilde 
verwerten  zu  können.  Warum  sich  Pettenkofen  in  der  Folgezeit  des  Porträtierens 
fast  ganz  enthalten  hat?  Vielleicht  fühlte  er  sich  bei  den  hohen  Anforderungen, 
die  er  stets  an  sich  stellte,  zu  wenig  treffsicher.  Wahrscheinlich  aber  war  ihm  der 
Zwang  eines  Porträtauftrages  zuwider  und  wollte  er  nicht  von  Meinungen^  und 
Wünschen  des  Sitzenden,  die  bekanntlich  denen  des  Künstlers  häufig  entgegen- 
laufen, abhängig  sein.  Dafür  sprechen  unter  seinen  Bildnissen  die  verhältnismäßig 
zahlreichen  nach  befreundeten  Künstlern,  wobei  den  Gemälden  noch  die  Litho- 
graphie Eduard  Kaisers  zuzuzählen  ist.  Bei  ihnen  konnte  er  als  Freunden  und 
Malern  vor  unverständigem,  ärgerlichem  Dreinreden  sicher  sein. 

In  seinen  Porträten  ist  er  noch  etwas  unselbständig.  Da  tritt  die  künstlerische 
Individualität  hinter  dem  allgemeinen  Charakter  der  Wiener  Schule  zurück.  Voll 
selbstbewußter  und  selbstsicherer  Eigenart  ist  bereits  ein  Aquarell  wie  der  Borsos. 
Im  Ölbild  scheint  Pettenkofen  Überkommenes  langsamer  abzustreifen,  zu  über- 
winden. Nicht  ganz  zu  Ende  geführte  Arbeiten  wirken  origineller  als  solche,  die, 
wahrscheinlich  im  Sinne  der  Auftraggeber,  sorgfältig  vollendet  sind.  Bei  den 
früheren  Porträten  denkt  man  an  die  seines  Lehrers  Eybl,  aber  auch,  schon  wegen 
ihres  geringen  Umfanges,  an  die  der  Wiener  Kleinmaler.  Später  erinnern  gewisse 
Farbenzusammenstellungen,  z.  B.  die  des  malerischen  Durcheinanders  auf  dem 
Tische  des  Bildnisses  der  Frau  v.  Imredy  vom  Jahre  1848,  an  Danhauser.  Daß  auch 
das  Stillebenarrangement  auf  dem  Porträt  des  Sammlers  Ignaz  v.  Imredy  den 
Gedanken  an  Danhauser  wachruft,  wurde  schon  oben  bemerkt.  Wenn  wir  nicht 
irren,  findet  man  auch  Anklänge  an  das  äußerst  aparte  Kolorit  der  seltenen 
Gemälde  Peter  Johann  Nepomuk  Geigers.  Sicher  ist,  daß  sich  Pettenkofen  von 
dem  Einfluß  zweier  so  gefeierter  und  fruchtbarer  zeitgenössischer  Wiener  Por- 
trätisten,  die  Ölbilder  größeren  Formates  malten,  wie  Waldmüller  und  Amer- 
ling,  freizuhalten  gewußt  hat.  Waldmüllers  häufig  etwas  kalte  Buntheit  und 
übergroße  Deutlichkeit  und  Genauigkeit  konnten  ihm  nicht  angenehm  sein.  An 
Amerling  möchte  vielleicht  das  bei  Pettenkofen  so  seltene  große  Format  und 
das  niederländische  Kostüm  des  XVII.  Jahrhunderts  auf  dem  zweiten,  um  die 
Mitte  der  fünfziger  Jahre  entstandenen  Porträt  des  Malers  Borsos  denken  lassen, 
doch  ist  das  diskrete,  hier  fast  etwas  stumpfe  und  eintönige  Kolorit  von  Amer- 
lings  Farbenbrillanz  ebenso  weit  entfernt  wie  die  schlichte  Haltung  von  dessen 
theatralischen  Posen. 


56 


TAFEL  VIII 

IGNAZ  IMR^DY  EDLER  V.  OMOROVICZE.  ÖLBILD.  1850.  WIEN, 

DR.  ALBERT  FIGDOR. 


TAFEL  IX 

REISEWAGEN  AUF  DER  FAHRT  VON  WIEN  NACH  KLOSTERNEUBURG. 
AQUARELL.  1851.  WIEN,  THEODOR  BERGMANN. 


A^» 


österreichisches  Bauernhaus  mit  Treidelpferd  und  zwei  Kindern.   Ölbild.   1851. 
Wien,  Fürst  Johannes  von  und  zu  Liechtenstein. 

Von  Pettenkofens  Genrebildern  der  ersten  Wiener  Periode  seien  zuerst  diejenigen 
besprochen,  die  sich  nicht  mit  dem  Soldaten  beschäftigen.  Das  früheste  ist  wohl 
ein  Aquarell  im  Besitze  Eduard  Pergers  in  Baden  bei  Wien.  Es  stellt  eine  sitzende 


57 


•■*^^> 


^^>V^Tr^.3^. 


ältere  Frau  dar,  die  einem 
vor  ihr  stehenden  nackten 
kleinen  Jungen  zuredet, 
ins  W^asser  zu  steigen. 
Merkwürdig  sind  die  Far- 
ben. Es  sind  lauter  sanft 
ausklingende  dumpfe  Mit- 
teltöne, das  Fleisch  des 
Kindes  zeigt  rötlich-brau- 
ne Schatten.  Das  sehr  auf- 
fallende Kolorit  scheint 
uns,  wenn  es  sich  über- 
haupt an  ein  Vorbild  an- 
lehnt, abermals  am  ehe- 
K,x.^^-^  sten    an  die  eigenartigen 

^yS^v  Farben  Peter  Johann  Ne- 

^       J^^^UI^  1      pomuk    Geigers    zu    er- 

VX^^^^^*^:X  innern.     Ein     von    1844 

^^^^         #vj  datiertes     und      „august 

.•v^^-fi«b,        i^PTA       '-4  Ta  -  ^..      Pettenkoffer"      signiertes 

Aquarell  „Kindliche  An- 
dacht" bei  Gottfried  und 
Hermann  Eißler  stammt, 
wenn  es  überhaupt  von 
Pettenkofen  herrührt,  aus 
viel  früherer  Zeit,  noch 
aus  dem  Ende  der  dreißi- 
ger Jahre.  Datum  und 
Signatur  sind  offensicht- 
lich gefälscht.  Ein  Bild 
Fendis  vom  Jahre  1837, 
„Die  Morgenandacht  im 
Klostergang",  Nr.  43  des  schon  erwähnten  Kataloges  der  Arthaberschen  Galerie  und 
heute  ein  Stück  der  Wiener  städtischen  Gemäldesammlung,  ist  die  Vorlage,  nach 
der  es  frei  kopiert,  der  es  mindestens  nachempfunden  ist.  Wie  frei  Pettenkofens 
Hand  bereits  im  Jahre  1844  ist,  zeigt  das  aus  diesem  Jahre  stammende  lithogra- 
phierte Porträt  Eduard  Kaisers.  Sehr  gut  ist  ein  Aquarell  vom  nächsten  Jahre  in 
der  Wiener  kaiserlichen  Sammlung.  Es  stellt  vier  Kinder  dar,  die  vor  der  Haus- 
türe mit  einer  an  einen  Bindfaden  gebundenen  Maus  spielen.  Die  Behandlung  der 
Wasserfarben  weist  deutlich  auf  die  Fendi-Schule  als  Vorbild  hin.  Ein  kleines  Öl- 
gemälde vom  Jahre  1847  im  Besitz  von  C,  A.  Wels  in  Wien,  „Der  Unterricht" 
(eine  alte  Bäuerin  liest  ihren  Enkelkindern  aus  einem  Buche  vor,  das  Mädel  hört 
aufmerksam,  der  Bub  nur  widerwillig  und  trotzig  zu),  verrät  deutlich  Eyblsche 
Beeinflussung.   Doch  sind  Pettenkofens  Farben  wärmer,  seine  Übergänge  weicher. 


Landsknecht  im  Kornfeld.   Aquarell.    1851. 
Liechtenthal  bei  Baden-Baden,  Baronin  Stephanie  Porbeck. 


58 


Die  Räuber  im  Kornfeld.  Ölbild.   1852. 


London,  Wallace  CoUection. 


Interessant  ist  die  beträchtlich  größer  gemalte  Ölstudie  zu  dem  andächtig  lauschen- 
den kleinen  Mädchen  des  Bildes.  Der  Zusammenhang  mit  Eybl  erhellt  auch  aus 
einem  anderen  Ölgemälde  desselben  Jahres.  Es  gibt  eine  Szene  aus  dem  Kloster- 
leben wieder  (ein  Stoffgebiet,  auf  das  Pettenkofen  in  viel  späteren  Jahren  nochmals 


59 


•8 


zurückkommt) :  zwei  Kapuzinermönche  im  Kreuzgang  ihres  ärmlich  einfachen  Klosters, 
—  und  derselbe  Kreuzgang  kommt  auf  einem  Bilde  Eybls  in  der  Sammlung  Ludwig 
Lobmeyrs  in  Wien  vor. 

Vom  Land  in  die  Stadt  führt  ein  Bildchen,  das  eine  längst  verschwundene  Alt- 
wiener Type  festhält :  einen  Sesselträger,  der,  einen  grauen  Zylinder  auf  und  einen 
Kragenmantel  um,  bei  einem  Glas  Wein  sitzt.  Es  ist  kaum  später  als  um  die 
Mitte  der  vierziger  Jahre  entstanden. 

Von  den  bürgerlichen  Szenen  aus  dem  Jahre  1848,  die  Pettenkofen  lithographiert 
hat,  gibt  es,  wenn  man  von  der  bereits  erwähnten  nur  ganz  leicht  lavierten  Blei- 
stiftskizze zu  dem  Barrikaden-Blatt  der  „Bewegung"  absieht,  nur  eine  einzige  auch 
als  Bild:  das  Aquarell  „Die  Amnestierten". 

Größere  Bedeutung  kommt  den  auch  viel  zahlreicheren  Soldatenbildern  zu.  Sie 
zerfallen  von  selbst  in  zwei  Gruppen:  in  solche,  die  auch  als  Lithographien  vor- 
kommen, und  in  solche,  die  es  bloß  als  Bilder,  Aquarelle  oder  Ölgemälde  gibt. 
Hier  hat  Pettenkofen,  wie  bereits  bei  den  einschlägigen  Lithographien  festgestellt 
wurde,  sein  eigentliches  Arbeitsfeld  gefunden,  eine  Zeitlang  wenigstens.  Auf  diesem 
Gebiete  arbeiteten  zwar  auch  andere  —  Fendi  und  sein  Kreis  —  aber  gerade  hier 
tat  es  ihm  keiner,  auch  der  begabte  Karl  Schindler  nicht,  gleich.  Das  Getümmel  und 
die  Schrecken  des  Krieges  lehrten  ihn  lebhafte  Bewegtheit  darstellen  und  als 
Künstler  Mienen  und  Geberden  des  Menschen  meistern;  bei  der  Darstellung  von 
Szenen  aus  dem  Soldatenleben  fand  er  den  Weg  vom  damals  üblichen  Sittenbild 
mit  seiner  konventionellen,  anekdotisch  zugespitzten  Komposition  und  seinen  Farben, 
die,  so  gefällig  und  pikant  sie  auch  sein  mochten,  immer  doch  manieriert  waren, 
zur  treuen  ehrlichen  Wiedergabe  eines  Stückes  Natur  und  Leben,  bei  dessen  Aus- 
wahl und  künstlerischer  Behandlung  freilich  den  obersten  Richter  jederzeit  sein 
Geschmack  abgab;  Kriegsbilder  malend,  lernte  er  endlich  die  ungarische  Land- 
schaft und  den  ungarischen  Bauer  kennen,  Vorwürfe,  an  deren  Bewältigung  er 
nachmals  die  beste  Kraft  seines  Lebens  wenden  sollte. 

Zuerst  sei  von  jenen  Soldatenbildern  die  Rede,  deren  Vorwürfe  Pettenkofen  auch 
lithographiert  hat.  Die  Bilder,  zum  größeren  Teil  Aquarelle,  sind  entweder  im 
selben  Jahre  wie  die  Lithographie  oder  früher  oder  auch  später  als  diese,  stets 
aber  ihr  zeitlich  nahe,  entstanden.  Sie  stimmen  entweder  genau  mit  den  Stein- 
zeichnungen überein  oder  weichen  bald  mehr,  bald  weniger  von  ihnen  ab,  in  ein 
paar  Fällen  existieren  sogar  mehrere  Varianten,  so  daß  es  etwa  eine  Lithographie, 
ein  Aquarell  und  ein  Ölbild  desselben  Gegenstandes  gibt,  der  Studien  natürlich 
nicht  zu  gedenken.  Aquarelle  und  Ölgemälde  sind  uns  von  den  Themen  folgender 
Lithographien  bekannt  geworden:  „Russisches  Lager",  „Transport  von  Verwun- 
deten", „Kress  Chevauxlegers  im  Lager  bei  Äcs"  —  alle  drei  Blätter  aus  dem 
Jahre  1849;  „Corporal  Angelo  Ferrarini",  „Der  mitleidige  Soldat",  „Der  brave 
Tambur"  —  die  ersten  beiden  Blätter  vom  Jahre  1850  datiert,  das  dritte  un- 
datiert, wahrscheinlich  aber  aus  demselben  Jahre;  zehn  der  zwölf  „Szenen  aus  der 
Ehren-Halle  des  k.  k.  Militär-Fuhrwesens-Corps",  sämtliche  zwölf  Blätter  mit  der 
Jahreszahl  1851  versehen.  Das  Aquarell  „Russisches  Lager"  bei  Dr.  August  Heymann 
stammt  aus  dem  Jahre  1851,  das  Ölbild  im  Kunsthistorischen  Hofmuseum  aus  dem 


60 


TAFEL  X 

ÖSTERREICHISCHE  INFANTERIE,    EINE  FURT  PASSIEREND.   ÖLBILD. 
1851.  WIEN,  K.  K.  ÖSTERREICHISCHE  STAATSGALERIE. 


TAFEL  XI 

RUSSISCHES  BIVUAK.  ÖLBILD.  1852.  WIEN,  KUNSTHISTORISCHES  HOF- 
MUSEUM. 


-'qOH 


>)*> 


*. 


Jahre  1852.  Vom  „Ver- 
wundetentransport" gibt 
es  ein  Aquarell  vom  Jahre 
1850  und  zwei  Ölbilder 
aus  den  Jahren  1851  und 
1853.  Das  Datum  1845 
auf  einem  Ölbild,  das  statt 
des  Ochsengespannes  der 
anderen  Fassungen  zwei 
Pferde  vor  dem  Wagen 
zeigt,  1876  und  1878  auf 
Pariser  Auktionen  vor- 
kommt und  von  Henri 
Lefort  radiert  ist,  muß  in 
den  Katalogen  verlesen 
sein,  höchstwahrschein- 
lich wird  es  1849  lauten. 
Skizziert  wurde  dieses 
Thema  mit  dem  Bleistift, 
der  Feder  und  in  Ölfar- 
ben. Das  Aquarell  „Kress 
Chevauxlegers  im  Lager 
bei  Äcs"  ist  wie  die  Litho- 
graphie vom  Jahre  1849 
datiert  und  das  mit  An- 
gelo  Ferrarini  ist  gleich- 
falls 1849,  also  ein  Jahr 
früher  als  die  Lithogra- 
phie entstanden.  Dem 
Jahre  1850  gehören  die 
Aquarelle  „Der  mitlei- 
dige   Soldat"    und    „Der 

brave  Tambur",  beide  bei  Dr.  August  Heymann,  an.  Von  den  zehn  uns  bekannt 
gewordenen  Aquarellen  mit  den  Heldentaten  des  Fuhrwesenscorps'  ist  eines  vom 
Jahre  1850  datiert,  acht  stammen  gleich  sämtlichen  Lithographien  aus  dem  Jahre 
1851,  auf  einem  sind  Zehner  und  Einer  der  Jahreszahl  weggeschnitten. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  der  Daten  geht  hervor,  daß  alle  Soldatenbilder 
Pettenkofens,  die  mit  Lithographien  von  seiner  Hand  gleiche  Themen  haben,  in 
den  Jahren  1849  bis  1853  entstanden  sind.  In  frühere  Zeit  reichen  jene  mit 
Wasser-  oder  Ölfarben  gemalten  Soldatenszenen  zurück,  deren  Vorwürfe  nicht  auch 
als  Lithographien  behandelt  sind.  Das  frühest  datierte  dieser  Werke  gehört  dem 
Jahre  1846  an,  es  ist  ein  vorzügliches  Ölbildchen  bei  Kommerzialrat  Franz  Xaver 
Mayer,  betitelt  „Die  Horcher".^')  Es  seien  hier  natürlich  nur  die  wichtigsten  dieser 
Arbeiten  erwähnt.   Zu  einem  kleinen  Leinwandbild,    das  plündernde  Husaren  dar- 


Wasberträgerin.    Aquarell.    1853. 


Wien,   Dr.  Albert  Figdor. 


61 


Theißlandschaft  mit  zwei  Pferden.  Ölbild.   1853. 


Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


stellt  und  vom  Jahre  1849  datiert  ist,  hat  sich  die  Bleistiftvorzeichnung  erhalten, 
die  in  einer  Figur  wesentlich  abweicht  und  leicht  laviert  ist.  Ein  Aquarell  bei  Bau- 
meister Josef  Sturany  stellt  eine  Marketenderin  dar,  die  an  der  Leiche  des  Soldaten, 
dem  sie  vermählt  war,  wehklagt.  Auf  einem  anderen  noch  vorzüglicheren  Aquarell,  das 
derzeit  Alfred  Wawra  in  Wien  gehört,  wird  ein  schlafender  Soldat  von  einer  Marketen- 
derin, die  auf  sein  Gewehr  gestützt  neben  ihm  steht,  bewacht.  Beide  Aquarelle  stammen 
aus  dem  Jahre  1850.  Vom  selben  Jahre  ist  ein  größeres  Ölbild  „Soldaten  beim  Mahle" 
datiert.  Ein  Jahr  später  entstand  das  stimmungsvolle  Ölbild  in  der  k.  k.  österreichi- 
schen Staatsgalerie,  das  österreichische  Infanterie  darstellt,  wie  sie  an  einem  trüben, 
grauen  Tag  müde  und  langsam  eine  Furt  passiert.  Dem  Jahre  1853  gehören  die  be- 
rühmten „Ungarischen  Freiwilligen"  an,  ein  Bild,  von  dem  ebenso  wie  vom  „Verwun- 
detentransport" weiter  unten  nochmals  die  Rede  sein  soll.  Die  Jahre  1846  und  1853 
bezeichnen  die  Grenzen,  innerhalb  deren  die  Soldatenbilder  dieser  zweiten  Gruppe  an- 
zusetzen sind,  auch  die  undatierten.  Nach  dem  Jahre  1853  aber  hat  Pettenkofen  Bilder, 
die  den  Krieg,  die  Soldaten  der  Gegenwart  darstellen,  nur  selten  mehr  gemalt. 
Von  den  eben  erwähnten  Soldatenszenen,  die  keine  Jahreszahlen  tragen,  seien  ein 
paar  kurz  erwähnt.  Vor  allem  zwei  Gegenstücke,  Aquarelle  oder  besser  gesagt: 
lavierte  Bleistiftzeichnungen,  beide  viele  kleine  vorzüglich  gezeichnete  Figuren 
zählend,  auch  in  der  Gesamtanlage  ganz  meisterhaft.  Beide  Bilder  stellen  öster- 
reichisches Militär  dar,  das  eine  eine  Artilleriebrigade,  die  in  ein  Dorf  oder  in 
ein  Landstädtchen  einfährt,  das  andere  Infanterie,  die  auf  dem  Hauptplatz  des- 
selben oder  eines  ähnlichen  Ortes  kampiert.  In  der  mühelosen  Bewältigung  einer 
so  bewegten  und  figurenreichen  Komposition  stehen  die  beiden  Blätter  unter  den 
Lithographien  dem  „Sturm  auf  Ofen"  und  der  sogenannten  „Einnahme  von  Brescia" 
nahe,  wahrscheinlich  stammen  auch  sie  aus  dem  Jahre  1849.  Ein  Vorwurf,  mit  dem 
sich  Pettenkofen,  wie  die  vielen  Skizzen  und  Fassungen  beweisen,  lange  und  ein- 
gehend beschäftigt  haben  muß,  sind  Soldaten,  die  am  Abend  nach  der  Schlacht 
unter  düsterem  Gewitterhimmel  die  Leichen  der  Gefallenen  nach  einer  Grube 
schleifen.    Die   ausführlichste   Behandlung   hat   dieser   Vorwurf,    der    in   gewissem 


62 


Theißlandschaft  mit  neun  Pferden.   Ölbild.   1854. 


Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


Sinne  als  Fortsetzung  oder  Steigerung  des  „Verwundetentransportes"  aufgefaßt 
werden  könnte,  in  einem  Aquarell  erfahren,  das  sich  heute  im  Budapester  Museum 
befindet.  Außer  Feder-  und  Bleistiftskizzen  des  geschilderten  Inhalts  gibt  es  auch 
drei  Ölskizzen,  aus  denen  man  schließen  kann,  daß  Pettenkofen  das  Thema  auch 
als  Ölbild  behandeln  wollte.  Vielleicht  fand  er  aber  selbst  den  Vorwurf  allzu 
grausig,  vielleicht  ließ  er  sich  durch  die  Rücksicht  auf  die  Verkäuflichkeit  leiten, 
jedenfalls  stand  er  schließlich  von  einer  bildmäßigen  Ausführung  ab  und  ließ  so 
ein  Werk  ungeschaffen,  das  sicherlich  zu  den  bedeutendsten  seiner  Frühzeit  gezählt 
hätte. 

Im  Aquarell  und  in  der  Ölmalerei  hat  Pettenkofen,  wie  an  der  Hand  dieser  aus 
den  Jahren  1846  bis  1853  stammenden  Soldatenbilder  am  deutlichsten  verfolgt 
werden  kann,  ganz  erhebliche  Wandlungen  durchgemacht,  die  im  allgemeinen 
wohl  als  Fortschritt  zu  bezeichnen  sein  werden.  Wenn  auch,  wie  es  nun  einmal 
schon  im  Leben  geht,  auch  hier  vielfach  das  neue  Gute  auf  Kosten  des  alten 
Guten  errungen  wurde.  In  beiden  Techniken  ist  deutlich  eine  Abkehr  von  der 
Manier  der  Fendi-Schule  zu  konstatieren.  Im  Aquarell  ist  dies  leichter  zu  sehen 
als  in  der  Ölmalerei.  Vor  allem  ist  die  graziöse,  leicht  andeutende  Art,  bei  der  das 
Weiß  des  Papieres  eine  so  hervorragende  Rolle  gespielt  hat,  gänzlich  aufgegeben. 
Nun  wird  die  ganze  Papierfläche  mit  Farben,  die  weniger  stark  kontrastieren,  nicht 
mehr  so  bunt  und  lebhaft  sind,  bedeckt,  Lichter  sind  häufig  mit  dem  Radiermesser 
ausgekratzt,  nicht  mehr  mühsam  ausgespart.  Der  Gesamteindruck  ist  kräftiger, 
kühner  und  geschlossener,  freilich  auch  derber  und  einförmiger.  Wir  erinnern  uns, 
eine  völlig  analoge  Entwicklung  von  Stil  und  Technik  auch  an  den  Lithographien 
beobachtet  zu  haben.   Vollkommen  deutlich  wird  das  Streben  nach  einem  einheit- 


63 


liehen  Tone;  im  Aquarell  scheint  einem  warmen,  ziemlich  dunkelbraunen,  auf  den 
Ölbildern  einem  kühleren  grauen  der  Vorzug  gegeben  zu  sein. 

Das  Ende  und  den  Gipfel  nicht  nur  der  Soldatenbilder,  sondern  überhaupt  von 
Pettenkofens  Arbeiten  der  ersten  Wiener  Periode  bilden  der  „Verwundeten- 
transport" und  die  „Ungarischen  Freiwilligen",  zwei  Ölgemälde  vom  Jahre  1853, 
die  freilich  der  Zeit  nach  bereits  jenseits  des  Einschnittes  fallen,  der  jene  Epoche 
von  der  nächsten  trennt  und  durch  eine  Reise  des  Künstlers  nach  Paris  im 
Jahre  1852  gebildet  wird.  Beide  Werke  gehören  aber  der  Form  und  dem  Inhalt 
nach  noch  vollständig  zur  ersten  Wiener  Periode,  was  beim  „Verwundeten- 
transport" überdies  durch  die  Fassungen  aus  den  Jahren  1849,  1850  und  1851 
äußerlich  dokumentiert  wird.  In  beiden  Werken  ist  Pettenkofens  Kunst  zur  reifen 
Meisterschaft  gediehen.  Die  letzte  Formulierung  des  „Verwundetentransportes" 
ist  nach  langen  Irrfahrten  —  das  Bild  war  sogar  schon  jenseits  des  Atlantischen 
Ozeans  gewesen  —  nach  Wien  gekommen,  wohin  es  eigentlich  gehört,  die 
„Ungarischen  Freiwilligen"  aber  haben  in  Amerika  und  zwar  im  Metropolitan 
Museum  zu  New  York,  wo  sie  als  Leihgabe  des  Mr.  George  W.  Vanderbilt  aus- 
gestellt sind,  eine  Stätte  gefunden.  Das  schwungvolle  Lob,  das  ihnen  im  Jahre 
1869  kein  Geringerer  als  Theophil  Gautier  gespendet  hat,  mag  eine  Vorstellung  von 
dem  Bilde,  das  dem  Autor  nur  nach  einer  etwas  kleinlichen  Radierung  von  Gustave 
Greux  und  nach  einer  verblaßten  alten  Photographie  bekannt  ist,^'^)  zu  geben  ver- 
suchen. Gautier  sagt'"):  „A  cöte,  du  Jeune  homme  dessinant  de  Meissonier, 
regardez,  s'il  vous  plait,  un  tout  petit  tableau  qui  soutient  parfaitement  ce  voisinage 
dangereux.  II  est  signe  d'un  nom  etranger,  hongrois  ce  nous  semble,  Petten  Koffen. 
Nous  avons  vu  de  lui,  si  notre  memoire  ne  nous  trompe,  dans  la  galerie  du  prince 
Gortschakoff,  un  groupe  de  Tsiganes  d'une  grande  originalite  locale  et  d'une 
execution  tres-fine.  Tächez  de  retenir  ces  syllabes  exotiques;  elles  designent  un 
artiste   d'un  vrai  talent   et   que  la  vogue  adoptera   quand   eile  le  connaitra  mieux. 

Le  cadre  dont  il  s'agit  represente  des  Enröles  volontaires  hongrois.  Une 
charrette  de  construction  aussi  primitive  qu'une  telega  russe  empörte  dans  un 
tourbillon  de  poussiere,  au  vol  de  trois  petits  chevaux  pleins  de  feu,  les  enroles 
couches  pele-mele  avec  leur  fourniment.  Un  ciel  clair  et  leger  s'etend  sur  la  ligne 
horizontale  de  la  Pusta,  que  rompt  seule  la  perche  des  puits  se  dressant  comme 
une  vergue  d'oü  pend  un  bout  de  corde.  Theodore  Valerio  nous  a  dejä  fait  con- 
naitre,  dans  ces  eaux-fortes  et  ses  aquarelles,  ce  paysage  indefini  qui  a  la  grandeur 
de  la  mer,  et  dont  la  monotonie  ne  manque  pas  d'un  certain  charme  melan- 
colique.  Derriere  le  rustique  vehicule  lance  au  galop,  estompe  par  la  poudre 
qu'il  souleve,  se  distingue  vaguement  une  autre  voiture  trainant  aussi  des  enroles. 

Un  garcon  de  mine  fiere,  au  chapeau  orne  de  feuillage,  guide  le  fougueux 
attelage  avec  une  audace  süre  d'elle-meme  qu'eüt  enviee  Automedon,  le  cocher 
d'Achille.  Un  compagnon  est  assis  prfes  de  lui;  derriere,  gardant  l'equilibre  malgre 
les  cahots,  se  tient  debout  un  jeune  homme  battant  du  tambour.  Les  volontaires, 
couches  ou  accoudes  parmi  leurs  sacs,  les  jambes  pendant  hors  des  ridelles,  fument 
insoucieusement  leurs  pipes  ä  long  fourneau.  Ils  ont  encore  leurs  vetements  de 
grosse  toile  et  leurs  manteaux   en   peau   de   mouton  qu'ils   vont   bientot  echanger 


64 


TAFEL  XII 

DER  VERWUNDETENTRANSPORT.  ÖLBILD.  1853.  WIEN, 

RUDOLF  REICHERT. 


TAFEL  XIII 
NACH  DEM  DUELL.  ÖLBILD.  1853.  AMSTERDAM,  MUSEUM  FODOR. 


contre  les  sveltes  costumes  militaires.  Leurs  armes  brimballent  au  flanc  de  la 
voiture.  A  la  contenance  de  ces  gaillards  moustachus  et  basanes,  ce  ne  serait  pas 
une  conjecture  de  penser,  qu'ils  ont  noye  dans  d'abandonantes  libations  leur 
dernier  jour  de  liberte.  —  Chevaux,  figures,  ustensiles,  tout  est  touche  avec  la 
finesse  la  plus  spirituelle,  d'une  couleur  gaie  et  charmante,  d'un  dessin  delicat, 
exact  et  precis.  La  composition  a  du  feu,  du  mouvement,  de  la  vie.  Chose  difficile 
dans  un  art  fixe,  le  groupe  fuit  ä  toute  vitesse.  Les  jantes  des  rues  disparaissent 
dans  l'eblouissement  de  la  rapidite;  les  chevaux  echeveles  piaffent,  devorent  l'espace, 
et  bientot  la  voiture  sera  hors  du  cadre."") 

Gautiers  Urteil,  an  sich  etwas  phrasenhaft  und  durch  seine  Unkenntnis  von 
Pettenkofens  anderen  Arbeiten,  besonders  von  denen  aus  der  Zeit  zwischen 
1853  und  1869,  stark  beeinträchtigt,  gewinnt  aber  durch  den  Zusammenhang,  in 
dem  es  ausgesprochen  ist,  an  Bedeutung.  Es  findet  sich  in  einer  Serie  von  Feuille- 
tons, die  eine  Leihausstellung  behandeln.  Sie  war  zu  einem  wohltätigen  Zwecke 
veranstaltet  und  enthielt  moderne  Bilder  aus  Pariser  Privatbesitz.  Vor  Pettenkofens 
Gemälden  werden  Hauptwerke  von  Eugene  Delacroix,  Jules  Dupre,  Theodore 
Rousseau  und  Edouard  Meissonier  besprochen.  — 

Das  Thema  des  „Verwundetentransportes"  ist  folgendes:  An  einem  trostlosen 
Regentag  schleppt  sich  durch  den  unendlichen  Kot  der  Puszta  ein  trübseliges  Fuhr- 
werk. Qualvoll  langsam  geht  es  vorwärts,  sinken  doch  die  Räder  fast  bis  an  die 
Naben  ein.  Den  ermüdeten  Ochsen  helfen  hinten  am  Wagen  anschiebend  Soldaten 
der  Eskorte.  Das  Gefährt  ist  voll  Verwundeter,  vom  Leichtblessierten  an  bis  zu 
dem  im  Todeskrampf  Erstarrten.  Ein  Arzt  spendet  aus  der  Feldflasche  Labung. 
Nicht  nur  die  öde,  bleierne  Niedergeschlagenheit  der  Gesamtstimmung,  sondern 
auch  das  schreckliche  Elend  auf  den  fahlen,  schmerzverzerrten  Gesichtern  ist  vom 
Künstler  meisterhaft  zum  Ausdruck  gebracht.  Hätte  Pettenkofen  im  „Verwundeten- 
transport" ein  Tendenzbild  schaffen  wollen,  so  hätte  er  damit  proleptisch  einen 
Werestschagin  übertrumpft.  Wenn  man  will,  kann  man  den  „Verwundeten- 
transport" das  traurige  Ende  des  Liedes  nennen,  das  mit  den  „Ungarischen  Frei- 
willigen" so  lustig  begonnen  hat.  Die  „Leichenschlepper"  hätten  dann  das  dumpfe 
Schlußstück  dieser  gemalten  Trilogie  abgeben  sollen.  Aber  sicherlich  waren  für 
Pettenkofen  das  gedankliche  und  das  malerische  Moment,  wie  es  wohl  auch  das 
Richtige  ist,  zur  untrennbaren  Einheit  verschmolzen. 

Wie  stark  ihn  der  Vorwurf  lange  Zeit  hindurch  beschäftigt  hat,  geht  aus  den 
verschiedenen,  sich  über  vier  Jahre  verteilenden  Fassungen  hervor,  worin  er  ihm 
immer  neue  Seiten  abzugewinnen  sucht.  Sie  führen  die  Entwicklung  der  Idee  in 
drei  Hauptstadien  vor.  Das  erste  wird  durch  das  Ölbild  vom  Jahre  1849  bezeichnet, 
das  zweite  durch  die  Lithographie  desselben,  das  Aquarell  des  folgenden  und  das  Öl- 
bild des  nächstnächsten  Jahres,  das  dritte  durch  das  im  Jahre  1853  entstandene  Ölbild. 

Das  erste  Ölbild  zeigt  das  Sujet  noch  mit  dem  der  „Leichenschlepper"  verquickt, 
denn  man  sieht  darauf  auch,  wie  am  Abend  nach  der  Schlacht  Verwundete  aufgelesen 
werden.  Etliche  davon  werden  schon  auf  einem  von  zwei  Pferden  gezogenen 
Karren  weitergeschafft.  Mit  dem  einen,  der  vorne  auf  dem  Fuhrwerk  sitzt,  plau- 
dert der  Bauer,  der  das  Gespann  lenkt. 


65 


Die  Lithographie,  wie  das  eben  besprochene  Bild  vom  Jahre  1849,  ist  noch  ziem- 
lich hell  gehalten.  Der  Wagen  ist  mit  Ochsen  bespannt  und  fährt  nach  rechts. 
Hinter  dem  Soldaten  links  vorne,  von  dessen  Gewehr  nur  der  Lauf  zu  sehen  ist, 
fehlt  noch  der  Hund.  Der  Bauer  hält  eine  Gerte.  Der  Regimentsarzt,  der  die  Feld- 
flasche noch  nicht  dem  Gesicht  des  Verwundeten  genähert  hat,  trägt  einen  Zwei- 
spitz, der  Soldat  hinter  den  beiden  eine  Kappe.  Von  dem  Manne,  der  die  Hand 
über  die  Wagenleiter  hängen  läßt,  ist  nur  der  verbundene  Kopf  sichtbar.  Der 
Blessierte  links  hinten  hat  über  dem  Verband  eine  Kappe  auf,  von  dem  rechts  hinten 
flattert  ein  Ärmel  weg.  Vor  dem  Wagen  liegt  ein  Tschako  im  Kot.  Über  den 
Ochsen  sind  ein  Haus  und  ein  Ziehbrunnen  sichtbar.  Links  vorne  wird  in  der 
Entfernung  ein  zweiter  Karren  vom  Bildrand  überschnitten. 

Auf  dem  Aquarell  vom  Jahre  1850  bewegt  sich  der  Zug  gleichfalls  nach  rechts, 
von  der  Lithographie  unterscheidet  es  sich  hauptsächlich  dadurch,  daß  hinter  dem 
Soldaten  links  vorne  ein  Hündchen  einhertrottet. 

Das  Ölbild  vom  Jahre  1851  zeigt  den  Wagen  nach  links  fahrend.  Am  Hori- 
zont, der  noch  immer  oberhalb  der  Rücken  der  Ochsen  verläuft,  ragen  links  und 
rechts  Baumgruppen  auf.  Wie  auf  der  Lithographie  ist  deutlich  zu  sehen,  daß  es 
regnet.  Rechts  oben  ist  das  Gewölk  beträchtlich  dunkler  geworden.  Dem  Soldaten 
links  vorne,  von  dessen  Gewehr  auch  der  Kolben  sichtbar  ist,  folgt  das  Hündlein. 
Der  Bauernkutscher  hantiert  mit  einem  Leitseil.  Der  Feldbader  hat  eine  Kappe 
auf  und  hält  die  Flasche  bereits  am  Munde  seines  Patienten.  Der  Soldat  hinter 
den  beiden  trägt  einen  Tschako.  Am  Wagen  hängen  eine  Feldflasche,  eine  Patron- 
tasche, ein  Brotbeutel  und  ein  Tschako.  Auf  der  Lithographie  sind  es  außer  der 
Patrontasche  ein  Tornister  und  zwei  Seitengewehre.  Der  Verwundete,  der  die 
Hand  überhängen  läßt,  hat  den  Kopf  bloß,  der  links  hinten  hat  den  seinen  nur 
eingewickelt,  und  sein  Ärmel  ist  es,  der  aufs  Rad  herabhängt.  Ein  zweiter  Wagen 
fährt  nicht  nach,  sondern  vor  dem  ersten. 

Auf  dem  Bilde  vom  Jahre  1853  bewegt  sich  der  Zug  wieder  nach  rechts.  Alles  ver- 
schwimmt in  ödem  Grau.  Zu  regnen  scheint  es  nicht.  Der  Horizont  ist  unter  die  Rücken 
der  Ochsen  und  das  Fuhrwerk  hinabgerückt.  Der  Bauer  geht  auf  der  anderen,  der  vom 
Beschauer  abgekehrten  Seite  des  Gespannes.  Die  Ochsen  haben  besonders  lange  Hörner. 
Rechts  vorne  schreitet  schwer  die  eindrucksvolle  Gestalt  einer  Marketenderin  mit  großem 
Hut,  Feldflasche  und  Krug  durch  den  Kot.  Ihr  folgt  traurig  ein  langbeiniger  Hund. 
Die  hinten  anschiebenden  Soldaten  sind  nicht  mehr  so  parallel  gebildet  wie  bis- 
her: der  linke  hat  das  Gewehr  geschultert  und  raucht  aus  seiner  Pfeife.  Der 
Feldarzt  ist  von  den  beiden  Soldaten,  mit  denen  er  früher  ein  Ganzes  gebildet  hat, 
losgelöst.  Der  Verwundete  hat  seinen  Kopf  völlig  unverbunden.  Hinten  sitzen  nicht 
mehr  drei,  sondern  nur  mehr  zwei  Soldaten.  Statt  der  herabhängenden  Hand  ist 
eine  starr  emporragende,  die  eines  Toten  sichtbar. 

Diese  Fassung  ist  als  die  endgültige  anzusehen.  Mit  ihr  war  für  den  Künstler 
das  Thema  erschöpft,  —  wenn  er  auch  noch  im  Jahre  1869  zwei  Ölskizzen  des 
„Verwundetentransportes"  an  Plach  verkauft. 

Pettenkofen  soll  auf  seinen  „Verwundetentransport"  nicht  gut  zu  sprechen  ge- 
wesen  sein.^O  —  wahrscheinlich   weil   ihm   dieses   Werk   zu    oft   als  Maßstab   für 


66 


.Fischerhütte.   Aquarell.    1854. 


Wien,  Dr.  Albert  Figdor. 


andere  vorgehalten  wurde;  und  der  alte  Fürst  Nikolaus  Eszterhäzy,  dem  Petten- 
kofen  einmal  das  Bild  zu  zeigen  Gelegenheit  fand,  soll  ihn  gebeten  haben,  es 
wieder  mitzunehmen,  —  weil  es  zu  traurig  sei.^**)  — 

Pettenkofens  Wirksamkeit  als  Wiener  Genremaler  hat  im  „Verwundetentransport" 
und  in  den  „Ungarischen  Freiwilligen"  gegipfelt.  Beide  Bilder,  jenes  freilich  nur  in 
seiner  letzten  Fassung,  sind  1853  gemalt  und  fallen  daher  eigentlich  schon  in  die 
durch  Pettenkofens  ersten  Pariser  Aufenthalt  während  der  Jahre  1852-53  eingeleitete 
nächste  Phase  seiner  künstlerischen  Entwicklung.  Doch  durften  sie  hier  behandelt 
werden,  weil  ihre  Konzeption,  wie  wir  wissen,  noch  der  Zeit  des  ungarischen  Feld- 
zuges, jedenfalls  noch  dem  Jahre  1849  angehört.  Der  „Verwundetentransport"  ist  als 
Lithographie  von  diesem  Jahre  datiert,  und  aus  demselben  Jahre  stammt  auch  die 
Lithographie:  „Die  Überfallene  Feldpost",  die  in  gewissem  Sinne  als  die  einzige  Vor- 
stufe zu  den  „Ungarischen  Freiwilligen"  angesehen  werden  kann. 

Aus  chronologischen  Gründen  und  wegen  neuer  künstlerischer  Eigenschaften  mögen 
folgende  Arbeiten  Pettenkofens  aus  den  Jahren  1851  und  1852  hier  am  Schluß  be- 
sprochen werden. 

Zuerst  sei  eine  Folge  kleiner,  höchst  reizender  Klosterneuburger  Landschaften 
und  Interieurs  vom  Jahre  1851  erwähnt,  zehn  Aquarelle  und  ein  Ölbild.  Die  Serie, 
heute  im  Besitz  Theodor  Bergmanns  in  Wien,  zeigt  uns  den  Künstler  zum  ersten 
Male  als  ungemein  feinfühligen  und  geschmackvollen  Maler  von  Landschaften  und 
Innenräumen,  wenngleich  es  natürlicherweise  Landschaftsstudien  von  seiner  Hand 
auch  schon  aus  früherer  Zeit  gibt.  Pettenkofen  ist  in  diesen  Bildchen  völlig  selb- 
ständig, sie  könnten  keinem  anderen  Wiener  Maler  jener  Tage  zugewiesen  werden. 


67 


9* 


Eigentümlich  sind  ihnen  die  trotz  aller  Feinheit  der  Ausführung  markige,  nichts 
weniger  als  glatte  oder  süßliche  Maltechnik,  die  kühle  und  satte  Farbenskala  und 
der  bewegte  Himmel  mit  weißen  Wolken  vor  tiefblauem  Grund.  Die  Bildchen,  zu 
einem  Album  vereinigt,  sind  intimen  Charakters.  Sie  waren  für  die  Geliebte  be- 
stimmt und  schildern  den  Ort,  das  Haus,  wo  sie  den  Sommer  zubrachte.  Noch 
persönlicher  und  vertraulicher,  aber,  so  flott  und  graziös  sie  auch  gemacht  sind, 
künstlerisch  doch  von  untergeordneter  Bedeutung,  sind  Zeichnungen,  bald  mit  der 
Feder,  bald  in  Sepia  mit  dem  Pinsel  verfertigt,  zum  Teil  ganz  flüchtig  hingeworfen, 
zum  Teil  sorgfältig  ausgeführt,  fast  durchwegs  Illustrationen  von  Briefen  an  die  Ge- 
liebte, die,  vielleicht  nicht  ganz  wahrheitswidrig,  meist  wohl  heftig  übertreibend,  ge- 
wöhnlich ausgelassen  lustig,  manchmal  aber  auch  mit  leiser  Wehmut,  häufiger  voll 
heißer  Leidenschaft  als  objektiv  und  gefaßt,  Freuden  und  Leiden  der  Liebe 
schildern.  Auch  diese  Blätter  wurden,  hinterher  natürlich,  zu  einem  Album  zu- 
sammengebunden und  sind  vom  August  und  September  1851  und  vom  Februar 
1852  datiert. 

Von  größerer,  ja  von  epochaler  Bedeutung  für  des  Künstlers  Entwicklungsgang 
sind  ein  paar  ebenfalls  von  1851  und  1852  datierte  Naturstudien,  ungarische 
Bauern  und  einen  Bauernhof  auf  der  Puszta  darstellend.  Sie  stammen  unzweifel- 
haft aus  Szolnok,  wo  Pettenkofen  bereits  im  Herbst  1851  nachgewiesen  werden 
kann,  wo  er  ein  neues  Stoffgebiet  entdeckt  und  durch  diese  Entdeckung  einer 
neuen  künstlerischen  Auffassung  entgegenreift.  Sie  lehrt  ihn  das  anekdotische 
Genrebild  überwinden  und  anspruchsloser  und  objektiver  ein  Stück  Natur  wieder- 
geben, wobei  er  das  Hauptgewicht  auf  die  rein  malerische  Erfassung  und  Be- 
handlung des  Gegenstandes  legt.  Diese  Wandlung  aber  soll  später  eingehender 
zu  schildern  versucht  werden.  — 

Bei  der  Betrachtung  von  Pettenkofens  künstlerischer  Wirksamkeit  in  der  Zeit 
von  1837  bis  1852  haben  wir  gesehen,  daß  er  sich  nicht  nur  unter  den  Wiener 
Lithographen,  sondern  auch  unter  den  Wiener  Genremalern  jener  Epoche  eine 
erste  Stelle  errungen  und  die  Schilderung  des  Soldatenlebens,  insbesondere  des 
ungarischen  Feldzuges  der  Jahre  1848  und  1849  zu  einer  Spezialität  ausgebildet 
hat.  Der  „Abschied  des  Landwehrmannes",  den  Johann  Peter  Krafft  1813  gemalt 
hat,  gilt  mit  Recht  als  der  Anfang  der  Wiener  Genremalerei  im  Vormärz,  ein 
Bild  wie  Pettenkofens  „Transport  von  Verwundeten"  vom  Jahre  1853  würde  sie 
nicht  unwürdig  beschließen.  Krafft  war  der  Schüler  Louis  Davids  und  1852  pries 
er  sich  mit  Tränen  der  Freude  in  den  Augen  glücklich,  daß  er  noch  vor  seinem 
Ableben  ein  so  bedeutendes  historisches  Bild  wie  Delaroches  „Napoleon"  sehen  durfte. 
Es  ist  daher  begreiflich,  daß  seine  beiden  Szenen  aus  dem  Leben  des  Landwehr- 
mannes verkappte  Historienbilder  sind.  Das  große  Format,  das  Pathos  der  Geberden, 
die  heroischen  Staturen  verraten  das  deutlich  genug.  Wie  ganz  anders  wirkt  da- 
gegen Pettenkofens  kleines  Bild.  Um  wie  viel  natürlicher  und  schlichter,  um  wie 
viel  wahrheitsgetreuer  erscheint  es  uns  in  Farbe  und  in  Darstellung.  Wir  glauben 
hier  einem  Stück  trostloser  Wirklichkeit  gegenüberzustehen,  dort,  an  Kraffts  Ge- 
stalten sehen  wir  nur  mehr  Pose  und  Theater.  In  einem  Bilde,  wie  dem  „Ver- 
wundetentransport"   ist   aber   auch   die  kokette  und  pointierende  Art,  die  gleicher- 


68 


•^*^ 


Schweineherde  am  Wasser.  Aquarell.   1854. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


weise  dem  Kolorit  und  der  Komposition  der  Fendi-Schule  eignet,  abgetan  und 
überwunden.  Diese  Vergleiche  sollen  nicht  etwa  Krafft  und  Fendi  und  seine  Schüler 
auf  Kosten  des  Pettenkofen  vom  Jahre  1853  herabsetzen,  sie  sollen  nur  die  Ent- 
wicklung, die  Weiterbildung  —  absichtlich  sei  hier  das  so  leicht  irreführende  Wort 
Fortschritt  vermieden  —  dartun,  die  die  Wiener  Genremalerei  innerhalb  der  oben 
angegebenen  Zeitgrenzen  durchgemacht  hat. 

Die  Wiener  Genremalerei,  deren  engen  und  vielfältigen  Zusammenhang  mit  den 
gleichzeitigen  sozialen  und  politischen  Verhältnissen  Wiens  Rudolf  von  Eitelberger 
in  einer  Reihe  vorzüglicher  Studien  klargelegt  hat,'")  macht,  wie  wir  heute  längst 
und  gut  wissen,  den  Ruhmestitel  der  damaligen  Wiener  bildenden  Kunst  aus. 
Gleichwohl  ward  sie  aufs  heftigste  von  der  freilich  zu  Beginn  jener  Periode  schon 
im  Absterben  begriffenen  akademischen  und  von  der  kirchlich-romantischen  Rich- 
tung, die  wieder  eine  der  anderen  spinnefeind  waren,  befehdet.  Auf  der  Akademie 
trug  mit  Führich  an  der  Spitze  die  kirchlich-romantische  Richtung  den  Sieg  über  die 
Genremalerei  davon.  Führich  war  an  der  Lambergischen  Galerie,  die  schon  1821  ihr 
hochherziger  Gründer  der  Akademie  testamentarisch  vermacht  hatte,  seit  1834 
zweiter  Kustos,  Professor  an  der  Akademie  wurde  er  1840.  Danhauser  nahm  im 
Jahre  1844  seinen  Abschied  von  der  Akademie.  Bewogen  wurde  er  zu  diesem 
Schritte  durch  die  Zurückweisung,  die  sein  Bild  „Hundekomödie",  eine  satirische 
Antwort  auf  gewisse  ihm  feindliche  Zeitungskritiken,  auf  der  Ausstellung  des 
Kunstvereines  erfahren  hatte.  Waldmüller  war  seit  1829  an  der  Lambergischen 
Galerie  angestellt,  seit  1830  war  er  Professor  an  der  Akademie.  Kann  es  als  aus- 
gemacht gelten,  daß  Pettenkofen  vom  Austritt  Danhausers  aus  dem  akademischen  Lehr- 


69 


körper  auf  das  schmerz- 
lichste berührt  worden 
ist,  so  wird  er  in  dem 
literarischen  Streite,  den 
Waldmüller  und  Eitel- 
berger,  der  in  der  zweiten 
Hälfte  der  vierziger  Jahre 
im  Wiener  Kunstleben 
eine  Rolle  zu  spielen  be- 
gann und  damals  auch 
schon  an  der  Akademie 
Kunstgeschichte  vortrug, 
in  den  Jahren  1847  und 
1848  miteinander  hat- 
ten,") unzweifelhaft  auf 
der  Seite  Waldmüllers  ge- 
standen sein,  —  war 
er  auch  später  mit  Eitel- 
berger  befreundet  und 
hatte  er  auch  als  reifer 
Meister  gegen  Wald- 
müllers künstlerische  Art 
Einwendungen  zu  erhe- 
ben. Mit  dessen  Schrift 
über  die  Reform  des  aka- 
demischen Unterrichtes 
aber  war  er  sicher  durch- 
aus einverstanden.  — 

Diese  mutmaßliche  Stel- 
lungnahme Pettenkofens 
zu  so  wichtigen  Ereig- 
nissen, wie  es  Danhausers  Abgang  von  der  Akademie  und  Waldmüllers  und  Eitel- 
bergers  literarische  Fehde  für  die  Wiener  Kunstkreise  am  Vorabend  der  Revolution 
unzweifelhaft  gewesen  sind,  hat  uns  bereits  mitten  in  das  Kunstgetriebe  Wiens  zur 
Zeit  von  Pettenkofens  erster  Entwicklungsperiode  hineingeführt.  Ihr  Abschluß  ver- 
lockt ohnehin  dazu,  all  das,  was  sich  während  der  durchmessenen  dreißig  Jahre 
in  Wien  auf  dem  Gebiete  der  bildenden  Kunst  zugetragen  hat,  rasch  zu  über- 
blicken. 

Die  Palme  gebührt  der  Genremalerei.  Krafft,  Fendi,  Karl  Schindler,  Danhauser, 
Ranftl,  Gauermann,  Raffalt,  Waldmüller  waren  außer  Pettenkofen  ihre  hervor- 
ragendsten Vertreter.  Krafft  pflegte  auch  das  Historienbild,  Ranftl  und  Gauermann 
zeichneten  sich  als  Tiermaler  aus,  RafTalt  war  vorwiegend  Landschafter,  Wald- 
müller war  der  vielseitigste  von  allen  und  malte  Genrebilder,  Landschaften,  Porträte 
und    Stilleben.    Daneben    war    dank    der    hohen    Künstlerschaft    und    machtvollen 


Ungarischer  Bauer,  stehend,  nach  rechts.  Aquarell.   1851. 
Budapest,  Baron  Julius  Forster. 


70 


Persönlichkeit  Führichs 
die  kirchlich-romantische 
Richtung  zu  neuem  Le- 
ben erwacht  und  an  der 
Akademie  zum  ausschlag- 
gebenden Faktor  gewor- 
den. Führich  und  seinen 
Schülern  fiel  auch  in  der 
neuen  Ära,  die  für  die 
Akademie  durch  die  Stu- 
dienreform des  Unter- 
richtsministers Grafen 
Thun  eingeleitet  wurde, 
der  erste  große  Auftrag 
zu :  die  Ausmalung  der 
Altlerchenfelder  Kirche, 
die  seit  1853  so  weit  war, 
daß  mit  der  Innendeko- 
ration begonnen  werden 
konnte.  Die  beiden  echte- 
sten österreichischen  Ro- 
mantiker freilich,  Steinle 
und  Schwind,  hatten  1837 
und  1839  die  Heimat  ver- 
lassen. Unabhängig,  aber 
darum  nur  um  so  ein- 
drucksvoller, entwickelt 
sich  die  malerische  Tätig- 
keit Amerlings  und  Rahls. 
Jener  ist  ein  Genremaler, 
bei  dem  die  lebensgroße 

weibliche  Figur  die  Hauptrolle  spielt,  und  ein  pompöser  Porträtist,  dieser,  den 
Hebbel  als  einen  Wahlverwandten  feiert,  schafft  Historienbilder  nicht  nur  großen 
Formates,  sondern  auch  großen  Stiles.  Beide  haben  sich  in  der  Fremde  ausgiebig 
umgetan,  beide  bereiten  gewissermaßen  die  Zeit  Makarts  und  Canons  vor.  Als 
Porträtist  erfreut  sich  der  fabelhaft  fruchtbare  Kriehuber  des  außerordentlichsten 
Rufes,  mit  seinen  lithographierten  Bildnissen  steht  er  einzig  da,  als  Maler  von 
Miniaturporträten  sucht  Daffinger,  der  Freund  Grillparzers,  seinesgleichen.  Als 
Landschafter  sind  Thomas  Ender  und  die  drei  Alt,  der  Vater  Jakob  und  die  beiden 
Söhne  Rudolf  und  Franz,  zu  nennen.  Die  meisten  Steinzeichner  wurden  bereits  in 
Verbindung  mit  Pettenkofens  lithographischer  Tätigkeit  genannt,  der  Holzschnitt 
wurde  von  Blasius  Höfel  und  seiner  Schule  gepflegt,  reproduzierende  Stiche 
schufen  Rahl,  der  Vater,  Benedetti  und  Stöber,  die  Originalradierung  lag  fast  gänz- 
lich brach,  nur  einige  wenige  Künstler  haben  ab  und  zu  ein  Blatt  radiert:  Gauer- 


Ungarischer  Bauer,  stehend,  nach  links.   Aquarell.   1854. 
Budapest,  Stefan  von  Czdrän. 


71 


mann,  Danhauser,  Ranftl.  Die  Plastik  gieng  fast  während  der  ganzen  Periode  leer 
aus:  Klieber,  Schaller,  Kähßmann,  Bauer  schufen  ein  paar  nicht  allzu  hervor- 
ragende Werke  fast  durchwegs  klassizistischer  Art.  Ebenso  schlimm  stand  es  mit 
der  Architektur,  doch  waren  schon  seit  1843  jene  beiden  Künstler  an  der  Akademie 
tätig,  die  im  zweiten  Drittel  des  vergangenen  Jahrhunderts  Wien  seinen  schönsten 
Monumentalbau  schenken  sollten :  Eduard  Van  der  Null  und  August  von  Siccards- 
burg. 

Große  Ereignisse  für  die  Wiener  Künstler  und  Kunstfreunde  waren  zwei  Aus- 
stellungen ausländischer  Gemälde  in  den  Jahren  1843  und  1852.  Auf  der  ersten 
waren  Gallaits  „Abdankung  Karls  V.  in  Brüssel  im  Jahre  1555"  und  Biefves 
„Kompromiß  der  niederländischen  Edlen  im  Jahre  1566"  zu  sehen,  die  zweite  Aus- 
stellung, die  im  jüngeren  Kunstverein  stattfand,  zeigte  Gallaits  Gemälde  „Egmont 
vor  der  Enthauptung"  und  die  Napoleon-Bilder  Delaroches.  Der  jüngere  Kunst- 
verein war  1850  gegründet  worden,  seine  Geschäftsleitung  lag  in  den  Händen 
Arthabers.  Während  man  dem  älteren  Kunstverein,  der  seine  Entstehung  Metter- 
nich  verdankte,  gänzliche  Untätigkeit  vorwarf,  ward  am  jüngeren  bereits  im  Jahre 
1852  gerügt,  daß  er  zu  viele  Ausländer  vorführe.  1850  ward  endlich,  um  nochmals 
des  Beginnes  der  hauptsächlich  durch  Eitelberger  eingeleiteten  kunstgeschichtlichen 
Ära  zu  gedenken  und  so  diese  Skizze  der  Wiener  Kunstzustände  in  der  ersten 
Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts  abzurunden,  der  Grundstein  zur  „k.  k.  Centralcommission 
zur  Erforschung  und  Erhaltung  der  Baudenkmale"  gelegt.  Mit  der  Schöpfung  dieses 
Institutes  gieng  Österreich  Deutschland  voran. 

In  der  österreichischen  Dichtkunst  war  1852  bereits  die  schönste  Blüte  abgewelkt. 
Um  so  erstaunlicher  und  wunderbarer  ist  die  schwere,  reiche  Fülle,  die  sie  in  der 
Zeit  von  Pettenkofens  Geburt  bis  zu  seiner  Reise  nach  Paris,  also  während  des 
Menschenalters  von  1822  auf  1852  entfaltet  hat.  Grillparzer  hatte  in  den  zwanziger 
und  dreißiger  Jahren  dem  deutschen  Theater  viele  köstliche  Gaben  beschert,  1840 
aber  hatte  er  sich,  nachdem  er  in  diesem  Jahre  seine  drei  ungedruckten  Dramen 
„Des  Meeres  und  der  Liebe  Wellen",  „Der  Traum  ein  Leben"  und  „Weh  dem, 
der  lügt"  in  Buchform  hatte  erscheinen  lassen,  gekränkt,  enttäuscht  und  verbittert 
von  der  Öffentlichkeit  zurückgezogen.  Sein  Tagebuchvers  verrät  deutlich  die  trübe 
Stimmung,  die  ihn  beherrscht,  zeigt,  wie  er  sein  Verhältnis  zu  Publikum  und 
Kritik  aufgefaßt  und  beurteilt  hat: 

„Was  je  den  Menschen  schwer  gefallen, 

Eins  ist  das  Bitterste  von  allen: 

Vermissen,  was  Schon  unser  war, 

Den  Kranz  verlieren  aus  dem  Haar; 

Nachdem  man  sterben  sich  gesehen. 

Mit  seiner  eig'nen  Leiche  gehen." 

Der  leichtlebigere,  elastischere  Bauernfeld  war  dagegen  unermüdlich  tätig  und 
schilderte,  wie  es  sein  Freund  Danhauser  als  Maler  tat,  als  dramatischer  Dichter 
die  Wiener  Gesellschaft.  Von  Halm  erschien  1837  die  „Griseldis",  1843  der  „Sohn 
der  Wildnis".  Hebbel,  seit  1846  in  Wien  ansässig,  stand  1852  auf  der  Höhe  seiner 
Schaffenskraft.  Bis  auf  den  „Gyges"  und  die  „Nibelungen"  hatte  er  schon  alle 
seine  bedeutenderen  Tragödien  geschrieben.     Nestroy  beherrschte  seit  Anfang  der 

72 


dreißiger  Jahre  die  Vorstadtbühne.  Rai- 
mund, dessen  sämtliche  Dramen  sich  auf 
kaum  mehr  als  ein  Dutzend  Jahre  ver- 
teilen, hatte  sich  1836  erschossen.  Lenau, 
der  andere  Melancholiker  unter  den 
Dichtern  des  Kaiserstaates,  war  1844 
wahnsinnig  geworden  und  starb  1850. 
Aber  auch  Anastasius  Grüns  poetische 
Tätigkeit  ist  mit  dem  Jahre  1850  fast 
ganz  abgeschlossen.  Dasselbe  gilt  von 
Zedlitz,  der  hier  nur  darum  erwähnt  sei, 
weil  er  als  Korrespondent  der  „Allge- 
meinen Zeitung"  dann  und  wann  Kritiken 
über  bildende  Kunst  verfaßte  und  dabei 
besonders  Danhauser  mit  verständnisloser 
Härte  abfällig  beurteilte.  Von  Stifter  waren 
1852  bereits  die  „Studien"  und  die  „Bun- 
ten Steine",  also  seine  beiden  berühm- 
testen Werke,  erschienen.  Noch  schlim- 
mer als  mit  der  Wiener  Literatur  steht 
es  am  Abschluß  dieser  Epoche  mit  der 
Wiener  Musik,  weil  sie  nur  Verluste  und 
kaum  einen  Gewinn  aufzuweisen  hat. 
Noch  in  den  zwanziger  Jahren  des  Jahr- 
hunderts waren  Beethoven  und  Schubert  gestorben,  Lanners  und  des  älteren  Strauß 
süße  Wiener  Tanzweisen,  die  mehr  als  irgend  etwas  anderes  dem  Ausland  eine 
Vorstellung  von  Wien  gaben,  sind  in  den  vierziger  Jahren  für  immer  verklungen. 
Die  Oper  stand  die  ganze  Zeit  her  unter  dem  Zeichen  Meyerbeers,  ins  Burgtheater 
zog  1850  mit  Laube  ein  neuer  Geist  ein. 

Wien  selbst,  die  Stadt,  hatte  sich  in  der  Zeit  von  1822  bis  1852  wohl  nicht 
allzu  sehr  verändert,  war  doch  überhaupt  nicht  viel  und  künstlerisch  nur  ganz  wenig 
gebaut  worden.  Nüchterne  Verwaltungsgebäude,  Kasernen  und  Bahnhöfe  sind  die 
Zeugen  des  damals  in  der  Architektur  herrschenden  Bureaukratismus,  an  dem  das 
Regime  des  allmächtigen  Hof  baurates  Sprenger  die  Hauptschuld  trug.  Erst  Rösners 
Johanneskirche  in  der  Praterstraße  und  besonders  Müllers  Altlerchenfelderkirche  in 
der  Lerchenfelderstraße  leiten  eine  neue,  bessere  Phase  der  Wiener  Architektur 
ein.  Noch  aber  waren  die  Basteien  nicht  gefallen.  Erst  deren  Entfernung,  die  zwar 
das  wunderliebe  Bild  des  alten  Wien  zerstörte,  konnte  zum  Ausgangspunkt  für 
die  glänzende  Bauperiode  der  nächsten  Jahrzehnte  werden. 

Die  Umwälzung  auf  politischem  Gebiete  haben  wir  ja  an  der  Hand  von  Petten- 
kofens  Arbeiten,  wenn  auch  bloß  von  weitem,  flüchtig  und  bruchstückweise,  mit- 
erlebt. Das  Metternichsche  System,  so  lange  unerschüttert,  scheitert  endlich  in  den 
Stürmen  des  Jahres  1848.  Oberitalien  und  Ungarn  erheben  sich  gegen  Österreich, 
in  Prag  findet  ein  Slawenkongreß  statt,   der  die  gegen    das  Deutschtum  gekehrten 


Ungarischer  Bauer,  sitzend.  Aquarell.   1854. 
Budapest,  Museum  der  schönen  Künste. 


73 


Bestrebungen  der  slawischen  Völker  Österreichs  zentralisieren  soll  und  der  eine 
Volkserhebung  in  Prag  zur  Folge  hat.  In  Wien  scheint  zuerst  die  Revolution  zu 
triumphieren,  und  man  erhofft  sich  da  von  der  blutig  erstrittenen  Freiheit  den 
Himmel  auf  Erden.  Metternich  ist  vertrieben,  die  Zensur  abgeschafft,  die  Preßfrei- 
heit erobert,  eine  Konstitution  vom  Kaiser  selbst  bewilligt.  Aber  auf  die  Märztage 
folgen  die  Oktobertage.  'Wie  vorher  in  Prag,  so  wird  schließlich  auch  in  Wien  die 
Revolution  mit  Waffengewalt  niedergeworfen,  und  auch  die  Aufstände  in  Italien 
und  Ungarn  gelingt  es,  in  Ungarn  mit  Hilfe  eines  russischen  Heeres,  in  blutigen 
Kämpfen  zu  unterdrücken.  Zur  selben  Zeit  kommen  die  Nachrichten  von  der 
Kapitulation  von  Vilagos  und  von  der  Einnahme  von  Venedig  nach  W^ien,  am 
13.  September  1849  wird  der  aus  Italien  heimkehrende  Radetzky,  der  Sieger  von 
Custozza  und  Novara,  von  der  Bevölkerung  Wiens  mit  unbeschreiblichem  Jubel 
empfangen.  1850  in  Olmütz  obsiegt  Österreich  vorläufig  wenigstens  auch  über  den 
Gegner,  der  sich  ihm  drohend  und  machtvoll  im  Norden  zu  erheben  beginnt,  über 
Preußen,  das  sich  in  Olmütz  allen  österreichischen  Forderungen  fügt.  Auf  Öster- 
reichs Kaiserthron  hatte  noch  zu  Ende  des  tollen  Jahres  ein  Wechsel  stattgefunden : 
der  achtzehnjährige  Franz  Josef  war  seinem  Oheim  Ferdinand  nachgefolgt.  Knüpften 
sich  alle  guten  Hoffnungen  an  den  jugendlichen  Monarchen,  so  herrschte  doch  einst- 
weilen die  Reaktion  und  stellte  fast  alle  Errungenschaften  des  Jahres  1848  in  Frage. 
Aber  nicht  bloß  in  Wien,  sondern  auch  in  anderen  Ländern  Europas  war  der  Absolu- 
tismus wieder  hergestellt.  1852  erhielt  Frankreich  wieder  einen  Kaiser,  und  die 
verblüffende,  eines  gewissen  Schwunges  keineswegs  entbehrende  Art,  wie  er  auf- 
trat, ließ  Europa  wieder  einmal  voll  Spannung  nach  Paris  blicken.  Dieser  Um- 
schwung an  der  Seine,  der  sicherlich  vielfach  zu  den  schönsten  Hoffnungen  zu  be- 
rechtigen schien,  mag  unter  anderem  mit  dazu  beigetragen  haben,  daß  Petten- 
kofen  zu  Beginn  des  Jahres,  an  dessen  Ende  Louis  Napoleon  auf  Grund  von 
Senätsbeschluß  und  Volksabstimmung  zum  Kaiser  proklamiert  wurde,  Wien,  über 
das  sich  die  alte,  kaum  zerstreute  Finsternis  aufs  neue  herabgesenkt  hatte,  verließ 
und  nach  Paris  reiste. 

Aber  nicht  Napoleon  III.  war  es,  der  in  der  Zukunft  die  Geschicke  Europas 
lenken  sollte.  Der  Mann,  der  dazu  bestimmt  war,  weilte  gerade  im  Jahre  1852  als 
Vertreter  des  erkrankten  Grafen  Arnim,  des  königlich  preußischen  Gesandten  am 
österreichischen  Kaiserhofe,  in  Wien  und  Pest,  ja  sogar  an  demjenigen  Orte  in 
Ungarn,  dessen  Name  mit  Pettenkofens  Künstlerschaft  untrennbar  verbunden  ist 
und  wohin  dieser  das  Jahr  vorher  zum  ersten  Male   gekommen  war,    in    Szolnok. 


74 


ZWEITES  KAPITEL 

SZOLNOR  1S51-1881 

ismarck  schreibt  am  27.  Juni  1852  aus  Szolnok  an  seine  Frau: 
„In  den  vorhandenen  Atlanten  wirst  Du  eine  Karte  von  Ungarn 
finden,  auf  dieser  einen  Fluß  Theiß,  und  wenn  Du  den  über 
Szegedin  hinauf  nach  der  Quelle  suchst,  einen  Ort  Szolnok  ..." 
Er  hatte  in  Alberti-Irsa,  wohin  er  von  Pest  mit  der  Bahn  ge- 
fahren war,  zu  tun  und  wollte  sich  von  da  aus  „Spasses  halber" 
die  ungarischen  Steppen  zwischen  Donau  und  Theiß  ansehen. 
Wegen  der  Betyaren  wollte  man  ihn  nicht  ohne  Eskorte  reisen 
lassen.  Er  erzählt  weiter:  Nach  dem  Frühstück  „bestieg  ich 
einen  sehr  niedrigen  Leiterwagen  mit  Strohsäcken  und  3  Steppenpferden  davor,  die 
Ulanen  luden  ihre  Karabiner,  saßen  auf,  und  fort  gings  im  sausenden  Galopp.  Hilde- 
brand [Bismarcks  Kammerdiener]  und  ein  ungrischer  Lohndiener  auf  dem  Vordersack, 
und  als  Kutscher  ein  dunkelbrauner  Bauer  mit  Schnurrbart,  breitrandigem  Hut,  langen, 
speckglänzenden  schwarzen  Haaren,  einem  Hemd,  das  über  dem  Magen  aufhört  und 
einen  handbreiten  dunkelbraunen  Gurt  eigner  Haut  sichtbar  läßt,  bis  die  weißen  Hosen 
anfangen,  von  denen  jedes  Bein  weit  genug  zu  einem  Weiberrock  ist,  und  die  bis 
an  die  Knie  reichen  wo  die  bespornten  Stiefel  anfangen.  Denke  Dir  festen  Rasengrund, 
eben  wie  der  Tisch,  auf  dem  man  bis  an  den  Horizont  meilenweit  nichts  sieht,  als  die 
hohen  kahlen  Bäume  der  für  die  halbwilden  Pferde  und  Ochsen  gegrabenen  Zieh- 
brunnen (Püttschwengel).  Tausende  von  weißbraunen  Ochsen  mit  armlangen 
Hörnern,  flüchtig  wie  Wild,  von  zottigen  unansehnlichen  Pferden,  gehütet  von  be- 
rittnen  halbnackten  Hirten  mit  lanzenartigen  Stöcken,  unendliche  Schweineherden, 
unter  denen  jederzeit  ein  Esel,  der  den  Pelz  (bunda)  des  Hirten  trägt  und  gelegentlich 
ihn  selbst,  dann  große  Schaaren  von  Trappen,  Hasen,  hamsterartige  Zeisel,  gelegent- 
lich an  einem  Weiher  mit  salzhaltigem  Wasser  wilde  Gänse,  Enten,  Kibitze,  waren 
die  Gegenstände  die  an  uns  und  wir  an  ihnen  vorüberflogen,  während  der 
3  Stunden  die  wir  auf  7  Meilen  bis  Ketskemet  fuhren,  mit  etwas  Aufenthalt  in 
einer  Csarda  (einsames  Wirtshaus)."  Er  spricht  dann  von  Kecskem^t  und  den 
Räubern,  deretwegen  er  auch  tags  darauf  seine  Fahrt  über  die  Puszta  wieder  nur 
selbst  bewaffnet  und  unter  militärischer  Bedeckung  fortsetzte.  „Vor  einigen  Tagen", 
heißt  es  in  dem  Briefe  weiter,  „waren  mehre  Gensdarmen  im  Gefecht  mit  ihnen 
geblieben,    dafür    aber    2  Räuber   gefangen   und    in   Kecskemet   standrechtlich   er- 


75 


xo» 


Markt  in  Szolnok.  Ölbild.   1854. 


Wien,  Franz  Xaver  Mayer. 


schössen  worden.  Dergleichen  erlebt  man  in  unsern  langweiligen  Gegenden  gar- 
nicht.  Um  die  Zeit  wo  Du  heut  morgen  aufwachtest,  hast  Du  schwerlich  gedacht, 
daß  ich  in  dem  Augenblick  in  Cumanien  in  der  Gegend  von  Felegy-hdza  und  Csongrad 
mit  Hildebrand  im  gestreckten  Galopp  über  die  Pusta  (Steppe)  flog,  einen  liebens- 
würdigen sonnenverbrannten  Ulanenoffizier  neben  mir,  jeder  die  geladenen  Pistolen 
vor  sich  im  Heu  liegend,  und  ein  Commando  Ulanen,  die  gespannten  Carabiner 
in  der  Faust,  hinterherjagend.  Drei  schnelle  Pferdchen  zogen  uns,  die  unweigerlich 
Rosa  (sprich  Ruscha)  Csillak  (Stern)  und  der  nebenlaufende  Petyar  (Vagabund) 
heißen,  von  dem  Kutscher  ununterbrochen  bei  Namen  und  in  bittendem  Ton  an- 
geredet werden,  bis  er  den  Peitschenstiel  quer  über  den  Kopf  hält  und  mega,  mega  (halt 
an)  ruft,  dann  verwandelt  sich  der  Galopp  in  sausende  Carriere.  Ein  sehr  wohl- 
thuendes  Gefühl.  Die  Räuber  ließen  sich  nicht  sehn;  wie  mir  mein  netter  brauner 
Lieutenant  sagte,  würden  sie  schon  vor  Tagesanbruch  gewußt  haben,  daß  ich 
unter  Bedeckung  reiste,  gewiß  aber  seien  welche  von  ihnen  unter  den  würdig 
aussehenden  stattlichen  Bauern,  die  uns  auf  den  Stationen  aus  den  gestickten  bis 
zur  Erde  gehenden^  Schafpelzmänteln   ohne  Ärmel   ernsthaft   betrachteten   und  mit 


76 


Markt  in  Szolnok.   Ölbild.   1854. 


Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


einem  ehrenfesten  istein  adiamek  (Gelobt  sei  Gott)  begrüßten.  Die  Sonnenhitze  war 
glühend  den  ganzen  Tag,  ich  bin  im  Gesicht  wie  ein  Krebs  so  roth.  Ich  habe 
18    Meilen    in    12    Stunden    gemacht,   wobei   noch    2   bis   3   Stunden,   wenn   nicht 


77 


mehr  auf  Umspannen  und  Warten  zu  rechnen  sind,  da  die  12  Pferde  die  ich 
brauchte  für  uns  und  die  Bedeckung  erst  gefangen  werden  mußten.  Dabei  waren 
vielleicht  ein  %  des  Weges  tiefster  Mahlsand  und  Dünen,  wie  bei  Stolpmünde. 
Um  5  kam  ich  hier  an,  wo  ein  buntes  Gewühl  von  Ungarn,  Slowaken,  Wlachen 
die  Straßen  {_Sz.  ist  ein  Dorf  von  etwa  6000  Einwohnern,  aber  Eisenbahn  und 
Dampfschiffstation  an  der  Theiß)  belebt,  und  mir  die  wildesten  und  verrück- 
testen Zigeunermelodien  ins  Zimmer  schallen.  Dazwischen  singen  sie,  durch  die 
Nase  mit  weitaufgerissenem  Munde,  in  kranker  klagender  Molldissonanz,  Ge- 
schichten von  schwarzen  Augen  und  von  tapferm  Tod  eines  Räubers  in  Tönen, 
die  an  den  Wind  erinnern  wenn  er  im  Schornstein  lettische  Lieder  heult.  Die 
Weiber  sind  im  Ganzen  gutgewachsen,  aber  von  Gesicht  bis  auf  einige  ausge- 
zeichnet schöne,  nicht  hübsch,  alle  haben  pechschwarzes  Haar,  nach  hinten  in 
Zöpfe  geflochten,  mit  rothen  Bändern  darin.  Die  Frauen  entweder  lebhaft  grünrothe 
Tücher  oder  rothsametne  Häubchen  mit  Gold  auf  dem  Kopf,  ein  sehr  schön  gelbes 
seidnes  Tuch  um  Schulter  und  Brust,  schwarze  auch  urblaue  kurze  Röcke  und 
rothe  Saffianstiefel  die  bis  unter  das  Kleid  gehn,  lebhafte  Farben,  meist  ein  gelb- 
liches Braun  im  Gesicht,  und  große  brennend  schwarze  Augen.  Im  Ganzen  gewährt 
so  ein  Trupp  Weiber  ein  Farbenspiel,  das  Dir  gefallen  würde,  jede  Farbe  am  Anzug 
so  energisch  wie  sie  sein  kann.  Ich  habe  nach  meiner  Ankunft  um  5,  in  Erwartung 
des  Diners,  in  der  Theiß  geschwommen,  Csardas  tanzen  sehn,  bedauert  daß  ich 
nicht  zeichnen  konnte  um  die  fabelhaften  Gestalten  für  Dich  zu  Papier  zu  bringen, 
dann  Paprika-Hähndel,  Stürl  (Fisch)  und  Tick  gegessen,  viel  Ungar  getrunken,  an 
Nanne  [seine  Frau]  geschrieben  und  will  nun  zu  Bett  gehen,  wenn  die  Zigeuner- 
musik mich  schlafen  läßt."') 

Diese  Schilderung  ist  doppelt  und  dreifach  interessant  und  wertvoll:  weil  sie 
von  Bismarck  herrührt,  weil  sie  aus  der  Zeit  stammt,  in  der  Pettenkofen  zum 
ersten  Male  nach  Szolnok  kam,  dem  Ort,  der  für  seine  Kunst  von  solcher  Bedeutung 
werden  sollte,  —  weil  sie  so  anschaulich  und  lebendig  ist,  weil  sie,  wenngleich 
von  einem  Laien  in  Kunstsachen  geschrieben,  dennoch  gerade  das  Malerische 
des  Eindruckes  von  Land  und  Leuten  betont.  Aufs  willkommenste  ergänzt  wird 
sie  durch  eine  andere,  die  der  Autor  aus  dem  Munde  eines  gebürtigen  Szolnokers, 
des  Malers  und  Professors  Ujhäzy  Ferencz^)  vernommen  hat,  dessen  Jugend- 
erinnerungen noch  in  die  dreißiger  und  vierziger  Jahre  zurückreichen.  Sie  liegt 
dem  größten  Teile  der  folgenden  Ausführungen  zugrunde: 

Szolnok  befindet  sich  im  „Alföld",  zu  deutsch  Niederland.  So  heißt  das  „Pester 
Becken",  die  „größte  ungarische  Ebene",  die  im  Westen  und  Süden  von  der  Donau, 
im  Norden  und  Osten  von  den  Ausläufern  der  nördlichen  und  östlichen  Karpathen 
begrenzt  und  von  der  Theiß  durchflössen  wird  und  beinahe  die  Hälfte  von  Ungarn 
im  engeren  Sinne  ausmacht.  Szolnok  liegt  an  der  Theiß,  und  zwar  auf  jener  Land- 
spitze, die  durch  die  Theiß  und  ihren  Nebenfluß,  die  Zagyva,  gebildet  wird.  Szolnck 
war  schon  unter  den  Arpaden  der  Hauptort  des  gleichnamigen  Komitats,  das  von  der 
Theiß  bis  nach  Siebenbürgen  reichte.  Nach  der  Eroberung  Ofens  erbaute  König  Fer- 
dinand I.  in  Szolnok  an  Stelle  der  früheren  Erdwerke  eine  Festung,  die  aber  schon 
1552  von  den  Türken  eingenommen  wurde  und  bis  1685  in  deren  Besitz  verblieb. 

78 


r 


»' 


Szolnoker  Markt.  Lavierte  Bleistiftstudie. 


Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie. 


Unmittelbar  südlich  von  Jazygien  gelegen,  ist  Szolnok  eine  kernmagyarische  Stadt.  Es 
zerfiel  noch  in  den  dreißiger  und  vierziger  Jahren  des  abgelaufenen  Jahrhunderts  in 
folgende  fünf  Teile :  in  den  Tabän,  die  Umgebung  der  Festung,  in  die  Katonaväros, 
die  Soldatenstadt,  in  die  Fekete-  oder  Ciganyväros,  die  Zigeunerstadt,  in  die  Ujväros, 
die  Neustadt,  und  in  den  Burgyin,  die  noch  erhaltene  Partie  des  alten  Szolnok  nörd- 
lich vom  Markte.  Heutzutage  ist  den  Theißüberschwemmungen  durch  gewaltige 
Dämme  gewehrt.  Trat  aber  damals  die  Theiß  aus,  so  sah  sie  gegen  Süden  wie  ein 
Meer  aus.  Der  Mond  gieng  über  dem  Wasser  auf.  Dann  gab  es  eine  unendliche  Fülle 
von  Fischen.  Die  Weiber  schnitten  das  Fett  aus  ihnen  heraus  und  warfen  das 
übrige  wieder  ins  Wasser.  Bei  Überschwemmungen  war  daher  Szolnok  sehr  un- 
gesund, das  Theißwasser  war  verpestet,  es  gab  aber  kein  anderes  Trinkwasser. 
Wegen  des  Fiebers,  das  man  sich  so  in  Szolnok  holen  konnte,  fuhr  einmal  der 
junge  Raffalt,  der  Freund  Pettenkofens,  nach  ganz  kurzem  Aufenthalt  wieder  weg. 
Szolnok  war  Ungarns  Hauptsalzlager.  Das  Salz  kam  auf  Flößen  aus  der  Märmaros 
her.  Die  in  gewaltigen  Mengen  aufgestapelten  Salzfässer  wurden  von  Soldaten  be- 
wacht, und  wenn  in  der  Nacht  deren  Ruf  „Halt,  wer  da!"  erscholl,  so  sagten  die 
Bauern  zu  einander:  „Hallod?  Hallod?  Kukorekol  a  csäszär  kakasa."  „Hörst  du? 
Hörst  du?  Des  Kaisers  Hahn  kräht."  Damals  war  noch  alles  ungemein  billig.  Ein 
Scheffel  Weizen  —  es  ist  der  berühmte  „Theißweizen"  —  kostete  ein  paar  Groschen. 


79 


Oft  tauschten  die  Bauern  das  Geschirr,  das  die  Slovaken  zu  Markt  brachten,  gegen 
den  Weizen  ein,  mit  dem  sie  es  vollfüllten.  Wer  in  Rock  und  Hose  gieng,  galt  für 
einen  Nemet,  einen  Deutschen.  Die  einzige  Gasse,  die  benannt  war,  hieß  Nemet- 
utca,  da  wohnten  die  deutschen  Beamten  des  Salzkammergutes.  Um  die  Mitte  der 
dreißiger  Jahre  kamen  die  ersten  deutschen  Gewerbetreibenden  nach  Szolnok:  ein 
Buchbinder,  eine  Hebamme  und  ein  Blaufärber,  der  ein  Bayer  war.  Sie  machten 
gute  Geschäfte.  Juden  gab  es  damals  noch  nicht  in  Szolnok.  Sie  wohnten  in  Abony. 
Der  Handel  lag  in  den  Händen  von  Armeniern  und  Griechen.  Die  Pelzmacher  z.  B. 
zerfielen  in  Magyaren,  die  die  Bundas  für  die  Bauern  machten,  und  in  Deutsche, 
die  die  feineren  Pelzmäntel  und  Pelzmützen  herstellten.  Natürlich  spielte  die  Gar- 
nison, deren  Kaserne  die  alte  Festung  war,  eine  wichtige  Rolle  in  der  Stadt.  Die 
Kulturträger  in  Szolnok  waren  die  Franziskaner,  die  dort  auch  heute  noch  ein 
Kloster  haben.  Darin  befand  sich  eine  Lateinschule,  an  der  die  Patres  unterrichteten, 
einer  lehrte  auch  zeichnen.  Die  Franziskaner  waren  sehr  streng.  Professor  Ujhazy 
erinnert  sich,  einmal  als  Kind  heraußen  vor  der  Kirchentür  einen  Mann  und  eine 
Frau,  die  mit  Strohseilen  aneinander  gebunden  waren,  knien  gesehen  zu  haben. 
Die  aus  der  Kirche  Kommenden  spieen  vor  ihnen  aus.  Es  waren  Ehebrecher. 

Die  Eisenbahn,  die  von  Budapest  über  Czegled  nach  Szolnok  führt,  ist  die  älteste 
Ungarns  und  wurde  schon  1847  dem  Verkehr  übergeben.  Als  Pettenkofen  das  erste 
Mal  nach  Szolnok  reiste,  konnte  er  sie  daher  bereits  benutzen.  Mit  der  Bahn  von 
Wien  nach  Szolnok  freilich  konnte  er  erst  seit  dem  Jahre  1855  fahren. 

So  viel  über  Szolnok  vor  und  zu  der  Zeit,  da  Pettenkofen  es  kennen  lernte. 

Pettenkofens  Beziehungen  zu  Ungarn  reichen  weit  zurück.  Wir  erinnern  uns, 
daß  sein  Vater  in  Ungarn  geboren  war,  daß  sogar  die  freilich  schlecht  verbürgte 
Rede  von  einem  väterlichen  Gut  in  Ungarn  geht.  Eybl,  Pettenkofens  Lehrer, 
der  seit  Beginn  der  vierziger  Jahre  Porträte  ungarischer  Magnaten  lithographiert, 
der  Ungar  Borsos,  mit  dem  Pettenkofen  von  der  Akademie  her  befreundet  ist,  der 
in  Pest  lebende  Maler  Georg  Raab,  den  Pettenkofen,  wie  sein  Bildnis  von  dessen 
Vater  wahrscheinlich  macht,  gekannt  haben  wird,  können  Pettenkofens  Aufmerk- 
samkeit auf  Ungarn  hingelenkt  haben.  Daß  übrigens  damals  auch  noch  andere 
österreichische  Künstler  (es  sei  bloß  W^aldmüUer  genannt)  mit  Ungarn  in  Ver- 
bindung gestanden  sind,  die  Leitha  überschritten  und  für  ungarische  Auftraggeber 
gearbeitet  haben,  ist  nur  natürlich,  gab  es  doch  zu  jener  Zeit  noch  so  gut  wie  keine 
autochthone  Kunst  in  Ungarn.  Clemens  Brentanos  Novelle  „Die  mehreren  Weh- 
müller und  die  ungarischen  Nationalgesichter"  schildert  humorvoll  die  künstlerische 
Abhängigkeit  Ungarns  vom  deutschen  Nachbarland  am  Anfang  des  XIX.  Jahr- 
hunderts. Nach  Ungarn  selbst  scheint  Pettenkofen  nicht  vor  dem  Feldzug  der 
Jahre  1848  und  1849  gekommen  zu  sein.  Wenigstens  finden  wir  vorher  keinerlei 
Reflex  eines  ungarischen  Aufenthaltes  in  seinen  Werken.  Szolnok  kann  Pettenkofen 
bereits  während  des  Feldzuges  kennen  gelernt  haben.  Bei  Szolnok  fand  nämlich  am 
5.  März  1849  ein  Treffen  statt,  in  dem  sich  die  Österreicher  unter  Karger  vor  den 
Ungarn  unter  Damjanich  zurückziehen  mußten.  Pettenkofens  Aufenthalt  in  Szolnok 
ist  zum  ersten  Male  im  Oktober  des  Jahres  1851  beglaubigt.  Er  schreibt  nämlich  am 
18.  Oktober  1851  aus  Pest  an  seinen  schon  erwähnten  Freund  Franz  Xaver  Mayer  in 


80 


TAFEL  XIV 

NIEDERÖSTERREICHISCHES  BAUERNHAUS  MIT  GEMÜSEWASCHENDER 
BÄUERIN.  ÖLBILD.  1854.  REICHENBERG,  HEINRICH  FRH.  V.  LIEBIEGSCHE 

SAMMLUNG  DER  STADT. 


laauÄa 


TAFEL  XV 

KLOSTERNEUBURGER  BAUERNHAUS  MIT  BÄUERIN  UND  KIND.  ÖLBILD. 
1854.  WIEN,  BARON  LOUIS  ROTHSCHILD. 


.aaiajö  .c 


Wien,  daß  er  sehr  fleißig  gewesen  sei  und  sich  von  dieser  angestrengten  Arbeit  das 
günstigste  Resultat  erhoffe;  bis  zum  17.  Oktober  sei  er  in  Szent-Miklös  im  Banat  ge- 
wesen, zwei,  drei  Tage  bleibe  er  in  Pest  und  dann  gehe  er  auf  einige  Tage  nach 
Szolnok.  Ist  es  am  wahrscheinlichsten,  daß  Pettenkofen  während  des  Feldzuges  Ungarn 
als  Neuland  für  den  Maler  entdeckt  hat  und  schon  damals  nach  Szolnok  gekommen 
ist  oder  wenigstens  davon  gehört  hat,  so  mag  doch  auch  in  der  folgenden  Mitteilung 


Professor  Ujhäzys  ein 
Körnlein  Wahrheit 
stecken.  Vom  Wie- 
ner Kunsthändler  Ge- 
org Plach,  für  den 
Pettenkofen  frühzei- 
tig beschäftigt  war, 
hätten  ungarische 
Aristokraten  Bilder 
verlangt,  die  Genre- 
szenen aus  ihrer  Hei- 
mat darstellten.  Plach 
hätte  dagegen  ge- 
fragt, welche  Gegend 
Ungarns  hiefür  die 
besten  Motive  liefere ; 
auf  die  Auskunft 
„Szolnok"  hin  hätte 
er  versprochen,  sol- 
che Bilder  zu  be- 
schaffen, und  dann 
hätte  er  den  jungen 
Pettenkofen  bewo- 
gen, nach  Szolnok  zu 
reisen.  Daß  dabei 
Graf  und  Gräfin  Näkö , 
von  denen  noch  ge- 
sprochen werden  soll, 
ihre  Hände  im  Spiele 


in 


Pandurentrommler.  Lavierte  Bleistiftstudie. 
Wien,    K.   k.    österreichische   Staatsgalerie. 


gehabt  haben,  darf  da- 
rum nicht  von  vorn- 
herein als  unmöglich 
ausgeschlossen  wer- 
den, weil  Pettenko- 
fen, als  er  im  Jahre 
1851  zum  ersten 
Male  in  Szolnok  war, 
auch  zum  ersten 
Male  Nagy  -  Szent- 
Miklos,  die  Herr- 
schaft der  Grafen 
Näkö,  kennen  lernte. 
Im  folgenden  muß 
die  bisher  gewählte 
Form  der  chronolo- 
gischen Darstellung 
aufgegeben  werden. 
Im  Herzen  von  Pet- 
tenkofens  künstleri- 
scher Tätigkeit  ste- 
hen seine  ungari- 
schen Bilder,  die  zum 
weitaus  größten  Teile 
in  Szolnok,  wohin  er 
durch  dreißig  Jahre 
immer  wieder  gieng, 
geschaffen  wurden. 
Als    Maler     ungari- 


scher Bilder  ist  Pettenkofen  vorzugsweise  bekannt,  durch  sie  sind  seine  übrigen  Werke 
nahezu  verdunkelt  worden.  Hier  soll  nun  vorerst  versucht  werden,  die  Vorwürfe 
dieser  zahlreichen  Arbeiten,  die  aus  Ölgemälden,  Aquarellen  und  Zeichnungen,  aus 
Studien,  Skizzen  und  ausgeführten  Bildern  bestehen,  wenigstens  beiläufig  zu  schildern. 
Soweit  es  bei  der  Einförmigkeit  und  Verwandtschaft  all  dieser  Themen  untereinander 
und  bei  der  großen  Anzahl  der  Werke  möglich  ist,  werden  später,  im  Verlauf  der 
Darstellung,  Szolnoker  Bilder  bloß  beispielsweise  und  nur  dort  zur  Sprache  kommen,  wo 
sie  in  der  künstlerischen  Entwicklung  Pettenkofens  hingehören.  Hier  sollen  alle  unga- 
rischen Bilder  des  Künstlers  als  Ganzes  und  unter  einem  beschrieben  werden,  und 


81 


zwar,  wie  gesagt,  nur  im  Hinblick  auf  das  Gegenständliche.  Dies  möge  nun  so 
geschehen,  daß  zur  Ergänzung  von  Bismarcks  und  Professor  Ujhdzys  Schilderungen 
des  alten  Szolnok  hier  mitgeteilt  werde,  was  der  Autor  selbst  vor  wenigen  Jahren 
an  einem  schönen  Spätsommertag  in  Szolnok  und  seiner  Umgebung  gesehen  hat, 
und  zwar  mit  Augen,  die  sich  bemüht  haben,  das  wahrzunehmen,  was  einen  Maler 
interessieren  könnte,  insbesondere  das  wiederzufinden,  was  Pettenkofen  für  Hun- 
derte von  seinen  Bildern  zum  Vorwurf  gedient  hat: 

Natürlich  hatten  ich  und  ein  ungarischer  Freund,  der  mir  aufs  liebenswürdigste 
und  allerbeste  den  Führer  machte,*)  es  uns  so  eingerichtet,  daß  wir  in  Szolnok  in 
der  Nacht  vor  einem  Markttag  ankamen  und  diesen  dann  vom  Sonnenaufgang  an 
ganz  mitmachen  konnten.  Der  größte  Teil  des  Marktes  spielte  sich  auf  dem  Haupt- 
platz der  Stadt  ab  (denn  Szolnok  ist  jetzt  eine  Stadt  und  hat  nach  der  Volkszählung 
vom  Jahre  1900  25.379  Einwohner),  doch  dehnt  sich  das  Marktgetriebe  auch  auf 
Nebenplätze  und  Nebengassen  aus.  In  der  Mitte  des  großen  Platzes  befindet  sich 
heutzutage  ein  artesischer  Brunnen.  Ihm  zu  beiden  Seiten  erheben  sich  ein  Obelisk, 
den  das  88.  Infanterieregiment  seinen  1866  „auf  dem  Felde  der  Ehre  gefallenen 
Waffenbrüdern"  errichtet  hat,  und  eine  nüchterne  Dreifaltigkeitssäule  aus  Sandstein, 
die  erst  im  Jahre  1900  aufgestellt  wurde,  unten  von  einem  Gitter  umgeben  ist  und 
auf  dem  Sockel  die  Rundfiguren  der  vier  Heiligen  Peter,  Paul,  Anton  von  Padua 
und  Franz  von  Assisi  zeigt.  Zu  Pettenkofens  Zeiten  stand  auf  dem  Platz,  nicht  ganz 
in  dessen  Mitte,  nur  die  so  oft  von  ihm  gemalte  schöne  barocke  Dreifaltigkeitssäule. 
Auch  die  niederen  schindelgedeckten  Häuser,  die  damals  den  Platz  eingerahmt  haben, 
sind  weit  weniger  malerischen  mehrstöckigen  Bauten  gewichen.  Das  Marktgewühl 
selbst  aber  hat  sich  wohl  nur  wenig  verändert.^)  Zuerst  fallen  die  vielen  Wagen, 
die  vielen,  vielen  Pferde  auf,  namentlich  diese  beherrschen  und  bestimmen  eigent- 
lich den  Eindruck  des  Ganzen.  Sie  sind  nicht  groß,  haben  gerade  Hälse,  struppiges 
Haar  und  ganz  bestimmte  Farben.  Ein  ziemlich  dunkles  Braun  herrscht  vor.  Ihr 
Geschirr  besteht  fast  aus  ebenso  viel  Schnurwerk  wie  Riemzeug.  Oft  stehen  ihrer 
drei,  vier  ausgesträngft  und  fressen  hinten  aus  dem  Wagen.  Neben  vielen  Gespannen 
laufen  frei,  Glocken  um  die  Hälse,  Fohlen  einher.  Nicht  selten  liegen  Schafpelze 
auf  dem  Rücken  der  Pferde.  Die  Fuhrwerke  sind  leichte,  niedre  Leiterwagen  mit 
langen  Deichseln  und  Trittstangen  zu  beiden  Seiten.  Viele  Wagen  sind  mit  gelb- 
grauen, aus  Schilf  geflochtenen  Piachen  bedeckt.  Der  Wiener  kennt  diese  ungari- 
schen Marktwagen  aus  den  Frühstunden  vom  Naschmarkt  und  vom  Markt  „Am 
Hof"  her.  Durch  das  dichte  Gewühl  scheinen  die  fahrenden  Wagen  gewissermaßen 
zu  schwimmen.  Es  macht  nämlich  den  Eindruck,  als  ob  sie  sich  ganz  lautlos  fort- 
bewegten. Natürlich  geht  das  schwache  Geräusch,  das  sie  machen,  in  dem  allge- 
meinen Gesumm  völlig  unter.  Dieses  ist  auffallend  gedämpft,  Lärm  verursachen 
eigentlich  nur  die  schreienden  Gänse.  Auch  viele  Reiter  gibt  es;  häufig  hat  ein 
Reiter  mehrere  Pferde  bei  sich.  Die  Bauern  tragen  hohe  runde  Filzhüte,  auch  schon 
Pelzmützen,  sie  haben  schwarze  Röcke  an,  und  die  weiten  weißen  Hosen,  die 
Gatyas,  haben  sie  meistens  in  die  Röhrenstiefel  gesteckt.  Sie  tragen  auch  blaue 
Schürzen.  Schon  sieht  man  viele  Pelze:  die  rockähnlichen  Subas  und  die  mantel- 
artigen Bundas,   die  Kragen  haben,   an   deren  Ecken   Rosetten   befestigt   und   auf 


82 


TAFEL  XVI 

ZIGEUNERLAGER  AUF  DER  PUSZTA.   AQUARELL.    1855.   WIEN,  KUNST- 
HISTORISCHES HOFMUSEUM. 


I 


TAFEL  XVII 

ZIGEUNER  ZU  PFERD.  AQUARELLSTUDIE.  WIEN,  EUGEN  MILLER 

V.  AICHHOLZ. 


i 


i 


Zwei  Burschen  und  zwei  Mädchen  an  einem  ungarischen  Marktwagen.  Lavierte  Bleistiftstudie. 

Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 

deren  Ränder  bunte  Tulpenmuster  gesteppt  sind.  Die  meisten  Bauern  rauchen  aus 
langröhrigen  Pfeifen  und  tragen  Backenbärte,  haben  die  Kinne  ausrasiert.  Bunt 
sind  die  Weiber  angezogen.  In  die  Zöpfe  haben  sie  grellrote  oder  giftgrüne  Bänder 
eingeflochten,  die  unten  in  große  Schleifen  endigen.  Viele  Weiber  hocken  auf  großen, 
dichtgeflochtenen  Körben  in  der  Form  von  plattgedrückten  Riesenkürbissen;  sie 
haben  viereckige  Luft-  und  Guckfensterchen  und  beherbergen  Enten.  Scharen  von 
schnatternden  und  flügelschlagenden  Gänsen  werden  getrieben.  Federchen  von  ihnen 
erfüllen  die  staubige  Luft,  in  der  das  warme  Gold  der  Spätsommersonne  flimmert. 
In  Haufen  liegen  mit  gebundenen  Beinen  die  Hühner  still  und  ruhig  auf  dem  Boden. 
Viel  Geflügel  wird,  wie  es  bei  uns  schon  lange  verboten  ist,  an  den  Beinen  auf- 
gehängt getragen.  Die  Weiber  stehen,  was  dem  Wiener  übrigens  gleichfalls,  wenig- 
stens vom  Markt  beim  Hauptzollamt  her,  bekannt  ist,  in  einer  Reihe  nebeneinander, 
jede  Hühner  und  Tauben  in  der  Hand.  Die  Käufer  gehen  die  Reihe  ab,  prüfen 
das  Stück,  das  ihnen  gefällt,  und  feilschen  darum.  Auf  der  Erde  liegen  Haufen 
von  grünem  Paprika,  Paradiesäpfeln,  Kraut,  Rüben,  Zwiebeln,  Borre.  Gemahlener 
roter  Paprika  und  gelbes  Kukuruzkorn  stehen  in  Säcken  auf  dem  Boden,  der  mit 
Stroh  und  Mist  bedeckt  ist,  Körbe  sind  mit  Trauben  gefüllt.  Auf  Tischen,  Bänken 
oder  wieder  auf  der  Erde  werden  Schnüre  und  Seile,  Siebe,  Schaffe  und  Butten, 
alle  Arten  Geschirr,  irdenes  und  eisernes,  Gewänder,  Hüte,  Schuhe,  Kästen,  Betten, 


83 


aber  auch  Eßwaren  und  alles  mögliche  andere  noch  feilgeboten.  Vielerlei  starke 
Farben  bringen  die  bunten  Stoffe  in  das  Bild;  sie  liegen  auf  Tüchern,  die  über 
den  Boden  gebreitet  sind.  Merkwürdig  sind  die  riesigen  Brote,  deren  Durchmesser 
oft  bis  zu  einem  halben  Meter  beträgt;  ihr  Teig  wurde  seitlich  aufgeschnitten,  und 
dieser  Schnitt  dient,  hart  gebacken,  als  Handhabe.  Männer  und  Weiber  tragen 
Bündel  an  Stangen  über  der  Achsel;  die  Weiber  tragen,  ähnlich  den  Venezianerinnen, 
in  blanken  Kannen  auch  Milch  oder  in  Holzkübeln  Wasser  auf  jene  Weise,  in  jedem 
Kübel  schwimmt  dann  zuoberst  eine  Holzscheibe,  die  das  Verschütten  des  Wassers 
erschwert.  Hier  ißt  ein  Bauer  Trauben,  dort  ein  anderer  zu  Brot  Speck  und  grünen 
Paprika.  In  dem  Gewühl  taucht  ein  Hajduk  mit  einer  Trommel  auf.  Ein  Gefährt, 
das  eigentlich  ein  Faß  auf  zwei  Rädern  ist,  führt  Wasser;  oben  auf  dem  Faß 
stehen  etliche  Eimer.  Ein  anderes  Fuhrwerk  rollt  einen  großmächtigen  Käfig  voller 
Gänse  vorwärts.  Ein  Wagen  ist  mit  Kürbissen  (Mitte  September  ist  die  eigentliche 
Zeit  der  Kürbisse  und  Melonen  schon  vorbei),  ein  anderer  mit  Kukuruzkolben  ge- 
füllt, ein  dritter,  den  vier  langgehörnte  Ochsen  ziehen,  ist  hoch  mit  Kukuruzstroh 
beladen.  Ein  Herrschaftswagen  fällt  schon  durch  den  Kutscher  im  dunkelblauen 
Dolmäny  auf,  der  reich  schwarz  verschnürt  und  mit  vielen  blanken  Kugelknöpfchen 
besetzt  ist.  Die  Mietkutschen  sind  ähnlich  z.  B.  denen  in  Ischl  gelb  lackiert.  Nach  und 
nach  verläuft  sich  das  Gewühl.  In  einer  leeren  Straße  überrascht  der  Horizont,  der 
mit  dem  Straßenniveau  zusammenfällt:  man  wird  sich  bewußt,  mitten  auf  einer 
ungeheuren  Ebene  zu  sein. 

Der  Tabän  (das  Wort  ist  türkischen  Ursprungs  und  bedeutet  ungefähr  Wasser- 
stadt, in  Szolnok  zieht  sich  der  so  benannte  Stadtteil  längs  der  Zagyva  hin,  bis 
ihn  die  Theiß  abschneidet),  der  Tabän  besteht  aus  alten  verwahrlosten,  halb 
verfallenen  Häusern,  die  nur  mannshoch  und  mit  Schilf  gedeckt  sind.  Auf  den 
winkeligen  Gassen  und  Gäßchen,  die  im  Gegensatz  zum  Hauptplatz  unge- 
pflastert  sind,  liegt  fußhoher  Staub.  Man  stellt  sich  vor,  wie  grundlos  bei 
Regenwetter  der  Kot  sein  muß.  Hochgelegte  Bretter  dienen  als  Fußsteige.  Hier 
tränkt  ein  Bauer  an  einem  Ziehbrunnen  seine  Pferde,  dort  wird  eine  Schweine- 
herde über  die  Gasse  getrieben,  im  Wassergraben  schwimmen  Enten,  auf  einem 
Dach  liegen  gelbe  Kürbisse,  auf  dem  anderen  hochgelbe  und  dunkelrote  Ku- 
kuruzkolben. Schwere  Gehänge  von  Kukuruzkolben  dienen  einem  Baum  mit  ab- 
gekappten Ästen  zur  seltsamen  Zierde.  Die  meisten  Bäume  sind  Akazien  und 
Zypressen. 

Im  Tabän  lebt  ein  eigentümliches  Volk,  das  noch  von  den  Türken  abstammen 
soll.  Oft  gibt  da  ein  Tanzfest  Anlaß  zu  blutigen  Kämpfen.  Werden  die  Tanzunter- 
haltungen verboten,  so  ist  bei  Hochzeiten  der  Teufel  los.  Wenige  Wochen,  bevor 
wir  nach  Szolnok  kamen,  hatten  eifersüchtige  Burschen  den  Bräutigam  beim  Hoch- 
zeitsfest einfach  niedergeknallt.  Sie  stellten  sich  der  Reihe  nach  auf  und  einer  nach 
dem  andern  schoß  auf  ihn.  Von  den  sechzehn  Tätern  wurden  vierzehn  verhaftet, 
zwei  entkamen.  Gefängnisstrafe  gilt  durchaus  nicht  als  entehrend.  Die  Buben  aus 
dem  Tabän,  die  in  der  Szolnoker  Künstlerkolonie,  von  der  noch  die  Rede  sein  wird, 
zum  Tragen  des  Malgeräts  und  zu  ähnlichem  verwendet  werden,  sind  an  den 
Körpern  voller  Messerstiche. 


84 


Die  wallachische  Post.  Ölbild.   1855. 


Wien,  Josef  Engelhart. 


Zum  Unterschied  von  den  Bewohnern  des  Tabän  sind  die  in  Szolnok  ansässigen 
Zigeuner  durchaus  friedfertig.  Das  Zigeunerviertel,  die  Ciganyväros,  ist  viel  weniger 
malerisch  als  der  Tabän.  Die  Gassen  sind  gerade,  die  Häuser  zwar  schmutzig, 
aber  weniger  verfallen,  einige  verraten  sogar  eine  gewisse  Wohlhabenheit.  Lustig 
waren  die  Kinder,  die  unser  Wagen  auf  die  Gasse  lockte.  Sie  kamen  nackt  oder 
nur  mit  schmutzigen  Hemden  bekleidet  aus  den  Türen  gelaufen.  Etliche  höchstens 
vier,  fünf  Jahre  alte  Buben  hielten  Geigen  in  den  Händen.  Zwei  ganz  kleine 
spielten,  im  Staub  sitzend,  Karten.  Außerhalb  der  Häuser  gibt  es  auch  Zelte.  Das 
eine  war  voll  schmierigen  Bettzeuges.  Davor  lag  auf  einem  ebenso  wenig  reinen 
Tuch  ein  Stück  rohen  Teiges.  Ein  Feuerchen  ward  mit  Pferdeäpfeln  gespeist.  Eine 
häßliche  Alte  rauchte  aus  ihrer  Pfeife,  ein  hübsches  jüngeres  Weibsbild  nagte  an 
einem  Kukuruzkolben.  Ein  nacktes  kleines  Kind  mit  ägyptischem  Profil  hatte  ein 
scharlachrotes  Tuch  um  den  Kopf  gewunden.  Zwei  etwas  größere  Kinder  führten, 
um  von  uns  ein  paar  Kreuzer  zu  bekommen,  einen  eigentümlichen  gemessenen 
Tanz  auf  und  sangen  dazu.  Der  Text  des  eintönigen  Liedes  soll  an  Obszönität  das 
Ungeheuerlichste  leisten.  Die  Alte  untersagte  es  ihnen  aber  bald.  Fragt  man,  hörte 
ich  bei  dieser  Gelegenheit,  eine  Zigeunerin  nach  dem  Vater  ihres  Kindes,  so  ant- 
wortet sie:  „Ich  kenn'  ihn  nicht."  Das  Interessanteste  im  Zigeunerviertel  aber  war 
der  Zigeuner  Nana  György,  der  Mitte  der  siebziger  Jahre  als  zwöli^  ähriger  Bursche 
Pettenkofen  Modell  gestanden  war.  Er  wußte  von  Pettenkofen  zu  berichten:  „Er 
malte  auch  die  Theiß-Brücke  mit  ihren  großen  Eisbrechern.  Heutzutage  ist  das 
Holz  naturfarben,  damals  aber  war  die  Brücke  grün,  nur  das  Geländer  rot  ange- 
strichen. Er  malte  auch  oft  auf  dem  Markt.  Ich  trug  ihm  die  Staffelei  nach.  Häufig 
brachte  er  mir  ein  Frühstück  mit.  Er  aß  im  ,König  von  Ungarn'  zusammen  mit 
mehreren  andern.  Er  hatte  das  Kinn  ausrasiert  und  rauchte  Virginier-Zigarren. 
Er  war  sehr  ernst,  sprach  beim  Malen  nie  und  hatte  keine  Liebschaft.  Er 
war  ein  Offizier.  Mit  dem  Maler  Theodor  Flesch,  der  seinen  Namen  später  in 
,Feledi  Tivadar'  magyarisierte,  war  er  sehr  gut.  Ich  stand  auch  Leopold  Karl 
Müller  Halbakt." 


85 


Die  Zigeuner,  diese  Reste  eines  uralten  Kulturvolkes,  haben  nicht  nur  pracht- 
volle Akte,  sondern  auch  wunderbare  Bewegungen.  Darum  werden  sie  Maleraugen 
immer  wieder  anziehen.  Doch  wird  aus  ihnen  nichts.  Auf  dem  Gymnasium  springen 
die  meisten  von  ihnen  schon  in  den  ersten  Klassen  ab.  Einer,  der  es  zum  Advo- 
katen gebracht  hat,  stellt  einen  Ausnahmsfall  dar.  In  Szolnok  wird  alljährlich,  und 
zwar  im  vornehmsten  Saal  der  Stadt  der  große  Zigeunerball  abgehalten,  zu  dem 
auch  der  Bürgermeister  kommt.  Präsidiert  wird  da  von  der  Frau  des  Primas  der 
ersten  Kapelle.  Die  Rangordnung  ergibt  sich  aus  der  Anciennität.  Auf  dem  Ball, 
der  vor  meinem  Aufenthalt  in  Szolnok  der  letzte  gewesen  war,  hatte  die  Frau  des 
ersten  Primas  einen  Schlafrock  an  und  warf  diejenigen  Gäste,  die  sich  ohne  Karten 
hineingewagt  hatten,  eigenhändig  zur  Tür  hinaus.  Dabei  gab  es  die  fürchterlichsten, 
unflätigsten  Schimpfwörter  zu  hören. 

Nach  dem  Besuch  des  Zigeunerquartiers  gieng  es  im  Wagen  zur  Stadt  hinaus. 
In  der  Nähe  der  Zagyva  steht  —  als  Antwort  auf  den  oben  erwähnten  Obelisken 
des  Hauptplatzes  —  ein  Denkmal  zu  Ehren  der  am  5.  März  1849  für  die  Freiheit 
des  Vaterlandes  auf  demi  Schlachtfeld  gebliebenen  Honveds.  Diesem  Denkmal 
gegenüber,  jenseits  der  Straße  erhebt  sich  eine  barocke  Mariensäule.  In  der  Nähe 
der  Stadt  hat  die  Theiß  flach  ansteigende,  niedrige  Ufer,  die  mit  Weiden  be- 
wachsen sind.  Am  Ufer  der  Stadtseite  sind  viele  große  Holzstöße  aufgeschlichtet. 
Auf  dem  Wasser  selbst  schwimmen  Flöße  und  ein  Boot.  Aus  krippenartigen 
Trögen,  in  die  mit  Eimern  das  Theißwasser  geschöpft  wird,  werden  Pferde  ge- 
tränkt. Jenseits  des  Flusses  dehnt  sich  die  Puszta  aus.  Störend  wirken  einstweilen 
hüben  wie  drüben  die  Fabriksschlote.  Sonst  sind  für  die  Ebene  charakteristisch 
zahlreiche  vieldrähtige  Telegraphenstangen,  die  längs  der  Eisenbahnlinien  stehen 
(in  Szolnok,  wo  abgesehen  vom  Wasserweg  der  Theiß  sieben  Landstraßen  zu- 
sammenlaufen, verkehrten  im  Jahre  1907  auf  ebenso  vielen  Eisenbahnlinien  nicht 
weniger  als  180  Züge  täglich),  und  die  hochstängigen  Ziehbrunnen,  die  G6meskut, 
nach  dem  Gdm,  dem  Reiher,  benannt.  Wie  dieser  langbeinige,  langhalsige  und 
langschnäbelige  Vogel  Fische  aus  dem  Wasser  emporhebt,  so  zieht  der  hohe 
schlanke  Gemeskut  aus  der  Erde  Wasser  auf.  Petöfi  hat  einen  solchen  Brunnen 
mit  einer  langbeinigen  Mücke  verglichen:  wie  diese  das  Blut  des  Menschenleibes, 
so  saugt  jener  das  Blut  der  Mutter  Erde,  das  Wasser,  aus.  Je  weiter  uns  der 
Wagen  auf  die  Ebene  hinaus  und  von  der  Stadt  wegbringt,  desto  ursprünglicher 
wird  die  Szene.  Wir  besuchen  eine  Tanya,  ein  Bauerngehöft  auf  der  Puszta.  Das 
Haus  ist  nieder  und  mit  Stroh  gedeckt.  Aus  der  Streu  ist  ein  niederer  Zaun  auf- 
gerichtet, der  den  Hof  einfriedet.  Aus  festgetretenem  Pferdemist  sind  torfähnliche 
Ziegel  ausgestochen.  Sie  sind  zu  mächtigen  Haufen  aufgestapelt  und  dienen  als 
Brennmaterial.  Riesige  Strohtristen  wimmeln  von  Spatzen.  Im  Freien  ist  urweltlich 
einfach  der  Backofen  aufgemauert.  An  einem  offenen  Feuer  kocht  die  Bäuerin  im 
Hof  Zwetschkenmus.  In  einem  Zimmer  des  Hauses  ist  eine  gewaltige  Menge  Korn 
aufgeschüttet.  Ein  anderer  Raum  ist  durch  die  hochgetürmten  Betten  und  die  dicht 
von  der  Decke  herabhängenden  buntfarbigen  Weiberröcke,  die  den  Stolz  der 
Bäuerin  bilden,  ausgezeichnet.  Alle  Zimmer  sind  ungemein  rein  und  haben  Böden  aus 
gestampftem  Lehm.  Von  dem  Gehöft  gieng  es  weiter  über  die  Puszta  an  die  Theiß. 


86 


TAFEL  XVIII 

ZWEI  ZIGEUNERKINDER  BEI  EINEM  KESSEL.  AQUARELLSTUDIE.  1855. 

WIEN,  LUDWIG  LOBMEYR. 


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TAFEL  XIX 
DAS  STELLDICHEIN.  ÖLBILD.  1855.  WIEN,  BARON  ALPHONS  ROTHSCHILD. 


Zigeunerhütte  auf  der  Puszta.  Aquarell.   1855. 


Reichenberg,  Heinrich  Frh,  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


Wo  wir  an  den  Fluß  kamen,  hat  er  sich  tief  eingefressen.  Hier  sind  seine 
Ufer  hohe,  steile,  gelbfarbige  Böschungen.  Heroben  steht  eine  malerische 
Fischerhütte.  Das  Gärtlein  nebenan  ist  voll  großer  Sonnenblumen.  In  die  Krone 
einer  uralten  riesigen  Weide  ist  ein  großer  Taubenschlag  eingebaut.  Unten 
setzt  eben  eine  Fähre  einen  Heuwagen  über  den  Fluß.  Ein  Ochs  als  Vor- 
spann hilft  hierauf  den  drei  Pferden,  die  mächtige  Fuhre  das  steile  Ufer  hinan- 
schleppen. Auf  dem  saftig  grünen  Rasen  der  Theiß- Auen  wachsen  zahlreiche 
Weiden.  Das  Überschwemmungsgebiet  ist  durch  einen  Damm  abgetrennt.  Aber 
auch  noch  jenseits  des  Dammes  liegt  das  Terrain  tiefer.  Prächtiger  Luzerner 
Klee  wächst  darauf.  An  einem  Wassertümpel,  der  noch  von  der  Frühjahrs- 
überschwemmung herrührt,  fischen  Buben.  Die  Sonne  senkt  sich,  der  Abend 
bricht  herein,  und  es  wird  Zeit,  an  die  Heimkehr  zu  denken.  Die  Dünste  über 
der  Puszta  nehmen  wunderbare  Farben  an,  blutrot  geht  hinter  ihnen  die  Sonne 
unter.  Es  wird  kühl,  wir  hüllen  uns  fester  in  unsere  Mäntel,  und  unsere 
raschen,  ausdauernden  Pferde  jagen  mit  uns  über  die  Ebene  und  durch  die  Stadt 
zur  Bahn.  — 

Diese  drei  Schilderungen  von  Szolnok  vor  und  zu  der  Zeit,  da  Pettenkofen  das 
erstemal  hinkam,  und  von  Szolnok,  wie  es  heutzutage  aussieht,  sollen,  wie  schon 
bemerkt,  nicht  so  sehr  von  dem  fremden,  eigenartigen  Milieu,  das  dort  anzutreffen 
ist,  eine  Vorstellung  zu  geben,  sondern  vor  allem  mit  Worten  den  Inbegriff  von 
all  den  Motiven  anzudeuten  versuchen,  die  dort  der  Maler  Pettenkofen  dreißig 
Jahre  hindurch  für  seine  Bilder  zu  finden  gewußt  hat. 


87 


Wie  sich  im  Laufe  dieses  Menschenalters,  während  der  Jahre  zwischen  1851 
und  1881,  Pettenkofens  malerische  Technik,  seine  künstlerische  Auffassung  ge- 
wandelt hat,  davon  sei  einstweilen  noch  nicht  die  Rede.  Es  seien  nur,  durch  das 
Vorhergehende  vielleicht  ein  bißchen  belebt,  die  wichtigsten  Vorwürfe  aufgezählt, 
die  Pettenkofen  Szolnok  verdankt:  vor  allem  die  Märkte,  als  Szolnoker  Märkte 
häufig  durch  die  Dreifaltigkeitssäule  bestimmbar;  Märkte  überhaupt  und  besondere 
Märkte,  wie  Pferdemärkte,  Geflügelmärkte,  Getreidemärkte,  Obst-  und  Gemüse- 
märkte, unter  denen  die  Kürbis-  und  Melonenmärkte  hervorzuheben  sind,  Brot- 
märkte, Leinwandmärkte,  Geschirrmärkte.  Einzelheiten  von  Märkten,  wie  Verkäufer 
aller  Art  allein  oder  mit  ihren  Marktständen,  Marktfuhrwerke  und  -gespanne.  Über- 
haupt ungarische  Bauernwagen:  einer  allein,  ihrer  mehrere,  mit  Bauern  oder  ohne 
solche,  mit  Kukuruz,  Getreide,  Melonen  beladen  oder  leer,  auf  der  Puszta,  bei 
einem  Gehöft,  auf  dem  Markt.  Die  Hauptsache  am  Wagen  natürlich  stets  die 
Pferde:  Füchse,  Rappen,  Schimmel,  Isabellen,  Schecken.  Ein  Pferd  allein  oder 
ihrer  mehrere,  meistens  drei,  vier,  die  gewöhnliche  Bespannung  eines  Wagens,  zu- 
sammen. Am  Wagen  oder  ausgesträngt.  Angeschirrt  oder  ohne  Geschirr.  Von  der 
Seite,  von  vorne,  von  hinten.  Auf  dem  Markt,  im  Hof  eines  Bauernhauses,  auf 
der  Puszta,  im  Stall.  Aus  der  Krippe,  aus  dem  Wagen,  an  einem  Heuschober 
fressend.  Auf  der  Weide,  bei  der  Tränke  oder  in  der  Schwemme.  Ein  totes  Pferd, 
ein  Pferdegeripp  auf  der  Puszta.  Das  Pferd  als  Hauptsache  des  Bildes  oder  als 
Staffage.  Andere  Tiere:  Die  langgehörnten  Ochsen,  als  Vierer-,  als  Zweierzug  vor 
einem  Wagen,  auf  der  Weide.  Eine  Kuh,  Schaf-  und  Schweineherden,  ein  gefesseltes 
Lamm,  Gänse,  Hühner,  Hunde.  Ungarische  Bauern:  Allein  oder  mit  ihren  Wagen, 
neben  oder  auf  ihren  Pferden,  mit  ihren  Ochsen,  Schafen,  Schweinen,  Hunden. 
Fleischer,  Fischer,  Schafhirten,  Pferdehirten,  Rinderhirten,  Schweinehirten.  In  Pelzen 
oder  bloß  in  den  weiten  Leinwandhosen.  Einzeln  oder  in  Gruppen.  Mit  der  Getreide-, 
der  Mais-  oder  der  Kürbisernte  beschäftigt.  Bäuerinnen:  Wasser  tragend,  auf  dem 
Feld,  im  Garten,  beim  Haus  arbeitend,  mit  Kindern  beschäftigt.  Kinder  allein.  Zigeuner : 
Geigend,  rauchend,  mit  einem  Schwein  auf  dem  Rücken,  mit  einer  aufgespießten 
Schlange,  mit  einem  Fohlen,  zu  Pferde.  Zigeunerweiber :  ihr  Kind  säugend,  lausend, 
tragend.  Zigeunermädchen:  am  Feuer  kauernd,  trinkend,  rauchend,  mit  Uniform- 
stücken eines  österreichischen  Infanteristen  bekleidet.  Kinder,  schlafend,  spielend. 
Alte  und  junge  Zigeuner,  ganze  Figuren,  Kniestücke  und  Brustbilder.  Zigeuner  auf 
der  Wanderung,  Zigeuner  mit  ihrem  Karren,  Zigeuner  am  Feuer,  Zigeuner  badend. 
Zigeunerlager,  Zigeunerzelte,  Zigeunerhütten,  Zigeunerdörfer.  Bestimmte  Teile  von 
Szolnok:  das  Schustergäßchen,  die  Theißbrücke,  das  Theißufer  mit  Flößen  und 
Booten  auf  dem  Wasser  und  den  riesigen  Holzhaufen  auf  dem  Lande,  ein  Blick 
auf  die  Kirche.  Szolnoker  Ansichten  bei  Sonnenschein  und  Regenwetter.  Hütten 
und  Strohtristen  an  Tümpeln.  Dorfstraßen,  Bauerngehöfte  von  innen  und  außen, 
Ziehbrunnen,  Getreideschober,  ein  Taubenschlag  im  Kukuruzfeld,  Sonnenblumen, 
Melonen.  Alle  möglichen  Stimmungen  auf  der  Puszta  und  an  der  Theiß,  mit  und 
ohne  Staffage.  » 

Schon  dieser  trockenen  Aufzählung  der  Vorwürfe  von  Pettenkofens  ungarischen 
Bildern  läßt  sich   eines   mit  Sicherheit  entnehmen:    er  hat  als  Maler  Szolnok   und 


88 


TAFEL  XX 

ZIGEUNERZELTE  AUF  DER  PUSZTA,  VORNE  BADENDE  ZIGEUNER.  ÖL- 
BILD. (1856?)  REICHENBERG,  HEINRICH  FRH.  V.  LIEBIEGSCHE  SAMMLUNG 

DER  STADT. 


Weibliches  Porträt.  Ölbild. 


Wien,  Salo  Cohn. 


seine  Umgebung  sowie  die  Menschen,  die  dort  leben,  erschöpfend  behandelt.  Damit 
aber  hat  er,  und  das  ist  eine  Sache  von  großer  kunstgeschichtlicher  Wichtigkeit, 
die  Stoffgebiete   der  Malerei   um   ein   neues,   interessantes   bereichert.    Wieder  sei 


89 


einstweilen  sowohl  von  den  spezifisch  malerischen  Qualitäten,  die  Pettenkofen  bei 
seinen  ungarischen  Bilderthemen  vor  allem  angezogen  haben  mögen,  als  auch  von 
den  spezifisch  malerischen  Fähigkeiten,  die  er  bei  der  Behandlung  jener  Vorwürfe 
entwickelt  hat,  noch  nicht  die  Rede.  Seine  ungarischen  Bilder  seien  einstweilen 
bloß  von  dem  Standpunkt  eines  Beschauers  aus  gewertet,  den  an  ihnen  zuerst 
und  hauptsächlich  das  Stoffliche  fesselt,  und  zwar  derart,  daß  er  Lust  bekommt, 
sich  ein  solches  Werk  zu  kaufen.  Es  sei  etwa  an  einen  Pariser  gedacht,  der  zwar 
schon  von  der  ungarischen  Pusztä  und  von  den  Zigeunern,  die  auf  ihr  hausen, 
gehört  hat,  der  aber  diese  merkwürdigen  Nomaden  und  jene  wunderbare  Steppe 
auf  Pettenkofens  Bildern  zum  ersten  Male  in  seinem  Leben  vor  Augen  sieht.  Es  ist 
natürlich  klar,  daß  auch  schon  in  einem  solchen  Falle,  selbst  wenn  das  Kunst- 
empfinden dieses  Beschauers  als  recht  wenig  entwickelt  angenommen  würde,  der 
Eindruck,  den  die  Bilder  auf  ihn  machen,  durch  die  oben  erwähnten  spezifisch 
malerischen  Fähigkeiten  des  Künstlers  wesentlich  mitbestimmt  wird.  Trotzdem  aber 
dünkt  uns,  muß  Pettenkofen  bereits  aus  der  bloßen  Erschließung  dieses  neuen 
Stoffgebietes  ein  namhaftes  Verdienst  vindiziert  werden.  Wohl  wird  auf  die  natura- 
listische Malerei  noch  immer  das  Schlagwort  angewendet:  „Es  kommt  nicht  darauf 
an,  was,  sondern  wie  gemalt  werde."  Die  einseitige  Gültigkeit  dieses  Satzes  ist 
aber  bereits  durch  den  Hinweis  auf  die  Bedeutung  zu  entkräften,  die  die  Kunst- 
geschichte mit  Recht  der  Eroberung  der  profanen  Welt  der  Gegenwart,  des  Aktes, 
der  Landschaft,  des  Stillebens  für  das  Stoffbereich  der  bildenden  Künste  zuschreibt. 
Durch  Pettenkofen  hat  die  Welt  die  Puszta  und  ihre  Bewohner  kennen  gelernt, 
einen  charakteristischen  und  wichtigen  Teil  des  Ungarlandes.  Und  wenn  der  Wiener 
Pettenkofen  daher  in  der  anderen  Reichshälfte  als  ungarischer  Maler  in  Anspruch 
genommen  wird,  so  ist  dieses  Quidproquo  schließlich  zu  begreifen.  Und  wenn 
Pettenkofen  als  der  bahnbrechende  und  hervorragendste  Maler  des  ungarischen 
Landes  und  Volkes  im  Mai  des  Jahres  1913  zu  Szolnok  aus  Anlaß  des  zehnjährigen 
Jubiläums  der  dortigen  Künstlerkolonie  durch  die  Enthüllung  eines  Denkmals^) 
geehrt  worden  ist,  so  kann  diese  Tat  schöner  Begeisterung  und  rascher  Dank- 
barkeit in  Österreich  nur  einen  Widerhall  der  herzlichsten  Gefühle  wachrufen.  — 
Der  Ruhm,  als  erster  die  malerischen  Schönheiten  der  ungarischen  Tiefebene 
und  ihrer  Bewohner  erkannt  und  mit  hoher  Künstlerschaft  dargestellt  zu  haben, 
wird  Pettenkofen  durch  Theodore  Valerio,  der  schon  von  Gautier  im  Zusammen- 
hang mit  ihm  genannt  wurde,  wohl  kaum  ernstlich  streitig  gemacht.  Richtig  ist, 
daß  der  Franzose  Valörio,  der  1819  zu  Heserange  im  Moseldepartement  geboren 
und  ein  Schüler  und  Freund  Charlets  war,  schon  zu  Beginn  der  fünfziger  Jahre 
die  ungarischen  Steppen  durchwanderte  und  deren  so  außerordentlich  interessante 
und  mannigfaltige  Volkstypen  hauptsächlich  mit  Zeichenstift  und  Wasserfarben 
porträtierte.  Nach  seinen  eigenen  Entwürfen  hat  er  auch  radiert.  Er  gab  z.  B. 
eine  „Suite  de  dessins  d'apr^s  nature  gravis  ä  l'eau  forte"  heraus,  deren  erster  Teil, 
betitelt:  „La  Hongrie",  1854  bei  Goupil  und  Delarue  in  Paris  erschienen  ist.  Er 
soll  sogar  in  Wien  die  ungarischen  Magnaten  für  seine  Zwecke  zu  interessieren 
versucht  haben.  Am  bekanntesten  aber  machte  er  sich  durch  seine  Bilder  vom 
Krim-Krieg,  die  er,  der  siebzehn  Jahre  hindurch  halb  Europa  bereiste,  an  Ort  und 


90 


Maler  Josef  Borsos.  Ölbild. 


Budapest,  Museum  der  schönen  Künste. 


91 


Stelle  schuf  und  die  in  den  verschiedensten  Journalen  reproduziert  wurden.  Übrigens 
muß  Pettenkofen  mit  ihm  bekannt  gewesen  sein.  Wenigstens  finden  sich  in  seinem 
Nachlaß  zwei  Radierungen  Valerios  und  hat  er  in  einem  seiner  Notizbücher  eine 
Pariser  Adresse  des  Künstlers  verzeichnet.  Valerio  starb  1879. 

Seine  Arbeiten  sind  durchaus  nicht  ungeschickt,  aber  grundsätzlich  von  denen 
Pettenkofens  verschieden.  Sie  zeigen,  mit  diesen  verglichen,  zu  viel  Manier  und 
Routine,  wirken  auch  ein  bißchen  geleckt  und  süßlich  und  leiden  vor  allem  an 
einer  ziemlich  starken  Theatralik.  Am  besten  charakterisiert  man  sie  vielleicht, 
wenn  man  sie  gute  Figurinen  und  Dekorationsentwürfe  nennt.  — 

Schon  die  obige  Aufzählung  der  Vorwürfe  von  Pettenkofens  ungarischen  Ge- 
mälden zeigt,  daß  sie  allesamt  keine  Genrebilder  im  Sinne  der  Altwiener  Maler- 
schule mehr  sind.  Alles  Anekdotische  ist  verschwunden,  nirgends  wird  pointiert 
erzählt.  Sachlich  wird  das  geschildert,  was  man  in  und  bei  Szolnok  sehen  konnte 
und  was  von  dem  Künstler  malerischer  Darstellung  für  wert  befunden  wurde.  Nichts 
ist  erfunden,  wenn  auch  sicherlich  unter  der  Kontrolle  des  persönlichen  Geschmackes 
die  Wirklichkeit  hie  und  da  korrigiert,  das  Ganze  von  diesem  oder  jenem  Gesichts- 
punkt wieder  des  persönlichen  Geschmackes  aus  arrangiert  ist.  An  der  Stelle  von 
Ereignissen  hält  der  Pinsel  Zustände  fest,  der  Ruhe  gibt  er  den  Vorzug  vor  der 
Bewegung.  In  die  dargestellten  Figuren  und  Landschaften  ist  weder  Sentimentalität 
noch  Romantik  hineingetragen.  Der  Titel  „Melancholische  Zigeunerin",  der  sich  in 
einem  Auktionskatalog  findet,  ist  bestimmt  nicht  von  Pettenkofen  gewählt.  Ihm  lag 
gewiß  nichts  ferner,  als  die  Puszta  und  die  Zigeuner  etwa  mit  den  Augen  seines 
älteren  Zeitgenossen  Lenau  anzusehen.  Gerade  früher  wurde  gesagt,  daß  er  das 
ungarische  Volksleben  nicht  nach  Art  der  Altwiener  Genremaler  darstellte,  hier  sei 
hinzugefügt,  daß  er  seine  ungarischen  Themen  auch  nicht  nach  Art  seiner  etwas 
jüngeren  deutschen  Zeitgenossen,  z.  B.  eines  Knaus,  Vautier,  Defregger,  behandelt 
hat,  wie  dies  unter  den  ungarischen  Malern  etwa  ein  Bihari  Sandor  tat.  Jene 
deutschen  Genremaler  der  zweiten  Hälfte  des  Jahrhunderts  haben  mit  den  Genre- 
malern des  alten  Wien  gemeinsam,  daß  sie  etwas,  das  sich  besser  schreiben  und 
erzählen  als  malen  läßt,  zur  Hauptsache  eines  Bildes  zu  machen  pflegten,  waren 
aber  anspruchsvoller  als  die  alten  Wiener  und  diesen  wohl  in  der  Ausdrucksmalerei 
überlegen.  Unzweifelhaft  standen  sie  ihnen  aber  im  eigentlich  Malerischen  nach 
(man  vergleiche  in  Gedanken  nur  einmal  das  Kolorit  eines  Knaus  mit  dem  eines 
Danhauser  zum  Beispiel).  Vor  diesem  Fehler  nun  blieb  Pettenkofen  durch  sein  außer- 
gewöhnlich starkes  und  feines  malerisches  Empfinden,  das  er  aus  dem  Wien  des  Vor- 
märz überkommen  hatte  und  in  Paris  stetig  nährte  und  wandelnd  steigerte,  bewahrt. 

Bloß  ein  paar  Szolnoker  Gemälde  könnten  von  dem  eben  Dargelegten  Aus- 
nahmen zu  bilden  scheinen:  beispielsweise  das  „Stelldichein"  in  seinen  verschiedenen 
Fassungen  und  deren  mehr  oder  weniger  veränderte  Wiederholungen.  Aber  auch 
in  diesen  paar  Fällen  ist  der  Vorgang  selbst  so  einfach,  so  natürlich,  wirkt  seine 
Darstellung  so  ungezwungen,  erinnert  davon  so  durchaus  nichts  an  das  lebende 
Bild  und  ist  vor  allem  das  GegenständHche  so  völlig  dem  rein  Malerischen  unter- 
geordnet, daß  auch  hier  von  einem  Genrebild  in  der  Art  der  alten  Wiener  oder 
der  jüngeren  Deutschen  keine  Rede  sein  kann.  — 


92 


Von  Pettenkofens  Stil 
und  Technik  soll  erst  spä- 
ter gehandelt  werden,  im 
Verlauf  der  chronologi- 
schen Darstellung  und 
nachdem  die  französischen 
Einflüsse  angeführt  sein 
werden.  — 

Mit  Hilfe  des  im  An- 
hang mitgeteilten  Itine- 
rars,  das  hauptsächlich 
auf  Grund  von  Notizbü- 
chern und  Briefen  zu- 
sammengestellt ist,  läßt 
sich  ein  Aufenthalt  Petten- 
kofens in  Szolnok  für  fol- 
gende Jahre   nachweisen: 

1851  (einige  Tage  im 
Oktober). 

1854  (für  dieses  Jahr 
versagt  das  Itinerar,  doch 
haben  von  den  zahlreichen 
das  Datum  1854  tragen- 
den Bildern  fast  alle  un- 
garische Vorwürfe,  so  daß 
ein  Aufenthalt  in  Szolnok, 
jedenfalls  aber  in  Ungarn 
wahrscheinlich  ist). 

1859  (schon  imjuli  inUn- 
garn, aber  nicht  in  Szolnok, 
dort  den  ganzen  September 
und  halben  Oktober). 

1861  (im  September  und 
nochmals  im  Oktober,  im 
ganzen  etwa  einen  Monat 
dort). 

1863  (vom  halben  Juli  bis  längstens  Anfang  September). 

1867  (kaum  drei  'Wochen  im  September  und  Oktober). 

1868  (ein  paar  Tage  im  Juli). 
1874  (drei  Wochen  im  August). 

1876  (vom  15.  August  bis  zum  24.  Oktober;  der  längste  nachweisbare  Aufenthalt). 
1879  (vom  2.  September  bis  zum  30.  Oktober). 

1881    (vom    23.  August   bis   zum   6.   Oktober,    der   letzte   Aufenthalt,    der   nach- 
zuweisen ist). 


Julie  Freiin  v.  Helfert.   Ölstudie. 


Wien,  Städtisches  Museum. 


93 


Aus  dieser  Zusammenstellung,  deren  unbedingte  Vollständigkeit  freilich  nicht 
gewährleistet  werden  kann,  ergibt  sich  folgendes:  Pettenkofen  gieng  ziemlich 
unregelmäßig,  manchmal  sogar  in  Zwischenräumen  von  mehreren  Jahren,  nach 
Szolnok  und  hielt  sich  dort  nie  allzu  lange  auf,  durchschnittlich  wird  man  sagen 
können:  einen  starken  Monat,  und  zwar  während  des  Hochsommers  und  Früh- 
herbstes. Des  weiteren  führen  diese  verhältnismäßig  seltenen  und  kurzen  Szolnoker 
Aufenthalte,  verglichen  mit  den  zahlreichen  Bildern  mit  ungarischen  Themen,  zu 
den  Schlüssen,  daß  Pettenkofen  einerseits  in  Szolnok  stets  ganz  außerordentlich 
fleißig  gewesen  sein  muß  und  daß  er  anderseits,  was  wir  auch  sonst  bestätigt 
finden  werden,  die  Bilder  nicht  gleich  an  Ort  und  Stelle,  sondern  oft  erst  viel 
später  mit  Hilfe  von  Studien  und  Notizen  zu  vollenden  pflegte.  Dies  gilt  übrigens, 
wie  schon  hier  bemerkt  werde,  für  die  letzte  Schaffensperiode  des  Künstlers 
weniger  als  für  die  früheren. 

Pettenkofens  Fleiß  in  Szolnok  wird  übrigens  durch  ihn  selbst  in  zwei  Briefen  aus- 
drücklich bestätigt.  Das  eine  Mal  schreibt  er,  daß  er  in  den  zwei  Monaten,  die  er  in 
Szolnok  ist,  „mit  Ausnahme  von  14  Tagen  oder  drei  Wochen  fortwährend  mit  Regen, 
Sturm  und  gedecktem  Himmel  das  unsäglichste  Gefrette"  habe  und  daß  ihn  das 
Leben,  das  er  dort  zu  führen  gezwungen  sei,  sehr  verdrießlich  gestimmt  habe,  und 
fährt  dann  fort:  „Doch  bringe  ich  einiges  mit  und  wollte  ich  in  diesem  Genre 
weitermalen,  hätte  ich  wohl  für  100  Bilder  reiches  Material,  welches  ich  mit  geiziger 
Genauigkeit  auf  jede  Minute  des  Tages  bei  schlimmstem  Wetter  gesammelt 
habe."")  Und  in  dem  zweiten  Briefe  heißt  es,  daß  er  in  Ungarn  „mehr  als  anderswo 
in  verhältnismäßig  kurzer  Zeit  machen  könne  und  [für  diese  Arbeiten]  eines  guten 
Erfolges  gewiß"  sei.')  — 

Von  den  Leuten,  mit  denen  Pettenkofen  in  Szolnok  verkehrte,  ist  an  erster 
Stelle  der  sogenannte  „Szolnoker  Müller",  der  Honv6dhauptmann  Adolf  Müller,  zu 
erwähnen.  Dieses  Müller  Großvater  mütterlicherseits  war  der  reiche  Szolnoker 
Zimmermeister  Homälyosi-Dunkel,  der  auch  große  Holzfabriken  erbaut  hatte.  Er 
war  von  Kaiser  Franz  in  den  Adelsstand  erhoben  worden,  weil  er  gegen  Napoleon 
sechs  Husaren  gestellt  hatte.  Der  Schwiegersohn  dieses  Dunkel,  Müller,  ein  großer 
Blumenfreund,  hatte  zwei  Söhne,  den  ebengenannten  Adolf  und  Gustav.  Beide 
dienten  als  Kadetten  im  Regiment  Turszky.  Mit  diesem  ihren  Regiment  giengen 
sie  1849  zu  den  Honv^ds  über  und  fochten  den  Feldzug  auf  ungarischer  Seite  mit. 
Adolf  wurde  dafür  nachher  zu  Festungshaft  verurteilt  und  saß  seine  Strafe  in 
Kufstein  und  Italien  ab.  In  seine  Vaterstadt  zurückgekehrt,  trieb  er  einen  Handel 
mit  Faßdauben,  die  seit  alter  Zeit  die  Theiß  herabkamen  und  von  Szolnok  aus 
über  Fiume  nach  Frankreich  verkauft  wurden.  Schon  als  er  selbst  noch  beim 
Fischermeister  Stibinger  eingemietet  war,  wohnte  Pettenkofen  bei  ihm.  Später 
baute  sich  Müller  ein  Haus,  das  heute  noch  steht,  neben  dem  Pfarrhof  der  Burg- 
kirche. Früher  stand  es  frei,  heute  ist  es  von  einem  ganzen  Häuserkomplex  ein- 
geschlossen, schräg  gegenüber  von  ihm  befindet  sich  die  Künstlerkolonie.  Auch  in 
diesem  Haus  wohnte  Pettenkofen  bei  Müller.  Dieser  hatte  Sinn  für  bildende  Kunst, 
sein  Heim  wurde  der  Versammlungsort  aller  Maler,  die  nach  Szolnok  kamen.  Der 
Verkehr   mit   diesen   regte   ihn   an,   selbst  zu   malen,   schließlich   gab   er  sogar  in 


94 


Liegender  weiblicher  Akt.  Ölstudie. 


Wien,  Alfred  Wawra. 


Szolnok  Zeichenunterricht.  In  der  Budapester  Galerie  hieng  vor  noch  nicht  allzu 
langer  Zeit  unter  dem  Namen  Pettenkofen  ein  Szolnoker  Markt,  der  von  Müller 
gemalt  war.  Müller  besaß  auch  ein  Bildchen  von  Pettenkofens  Hand,  das  heute 
im  Szolnoker  Stadthaus  aufbewahrt  wird.  Müller  diente  Pettenkofen,  der  nicht  viel 
mehr  ungarisch  als  „Ne  mozogj",  d.  i.  „Beweg  dich  nicht!"  verstanden  haben 
soll,  auch  als  Dolmetsch.")  Später  wohnte  Pettenkofen  in  der  Magyar-utca  im 
Hause  des  Kleiderhändlers  Weiß,  der  seinen  Namen  in  Feh^r  magyarisierte.  Dieses 
Haus  stieß  an  den  Geflügelmarkt,  und  aus  dem  großen  Zimmer,  das  Pettenkofen 
bei  Weiß  innehatte,  konnte  man  den  Markt  sehen.  Pettenkofen  soll  ihn  von  da 
aus  auch  gemalt  haben.  Der  Sohn  des  Hauses  begleitete  Pettenkofen,  wenn  er 
malen  gieng,  trug  ihm  das  Malgerät  und  half  ihm  gleichfalls  mit  seinem  Ungarisch 
aus.  Noch  später  wohnte  Pettenkofen  im  Hause  des  Oberarztes  Dr.  Becsy  in  der 
Väroshäz-utca.  0  Schließlich  sei  auch  noch  der  Szolnoker  Photograph  Chryastel 
angeführt,  bei  dem  Pettenkofen  in  der  späteren  Zeit  dann  und  wann  als  Behelfe 
für  seine  Bilder  photographische  Aufnahmen  bestellte.'") 

Wie  Pettenkofen  —  während  eines  Aufenthaltes  in  den  siebziger  oder  achtziger 
Jahren  —  einen  Tag  in  Szolnok  verbracht  hat,  wird  folgendermaßen  geschildert: 
In  der  Frühe  gieng  er  aus  und  machte  sich  kleine  Zeichennotizen.  Hatte  er  was 
Passendes  gefunden,  so  malte  er  es,  im  Marktgewühl  alle  um  Haupteslänge  über- 
ragend und  von  allen  respektiert,  gleich  an  Ort  und  Stelle  auf  ein  kleines  Brett. 
Abends  studierte  er  die  Luftstimmungen.  Im  Kaffeehaus  spielte  er  Schach,  warf 
aber,  nichts  weniger  als  ein  Matador,  das  Spiel  um,  wenn  es  schlecht  für  ihn  stand. 
Nach  dem  Abendessen  notierte  er  sich  Farbeneindrücke,  überhaupt  alles,  was  ihm 


95 


tagsüber  aufgefallen  war,  oder  las  alte  Klassiker.  —  Einmal  ritt  ein  Bursch  mit  zwei 
Pferden  vorüber.  Als  ihn  Pettenkofen  malen  wollte,  sprang  er  aber  ab  und  wollte 
nicht  wieder  aufsitzen.  Da  packte  ihn  Pettenkofen  beim  Kragen  und  setzte  ihn 
derb  aufs  Pferd.  Das  imponierte  dem  Kerl  so,  daß  er  sich  dann  nicht  mehr 
rührte.")  — 

Außer  Pettenkofen  malten  aber  noch  andere  Künstler  in  Szolnok.  Begreiflicher- 
weise waren  es  zuerst  Österreicher.  Ob  Ignaz  Raffalt,  der  Vater,  in  Szolnok  war, 
ist  ungewiß;  jedenfalls  finden  sich  unter  seinen  Bildern  ein  paar  mit  ungarischen 
Vorwürfen.  Sicher  aber  ist,  daß  sein  Sohn,  der  hochbegabte  frühverstorbene  Johann 
Gualbert  Raffalt,  ein  intimer  Freund  Pettenkofens,  dort  gemalt  hat.  Nachweislich 
war  er  im  Jahre  1863  zusammen  mit  Pettenkofen  in  Szolnok.  Gewisse  Bilder  Raffalts 
sind  denen  Pettenkofens  vom  Ende  der  fünfziger  und  Anfang  der  sechziger  Jahre, 
die  durch  ein  kräftiges,  sattes  Kolorit  ausgezeichnet  sind,  zum  Verwechseln  ähnlich. 
Auch  Leopold  Karl  Müller,  der  schon  als  ganz  junger  Mensch  auf  Veranlassung 
seines  Lehrers  Karl  Blaas  an  dessen  Fresken  in  der  Kirche  von  Föth  in  der  Nähe 
von  GödöUö  mithalf,  malte  in  den  Jahren  1861  und  1862  dort.  Im  Gegensatz  zu 
Raffalt,  der  höchst  wahrscheinlich  durch  Pettenkofen  dazu  bewogen  wurde,  nach 
Szolnok  zu  gehen,  scheint  Müller  unabhängig  von  Pettenkofen  dorthin  gekommen 
zu  sein.  Die  beiden  später  so  innig  befreundeten  Künstler  sollen  einander  sogar 
in  Szolnok  zuerst  näher  kennen  gelernt  haben.  Karl  v.  Kratzer  (von  dem  noch 
die  Rede  sein  wird  und  der  hier  nicht  so  sehr  als  Maler  denn  als  Freund  Petten- 
kofens genannt  sei)  war  gleichfalls  in  Szolnok,  und  zwar  vor  dem  Jahre  1874,  wie 
aus  einem  vom  7.  Oktober  dieses  Jahres  datierten  Briefe  Pettenkofens  an  ihn  aus 
Szolnok  hervorgeht;  Pettenkofen  schreibt  da,  daß  er  ihm  von  dem  Leben  in  Szolnok 
nichts  zu  sagen  brauche,  weil  er  es  ja  kenne.  Auch  Otto  v.  Thoren,  nur  um 
sechs  Jahre  jünger  als  Pettenkofen  und  wie  dieser  ein  ehemaliger  Militär,  malte 
in  Szolnok  mit  ihm  zusammen  im  Jahre  1881. 

Ferner  sollen  auch  der  Münchener  Pferde-  und  Schlachtenmaler  Heinrich  Lang 
und  seine  Frau  Tina  Blau,  er  1860-61,  sie  während  der  siebziger  Jahre,  in  Szolnok 
gemalt  haben;  desgleichen  die  beiden  Frankfurter  Adolf  Schreyer  und  Adolf 
von  den  Velden.'^)  Doch  ist  nur  von  Schreyer  und  Lang  nachzuweisen,  daß 
Pettenkofen  mit  ihnen  bekannt  war. 

Seit  den  siebziger  Jahren,  in  denen  dank  dem  'Wirken  Munkäcsys  die  ungarische 
Kunst  einen  starken  Aufschwung  nahm,  kamen,  durch  Pettenkofens  und  der  anderen 
fremden  Künstler  Beispiel  angelockt,  auch  ungarische  Maler  nach  Szolnok. 

Ihre  Tätigkeit  in  der  Stadt  und  deren  Umgebung  hatte  zur  Folge,  daß  sich  dort 
Bürgerschaft  und  Landbevölkerung  immer  mehr  daran  gewöhnten,  Künstler  in 
ihrer  Mitte  zu  sehen,  und  daß,  als  unter  dem  nachhaltigen  Eindrucke  der  Millenniums- 
feier des  Jahres  1896  drei  Jahre  später  eine  kleine  Künstlerschar  mit  dem  Plane 
hervortrat,  in  Szolnok  eine  Künstlerkolonie  zu  gründen,  dieser  Gedanke  allseits  auf 
Verständnis  stieß  und  Förderung  erfuhr.  Der  Staat,  die  Gemeinde  und  private 
Gönner  fanden  sich  zusammen,  die  nötigen  Mittel  aufzubringen,  1901  wurde  der 
Szolnoker  Künstlerverein  gegründet,  1902  konnte  bereits  das  Künstlerheim  bezogen 
werden.   Jenen    Mitgliedern   des  Vereines,   die   die   geistigen  Urheber  der  Kolonie 


96 


I 


TAFEL  XXI 

UNGARISCHES  BAUERNFUHRWERK.  ÖLBILD.  1857.  WIEN,  BARON  LOUIS 

ROTHSCHILD. 


sind,   tritt   in  der  letzten  Zeit  schon  wieder  eine  ganze  Schar  junger  und  jüngster 
aufstrebender  Begabungen  zur  Seite. '^) 

Das  sympathische  einfache  Gebäude  der  Kolonie  ist  ebenerdig,  enthält  nicht  nur 
Atelier-,  sondern  auch  Wohnräume  für  die  Künstler  und  liegt  inmitten  eines  großen 
Gartens,  den  jetzt  das  Pettenkofen-Denkmal  schmückt  und  in  dem  früher  das  Gips- 
modell des  originellsten  Denkmales  aufgestellt  war,  das  Budapest  besitzt,  nämlich 
des  „Anonymus"  von  Nikolaus  Ligeti.  Als  der  Verfasser  im  Jahre  1907  in  Szolnok 
war  und  auch  die  Kolonie  besuchte,  malte  gerade  im  Garten  beim  vollsten  Mittag- 
sonnenlicht des  wunderbaren  Septembertages   ein  junger  Künstler  ein  bildschönes 


Ungarischer  Bauernwagen.  Bleistiftstudie.   1856. 


Wien,  Dr.  August  Heymann. 


Zigeunermädchen.  Sie  hatte  einen  bunten  Shawl  um  die  bloßen  Schultern  geschlungen 
und  war,  an  den  schlanken  Stamm  eines  spärlich  belaubten  Bäumchens  gelehnt, 
ganz  mit  Sonnenflecken  besprengt.  Ein  anderes  Mitglied  der  Kolonie  saß  unter 
einem  Malerschirm  an  einer  staubigen  Straße  und  malte  an  einem  Landschafts- 
motiv. Unweit  der  Staffelei  lag  der  halbnackte  Trägerjunge  aus  dem  Tabän.  — 

So  hat  Pettenkofens  Tätigkeit  in  Szolnok  befruchtend  sogar  noch  auf  die 
ungarische  Kunst  und  Kunstpflege  unserer  Tage  gewirkt.  — 

Daß  sich  im  Szolnoker  Komitatshaus  noch  eine  vom  Jahre  1875  datierte  Ölskizze 
Pettenkofens,  die  drei  Kinder  an  einem  dünnen  Wasserlauf  wohl  auf  der  Puszta 
darstellt,  erhalten  hat,  sei  hier  zum  Schluß  der  Vollständigkeit  halber  erwähnt.  — 

Wie  es  wohl  selbstverständlich  ist  und  wie  bereits  angedeutet  wurde,  hielt  sich 
Pettenkofen  nach  dem  Feldzug  der  Jahre  1848  und  1849  auch  noch  in  anderen 
Gegenden   Ungarns   auf  als   in  Szolnok.   Vor   allem   wird    es   wohl   die  Hoffnung, 


97 


13 


Ungarisches  Bauerngehöft  mit  zwei  Pferden.  Aquarell.   1856. 


Wien,  Gottfried  und  Hermann  Bißler. 


interessante  neue  Motive  zu  finden,  vereint  mit  einer  angeborenen  Wanderlust, 
gewesen  sein,  was  ihn  auch  an  andere  Punkte  Ungarns  führte;  manche  Gegenden, 
die  er  während  des  Krieges  kennen  gelernt  hatte,  wird  er  wiedersehen  haben 
wollen,  an  einen  anderen  Ort  mag  ihn  eine  Einladung  von  befreundeter  Seite 
aus  gelockt  haben. 

Schon  im  Herbst  des  Jahres  1851  hielt  er  sich  in  Nagy-Szent-Miklös  auf.  Der 
Ort  liegt  an  einem  Verbindungskanal  von  Theiß  und  Maros  im  Komitat  Torontäl 
und  heißt  auch  Serbisch-  oder  Raiczisch-Szent-Miklös.  Wie  schon  die  letztere 
Bezeichnung  andeutet,  ist  Nagy-Szent-Miklös  durch  das  Nationalitätengemisch 
interessant,  das  dort  anzutreffen  ist.  Charakteristische  Typen  von  magyarischen, 
serbischen  und  wallachischen  Bauern  und  von  Zigeunern  werden  dort  das  Maler- 
auge angezogen  haben.  Nagy-Szent-Miklös  ist  aber  auch  die  Herrschaft  der  Grafen 
Näkö,  eines  Geschlechtes,  das  gerade  damals  in  der  Gräfin  Bertha,  einer  gebürtigen 
Gyertyänffy  de  Bobda,  der  Gattin  des  Grafen  Koloman,  seinem  Stamme  ein  ganz 
besonderes  Edelreis  aufgepfropft  hatte.  Die  im  Jahre  1820  geborene  Gräfin  hatte 
1842  geheiratet.  Daß  Pettenkofen  schon  im  Jahre  1851  die  Bekanntschaft  des  gräf- 
lichen Paares  gemacht  hat,  ist,  wie  oben  bereits  angedeutet  wurde,  nicht  unmög- 
lich. Später  verkehrte  er  sicher  häufig  im  gastfreundlichen  Näköschen  Hause.  Aus 
seinem  Nachlaß  haben  sich  Photographien  erhalten,  die  Bilder  der  Gräfin  und  die 
Gräfin  selbst  in  ihrem  Atelier  darstellen,  ihren  Tod  am  23.  Dezember  1882  ver- 
zeichnet er  in  seinem  Notizbuch,  Bilder  von  seiner  Hand  haben  sich  einst  in  gräf- 
lichem Besitz  befunden.  Die  Gräfin  Bertha  war  nicht  nur  durch  ihre  Schönheit, 
Anmut,  Liebenswürdigkeit   und   ihr   hinreißendes  Temperament,    durch  ihre  werk- 


98 


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V«^^^^^Bbb 

Ungarisches  Bauernfuhrwerk.  Ölbild.   1856. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


tätige  Herzensgüte,  ihre  Bildung  und  ihren  Geist  ausgezeichnet,  sondern  auch 
als  Malerin  und  Klaviervirtuosin  gleich  hoch  begabt.  In  ihrem  Palais  in  der 
Dorotheergasse  in  Wien  (dem  Hause,  in  dem  sich  heute  die  Kunsthandlung 
Miethke  befindet)  und  in  ihrer  Villa  zu  Schwarzau  (nahe  dem  Schneeberg  in 
Niederösterreich)  versammelte  sich  namentlich  in  den  sechziger  und  siebziger 
Jahren  eine  Auslese  von  hervorragenden  bildenden  Künstlern  und  Musikern.  Liszt, 
Wagner,  Amerling,  Lenbach,  Makart  finden  sich  darunter.  Liszt  konnte  stunden- 
lang ihren  Phantasien  auf  dem  Klavier  zuhören  und  auch  Wagner,  der  einmal 
einen  im  gräflich  Näköschen  Hause  in  Schwarzau  verbrachten  Abend  sehr  an- 
schaulich geschildert  hat,")  fand  ihr  Spiel  „sehr  originell  und  fesselnd",  ihr 
malerisches  Talent  konnte  in  der  im  Jahre  1906  zu  Budapest  veranstalteten  Aus- 
stellung der  von  ihr  gemalten  Kopien  nach  alten  Meistern  und  Originalbilder  ge- 
schätzt werden.'") 

1853  war  Pettenkofen  in  Fünfkirchen  (Pecs)  im  Komitat  Baranya  am  Mecseg- 
Gebirge  zwischen  Drau  und  Donau  und  in  Waitzen  (Väcz)  an  der  Donau,  dort 
wo  sie  das  Knie  nach  Süden  macht.  Waitzen  dürfte  er  aus  dem  Feldzug  gekannt 
haben,   denn  dort  hatten  am  10.  April  1849   die  Kreß-Chevauxlegers   mitgefochten. 

1858  besuchte  er  Zenta  an  der  Theiß,  im  Komitat  Bäcs-Bodrog,  berühmt  durch 
den  Sieg  des  Prinzen  Eugen  über  die  Türken  im  Jahre  1697,  und  fuhr  von  hier 
nach  Nagy-Szent-Miklös,  wo  er  elf  Tage  verweilte. 

1859  hielt  er  sich  auf  dem  Wege  von  Pest  nach  Szolnok  nicht  ganz  eine  Woche 
in  Jäsz-Bereny,  das  an  der  Zagyva  liegt,  auf.  Von  Szolnok  reiste  er  im  Oktober 
nach  Nagy-Szent-Miklos. 


99 


13' 


1861  machte  er  von  Szolnok  einen  Abstecher  nach  Gyula,  das  an  der  Weißen 
Koros  liegt  und  der  Hauptort  des  Komitates  Bekes  ist.  Gyula  ist  die  Stadt,  in 
deren  Nähe  einst  Eytas  (d.  i.  Ajtös)  gelegen  hat,  das  Dörflein,  wo  sich  Albrecht 
Dürers  Vorfahren,  wie  es  in  des  Künstlers  Familienchronik  heißt,  „der  Ochsen  und 
Pferd  genährt  haben".  In  Gyula  ist  Dürers  Vater  bei  einem  Goldschmied  in  der 
Lehre  gewesen. 

Im  Jahre  1869  fährt  Pettenkofen  über  Brück  an  der  Leitha  nach  Wieselburg 
und  Raab.  W^ieselburg  liegt  östlich  vom  Neusiedler  See  an  der  Kleinen  oder 
Wieselburger  Donau.  Wo  in  diese  die  Raab  und  die  Rabnitz  münden,  liegt  Raab 
(Györ),  das  am  28.  Juni  1849  von  den  Österreichern  unter  Haynau  erstürmt  wurde. 
An  dieser  „Affaire"  waren  auch  die  Kreß-Chevauxlegers  beteiligt  und,  wie  schon 
bemerkt  wurde,  stellt  Pettenkofens  Lithographie,  die  unter  dem  Titel  „Die  Ein- 
nahme von  Brescia"  bekannt  ist,  wahrscheinlich  eine  Episode  jenes  Kampfes  dar. 
Nach  Raab  kann  daher  Pettenkofen  durch  die  Erinnerung  an  das,  was  er  dort 
vor  zwanzig  Jahren  miterlebt  hatte,  geführt  worden  sein.  Von  Raab  fuhr  er  nach 
Stuhlweißenburg  (Szekes-Fehervär),  der  altehrwürdigen  Stadt,  in  der  einst  Ungarns 
Könige  gekrönt  und  bestattet  wurden.  Sie  liegt  nordöstlich  vom  Plattensee  zwischen 
Bakony-Wald  und  Donau.  Von  Stuhlweißenburg  machte  er  einen  Abstecher  nach 
Siöfok  am  nordöstlichen  Ufer  des  Plattensees  und  kehrte  von  da  wieder  nach 
Wieselburg  zurück. 

Im  August  des  Jahres  1879  fuhr  Pettenkofen  von  Szolnok  nach  Abony. 

In  die  Jahre  1876  und  1879  fallen  kurze  Aufenthalte  in  Preßburg. 

1851  und  1881,  im  Anfangs-  und  Endjahr  seiner  Fahrten  nach  Ungarn,  und 
natürlich  auch  zu  wiederholten  Malen  während  dieser  dreißig  Jahre  war  Petten- 
kofen in  Budapest.  Er  weilte  dort  aber  niemals  lang. 

So  viel  von  jenen  Aufenthalten  Pettenkofens  in  Ungarn,  die  das  Itinerar  nach- 
zuweisen erlaubt.  — 

Szolnok,  als  Teil  für  das  Ganze  genommen,  war  für  Pettenkofen  eine  unerschöpf- 
liche Fundgrube  malerischer  Motive.  Um  diese  ihrer  würdig,  mit  allen  Mitteln 
einer  stetig  vervollkommneten  Technik  verwerten  zu  können,  suchte  er  aber  die 
Hauptstadt  Frankreichs  auf,  die  auch  dem  Menschen  mehr  zu  geben  vermochte, 
als  die  ungarische  Steppe. 


100 


DRITTES  KAPITEL 

mPlS  1852-1883 


ie  Wanderlust  scheint  Pettenkofen  von  seinem  Vater  geerbt 
zu  haben,  der  ja  noch  in  den  Tagen,  als  die  Postkutsche  die 
Eisenbahn  ersetzte,  große  Reisen  unternommen  haben  soll. 
Pettenkofen  war  zeitlebens  kein  seßhafter  Mann:  in  der  Heimat, 
an  einem  Orte  litt  es  ihn  niemals  lang.  Sieht  man  von  der 
militärischen  Tour  ab,  die  den  Rekruten  zu  seinem  Regiment 
nach  Italien  gebracht  hatte,  so  war  das  Ziel  seiner  ersten  großen 
Reise  Paris,  —  wohin  er  freilich,  ist  der  Überlieferung  zu  trauen, 
schon  als  Kind  mit  seinem  Vater  gekommen  sein  soll. 
Was  ihn  nach  Paris  zog,  brauchte  eigentlich  gar  nicht  mehr  erörtert  zu  werden. 
Vor  allem  natürlich  die  Kunst,  die  seit  der  letzten  Jahrhundertwende  an  den  Ufern 
der  Seine  zur  mächtigsten  von  ganz  Europa  emporgewachsen  war.  Dann  aber 
wird  ihn  auch  der  allgemeine  Zauber  der  alten  Lutetia  gelockt  haben,  mit  dem  sie 
heute  noch  gerade  so  wie  damals  jeden  umstrickt,  der  ihr  empfänglichen  Sinnes 
naht.  Fühlen  wir  uns  der  „madre  terra  d'Italia"  dafür  zu  ehrfürchtigem  Dank  ver- 
pflichtet, daß  wir  ihr  den  Grundstock  all  unserer  Geisteshabe  schulden,  so  ist  für 
uns  Paris  die  Stätte,  wo  wir  Kultur  und  Zivilisation  der  Gegenwart  am  augen- 
fälligsten, eindringlichsten  und  überwältigendsten  verkörpert  finden,  im  guten  wie 
im  schlimmen. 

Unter  Pettenkofens  gleichaltrigen  Freunden  mag  es  den  einen  oder  andern  ge- 
geben haben,  der  den  Pariser  Boden  kannte  und  ihn  ihm  verlockend  genug  zu 
schildern  gewußt  haben  wird.  Von  Heinrich  Porges,  an  den  er  am  4.  März  1858 
Karl  V.  Kratzer  in  Paris  von  Wien  aus  Grüße  aufträgt  und  bei  dem  er  noch  im 
Winter  1871-72  in  Paris,  40  rue  d'Anjou,  wohnt,  weiß  man  es.')  Auch  der  eben 
genannte  Kratzer,  ein  wohlhabender  Dilettant,  dessen  Anhänglichkeit  und  Ergeben- 
heit sich  Pettenkofen  gerne  gefallen  ließ  und  mit  dem  ihn  lebemännische  Interessen 
verknüpften,  kann  jenem  Bekanntenkreis  angehört  haben.") 

Anderseits  gab  es,  wie  schon  erwähnt,  genug,  was  ihm  damals  die  Heimat  zu 
verleiden  geeignet  war.  Aus  der  Erkenntnis  heraus,  daß  er  zum  Maler  geboren 
sei,  wollte  er  von  der  Brotarbeit  der  Lithographie,  die  überdies  am  Ende  ihrer 
Entwicklungsfähigkeit  angelangt  zu  sein  schien,  loskommen.  Der  Vater  der  Ge- 
liebten hatte  seine  Werbung  um  deren  Hand   ausgeschlagen.    Durch   das,    was  er 


101 


in  Paris  zu  lernen,  durch  die  Anerkennung,  die  er  dort  zu  finden  gedachte,  hoffte 
er,  daheim  den  Kampf  um  die  Geliebte  mit  größerer  Aussicht  auf  Erfolg  wieder 
aufnehmen  zu  können.  Schließlich  war  in  Wien,  in  Österreich  längst  wieder  die 
Reaktion  mächtig  geworden.  Unter  dem  Eindruck  von  des  Prinzen  Louis  Napoleon 
Staatsstreich  am  2.  Dezember  1851  hatte  der  Kaiser  die  Verfassung,  die  „Mistver- 
fassung", wie  sie  Fürst  Schwarzenberg  kurz  und  bündig  nannte,  durch  das  Patent 
vom  31.  Dezember  desselben  Jahres  wieder  aufgehoben.  Die  Reformen  auf  dem 
Gebiet  der  Kunstpflege  waren  einer  Richtung  förderlich,  die  nicht  die  Pettenkofens 
war.  Einer  mündlichen  Mitteilung  zufolge, ')  die  leider  auf  ihre  Richtigkeit  hin  nicht 
mehr  zu  überprüfen  ist,^)  war  es  aber  des  damaligen  Unterrichtsministers  Grafen 
Leo  Thun  Bruder,  Graf  Franz  Thun,  der  Pettenkofen  durch  ein  Stipendium  die 
Mittel  zur  Reise  nach  Paris  an  die  Hand  gab.  Dies  wäre  immerhin  merkwürdig, 
da  bekanntlich  die  beiden  Grafen  Thun  Gönner  der  Führich-Schule  waren. 

Dem  Süddeutschen  hat  Paris  wohl  mehr  zu  bieten  als  dem  Fremdling  aus  dem 
deutschen  Norden,  und  Wien,  auf  dessen  Deutschtum  die  nationalen  Züge  von 
Slawen,  Magyaren  und  Italienern  schmeidigend  eingewirkt  haben,  ist  Paris  ent- 
schieden wesensverwandter  als  etwa  Berlin.  Dazu  kommt  seit  dem  Ende  des 
XVIII.  Jahrhunderts  die  politische  Verbindung  Frankreichs  und  Österreichs  —  es 
seien  nur  die  Namen  der  beiden  habsburgischen  Kaisertöchter  Marie  Antoinette  und 
Maria  Louise  genannt,  die  mit  französischen  Herrschern  vermählt  waren.  Diese  Ver- 
bindungen hatten  immerhin  eine  gewisse  Verringerung  der  Distanz  zwischen  den 
beiden  Kapitalen  zur  Folge  gehabt.  So  darf  vielleicht  im  Hinblick  auf  das  alles 
gesagt  werden,  daß  es  auch  der  Wiener  in  Pettenkofen  war,  den  eine  besondere 
Sehnsucht  nach  Paris  erfüllte,  der  ein  besonderes  Verständnis  für  Pariser  Eigen- 
art nach  Paris  mitbrachte. 

Daß  Künstler  nach  Paris  gepilgert  sind,  um  dort  zu  lernen,  wird  häufiger  wohl  erst 
seit  den  Tagen  des  ersten  Kaiserreiches,  als  dank  der  machtvollen  Persönlichkeit  Louis 
Davids  der  Klassizismus  zur  offiziellen  Kunst  wurde,  der  Fall  gewesen  sein.  Von 
Wiener  Künstlern  war  Kraflft  ein  Schüler  Davids,  und  noch  Rahl  wird  in  Paris  mehr 
von  David  als  von  Delacroix  gelernt  haben.  Pettenkofen  aber,  der  als  Lithograph  in 
Raffet  und  Gavarni  Vorbilder  erblickt  hatte,  ist  natürlich  weder  wegen  Davids, 
noch  wegen  Delacroix'  nach  Paris  gereist.  Was  ihn  an  die  Seine  zog,  waren  die 
Pariser  Sitten-  und  Landschaftsmaler,  um  die  er  nicht  bloß  durch  Zeitungsberichte 
und  mündliche  Mitteilungen  wußte,  sondern  auch  durch  das  eine  oder  andere  Bild 
von  ihnen,  das  sich  nach  Wien  verirrt  haben  muß. 

Pettenkofen  ist,  wie  noch  ausführlich  begründet  werden  soll,  im  Jahre  1852, 
vermutlich  schon  im  Frühling  nach  Paris  gekommen.  Einer  seiner  ersten  Gänge 
wird  ihn  sicherlich  in  den  „Salon"  geführt  haben.  Die  Ausstellung  war  am 
1.  April  eröffnet  worden  und  fand  im  Palais  Royal  statt.  Es  war,  wie  der 
offizielle  Titel  lautet,  die  „Soixante-quinzieme  Exposition  des  ouvrages  des  Ar- 
tistes  vivants".  Im  Vorjahr,  dem  Jahre  des  Staatsstreiches,  hatte  keine  Ausstellung 
stattgefunden.  Von  bedeutenderen  Malern  hatten  ausgestellt:  Chasseriau,  Cogniet, 
Corot,  Courbet,  Couture,  Daubigny,  Dupre,  Flandrin,  Gerome,  Meissonier,  Raffet, 
Rousseau. 


102 


Rastende  Zigeuner.  Ölbild.    1857. 


Amsterdam,  Museum  Podor. 


Über  diejenigen  dieser  Künstler,  die  Pettenkofen  besonders  interessieren  mußten, 
sei  ein  Wort  gesagt:  Daubigny  hatte  schon  1848  eine  Medaille  zweiter  Klasse  er- 
halten und  hatte  zwei  Bilder  ausgestellt:  „Moisson"  und  „Vue  prise  sur  les  bords 
de  la  Seine".  Jules  Dupre  (es  hatten  auch  Gustave  und  Leon- Victore  ausgestellt), 
bereits  1833  mit  einer  Medaille  zweiter  Klasse  ausgezeichnet,  war  schon  1849 
Ritter  der  Ehrenlegion  geworden.  Von  Meissonier  waren  drei  Bilder  zu  sehen: 
„Homme  choisissant  son  epee",  „Jeune  homme  travaillant"  und  „Bravi".  Bereits 
1840  hatte  er  die  Medaille  dritter,  1841  die  zweiter  und  1843  und  1848  die  erster 
Klasse  erhalten,  1846  war  er  Ritter  der  Ehrenlegion  geworden.  Im  Katalog  steht 
hinter  Dupres  und  seinem  Namen  die  bedeutsame  Silbe  „ex",  d.  h.,  daß  beider 
Arbeiten  ohne  Prüfung  aufgenommen  waren.  Rousseau  hatte  zwei  Bilder  ausge- 
stellt: „Paysage;  effet  du  soleil"  und  „Paysage  apres  la  pluie;  groupe  de  ebenes 
dans  la  lande".  Rousseau  wurde  auf  Grund  dieser  beiden  Bilder  Ritter  der  Ehren- 
legion. In  der  „Jury  des  Recompenses"  für  den  Salon  vom  Jahre  1850  befanden  sich 
unter  anderen  Decamps  und  Delacroix,  die  beide  aber  1852  nicht  ausstellten. 

Da  Pettenkofen  erst  im  Mai  1853  Paris  verläßt,  so  hat  er  natürlich  auch  den 
Salon  dieses  Jahres,  der  „aux  Menus-Plaisirs"  aufgetan  war,  kennen  gelernt.  Von 
den  Ausstellern  seien  vor  allem  diejenigen  angeführt,  die  bisher  noch  nicht  ge- 
nannt wurden  und  für  die  Pettenkofen  naturgemäß  ein  besonderes  Interesse  haben 
mußte.  Tabellarisch  aufgezählt,  sind  es  folgende: 

Millet.  Von  ihm  waren  drei  Bilder  zu  sehen:  „Moissonneurs",  „Un  berger;  effet 
du  soir",  „Une  tondeuse  de  moutons".  —  Troyon.  Er  hatte  drei  Sujets  aus  der 
Normandie  ausgestellt:  „Vallee  de  la  Touque",  „L'abreuvoir",  „Chemin  creux". 
Schon  1838  hatte  er  eine  Medaille  dritter,  1840  eine  zweiter,   1846  und  1848  eine 


103 


Medaille  erster  Klasse  erhalten,  1859  war  er  Ritter  der  Ehrenlegion  geworden. 
Hinter  seinem  Namen  steht  „ex".  —  Der  Belgier  Willems.  Es  waren  drei  Bilder  von 
ihm  vorhanden:  „Vente  publique  de  tableaux,  ä  Anvers  en  1660",  „La  veuve", 
„Le  peintre  dans  son  atelier".  Er  wurde  dafür  Ritter  der  Ehrenlegion.  Schon  1844 
hatte  er  eine  Medaille  dritter,  1846  eine  zweiter  Klasse  erhalten,  beide  Male  für 
Genrebilder.  —  Sonst  waren  auf  dieser  Ausstellung  noch  vertreten:  Der  alte  Beilange, 
Rosa  Bonheur,  bereits  1848  mit  einer  Medaille  erster  Klasse  prämiiert,  der  Schüler 

V 

Gallaits,  Jaroslaw  Cermak,  ein  Prager,  mit  dem  Pettenkofen  nachmals  bekannt 
wurde,  Chintreuil,  Corot,  Courbet,  Daubigny,  Delacroix,  Fromentin,  Gallait  (mit 
den  „Letzten  Augenblicken  des  Grafen  Egmont"),  Harpignies,  der  Hamburger 
Heilbuth,  mit  dem  Pettenkofen  nachher  verkehrte,  Huet,  Knaus,  der  interessanter- 
weise für  zwei  Genrebilder,  die  er  zu  dieser  Ausstellung  eingesandt  hatte,  dieselbe 
Auszeichnung,  eine  Medaille  zweiter  Klasse,  erhielt  wie  Millet;  Meissonier,  Rousseau 
und  Stevens.  Dieser  mit  folgenden  Bildern:  „Le  matin  du  mercredi  des  Cendres", 
„Des  bourgeois  et  de  manants  trouvent,  au  point  du  jour,  le  corps  d'un  seigneur 
de  la  cour  assassine  par  les  guisards",  „Decouragement".  Er  erhielt  für  diese 
Arbeiten  eine  Medaille  dritter  Klasse  —  im  Vorjahre  hatte  sein  älterer  Bruder  Joseph 
für  ein  Tierstück  eine  Medaille  zweiter  Klasse  erhalten. 

Decamps  hatte  auch  1853  nicht  ausgestellt.  Auf  der  Ausstellung  im  Jahre  1850 
aber  waren  von  ihm  nicht  weniger  als  zehn  Bilder  zu  sehen  gewesen,  auf  Grund 
deren  er  1851  (übrigens  zugleich  mit  Diaz)  Offizier  der  Ehrenlegion  geworden 
war.  Ritter  der  Ehrenlegion  und  durch  das  „ex"  ausgezeichnet  war  er  schon  im 
Jahre  1850.  Er  sei  hier  darum  besonders  erwähnt,  weil  er,  wie  noch  gezeigt 
werden  soll,  auf  Pettenkofen  Einfluß  genommen  hat. 

Die  aufgezählten  Namen  allein  geben  schon  ungefähr  ein  Bild  von  dem,  was 
Pettenkofen  während  seines  ersten  Pariser  Aufenthaltes  von  französischer  Malerei 
kennen  lernen  konnte.  Die  den  Namen  angefügten  Auszeichnungen,  auch  in  Paris 
wohl  kaum  verläßlichere  Kriterien  als  anderswo,  sind  aber  immerhin  geeignet, 
über  das  Ansehen  zu  orientieren,  in  dem  die  einzelnen  Meister  standen. 

Der  Eindruck,  den  der  junge  Wiener  in  den  beiden  „Salons"  empfieng,  mag 
stark  genug  gewesen  sein.  Hier  sah  er  wohl  das  verwirklicht,  was  ihm  selbst 
schon  lange  als  Ideal  vorgeschwebt  haben  wird.  Die  Genrebilder  seiner  Lands- 
leute mochten  ihm  da  recht  schablonenmäßig,  manieriert  und  unwahr  vorkommen. 
Bei  den  Franzosen  fand  er  höchste  Naturtreue,  auserlesenen  persönlichen  Ge- 
schmack, lebhaftes,  aufs  feinste  abgestuftes  Kolorit,  großen  Stil  auch  bei  kleinem 
Format,  vor  allem  aber  kühne,  breite,  lockere  Pinselführung  —  nirgends  Kon- 
vention, außer  kraftvoller  Künstlerschaft  nur  wenig  allgemeines  Schulgut,  dafür 
Freiheit  und  eine  ganze  Menge  stärkster  Individualitäten. 

Anziehend  und  erfreulich  ist  es  nun  zu  sehen,  wie  sich  Pettenkofen  all  den 
neuen  Eindrücken  gegenüber  verhält.  Keinesfalls  —  das  sei  gleich  vorwegge- 
nommen —  verliert  er  sich  selbst,  wird  er  jemandes  Nachahmer.  Er  nimmt  An- 
regungen auf,  vermag  sie  aber  auch  zu  verarbeiten.  — 

Über  einiges  Tatsächliche  von  Pettenkofens  erstem  Pariser  Aufenthalt  sind  wir 
durch  Alfred    de   Lostalot,')    der    offensichtlich    auf  Mitteilungen    aus   Maler-    und 


104 


TAFEL  XXn 
ZIGEUNERHÜTTE  IM  WALDE.  ÖLBILD.  1857.  WIEN,  LUDWIG  LOBMEYR. 


TAFEL  XXIII 

UNGARISCHER  BAUERNHOF  MIT  BÄUMEN  UND  STROHSCHOBERN.  ÖL- 
BILD. WIEN,  LUDWIG  LOBMEYR. 


f 


Ochsengespann.  Aquarell.   1857. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


Kunsthändlerkreisen  fußt,  ziemlich  gut  unterrichtet. 

Pettenkofen  soll  in  Paris  zwei  Bilder  zu  Ende  gemalt  haben,  die  er  angefangen 
aus  Wien  mitgebracht  hatte:  „Soldaten,  die  an  der  Tür  eines  Bauernhauses  auf 
einen  Spion  lauern"  und  „Räuber,  die  im  Kornfeld  ihre  Beute  teilen".  Das  erstere 
Bild  könnte  nur  eine  seither  verschollene  Wiederaufnahme  des  von  Pettenkofen 
schon  1846  in  dem  Bilde  „Die  Horcher",  das  Franz  Xaver  Mayer  in  Wien  gehört, 
behandelten  Themas  sein,  wahrscheinlich  aber  ist  damit  irrigerweise  das  bereits 
erwähnte")  Bild  „The  Surprise"  in  der  Wallace  CoUection  gemeint,  das  aber  nicht 
von  Pettenkofens  Hand  ist. 

Als  Pettenkofen  das  zweite  Bild  „Die  Räuber",  das  er  auf  Bestellung  eines 
Wiener  Kunstfreundes  gemalt  hatte,  eben  verpacken  wollte,  sah  es  zufällig  der 
Pariser  Händler  Van  Cuyck.  Diesem  gefiel  es  dermaßen,  daß  er  es  durchaus 
kaufen  wollte  und  einen  hohen  Preis  dafür  bot.  Da  Pettenkofen  aber  nicht  mehr 
darüber  verfügen  konnte,  gab  ihm  Van  Cuyck  sofort  zwei  andere  Bilder  in  Auf- 
trag:  „Nach  dem  Duell"  und  „Ungarische  Freiwillige". 

Die  „Räuber  im  Kornfeld"  wurden  später  von  Sir  Richard  Wallace  erworben 
und  befinden  sich  noch  heute  in  der  Wallace  CoUection  in  London. 

Die  „Scene  aprös  un  duel"  gieng  aus  dem  Besitz  Van  Cuycks  über  A.  Willet  an 
das  Museum  Fodor  in  Amsterdam  über.  Die  „Ungarischen  Freiwilligen"  verkaufte 
Van  Cuyck  an  den  Sammler  Rone.  Als  dessen  Eigentum  waren  sie  noch  im  Jahre 
ihres  Entstehens,  also  1853,  im  „Cercle  de  1' Union  artistique"  öffentlich  zu  sehen. 
Diese  Ausstellung  hat  Pettenkofens  Ruf  in  Paris  begründet.  Van  Cuyck  kaufte  aber 
die  „Ungarischen  Freiwilligen"  bald  wieder  zurück  und  hielt  sein  Wort,  sich  bis 
zu  seinem  Tode  nicht  mehr  von  ihnen  zu  trennen.   Erst  seine  Erben  veräußerten 


105 


14 


sie  und  auch  diese  erst  nach  den  Kriegsereignissen  vom  Jahre  1871,  und  zwar  nach 
London.  Von  London  ist  das  Bild  über  Paris  nach  Wien  gekommen.  Hier  aber 
wird  Lostalots  Bericht  unklar  und  falsch.  Denn  im  Gegensatz  zu  dem,  was  er 
sagt,  kam  das  Bild  auf  der  Auktion  Gsell  nicht  vor.  Wohl  aber  wurde  es  gleich- 
zeitig, nämlich  am  5.  April  1872,  von  dem  Pariser  Kunsthändler  Everard  in  der 
Gartenbaugesellschaft  zu  Wien  versteigert  und  um  16.350  fl.  von  Sedelmeyer,  der 
es  zu  Beginn  des  Jahres  erworben  und  sofort  an  Everard  weitergegeben  hatte, 
zurückgekauft.  Als  sein  Eigentum  war  das  Bild  1873  auf  der  W^iener  Weltaus- 
stellung zu  sehen.  1879  verkaufte  er  es  dann  um  50.000  Francs  an  Mr.  Cornelius 
Vanderbilt  in  New  York,  dessen  Sohn  es  heute  noch  gehört.') 

An  den  „Ungarischen  Freiwilligen"  vom  Jahre  1853  nun  und  der  1851  in  Wien 
entstandenen  Fassung  des  „Verwundetentransportes"  glaubt  Lostalot  die  große 
Wandlung,  die  die  Kenntnis  der  Pariser  Malerei  in  Pettenkofens  Stil  hervorgerufen 
hat,  nachweisen  zu  können. 

Die  beiden  Bilder  „Räuber  im  Kornfeld"  und  „Nach  dem  Duell"  verraten  schon 
als  Kostümstücke  den  französischen  Einfluß.  Freilich  muß  hier  sogleich  angemerkt 
werden,  daß  das  Aquarell  „Landsknecht  im  Kornfeld",  auch  ein  Kostümstück, 
schon  1851,  also  noch  in  Wien  gemalt  worden  ist. 

Die  „Räuber  im  Kornfeld"  sind  farbiger,  die  Duellszene  ist  toniger  gemalt.  Die 
„Räuber"  erinnern  mehr  an  Meissonier  und  Willems,  bei  der  Duellszene  muß 
man,  was  die  weichere  Malweise  betrifft,  eher  an  Stevens  denken.  Für  die  Wahl 
der  Themen  aber  werden  Meissonier,  Willems  und  Stevens  gleichermaßen  vor- 
bildlich gewesen  sein.  Der  letztere  hatte  sich  damals,  wie  seine  obengenannten 
Bilder  bezeugen,  noch  nicht  völlig  selbst  gefunden.  Er  suchte  noch  seine  Vorwürfe 
in  der  Vergangenheit,  die  moderne  Frau  inmitten  ihres  Milieus  war  noch  nicht 
das  Hauptthema  seines  delikaten  Pinsels  geworden. 

Das  Kostüm  als  solches  war  Pettenkofen  ja  nicht  fremd.  Schon  im  „Erzherzog 
Carl"  hatte  er  ein  Stück  freilich  nicht  allzu  ferner  Vergangenheit  darstellen  müssen. 
Seine  Wiener  Kollegen  hatten  ihre  Helden  gelegentlich  ja  auch  in  alte  Trachten 
gesteckt.  Diese  waren  dann  aber  meist  recht  phantastisch,  wenn  nicht  gar  theatra- 
lisch ausgefallen.  Von  diesem  Beigeschmack  sind  nicht  einmal  die  Arbeiten  von 
Johann  Nepomuk  Geiger  und  Leander  Ruß  völlig  frei,  und  Fendis  im  Auftrag  der 
Erzherzogin  Sophie  gemalte  Aquarelle  z.  B.,  die  Schillerische  Gedichte  illustrieren, 
wirken  geradezu  ein  bißchen  komisch.  Mittlerweile  war  durch  die  belgischen  Histo- 
rienmaler eine  ganz  andere  Kostümtreue  eingeführt  worden.  In  München  gieng 
sie  von  dem  alten  Kaulbach  auf  Piloty  über,  Meissonier  in  Paris  und  Menzel  in 
Berlin  betrieben  aber,  man  möchte  sagen  auf  wissenschaftliche  Weise,  kostümge- 
schichtliche Studien  und  schufen  so,  ein  jeder  von  den  beiden  als  der  ausgezeichnete 
Künstler,  der  er  war,  Werke  von  einer  realistischen  Treue,  wie  sie  bis  dahin  bei 
Historienbildern  und  historischen  Genrebildern  noch  nicht  dagewesen  war. 

Von  einer  solchen  Kostümechtheit  nun  sind  die  drei  genannten  Bilder  Petten- 
kofens noch  weit  entfernt.  Er  wendet  sich  auch,  was  für  seine  Entwicklung  von 
der  allergrößten  Bedeutung  ist,  sofort  wieder  jenen  Motiven  zu,  die  ihm  die  Be- 
achtung  auch   der  Franzosen    eingetragen  hatten:  denjenigen,    die  er  sich  aus  der 


106 


TAFEL  XXIV 

PFERDE  VORM  STROHSCHOBER.  ÖLBILD.    1858.   WIEN,  FRANZ  XAVER 

MAYER. 


MIITOillllli^^  f 


I 


Totes  Pferd.   Aquarell.  (1857?,) 


Wien,  Eugen  Miller  von  Aichholz. 


ungarischen  Tiefebene  holen  mußte.  Auch  die  Technik  des  Aquarells,  die  in  Frank- 
reich verhältnismäßig  nur  wenig  geübt  wurde,  pflegte  Pettenkofen  mindestens  in 
den  fünfziger  Jahren  fleißig  weiter. 

In  der  Klein-  und  Feinmalerei  Meissoniers  hat  er  sicherlich  etwas  Verwandtes 
erblickt.  An  Geschmack  durfte  er  sich  wohl  mit  ihm  messen,  im  Naturalismus 
auch  des  Kolorits  aber  konnte  ihm  der  Franzose  als  Vorbild  dienen.  Noch  eifriger 
aber  gieng  er  bei  den  Meistern  des  „Paysage  intime",  den  Männern  von  Barbizon, 
in  die  Schule,  besonders  bei  Rousseau,  Dupre,  Daubigny  und  Troyon.  Für  Corots 
Silberton  hat  ihm  sicher  nicht  das  Verständnis  gefehlt,  doch  wird  ihm  Corot  alles  in 
allem  zu  wenig  körperhaft  und  zu  romantisch  gewesen  sein.  Diaz  hat  ihn  wohl 
hauptsächlich  als  Landschafter  interessiert.  Troyon  aber  war  für  ihn  nicht  bloß  als 
Landschafter,  sondern  auch  als  Tiermaler  wichtig.  Besonders  aber  wird  ihm  eine 
Eigenschaft  des  Künstlers,  die  die  Zeitgenossen  oft  gerügt  haben,  nämlich  die  Skizzen- 
haftigkeit  oder  besser  gesagt:  die  nicht  zu  weit  getriebene  Vollendung  seiner  Bilder 
angezogen  haben.  Die  besten  Arbeiten  Pettenkofens  aus  allen  Zeiten  seines  Schaffens 
weisen  diese  Eigenschaft  gleichfalls  auf,  aber  erst  von  den  siebziger  Jahren  an 
scheint  er  sich  ihres  Wertes  voll  bewußt  zu  werden.  Ein  Beweis  der  Hochschätzung, 
die  Pettenkofen  Troyon  zollte,  liegt  darin,  daß  er  seinem  Wiener  Mäzen  Friedrich 
Gsell,  von  dem  noch  zu  handeln  sein  wird,  wiederholt  empfahl,  Bilder  des  franzö- 
sischen Meisters  zu  kaufen. 

Bei  seinem  ersten  Aufenthalt  in  Paris  machte  Pettenkofen  die  persönliche  Be- 
kanntschaft des  Brüsseler  Malers  Alfred  Stevens.  Pettenkofen  soll  den  um  sechs 
Jahre  jüngeren  Künstler  schon  lange  in  dessen  Atelier  besucht  haben,  bevor  dieser 
erfuhr,    daß    der  Österreicher,    der   sich   ebenso   bescheiden   wie  angelegentlich  für 


107 


M* 


seine  Malerei  interessierte,  den  er  für  einen  Amateur  gehalten  hatte,  selbst  Maler 
war/)  Stevens  scheint  der  erste  jener  Maler  gewesen  zu  sein,  mit  denen  Petten- 
kofen  im  Laufe  der  Zeit  in  Paris  näher  bekannt  wurde.  Als  Zeugen  dieser  Freund- 
schaft fanden  sich  in  Pettenkofens  Nachlaß  folgende  drei  Photographien:  Eine  nach 
Stevens  Bilde,  das  drei  trauernde  Damen  darstellt  und  von  1857  datiert  ist;  sie 
trägt  die  handschriftliche  Widmung:  „ä  mon  ami  Pettenkofen  Alfred  Stevens." 
Eine  andere,  abermals  nach  einem  Bilde  des  Brüsselers,  dessen  Vorwurf  ein 
Mädchen  ist,  das  vom  Schreiben  aufgeschreckt  wird.  Die  Widmung  dieses  Blattes 
von  dem  Photographen  Richebourg  an  den  Maler  ist  vom  Jahre  1861  datiert.  Auch 
diese  Photographie  trägt  von  Stevens'  Hand  die  Worte:  „A  mon  ami  Pettenkofen." 
Eine  dritte  Photographie  zeigt  Stevens'  Atelier  mit  ihm  selbst  und  seiner  Frau, 
eine  vierte  endlich,  die  wieder  mit  einer  handschriftlichen  Widmung  versehen  ist, 
stellt  Stevens  allein  dar. 

Alfred  Stevens,  dessen  künstlerischer  Höhepunkt  in  die  sechziger  Jahre  fällt  und 
der  neben  Meissonier  als  der  gefeiertste  Interieur-  und  Sittenmaler  jener  Epoche 
gelten  kann,  steht  dem  modernen  Empfinden  schon  darum  näher  als  Meissonier, 
weil  er  seine  Figuren  nicht  wie  dieser  mit  dem  Kostüm  vergangener  Zeiten  dra- 
piert, sondern  weil  er  nicht  weniger  treu  als  geschmackvoll  die  Pariserinnen  des 
zweiten  Kaiserreiches  schildert.  Im  Februar  des  Jahres  1900  waren  zu  Paris  in  der 
Ecole  des  Beaux-Arts  fast  zweihundert  seiner  Bilder  ausgestellt  und  riefen  geradezu 
„einen  Rausch  des  Entzückens"  hervor.")  Vor  Stevens'  Bildern  begreift  man  es, 
daß  er  ein  Verehrer  der  japanischen  Kunst  war.  Es  besteht  eine  offenkundige 
Wesensverwandtschaft  zwischen  ihnen  und  den  ebenso  duftigen  wie  preziösen 
Kunstwerken  der  Japaner.  Pettenkofens  malerischer  Geschmack  wird  sich  unzweifel- 
haft an  Stevens'  Bildern  geschult  haben. 

Auch  mit  Willems  war  Pettenkofen  befreundet,  vermutlich  durch  Vermittlung 
von  Stevens.  In  Pettenkofens  Nachlaß  fanden  sich  zwei  Photographien  des  Künstlers 
selbst,  deren  eine  die  handschriftliche  Widmung:  „A  mon  ami  Pettenkofen 
F.  Willems"  trägt,  dann  eine  mit  einer  ähnlichen  Widmung  versehene  Photo- 
graphie nach  Willems'  Gemälde,  das  eine  Witwe  vor  dem  Bilde  ihres  Gemahls 
darstellt  und  wohl  mit  dem  Bilde  „La  veuve"  identisch  ist,  das  der  Künstler  im 
Salon  des  Jahres  1853  ausgestellt  hatte,  und  endlich  eine  Ölskizze  von  Willems, 
die  ein  kleines  Mädchen  wiedergibt  und  rechts  unten  eingeritzt  die  Worte  zeigt: 
„Souvenir  Florent  Willems,  Paris." 

In  einem  Wiener  Brief  vom  4.  März  1858  an  Karl  v.  Kratzer  in  Paris  gibt 
Pettenkofen  an  Willems  und  Stevens  Grüße  auf  und  bittet  um  die  Besorgung  von 
acht  Fuß  grundierter,  unaufgespannter  „feiner  Leinwand  für  Bilder  mit  kleinen 
Figuren,  ungefähr  wie  sie  Willems  benützt". 

Meissoniers  Bekanntschaft  wird  Pettenkofen  höchst  wahrscheinlich  noch  nicht  bei 
seinem  ersten  Pariser  Aufenthalt,  sondern  erst  in  späteren  Jahren  gemacht  haben. 
Auch  nach  sieben  Bildern  Meissoniers  enthielt  Pettenkofens  Nachlaß  Photographien, 
dreien  von  ihnen  („Un  Cavalier",  „Une  Chanson",  „Les  joueurs  de  cartes")  ist  der 
Faksimilestempel  des  Künstlers  aufgedruckt.  Außerdem  stammt  aus  Pettenkofens 
Besitz  eine   kleine   auf  Holz  gemalte  Kostümstudie  Meissoniers   mit  dessen  eigen- 


108 


händiger  Widmung:  „ä  mon 
ami  Pettenkofen  EMeissonier." 
Dieses  Bildchen  ist  erst  un- 
längst wieder  im  Wiener  Kunst- 
handel aufgetaucht.") 

Ein  Künstler  dagegen,  des- 
sen Bekanntschaft  Pettenkofen, 
wenn  er  ihn  nicht  etwa  schon 
vorher  in  Ungarn  kennen  ge- 
lernt hatte,  aller  Wahrschein- 
lichkeit nach  noch  während 
seines  ersten  Aufenthaltes  in 
Paris  machte,  ist  der  schon 
erwähnte  Theodore  Valerio. 
Wenigstens  findet  sich  dessen 
Adresse  (Rue  de  Luxembourg 
22)  bereits  an  dreizehnter  Stelle 
des  Adreßverzeichnisses  in 
einem  Notizbuch  Pettenkofens, 
dessen  früheste  Eintragung  vom 
20.  Mai  1853  datiert  ist. 

Von  anderen  französischen 
Künstlern,  mit  denen  Petten- 
kofen näher  bekannt  gewesen 
sein  muß,  seien  Gerome,  der 
seinerzeit  so  beliebte  Maler  an- 
tiker Stoffe,  und  Flameng,  na- 
türlich der  ältere,  der  auch 
radierte,  und  der  ausgezeichnete 
Porträtist  Ricard  genannt.  Pet- 
tenkofens Nachlaß  enthält  eine 
Photographie     Geromes     und 

nicht  weniger  als  fünf  Photographien  nach  Bildern  desselben.  Der  Bildhauer 
Gustave  Deloye,  mit  dem  Pettenkofen  gleichfalls  in  Paris,  aber  erst  in  den  acht- 
ziger Jahren  verkehrt  haben  muß,  sei  darum  hier  angeführt,  weil  er  lange  in  Wien 
lebte,  wo  er  zuerst  für  den  Silberschmied  Klinkosch  und  dann  für  den  Fürsten 
Liechtenstein,  der  ihm  sogar  ein  Atelier  eingeräumt  hatte,  arbeitete.  Von  Deloye 
rührt  übrigens  auch  das  Porträtmedaillon  auf  dem  Grabstein  Friedrich  Gsells  her, 
des  bereits  erwähnten  Wiener  Kaufmannes  und  Kunstfreundes,  dessen  großartige 
Bildersammlung  auch  besonders  viele  Arbeiten  Pettenkofens  enthielt. 

Natürlich  kannte  Pettenkofen  auch  alle  namhaften  österreichischen  Künstler,  die 
während  der  einunddreißig  Jahre,  in  denen  er  Paris  immer  wieder  aufsuchte,  dort 
arbeiteten.  Der  älteste  von  diesen  war  Otto  v.  Thoren,  von  dem  übrigens,  ebenso 
wie  von  dem  Schüler  Gallaits,  dem  Prager  Jaroslav  Cermak,  schon  die  Rede  war. 


Wallachischer  Fleischer.   Aquarell. 
Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


109 


Mit  dem  Kunsthändler  Karl  Sedelmeyer,  einem  geborenen  Wiener,  der  ursprünglich 
bei  dem  schon  genannten  Georg  Plach  angestellt  gewesen  war,  1857  das  erste  Mal 
nach  Paris  gekommen,  aber  erst  1868  dauernd  dorthin  übersiedelt  ist,  hängen  die 
folgenden  österreichischen  Maler  zusammen :  Eugen  Jettel,  der  Pettenkofen,  wie  wir 
noch  sehen  werden,  besonders  nahe  gestanden  ist,  Mihäly  Munkäcsy  und  Vaclav 
Brozik.  Dem  Kreise  Thorens  und  Jetteis  gehörte  auch  noch  Rudolf  Ribarz  an,  mit 
dem  Pettenkofen  ebenfalls  in  Paris  verkehrte.  Alle  diese  Bekanntschaften  datieren 
aber  erst  aus  den  siebziger  und  achtziger  Jahren.  Zum  Schlüsse  sei  noch  ein  Öster- 
reicher genannt,  der  lange  in  Paris  tätig  war  und  dessen  Pariser  Adresse  sich 
Pettenkofen  in  den  siebziger  Jahren  zweimal  notiert,  der  kürzlich  in  Florenz  ver- 
storbene Bildhauer  S.  Beer. 

Schon  Stevens  und  Willems,  die  füglich  zuerst  aufgezählt  werden  mußten, 
waren  keine  Franzosen.  Andere  ausländische,  und  zwar  deutsche  Künstler 
aus  Pettenkofens  Bekanntenkreis  in  Paris  sind:  der  Frankfurter  Schreyer,  den 
Pettenkofen  wohl  durch  Schmitson  kennen  gelernt  haben  wird,  und  der  Ham- 
burger Heilbuth. 

Weder  unter  den  oben  angeführten  malenden  Landsleuten  Pettenkofens,  noch 
unter  den  zuletzt  genannten  deutschen  Malern,  mit  denen  er  in  Paris  zusammen- 
traf, findet  sich  jemand,  von  dem  behauptet  werden  könnte,  daß  er  ihn  künstlerisch 
beeinflußt  hätte.  Dagegen  mag  er  dem  Spanier  Mariano  Fortuny,  mit  dem  er 
übrigens  nicht  nur  in  Paris,  sondern  auch  in  Rom  verkehrte,  die  eine  oder  andere 
Anregung  verdanken;  sicher  aber  hat  die  beiden  Künstler  ein  verwandtes  Streben 
miteinander  verbunden.  Daß  Pettenkofen  überdies  mit  Fortuny  und  dessen  Familie 
befreundet  war,  beweisen  folgende  Photographien  in  seinem  Nachlaß:  Porträtauf- 
nahmen Fortunys  selbst,  seiner  Frau,  einmal  mit  zwei  Kindern,  dann  bloß  mit  dem 
kleineren  und  nicht  weniger  als  zehn  Photographien  nach  Gemälden  Fortunys.  Am 
20.  Jänner  1875  verzeichnet  Pettenkofen  in  seinem  Tagebuch  den  Besuch  der  Aus- 
stellung von  Werken  Fortunys,  die  in  Paris  zum  Gedächtnis  des  im  vergangenen 
Herbst  verstorbenen  Künstlers  stattgefunden  hatte. 

Interessant  ist  Pettenkofens  Bekanntschaft  mit  einem  andern  in  Paris  lebenden 
ausländischen  Maler,  dem  begabten  frühverstorbenen  Neapolitaner  Joseph  de  Nittis, 
der  ein  hübsches  Büchlein  „Notes  et  Souvenirs",")  hinterlassen  hat  und  über  den 
ein  Faden  von  Pettenkofen  zu  Man  et  läuft.  Bei  seinem  Freunde  de  Nittis  zu  Gaste, 
malte  nämlich  Manet  in  dessen  Garten  kurz  vor  der  Kriegserklärung  im  Jahre  1870 
sein  berühmtes  Bild  „Le  j ardin". 

De  Nittis  spricht  in  seinen  Erinnerungen  von  dem  talentvollen  jungverstorbenen 
spanischen  Maler  Zamacois,  der  ein  Schüler  Meissoniers  war  und  dem  „cercle 
Vibert"  angehörte.  Auch  mit  Vibert,  einem  seinerzeit  stark  überschätzten  Maler 
witziger  Mönchsszenen,  und  Zamacois  muß  Pettenkofen  verkehrt  haben,  desgleichen 
mit  dem  Spanier  Rico,  der  in  der  Art  Fortunys  zu  malen  versuchte  und  ebenfalls 
diesem  Künstlerkreis  zuzuzählen  sein  wird. 

Im  Dezember  des  Jahres  1874  scheint  Pettenkofen  in  Paris  abermals  zu  dem 
Künstlerverein  „Cercle  de  l'union  artistique",  dessen  Wahlspruch:  „L'Art  unit  les 
peuples"  war  und  auf  dessen  Ausstellung  im  Jahre  1853,  wie  schon  erwähnt,  seine 


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» 


► 


TAFEL  XXV 

WANDERNDE  ZIGEUNERFAMILIE.  ÖLBILD.   1858.  WIEN,  FRANZ  XAVER 

MAYER. 


„Ungarischen  Freiwilli- 
gen" seinen  Namen  be- 
kannt gemacht  hatten,  in 
Beziehung  getreten  zu 
sein. 

In  anderen  als  Künstler- 
kreisen scheint  Petten- 
kofen,  der  niemals  das 
Französische  vollkommen 
beherrscht  hat,  nicht  ver- 
kehrt zu  haben.  Von  dem 
originellen  Dr.  Gruby,  von 
dem  z.  B.  erzählt  wird, 
daß  er  einer  Betschwester, 
die  anders  nicht  dazu  zu 
bringen  war,  die  für  ihre 
Gesundheit  notwendige 
Bewegung  zu  machen,  ver- 
ordnete, täglich  dreimal 
um  die  Notre-Dame-Kir- 
che  zu  gehen  und  dabei 
so  und  so  viele  Vaterunser 
zu  beten,  ließ  er  sich  ärzt- 
lich behandeln.  Viele  hiel- 
ten Dr.  Gruby  für  einen 
Charlatan  oder  Narren, 
Pettenkofen  aber  sah  tiefer 
und  hielt  große  Stücke 
von  ihm.  Dürfte  er  durch 
seinen  Freund  Heinrich 
Porges  in  Paris  eingeführt 
worden  sein,  so  war  er  in 
den  letzten  Jahren  mit 
Charles  Sedelmeyer  be- 
freundet.   Er    kannte   ihn 

natürlich  schon  von  Wien  und  Plach  her.  In  den  Jahren  1878  und  1882  hatte  er 
Sedelmeyers  Atelier  in  der  Rue  St.  Lazare  gemietet,  in  dem  später  Sedelmeyers 
Schwiegersohn  Brozik  arbeitete.  1860  hatte  Pettenkofen  ein  Atelier  9,  Rue  de 
Laval.  Unter  dem  Datum  des  11.  Dezember  1874  verzeichnet  er  in  seinem  Tage- 
buch ein  Atelier  in  einer  „Maison  Poissy".  Im  Winter  1871-72  wohnte  er  im  Hotel 
de  Suisse  und  dann  im  Hotel  du  Midi  in  der  Rue  Lafayette,  dazwischen  wie 
schon  gesagt  bei  seinem  Freunde  Heinrich  Porges.  Auch  1872  stieg  er  im  Hotel  du 
Midi  ab;  im  Winter  1874  dagegen  im  Hotel  de  France  in  der  berühmten  Kunst- 
händlerstraße, der  Rue  Laffitte,  im  Winter  1882  im  Hotel  Victoria  in  der  Rue  Lafayette. 


Wandernder  Zigeunerjunge.  Ölbild.   1858. 
Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


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Schlafendes  kleines  Zigeunermädchen.  Aquarell.   185g. 


Budapest,  Baron  Dr.  Adolf  Kohner. 


Schon  die  obige  flüchtige  Aufzählung  der  Künstler,  zu  denen  Pettenkofen  vom 
Jahre  1852  bis  zum  Jahre  1883,  da  er  das  letzte  Mal  nach  Paris  kam,  persönliche 
Beziehungen  hatte,  vermöchte  vielleicht  die  Entwicklung  anzudeuten,  die  während 
dieses  Zeitraumes  die  Pariser  Malerei  nahm.  Als  Pettenkofen  das  erste  Mal  nach 
Paris  kam,  da  stand  die  Schule  von  Barbizon  in  höchster  Blüte  und  schufen  noch 
in  voller  Kraft  Ingres,  Horace  Vernet  und  Delacroix.  1883  aber,  als  Pettenkofen 
zum  letzten  Mal  die  stumpfen  Türme  der  Notre-Dame-Kirche  grüßte,  war  Edouard 
Manet  bereits  drei  Jahre  tot.  Seit  der  Ausstellung  bei  Nadar  im  Jahre  1871  hatte 
der  Impressionismus  Schlacht  um  Schlacht  geschlagen,  und  war  er  1883  auch  noch 
nicht  von  allen  Seiten  anerkannt,  so  stand  er  doch  schon  als  eine  Macht  da,  mit 
der  gerechnet  werden  mußte.  Seit  dem  Beginn  der  sechziger  Jahre  hatten  sich  die 
französischen  Künstler  mit  der  Kunst  Japans  vertraut  gemacht,  und  Pettenkofens 
Freunde  Stevens  und  Fortuny  werden  unter  den  ersten  Sammlern  japanischer 
Kunst  genannt.  Mit  Dr.  Zacharias  Astruc,  dem  Maler,  Bildhauer  und  Schriftsteller, 
einem  Mitglied  der  japanischen  Gesellschaft  vom  „Jinglar",  der  im  „Etendard" 
eine  Reihe  Aufsehen  erregender  Artikel  über  das  „Reich  der  aufgehenden  Sonne" 
veröffentlichte,  war  Pettenkofen  gleichfalls  bekannt.  Daß  sich  Pettenkofen  selbst 
für   die   Kunst  Japans   interessiert    hat,    geht   daraus   hervor,    daß   sich   in   seinem 


112 


TAFEL  XXVI 

ZIGEUNERMÄDCHEN  AUF  DER  PUSZTA.  AQUARELL.  1859.  WIEN,  EUGEN 

MILLER  V.  AICHHOLZ. 


Kleines  Zigeunermädchen,  ein  Kind  wiegend.  Ölbild.  (^1860?) 


Wien,  Franz  Xaver  Mayer. 


Nachlaß  ein  paar  Bände  von  Hokusais  „Mangwa"  und  ein  Band  von  dessen  „Hundert 
Ansichten  des  Fujiyama"  gefunden  haben. 

Aber  auch  die  Wirksamkeit  zweier  so  verschiedener  Persönlichkeiten,  wie  der 
Courbets,  der  als  Künstler  und  als  Mensch  die  Pariser  so  sehr  zu  beschäftigen 
wußte,  und  der  Dores,  dessen  Holzschnitte  die  ganze  Welt  eroberten,  fällt  fast 
restlos  in  jene  einunddreißig  Jahre,  während  welcher  Pettenkofen  nach  Paris  kam. 

Die  Plastik  schritt  während  jenes  Menschenalters  von  dem  anmutigen  Pradier, 
dem  leidenschaftlichen  Rüde,  dem  trockenen  David  d'Angers  und  dem  ausgezeich- 
neten Realismus  von  Baryes  Tierstücken  über  Fremiet,  den  Autor  der  kühn 
komponierten  Gruppe  von  St.  Georgs  Drachenkampf,  Carpeaux,  berühmt  durch 
seine  Gruppe  des  Tanzes  an  der  Großen  Oper,  Dubois,  von  dem  das  ebenso  form- 
reife wie  seelenvolle  Reiterstandbild  der  Jungfrau  von  Orleans  vor  der  Kathedrale 
zu  Rheims  herrührt,  und  Falguiere,  den  Schöpfer  schöner,  fester  Frauengestalten, 
zu  dem  edeln  Bartholome  und  dem  genialen  Impressionisten  Rodin  fort. 

Als  das  bedeutendste  Werk  der  Architektur,  das  während  jenes  Zeitraumes  in 
Paris  geschaffen  wurde,  sei  Garniers  Große  Oper  genannt. 

Je  weniger  von  dem  zu  berichten  ist,  was  Pettenkofen  selbst  während  der  Jahre 
1852  bis  1883  in  Paris  erlebt  und  getan  hat,  desto  schwerer  ist  es,  der  Verlockung 
zu  widerstehen,  wenn  auch  noch  so  knapp,  von  den  Wandlungen  und  Umstürzen 
auf  den  verschiedenen  Gebieten  des  großen  Lebens  zu  erzählen,  deren  gewiß  nichts 
weniger  als  teilnahmsloser  Zeuge  er  war. 


113 


15 


Das  Stelldichein.   Ölbild. 


Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


Als  Pettenkofen  1852  das  erste  Mal  nach  Paris  kam,  da  war  Balzac  erst  zwei 
Jahre  tot,  Beranger  lebte  noch  als  zweiundsiebenzigj ähriger  Greis,  Victor  Hugo 
grollte  in  Belgien  in  der  Verbannung,  Dumas  pere  hatte  schon  den  Gipfel  seines 
Ruhmes  überschritten,  von  seinem  Sohne  erschien  gerade  die  „Kameliendame**  als 
Stück,  Merimee  war  bereits  Akademiker,  Alfred  de  Musset,  „der  Gassenjunge", 
wurde  eben  unter  die  Unsterblichen  aufgenommen,  die  George  Sand  hatte  sich 
schon  auf  ihr  Schloß  zurückgezogen,  Gautier  gab  gerade  seine  „Emaux  et 
Cam^es"  heraus,  und  Murgers  „Seines  de  la  Vie  de  Boheme"  und  Heines 
„Romancero"  waren  erst  ein  Jahr  alt.  Als  Pettenkofen  1883  das  letzte  Mal  Paris 
sah,  da  standen  Daudet  und  Zola  auf  der  Höhe  ihres  Ruhmes,  Maupassant 
hatte  bereits  einen  Namen,  Sardou  war  schon  fünf  Jahre  Mitglied  der  Aka- 
demie. In  die  Zwischenzeit  fällt  das  Wirken  Flauberts,  der  Goncourts,  Scribes, 
Beaudelaires,  Feuillets,  Taines  und  Renans.  Während  des  genannten  Zeit- 
raumes, in  den  hinein  noch  Auber,  Meyerbeer,  Halevy  und  Berlioz  lebten, 
schufen  Gounod,  Thomas  und  Offenbach  ihre  Hauptwerke  und  begründeten 
Saint-Saens  und  Massenet  ihren  Ruf.  1861  führte  Wagner  in  Paris  seinen  „Tann- 
häuser" auf. 

Den  größten  Eindruck  freilich  macht  der  Wandel,  den  die  politischen  Verhältnisse 
während  jener  Zeit  erfahren  haben.  Als  Pettenkofen  1852  Paris  kennen  lernte,  war 
Napoleon  III.  noch  Prinz-Präsident.  Als  er  1883  das  letzte  Mal  dort  war,  stand  in 
Jules  Gr6vy  bereits   der   dritte  Präsident   an   der   Spitze  Frankreichs.     Das   ganze 


114 


Ungarischer  Bauemjunge  mit  Pferd  vorm  Eingang  in  ein  Bauerngehöft.  Ölbild. 


Wien,  Baron  Alphons  Rothschild. 


zweite  Kaiserreich,  Sedan,  die  Kaiserproklamation  von  Versailles,  die  Commune 
und  ein  Dutzend  Jahre  der  dritten  Republik  liegen  dazwischen.  — 

Im  folgenden  seien  ein  paar  künstlerische  Ereignisse  erwähnt,  die  Pettenkofen 
in  Paris  miterlebt  hat  und  die  ihn  gewiß  nicht  gleichgültig  gelassen  haben. 

Im  Jahre  1855  fand  in  Paris  in  Verbindung  mit  der  Weltausstellung  eine  inter- 
nationale Kunstausstellung,  und  zwar  im  Palais  des  Beaux  Arts,  Avenue  Montaigne, 
statt.  Sie  ist  durch  die  Beteiligung  der  österreichischen  Künstler,  zu  denen  damals 
natürlich  auch  noch  die  mailändischen  und  venezianischen  gehört  haben,  interes- 
sant. Hier  seien  bloß  die  Wiener  Maler  angeführt:  Rudolf  Alt,  Karl  Blaas,  Borsos, 
Eduard  Engerth,  Eybl,  Führich,  Gauermann,  Remi  van  Haanen,  Mansch,  Kupel- 
wieser,  Ignaz  Raffalt,  Steinle,  Trenkwald  und  Waldmüller  (dieser  war  mit  nicht 
weniger  als  sechs  Bildern  vertreten).  Pettenkofen,  zeitlebens  kein  Freund  von  Aus- 
stellungen, fehlte. 

Im  selben  Jahre  1855  errichtete,  nebenbei  bemerkt,  Courbet,  dessen  Bildern  von 
der  Künstlerjury  der  Weltausstellung  ein  ungünstiger  Platz  angewiesen  war,  in 
der  Nähe  des  Pont  d'Iena  unmittelbar  beim  Eingang  in  die  Ausstellung  eine 
Holzbaracke,  auf  der  mit  großen  Buchstaben:  „Le  Realisme!  G.  Courbet"  ge- 
schrieben stand  und  in  der  von  ihm  achtunddreißig  große  Bilder  zu  sehen  waren. 

1865,  als  die  Jury  des  „Salon"  den  Zurückgewiesenen  ein  paar  Nebensäle  ein- 
geräumt hatte,  stellte  Manet  seine  ersten  Aufsehen  erregenden  Bilder  aus:  die 
„Geißelung  Christi"    und  das  „Nackte  Mädchen   mit   der  Katze".     Die  „Geißelung 


115 


15* 


Christi"  ist  das  Bild,  das  beim  Publikum  eine  solche  Entrüstung  hervorrief,  daß 
es  vor  Angriffen  mit  Stöcken  und  Schirmen  geschützt  werden  mußte.  Beide  Bilder 
wird  Pettenkofen,  der  schon   anfangs  Juli  nach  Paris  kam,  gesehen  haben. 

(Die  W^eltausstellung  des  Jahres  1867  hat  ihn  nicht  nach  Paris  zu  locken  vermocht.) 

1878  fand  in  Paris  abermals  eine  Weltausstellung  statt.  Über  die  damit  ver- 
bundene Kunstausstellung  schreibt  Pettenkofen  am  8.  Mai  an  Franz  Xaver  Mayer:  „Die 
Wiener  Kunstausstellung  hat  manches  Gute;  Makart  gefällt  sehr;  Jettel  hat  außer- 
ordentliche Fortschritte  gemacht,  und  seine  Landschaften  gehören  unter  die  besten 
der  ganzen  Ausstellung,  in  welcher  die  Franzosen  natürlich  den  einzigen  und 
obersten  Rang  einnehmen."  Pettenkofen  selbst  hatte  wie  gewöhnlich  nicht  ausge- 
stellt. Im  selben  Jahre  wird  er  sicherlich  die  Goya-Ausstellung  im  Trocadero  be- 
sichtigt haben.  Sein  Freund  Fortuny,  der  1878  freilich  nicht  mehr  lebte,  war  näm- 
lich der  Schwiegersohn  Federico  Madrazos,  der  von  dem  Enkel  Goyas  eine  be- 
trächtliche Anzahl  von  dessen  Zeichnungen  erworben  hatte.  Den  größten  Teil  dieser 
Blätter  erbte  Madrazos  Tochter,  eben  die  Frau  Fortunys,  einen  Teil  auch  deren 
Brüder  Don  Ricardo  und  Don  Raimundo,")  mit  denen  Pettenkofen  gleichfalls  be- 
kannt war.  Durch  diese  vier  Personen  wird  er  zweifellos  viel  von  Goya  erfahren 
haben.  Daß  sich  Pettenkofen  für  den  großen  spanischen  Maler-Radierer  interessiert 
hat,  beweisen  sieben  Photographien  nach  Bildern  desselben  in  seinem  Nachlaß.  — 

Im  folgenden  sei  mit  Hilfe  des  Itinerars  übersichtlich  zusammengestellt,  wann  sich 
Pettenkofen  in  Paris  aufgehalten  hat: 

1852-53:  Vom  Frühjahr  1852  an  (?)  bis  zum  20.  Mai  1853. 

1855:  Vom  11.  März  bis  zum  21.  Juli. 

1856:  Vom  23.  März  bis  zum  19.  Mai. 

1857:  Vom  halben  April  1857  bis  ? 

1858:  Vom  25.  bis  zum  28.  JuH. 

1858:  Von  Ende  September  bis  Anfang  Oktober. 

1859:  Vom  28.  April  bis  12.  Juni. 

1860:  Vom  25.  Februar  bis  zum  18.  Mai. 

1861:  Am  14.  Juli. 

1862:  Vom  17.  (?)  bis  zum  22.  Oktober. 

1863:  Vom  24.  bis  zum  30.  September. 

1865:  Vom  6.  JuH  bis  zum  31.  August. 

1866:  Vom  24.  Mai  bis  zum  9.  (?)  September. 

1871-72:  Vom  12.  Dezember  1871  bis  zum  31.  März  1872. 

1874-75:  Vom  9.  Dezember  1874  bis  zum  14.  Jänner  1875. 

1875:  Vom  12.  September  bis  zum  2.  November. 

1877-78:  Vom  17.  September  1877  bis  zum  17.  August  1878. 

1882-83:  Vom  2.  November  1882  bis  zum  31.  Juli  1883. 

Aus  dieser  Liste  geht  hervor,  daß  die  längsten  Aufenthahe  des  Künstlers  in  Paris 
ungefähr  ein  Jahr  gedauert  haben  und  in  die  Jahre  1852-53  und  1877-78  fallen; 
daß  er  sich  im  Jahre  1861  am  kürzesten  in  Paris  aufgehalten  hat,  bloß  einen  Tag; 
daß  er  1858  und  1875  je  zweimal  zu  verschiedenen  Zeiten  dort  war;  daß  er  in 
den  Jahren    1867    bis    1870,    1873,    1876   und    1879   bis  1881    gar  nicht  nach  Paris 


116 


Lausende  Zigeunerin.  Ölbild. 


Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie. 


gekommen  ist  und  daß  die  längste  Unterbrechung  seiner  Pariser  Besuche  die  vier 
Jahre  zwischen  1866  und  1871  sind. 

Äußerst   interessant   ist   ein  Vergleich  der  Gesamtzeit,    die  Pettenkofen   in  Paris 
verbracht  hat,  mit  der,  die  er  auf  alle  seine  Aufenthalte  in  Szolnok  verwendet  hat. 


117 


Straße  in  einem  ungarischen  Dorf.  Bleistiftstudie. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


Läßt  man  für  beide  Summen  die  Jahre  1854  und  1864,  für  die  das  Itinerar  ver- 
sagt, außer  Betracht  und  rechnet  man  bei  der  Pariser  Summe  für  den  Aufenthalt 
im  Jahre  1857,  von  dem  bloß  der  Anfangstermin  bekannt  ist,  drei  Monate,  so  hat 
sich  Pettenkofen  alles  in  allem  in  Szolnok  kein  ganzes  Jahr,  in  Paris  dagegen  fünf 
Jahre  und  acht  Monate  lang  aufgehalten.  Dieses  Verhältnis  beleuchtet,  hält  man 
sich  die  große  Menge  von  Bildern  Pettenkofens,  die  Szolnoker  Themen  behandeln, 
vor  Augen,  aufs  deutlichste  den  Unterschied  zwischen  dem,  was  für  Pettenkofen 
Paris  und  was  für  ihn  Szolnok  war:  Szolnok  war  der  Ort,  wo  er  verhältnismäßig 
rasch  Ideen  für  seine  Arbeiten  sammelte,  Paris  dagegen  lehrte  ihn  die  Szolnoker 
Motive  immer  wieder  neu  sehen  und  neu  behandeln.  — 

Außer  Paris  hat  sich  Pettenkofen  von  Frankreich  auffallend  wenig  angesehen. 
Im  April  1856  machte  er  einen  Abstecher  nach  Havre  und  im  selben  Jahre  war 
er  auch  in  Dieppe.  Im  Winter  1871  fuhr  er  von  Venedig  über  Genua  nach  Paris 
und  berührte  auf  der  Reise  ganz  kurz  Mentone,  Nizza,  Cannes,  Marseille  und  Lyon. 
Im  Jänner  des  Jahres  1875  reiste  er  von  Paris  nach  Turin  und  unterbrach  dabei, 
scheint  es,  in  Macon  die  Fahrt.  Im  September  desselben  Jahres  besuchte  er  von 
Paris  aus  Trouville,  Villersville  sur  mer,  abermals  Le  Havre  und  Rouen.  Selbst- 
verständlich ist  es,  daß  er  sich  die  Umgebung  von  Paris  ein  wenig  angesehen  hat. 
In  Poissy,  wo  er  wahrscheinlich  Meissonier,  der  dort  geboren  ist,  aufsuchte,  war 
er  im  Dezember  1874,  im  Oktober  1875  und  im  November  1882.  Im  April  des 
Jahres  1878  findet  sich  in  seinem  Tagebuch  ein  Ausflug  nach  Barbizon  verzeichnet. 
Wahrscheinlich  wird  er  Jettel  besucht  haben.  Im  Oktober  1875  ist  er  in  St.  Cloud, 
im  November  1882  in  St.  Germain. 

Unter  Pettenkofens  Werken  findet  sich  kein  einziges,  das  mit  Sicherheit  als 
Pariser  Motiv  bezeichnet  werden  könnte,  und  auch  die  französische  Provinz  liefert 


118 


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Zigeunerhütte.  Bleistiftstudie.   1860. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


ihm  nur  zweimal  einen  Vorwurf:  am  28.  April  1856  zeichnet  er  im  Hafen 
von  Havre  ein  Segelschiff,  und  derselben  Zeit  gehört  eine  Ansicht  von  Dieppe 
an.  — 

Als  Pettenkofen  am  15.  Juli  1870  in  Nürnberg  war,  wurde  dort  um  vier  Uhr 
nachmittags  die  Kriegserklärung  ausgegeben.")  Trotzdem  wollte  er,  wie  es  in  seinem 
Tagebuch  unter  diesem  Datum  ausdrücklich  vermerkt  ist,  am  nächsten  Tag  um 
sieben  Uhr  früh  nach  Paris  fahren.  Er  reiste  auch  wirklich  ab  und  war  um  vier 
Uhr  nachmittags  in  Heidelberg,  um  acht  Uhr  abends  aber  konnte  der  Zug,  wohl 
wegen  der  deutschen  Truppentransporte,  Kehl  nicht  mehr  passieren.  Pettenkofen 
verblieb  dann  in  Basel.  Diese  Absicht,  den  Entscheidungskampf  zwischen  Franzosen 
und  Deutschen  im  Herzen  Frankreichs  zu  erleben,  ist  wohl  der  deutlichste  Beweis 
dafür,  wie  sehr  ihm  Paris  ans  Herz  gewachsen  war.  Freilich  wird  hier  auch  die 
Stimmung  des  von  Beustischen  Revanchegedanken  erfüllten  Österreichers  mitge- 
spielt haben,  die  bekanntlich  beim  Ausbruch  des  großen  Krieges  mehr  mit  Napoleon  III. 
als  mit  Bismarck  sympathisierte. 

Schon  im  Dezember  des  Jahres  1871  sucht  Pettenkofen  Paris  wieder  auf  und  am  18.  Mai 
1874  schreibt  er  nach  einigen  Worten  bitterer  Klage  über  seine  Vaterstadt  aus 
Venedig  an  Karl  v-  Kratzer,  daß  er  kommenden  Herbst  für  immer  nach  Paris  gehen 
werde.  Teilt  eine  Zeitungsnotiz  die  Wahrheit  mit,  so  hat  er  aber  schon  im  Jahre 
1864  geplant,  sich  in  Paris  ständig  niederzulassen, '0  und  zuletzt  spielt  er  sogar 
noch  im  Jahre  1888  (in  einem  Briefe  vom  20.  Juni  an  Fräulein  Julie  Gsell)  mit 
dem  Gedanken,  in  Paris  dauernden  Aufenthalt  zu  nehmen. 


119 


Vasari  erzählt  im  Leben  des  Donatello,  daß  sich  dieser  nach  dem  allseitigen 
Lob,  das  er  in  Padua  geerntet  hatte,  gewaltig  nach  dem  nimmermüden  Tadel 
seiner  Vaterstadt  am  Arno  sehnte  und  dorthin  zurückkehrte,  weil  ihn  jenes  Lob 
all  das,  was  er  gelernt  habe,  vergessen  lasse,  während  ihn  dieser  Tadel  zum  Studium 
ansporne  und  ihm  so  zu  größerem  Ruhm  verhelfe.  Ganz  ähnlich  scheint  Petten- 
kofen  gefühlt  zu  haben,  nur  war  es  bei  ihm  die  Fremde,  von  der  er,  wenn  auch 
unter  stetem  Ringen,  künstlerische  Förderung  erhoffte,  und  die  Heimat,  in  der  er 
zu  versauern  fürchtete.  Pettenkofen  kannte  gar  wohl  die  große  Gefahr,  die  „in  der 
Gewohnheit  trägem  Gleise"  heranschleicht,  und  scheute  keine  Mühe,  Neues  kennen 
zu  lernen,  sich  damit  zu  messen,  es  selbst  zu  versuchen.  Das  Konzept  eines  Briefes, 
das  sich  noch  in  einem  Notizbuch  erhalten  hat  und  etwa  im  August  des  Jahres 
1888  geschrieben  sein  muß,  bezeugt  dies.  Der  Brief  ist  an  Sedelmeyer  in  Paris 
gerichtet  und  handelt  von  Jettel.  Es  heißt  da:  „J.  ist  seiner  ganzen  Natur  nach  der 
Gewohnheit  sklavisch  ergeben,  die  Vergleichung  des  Gewohnten  mit  dem  erst  noch 
zu  findenden  Bessern  übt  keinen  treibenden  Reiz  mehr  [auf  ihn]  aus,  denn  die 
Scheu  vor  dem  Neuen,  welches  erst  gefunden  und  mit  Anstrengung  festgehalten 
werden  soll,  erzeugt  Unlust  .  .  .  ,  sich  unter  Kämpfen  um  Suchen  und  Streben  auf 
ungewohnte  Bahnen  zu  wagen,  und  das  Mißtrauen  gegen  sich  selbst,  die  Furcht, 
das  Bestehende  über  dem  Suchen  —  zu  verlieren."  Diese  Worte,  in  Bezug  auf 
Jettel  niedergeschrieben,  mag  sich  Pettenkofen  am  Ende  seines  Lebens  aufbewahrt 
haben,  weil  sie  so  recht  aus  seiner  eigenen  mühsam  errungenen  Erfahrung  ge- 
flossen zu  sein  scheinen.  Wohl  ist  die  Fassung  ein  bißchen  schwerfällig  und  undeut- 
lich, der  Gedanke  selbst  aber  ist  klar  und  klar  ist  auch,  daß  Pettenkofen  das  „erst 
noch  zu  findende  Bessere",  das  „Neue,  welches  erst  gefunden  und  mit  Anstrengung 
festgehalten  werden  soll",  an  keinem  andern  Ort  der  Welt  so  verwirklicht  oder 
doch  angedeutet  fand  wie  in  Paris  und  daß  er  zu  der  Überwindung  der  Scheu, 
„sich  unter  Kämpfen  um  Suchen  und  Streben  auf  ungewohnte  Bahnen  zu  wagen," 
durch  nichts  so  angefeuert  wurde,  wie  durch  das  stark  pulsierende,  gärende,  rast- 
lose, hochfliegende  Pariser  Leben. 

Auf  die  Länge  der  Zeit  hätte  er  es  allerdings  nicht  auszuhalten  vermocht.  Seinen 
wiederholten  Vorsatz,  für  immer  nach  Paris  zu  übersiedeln,  führte  er  niemals  aus. 
Am  14.  März  1879  schreibt  er  aus  München  an  Franz  Xaver  Mayer,  daß  er  an 
die  Isar  gezogen  sei,  weil  ihn  Paris  zu  sehr  aufrege.  Der  arme  de  Nittis  seufzt 
knapp  vor  seinem  Tode  auf:  „D'abord,  nous  quittons  Paris.  Cette  vie  me  pese; 
eile  devore",  und  das,  was  Edmond  de  Goncourt  „cette  fievre,  qui  est  le  propre 
de  l'existence  capiteuse  de  Paris"  nennt,  hätte  auch  Pettenkofen  schließlich  auf- 
gerieben. 


120 


VIERTES  KAPITEL 

DIE  FÜNFZIGER  UND 
SECHZIGER  JAHRE 


ie  fünfziger  Jahre  des  Jahrhunderts  sind  die  dreißiger  Jahre 
von  Pettenkofens  Leben.  Es  sind  unzweifelhaft  die  künstlerisch 
erträgnisreichsten  seines  ganzen  Daseins  und  nicht  bloß  darum, 
weil  aus  ihnen  die  meisten  datierten  Werke  stammen. 

Am  Beginn  der  fünfziger  Jahre  steht  ein  folgenschweres  Er- 
eignis. Als  Pettenkofen  im  Frühjahre  1852  nach  Paris  gereist 
war,  hatte  er  das  Versprechen  der  Geliebten  mitgenommen, 
daß  sie  ein  Jahr  lang  auf  ihn  warten  wolle.  Er  hoffte,  nach  seiner  Heimkehr  zu- 
gleich mit  einer  Professur  an  der  Wiener  Akademie  auch  die  Hand  der  Geliebten 
zu  erringen.  Aber  deren  Vater,  ein  angesehener  und  wohlhabender  Wiener  Advokat, 
verfolgte  andere,  ehrgeizigere  Pläne  mit  ihr.  Eine  von  ihm  angezettelte  Intrige  hatte 
den  Erfolg,  daß  das  Mädchen,  noch  ehe  das  Jahr  um  war,  das  Pettenkofen  gegebene 
Wort  brach  und  sich  mit  einem  Manne  vermählte,  der  bereits  seit  dem  Revolutions- 
jahr eine  hohe  Beamtenstelle  bekleidete,  damit  aber  erst  am  Beginne  einer  der 
glänzendsten  Laufbahnen  im  österreichischen  Staatsdienst  zu  stehen  schien.  1854 
ward  er  durch  Verleihung  des  Ordens  der  eisernen  Krone  und  Erhebung  in  den 
erblichen  Freiherrnstand  ausgezeichnet.  1863  aber  wurde  er  auf  einem  zwar  dem 
Range  nach  hervorragenden,  aber  politisch  indifferenten  Posten  kalt  gestellt.  Nie- 
mand, er  selbst  wohl  am  wenigsten,  ahnte  damals,  daß  er  es  sein  ganzes  ferneres, 
fast  noch  zwei  Menschenalter  währendes  Leben  bleiben  sollte. 

Als  Pettenkofen  1853  heimkehrte,  wollte  er  zuerst  die  Geliebte  und  sich  selbst 
erschießen.  Er  tat  es  nicht.  Die  Geliebte  gab  sich  ihm  als  das  Weib  des  andern, 
das  sie  war,  zu  eigen.  Aus  unsäglich  rührenden  Aufzeichnungen  von  Pettenkofens 
Hand,  die  aus  jenen  Tagen  stammen  und  sich  erhalten  haben,  geht  hervor,  daß  er 
damals  ein  Marienbild  malen  wollte,  das  die  Geliebte  „zur  Sühnung  ihrer  ihr  kaum 
bewußten  schweren  Schuld"  in  die  Martinskirche  bei  Klosterneuburg  stiften  sollte.  0 
Die  merkwürdige  Frau,  die  zeitlebens  mit  ihrem  Manne  vereint  blieb,  brachte  es 
nun  zuwege,  ungefähr  zwanzig  Jahre  hindurch  mit  Pettenkofen  ein  Verhältnis  zu 
unterhalten,  in  dessen  Verlauf  sie  sogar  mit  ihm  zusammen  gereist  sein  soll.  Waren 
die  Liebenden  getrennt,  so  verkehrten  sie  brieflich  miteinander.  Die  Briefe  der  Frau 

121  .  16 


ließ  Pettenkofen  noch  auf  dem  Sterbebett  vernichten.  Sie  hingegen  vererbte  seine 
Briefe  einer  entfernten  Verwandten  und  treuen  Freundin  von  ihr,  die  all  die  Jahre 
hindurch  die  Vertraute  der  beiden  gewesen  war.  An  den  Namen  dieser  Freundin 
waren  alle  Briefe  Pettenkofens  gerichtet.  Als  diese  Freundin  knapp  vor  ihrem  Tode 
fast  alle  Briefe  verbrannte,  erriet  sie  vielleicht  nicht,  was  jene  sonderbare  Frau 
eigentlich  gewollt  hatte.  Es  wird  erzählt,  daß  sie  sich  in  ihrem  Alter  ihrer  Bezie- 
hungen zu  Pettenkofen  gerühmt  habe,  und  damit  stimmt  überein,  daß  sie  seine 
Briefe  bloß  weitergegeben  und  nicht  selbst  vernichtet  und  ihr  von  seiner  Hand  ge- 
maltes Bildnis  einer  Wiener  öffentlichen  Sammlung  letztwillig  vermacht  hat.  Die 
spärlichen  Reste,  die  sich  von  Pettenkofens  Briefen  an  die  geliebte  Frau  erhalten 
haben,  sind  immerhin  bedeutend  genug,  um  erkennen  und  aufs  lebhafteste  be- 
dauern zu  lassen,  daß  da  für  das  Verständnis  nicht  nur  des  Menschen,  sondern 
auch  des  Künstlers  höchst  wichtige  Dokumente  verloren  gegangen  sind. 

Zweifellos  war  jene  eigentümliche  Frau  für  Pettenkofen  „la  femme  de  sa  vie", 
und  seine  Beziehungen  zu  ihr  dürfen,  sucht  man  seinen  Werdegang  und  sein  Wesen 
zu  begreifen,  nicht  außer  Acht  gelassen  werden.  In  der  Jugend  überstrahlte  wohl 
die  romantische  Seite  des  Verhältnisses  alles  Bedenkliche  und  Widerwärtige,  das 
damit  verbunden  war,  in  den  fünfziger  Jahren  war  die  Freude  am  wenn  auch  heim- 
lichen und  widerrechtlichen  Besitz  der  Geliebten  dem  künstlerischen  Schaffen  mehr 
ein  Ansporn  als  ein  Hemmnis.  Später,  wohl  schon  in  den  sechziger  Jahren,  werden 
die  Schattenseiten  stärker  hervorgetreten  sein  und  auch  die  künstlerische  Produk- 
tion ungünstig  beeinflußt  haben.  Das  Kernfaule,  alles  Unerquickliche  und  Ermüdende 
des  Verhältnisses  wird  den  Gegensatz  der  beiden  Charaktere  und  Temperamente, 
der  von  Anfang  an  vorhanden  gewesen  zu  sein  scheint,  um  so  qualvoller  verschärft 
haben,  je  mehr  naturgemäß  die  Leidenschaft  verglomm.  Jedenfalls  wird  man 
schwerlich  fehl  gehen,  wenn  man  bei  der  Betrachtung  von  Pettenkofens  Leben 
zum  Beispiel  seine  Unrast  und  seinen  Widerwillen  gegen  Wien  wenigstens  teil- 
weise mit  jenem  Verhältnis  in  Zusammenhang  bringt  oder  wenn  man  die  Wurzeln 
seiner  Nervosität  und  Hypochondrie,  zweier  verwandter  Übel,  mit  welchen  beiden 
wieder,  einem  bekannten  schlimmen  Zirkel  gemäß,  zugleich  als  Ursache  und  als 
Wirkung  seine  Krankheit  unzertrennlich  verwachsen  ist,  bis  eben  in  jenes  Ver- 
hältnis zurückverfolgt.  Ja  vielleicht  ist  es  sogar  nicht  einmal  zu  weit  gegangen, 
wenn  man  auch  in  gewissen  Vorwürfen  von  Pettenkofens  Malerei,  die  von  den 
fünfziger  Jahren  bis  in  die  achtziger  Jahre  immer  wiederkehren,  wie  dem  Stelldich- 
ein und  dem  Zweikampf,  Reflexe  jenes  Verhältnisses  wiederzufinden  vermeint.  — 

Beim  Überblick  über  die  fünfziger  und  sechziger  Jahre  oder  genauer  gesprochen : 
über  jenen  Zeitraum,  der  einerseits  durch  den  Beginn  des  eben  geschilderten  Ver- 
hältnisses und  die  erste  Reise  nach  Paris  am  Anfang  der  fünfziger  Jahre  und  ander- 
seits durch  den  ersten  längeren  Aufenthalt  in  Venedig,  die  Erneuerung  der  Be- 
kanntschaft mit  Leopold  Karl  Müller  und  den  Abbruch  jenes  Liebesverhältnisses 
in  den  ersten  siebziger  Jahren  begrenzt  wird  —  beim  Überblick  über  diese  Epoche 
wird  es  sich  empfehlen,  zuerst  das  karge  Tatsachenmaterial,  insofern  es  nicht  aus 
künstlerischen  Werken  besteht  und  wie  es  an  der  Hand  des  Tagebuches  und  der 
Briefe  zusammengebracht  werden  kann,    von    sachlichen  und  chronologischen  Ge- 


122 


Sichtspunkten  aus,  so  gut  es 
geht,  zu  gruppieren.  Selbst- 
verständlich muß  dabei  alles 
auf  Paris  und  Szolnok  Be- 
zügliche als  bereits  erwähnt 
beiseite  gelassen  werden. 
Dann  erst  soll  eine  Übersicht 
über  die  malerischen  Lei- 
stungen der  Periode  folgen. 
Im  Frühjahre  1853  nimmt 
Pettenkofen  auf  der  Heim- 
fahrt von  Paris  nach  Wien 
den  Umweg  über  Belgien, 
es  kennen  zu  lernen.  Seine 
neuen  Pariser  Freunde,  der 
Brüsseler  Stevens  und  der 
Lütticher  Willems  mögen 
ihn  dazu  veranlaßt  haben. 
Lange  kann  der  Aufenthalt 
kaum  gedauert  haben.  Das 
Geld  wird  nicht  allzu  reich- 
lich gewesen  sein,  und  die 
Sehnsucht,  die  Geliebte  wie- 
derzusehen, wird  nachhause 
getrieben  haben.  1855  be- 
rührt er  auf  der  Fahrt  von 
Wien  nach  Paris  Brüssel.  Im 
September  des  Jahres  1858 
hält  er  sich,  bevor  er  nach 
Paris  geht,  in  Blankenberghe 
und  Ostende  auf.  In  den 
Herbst  des  Jahres  1862  fällt 
ein  etwas  längerer  Aufenthalt  \ 
in  den  Niederlanden.  Station 
wird  in  Antwerpen,  dem 
Haag,  Amsterdam,  Rotter- 
dam, Scheveningen  und  Ost- 
ende gemacht.  Über  den  Ein- 
druck, den  er  von  Holland 
empfangen  hat,  äußert  sich 
Pettenkofen  in  einem  Briefe 
vom  15.  September  aus  Am- 
sterdam an  Mayer  in  Wien 
folgendermaßen:  „Mit  großem     ^"'°"  ^"'^°^"-  Kreidezeichnung.  .86.. 


.a- 


<  Ȋr/ 


Wien,  Charlotte  Reithoffer. 


123 


l6« 


Bedauern  scheide  ich  morgen  oder  übermorgen,  um  nach  Belgien  zu  gehen, 
aus  Holland,  für  welches  ich  die  wenigen  Tage  meines  Hierseins  eine  unaus- 
sprechliche Neigung  gefaßt;  aber  es  ist  kein  Land  für  meine  Tätigkeit  an  Ort  und 
Stelle.  Ich  habe  hier  sehr,  sehr  vieles  von  großem  und  bleibendem  Nutzen  gesehen 
und  beobachtet,  vor  allem  aber  mir  zu  meiner  größten  Ermunterung  die  volle 
Überzeugung  persönlich  verschafft,  daß  die  Sympathie,  welche  mein  bescheidenes 
Talent  hier  bereits  gefunden,  eine  fortwährende  Quelle  der  Ermutigung  und  des 
materiellen  Nutzens  für  mich  sein  und  bleiben  wird."  Zum  Verständnis  des  letzten 
Passus'  sei  bemerkt,  daß  einerseits  Pettenkofen  schon  im  Jahre  1857  von  der 
Königlichen  Akademie  der  bildenden  Künste  in  Amsterdam  zu  ihrem  Mitglied  er- 
nannt und  daß  anderseits  sein  Gemälde  vom  Jahre  1853  „Nach  dem  Duell"  schon 
im  Jahre  1858  vom  Museum  Fodor  in  Amsterdam  angekauft  worden  war,  freilich 
nicht  unmittelbar  vom  Künstler  selbst,  sondern  auf  der  Pariser  Versteigerung 
A.  Willet,  und  zwar  um  den  ansehnlichen  Preis  von  1474  holländischen  Gulden. 
Aber  nicht  nur  nach  den  Niederlanden,  sondern  auch  nach  Italien,  der  anderen 
Kunstheimat,  die  gegenüber  Frankreich  im  Lauf  der  Zeit  hatte  zurücktreten  müssen, 
unternahm  Pettenkofen  in  den  fünfziger  und  sechziger  Jahren  Reisen.  Die  Erinne- 
rungen aus  seiner  Militärzeit  werden  ihn  hingezogen  haben.  Es  ist  auch  Venedig, 
das  er  zuerst,  und  zwar  im  Frühling  des  Jahres  1858  aufsucht.  Aber  seines  Bleibens 
scheint  dort  nicht  lange  gewesen  zu  sein.  Jedenfalls  spiegelt  sich  dieser  Aufenthalt 
nicht  in  seinen  Bildern  wieder.  Die  Volksstimmung  mag  dort,  namentlich  für  den 
Österreicher  und  gar  für  den  ehemaligen  österreichischen  Soldaten  recht  unbe- 
haglich gewesen  sein.  Pettenkofen  war  im  April,  vielleicht  auch  noch  im  Mai  dort, 
Richard  Wagner  kam  Ende  August  hin.  Er  erzählt  in  seinen  Memoiren,  daß  die 
österreichische  Militärmusik  allabendlich  auf  dem  Markusplatz  spielte,  unter  anderm 
auch  die  Ouvertüren  seines  „Rienzi"  und  seines  „Tannhäuser".  Die  dicht  versam- 
melte Menge  hätte  aufmerksam  gelauscht,  niemals  hätten  sich  aber  nach  dem 
Schluß  eines  Stückes  zwei  Hände  erhoben,  um  zu  applaudieren.  Diese  Stille  und 
Ruhe  hätten  bei  dem  sonst  so  lebhaften  und  geräuschvollen  italienischen  Publikum 
doppelt  unheimlich  gewirkt.  Aber  jeder  dem  österreichischen  Orchester  gespendete 
Beifall  wäre  als  Verrat  am  Vaterland  angesehen  worden.  „An  dieser  sonderbaren 
Spannung  zwischen  Publikum  und  Behörde  litt  nun  eben  alles  öffentliche  Leben 
in  Venedig  und  namentlich  äußerte  sich  dieses  auffallend  in  dem  Verhalten  der 
Bevölkerung  gegen  die  österreichischen  Offiziere,  welche  in  der  venezianischen 
Öffentlichkeit  wie  Öl  auf  dem  Wasser  herumschwammen."")  So  ist  es  nur  zu  be- 
greiflich, daß  Pettenkofen  damals  in  Venedig  nur  kurz  verweilt  und  vor  allem 
daß  er  damals  dort  keine  Muße  zur  Arbeit  gefunden  hat.  Aber  schon  im  folgenden 
Sommer  reist  er  wieder  nach  Italien.  Aus  der  Eintragung,  die  sich  unter  dem 
21.  Juli  1859  in  seinem  Tagebuch  iindet  und  „[von  Wien]  abgereist  nach  Italien" 
lautet,  läßt  sich  der  Schluß  ziehen,  daß  er  die  Absicht  hatte,  zu  längerem  Aufent- 
halt nach  Italien  zu  fahren.  Es  ist,  als  ob  er  sich  der  Hoffnung  hingegeben  hätte, 
nach  dem  am  11.  Juli  abgeschlossenen  Frieden  von  Villafranca,  der  Österreich  die 
Lombardei  kostete,  in  Venezien  günstigere  Verhältnisse  anzutreffen  als  im  Vorjahr. 
Daß  dies  ein  Irrtum  war,  beweist  der  rasche  Verlauf  seiner  Reise:  am  24.  Juli  ist 


124 


Kaiser  Franz  Josef  I.  bei  der  DonauUberschwemmung  in  Wien  im  Jahre  1862.  Ölbild.   1862.         Wien,  Städtisches  Museum. 

er  in  Venedig,  am  25.  in  Verona,  am  27.  in  Casarsa,  am  31.  in  Nabresina  und 
am  1.  August  schon  wieder  in  Wien.  Das  Frühjahr  1863  aber  sieht  ihn  schon 
wieder   in   Venedig,    wo    er   sich   vom    16.  März   bis   zum  12.  April   aufhält.     An 


125 


diesem  Tage  reist  er  nach  Treviso  und  Pordenone  ab,  zwei  Orten,  von  denen  er 
wenigstens  den  letzteren  ebenfalls  noch  von  seiner  Militärzeit  her  kannte,  weil  er 
1841  und  1842  dort  auf  Manöver  gewesen  war.  In  den  Mai  und  den  Juni  des 
Jahres  1865  fällt  eine  längere  Reise  durch  Italien,  die  aber  die  dem  Künstler  be- 
reits bekannten  Orte  vermeidet  und  ihn  nur  neue  kennen  lehrt.  Sie  führt  ihn  nach 
Mailand,  Genua,  Pisa,  Florenz,  Rom  und  Turin.  Aber  sowohl  in  Genua,  als  auch 
in  Florenz  hält  er  sich  nur  je  ein  paar  Tage  auf,  in  Rom  dagegen  verweilt  er 
über  anderthalb  Monate.  Alle  diese  Aufenthalte  jedoch  scheinen  für  seine  künst- 
lerische Produktion  ziemlich  unfruchtbar  geblieben  zu  sein,  wenigstens  findet  sich 
unter  seinen  sämtlichen  Arbeiten  kaum  eine  bedeutendere,  deren  Vorwurf  auf  einen 
auf  jenen  Reisen  berührten  Ort  zurückgienge.  Erst  ein  Aufenthalt  im  Frühling 
1867  in  Riva,  das  freilich  nur  national  zu  Italien  gehört,  erweist  sich  als  malerisch 
oder  richtiger  gesagt:  zeichnerisch  ergiebig.  "Wenn  aber  auch  die  damals  in  Riva 
entstandenen  Arbeiten  Pettenkofens  künstlerisch  nicht  allzu  hoch  zu  bewerten  sind, 
so  hat  es  doch  den  Anschein,  als  ob  erst  der  Prager  Friede,  durch  den  Österreich 
auch  Veneziens  verlustig  gieng,  hätte  geschlossen  werden  müssen,  damit  Petten- 
kofen  auf  italienischem  Boden  Muße  zur  Arbeit  fände.  In  den  Mai  des  Jahres  1869 
fällt  abermals  ein  längerer  Aufenthalt  in  Riva,  von  wo  Pettenkofen  auch,  aber 
nur  für  einen  Tag,   einen  Abstecher  nach  Verona  macht. 

In  Deutschland  hält  sich  Pettenkofen  während  der  zwei  Jahrzehnte,  von  denen 
hier  die  Rede  ist,  mit  einer  einzigen  Ausnahme  nirgends  länger  auf,  als  man 
braucht,  eine  etwas  ermüdende  Tour  zu  unterbrechen,  einen  flüchtigen  Überblick 
über  eine  fremde  Stadt  zu  gewinnen  und  sich  etwa  eine  unbekannte  Galerie  oder 
eine  neue  Ausstellung  rasch  anzusehen.  1855  berührt  er  auf  der  Fahrt  nach  Paris 
Berlin  und  Köln,  1856,  demselben  Ziele  zustrebend,  Leipzig  und  Frankfurt,  1858 
reist  er  abermals  über  Leipzig  nach  Paris,  1859  hält  er  sich  ein  paar  Tage  in 
Frankfurt  auf,  1860  kommt  er  auf  seiner  Pariser  Fahrt  über  Berlin,  Düsseldorf  und 
Aachen  und  der  Rückweg  nach  Wien  führt  ihn  über  Köln  und  Dresden.  1861  geht 
es  nach  Paris  über  München  und  über  München  auch  wieder  zurück  nach  Wien, 
1862  fährt  er  über  München  und  über  Köln  nach  den  Niederlanden  und  auch  die 
Heimfahrt  nach  Wien  unterbricht  er  für  ein  paar  Tage  in  München,  im  nächsten 
Jahre  reist  er  gleichfalls  über  München  und  Köln  nach  Paris,  1865  kehrt  er  über 
München  von  Paris  nach  Wien  zurück,  1866  fährt  er  über  München  und  Straßburg 
nach  Paris.  Diese  häufige  W^iederkehr  von  München  als  Station  auf  den  Reisen 
der  sechziger  Jahre  hat  gewiß  ihren  Grund,  die  Aufenthalte  sind  aber  so  kurz  (der 
längste  währt,  den  Tag  der  Ankunft  und  den  Tag  der  Abfahrt  mitgerechnet,  drei 
Tage),  daß  es  ungewiß  bleibt,  ob  der  Besuch  einer  Sammlung,  einer  Ausstellung 
oder  eines  Ateliers  oder  etwa  bloß  die  Bequemlichkeit  der  Eisenbahnverbindung 
dazu  veranlaßt  haben.  Vielleicht  aber  ist  es  mehr  als  bloßer  Zufall,  daß  Pettenkofen, 
der  in  den  fünfziger  Jahren  immerhin  zweimal  nach  Berlin  gekommen  ist,  in  den 
sechziger  Jahren,  da  endlich  Preußens  und  Österreichs  schon  seit  langem  geführter 
Kampf  um  die  Vorherrschaft  in  Deutschland  zur  offenen  Austragung  kommt,  die 
größte  Stadt  Süddeutschlands  auffallend  bevorzugt,  Berlin  aber  vermeidet.  (Er  ist 
auch  in  seinem  Leben  nie  mehr  hingekommen.)    Jedenfalls  findet  der  schon  oben 


126 


l 


Pferde  am  Ziehbrunnen.  Ölbild. 


Budapest,  Graf  Ludwig  Kärolyi. 


127 


angedeutete  längste  Aufenthalt,  den  Pettenkofen  während  der  in  Rede  stehenden 
zwei  Jahrzehnte  in  Deutschland  nimmt,  nicht  in  einer  Kunst-,  sondern  in  einer 
Badestadt,  in  Ems  statt,  wohin  er  am  28.  Juli  1858  von  Paris  über  Köln,  Lahn- 
stein und  Koblenz  fährt  und  wo  er  dann  über  einen  Monat  die  Kur  gebraucht. 

In  den  Mai  des  Jahres  1865  fällt  eine  kleine  Schweizer  Reise. 

Im  selben  Jahre  gliedert  Pettenkofen  diesem  Aufenthalt  in  den  helvetischen  Alpen 
einen  in  den  österreichischen  an;  im  Sommer  des  Jahres  1863  verbringt  er  kurze  Zeit 
im  Salzkammergut,  im  Herbst  des  Jahres  1866  und  in  den  Sommern  der  beiden 
folgenden  Jahre  verweilt  er  bald  kürzer,  bald  länger  in  den  österreichischen  Alpen, 
und  in  den  April  des  Jahres  1869  fällt  der  schon  erwähnte  Aufenthalt  in  Südtirol. 

Diesen  tatsächlich  ausgeführten  Reisen  sei  noch  ein  Reiseplan  angereiht,  der  nie- 
mals zur  Ausführung  gelangt  ist.  In  dem  schon  zitierten  Schreiben  an  Karl  von 
Kratzer,  das  vom  4.  März  1858  aus  Wien  datiert  ist,  teilt  Pettenkofen  dem  Freunde 
mit,  daß  er  nächsten  Sommer  über  Paris  nach  London  reisen  und  dort  ein  Jahr 
bleiben  wolle.  Die  Scheu  vor  der  Seefahrt  und  der  ihm  völlig  fremden  englischen 
Sprache  scheint  ihn  damals  ebenso  wie  später  davon  abgehalten  zu  haben,  seinen 
Plan  ins  Werk  zu  setzen. 

In  diesen  zwanzig  Jahren  verbringt  Pettenkofen  jedes  Jahr  längere  Zeit  in  seiner 
Vaterstadt;  entsprechende  Wiener  Aufenthalte  werden  auch  für  die  Jahre  1854  und 
1864,  für  die  das  Itinerar  versagt,  anzunehmen  sein. 

Für  die  fünfziger  und  sechziger  Jahre  läßt  sich  noch  feststellen,  wo  Pettenkofen 
in  Wien  gewohnt  hat.  Im  September  1853  zieht  er  von  der  Wieden  in  das  Haus 
Nr.  274  auf  der  Währingerstraße.  Ist  der  Mitteilung  eines  Ausstellungskataloges') 
zu  trauen,  so  hat  er  auch  schon  im  Jahre  1851  in  Währing  gewohnt.  Im  Jänner 
1856  ist  seine  Wiener  Adresse:  „Landstraße,  Glacis  Nr.  500  [heute  Heumarkt  Nr.  9], 
3.  Hof,  3.  Stock."  Im  März  1858  wohnt  er  wieder  Währingerstraße  274.  Diese 
Wohnung  hatte  er  übrigens  von  nun  an  bis  zum  Jahre  1870  inne,  in  welchem 
das  Haus  dem  Neubau  des  Palais'  Chotek  (heute  ist  dieses  in  das  „Atelier  für 
Wohnungseinrichtungen"  von  F.  O.  Schmidt  umgewandelt)  zum  Opfer  fiel.  Der  Ab- 
bruch jenes  ihm  lieb  gewordenen  schön  gelegenen  alten  Hauses  gieng  Pettenkofen 
so  nahe,   daß  er  sich  darnach  wie  heimatlos  vorgekommen  sein  soU.O  — 

Pettenkofens  Freund-  und  Bekanntschaften,  die  den  fünfziger  und  sechziger  Jahren 
angehören  und  im  folgenden  besprochen  werden  sollen,  stammen  fast  alle  aus  Wien; 
von  den  anderen  ist  eben  schon  in  den  beiden  vorhergehenden  Kapiteln  die  Rede  ge- 
wesen. 

Zuerst  möge  der  Künstler  gedacht  werden. 

Pettenkofen  war  sowohl  mit  Ignaz  Raffalt,  dem  Vater,  als  auch  mit  Johann  Gual- 
bert,  dem  Sohne,  sehr  gut.  Des  Alten,  der  im  Freundeskreis  einfach  „der  Nazi" 
genannt  wurde,  nimmt  er  sich  in  einem  Pariser  Brief  vom  23.  Mai  1855  an  Franz 
Xaver  Mayer  in  Wien  mit  folgenden  Worten,  deren  völliger  Sinn  heutzutage  frei- 
lich nicht  mehr  zu  erschließen  ist,  wärmstens  an:  „Aus  Ihren  lieben  Zeilen  ersehe 
ich  zu  meiner  Freude,  .  .  .  daß  Sie  auch  den  Nazi  nicht  vergessen.  Sie  tuen  recht 
daran,  er  verdient  es  auch;  er,  der  Nazi,  hat  genug  für  Sie  getan,  so  daß  Sie  auch 
einmal  etwas  für  ihn  tuen  können."    Und  am  Schlüsse  des  Briefes  heißt  es  noch- 


128 


Schimmel.  Ölbild. 


Wien,  Gottfried  und  Hermann  Eißler. 


mals:  „  .  .  .  vergessen  Sie  den  Nazi  nicht."  In  eine  Landschaft  Ignaz  Raffalts  im 
Besitz  Franz  Xaver  Mayers  (sen.;  heute  befindet  sie  sich  im  Besitz  des  gleich- 
namigen Sohnes)  hat  Pettenkofen  ein  paar  Schweine  hineingemalt.  Auch  an  einera 
anderen  Bilde  des  alten  Raifalt,  einer  Klosterneuburger  Landschaft,  soll  er  mit- 
gearbeitet haben. ^)  Durch  die  Bedeutung,  die  Ignaz  Raffalt,  der  „Wolken-Raffalt", 
auf  seinen  Bildern  der  Luft  beimaß,  mag  Pettenkofen  dazu  angeregt  worden  sein, 
auch  seinerseits  als  Maler  der  Luft  eine  erhöhte  Aufmerksamkeit  zu  schenken.  Der 
ältere  Raffalt  starb  im  Sommer  des  Jahres  1857;  auf  einem  jener  berühmten  Aus- 
flüge, die  die  Künstler  des  alten  Wien  in  die  wunderschöne  Umgebung  ihrer  Vater- 
stadt zu  veranstalten  pflegten,  traf  ihn  der  Schlag. 

Pettenkofen  scheint  die  Freundschaft,  die  ihn  mit  dem  älteren  Raffalt  verbunden 
hatte,  auf  dessen  Sohn  Johann,  der  um  vierzehn  Jahre  jünger  als  er  selbst  war, 
übertragen  zu  haben.  Am  22.  März  1860  erkundigt  er  sich  von  Paris  aus  bei  Kratzer 
nach  Raffalts  Befinden  und  läßt  ihn  auffordern,  ihm  zu  schreiben.  Mitte  Juli  des 
Jahres  1863  reist  er  „mit  Raffalt  nach  Salzburg,  Zell  am  See  und  Szolnok".  Am 
27.  April  des  Jahres  1865  fährt  er  mit  Raffalt  von  W^ien  nach  Graz,  wo  sie  s;ch 
einen  Tag  lang  aufhalten,  und  von  da  über  Triest  nach  Mailand.  Er  scheint  dann  die 
bereits  erwähnte  italienische  Reise  fast  ganz  in  Raffalts  Gesellschaft  gemacht  und 


129 


17 


sich  erst  am  29.  Juni  in  Rom  von  ihm  getrennt  zu  haben,  um  über  Turin  nach 
Paris  zu  fahren.  Am  10.  August  desselben  Jahres,  also  noch  nicht  dreißigjährig,  ist 
dann  Raffalt  in  Rom  gestorben.  Dieser  Tod,  der  Pettenkofen  sehr  nahe  gegangen 
sein  muß,  findet  sich  auf  einem  Zettel  aus  seinem  Nachlaß  notiert.  Johann  Raffalt 
war  auch  mit  Leopold  Karl  Müller  befreundet.  Raffalt,  der  sehr  begabt  war,  zeigt  sich, 
wie  schon  erwähnt,  in  gewissen  Bildern,  namentlich  solchen,  die  das  österreichische 
Soldatenleben  behandeln  oder  ihre  Motive  der  Puszta  entlehnen,  deutlich  von  Petten- 
kofen abhängig.  Er  scheint  sich  besonders  jene  Malereien  Pettenkofens,  die,  wie 
wir  noch  sehen  werden,  mit  ihrem  grellen  Licht  und  ihren  schweren  Schatten  an 
Decamps  anknüpfen,  zum  Vorbild  gewählt  zu  haben.  Im  Wiener  Kunsthandel  war 
im  Frühling  des  Jahres  1913  ein  Bild  zu  sehen,  das  zwei  ungarische  Bauern  mit 
ihren  Pferden  an  einer  sandigen  Böschung  darstellt  und  der  Tradition  nach  von 
Johann  Raffalt  und  von  Pettenkofen  gemalt  sein  soll.  Tatsächlich  stach  die  Malerei 
des  dunkelbraunen  Pferdes  von  allem  übrigen  ab  und  war  Pettenkofens  Hand  gar 
wohl  zuzutrauen. 

Das  Hauptwerk,  das  Johann  Raffalt  hinterlassen  zu  haben  scheint,  ein  umfäng- 
liches Bild,  das  einen  figurenreichen,  vielfach  bewegten  ungarischen  Pferdemarkt 
darstellt,  erinnert  an  einen  anderen  hochbegabten  Künstler,  der  auch  noch  in  jugend- 
lichem Alter  in  der  ersten  Hälfte  der  sechziger  Jahre  zu  Wien  starb  und  den  Petten- 
kofen gleichfalls  kannte  und  sehr  hoch  schätzte:  an  Teutwart  Schmitson.  Schmitson, 
dessen  romantischer  Lebensgang  bei  Wurzbach")  nachgelesen  werden  möge,  zeich- 
nete sich  durch  Pferdestücke  großen  Formates  aus.  Pettenkofen,  seit  seiner  vor- 
märzlichen Periode  auf  seinen  Bildern  jede  Bewegung  vermeidend,  wird  an  Schmitson 
neben  der  allgemeinen  Großzügigkeit  und  der  breiten  saftigen  Malweise  besonders 
die  vorzügliche  Wiedergabe  der  bewegten  Tiere  bewundert  haben.  Schmitson  ge- 
hört neben  Rudolf  Alt,  Pettenkofen,  Troyon  und  Waldmüller  zu  den  in  der  Galerie 
Friedrich  Gsells  am  stärksten  vertretenen  Künstlern.  Pettenkofen  kann  Schmitson 
durch  Plach  oder  durch  Gsell  kennen  gelernt  haben.  Daß  er  sehr  große  Stücke  von 
ihm  gehalten  hat,  geht  daraus  hervor,  daß  sich  in  seinem  Nachlaß  nicht  weniger 
als  neunzehn  Zeichnungen  des  Frankfurter  Künstlers,  größtenteils  Aktstudien,  vor- 
gefunden haben.  Von  einer  „Skizze  Schmitsons"  hatte  er  sich  schon  früher  getrennt; 
er  hatte  sie  im  Jahre  1871  um  zweihundert  Gulden  dem  Maler  Ethofer  verkauft. 
Pettenkofen  soll  vor  Bildern  Schmitsons  sogar  einmal  geäußert  haben,  solchen 
Sachen  gegenüber  käme  man  sich  wie  ein  Bub  vor  und  täte  besser  daran,  die 
Malerei  überhaupt  aufzugeben.')  Unter  Pettenkofens  Notizen  finden  sich  einmal 
hinter  dem  Namen  Schmitsons  die  unverständlichen  Worte  „im  28.  Regiment". 
Wie  schon  erwähnt,  ist  Pettenkofen  wahrscheinlich  durch  Schmitson  mit  dem 
Frankfurter  Maler  Schreyer  bekannt  geworden;  jedenfalls  hat  er  von  Schmitson, 
der  mit  Menzel  befreundet  war,   viel  von  diesem  gehört. 

Daß  Pettenkofen  schon  1867  mit  Otto  von  Thoren  und  dessen  Familie  in  freund- 
schaftlichem Verkehr  gestanden  hat,  ist  aus  einem  vom  13.  November  dieses  Jahres 
datierten  Briefe  an  Kratzer  zu  ersehen. 

Sind  dies  die  paar  Künstler,  mit  denen  Pettenkofen  zu  jener  Zeit  einzig  und  allein 
in  Wien   näher  verkehrt   zu   haben  scheint,    so  muß   im   folgenden  vor  allem  von 


130 


Bauerngarten  in  Hallstatt.    Ölbild.    (1883?) 


Wien,  S.  Kende. 


zwei  Männern  gesprochen  werden,  die  zwar  nur  als  Händler  und  als  Sammler 
mit  der  Kunst  zusammenhängen,  aber  auf  Pettenkofens  Leben  von  größtem  Einfluß 
waren. 

Mit  dem  Kunsthändler  Georg  Plach  hatte  Pettenkofen,  wie  schon  mitgeteilt  wurde, 
vermutlich  bereits  vor  seiner  ersten  Reise  nach  Paris  zu  tun.  Daß  sich  Plach  aber 
erst  dann  für  Pettenkofen  werktätig  interessiert  hat,  nachdem  sich  dieser  auch  in 
Paris  einen  Namen  gemacht  hatte,  darf  wohl  als  ausgemacht  gelten.  In  Petten- 
kofens Briefen  und  Notizbüchern  tritt  der  Name  Plachs  erst  im  Jahre  1856  auf.*) 
Setzt  dieses  Datum  den  tatsächlichen  Beginn  von  Pettenkofens  Beziehungen  zu 
Plach  ungefähr  um  fünf  Jahre  zu  spät  an,  so  wird  dagegen  der  12.  April  1877, 
unter  dem  Pettenkofen  in  seinen  Notizbüchern  zum  letzten  Mal  einen  Verkauf  an 
Plach  einträgt,  so  ziemlich  richtig  den  Termin  angeben,  zu  dem  sich  jene  Bezie- 
hungen zu  lösen  angefangen  haben.  In  der  Zwischenzeit  aber  stand  Pettenkofen 
mit  Plach  in  reger  geschäftlicher  Verbindung.  Plach  ist  im  Jahre  1884  gestorben. 
Er  war  für  Pettenkofen  schon  darum  von  großer  Bedeutung,  weil  er  ihn  mit  einem 
Käufer  großen  Stiles  bekannt  gemacht  hat,  auf  den  Pettenkofen  fast  zwei  Jahrzehnte 
hindurch  zählen  durfte,  mit  Friedrich  Gsell.  Wie  eifrig  dieser  Arbeiten  Pettenkofens 
gesammelt  hat,  erhellt  daraus,  daß  im  Katalog  der  Auktion  seines  Nachlasses,  die 
im  März  des  Jahres  1872  unter  Plachs  Leitung  im  Wiener  Künstlerhaus  stattfand, 
nicht  weniger  als  132  Nummern  Werke  Pettenkofens  sind.     Mit  Gsell  aber  stand 


131 


17» 


Plach,  wie  er  im  Vorwort  des  eben  genannten  Kataloges  selbst  mitteilt,  seit  der 
Versteigerung  der  Barono wsky sehen  Galerie  im  Jahre  1849  in  Geschäftsverbindung. 
Über  Plachs  Bedeutung  für  den  Wiener  Kunsthandel  in  der  Zeit  von  1850  bis 
1880  und  über  seinen  beruflichen  Werdegang  ist  Theodor  von  Frimmels  Geschichte 
der  Wiener  Gemäldesammlungen")  nachzuschlagen.  Hier  seien  bloß  ein  paar  Streif- 
lichter auf  Plachs  Charakter  geworfen.  Er  besaß  eine  feine  Witterung,  war  außer- 
ordentlich regsam  und  ließ  sich  bei  seinen  Geschäften  nicht  leicht  durch  Skrupel 
beirren.  Besonders  gern  kaufte  er  um  billiges  Geld  die  „Attributen",  wie  er 
sich  ausdrückte,  die  er  dann  zu  den  höchsten  Preisen  als  eigenhändige  Werke 
der  betreffenden  Meister  an  den  Mann  zu  bringen  verstand.  Von  jedem  Bilde 
wußte  er  eine  Geschichte  zu  erzählen.  Zu  lügen  und  sich  zu  verstellen  war  ihm 
zur  zweiten  Natur  geworden.  Sogar  den  Schauspielern  vom  Burgtheater,  mit 
denen  er  häufig  nach  der  Vorstellung  zusammentraf,  spielte  er  Komödie  vor;  er 
erzählte  ihnen  die  unglaublichsten  Sachen  und  trieb  solche  Narrheiten,  daß  sie  aus 
dem  Staunen  und  dem  Lachen  gar  nicht  herauskamen.  Er  sprang  mit  Künstlern  und 
Käufern,  auch  wenn  sie  seine  Freunde  waren,  auf  das  unerhörteste  um.  Da  er 
aber  Witz  und  Phantasie  und  vor  allem  eine  unverwüstliche  gute  Laune  besaß, 
so  war  es  selbst  für  die  Geschädigten  schwer,  ihm  ernstlich  böse  zu  werden.  Doch 
hatte  er  einmal  wegen  des  Verkaufes  falscher  Bilder  eine  schlimme  Affäre  mit  der 
Künstlergenossenschaft.  Man  erzählt  Stücke  folgender  Art  von  ihm:  Er  gabelte 
zum  Beispiel  irgendwo  ein  hübsches  Mädel  auf,  setzte  sie  in  einen  Fiaker,  fuhr 
mit  ihr  zu  Amerling,  gab  ihm  einen  Hunderter  und  bewog  ihn,  sie  zu  malen.  War 
er  so  in  den  Besitz  eines  Bildes  gelangt,  verkaufte  er  es  womöglich  auf  der  Stelle 
mit  großem  Profit  an  seinem  Stammtisch,  dem  unter  anderen  der  alte  Raffalt  und 
ein  gewisser  Holle,  ein  preußischer  Amateur, '")  angehörten.  Ein  anderes  Mal  kaufte 
er  von  Amerling  ein  Bild,  das  den  dicken  alten  Raffalt  als  Falstaff  darstellte,  und 
ließ  zwei  Kopien  darnach  anfertigen.  Alle  beide  hieng  er  zwei  Bekannten,  eine 
jede  natürlich  als  das  Original,  an,  und  als  der  eine  wutschnaubend  zu  ihm  kam 
und  ihm  vorhielt,  er  hätte  ihn  versichert,  ihm  ein  Original  Amerlings  zu  ver- 
kaufen, in  Wahrheit  aber  besitze  der  und  jener  das  Original  und  ihn  habe  er  mit 
einer  Kopie  aufs  Eis  geführt,  beschwichtigte  er  ihn  mit  den  Worten:  „Aber  dem 
dummen  Kerl,  der  gar  nichts  von  Bildern  versteht,  werd'  ich  doch  nicht  das  Ori- 
ginal geben.  Das  Original  haben  natürlich  Sie."  Und  dem  andern  sagte  er  das 
Gleiche.  Er  selbst  aber  hatte  noch  das  echte  Bild  zu  verkaufen.  Als  einmal  ein 
Photograph  zu  ihm  kam  und  sich  erbot,  ihm  durch  Übermalen  photographischer 
Abzüge  rasch  und  leicht  täuschende  Kopien  von  Bildern  herzustellen,  gab  er  ihm 
sofort  eines  von  Pettenkofen  mit,  auf  daß  er  die  neue  Kunst  daran  probiere.  Plach 
hatte  auch  eine  Frau,  deren  Schönheit  stadtbekannt  war.  Hans  Makart,  einer  der 
letzten  Schützlinge  Plachs,  hat  sie  lebensgroß  gemalt.  (Das  Bild  befindet  sich  heute 
in  der  Österreichischen  Staatsgalerie.)  Auch  seiner  schönen  Gattin  wußte  sich  Plach 
bei  seinen  Geschäften  nicht  weniger  vorteilhaft  als  unbekümmert  zu  bedienen.  Aus 
Plachs  Geschäft  sind,  ihm  im  Charakter  überlegen  und  an  Tüchtigkeit  nicht  nach- 
stehend, die  Kunsthändler  Charles  Sedelmeyer  in  Paris")  und  Friedrich  Schwarz 
in  Wien  hervorgegangen.   Pettenkofen   wird   nicht   nur   lange  Zeit  von  Plach,   der 


132 


ihm  praktisch  natürlich 
turmhoch  überlegen  war, 
materiell  abhängig  gewe- 
sen sein  —  war  er  doch, 
wie  wir  noch  sehen  wer- 
den, bis  an  sein  Lebens- 
ende dessen  Schuldner  — 
sondern  es  werden  ihn 
auch  trotz  allem  Bedenk- 
lichen im  Wesen  des 
Mannes  dessen  Originali- 
tät und  Begabung  immer 
wieder  angezogen  haben. 
Plach  dürfte  es  auch, 
wie  gesagt,  gewesen  sein, 
durch  den  Pettenkofen 
Friedrich  Gsell  kennen  ge- 
lernt hat.  Gsell,  von  Ge- 
burt ein  Elsässer,  war  ein 
großer  Wollhändler.  Er 
kaufte  die  Wolle  in  Un- 
garn und  verkaufte  sie  wei- 
ter. Den  Grund  zu  seinem 
Vermögen  hatte  er  in  Dien- 
sten der  Straßburger  Firma 
Joltrois  &  Ehrmann  gelegt. 
Bilder  zu  sammeln,  hatte 
Gsell  Ende  der  vierziger 
Jahre  begonnen.  Seine  mei- 
sten Ankäufe  wurden  ihm  wohl  durch  Plach  vermittelt.  Da  er  sehr  reich  war,  noch  zu 
einer  verhältnismäßig  wohlfeilen  Zeit  sammelte,  selbst  Geschmack  und  Verständnis 
besaß,  sich  gut  beraten  ließ  und  bei  seinen  Ankäufen  zielbewußt  und  großzügig  vor- 
gieng,  so  gelang  es  ihm,  in  den  wenig  mehr  als  zwanzig  Jahren  seiner  Sammeltätigkeit 
eine  Galerie  zustande  zu  bringen,  die  als  die  immerhin  rasch  entstandene  Sammlung 
eines  Privatmannes  ihresgleichen  suchte.  Der  Katalog  der  Versteigerung  von  Gsells 
Nachlaß  legt  heutzutage  eigentlich  allein  mehr  geschlossenes  Zeugnis  von  der  Bedeu- 
tung dieser  Wiener  Privatgalerie  ab.  Auf  die  kostbaren  alten  Bilder,  die  größtenteils  in 
den  angesehensten  öffentlichen  Kunstbesitz  übergegangen  sind,  einzugehen,  ist  hier 
natürlich  nicht  der  Platz,  doch  sollen  einige  von  ihnen  im  Zusammenhang  mit 
Pettenkofen  weiter  unten  zur  Sprache  kommen.  Unter  den  modernen  Meistern,  die 
in  Gsells  Galerie  vertreten  waren,  seien  zuerst  alle  Pariser  genannt,  für  die  Petten- 
kofen, wie  bereits  zu  zeigen  versucht  wurde,  Interesse  hatte :  Decamps  (3  Ölbilder 
und  1  Zeichnung),  Diaz  (3  Ölbilder),  Dupre  (1  Ölbild),  Fromentin  (1  Ölbild),  Ge- 
rome  (1  Ölbild  und  1  Zeichnung),  Meissonier  (1  Ölbild),  Millet  (2  Ölbilder),  Raffet 


Kleines  Mädchen  in  der  Tür  eines  Salzburger  Bauernhauses.    Ölbild.    (1864.) 
Wien,  Franz  Xaver  Mayer. 


133 


I^f^^l00m^.:  ■^^q\:.rp^j^j!:-^.s?pms^wmm^^  (5  Ölbilder  und  14  Aquarelle  und  Zeich- 
nungen), Ricard  (1  Ölbild),  Rousseau 
(2  Ölbilder),  Stevens  (2  Ölbilder),  Troyon 
(20  Ölbilder  und  18  Zeichnungen  und 
Aquarelle),  Willems  (2  Ölbilder).  Von  den 
hervorragenderen  Österreichern  waren  in 
der  Sammlung,  abgesehen  von  Petten- 
kofen,  zu  finden:  Rudolf  Alt  (2  Ölbilder 
und  299  Aquarelle  und  Zeichnungen), 
Amerling  (1  Ölbild  und  2  Zeichnungen), 
Canon  (1  Ölstudie),  Daffinger  (1  Miniatur), 
Danhauser  (1  Ölbild  und  1  Zeichnung), 
Gau  ermann  (6  Ölbilder  und  144  Ölstudien 
und  Zeichnungen),  Heicke  (1  Ölstudie), 
Johann  Nepomuk  Geiger  (4  Federzeich- 
nungen), Remi  van  Haanen  (1  Ölskizze), 
Jettel  (3  Ölbilder),  Kriehuber  (30  Aqua- 
relle und  Zeichnungen),  Laufberger 
(1  Federzeichnung),  Lichtenfels  (1  Öl- 
bild), Johann  Raffalt  (1  Ölbild  und  8  Stu- 
dien), Ranftl  (1  Aquarell),  Schmitson, 
wenn  man  ihn  zu  den  Österreichern  rech- 
nen darf,  (25  Ölbilder,  102  Studien  und 
2  Zeichenbücher),  Schönn  (2  Ölbilder), 
Schrödl  (7  Zeichnungen),  Straßgschwandt- 
ner  (1  Ölbild  und  66  Zeichnungen)  und 
der  letzte,  nicht  der  schlechteste:  Wald- 
müller (36  Ölbilder). 

Diejenige  Seite  von  Gsells  Wesen,  die 
^     für   Pettenkofen   vor    allem    in   Betracht 
,    ^     •  u    •    nr  r       •■  ^   ^   T.-. , .  ^  kam,   ist   durch   seine  Galerie   wohl   am 

Zigeunerknabe,  sich  eine  Pfeife  anzündend.  Rotelstudie. 
Reichenberg,  Frh.v.Uebiegsche  Gemäldesammlung  der  Stadt.  besten  Und  Vollständigsten  Veranschau- 
licht. Hatte  zuerst  Plach  zwischen  Petten- 
kofen und  Gsell  vermittelt,  so  stand  Pettenkofen  jedenfalls  vom  Jahre  1861  an  mit 
Gsell  direkt  in  Verbindung.  In  dem  ältesten  Bilderverzeichnis  von  Pettenkofens 
Hand,  das  sich  aus  seinem  Nachlaß  erhalten  hat,  findet  sich  nämlich  die  Notiz, 
daß  er  am  24.  Dezember  1861  um  sechshundert  Gulden  Herrn  Gsell  eine  „Markt- 
szene mit  Pferden"  verkauft  habe.  Es  ist  dies  das  erste  Mal,  daß  in  den  auf  uns 
gekommenen  Aufzeichnungen  Pettenkofens  der  Name  Gsells  vorkommt.  Von  da  an 
aber  kehrt  er  in  Verbindung  mit  verkauften  Bildern  oder  erhaltenen  Beträgen  in 
den  Notizbüchern  immer  wieder,  bis  sich  am  25.  September  des  Jahres  1871  Gsells 
Tod  verzeichnet  findet. 

An  dritter  Stelle  —  wahrlich  nicht  nach  der  Bedeutung,  die  ihm  für  Pettenkofens 
Leben  zukommt  —  ist  hier  Franz  Xaver  Mayer  zu  nennen.  Dieser  väterliche  Freund 


.  134 


Pettenkofens  steht  in  dessen 
ganzem  Leben  wie  eine  un- 
verrückbare Säule  da.  Er 
ist  derjenige,  auf  den  sich 
Pettenkofen  jederzeit  und 
in  allen  Lagen  unbedingt 
verlassen  konnte.  Franz 
Xaver  Mayer  tritt,  wie 
schon  erwähnt,  in  Petten- 
kofens Leben  zum  ersten 
Mal  als  der  vierte  Tabular- 
gläubiger  auf,  der  bei  der 
öffentlichen  Versteigerung 
von  Pettenkofens  über  und 
über  verschuldetem  väter- 
lichen Gut  Reiteben  im 
Jahre  1835  nicht  mehr  be- 
friedigt werden  konnte. 
Vom  Jahre  1835  an  bis 
zum  Jahre  1851  läßt  sich 
ein  Verkehr  Pettenkofens 
mit  Mayer  zwar  nicht  ur- 
kundlich belegen,  doch 
spricht  alles  dafür,  daß  sich 
dieser  auch  während  jener 
Zeit  um  den  heranreifenden 
Künstler  gekümmert  hat. 
Vom  18.  Oktober  1851  aber 
bis  zum  29.  Oktober  1888, 
also  wenige  Monate  vor 
Pettenkofens  Tod,  haben 
sich  fast  hundert  Briefe  von 
ihm  an  Mayer  erhalten. 
Es  ist  die  ausgedehnteste 
Korrespondenz,  die  Pettenkofen  während  seines  Lebens  geführt  hat.  Gleich  der  erste 
Brief  schlägt  den  Ton  an,  der  für  sämtliche  die  langen  siebenunddreißig  Jahre  hin- 
durch charakteristisch  bleibt.  Es  heißt  da:  „Hochgeehrter  Herr  von  Mayer,  teurer, 
edler  Freund!!  .  .  .  Wie  soll  ich  mich,  wo  ich  Ihnen  so  vieles  zu  sagen  habe,  .  .  . 
an  eine  schriftliche  Aussprache  meines  tiefgefühlten  Dankes  machen  für  die  so 
freundliche  Bereitwilligkeit,  mit  der  Sie  mir  die  Last  materieller  Sorgen  zu  verrin- 
gern suchen  und  mir  so  mehr  Zeit  und  Gedanke[n]  für  meine  Kunst  geben."  Im 
schon  zitierten  Pariser  Brief  vom  23.  Mai  1855  heißt  es  ferner:  „  .  .  .  Verzeihen 
Sie,  daß  man  Sie  mit  meinen  Wohnungsschlüsseln  belastet.  Wäre  ich  Kaiser,  ich 
würde  die  mehrer  Städte  in  Ihre  Hände  legen,  ..."  Franz  Xaver  Mayer,  der  Mann 


Zigeuner  mit  üeige,  sich  eine  Pfeife  anzündend.  Ölbild.   Purkersdorf.V.  Zuckerkandl. 


135 


des  praktischen  Lebens,  hilft  dem  Künstler  finanzielle  Schwierigkeiten  überwinden, 
ordnet  dessen  Geldangelegenheiten,  erweist  ihm  auch  sonst  Gefälligkeiten  aller  Art 
und  ist  immer  der  anteilnehmende,  warmfühlende  Freund  und  schließlich  die  ganze 
Zeit  hindurch,  freilich  nicht  in  so  großem  Stile  wie  Friedrich  Gsell,  auch  ein  Käufer 
von  Pettenkofens  Bildern.  Daß  die  Bezahlung  zumeist  in  Form  der  Abschreibung 
von  einer  Schuld  hat  erfolgen  müssen,  ist  eine  Sache  für  sich.  Alle  Bilder,  die 
Franz  Xaver  Mayer,  der  Vater,  von  Pettenkofen  erworben  hat,  befinden  sich  noch 
heute  im  Besitz  von  dessen  Sohn.  Überhaupt  ist  dieser,  Herr  Kommerzialrat  Franz 
Xaver  Mayer,  so  glücklich,  in  seinem  Elternhaus  in  der  Inneren  Stadt,  Annagasse 
Nr.  8,  noch  eine  kostbare  Altwiener  Privatgalerie  sein  eigen  zu  nennen,  wie  sie 
sich  gleich  unverrückt  und  unversehrt  kaum  ein  zweites  Mal  bis  auf  unsere  Tage 
erhalten  haben  dürfte.  Sie  enthält  nicht  weniger  als  vierzig  Werke  von  Pettenkofens 
Hand:  Ölgemälde,  Aquarelle  und  Zeichnungen  —  zwei  Bilder,  das  eine  bereits  er- 
wähnte von  Raffalt  sen.  und  das  andere  von  Alexandre-Marie  Longuet,  an  denen 
Pettenkofen  mitgearbeitet  hat,  nicht  mitgezählt.  Das  älteste  Datum  auf  diesen  Bil- 
dern ist  1845,  das  jüngste  1886.  Von  den  Pettenkofen-Schätzen  der  Mayerschen 
Sammlung  geben  die  vielen  Reproduktionen  darnach,  die  dem  vorliegenden  Werk 
zur  Zierde  gereichen,  eine  Vorstellung.  Natürlich  sind  auch  die  anderen  Altwiener 
Meister  in  der  Galerie  gut  vertreten,  ja  sogar  ein  kleines,  aber  echtes  Bild  von 
Rembrandt  gehört  ihr  an.  —  Daß  der  alte  Mayer,  der  „Kaffee-Mayer",  wie  sein 
Spitzname  lautete,  weil  er  einen  Großhandel  mit  Kaffee  betrieb,  gute  Beziehungen 
zu  Kunst  und  Künstlern  hatte,  war  schon  durch  seine  Nachbarschaft  zur  Akademie 
der  bildenden  Künste  bedingt,  die  bis  zum  Jahre  1876  seinem  Hause  gegenüber, 
nur  durch  das  enge  Gäßlein  davon  getrennt,  in  den  Räumen  des  ehemaligen  Sankt- 
Annen-Klosters  untergebracht  war. 

Außer  Gsell  und  Mayer  scheint  Pettenkofen  in  dem  geschilderten  Zeitraum  nur 
noch  zwei  Männer  gekannt  zu  haben,  mit  denen  er  gut  war  und  die  ihm  wenig- 
stens dann  und  wann  einmal  ein  Bild  abkauften.  Der  eine  ist  Karl  von  Kratzer, 
von  dem  schon  die  Rede  war,  der  andere  Dr.  Max  Josef  Schüler  in  Graz,'-)  an 
den  er  am  22.  März  1860  von  Paris  aus  Kratzer  Grüße  aufträgt  und  dem  er  am 
15.  Jänner  1863   ein  Bild  verkauft.  — 

Auf  Wiener  Ausstellungen  kommt  Pettenkofen  in  den  fünfziger  und  sechziger 
Jahren  immerhin  ein  paar  Mal  vor,  und  zwar  auf  den  Ausstellungen  des  Kunst- 
vereines, natürlich  des  jüngeren,  und  in  den  Jahren  1854,  1856  und  1866.  Daraus, 
daß  im  Jahre  1866  das  Aquarell  „Der  mitleidige  Soldat",  das  bereits  1850  gemalt 
war,  ausgestellt  ist  und  daß  in  den  Jahren  1856  und  1866  in  den  Katalogen  bei  den 
ausgestellten  Bildern  Pettenkofens  Besitzer  genannt  sind,  läßt  sich  mit  aller  Wahr- 
scheinlichkeit entnehmen,  daß  Pettenkofen,  der  niemals  ein  Freund  von  Ausstel- 
lungen war,  auch  damals  nicht  selbst  ausgestellt  hat.  Dasselbe  gilt  auch  wohl  für  die 
paar  Bilder  von  ihm,  die  1854  und  1855  auf  Ausstellungen  des  Pester  Kunstvereines 
zu  sehen  waren  und  von  denen  die  im  letzteren  Jahre  ausgestellten  von  der  Pester 
Zeitungskritik  mit  ebenso  wenig  Verständnis  wie  Liebe  beurteilt  wurden.'^) 

Aber  auch  an  ausländischen  Ausstellungen  jener  Zeit  war  Pettenkofen  beteiligt. 
Von  der  Ausstellung   der  „Ungarischen  Freiwilligen"  im  Jahre  1853   in  Paris  war 


136 


schon  die  Rede.  1854  riefen  auf 
der  „Ersten  allgemeinen  deut- 
schen Gemäldeausstellung"  in 
München  der  „Verwundeten- 
transport" in  der  Fassung  des 
Jahres  vorher  und  der  „Fluß- 
übergang österreichischer  Infan- 
terie" Aufsehen  hervor.  Ferner 
waren  sogar  auf  der  vom  1.  Mai 
bis  zum  15.  November  des  Jah- 
res 1862  geöffneten  internatio- 
nalen Kunstausstellung  in  Lon- 
don zwei  Bilder  von  ihm  zu 
sehen.  Vermutlich  waren  sie 
ohne  sein  unmittelbares  Zutun 
über  den  Kanal  gesandt  wor- 
den. Es  waren  die  Nummern 
1118:  „Gipsies  bathing",  ein 
Ölbild  (entweder  das  um  die 
Mitte  der  fünfziger  Jahre  anzu- 
setzende Bild  in  Reichenberg 
oder  das  wahrscheinlich  vom 
Beginn  der  sechziger  Jahre 
stammende  bei  Baron  Gustav 
Springer  in  Wien,  wohl  kaum 
dagegen  das  vom  Jahre  1855  da- 
tierte bei  Georg  Weiß  ebenda), 
und  1172:  „Gipsy  Life,  Hun- 
gary",  ein  Aquarell  (vermutlich 
eines  jener  Zigeunerlager  aus 
den  Jahren  1855  und  1856,  wie 
sie  Baron  Alfons  Rothschild 
oder  das  Kunsthistorische  Hof- 
museum besitzt).  Die  Ausstel- 
lung war  ungemein  reich  be- 
schickt und  griff  sehr  weit  zu- 
rück. Unter  den  Franzosen  waren  z.  B.,  um  ein  paar  der  jüngsten  ein  paar  der  älte- 
sten entgegenzustellen,  neben  Gerome,  Cabanel,  Hamon,  Daubigny  und  Meissonier 
auch  noch  Ingres,  Charlet,  Delaroche,  Ary  Scheffer,  Delacroix,  Diaz  und  Decamps 
vertreten.  In  der  österreichischen  Abteilung  waren  sogar  noch  Füger  und  Quadal 
zu  sehen,  im  übrigen  scheint  sie  ein  ziemlich  vollständiges  Bild  der  malerischen 
Bestrebungen  des  Donaureiches  während  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahrhunderts 
gegeben  zu  haben. '0  Pettenkofen  erhielt  für  die  Beteiligung  an  dieser  Ausstellung 
1863  das  Ritterkreuz  des  Franz  Josefs-Ordens.'*) 


Zigeunerin,  sich  eine  Pfeife  anzündend.   Ölbild.   (,1862  ?j 
Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie. 


137 


18 


Hier  dürfen  vielleicht  auch  noch  die  anderen  Auszeichnungen,  die  Pettenkofen 
während  der  sechziger  Jahre  zuteil  wurden,  angeführt  werden:  im  selben  Jahre  1863 
wurde  er  von  der  „R^union  des  artistes-peintres  etc.  du  Royaume  des  Pays-Bas 
sous  le  nom  de  la  soci6t6  ,Arti  et  Amicitiae'"  zu  ihrem  Ehrenmitglied  ernannt,'") 
und  1866  ward  er  wirkliches  Mitglied  der  k.  k.  Akademie  der  bildenden  Künste  in 
Wien. ") 

Auf  Wiener  Kunstauktionen  kommen  Arbeiten  Pettenkofens  das  erste  Mal  1859 
bei  Plach,  dann  1860  bei  Sedelmeyer,  1862  bei  Mayer  &  Co.,  1865  bei  Alexander 
Posonyi  und  1866  wieder  bei  Sedelmeyer  vor.  Erst  vom  Jahre  1868  an  erscheinen 
sie  häufiger  und  sind  von  da  an  bis  auf  den  heutigen  Tag,  man  könnte  fast  sagen : 
ein  eiserner  Bestand  jeder  größeren  Wiener  Bilderversteigerung  geblieben.  1868 
werden  auf  vier  Auktionen  Kaesers,  1869  auf  einer  Auktion  Kaesers,  auf  dreien 
Plachs,  dreien  Alexander  Posonyis,  einer  Friedrich  Schwarz'  und  einer  Sedelmeyers 
Bilder  Pettenkofens  veräußert.  Das  Ausland  gieng  hierin  Wien  voraus,  denn,  wie 
wir  bereits  gehört  haben,  gelangte  in  Paris  schon  im  Jahre  1858  Pettenkofens  Ge- 
mälde „Nach  dem  Duell"  zur  Versteigerung.  — 

Was  die  Wiener  bildende  Kunst  zwischen  1850  und  1870  anbelangt,  so  muß  ge- 
sagt werden,  daß  für  sie  innerhalb  dieser  Zeit  nicht  wenig  geschehen  ist,  sowohl 
von  Seiten  des  Staates,  als  auch  aus  dem  Schöße  der  Künstlerschaft  selbst  heraus : 
1864  wurde  das  Kunstgewerbemuseum,  drei  Jahre  später  die  Kunstgewerbeschule 
gegründet,  und  schon  im  Jahre  1869  konnte  die  eben  erst  entstandene  Künstler- 
genossenschaft ihr  eigenes  Haus  beziehen. 

Die  jene  zwei  Jahrzehnte  füllende  Wiener  bildende  Kunst  selbst  ist  hier,  so  reich 
sie  sich  auch  entfaltet,  bald  geschildert,  weil  sie  ihrem  vorwiegend  architektoni- 
schen, dekorativen  Charakter  gemäß  mit  den  Zielen,  dem  Wesen  von  Pettenkofens 
Malerei  so  gut  wie  nichts  gemein  hat.  Die  Abtragung  der  Basteien,  die  1857  be- 
schlossen wird,  die  Anlage  der  1865  eröffneten  Ringstraße  auf  den  so  gewonnenen 
Gründen,  die  Monumentalbauten,  die  sich  zu  beiden  Seiten  der  Ringstraße  von  den 
sechziger  Jahren  an  erheben,  drücken  dieser  Periode  den  Stempel  auf.  Es  ist  nur 
begreiflich,  daß  sich  nicht  bloß  die  Plastik,  deren  bedeutendster  Vertreter,  der 
markige  Erfurter  Fernkorn,  allerdings  gerade  hierin  eine  Ausnahme  macht,  sondern 
auch  die  Malerei  der  tonangebenden  Schwesterkunst  der  Architektur  unterordnet. 
War,  wie  bereits  erwähnt,  der  Führich-Schule  schon  zu  Beginn  der  fünfziger  Jahre 
in  der  Ausmalung  der  Altlerchenfelder  Kirche  eine  große  dekorative  Aufgabe  zu- 
gefallen, so  kamen  Rahl,  der  Antipode  Führichs,  seit  1863  neben  diesem  Professor 
an  der  Akademie,  und  seine  Schüler  bei  der  malerischen  Ausstattung  des  Arsenals, 
des  Musikvereinsgebäudes  und  des  Opernhauses  zu  Worte.  Dieses  mit  Fresken  zu 
schmücken,  wurde  Mitte  der  sechziger  Jahre  auch  der  längst  zum  Ausländer  ge- 
wordene Schwind  in  seine  Vaterstadt  berufen.  Direktor  der  Akademie  ist  Rüben, 
ein  Schüler  des  Cornelius.  Bezeichnenderweise  ist  Amerling  der  am  meisten  ge- 
feierte Porträtmaler  der  Zeit.  Er  hat  mit  seinen  lebensgroßen,  sehr  geschickten, 
aber  etwas  äußerlichen  und  süßlichen  Bildnissen  die  lebenswahreren  und  künstle- 
risch höher  stehenden  Aquarellporträte  Kriehubers  und  die  Miniaturbildnisse  Daf- 
fingers  abgelöst.    Für  den  Massenbedarf  an  Porträten   arbeitete   die   der  Lithograr 


138 


phie  rasch  den  Garaus  ma- 
chende Photographie.  Von 
den  Genre-  und  Land- 
schaftsmalern des  Vormärz 
gehen  in  voller  Kraft  nur 
drei  in  die  geschilderte 
Epoche  über :  Waldmüller, 
der  zwar  1866  stirbt,  dem 
aber  noch  im  Greisenalter 
eine  neue  Licbtmalerei  auf- 
gegangen war,  deren  ganze 
Bedeutung  erst  die  Nach- 
welt zu  ermessen  vermocht 
hat,  Rudolf  Alt  und  — 
Pettenkofen  selbst,  denen 
beiden  auch  diese  Ent- 
wicklungsphase der  öster- 
reichischen Kunst  zu  über- 
leben bestimmt  war.  Am 
deutlichsten  aber  kommt 
der  Wandel  der  Zeiten 
vielleicht  darin  zum  Aus- 
druck, daß  sich  1869,  also 
noch  im  letzten  Jahre  der 
Periode,  die  hier  zu  über- 
blicken versucht  wird,  der- 
jenige Künstler  in  Wien 
niederläßt,  der  dem  folgen- 
den Abschnitt  der  österreichischen  Kunstgeschichte  den  Namen  geben  sollte: 
Hans  Makart.  — 

Noch  rascher  als  ein  Bild  dessen,  was  in  den  zwanzig  Jahren  von  1850  bis 
1870  auf  dem  Gebiete  der  österreichischen  Kunst  vorgefallen  ist,  läßt  sich  ein  Bild 
der  politischen  Lage  Österreichs  während  jenes  Zeitraumes  umreißen.  Vier  Worte 
genügen:  der  Abschluß  des  Konkordates  im  Jahre  1855,  der  unglückliche  Krieg  in 
Italien  im  Jahre  1859,  der  unglückliche  Krieg  gegen  Preußen  im  Jahre  1866,  der 
Ausgleich  mit  Ungarn  im  Jahre  1867.  Den  Abschluß  des  Konkordates  am  18.  August 
1855  hat  Pettenkofen  jedenfalls  auf  österreichischem  Boden  erlebt,  denn  am  26.  Juli 
1855  ist  er  in  Sauerbrunn  bei  Salzburg  und  am  15.  September  schreibt  er  von  Wien 
aus  an  Franz  Xaver  Mayer.  Von  der  Niederlage  Gyulays  bei  Magenta  am  4.  Juni 
1859  hört  er  in  Paris,  während  der  Schlacht  bei  Solferino  am  24.  Juni  aber  ist  er 
bereits  in  Wien.  Die  Kunde  von  der  verlorenen  Schlacht  bei  Königgrätz  aber  eben- 
so wie  die  von  den  Siegen  bei  Custozza  und  Lissa  trifft  Pettenkofen  in  Paris. 
Während  der  Krönung  Kaiser  Franz  Josefs  I.  zum  König  von  Ungarn  am  8.  Juni 
1867  war  er,  scheint  es,  in  Riva.  — 


Brustbild  eines  Zigeuners.  Ölstudie.         Wien,  K.  k.  Ssterreichische  Staatsgalerie. 


139 


x8' 


Die  Bilder,  die  Pettenkofen  in  den  fünfziger  Jahren  und  die,  die  er  in  den  sech- 
ziger Jahren  gemalt  hat,  lassen  sich  ziemlich  deutlich  unterscheiden,  wenigstens  dem 
Stil  und  der  Technik  nach. 

Die  Besprechung  der  unglaublich  ergiebigen  fünfziger  Jahre,  die  mehrfach  auf 
bereits  Gesagtes  zurückgreifen  muß,  wird  am  besten  mit  dem  Militärbild  be- 
gonnen. Es  hat  mit  dem  „Verwundetentransport"  und  den  „Ungarischen  Frei- 
willigen" vom  Jahre  1853  seinen  Gipfel  und  im  wesentlichen  auch  sein  Ende  er- 
reicht. Gleichwohl  gibt  es  Nachzügler:  die  „Vor  dem  Haustor  plaudernden  Sol- 
daten" und  die  „Hütte  mit  einem  toten  Soldaten"  vom  Jahre  1854  und  die  „Sol- 
daten in  einem  Bauernhaus"  vom  Jahre  1856.  Aus  dem  Jahre  dazwischen  stammt 
ferner  jene  Fassung  des  so  beliebten  „Verwundetentransportes",  die  sich  heute  als 
Leihgut  des  Mr.  George  W.  Vanderbilt  im  Metropolitan  Museum  in  New  York  be- 
findet. Von  zeitgenössischen  Militärbildern,  die  sogar  noch  den  sechziger  Jahren 
angehören,  wird  unten  die  Rede  sein.  Auch  Pettenkofens  Tätigkeit  als  Porträt- 
maler ist  der  Hauptsache  nach  um  das  Jahr  1850  abgeschlossen,  doch  stammt  ein 
lebensgroßes  Mädchenbrustbild,  heute  im  Besitz  des  Herrn  Salo  Cohn  in  Wien, 
ist  der  Bleistiftnotiz  eines  Auktionskataloges")  zu  trauen,  aus  dem  Jahre  1855.  Der 
Malweise  nach  wäre  es  gut  möglich.  Ungefähr  derselben  Zeit  muß  nicht  nur  das 
nicht  ganz  zu  Ende  geführte  kleine  Profilbildnis  der  Geliebten,  sondern  auch  das 
lebensgroße  Brustbild  von  Pettenkofens  Freunde,  dem  Maler  Borsos,  angehören, 
das  sich  heute  im  Budapester  Museum  befindet.  Pettenkofen  selbst  erwähnt  dieses 
Bild  in  seinen  Notizbüchern  erst  im  März  des  Jahres  1865.  Das  Bild  ist  aber  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  vor  1861  entstanden,  weil  der  Dargestellte  darauf  langes 
Haar  träg^,  während  er  auf  einer  Lithographie  Marastonis,  die  vom  1,  August  jenes 
Jahres  datiert  ist,  das  Haar  kurz  geschnitten  hat.  Auch  auf  Pettenkofens  Aquarell- 
porträt des  befreundeten  Künstlers,  das  1847  gemalt  ist,  trägt  dieser  langes  Haar. 
In  der  Regel  nun  deutet  das  lange  Haar  auf  jüngere  Jahre,  und  auf  Pettenkofens 
Ölbild  sieht  Borsos  auch  tatsächlich  noch  jünger  aus  als  auf  der  Lithographie 
seines  Landsmannes.  Das  Porträt  wird  daher  noch  in  die  fünfziger  Jahre  gehören, 
ein  Ansatz,  mit  dem  sich  auch  das  kühle  Kolorit  in  Einklang  bringen  läßt.'")  Außer- 
dem wird  eine  richtige  Porträtzeichnung  unten  zu  Beginn  der  sechziger  Jahre  zu 
erwähnen  sein.  Von  den  Kostümbildern  ist  das  älteste  das  vom  Jahre  1851  da- 
tierte Aquarell,  das  einen  „Landsknecht  im  Kornfeld"  darstellt.  1852  folgen  die 
„Räuber  im  Kornfeld"  in  der  Wallace  CoUection  in  London,  und  dem  Jahr  darauf 
gehört  das  „Duell  vor  der  Stadtmauer"  im  Museum  Fodor  in  Amsterdam  an.  Diese 
drei  Bilder  bleiben  aber  trotz  des  Erfolges,  für  den  doch  der  Verkauf  der  beiden 
letzteren  im  Ausland  angesehen  werden  muß,  fast  ganz  ohne  Nachfolge.  Es  ist 
einzig  und  allein  die  „Ölstudie  eines  jungen  Kavaliers  in  der  Tracht  des  XVII.  Jahr- 
hunderts" zu  erwähnen,  die  ungefähr  aus  der  Zeit  des  Amsterdamer  Bildes  stammen 
wird  und  vermutlich  mit  der  „Ölstudie  (Kostüm  des  XVII.  Jahrhunderts)"  identisch 
ist,  die  Pettenkofen  im  Juli  1867  um  200  fl.  an  Gsell  verkauft.  Ein  Akt,  die  Öl- 
studie eines  liegenden  Weibes,  heute  im  Besitz  Alfred  Wawras,  gehört  seiner 
kühlen  Farbengebung  nach  unzweifelhaft  den  fünfziger  Jahren  an.  Von  Werken 
intimeren   Charakters   wurden   die   beiden   Albums    aus   den  Jahren    1851    und 


140 


TAFEL  XXVII 
DER  KUSS.   ÖLBILD.  (1864.)   WIEN,   KUNSTHISTORISCHES  HOFMUSEUM. 


I 


I 


TAFEL  XXVIII 


ZIGEUNERMÄDCHEN,    AUF    EINEM   HERD   HOCKEND   UND   RAUCHEND. 
UNVOLLENDETES  ÖLBILD.  WIEN,  FRITZ  DOBNER  V.  DOBENAU. 


. 


Stilleben  mit  totem  Huhn.   Ölbild. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


1852,  das  eine  von  Pettenkofen  für  die  Geliebte  gemalt,  das  andere  von  ihr  aus 
Zeichnungen  von  ihm,  die  für  sie  bestimmt  waren,  zusammengestellt,  bereits  er- 
wähnt. Das  Aquarellbildnis  des  Wirtes  von  Zell  am  Ziller  und  die  seine  Tochter 
darstellende  Zeichnung  vom  Jahre  1856,  endlich  der  wohl  um  dieselbe  Zeit  für 
die  Geliebte  nmit  Feldblumen  bemalte  Fächer  schließen  sich  an.  In  einem  anderen, 
wenn  auch  nicht  ganz  im  selben  Sinne,  wird  auch  die  vom  gleichen  Jahre  und 
aus  Paris  datierte  Zeichnung  einer  auf  einer  Ottomane  ruhenden  Dame  hierher 
gehören.  Fremdländische  Motive  werden  nur  auf  zwei  bereits  angeführten 
flüchtigen  Zeichnungen,  die  beide  ebenfalls  aus  dem  Jahre  1856  stammen  und 
in  Havre  und  Dieppe  entstanden  sind,  behandelt. 

Was,  vom  stofflichen  Gesichtspunkt  aus  betrachtet,  übrig  bleibt,  die  große,  große 
Mehrzahl  dessen,  was  Pettenkofen  in  den  fünfziger  Jahren  geschaffen  hat,  sind 
Bilder,  deren  Themen  dem  ungarischen  oder  dem  niederösterreichischen  Land- 
leben, der  ungarischen  oder  der  niederösterreichischen  Landschaft  entnommen  sind. 
Der  niederösterreichischen  Bilder  aber  sind  verhältnismäßig  so  wenige,  daß  sie 
füglich  vernachlässigt,  d.  h.  unter  einem  mit  den  ungarischen  behandelt  werden 
können.  Was  die  Themen  der  ungarischen  Bilder  anbelangt,  so  sind  sie  im  allge- 
meinen bereits  im  Kapitel  „Szolnok"  aufgezählt  worden.  Die  in  den  fünfziger  Jahren 
entstandenen  ungarischen  Bilder  müssen  daher  hier  zuerst  und  vorwiegend  vom 
stilistischen  Standpunkt  aus  besprochen  werden. 

Vor  allem  wichtig  ist  die  Frage  nach  dem  französischen  Einfluß.  Er  läßt  sich, 
sieht  man  von  dem  bereits  erörterten,  nur  kurze  Zeit  währenden  Einfluß  auf  die 
Stoffwahl  ab,  nach  zwei  Richtungen  hin  feststellen.  Einmal  in  der  einer  feinfühligen 


141 


Tonmalerei.  Als  frühestes  Beispiel  dafür  kann  das  Bild  in  der  Österreichischen 
Staatsgalerie  angesehen  werden,  das  vom  Jahre  1851  datiert  ist  und  „Österreichi- 
sche Infanterie,  einen  Fluß  passierend"  darstellt.  Es  eröffnet  eine  ganze  Gruppe 
von  Gemälden,  bei  denen  allen  der  landschaftliche  Charakter  überwiegt  und  denen 
allen  der  niedere  Horizont  und  das  große  Stück  bewölkten  Himmels  gemeinsam 
sind.  In  gewissem  Sinne  ist  hierher  auch  der  „Verwundetentransport"  in  der  Fas- 
sung vom  Jahre  1853  zu  rechnen,  nur  stehen  bei  ihm  die  Figuren  im  Mittelpunkt 
des  Interesses  und  sein  Kolorit  ist  ein  bißchen  zu  wenig  gleichmäßig  gedämpft;  die 
Farben  der  Marketenderin  fallen  etwas  heraus.  Besonders  eigneten  sich  für  diese 
Malerei  wolkige  Abende  bald  nach  Sonnenuntergang  an  der  über  ihre  Ufer  ge- 
tretenen Theiß.  Solche  Bilder  sind  die  „Theißlandschaft  mit  den  zwei  Pferden" 
vom  Jahre  1853  und  die  „Theißlandschaft  mit  den  neun  Pferden"  vom  Jahre 
1854,  beide  in  der  Liebiegschen  Gemäldesammlung  der  Stadt  Reichenberg.  Bei 
dem  letzteren  Bilde  ist  der  Sommerabend  heiterer,  der  Himmel  nur  mit  gleich- 
förmigem Dunst  bedeckt.  Bei  der  ersteren  sind  links  zwei  Drittel  des  Firmamentes 
mit  dunkleren  Gewitterwolken  überzogen,  nur  im  letzten  Drittel  rechts  ist  es  hell. 
Vom  Jahre  1855  datiert  ist  eine  Theißlandschaft,  die  vorne  im  Wasser  mit  einer 
Zigeunerin  und  ihren  zwei  Kindern  staffiert  ist.  Hier  ist  der  Himmel  bis  auf  eine 
dunkle  Wolkenwand,  die  sich  nach  links  zu  allmählich  auflöst,  an  ihrem  oberen 
Rande  noch  von  der  Sonne  vergoldet  ist  und  schwer  über  der  Ebene  lastet,  rein. 
Das  Bild  gehört  dem  Herrn  Georg  Weiß  in  Wien.  Bei  dem  vom  Jahre  1855  da- 
tierten Bilde  „Die  wallachische  Post"  im  Besitz  Josef  Engelharts  in  Wien  breitet 
sich  über  den  ganzen  Himmel  schweres,  aber  zerklüftetes,  vom  Winde  nach  rechts 
getriebenes  Gewölk  aus;  es  ist  nach  dem  Regen,  der  Wind  hat  ihm  Einhalt  getan, 
sobald  er  aber  aufhört  zu  wehen,  werden  sich  die  Wolken  wieder  verdichten,  sich 
senken  und  ihr  Wasser  herabträufen.  Der  düsterste  Himmel  hängt  über  der  „Theiß- 
landschaft mit  den  drei  Zigeunerzelten  und  den  badenden  Zigeunerweibern  und 
-kindern  davor".  Hier  ist  das  Licht  zum  ersten  Mal  im  Rücken  des  Beschauers,  schwere 
graue  Wolkenmassen  füllen  vollständig  den  Himmel  aus.  Das  undatierte  Bild,  das  aber 
um  die  Mitte  der  fünfziger  Jahre  entstanden  sein  wird,  gehört  gleichfalls  der  Galerie  der 
Stadt  Reichenberg  an.  Auch  das  1904  in  Paris  versteigerte  Bild  „Le  Debordement", 
das  vom  Jahre  1859  datiert  ist  und  aus  der  Sammlung  des  Herrn  Serge  von  Der- 
wies  in  St.  Petersburg  stammt,  gehört  hierher.  Im  seichten  Theißwasser  stehen  da 
drei  Pferde  und  ein  Fohlen,  der  Himmel  ist  ziemlich  rein  und  hell.  Auf  allen  diesen 
Bildern  spielt  die  Spiegelung  des  vom  Himmel  ausstrahlenden,  das  Gewölk  durch- 
brechenden Lichtes  im  Wasser  eine  große  Rolle.  Pferde  im  Wasser,  am  Troge 
und  badende  Zigeuner  sind  die  Staffage.  Fast  überall  ist  die  Silhouette  des  für  die 
Puszta  so  charakteristischen  Ziehbrunnens  zu  sehen. 

Mag  Pettenkofen  auch  wie  schon  erwähnt  die  Anregung,  sich  malerisch  eindring- 
licher mit  dem  bewölkten  Himmel  zu  befassen,  durch  die  berühmten  „Lüfte"  des 
älteren  Raffalt  empfangen  haben,  so  kann  es  doch  nicht  bezweifelt  werden,  daß 
eine  Gruppe  von  Bildern  wie  die  eben  besprochenen  ohne  Kenntnis  des  „Paysage 
intime"  kaum  entstanden  sein  könnte.  Die  naturwahreren  Farben  (wir  erinnern  uns, 
daß  Pettenkofens  Kolorit  am   Ausgang   der   vorhergehenden    Periode    ein    bißchen 


142 


Der  Kuß  zu  Pferde.  ÖlbUd.  (1864.) 


Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie. 


manieriert  geworden  war)  und  der  immer  mehr  sich  lockernde  Farbenauftrag  sprechen 
allein  schon  für  eine  solche  Vertrautheit.  Die  Anlehnung  an  einen  bestimmten 
Künstler  aber  läßt  sich  in  diesem  Falle  nicht  feststellen.  Man  kann  nur  sagen,  daß 
die  Meisterwerke  Rousseaus,  Daubignys  und  Dupres,  vielleicht  auch  Diaz'  als  Ideale 
vorgeschwebt  haben  müssen. 

Anders  steht  es  mit  einer  zweiten  Gruppe  von  Bildern,  die  sich  durch  scharfe 
Gegensätze  von  Licht  und  Schatten  auszeichnen.  Ihre  Farben  sind  stark  und  satt; 
auch  die,  mit  denen  die  hellen  Partien  gemalt  sind,  wirken  kompakt.  Die  Atmo- 
sphäre, die  auf  einem  solchen  Bilde  supponiert  wird,  ist  fast  von  allem  Wasser- 
dunst, der  über  die  Dinge  den  zarten  Schleier  legt,  frei.  Es  ist  die  klare,  reine 
Luft  nach  einem  Regen,  die  alles  so  deutlich  macht  und  die  Ferne  so  unheimlich  nahe 
rückt.  Interessant  sind  die  Schatten;  ihnen  ist  immer  Blau  beigemengt,  das  bald  stärker, 
bald  schwächer  hervortritt.  Was  war  das  im  Jahre  1894  in  Wien,  als  hier  zum  ersten 
Mal  die  Münchner  Sezession  ausstellte,  für  ein  albernes  Gespött  über  die  „blauen 
Schatten",  die  einige  Münchner  Künstler  auf  ihren  Bildern  gemalt  hatten.  Fünf 
Jahre  vorher  war  Pettenkofen  gestorben  und  er  hatte  —  ^chon  zu  Beginn  der  fünf- 
ziger Jahre    „blaue  Schatten"    gemalt!    Doch   das   nur   nebenher.  —   Alle   hier   ge- 


143 


meinten  Bilder  sind  sehr  pastos  gemalt.  Das  das  grellste  Sommermittagssonnenlicht 
zurückwerfende  Weiß  der  Wand  eines  Bauernhauses  ist  z.  B.  so  dick  aufgetragen, 
daß  die  Struktur  des  Pigments  auf  dem  Bilde  die  Unebenheiten  des  Mörtelbewurfes 
in  der  Wirklichkeit  wiedergibt. 

Dieser  Gruppe  gehören  folgende  Bilder  an:  „Niederösterreichisches  Bauernhaus  mit 
dem  Treidelpferd  und  zwei  Kindern."  Das  Gemälde  ist  vom  Jahre  1851  datiert 
und  ist  Eigentum  des  Fürsten  Johannes  von  und  zu  Liechtenstein.  (Das  dargestellte 
Haus  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  ein  Klosterneuburger  Haus,  denn  das  Treidel- 
pferd deutet  auf  einen  Ort  an  einem  großen  Strome,  die  Bauart  des  Hauses  und 
die  Tracht  der  Kinder  sind  niederösterreichisch  und  Pettenkofen  hält  sich  im 
Jahre  1851  nachweisbar  in  Klosterneuburg  an  der  Donau  auf.)  —  „Klosterneuburger 
Haus  mit  der  hölzernen  Stiege  und  mit  Frau  und  Kind  als  Staffage."  Das  Bild  ge- 
hört dem  Baron  Louis  Rothschild  und  ist  1854  gemalt.  —  „Niederösterreichisches 
Bauernhaus  mit  der  geschirrwaschenden  Bäuerin  davor."  Dieses  Bild  ist  vom 
Jahre  1856  datiert  und  ist  Eigentum  der  städtischen  Sammlung  in  Reichenberg.  Ein 
undatiertes  Bild  mit  einem  ähnlichen  Vorwurf  —  es  wäscht  auch  hier  vor  der  grell 
von  der  Sonne  beschienenen  Wand  eines  Bauernhauses  eine  Bäuerin,  aber  Wäsche 
und  nicht  Geschirr,  und  das  Lokale  ist  deutlich  ungarisch  und  alles  ist  einfacher  — 
ist  unbedingt  auch  der  in  Rede  stehenden  Gruppe  zuzuteilen,  dürfte  aber  beträcht- 
lich später,  etwa  um  1860  anzusetzen  sein.  Aus  dem  Jahre  1857  stammt  das  „Unga- 
rische Bauernfuhrwerk  hinter  einer  Pfütze"  im  Besitz  des  Barons  Louis  Rothschild. 
Ferner  ist  in  diesem  Zusammenhang  noch  das  Bild  „Die  lausende  Zigeunerin"  zu 
nennen,  das  nicht  datiert  ist,  aber  dem  Ende  der  fünfziger  Jahre  angehören  wird 
und  sich  in  der  Österreichischen  Staatsgalerie  befindet.  Allen  diesen  Bildern  ist, 
abgesehen  von  den  oben  erörterten  malerischen  Eigenschaften,  gegenständlich  eine 
vom  grellen  Sonnenlicht  beschienene  Hauswand  gemeinsam,  mit  deren  Weiß  bläu- 
liche Schatten  kontrastieren.  Das  Figurale  spielt  eine  bedeutende  Rolle,  auf  den 
beiden  zuletzt  genannten  Bildern  ist  es  die  Hauptsache. 

Für  diese  Reihe  von  Ölgemälden  Pettenkofens  nun  läßt  sich  im  Gegensatz  zur 
vorherbesprochenen  ein  bestimmtes  französisches  Vorbild  nachweisen:  Alexandre 
Decamps.  Wer  diesen  ausgezeichneten  Meister  kennt,  wird  zugeben  müssen,  daß 
die  stilistischen  Eigentümlichkeiten,  die  eben  für  gewisse  Bilder  Pettenkofens  in 
Anspruch  genommen  wurden,  ebensogut  von  Bildern  Decamps  hätten  ausgesagt 
werden  können.  Die  Übereinstimmung  wird  durch  den  gemeinschaftlichen  orien- 
talischen Stoffkreis  erhöht,  denn  die  Puszta  mit  ihren  Zigeunern  dem  Orient  zuzu- 
rechnen, ist  weniger  paradox,  als  es  scheinen  mag.  Die  Brücke,  die  von  Decamps 
zu  Pettenkofen  führt,  wird  hier  nicht  zum  ersten  Mal  erkannt,  schon  1876  spricht 
C.  von  Vincenti  in  seinem  Büchlein  „Wiener  Kunst-Renaissance"  davon,  daß  Petten- 
kofen „den  eminenten  Farbensinn  eines  Decamps  besitze".^") 

Nun  läßt  sich  folgende  wichtige  Feststellung  machen:  Die  frühesten  Stücke  der 
beiden  eben  besprochenen  Gruppen  von  Bildern  Pettenkofens,  an  denen  französische 
Einflüsse  nachzuweisen  waren,  sowohl  der  Gruppe  von  Bildern  mit  den  hohen 
Lüften,  als  auch  der  Gruppe  von  Bildern  mit  den  grellen  Beleuchtungen  in  der 
Art  Decamps',  stammen  bereits  aus  dem  Jahre  1851:  hier  das  Bild  „Österreichische 

144 


Szolnoker  Geschirrmarkt,   ülbild. 


Budapest,  Graf  Ludwig  Kärolyi. 


Infanterie,  einen  Fluß  passierend"  und  dort  das  Bild  „Niederösterreichisches  Bauern- 
haus mit  Treidelpferd  und  zwei  Kindern".  Wir  erinnern  uns  nun  aber  ferner,  daß 
das  älteste  Stück  der  Gruppe  von  Kostümbildern  Pettenkofens,  denen  schon  weiter 


145 


19 


oben  französischer  Einfluß  nachgesagt  wurde,  gleichfalls  aus  dem  Jahre  1851 
stammt:  der  „Landsknecht  im  Kornfeld".  Daraus  muß  also  der  Schluß  gezogen 
werden,  daß  der  französische  Einfluß  auf  den  Maler  Pettenkofen  schon  im  Jahre 

1851  zu  wirken  beginnt.  Das  ist  aber  ein  Jahr  vor  seinem  ersten  Aufenthalt  in 
Paris.    Es   sei   hier   daran  erinnert,    daß  Pettenkofens  Pariser  Aufenthalt   im  Jahre 

1852  als  sein  erster  Pariser  Aufenthalt  nicht  urkundlich  belegbar  ist,  sondern  daß 
er  sich  als  solcher  nur  erschließen  läßt.  Nun  möge  hier  alles  zusammengefaßt 
werden,  was  dafür  spricht,  daß  Pettenkofen  das  erste  Mal  nicht  schon  1851,  son- 
dern erst  1852  nach  Paris  gekommen  ist:  Aus  dem  Jahre  1851  gibt  es  eine  Reihe 
von  datierten  Arbeiten  Pettenkofens,  die  schon  ihrer  Gegenstände  wegen,  aber 
auch  aus  anderen  Gründen  nur  in  Österreich  entstanden  sein  können:  mindestens 
vier  Lithographien  der  Serie  „Die  k.  k.  österreichische  Armee",  das  ganze  Dutzend 
Lithographien  der  Folge  „Zwölf  Szenen  aus  der  Ehrenhalle  des  k.  k.  Militär-Fuhr- 
wesen-Corps", mindestens  acht  Aquarelle  zu  den  entsprechenden  Lithographien 
dieser  Serie,  das  eine  Ölbildchen  und  die  elf  Aquarelle  mit  Klosterneuburger  An- 
sichten im  Album  für  die  Geliebte,  die  Aquarellfassung  des  „Russischen  Bivouacs", 
das  Ölbild  „Zwei  Kinder  bei  Sonnenblumen",  das  Aquarell  „Des  Künstlers  Woh- 
nung in  Währing"  und  endlich  die  drei  oben  genannten  Bilder:  „Landsknecht  im 
Kornfeld",  „Niederösterreichisches  Bauernhaus  mit  Treidelpferd  und  zwei  Kindern" 
und  „Österreichische  Infanterie,  einen  Fluß  passierend".  Das  ist  auch  für  ein  ganzes 
Jahr  eine  genügend  große  Arbeitsleistung,  umso  mehr,  wenn  man  bedenkt,  daß  ja 
sicher  auch  einiges  Undatierte  und  Unbekannte  in  diesem  Jahr  entstanden  sein 
wird.  Doch  könnte  Pettenkofen  Ende  des  Jahres  1851  nach  Paris  gefahren  sein. 
Nach  Paris  und  gar  das  erste  Mal  aber  wird  ein  Maler  höchstwahrscheinlich  nicht 
im  Herbst  oder  Winter,  sondern  im  Frühling  gehen,  da  er  die  große  Ausstellung 
offen  findet.  Spricht  dies  alles  gegen  einen  ersten  Pariser  Aufenthalt  im  Jahre  1851, 
so  spricht  folgendes  für  einen  solchen  im  Jahre  1852:  Das  Tagebuch  hebt  im  Mai 

1853  mit  dem  Schluß  eines  Pariser  Aufenthaltes  an.  Der  Beginn  des  Tagebuches 
bezeugt,  daß  sich  Pettenkofen  eines  denkwürdigen  Lebensabschnittes  bewußt  war. 
Das  trifft  für  einen  ersten  Pariser  Aufenthalt  natürlich  besser  zu  als  für  einen 
zweiten.  Die  Geliebte  heiratete  am  29.  Jänner  1853,  und  durchaus  glaubwürdige 
mündliche  Überlieferung  versichert,  daß  das  Mädchen  Pettenkofen,  als  er  das  erste 
Mal  nach  Paris  reiste,  gelobt  hatte,  ein  Jahr  lang  seiner  zu  warten,  daß  sie  aber 
ihr  Wort  schon  nach  einem  halben  Jahre  brach.  Wörtlich  genommen,  würde  das 
heißen,  daß  Pettenkofen  Ende  Juli  das  erste  Mal  nach  Paris  gieng.  Wahrscheinlich 
aber  wird  er  schon  im  Frühling  gereist  sein.  Ist  aber  einerseits  der  französische 
Einfluß  bereits  für  das  Jahr  1851  mit  aller  Sicherheit  nachzuweisen  und  kann 
es  anderseits  als  ausgemacht  gelten,  daß  Pettenkofen  erst  1852  zum  ersten  Male 
nach  Paris  gekommen  ist,  so  muß  er  schon  1851  in  der  Heimat  jene  modernen 
Franzosen  kennen  gelernt  haben,  die  ihm  dermaßen  imponieren,  daß  er  bereits  in 
Werken  desselben  Jahres  die  von  ihnen  gewiesenen  neuen  Bahnen  einschlägt  und 
offenbar  ihretwegen  die  Reise  nach  Paris  plant.  Auf  welche  Weise  er  sich  diese 
Kenntnis  verschafft  hat,  kann  heute  leider  nicht  mehr  festgestellt  werden.  Durch 
irgendwelche  öffentliche  Ausstellung  sicher  nicht,  da  die  Zeitungen  von  nichts  der- 

146 


Ungarischer  Brotmarkt.  Ölbild. 


Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


gleichen  zu  berichten  wissen.  Am  ehesten  kann  er  daher  diese  für  ihn  so  bedeu- 
tungsvollen französischen  Bilder  im  Hause  eines  Privatsammlers  gesehen  haben.  — 

Der  Gruppe  von  Bildern  mit  dem  Decampsschen  Einschlag  reihen  sich  solche 
an,  bei  denen  der  Gegensatz  von  Licht  und  Schatten  nicht  so  hervortritt  wie  bei 
jenen,  die  aber  gleichfalls  mit  ungemein  starken,  satten  Farben  gemalt  sind.  Als 
Beispiele  seien  genannt:  der  „Kuß  über  den  Zaun,  mit  den  zwei  Pferden"  vom 
Jahre  1855  im  Besitz  des  Barons  Alfons  Rothschild  in  Wien,  der  „Bauernknabe 
mit  dem  Pferd,  vorm  Eingang  in  eine  Tanya"  ebenda  und  die  beiden  einander 
sehr  ähnlichen  Fassungen  des  „Stelldicheins  mit  den  zwei  Pferden"  im  Besitz  des 
Barons  Albert  Wodianer  in  Wien  und  der  Liebiegschen  Gemäldesammlung  der 
Stadt  Reichenberg.  Der  „Bauemknabe"  und  die  beiden  zuletzt  genannten  Dar- 
stellungen des  „Stelldicheins"  sind  nicht  datiert,  werden  aber  den  letzten  fünfziger 
Jahren  zugewiesen  werden  dürfen.  Auch  Bilder  wie  die  „Pferde  vorm  Strohschober" 
und  der  „Ungarische  Eselskarren  mit  zwei  Bauernkindern",  beide  vom  Jahre  1858, 
dieses  jetzt  bei  H.  O.  Miethke,  jenes  bei  Franz  Xaver  Mayer  in  Wien,  gehören  hierher, 
obwohl  ihre  Farben  schon  etwas  weniger  wuchten  als  die  der  eben  besprochenen. 

Gemälde  dieser  und  der  vorhergehenden  Gruppe  sind  es,  an  die  sich,  nebenbei 
bemerkt  und  wie  schon  erwähnt,  der  junge  Raffalt  angeschlossen  hat. 

An  die  Bilder  mit  dem  satten,  schweren  Kolorit  läßt  sich  am  besten  eine  Reihe  von 
solchen  angliedern,  deren  am  meisten  hervorstechendes  Merkmal  ihre  Farbigkeit 
ist.  Manchmal  streift  diese  Farbigkeit  beinahe  an  eine  Buntheit,  die  ein  ganz  klein 
wenig  kalt  und  hart  ist.  Die  Gegensätze  von  Licht  und  Schatten  sind  natürlich  auch 
auf  diesen  Bildern  stark  herausgearbeitet,  und  auf  der  Darstellung  eines  Szolnoker 
Marktes  kontrastiert  etwa  die  vom  grellen  Sonnenlicht  beschienene  Dreifaltigkeits- 
säule scharf  mit  dem  finsteren  Wetterhimmel  oder  dem  tiefdunkeln  Schatten,    den 


147 


19* 


die  Flache  eines  Marktstandes  wirft.  Hierher  gehören  Bilder  wie  die  beiden  vom 
Jahre  1854  datierten  Szolnoker  Märkte,  der  eine  bei  Franz  Xaver  Mayer  in  Wien, 
der  andere  in  der  Liebiegschen  Sammlung  der  Stadt  Reichenberg. 

Eine  weitere  Gruppe  wird  durch  Bilder  wie  folgende  vertreten:  „Zigeunerin  mit 
dem  Kind  an  der  Brust  auf  der  Wanderschaft"  bei  Franz  Xaver  Mayer,  „W^an- 
dernder  Zigeunerjunge"  in  der  Liebieg-Sammlung  zu  Reichenberg  und  „Hockendes 
kleines  Zigeunermädchen,  das  ein  Kind  wiegt"  bei  Franz  Xaver  Mayer.  Die 
„Zigeunerin"  und  der  „Zigeunerjunge"  wurden  1858  gemalt,  das  „Kleine  Zigeuner- 
mädchen" stammt  wahrscheinlich  aus  dem  Jahre  1859,  1860  wurde  es  von  Mayer 
gekauft.  Gemeinsam  ist  diesen  drei  Bildern  eine  äußerst  sorgfältige  Ausführung. 
Ihre  Malweise  ist  beinahe  glatt  zu  nennen.  Das  Thema  ist  in  allen  drei  Fällen  die 
menschliche  Gestalt,  und  zwar  die  eines  Zigeuners.  Die  Wiedergabe  eines  be- 
stimmten Ausdruckes,  worin  sich  Pettenkofen  schon  Jahre  vorher  auf  Bildern  wie 
z.  B.  dem  „Verwundetentransport"  so  erfolgreich  versucht  hat,  ist  außerordentlich 
gelungen. 

Andere  Gemälde  dagegen  zeigen  eine  unverkennbare  Anlehnung  an  Vorbilder 
aus  der  Schule  von  Barbizon,  z.  B.  die  vom  Jahre  1857  datierte  „Zigeunerhütte  im 
Walde"  bei  Ludwig  Lobmeyr  und  die  undatierte,  aber  ungefähr  derselben  Zeit  zu- 
zuweisende „Ungarische  Bauernwirtschaft"  ebenda.  Bei  dem  ersteren  Bilde  stellen 
die  entschieden  zum  Ausdruck  gebrachten  Kontraste  von  Licht  und  Schatten  an 
der  sonnenbeschienenen  mit  dickem  Stroh  gedeckten  Hütte  die  Verbindung  mit  der 
Gruppe  von  Bildern,  die  an  Decamps  erinnern,  und  der  Gruppe  von  Bildern  mit 
den  satten,  schweren  Farben  her,  doch  schon  hier,  noch  viel  mehr  aber  auf  dem 
zweitgenannten  Bilde,  der  „Ungarischen  Bauernwirtschaft",  ist  die  lockere,  flächige 
Behandlung  des  Baumschlages  spezifisch  französisch.  Ein  im  Vergleich  mit  den 
sonst  bei  Pettenkofen  üblichen  Maßen  ungewöhnlich  großes  Bild,  der  „Szolnoker 
Markt"  vom  Jahre  1855,  heute  im  Besitz  Alexander  Beers  in  Baden  bei  Wien, 
stellt  auch  in  seiner  Technik  eine  Ausnahme  dar:  die  Farben  sind  eigentlich 
ziemlich  bunt,  aber  gedämpft,  und  das  Ganze  ist  durchaus  verblasen  gemalt.  Am 
weitesten  aber  geht  in  der  aufgelösten  Malweise  das  gleichfalls  ziemlich  große  Bild 
„Ungarisches  Bauernfuhrwerk,  über  die  Puszta  fahrend",  das  vom  Jahre  1856  datiert 
und  Eigentum  Ludwig  Lobmeyrs  ist.  Die  Malweise  dieses  Bildes  ist  fleckiger  als 
die  des  vorhergehenden,  sein  Gesamteindruck  vor  allem  infolge  der  Einheitlichkeit 
des  Tones  weitaus  angenehmer.  Der  „Markt"  ist  ursprünglich  signiert  und  datiert; 
das  „Fuhrwerk"  ist  gleichfalls  mit  Signatur  und  Datum  versehen,  dieses  wie  jene 
aber  sind  von  Pettenkofen  nachträglich  hinzugefügt,  was  durch  die  Form  der  kleinen 
Initialen  „a.  p.",  mit  denen  Pettenkofen  nicht  vor  Ende  der  sechziger  Jahre  zu  unter- 
zeichnen anfängt,  und  die  Tatsache,  daß  Pettenkofen  auf  ausdrücklichen  Wunsch 
Ludwig  Lobmeyrs  alle  seine  nicht  signierten  Arbeiten  in  dessen  Besitz  nachsigniert 
hat,  zu  beweisen  ist.  Bei  diesem  Bilde  könnte  daher  gesagt  werden,  es  sei  zweifel- 
haft, ob  es  Pettenkofen  zur  Zeit,  als  er  es  malte,  für  ein  vollendetes  oder  für  ein 
unfertiges  Bild  gehalten  habe.  Dieses  Bedenken  fällt  aber  bei  dem  ersten  Bilde, 
dem  „Markte",  weg,  und  daher  ist  es  als  ein  ungemein  interessanter  früher  Versuch 
anzusehen,  etwa  in  der  Art  eines  Troyon  mehr  andeutend  als  vollendend  zu  malen. 


148 


Kopf  eines  Mädchens  aus  Riva.   Bleistiftzeichnung.  (1867.) 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


149 


und  so  möglichst  viel  von  der  ursprünglichen  Frische  des  ersten  Entwurfes  zu  be- 
wahren. 

Alles  aber,  was  bisher  von  Pettenkofens  Bildern  der  fünfziger  Jahre  gesagt  worden 
ist,  gilt  bloß  von  den  Ölgemälden.  Diesen  aber  stehen  kaum  in  geringerer  Anzahl 
die  Aquarelle  zur  Seite.  Auch  sie  weisen  selbstverständlich  vielerlei  und  große 
Stilverschiedenheiten  auf.  Doch  lassen  sie  sich,  sieht  man  einstweilen  von  dem 
Unterschied  zwischen  Studie  und  ausgeführtem  Bild  ab,  der  bei  den  Ölbildern  der 
Periode  gar  nicht  in  Betracht  gekommen  ist,  hier  aber  eine  große  Rolle  spielt, 
immerhin  in  vier  Gruppen  zerlegen,  die  zum  Teile  und  bis  zu  einem  gewissen  Grade 
den  Gruppen,  die  bei  den  Ölbildern  aufzustellen  versucht  wurden,  entsprechen.  Es 
gibt  mit  kräftigen  Farben  gemalte  Aquarelle,  bei  denen  der  Kontrast  von  be- 
stimmten warmen  und  kalten  Farben  zuerst  in  die  Augen  springt;  das  Kolorit 
anderer  ist  gleichfalls  stark  und  satt,  zugleich  aber  mannigfaltiger  und  geschlos- 
sener; die  Buntheit  wieder  anderer  ist  fast  ein  bißchen  hart  und  kalt;  eine  vierte 
Gruppe  endlich  zeichnet  sich  durch  äußerst  breite,  tonige  Malweise  aus.  Für  die 
erste  Art  mögen  als  Beispiele  dienen:  „Die  Zigeunerhütte  auf  der  Puszta"  vom 
Jahre  1853  bei  Karl  Widakowich  in  Wien,  die  „Fischerhütte"  vom  Jahre  1854  bei 
Dr.  Albert  Figdor,  die  „Schweineherde  am  Wasser"  vom  selben  Jahre  bei  Ludwig 
Lobmeyr,  die  „Erdhütte  auf  der  Puszta",  die  „Zwei  Zigeunerkinder  am  Kessel", 
beide  Aquarelle  vom  Jahre  1855  und  bei  Ludwig  Lobmeyr,  der  „Zigeunerreiter" 
ungefähr  aus  derselben  Zeit  bei  Eugen  Miller  von  Aichholz,  das  „Ochsengespann" 
vom  Jahre  1857  bei  Ludwig  Lobmeyr  und  das  wahrscheinlich  aus  demselben  Jahre 
stammende  „Tote  Pferd"  bei  Miller  von  Aichholz.  Die  Aquarelle  dieser  Art  sind 
natürlich  am  ehesten  den  Ölbildern  mit  dem  Decampsschen  Einschlag  zu  verglei- 
chen; der  Kontrast  zwischen  Licht  und  Schatten  auf  diesen  ist  auf  jenen  zu  einem 
von  gewissen  wärmeren  und  kalten  Farben  geworden.  Die  zweite  Gruppe  entspricht 
etwa  der  der  Ölbilder  mit  dem  starken,  satten  Kolorit.  Sie  wird  repräsentiert  durch 
drei  große  ausgeführte  Aquarelle,  alle  drei  Zigeunerlager  darstellend,  eines  vom  Jahre 
1855  im  Kunsthistorischen  Hofmuseum,  zwei  vom  Jahre  1856  bei  Baron  Alfons 
Rothschild,  und  durch  die  „Puszta  mit  Pferden"  vom  Jahre  1858  bei  Gottfried  und 
Hermann  Eißler.  Die  dritte  Gruppe  deckt  sich  bei  Ölbildern  und  Aquarellen  fast 
restlos.  Charakterisiert  wird  sie  durch  eine  Buntheit,  die  an  Härte  und  Kälte  streift. 
Ihr  gehören  Bilder  wie  die  „Wasserträgerin"  vom  Jahre  1853  bei  Dr.  Albert  Figdor 
und  der  „Szolnoker  Markt",  gleichfalls  vom  Jahre  1853,  derzeit  bei  S.  Kende  in 
Wien,  an.  Die  vierte  Gruppe  endlich  besteht  aus  den  breit  und  etwas  verschwommen 
gemalten  Aquarellen,  die  den  zuletzt  genannten  Ölbildern  entsprechen,  möglicher- 
weise sogar  wie  diese  auf  französische  Beispiele  zurückgehen.  Baron  Gustav 
Springer  in  Wien  besitzt  z.  B.  ein  Aquarell  von  Decamps,  mit  dem  Pettenkofens 
Aquarelle  der  vierten  Gruppe  einige  Verwandtschaft  zeigen.  Die  Gruppe  der  sorg- 
fältig ausgeführten,  beinahe  glatt  gemalten  Ölbilder  findet  unter  den  Aquarellen 
nur  inhaltlich  ein  Korrelat.  Auch  unter  den  Aquarellen  der  fünfziger  Jahre  nämlich 
gibt  es  eine  Menge  Einzelfiguren  von  ungarischen  Bauern  und  Zigeunern,  z.  B. 
der  nach  rechts  stehende  ungarische  Bauer  bei  Baron  Julius  Forster  vom  Jahre 
1851,  der  nach  links  stehende  bei  Stefan  von  Czärän  und  der  auf  dem  Boden  sit- 


150 


Lagernde  Soldaten  im  Herbstwald.  Ölbild.  (1868?) 


Wien,  Gottfried  und  Hermann  Eißler. 


151 


zende  im  Museum  der  schönen  Künste,  beide  vom  Jahre  1854,  alle  drei  in  Buda- 
pest. Ein  vom  nächsten  Jahre  datiertes  und  einen  stehenden  langhaarigen  ungari- 
schen Schweinehirten  darstellendes  Aquarell  ragt  unter  der  Menge  der  verwandten 
Arbeiten  durch  die  Größe  seines  Formates  hervor.  Es  kam  schon  1865  auf  der 
Auktion  Böhm  vor,  scheint  von  Karl  Goebel,  in  dessen  Besitz  es  nachträglich  geriet, 
überarbeitet  worden  zu  sein  und  tauchte  erst  neuerdings  wieder  im  Wiener  Kunst- 
handel auf.  Alle  diese  Arbeiten  wirken  ihrer  Technik  zufolge  in  der  Regel  viel 
frischer  und  flotter  als  ihre  in  Öl  gemalten  Gegenstücke.  Denn  Pettenkofen  hat  bei 
seinen  Aquarellen  niemals  die  durch  den  glatten  Elfenbeingrund  der  Miniaturen 
bedingte,  mit  spitzem,  trockenem  Pinsel  Strichelchen  neben  Strichelchen  setzende 
Technik  geübt,  wie  sie  etwa  an  den  Aquarellen  eines  Daffinger  oder  Agricola 
beobachtet  werden  kann,  sondern  hat  von  allem  Anfang  an  nach  Art  der  Eng- 
länder auf  körnigem  Papier  mit  breitem,  saftigem  Pinsel  gearbeitet.  Hier  sei  die 
zwar  selbstverständliche,  aber  vielleicht  doch  nicht  ganz  überflüssige  Bemerkung 
eingeschaltet,  daß  bei  einer  Aquarellmalerei  im  Gegensatz  zur  Ölmalerei,  wo  immer 
wieder  übermalt  und  schlimmstenfalls  abgekratzt  werden  kann,  jeder  Pinselstrich 
sitzen  muß,  da  ein  Übermalen  von  dunkeln  mit  hellen  Farben  naturgemäß  völlig 
ausgeschlossen  und  auch  die  Korrektur  durch  Auswaschen  eine  mehr  als  mißliche 
Sache  ist.  Der  Aquarellmaler  muß  sich  daher  einer  besonders  sicheren  Hand  er- 
freuen, und  für  Pettenkofens  Künstlerschaft  ist  es  höchst  bezeichnend,  daß  er  von 
der  Jugend  bis  ins  Alter  im  Aquarell  so  Außerordentliches  zu  leisten  imstande  war. 

Einteilungen  von  der  Art  der  obigen  werden  immer  den  Anschein  erwecken,  als 
seien  sie  zu  grob  ausgefallen.  Demgegenüber  kann  nicht  nachdrücklich  genug  be- 
tont werden,  daß  selbstverständlich  alle  Gruppen  untereinander  durch  zahlreiche 
Übergangsfälle  verbunden  sind  und  daß  vor  allem  die  angeführten  Werke,  wie 
ja  schon  wiederholt  versichert  wurde,  bloß  als  Beispiele  anzusehen  sind.  Ge- 
rade Pettenkofens  Aquarelle  der  fünfziger  Jahre  aber  sind  trotz  aller  ihrer  Mannig- 
faltigkeit doch  viel  einheitlicher  als  die  gleichzeitigen  Ölbilder.  Die  gewissen  kon- 
trastierenden kalten  und  wärmeren  Farben,  die  als  das  Hauptmerkmal  der  ersten 
Gruppe  hervorgehoben  wurden  und  sich  von  einem  satten,  dunkeln  Graulich-Blau- 
Violett  über  ein  scharfes  Gift-,  ein  trübes  Apfelgrün  und  ein  schmutziges  Gelblich- 
grau zu  einem  ungemein  intensiven  Gelbbraun  bewegen,  kehren  nämlich,  natürlich 
modifiziert,  in  allen  Gruppen  wieder. 

Die  Aquarellstudie  wird  durch  die  schon  erwähnten  Blätter:  „Zwei  Zigeuner- 
kinder beim  Kessel"  vom  Jahre  1855,  „Zigeunerreiter",  „Ochsengespann"  vom  Jahre 
1857,  „Totes  Pferd"  und  außerdem  noch  durch  das  Blatt  „Wallachischer  Fleischer", 
das  sicherlich  vom  Ende  der  fünfziger  Jahre  stammt  und  der  Liebiegschen  Samm- 
lung der  Stadt  Reichenberg  gehört,  vertreten.  Die  raschere  und  für  das  Arbeiten 
nach  der  Natur  bequemere  Technik  des  Aquarells  wurde  von  Pettenkofen  häufig 
zur  Herstellung  von  Studien  für  Ölbilder  verwendet.  Die  Aquarellstudie  des  „Zi- 
geunerreiters" bei  Miller  von  Aichholz  ist  ein  Beleg  dafür.  Der  Reiter  kehrt  als 
Teil  einer  größeren  Komposition  auf  dem  undatierten  Ölbild  „W^andernde  Zigeuner" 
bei  Baron  Louis  Rothschild  wieder.  Die  Aquarellstudien  sind  das  Material,  das 
Pettenkofen  aus  Szolnok  mitbrachte.  Sie,  die  an  Ort  und  Stelle  und  nach  der  Natur 


152 


gemacht  waren,  wurden 
nachher  in  Wien  oder  in 
Paris  zu  Bildern  verar- 
beitet. 

Selbstverständlich  wurde 
als  Studie  für  ein  Bild  auch 
die  Zeichnung,  die  mit 
leichten  Farbtönen  oder 
mit  Sepia  lavierte,  die  auf 
Tonpapier  mit  Bleistift  ge- 
zeichnete und  mit  Kreide 
weiß  gehöhte  und  die 
einfache  Bleistiftzeichnung 
verwendet.  Alle  Zeichnun- 
gen der  fünfziger  Jahre  sind 
sehr  klar  und  bestimmt, 
was  bei  den  einfachen  Blei- 
stiftzeichnungen natürlich 
am  deutlichsten  zu  ersehen 
ist.  Die  vom  14.  September 
1856  datierte  Studie  im  Be- 
sitz Dr.  August  Heymanns 
für  das  Gespann  auf  dem 
Bilde  „Ungarisches  Bauern- 
fuhrwerk bei  einer  Pfütze" 
(vom  Jahre  1857  und  im 
Besitz  Baron  Louis  Roth- 
schilds) mag  als  Beleg  da- 
für dienen.  Die  mit  Sepia 
lavierte  Studie  zu  einem 
Szolnoker  Markt,  die  der 
Mitte  oder  noch  der  ersten 
Hälfte  der  fünfziger  Jahre 
angehören  kann,  und  die 
mit  „halben  Färblein",  wie  Albrecht  Dürer  sagen  würde,  belebte  Studie  von 
ungarischen  Bauern  und  Bäuerinnen  an  einem  Marktwagen,  die  der  zweiten  Hälfte 
der  fünfziger  Jahre  zuzuweisen  sein  dürfte  und  Ludwig  Lobmeyr  gehört,  endlich 
die  gleichfalls  leicht  getonte  Bleistiftstudie  nach  einem  Pandurentrommler,  die  aus 
dem  Besitz  des  Herrn  Julius  Herz  von  Hertenried  in  den  der  Österreichischen 
Staatsgalerie  übergangen  ist,  sind  weitere  Beispiele  für  Pettenkofens  Zeichenweise 
während  dieses  Jahrzehntes. 

Alles  in  allem  genommen,  werden  im  Hinblick  auf  Stil  und  Technik  von  Petten- 
kofens Werken  die  fünfziger  Jahre  eine  Zeit  unermüdlichen  Suchens  und  Versuchens 
genannt  werden  können.    Der  Künstler  gibt  sich  nie  lange  zufrieden,    er   wechselt 


Weiblicher  Akt.   Ölbild.   (1868?) 


Wien,   Ludwig  Lobmeyr. 


153 


häufig  seine  Methode.  Einmal  hat  es  ihm  die  fleckige,  lockere  Malweise  der  Fran- 
zosen angetan,  dann  wieder  pflegt  er  treu  die  glattverschmolzene  Ölmalerei  der 
alten  Wiener.  Bald  bevorzugt  er  lebhafte  Kontraste  von  Licht  und  Schatten,  bald 
tonige  Stimmungen.  Satte,  starke  Farben  und  bunte,  etwas  harte  und  kühle  lösen 
einander  ab.  Die  Ölmalerei  und  die  Aquarellmalerei  kommen  gleichmäßig  zu  Worte. 
Trotz  aller  Mannigfaltigkeit  aber  wird  man  von  Pettenkofens  Malerei  in  den  fünf- 
ziger Jahren  sagen  können:  sie  ist  eher  farbig  als  tonig,  eher  hart  als  weich,  eher 
kühl  als  warm.  — 

In  der  Malerei  der  sechziger  Jahre  dagegen  herrscht  deutlich  das  Streben  nach 
Tonigkeit  vor,  die  Buntheit  dämpft  sich,  der  Farbenauftrag  wird  lockerer  und 
weicher,  wenn  er  auch  fast  noch  immer  verschmolzen  bleibt.  Das  trübende  Medium 
in  der  atmosphärischen  Luft  wird  mitgemalt.  Die  in  der  Sommersonne  zitternde 
Luft  über  dem  Szolnoker  Marktgewühl  samt  dem  Staub  und  Dunst,  den  sie  in  sich 
aufgenommen  hat,  kommt  auf  den  Marktbildern  dieses  Jahrzehntes  immer  über- 
zeugender zum  Ausdruck.  Ist  auch  dann  und  wann  ein  Bild  auf  einen  kühlen  Ge- 
samtton gestimmt,  so  wird  doch  immer  mehr  und  mehr  der  Wärme  des  Tones 
der  Vorzug  gegeben. 

Die  Produktivität  der  sechziger  Jahre  ist  lange  nicht  mehr  so  groß  wie  die  des 
Jahrzehntes  vorher.  Freilich  hat  auch  Pettenkofen  während  dieser  Zeit  so  gut  wie 
nicht  datiert,  die  Bilder  der  sechziger  Jahre  sind  daher  als  solche  nicht  immer  mit 
Sicherheit  zu  erkennen.  Im  folgenden  seien  etliche  wichtigere  Typen  von  Petten- 
kofens Arbeiten  aus  den  sechziger  Jahren,  und  zwar  solche,  die  einigermaßen  zu 
datieren  sind,  besprochen. 

Für  den  Sommer  1863  ist  ein  Aufenthalt  Pettenkofens  im  Salzkammergut  nach- 
zuweisen. Damals  wird  er  den  „Salzburger  Bauern  im  Hof  eines  Hauses"  und  das 
„Kleine  Mädchen  unter  der  Tür  eines  Salzburger  Bauernhauses",  Bilder,  die  beide 
Franz  Xaxer  Mayer  das  Jahr  darauf  von  ihm  gekauft  hat,  gemalt  haben;  vielleicht 
hat  Pettenkofen  1863  auch  bloß  die  Studien  dazu  gemalt.  Das  letztere  Bild  nimmt 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  die  Kontrastmalerei  in  der  Art  Decamps'  wieder  auf, 
doch  ist  es  weicher  und  wärmer  als  die  entsprechenden  Bilder  der  fünfziger  Jahre. 
Sehr  tonig  dagegen  ist  der  „Bauerngarten  in  Hallstatt"  gehalten,  ein  Bild,  das 
heute  S.  Kende  in  Wien  gehört  und  umi  dieselbe  Zeit  entstanden  sein  muß.  Petten- 
kofen war  nämlich  auch  schon  Ende  April  1861  in  Hallstatt,  was  durch  sein  Porträt 
Anton  Reithoffers  bezeugt  wird,  aber  um  jene  Jahreszeit  war  ein  so  hochsommer- 
licher Garten,  wie  es  der  des  Bildes  ist,  im  schattenreichen  Hallstatt  gewiß  noch 
nicht  als  Modell  zu  finden.  Die  genannten  beiden  Bilder  sind  nicht  nur  durch  das 
Lokale,  sondern  auch  durch  ein  Monogramm  miteinander  verknüpft,  das  in  einer 
eigentümlichen  Verschlingung  der  beiden  Initialen  A.  P.  besteht  und  das  von 
Pettenkofen  nur  selten  angewendet  worden  ist.  Das  erste  Mal  begegnet  es  auf  dem 
oben  besprochenen  großen  „Szolnoker  Markt"  vom  Jahre  1855.  Ein  Bild  wie  das 
einen  „Schimmel"  darstellende  im  Besitz  von  Gottfried  und  Hermann  Eißler,  das 
gleichfalls  jenes  Monogramm  zeigt,  wird  daher  schon  wegen  der  Form  seiner 
Signatur  in  die  Zeit  von  1855  bis  1863-64  anzusetzen  sein.  Die  weiche  und  doch 
farbenkräftige  Malweise  spricht  aber  eher  für  das  Ende  als  den  Anfang  dieser  Frist. 


154 


Das  Bild  ist  leicht  und 
sicher  gemalt,  der  ab- 
gerackerte  Gaul  darauf 
vorzüglich  charakterisiert. 
Sicher  noch  dem  Beginn 
der  sechziger  Jahre  gehört 
ein  berühmtes  Bild  der 
Sammlung  Gsell  an,  das 
auf  dem  Umweg  über  Paris 
erst  jüngst  wieder  nach 
Österreich  zurückgekehrt 
ist.  Es  ist  der  „Zigeuner, 
der  sich,  die  Geige  auf 
dem  Schoß,  eine  Pfeife 
anzündet",  heute  im  Be- 
sitz Generaldirektor  Viktor 
Zuckerkandis  in  Purkers- 
dorf  bei  Wien.  Die  Rötel- 
zeichnung eines  halbnack- 
ten Knaben,  deren  Repro- 
duktion dem  Katalog  der 
Auktion  von  Pettenkofens 
Nachlaß  als  Titelvignette 
diente  und  die  sich  heute 
in  der  Liebiegschen  Samm- 
lung zu  Reichenberg  be- 
findet, ist  eine  Vorstudie 
zum  Bewegungsmotiv  des 
Bildes.  Stofflich  führt  die- 
ses die  Reihe  der  sowohl 
unter  den  Ölgemälden,  als 
auch  unter  den  Aquarellen 
vertretenen  Einzelfiguren 
von  der  Puszta  weiter.  Dem  Stil  und  der  Technik  nach  schließt  es  sich  an  die 
Gruppe  der  Bilder  mit  den  satten,  starken  Farben  an.  Natürlich  ist  es  viel  lockerer 
gemalt  als  etwa  die  „Zigeunerin  mit  dem  Kinde"  vom  Jahre  1858  bei  Franz  Xaver 
Mayer.  Ungefähr  von  derselben  Art  wie  der  „Zigeuner  mit  der  Geige"  ist  das 
Kniestück  einer  Zigeunerin,  die  sich,  ihren  blauen  Rock  über  den  Kopf  geschlagen, 
eine  Pfeife  anzündet.  Dieses  Bild,  das  sich  in  der  K.  k.  österreichischen  Staats- 
galerie befindet,  ist  darum  wichtig,  weil  es,  aus  dem  Besitz  Dr.  Max  Josef  Schülers 
in  Graz  stammend,  höchstwahrscheinlich  identisch  ist  mit  dem  „kleinen  Bilde", 
das  Pettenkofen  am  15.  Jänner  1863  an  jenen  Sammler  verkauft,  das  demzufolge 
im  Jahre  vorher  entstanden  sein  dürfte  und  sohin  die  beiläufige  Entstehungszeit 
auch  für  verwandte  Bilder  wie  den  „Zigeuner  mit  der  Geige"  und  das  nicht  ganz 


Lautenschlägerin.    Ölskizze. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


155 


zu  Ende  geführte  Brustbild  eines  Zigeuners  (in  der  Österreichischen  Staatsgalerie) 
angäbe.  Den  genannten  Figurenbildern  ist  auch  das  „Auf  dem  Herd  sitzende  Zi- 
geunermädchen" anzureihen;  es  hat  die  Beine  hochgezogen  und  zündet  sich  eine 
Pfeife  an.  Ein  ähnliches  Bild  hat  Pettenkofen  schon  viel  früher  gemalt.  Es  gehört 
dem  Fürsten  Liechtenstein.  Die  zwei  später  entstandenen  Fassungen  unterscheiden 
sich  von  jener  älteren  Arbeit  hauptsächlich  dadurch,  daß  das  Zigeunerkind  —  es 
ist  in  beiden  Fällen  nicht  mit  Sicherheit  zu  entscheiden,  ob  es  ein  Bub  oder  ein 
Mädel  ist  —  als  Akt  dargestellt  ist.  Das  kleinere,  nicht  ganz  vollendete,  künstlerisch 
aber  freiere  Bild,  das  hier  der  Mitte  oder  zweiten  Hälfte  der  sechziger  Jahre  zu- 
gewiesen wird,  gehört  k.  u.  k.  Truchseß  Fritz  Dobner  von  Dobenau  in  Wien,  das 
große,  wahrscheinlich  erst  aus  den  achtziger  Jahren  stammende,  von  dem  noch 
gesprochen  werden  soll,  befindet  sich  jetzt  im  Besitz  der  Österreichischen  Staats- 
galerie. Das  reizende  Stilleben  eines  toten  weißen  Huhnes  und  eines  gelben  Ton- 
kruges, das  Ludwig  Lobmeyr  gehört,  ist  die  sorgfältige  Ausführung  der  untersten 
Partie  jener  Komposition.  — 

Gleichfalls  noch  den  ersten  sechziger  Jahren  wird  ein  Bild  wie  die  „Pferde  am  Zieh- 
brunnen" im  Besitz  des  Grafen  Ludwig  Karolyi  in  Budapest  zuzuweisen  sein.  Auch 
dieses  Werk  setzt  die  Reihe  der  Bilder  mit  den  satten,  schweren  Farben,  und 
zwar  an  jenem  Ende  fort,  wo  die  vom  Jahre  1858  datierten  „Pferde  am  Stroh- 
schober" bei  Franz  Xaver  Mayer  stehen,  ist  aber  natürlich  viel  leichter  und 
weicher  gemalt  als  jene  Werke  der  fünfziger  Jahre.  Ein  anderes  Bild  im  Besitz 
des  Grafen  Karolyi,  der  „Szolnoker  Geschirrmarkt",  zeigt  vielfache  Übereinstim- 
mung mit  dem  „Ungarischen  Leinwandmarkt"  der  Liebiegschen  Sammlung  in 
Reichenberg,  besonders  in  der  etwas  eckigen  Formenbehandlung.  Die  beiden  sicher 
zugleich  entstandenen  Bilder  fallen  gerade  durch  ihre  Härte,  die  freilich  mehr  in 
der  Zeichnung  als  im  Kolorit  zum  Ausdruck  kommt,  ein  bißchen  aus  der  Manier 
der  sechziger  Jahre  heraus,  doch  gehören  sie  diesen  sicherlich  an.  Sie  werden  un- 
gefähr um  das  Jahr  1865  anzusetzen  und  als  ein  mit  Pettenkofens  künstlerischen 
Gepflogenheiten  durchaus  übereinstimmender  Versuch,  in  einer  Zeit  weicherer  Pinsel- 
führung auch  einmal  wieder  etwas  härter  zu  malen,  zu  verstehen  sein.  Wohl  die 
bekanntesten  von  Pettenkofens  ungarischen  Bildern  der  sechziger  Jahre  sind  die 
verschiedenen  Fassungen  eines  Stelldicheins  auf  der  Puszta.  Das  für  Pettenkofen 
bedeutungsvolle  Thema  wird  1854  in  einem  Bilde,  dessen  gegenwärtiger  Besitzer 
leider  nicht  angegeben  werden  kann,  zum  ersten  Mal  behandelt.  Es  stellt  einen 
jungen  ungarischen  Bauern  oder  Zigeuner  dar,  der  auf  einem  Esel  sitzt  und  über 
einen  Zaun  sein  Mädchen  küßt.  Fassungen  des  Stelldicheins,  wo  der  Bursche  zwei 
Pferde  bei  sich  hat,  aber  auf  keinem  oben  sitzt,  vom  Ende  der  fünfziger  Jahre  und 
im  Besitz  der  Barone  Alfons  Rothschild  und  Albert  Wodianer  und  der  Liebieg- 
schen Sammlung  in  Reichenberg  wurden  bereits  erwähnt.  Im  Jahre  1864  nun 
nimmt  Pettenkofen  nach  einem  Bilderverzeichnis,  das  sich  in  seinem  ältesten  Notiz- 
buch befindet,  dieses  Thema  wieder  auf.  Er  malt  einen  „Bauern  zu  Pferd,  ein  Mädel 
küssend".  Das  zweite  Pferd  ist  in  dieser  Bezeichnung  nicht  genannt.  Das  Bild  in  dieser 
Fassung  scheint  von  Pettenkofen  mehr  als  einmal  gemalt  worden  zu  sein.  Das  hier 
abgebildete  Exemplar   gehört   der  Österreichischen  Staatsgalerie.     Im  selben  Jahre 


156 


Mädchen,  unter  der  Statue  eines  Amor  ein  Billet-doux  verbergend.   Bleistift-  und  Sepiazeichnung.        Wien,  Julius  Reich. 


157 


findet  Pettenkofen  jene  Formulierung  des  ewigen  Themas,  die  als  die  einfachste  auch 
den  meisten  Anklang  gefunden  hat:  über  einen  niederen  Erdzaun  neigen  sich  Bursch 
und  Mädel  einander  zu,  um  sich  zu  küssen.  Pettenkofen  verkauft  1864  zwei  Fas- 
sungen des  Bildes  und  eine  Studie  dazu  an  Gsell.  In  dessen  Nachlaßauktion  findet 
sich  nur  mehr  die  Studie,  die  beiden  Bilder  muß  er  schon  früher  abgegeben  haben. 
Eines  kam  noch  1868  durch  Kaeser  ans  Belvedere,  das  andere  ward  1902  in 
Amerika  verkauft.  Das  Exemplar  aus  kaiserlichem  Besitz  ist  hier  abgebildet.  Mit 
den  „Räubern  im  Kornfeld"  in  London,  der  „Szene  nach  dem  Duell"  in  Amster- 
dam und  dem  „Bauernknaben  mit  einem  Pferd,  vorm  Eingang  in  ein  ungarisches 
Bauerngehöft"  hat  dieses  Bild  die  vielen  breiten  Risse  gemein,  die  sogar  auf  der 
Reproduktion  kenntlich  sind.  Wahrscheinlich  war  das  Trockenmittel  daran  schuld, 
das  Pettenkofen  später  in  den  achtziger  Jahren,  offenbar  angesichts  der  Sprünge, 
die  er  noch  selbst  auf  älteren  seiner  Bilder  beobachten  konnte,  so  sorgfältig  zu 
studieren  begann.  Das  Bild  des  Kunsthistorischen  Hofmuseums  ist  ungemein  weich 
gemalt  und  in  einem  warmen  Ton  gehalten.  Vom  Jahre  1866  stammt  der  „Unga- 
rische Bauernwagen,  auf  dem  Melonen  verpackt  werden",  vom  folgenden  Jahre  der 
„Alte  Melonen  Verkäufer";  beide  Bilder  wurden  von  Pettenkofen  an  Franz  Xaver 
Mayer  verkauft,  aus  dessen  Einschreibbuch  auch  die  Datierungen,  die  nicht  genau 
die  Vollendungstermine  sein  müssen,  stammen.  Der  „Markt  mit  dem  Ochsen- 
gespann im  Vordergrund",  1869  von  Franz  Xaver  Mayer  gekauft,  zeichnet  sich 
durch  besondere  Weichheit  der  Töne  aus.  Die  „Ungarische  Dorfstraße,  auf  der  ein 
Bauer  drei  Pferde  zur  Schwemme  reitet",  im  Besitz  Julius  Eymers  in  ^Vien,  wird 
ungefähr  derselben  Zeit  angehören.  Während  aber  die  Gesamthaltung  des  „Marktes" 
ziemlich  kühl  ist,  herrschen  auf  der  „Straße"  die  warmen  Töne  vor.  Doch  ist  sie 
kein  sehr  glückliches  Werk,  die  Weichheit  ist  hier  zur  Verschwommenheit  abge- 
flaut. Ein  Meisterstück  und  ein  würdiger  Abschluß  von  Pettenkofens  malerischer 
Tätigkeit  in  den  sechziger  Jahren  dagegen  ist  das  Bild,  das  der  Künstler  selbst 
„Ungarischer  Markt  mit  Fuhrwerk,  Pferden  und  Melonen"  nennt  und  das  er  am 
8.  April  1870  Franz  Xaver  Mayer  verkauft.  Begonnen  wurde  es  gewiß  noch  im 
Jahre  1869.  Sein  Kolorit  ist  zugleich  weich  und  kräftig,  satt  und  duftig.  Farbig- 
keit und  Tonigkeit  finden  sich  darauf  aufs  glücklichste  vereint. 

Pettenkofen  hat  während  der  sechziger  Jahre  aber  auch  andere  Vorwürfe  be- 
handelt als  die  bisher  besprochenen.  1861  zeichnet  er  in  Hallstatt  seinen  Freund, 
den  Maler  Anton  Reithoffer,  —  das  Blatt  scheint  das  einzige  Porträt  des  Jahrzehntes 
zu  sein.  Aus  Pettenkofens  Nachlaß  hat  sich,  was  hier  wohl  erwähnt  werden  darf, 
eine  vom  Jahre  1857  datierte  Lithographie  Kriehubers  erhalten,  die  gleichfalls  Anton 
Reithoffer  darstellt.  1862  erhält  er  einen  eigentümlichen  Auftrag:  er  hat  den  Kaiser 
zu  malen,  wie  er  den  Schaden  besichtigt,  den  die  große  Donau-Überschwemmung 
des  Jahres  angerichtet  hat.  Auf  dem  Bild,  das  sich  im  Museum  der  Stadt  Wien 
befindet,  halten  große  Vorzüge  und  große  Schwächen  einander  die  Wage.  Die 
Komposition  ist  sehr  gut:  hochragend  auf  das  massige,  von  der  Flut  halb  zerstörte 
Balkenwerk  hingestellt,  wirkt  die  Figur  des  Monarchen  imponierend  genug.  Nur 
scheint  sie  doch  etwas  zu  lang  geraten  zu  sein,  und  ist  schon  sie  nicht  ganz  von 
Pose    frei,    so    gemahnt    vollends    der    Gestus    des   Fleischhauers  Josef  Wimmer, 


158 


Markt  in  Szolnok,  vorne  zwei  ausgespannte  Ochsen.  Ölbild.  (,i86g.) 


Wien,  Franz  Xaver  Mayer. 


des  Bestellers  des  Bildes,  ein  bißchen  ans  Theater.  Die  trübe  Regenstimmung  bot 
Anlaß,  das  ganze  Bild  in  einem  vornehmen  kühlen  Grau  zu  halten.  Sechs  Jahre 
später  stimmt  Pettenkofen  abermals  ein  Bild  auf  ähnlich  kühle,  graue  Töne.  Es 
ist  der  „Herbstliche  Buchenwald"  (schlanke  Buchenstämme  muß  Pettenkofen  zeit- 
lebens besonders  gern  gehabt  haben,  Nadelholz  hat  er,  scheint  es,  niemals  gemalt) 
„mit  ein  paar  Soldaten  an  einem  Lagerfeuer";  einer  von  ihnen  verbindet  sich 
vorne  eine  Wunde  am  Bein.  Aber  nicht  nur  in  diesem  Bilde,  das  Gottfried  und 
Hermann  Eißler  gehört,  nimmt  Pettenkofen  das  militärische  Thema  wieder  avif. 
1869  variiert  er  in  Form  zweier  Skizzen  sogar  nochmals  den  „Verwundetentrans- 
port". Von  den  beiden  Skizzen  ist  die  eine,  Plach  gewidmete  und  dann  in  den  Be- 
sitz Gsells  übergegangene,  verschollen.  Die  zweite  gehört  Baron  Louis  Rothschild 
und  ist  vor  allem  im  Licht  ganz  ausgezeichnet.  Freilich  muß  hier  angemerkt 
werden,  daß  diese  Datierung  gleich  allen  ähnlichen,  die  auf  Verkaufsnotizen  Petten- 
kofens  selbst  zurückgehen,  nicht  unbedingt  verläßlich  ist.  Es  wäre  natürlich  mög- 
lich, daß  er  sich  erst  damals  von  einer  Arbeit  getrennt  hat,  die  schon  Jahre  vorher 
entstanden  war.  Fest  steht,  daß  dieser  Fall  bei  Pettenkofen  ebenso  zu  belegen  ist 
wie  der,  daß  Jahre  nachher  ein  altes  Thema  nochmals  aufgenommen  wird.  Immer- 


159 


hin  spricht  die  freiere,  flottere  Technik,  zunächst  aber  die  auch  auf  der  Skizze  er- 
kennbare Tonmalerei  entschieden  zugunsten  der  letzten  sechziger  Jahre.  1868  ver- 
kauft Pettenkofen  Plach  ein  „kleines  Ölbild:  Badende  im  Wald".  Das  ist  un- 
zweifelhaft der  weibliche  Akt  bei  Ludwig  Lobmeyr,  und  es  ist  wahrscheinlich,  daß 
er  in  diesem  Jahre  entstanden  ist.  Akte  hat  Pettenkofen  wohl  viele  gezeichnet, 
aber  nur  sehr  wenige  gemalt.  Von  dem  liegenden  weiblichen  Akt  der  fünfziger 
Jahre  war  schon  oben  die  Rede.  Derselben  Zeit  wie  die  „Badende"  wird  die  ihrem 
Vorwurf  nach  ganz  vereinzelt  dastehende  Ölstudie  einer  „Lautenspielerin",  gleich- 
falls im  Besitz  Ludwig  Lobmeyrs,  angehören.  Wegen  des  verwandten  Sentiments, 
das  vielleicht  als  Anklang  an  ein  zeitloses  Rokoko  charakterisiert  werden  darf,  läßt  sich 
mit  der  „Lautenspielerin"  die  reizende  Zeichnung  eines  „Mädchens,  das  unter  der 
Statue  eines  Amor  ein  Billet-doux  verbergen  will"  in  Zusammenhang  bringen.  Das 
Blatt  gehört  Kommerzialrat  Julius  Reich  in  Wien.  Endlich  sind  vom  Jahre  1867 
die  bereits  flüchtig  erwähnten  ersten  italienischen  Themen,  Studien  nach  Volks- 
typen aus  Riva  zu  nennen,  Arbeiten,  die  aber  besser  vom  Gesichtspunkt  der  Technik 
als  dem  des  Motivs  aus  zu  behandeln  sein  werden. 

Ganz  auffallend  tritt  während  der  sechziger  Jahre  das  Aquarell  zurück.  1864 
führt  Pettenkofen  in  der  Verkaufsliste  des  ersten  Notizbuches  neben  Ölstudien, 
Bleistift-  und  Sepiazeichnungen  auch  Aquarelle  an,  alles  in  allem  37  Arbeiten, 
die  er  alle  Gsell  abläßt,  und  1867  spricht  er  an  derselben  Stelle  von  „fünf  Aqua- 
rellen aus  Ungarn",  die  abermals  Gsell  ersteht.  1869  kauft  Franz  Xaver  Mayer 
zwei  Aquarelle  von  dem  Künstler,  einen  „Ungarischen  Schafhirten"  und  den  hier 
abgebildeten  „Jungen  ungarischen  Bauern,  der  sich  seine  Pfeife  anzündet".  Die 
beiden  Blätter  werden  auch  nicht  viel  früher  entstanden  sein.  Sehr  angenehm  ist 
namentlich  die  Wirkung  des  „Jungen  Bauern"  nicht.  Das  Bild  ist  allzusehr  aus- 
geführt und  ein  etwas  trübes  Braun  schlägt  vor,  —  schon  einmal,  um  1850,  verfiel 
Pettenkofen  beim  Aquarellieren  diesem  braunen  Gesamtton  und,  wie  wir  sehen 
werden,  nimmt  er  ihn  sogar  in  den  achtziger  Jahren,  freilich  viel  kraftvoller,  noch- 
mals wieder  auf. 

Es  ist,  als  ob  während  der  sechziger  Jahre  die  Aquarelle  durch  die  Zeichnungen 
abgelöst  worden  wären,  denn  diese  treten  jetzt  merklich  hervor.  Schon  Blätter 
vom  Anfang  des  Jahrzehntes,  wie  die  1860  datierte  „Zigeunererdhütte"  bei  Ludwig 
Lobmeyr  und  die  sicher  gleichzeitige  „Ungarische  Dorfstraße"  ebenda,  sind  mit 
weicherem  Bleistift  gemacht.  Das  Porträt  Reithoffers  vom  Jahre  darauf  zeigt  be- 
reits schwarze  und  weiße  Kreide.  Weichem  Bleistift  und  schwarzer  Kreide  gesellt 
sich  auf  körnigem  Grund  auch  der  Rötel,  lauter  Materialien,  die  früher  nicht  oder 
doch  nur  ganz  vereinzelt  angewendet  worden  sind.  1867  in  Riva  nun  zeichnet 
Pettenkofen  ziemlich  große  Köpfe,  vorwiegend  mit  weichem,  breiten  Bleistift,  und 
auf  kleinerem  Räume  ganze  Figuren  mit  spitzer  Sepia-  oder  Tuschfeder,  häufig 
hilft  er  mit  dem  Pinsel  nach,  manchmal  erzielt  er  mit  dem  bloß  in  Wasser  ge- 
tauchten Pinsel,  mit  dem  er  die  frische  Federzeichnung  übergeht,  eigentümliche 
Wirkungen.  Sowohl  die  Köpfe  aber,  von  denen  hier  als  Beispiel  der  eines  Mäd- 
chens wiedergegeben  ist,  als  auch  die  ganzen  Figuren  gehören  keineswegs  zu 
Pettenkofens  glücklichsten  Schöpfungen.    Diese  wie  jene  sind  eigentümlich  hart,  ja 


160 


TAFEL  XXIX 
SZOLNOKER  MARKT.  ÖLBILD.  (1870.)  WIEN,  FRANZ  XAVER  MAYER. 


/. 


Straße  eines  ungarischen  Dorfes  mit  einem  Bauern,  der  drei  Pferde  zur  Schwemme  reitet.  Ölbild.         Wien,  Julius  Eymer. 

die  Köpfe  erinnern  sogar  ein  wenig  an  die  im  Kerne  eigentlich  unkünstlerischen 
Zeichnungen  von  Christian  Wilhelm  Allers,  dessen  durch  den  Lichtdruck  reprodu- 
zierte Serien:  „Meininger,"  „Unsere  Marine,"  „Bismarck  in  Friedrichsruh",  „Das 
deutsche  Korpsleben"  usw.  einst  viel  bewundert  wurden.  — 

Dem  Ende  der  sechziger  Jahre  wird  am  besten  Pettenkofens  Tätigkeit  als  —  Re- 
staurator von  Bildern  anzugliedern  sein,  obwohl  sie  bereits  im  Jahre  1857  anhebt 
und  er  die  meisten  Arbeiten  dieser  Art  erst  im  Jahre  1871  ausgeführt  hat.  Petten- 
kofen  scheint  sich  nur  während  der  Zeit  von  1857  bis  1871  auf  diesem  merkwür- 
digen Gebiet  bewegt  zu  haben,  auf  dem  sich  der  Künstler  und  der  Kunstgelehrte 
die  Hände  reichen  sollen,  auf  dem  ein  vollwertiger  Künstler  ebenso  erwünscht  wie 
gefährlich  ist  und  auf  dem  sich  Kenntnisse,  die  einzig  und  allein  durch  Erfahrung 
und  Übung  gewonnen  werden  können,  mit  angeborenem  Takt  vereinigen  müssen. 

Freilich  wird  er  vor-  und  nachher,  um  ein  Wort  des  Künstlerjargons  zu  ge- 
brauchen, als  „Bilderdoktor"  tätig  gewesen  sein,  als  der  er  bei  allen  Malern,  die 
Gelegenheit  hatten,  von  ihm  bei  ihrer  Arbeit  mit  Rat  und  Tat  unterstützt  zu  werden, 
den  höchsten  Ruf  genoß.  Von  einer  solchen  Mithilfe,  die  er  einmal  dem  alten 
Raffalt  hatte  angedeihen  lassen,  war  hier  bereits  die  Rede.  Staffagen  in  ein  fremdes 
Bild  zu  setzen,  scheint  eine  Force  und  eine  Art  Lieblingsbeschäftigung  von  ihm 
gewesen  zu  sein.  Er  gilt  auch  heute  noch  in  Künstlerkreisen  als  unerreichter 
Meister  der  Anbringung  von  Staffagen.  Noch  hat  sich  ein  gutes  diesbezügliches 
Wort  von  ihm  erhalten:  „Eine  Staffage  darf  nur  dorthin  kommen,  wo  sie  nichts 
Gutes  verdirbt."^")  —  Natürlich  erschöpft  sich  im  „Staffieren"  das,  was  von  einem 


161 


Restaurator  verlangt  wird,  nicht,  und  heutzutage,  da  man  in  dieser  Hinsicht  viel 
rigoroser  denkt  als  einst,  wäre  speziell  das  derartige  Tun  eines  Restaurators  aufs 
strengste  verpönt. 

Im  März  1868  malt  Pettenkofen  für  200  fl.  seinem  Freunde  Kratzer  eine  Staffage, 
unter  dem  Datum  des  24.  Mai  1869  verzeichnet  er  in  der  Bilderliste  des  ersten 
Notizbuches  drei  Staffagen,  die  er  um  200  fl.  für  Plach  gemacht  hat.  Ob  diese 
Staffagen  in  alte  oder  in  neue  Bilder  hineingemalt  worden  sind,  muß  dahingestellt 
bleiben.  Unter  dem  1.  August  1871  findet  sich  sowohl  im  ersten  als  auch  im 
zweiten  Notizbuch  vermerkt:  „Staffage  in  eine  Landschaft  von  J  .  .  .  um  200  fl. 
für  Herrn  Plach  gemacht."  Mit  dem  „J."  ist  wahrscheinlich  Eugen  Jettel  gemeint. 
Außerdem  sei  hier  nochmals  daran  erinnert,  daß  sich  im  Besitz  Franz  Xaver 
Mayers  eine  Landschaft  des  Franzosen  Alexandre-Marie  Longuet  befindet,  in  die 
Pettenkofen  ein  wasserschöpfendes  Mädchen  als  Staffage  gemalt  hat. 

Die  interessanteste  Staffage  Pettenkofens  aber,  von  der  wir  wissen  und  die  wir 
von  unserem  heutigen  Standpunkt  aus  geradezu  als  Fälschung  bezeichnen  müßten, 
ist  die,  die  er  1871  um  100  fl.  für  Plach  in  ein  Bild  Ruysdaels  gemalt  hat.  Er  ver- 
zeichnet sie  unter  demselben  Datum  wie  die  eben  erwähnte  Staffage  in  einem  Bild 
Jetteis.  Es  ist  natürlich  äußerst  verlockend,  nachzuspüren,  was  das  für  ein  Bild  war, 
doch  muß  gleich  gesagt  werden,  daß  darüber  nur  Vermutungen  angestellt  werden 
können. 

Plachs  ausgiebigster  und  ständigster  Käufer  um  jene  Zeit  war  Friedrich  Gsell, 
der  freilich  im  September  des  genannten  Jahres  1871  starb,  in  dessen  Nachlaß  aber 
drei  Bilder  Jakob  und  zwei  Salomon  Ruysdaels  vorkommen  und  von  dem  Petten- 
kofen im  nämlichen  Jahre  nicht  weniger  als  vier  Restaurieraufträge  erhält.  Es  wäre 
daher  ganz  wohl  möglich,  daß  es  sich  um  einen  Ruysdael  aus  Gsells  Galerie 
handelt. 

Die  drei  Bilder  Jakob  Ruysdaels  nun  (ein  viertes:  Waldausgang,  Nr.  496  des 
Auktionskataloges,  wird  bereits  von  diesem  selbst  als  „moderne  Imitation"  be- 
zeichnet, geht  um  32  fl.  in  den  Besitz  eines  Herrn  Höger  über  und  kommt  nach 
dem  allen  nicht  in  Betracht)  sind  nach  dem  Katalog  folgende:  Nr.  97:  Wald- 
ausgang (Eichen  und  Buchen,  am  Boden  bemooste  Stämme,  im  Hintergrund  Hirt 
mit  Schafen,  Durchblick  auf  die  See).  Holz.  69:98  cm.  „Vorzügliche  Erhaltung." 
Aus  den  Galerien  Pierard  in  Valenciennes  und  Festetits  in  Wien.  Gekauft  wurde  es 
um  5100  fl.  von  Posonyi.  Nach  C.  Hofstede  de  Groot^')  befindet  es  sich  jetzt  in 
der  Sammlung  W.  A.  Clarks.  —  Nr.  98:  Landschaft  mit  Wasserfall.  Das  Haupt- 
stück der  Sammlung.  (Im  Katalog  in  einer  Lithographie  abgebildet.)  Bezeichnet. 
Leinwand.  69:55  cm.  Aus  der  fürstlich  Eszterhäzyschen  Galerie  von  Gsell  im 
Jänner  1871  um  den  „Höchstpreis"  von  20.000  fl.  auf  der  Auktion  von  des  Grafen 
Brunatti  Nachlaß  gekauft.  Auf  der  Auktion  Gsell  wurde  es  um  27.000  fl.  von 
einem  Herrn  Hornick  erstanden  und  nach  Hofstede  de  Groot^O  befand  es  sich 
1896  im  Besitz  von  Charles  Sedelmeyer  in  Paris.  —  Nr.  495:  Gothische  Dorfkirche. 
Staffage  von  Cuyp.  Holz.  82:70  cm.  „Stimmung  und  Luft  an  den  Judenfriedhof 
der  Dresdener  Galerie  erinnernd."  Aus  der  Sammlung  des  Barons  Rauter.  Das 
Bild  wurde  um  2400  fl.  von  Plach  selbst  gekauft,    wo    es   sich   heute   befindet,    ist 


162 


auch    Hofstede    de    Groot 
unbekannt.^') 

Wenn  von  Ruysdael 
schlechthin  die  Rede  ist, 
so  meint  man  wohl  Jakob 
Ruysdael.  Daher  spräche 
die  Wahrscheinlichkeit  da- 
für, daß  sich  das  von  Pet- 
tenkofen  mit  einer  Staffage 
versehene  Bild  Ruysdaels 
unter  den  drei  eben  ge- 
nannten Jakob  Ruysdaels 
befindet,  und  von  diesen 
wieder  käme  vielleicht  an 
erster  Stelle  das  mittlere 
in  Betracht,  und  zwar  da- 
rum, weil  es  im  Jänner 
1871  von  Gsell  gekauft 
wurde.  Natürlich  geschah 
das  durch  Vermittlung 
Plachs,  und  damit  wäre  für 
das  Jahr  1871  ein  Ruys- 
dael nachgewiesen,  der 
durch  Plachs  Hände  ge- 
gangen ist. 

Der  Vollständigkeit  hal- 
ber seien  aber  auch  die  bei- 
den Bilder  Salomon  Ruys- 
daels angeführt,  die  Gsell 
gehört  haben,  obwohl  es 
von  vornherein  recht  un- 
wahrscheinlich ist,  daß  Pet- 
tenkofen    mit    einem    von 

diesen  zu  tun  gehabt  hat:  Nr.  99:  Landschaft  mit  Thieren.  Signiert.  Holz.  50:68  cm. 
Das  Bild  wurde  von  Plach  selbst  um  1088  fl.  erstanden.  —  Nr.  100:  Hütte  unter 
Bäumen  am  Wasser.  Signiert:  1663.  Holz.  53 :  63  cm.  „Bekanntlich  das  vorzüglichste 
Bild  des  Meisters,  vortrefflich  erhalten."  Aus  der  Galerie  Festetits.  Das  Gemälde 
wurde  um  5800  fl.  von  Hornick  erstanden. 

Sind  die  bisher  besprochenen  Arbeiten  an  Bildern  anderer  keine  Restaurierarbeiten 
im  strengsten  Sinne  des  Wortes,  so  seien  im  folgenden  wirkliche  „Wiederherstellungen" 
aufgezählt.  Sie  finden  sich  in  Pettenkofens  Notizen  unter  den  Schlagwörtern  „Re- 
stauration" und  „Übermalung"  verzeichnet.  Dabei  darf  wohl  an  Pettenkofens  Lehrer 
Eybl  erinnert  werden,  der  sich  als  Maler,  der  an  der  Belvedere-Galerie  angestellt 
war,  natürlich  besonders  viel  mit  dem  Bilderrestaurieren  zu  beschäftigen  hatte. 


Junger  üigeuner,  sich  eine  Pfeife  anzuiuicnd.  Aquarell.  (  1869?)    Wien,  Franz  X.  Mayer. 


163 


Ungarischer  Markt.  Ölbild. 


Budapest,  Ministerialrat  Johann  Földi. 


Die  erste  und  allem  Anschein  nach  die  größte  Restaurierarbeit,  die  Pettenkofen 
überhaupt  auszuführen  hatte,  gilt  einem  Bilde  von  Metsu.  Plach  zahlt  ihm  dafür 
im  April  des  Jahres  1857  die  für  Plach  und  jene  verhältnismäßig  frühe  Zeit  immer- 
hin beträchtliche  Summe  von  200  fl.  Die  Tatsache  findet  sich  in  dem  frühesten  der 
paar  aus  Pettenkofens  Nachlaß  erhaltenen  Bilderverzeichnisse  eingetragen.  Mit 
Hilfe  der  schon  oben  angestellten  Schlüsse  kommt  man  bei  dem  Versuch,  dieses 
Bild  zu  identifizieren,  abermals  auf  die  Sammlung  Gsell,  die  auch  tatsächlich  ein 
Bild  unter  dem  Namen  Metsus  enthält,  mit  dessen  ganz  erheblicher  Größe  —  es 
mißt  70:90  cm  —  auch  die  relative  Höhe  des  Honorars  gut  in  Einklang  zu  bringen 
wäre.  Das  Bild  führt  im  Katalog  der  Nachlaßauktion  die  Nummer  66  und  ist  da 
folgendermaßen  beschrieben:  Der  Prinz  von  Oranien  reitet  mit  seinen  Kavalieren 
nach  der  im  Hintergrund  sichtbaren  Reitschule,  von  einem  Windhund  begleitet. 
Rechts  ein  Stallmeister  mit  einem  Pagen,  der  einen  Braunen  hält.  Leinwand.  Daß 
es  schon  früher  durch  Plachs  Hände  gegangen  war,  erhellt  daraus,  daß  es  aus  der 
1859  von  ihm  versteigerten  Sammlung  Festetits  stammt,  in  die  es  aus  der  Galerie 
des  Barons  Puthon  gekommen  war.  Hofstede  de  Groot^^)  führt  das  Bild  bloß  als 
Bestandteil  der  Sammlung  Festetits  an,  was  allein  schon  dafür  spräche,  daß  der 
Name  seines  Autors  nicht  ganz  sicher  ist.  Tatsächlich  hat  es  auch  Bode  eher  für 
einen  späteren  Aelbert  Cuyp  gehalten.  Als  solcher  ist  es  aber  bei  Hofstede  de 
Groot  nicht  verzeichnet.  Auch  David  Teniers  und  Francois  Duchatel  hat  das 
Bild  schon  geheißen. ^^)  Auf  der  Auktion  Gsell  wurde  es  um  36.000  fl.  von  Plach 
für  Baron  Nathaniel  Rothschild  gekauft,  dessen  Erbe  Baron  Alfons  es  heute  noch 
besitzt.  Aus  dem  Nachlaß  Pettenkofens  hat  sich  eine  Zeitungsnotiz  erhalten,  die 
die  Ergebnisse  der  Auktion  Gsell  mitteilt.  Es  heißt  da,  daß  den  höchsten  Preis 
das   in  Rede   stehende  Bild  Metsus  erzielte,  das  von  Rothschild  für  30.600  fl.   (die 


164 


Ungarischer  Markt.    Ölbild. 


Wien,  Kunsthistorisches  Hofmuseum. 


Summe  deckt  sich,  wie  man  sieht,  nicht  mit  der  oben  angegebenen,  die  der  Ein- 
tragung in  einem  Auktionskatalog  entnommen  ist)  angekauft  wurde,  den  nächst 
hohen  aber  ein  „Großer  ungarischer  Markt"  von  Pettenkofen,  den  der  Wiener 
Händler  Löscher  im  Auftrag  des  Abgeordneten  Kuranda  um  18.050  fl.  erstand. 
Die  Notiz  scheint  von  Pettenkofen  selbst  ausgeschnitten  worden  zu  sein.  Es  mag 
für  ihn  ein  eigentümliches  Gefühl  gewesen  sein,  zu  sehen,  daß  die  höchsten  Preise 
erzielt  wurden  von  dem  Bild  eines  alten  Meisters,  das  immerhin  zum  Teil,  und 
von  einem  Bild,  das  ganz  von  seiner  Hand  gemalt  war. 

Unter  dem  Datum  des  10.  Mai  1868  notiert  sich  ferner  Pettenkofen,  daß  er  für  eine 
Übermalung  von  dem  Sammler  Bosch  80,  für  eine  ebensolche  von  Plach  50  fl.  erhalten 
hat.  Läßt  sich  in  diesen  beiden  Fällen  ebenso  wie  in  dem  von  Pettenkofen  1871  ver- 
zeichneten, wo  er  für  die  Restauration  von  „verschiedenen  kleineren  und  größeren 
Bildern"  von  Gsell  300  fl.  gutgeschrieben  erhält,  natürlich  nicht  mehr  feststellen, 
welche  Bilder  gemeint  sind,  so  sind  besonders  interessant  jene  Restaurierarbeiten, 
die  Pettenkofen  außerdem  im  selben  Jahre  für  Gsell  ausgeführt  hat.  Da  Gsell,  wie 
schon  erwähnt,  Ende  September  1871  gestorben  ist  und  daher  die  von  Petten- 
kofen noch  in  diesem  Jahre  für  ihn  restaurierten  Bilder  kaum  mehr  seine  Samm- 
lung verlassen  haben  werden,  so  kann  wenigstens  das  Eine  als  ausgemacht  gelten, 
daß  alle  im  Katalog  der  Nachlaßauktion  zu  finden  sein  müssen.  Weil  aber  Petten- 
kofen stets  nur  den  Meister  und  nie  einen  Bildertitel  angibt  und  in  zwei  Fällen 
der  Katalog  unter  dem  betreffenden  Maler  mehrere  Bilder  anführt,  so  kann  auch 
hier,  wie  oben  bei  der  in  einen  Ruysdael  gemalten  Staffage,  nur  geraten  werden, 
welches  Bild  gemeint  sein  könne.  Bei  anderen  läßt  sich  wieder  nicht  herausbringen, 
wo  sie  sich  heute  befinden.  Identität  und  heutiger  Standort  sind  nur  in  einem  ein- 
zigen Falle  festzustellen,  —  vorausgesetzt,  daß  Plach  bei  der  Übernahme  der  Samm- 
lung zur  Auktion  keine  Neutaufe  vorgenommen  hat  und  daß  Pettenkofen  nicht  den 
Namen  des  Meisters  vergessen  hat.  Beides  ist  nicht  sehr  wahrscheinlich,  da  einer 


165 


Ungarischer  Markt  bei  Regen.    Ölbild. 


Wien,   Ludwig  Lobmeyr. 


seits  Gsell  wohl  die  meisten  seiner  Bilder  von  Plach  gekauft  und  dieser  daher  schon 
früher  Gelegenheit  gehabt  hatte  zu  taufen  und  anderseits  Pettenkofen  zu  genau,  zu 
pedantisch  und  kunstgeschichtlich  zu  interessiert  war,  als  daß  er  sich  um  einen 
Namen  nicht  erkundigt  oder  ihn  unterdrückt  hätte.  Mit  dem  zuletzt  charakterisierten 
Falle,  dem  günstigsten,  sei  begonnen. 

1871  notiert  sich  Pettenkofen,  daß  ihm  Gsell  —  die  Gründe,  warum  Gsell  Plach 
als  Zwischenhändler  ausgeschlossen  und  direkt  mit  Pettenkofen  verkehrt  hat,  liegen 
auf  der  Hand  —  daß  ihm  Gsell  für  die  Restaurierung  des  „Brustbildes  eines  alten 
Italieners"  100  fl.  gutgeschrieben  hat.  Nun  kommen  im  Katalog  nur  zwei  Brust- 
bilder von  unbekannten  alten  Italienern  vor:  Nr.  184:  Venezianische  Schule,  Papst 
Sixtus  V.,  Leinwand,  48  :  41  cm  groß,  ist  das  eine.  Da  dieses  Porträt  aber  als 
„verputzt"  bezeichnet  ist  und  um  bloß  70  fl.  von  Plach  gekauft  wird,  kann  es  un- 
möglich das  von  Pettenkofen  restaurierte  Bild  sein.  Das  andere  aber  ist  Nr.  153: 
Alte  Florentiner  Schule,  XV.  Jahrhundert:  Mädchen  mit  goldgeringelten  Haaren, 
mit  Geschmeide  geziert.  Von  dem  bekränzten  Kopf  fällt  ein  weißer  Schleier  über 
den  Nacken.  In  der  zierlichen  Hand  ein  Blumensträußchen.  „Voll  Anmut  und  von 
großer  Vollendung. "  Ebenholzrahmen.  Holz:  44  :  35  cm.  Aus  der  Galerie  Schleißheim. 
Es  wurde  um  665  fl.  vom  Kunsthändler  Kohlbacher  gekauft.  Dieses  Bild  nun  ist 
der  schon  von  Morelli  richtig  erkannte,  von  Thode  aber  kaum  verständlicherweise  als 
Dürer  publizierte  Bartolommeo  Veneto  des  Städelschen  Instituts  in  Frankfurt  am 
Main.  Im  Katalog  des  Instituts  vom  Jahre  1879  ist  bei  dem  damals  noch  als 
Florentiner  Schule  des  XV.  Jahrhunderts  (Nr.  13  der  italienischen  Schulen)  bezeich- 
neten Bilde  angegeben,  daß  es  aus  Schleißheim  und  aus  der  Galerie  Gsell  stamme. 
Es  wurde  1872  vom  Frankfurter  Kunstverein  um  2500  fl.  erworben,  —  Kohlbacher 
hatte  das  Jahr  vorher  665  dafür  bezahlt! 

Ferner  merkt  sich  Pettenkofen  1871  an,  daß  er  Gsell  um  100  fl.  ein  Bild  von 
Sassoferrato  restauriert   hat.     Im  Katalog   findet   sich  nur   ein  einziges  Bild  dieses 


166 


Ungarischer  Markt.  Ölbild. 


Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie. 


Malers,  das  in  Betracht  kommt:  Nr.  175:  Madonna  mit  dem  schlafenden  Kinde. 
Leinwand.  88  :  58  cm.  „Gut  erhalten."  Dieser  Vermerk  ist  für  Plachs  Geschäfts- 
praxis ungemein  charakteristisch  und  kann  vielleicht  bei  der  Identifizierung  der  noch 
zu  besprechenden  beiden  anderen  Restaurierarbeiten  Pettenkofens  verwertet  werden. 
Das  Bild  wurde  von  Flach  selbst  um  1000  fl.  gekauft.  Leider  ist  nicht  zu  eruieren, 
wo  es  hingekommen  ist.  (Das  zweite  Bild,  bei  dem  im  Katalog  allerdings  bloß 
mit  einem  Fragezeichen  der  Name  Sassoferrato  steht,  wurde  um  bloß  161  fl.  an 
einen  gewissen  Kahn  verkauft  und  kommt,  wie  gesagt,  seiner  Minderwertigkeit 
wegen  nicht  in  Betracht.) 

Weiter  hat  Pettenkofen  1871  um  100  fl.  ein  Bild  von  Ostade  für  Gsell  restauriert. 
Da  im  Katalog  nicht  weniger  als  vier  Bilder  von  Ostade,  und  zwar  nur  von  Adriaen 
Ostade  vorkommen,  so  hat  man  hier  natürlich  gar  keinen  Anhaltspunkt  dafür,  wel- 
ches der  vier  von  Pettenkofen  restauriert  worden  ist.  Immerhin  seien  sie  aufgezählt: 
Nr.  76:  Das  Innere  einer  Scheune,  in  der  ein  geschlachtetes  Schwein  hängt.  Auf  dem 
Boden  Hühner,  Hausgerät  u.  a.  Signiert  1643.  Holz.  69  :  49  cm.  Aus  der  Galerie 
Pierard  aus  Valenciennes.  Es  wurde  um  1830  fl.  von  einem  Herrn  Engländer 
gekauft.  Nach  Hofstede  de  Groot^*^^)  befindet  es  sich  heute  im  Städelschen  Institut  zu 
Frankfurt.  —  Nr.  11:  Eine  Schenke,  in  der  ein  Weib  zur  Fiedel  tanzt.  Die  ange- 
heiterten Bauern  sehen  zu.  Bezeichnet  mit  Namen  1642  (recte  1643).  In  tergo 
alte  adelige  Siegel.  Holz.  47  :  65  cm.  Aus  der  Galerie  Eszterhäzy.  Das  Bild  wurde 
um  1920  fl.  von  Hornick  gekauft.  Hofstede  de  Groot")  verzeichnet  es  das  letzte 
Mal  als  Nr.  149  einer  Auktion,  die  am  25.  Mai  1907  bei  Charles  Sedelmeyer  in 
Paris  stattgefunden  hat.  —  Nr.  78:  Dorfschenke.  Bezeichnet.  Holz.  27  :  22  cm.  Aus 
der  Galerie  Festetits.  Es  wurde  um  1990  fl.  von  Artaria  &  Co.  gekauft.  Nach  Hof- 


167 


stede  de  Groot")  befand  es  sich  noch  1908  bei  Kunsthändler  Charles  Brunner  in 
Paris.  —  Nr.  79:  Spielende  Kinder  in  einer  Bauernstube.  Monogrammiert.  Holz. 
21  :  25  cm.  Gekauft  wurde  es  um  1060  ü.  vom  Kunsthändler  Löscher.  Hofstede  de 
Groot^')  weiß  nicht  anzugeben,  wo  das  Bild  heutzutage  aufbewahrt  wird. 

Schließlich  notiert  sich  Pettenkofen  im  Jahre  1871  noch,  daß  er  für  Gsell  ein 
Porträt  von  Tintoretto  restauriert  und  dafür  200  fl.  gutgeschrieben  erhalten  hat. 
Nach  dem  Preis  zu  urteilen,  möchte  man  meinen,  daß  hier  eine  nicht  unbeträcht- 
liche Arbeit  an  ein  besonders  wertvolles  Bild  gewendet  worden  ist.  Der  Katalog 
verzeichnet  nicht  weniger  als  drei  Bildnisse  Jacopo  Tintorettos,  unter  denen  es 
natürlich  sehr  schwer  ist  das  von  Pettenkofen  restaurierte  auch  nur  zu  vermuten: 
Nr.  170:  Bildnis  eines  Senators  im  pelz  verbrämten  schwarzen  Kleide.  (In  schlechtem 
Holzschnitt  reproduziert.)  Leinwand.  100  :  82  cm.  In  schwarzem  Rahmen.  Aus  der 
Sammlung  Böhm.  Es  wurde  von  Plach  um  1750  fl.  erstanden.  —  Nr.  171:  Feldherr 
in  Rüstung,  zur  Seite  ein  Mohr,  im  Hintergrund  die  Flotte.  Leinwand.  112:113  cm. 
Aus  den  Galerien  Manfrin  und  Festetits.  Es  wurde  um  1810  fl.  von  einem  gewissen 
Caruta  gekauft.  —  Nr.  172:  Ein  Senator  in  rotem  hermelinverbrämten  Kleide; 
grüne  Draperie.  „Gut  erhalten."  Leinwand.  136  :  105  cm.  "Wie  das  vorige  aus  den 
Galerien  Manfrin  und  Festetits.  Es  wurde  um  1650  fl.  von  Plach  selbst  gekauft.  — 
Die  beiden  anderen  Bilder  von  Jacopo  Tintoretto,  Nr.  173:  Dornenkrönung  und 
Nr.  174:  Dreifaltigkeit  und  Maria  mit  Donatoren,  fallen,  da  sie  keine  Porträte  sind, 
weg,  und  die  beiden  Bilder  Domenico  Tintorettos,  Nr.  175:  Bildnis  eines  Dogen, 
Leinwand,  46  :  54  cm,  und  Nr.  176:  Porträt  eines  Kahlkopfes,  der,  einen  Pelzrock 
an,  im  Lehnstuhl  ruht,  Leinwand,  115  :  93  cm,  aus  der  Galerie  Berry  stammend, 
kommen  wohl  auch  nicht  in  Betracht.  Das  erste  scheint  überhaupt  nicht  verkauft 
worden  zu  sein,  das  zweite,  obwohl  es  im  Katalog  mit  dem  Zusatz  „von  bester 
Erhaltung"  versehen  ist,  hat  um  nur  330  fl.  Plach  selbst  gekauft,  und  schließlich 
meint  man  wohl,  wenn  man  Tintoretto  schlechthin  sagt,  Jacopo  und  nicht  Dome- 
nico. —  Nach  dem  Beispiel  des  Sassoferrato  möchte  man  fast  glauben,  daß  Petten- 
kofen das  Bild  Nr.  172,  den  Senator  im  roten  Gewand,  restauriert  hat,  weil  es 
mit  der  Anmerkung  „gut  erhalten"  versehen  ist.  — 

Dies  ist  alles,  was  von  der  Restauriertätigkeit  Pettenkofens  bekannt  ist.  Seit 
Gsells  Tode  scheint  er  sie  gänzlich  aufgegeben  zu  haben. 

Mit  den  Bildern  der  alten  Meister  aber  hat  er  sich  auch  weiterhin  eingehend 
befaßt,  aber  nicht  mehr,  indem  er  sie  erhielt  und  verbesserte,  sondern  lediglich, 
indem  er  sich  ihrer  freute  und  von  ihnen  lernte. 


168 


I 


TAFEL  XXX 

FISCHERBARKEN  AM  STRANDE  VON  PORTICI.  AQUARELLSTUDIE.  (1873.) 

WIEN,  LUDWIG  LOBMEYR. 


TAFEL  XXXI 

BÄUERIN  AUS  TORRE  DEL  GRECO,  MIT  BLUMENTÖPFEN  BESCHÄFTIGT. 
AQUARELL.  (1873.)  WIEN,  LUDWIG  LOBMEYR. 


-  r.if.ivtjyBpfej,' 


TAFEL  XXXII 

NEAPOLITA^aSCHE  NETZFLICKERIN.   AQUARELLSTUDIE.  (1873.)  WIEN, 

LUDWIG  LOBMEYR. 


hOU 


TAFEL  XXXIII 

INNERES  EINES  NEAPOLITANISCHEN  BAUERNHAUSES  MIT  HOLZSTIEGE 
UND  NÄHENDER  FRAU.  AQUARELL.   (1873.)  WIEN,  LUDWIG  LOBMEYR. 


TAFEL  XXXIV 

NEAPOLITANISCHES  BAUERNHAUS  MIT  BÄUERIN.  ÖLBILD.  (1873?)  WIEN, 

LUDWIG  LOBMEYR. 


FÜNFTES  KAPITEL 

DIE  SIEBZIGER 
JAHRE 

uch  das  Jahrzehnt  von  1870  auf  1880  stellt  sich  als  eine  Periode 
von  Pettenkofens  Leben  dar,  und  zwar  sowohl  menschlich  als 
auch  künstlerisch  genommen. 

Für  Pettenkofen  beginnen  die  siebziger  Jahre  nicht  angenehm. 
Schon  im  Sommer  1870  gebraucht  er  in  Brestenberg  am  Hall- 
wiler  See  in  der  Schweiz  eine  Kur.  Das  deutet  darauf  hin,  daß 
seine  Gesundheit  angegriffen  war  oder  daß  er  sie  so  fühlte.  Was  an  seiner  Krank- 
heit Einbildung,  was  Wirklichkeit  war,  wird  sich  schon  zu  seinen  Lebzeiten  nur 
schwer  haben  feststellen  lassen.  Schließlich  läuft  es  aber  auf  dasselbe  hinaus,  ob 
jemand  tatsächlich  krank  ist  oder  ob  er  sich  krank  fühlt  —  kommt  es  doch  einzig 
und  allein  auf  das  Fühlen  an.  Jedenfalls  aber  muß  man  von  nun  an  bei  der  Be- 
urteilung von  Pettenkofens  Tun  und  Lassen  die  Krankheit  mit  in  Rechnung  ziehen. 
Den  Markstein  für  den  Beginn  der  neuen  Epoche  bildet  jedoch  die  Bekannt- 
schaft mit  Leopold  Karl  Müller  oder  besser  gesagt  die  Erneuerung  dieser  Be- 
kanntschaft, die  bald  zur  edelsten  und  für  beide  Teile  fruchtbringendsten  Freund- 
schaft werden  sollte.  Unter  dem  11.  November  1871  notiert  sich  Pettenkofen: 
„Mit  Müller  in  Padua."  Er  war  aber  Müller,  den  er  schon  von  früher  her,  von 
Wien  und  Szolnok  aus  kannte,  ohne  daß  sie  einander  näher  getreten  wären, 
bereits  im  Winter  1870  in  Venedig  begegnet.  Damals  müssen  sie  einander  näher 
kennen  gelernt  haben,  denn  sie  hatten  schon  damals  im  Palazzo  Rezzonico  (er, 
der  heute  dem  Mr.  Barett  Browning  gehört,  war  damals  ganz  an  Maler  vermietet,  und 
es  sei  hier  daran  erinnert,  daß  ihn  unter  anderem  Fresken  von  Tiepolo  schmücken, 
den  Pettenkofen  sehr  geliebt  und  bewundert  hat)  —  denn  sie  hatten  schon  damals 
in  diesem  Palast  ein  gemeinschaftliches  Atelier,  das  sie  auch  im  folgenden  Winter, 
in  dem  sie  miteinander  einen  Abstecher  nach  Padua  machten,  wieder  vereinte. 
Anläßlich  dieses  Ausfluges  kommt  in  Pettenkofens  Aufzeichnungen  zum  ersten 
Mal  der  Name  Müller  vor.  Damals  scheint  Pettenkofen  nach  28  Jahren  zum 
ersten  Mal  wieder  Padua  betreten  zu  haben.  Es  wird  in  ihm  nicht  nur  freudige 
Erinnerungen  ausgelöst  haben.  War  es  doch  der  Ort,  wo  er  als  blutjunger  Mensch 


169 


zwei  Jahre  in  Garnison  gewesen,  wo  er  im  Spital  krank  gelegen  war  und  wo  er 
schließlich  seinen  Abschied  hatte  nehmen  müssen.  Daß  er  gerade  in  Gesellschaft 
Müllers  diese  Erinnerungen  aufgefrischt  hat,  beweist  allein  schon,  daß  er  dessen 
verständnisvoller,  zartfühlender  Teilnahme  durchaus  sicher  war.  Wenn  nicht  früher, 
so  haben  sich  an  jenem  Novembertag  des  Jahres  1871  in  dem  Städtchen  am 
Bacchiglione,  wo  Giotto,  Donatello,  Mantegna  und  Tizian  geschaffen  haben,  die 
Bande  geknüpft,  die  erst  durch  Pettenkofens  Tod  zerrissen  werden  sollten.  Das 
Jahr  1871,  das  Pettenkofen  seinen  Mäcen  Friedrich  Gsell  raubt,  hat  ihm  endgültig 
Leopold  Karl  Müller  zum  Freunde  geschenkt. 

Müller,  der  um  zwölf  Jahre  jünger  als  Pettenkofen  und  1870  sechsunddreißig 
Jahre  alt  war,  befand  sich  damals  in  einer  Krise.  Er  hatte  in  diesem  Jahre  seine 
Stellung  als  Illustrator  des  Wiener  politischen  Witzblattes  „Figaro",  in  der  ihm 
sein  Freund  Ferdinand  Lauf  berger  vorangegangen  war  und  in  der  ihm  Ernst  Juch 
nachfolgte,  aufgegeben.  1860  war  ihm  die  Mutter,  1862  der  Vater  gestorben.  In 
dessen  Todesjahr  hatte  er  jene  Stellung  angenommen,  weil  sie  es  ihm  ermöglichte, 
seine  vier  unverheirateten  Schwestern  zu  erhalten.  Er  hatte  sich  aber  immer  als 
Maler  gefühlt  und  seine  Tätigkeit  als  solcher  nur  blutenden  Herzens  mit  dem 
Karikaturenzeichnen,  für  das  er  freilich  gleichfalls  ungewöhnlich  begabt  war,  ver- 
tauscht. Wann  es  ihm  seine  karg  bemessene  freie  Zeit  erlaubte,  griff  er  zu  Pinsel 
und  Palette,  und  ein  Pariser  Aufenthalt  im  Jahre  1867  hatte  in  ihm  den  Entschluß, 
sich  von  der  zeichnerischen  Journalistik  loszusagen,  unerschütterlich  gemacht.  1870 
endlich  konnte  er  ihn  in  die  Tat  umwandeln.  Sein  Instinkt  trieb  ihn  der  Sonne 
und  den  Farben  Italiens  entgegen,  die  den  Wiener  nun  einmal  am  raschesten  und 
in  einziger  Pracht  zu  Venedig  begrüßen,  sein  guter  Stern  brachte  ihn  dort  mit 
Pettenkofen  zusammen. 

Der  Zustand  Müllers  war  etwas,  das  Pettenkofen  aus  eigener  Erfahrung  kannte, 
das  er  selbst  durchlebt  hatte.  Auch  er  hatte  sich  von  der  Brotarbeit  der  Litho- 
graphie losgerissen,  um  Maler  zu  werden,  auch  er  war  es  eigentlich  erst  durch 
Paris  geworden.  Auch  er  zog  als  Künstler  und  als  Mensch  sein  Leben  lang  der 
Sonne  nach,  auch  er  liebte  Venedig,  liebte  Italien  und,  was  ihm  seit  vielen  Jahren 
die  Zigeuner  waren,  das  sollten  Müller  bald  die  braunen  und  schwarzen  Menschen 
am  heiligen  Nil  werden,  denen  näherzukommen  er  1870  wenigstens  schon  den 
ersten  Schritt  tat.  Mußte  Pettenkofen  einerseits  den  Charakter  und  die  Tatkraft 
des  jüngeren  Mannes  hochschätzen  und  bewundern,  so  wird  ihm,  der  eine  so  starke 
Neigung  zur  Hypochondrie  hatte,  anderseits  das  frische,  wagemutige,  immer  froh- 
gelaunte Wesen  desselben  gar  bald  ans  Herz  gewachsen  sein.  Die  Hauptsache 
aber  war,  daß  er  dem  jüngeren  Freunde  etwas,  und  zwar  viel  sein  konnte.  Er  war 
im  Besitze  einer  reifen  Meisterschaft,  sein  Vorbild,  der  tägliche  Umgang  mit  ihm, 
die  Gelegenheit,  ihm  bei  seiner  Arbeit  zusehen  und  sich  bei  der  eigenen  Arbeit 
seines  Rates  erfreuen  zu  dürfen,  das  war  für  Müller  ein  gerade  zu  jener  Zeit  gar 
nicht  hoch  genug  anzuschlagender  Gewinst,  wofür  er  Pettenkofen  auch  sein  Leben 
lang  die  freudigste  Dankbarkeit  bewahrte.  — 

Wenn  das  Freundschaftsbündnis  mit  Leopold  Müller  auch  sicherlich  nicht  der 
Anlaß  war,  daß  sich  die  Beziehungen,  die  Pettenkofen  mit  der  für  sein  Leben  so 

170 


TAFEL  XXXV 

HOF  EINES  UNGARISCHEN  BAUERNHAUSES    MIT  ZWEI   KINDERN   AM 

BODEN  UND  BUNTEN  GEWANDSTÜCKEN  AUF  ZWEI  DÜRREN  BÄUMEN. 

ÖLBILD.  (1874?)  WIEN,  LUDWIG  LOBMEYR. 


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Ungarischer  Markt  mit  Schirmen.  Ölbild.    iS;4. 


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Wien,   Kunsthistorisches  Hofmuseum. 


bedeutungsvollen  Frau  verknüpften,  gelöst  haben,  so  bot  es  ihm  doch,  als  dies 
geschah,  ganz  gewiß  den  verläßlichsten  Rückhalt.  Bereits  im  Frühjahr  1869  —  so 
verrät  der  älteste  der  dem  Autor  vorliegenden  letzten  Briefe  Pettenkofens  —  gieng 
durch  dieses  Verhältnis  ein  tiefer  Riß.  Schon  in  diesem  vom  20.  Mai  datierten 
Gratulationsbrief  aus  Riva,  zwischen  dessen  Schrift  auf  ganz  entzückende  Weise 
ein  blaues  Blümlein  mit  Aquarellfarben  eingemalt  ist,  so  täuschend,  daß  man  es  weg- 
heben möchte,  und  in  dem  es  unter  anderem  heißt  „  .  .  .  sei  überzeugt,  daß 
die  Innigkeit  und  Wahrhaftigkeit  meiner  Gefühle  bis  zum  letzten  Herzschlag  kein 
Maß  und  keine  Grenzen  kennen  werden"  —  schon  in  diesem  Schreiben  finden 
sich  aber  auch  Stellen,  die  den  nahen  Bruch  als  unvermeidlich  erscheinen  lassen. 
Sie  lauten:  „Ich  will  im  Gegenteil  die  volle  Überzeugung  aussprechen,  daß  Du, 
von  richtigem  Gefühl  und  Sinn  geleitet,  wohl  erkennen  wirst,  wie  wenig  Du  damit 
gewinnst,  wenn  Du  in  mir  nur  den  Abieiter  schlimmer  und  verwöhnter  Launen 
siehst  und  daß  Du  Dich  dabei  zum  mindesten  um  den  Wert  unseres  Verhältnisses 
bringst.  Welche  Leere  dann !  Lasse  vor  allem  die  Achtung  und  die  Teilnahme 
fortbestehen  ..."  Und  weiter:  „Fördere  also  meine  Überzeugung  von  Deiner 
innigsten  Teilnahme  für  mich,  belebe  dadurch  meinen  Mut  und  meine  Kraft,  reibe 
den  letzten  Rest  meiner  Gesundheit  nicht  durch  Gemütsreizungen  auf  und  nehme 
dagegen  alles,  was  ich  zu  bieten  imstande  bin  —  meine  besten  und  edelsten  Ge- 
fühle bis  ans  Ende  meines  Lebens."  Diese  Sätze  charakterisieren  nicht  nur  das 
Verhältnis  der  beiden  Menschen  zueinander,  wenigstens  zur  Zeit,  als  sein  Ende 
herannahte,  sondern  werfen  auch  ein  grelles  Licht  auf  Pettenkofens  Gesundheits- 
zustand. In  dem  zitierten  Briefe  unterschreibt  er  sich  „Hiob",  in  einem  —  inhalt- 
lich weniger  belangreichen  —  vom  29.  März  1872  aus  Paris  gar  „Hiob-Lazarus". 
Aus  der  ersten  Hälfte  Oktober  desselben  Jahres  sind  drei  Münchener  Briefe  Petten- 
kofens  an    die  Geliebte    erhalten,    in    denen    allen   es  sich  um  ihre  bevorstehende 


171 


Ankunft  in  München  handelt.  In  dem  ersten  dieser  drei  Briefe,  der  vom  3.  Oktober 
1872  datiert  ist,  kommt  Pettenkofens  Stimmung  vielleicht  am  deutlichsten  zum 
Ausdruck.  Es  heißt  darin:  „Auf  Deine  unter  besseren  Umständen  so  glückliche 
Absicht,  hierher  zu  kommen,  wiederhole  ich  Dir  ungefähr,  was  ich  Dir  bereits  nach 
Ischl  geschrieben,  daß  der  Gedanke  an  ein  Wiedersehen  hier  meine  Brust  mit 
Freude,  aber  auch  mit  Sorge  erfüllt,  denn  ich  denke  meiner  gegenwärtig  ernsten 
Lage,  meiner  krankhaften  Reizbarkeit,  und  wie  wenig  dieses  alles  geeignet  ist, 
Deinen  möglicherweise  auf  Frohes  und  Glückliches  gerichteten  Erwartungen  zu 
entsprechen  oder  [sie]  zu  verwirklichen.  —  Ich  kann  aber  mein  Herz  nicht  be- 
wegen, ein  entschiedenes  Nein  zu  sagen,  und  so  überlasse  ich  Ausführung  oder 
Unterlassung  Deiner  in  diesem  Augenblick  gewiß  besseren  Einsicht,  als  ich  selbst 
besitze.  Ich  gebe  Dir  dabei  nur  wohl  zu  bedenken  meine  sorgenvolle  Stimmung 
und  meinen  kränklichen  Zustand,  in  welchem  ich  keinen  Augenblick  vor  Ohnmacht 
und  bei  größerer  Erregung  vor  Lähmung  der  Glieder  sicher  bin,  —  daß  wir  keinen 
Augenblick  der  Freiheit  hier  genießen  können,  denn  es  gibt  nicht  Tritt  und  Schritt, 
wo  man  nicht  auf  diejenige  Gattung  Wiener  stößt,  vor  welchen  sich  sehen  zu 
lassen,  nicht  ohne  Konsequenzen  wäre."  Der  nächste  vom  8.  Oktober  datierte 
Brief  hängt  Erinnerungen  an  Erlebnisse  nach,  die  einundzwanzig  Jahre  zurück- 
liegen und  mit  der  Geliebten  zusammenhängen.  In  ihm  wie  im  folgenden,  der  am 
12,  Oktober  geschrieben  ist,  finden  sich  Klagen  über  das  schlechte  Wetter,  die 
von  nun  an  in  Pettenkofens  Briefen  geradezu  ständig  werden,  und  kommen  aber- 
mals die  widerstreitenden  Gefühle  zum  Ausdruck,  mit  denen  ihn  der  Gedanke, 
die  Geliebte  in  München  wiederzusehen,  erfüllt.  So  heißt  es  in  dem  letztgenannten 
Schreiben:  „Mit  einem  Sturm  von  Gefühlen  sehe  ich  Deiner  Ankunft  hier  entgegen. 
Es  fehlt  mir  wahrlich  an  Worten,  meine  vorherrschenden  Gefühle  hierüber  auch 
nur  annäherungsweise  aussprechen  zu  können.  Ich  betrachte  dieses  mir  noch  immer 
als  unerwartet  erscheinende  Wiedersehen  als  notwendig  für  uns  beide,  insofern 
ich  die  besten  Hoffnungen  darauf  setze,  daß  es  für  das  Gemüt  unser  beider  ein 
beruhigendes  sein  wird.  Und  so  sehe  ich  Deiner  Ankunft  hier  als  dem  einzigen 
freudigen  Ereignis  entgegen,  das  ich  noch  zu  erwarten  haben  könnte."  Der  nächste 
Brief  ist  der  letzte,  den  Pettenkofen  an  jene  Frau,  die  einundzwanzig  Jahre  hin- 
durch in  seinem  Leben  eine  solche  Rolle  spielte,  gerichtet  hat.  Er  ist  nur  von 
„Mittwoch  Abend"  datiert,  was  darauf  schließen  läßt,  daß  sich  Pettenkofen  mit 
der  Adressatin  an  ein  und  demselben  Orte  befunden  hat. 

Daß  dieser  Brief,  der  schon  seinem  Inhalt  und  seiner  Form  nach  mit  den  drei 
bereits  zitierten  aus  der  ersten  Hälfte  des  Oktobers  1872  stammenden  aufs  engste 
verbunden  ist,  ihnen  auch  zeitlich  sehr  nahe  steht,  ist  von  vorneherein  wahr- 
scheinlich. Daß  er  überhaupt  zu  ihnen  gehört,  geht  auch  daraus  hervor,  daß  er 
mit  ihnen  zusammen  aufbewahrt  worden  ist,  als  das  Ende  der  Reihe  von  Briefen, 
die  Pettenkofen  im  Laufe  von  mehr  als  zwei  Jahrzehnten  an  jene  Frau  geschrieben 
hat,  —  ebenso  wie  ja  auch  der  Anfang  dieser  Briefe  bis  auf  unsere  Tage  erhalten 
worden  ist. 

Am  30.  Oktober  1872  war  Pettenkofen  noch  in  München,  weil  er  an  diesem 
Tag  von    da   aus    an  Franz  Xaver  Mayer   schreibt.    So  führt  alles  darauf  hin,  daß 


172 


Karren  mit  Eseln.  Ölbild.   1874. 


Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 


jener  Brief  in  der  zweiten  Oktoberhälfte  in  München,  und  zwar  während  der  An- 
wesenheit jener  Frau  geschrieben  worden  ist.  Er  ist  ganz  kurz  gehalten,  der 
Schrift  merkt  man  deutlich  die  Erregung  an,  die  Geliebte  ist  mit  „Sie"  angeredet, 
und  es  fehlt  die  Unterschrift.  Ihr  Brief  habe  auf  ihn  einen  größeren  Eindruck  ge- 
macht, als  sie  sich  wohl  vorgestellt  haben  möchte.  Aus  Gesundheits-  und  Ge- 
schäftsrücksichten könne  er  sie  erst  in  den  nächsten  Tagen  um  einige  Minuten 
bitten.  Das  ist  der  Inhalt.  Auf  dieses  Schreiben  hin  scheint  der  endgültige  Bruch, 
vermutlich  in  Form  eines  Briefes  der  Frau,  erfolgt  zu  sein.  Die  Befürchtungen, 
die  Pettenkofen  vor  dem  Zusammentreffen  hegte,  hatten  sich  bewahrheitet.  Am 
13.  Dezember  1872  schreibt  er  noch  immer  aus  München  an  Franz  Xaver  Mayer: 
„Mir  fehlt  die  Gabe,  mich  schriftlich  mitteilen  zu  können,  sobald  ich  von  mir 
selber  sprechen  soll.  Ich  fühlte  wohl,  daß  ich  Ihnen  so  manche  Erklärung  schuldig 
sei.  Aber  sobald  ich  im  Schreiben  warm  geworden,  fühle  ich  auch  immer,  daß 
dies  alles  doch  nur  Dinge  seien,  die  nur  mir  als  wichtig  erscheinen  können.  [Ich] 
hoffe,  Sie  im  nächsten  Sommer  wiederzusehen  und  mich  mit  Ihnen  aussprechen 
zu  können."  Diese  Worte  enthalten  eine  weitere  Bestätigung  dafür,  daß  jenes  Ver- 
hältnis im  Herbst  1872  in  München  sein  Ende  gefunden  hat. 

Das  Facit  des  merkwürdigen  Liebesbundes  zu  ziehen,  ist  natürlich  schwer.  Im 
allgemeinen  wird  man  sich  geneigt  fühlen,  seine  Wirkung  auf  Pettenkofen  eher 
als  ungünstig,  denn  als  günstig  anzunehmen.  Seinem  Gesundheitszustand  hat  es 
zweifellos  geschadet  und  damit  auch  seiner  künstlerischen  Produktion.  Doch  gilt 
dies  wohl  nur  von  der  zweiten  Hälfte  der  sechziger  Jahre  an.  In  den  fünfziger 
Jahren  hätte  Pettenkofen  kaum  mehr  schaffen  können,  als  er  geschaffen  hat,  und 
daß  damals  seine  Liebe  zu  jener  Frau  für  seine  Malerei  ein  Ansporn  war,  ist 
ganz  wohl  möglich,  gewiß  empfand  er  sie  damals  als  kein  Hindernis.  Alle  Schuld 


173 


am  schließlichen  Bruch  der  Frau  zuzuschreiben,  wäre  sicher  falsch.  Wie  die  Dinge 
lagen,  mußte  das  Ende  einmal  kommen.  Daß  es  nicht  auf  eine  versöhnlichere  Art 
kam,  daran  war  wohl  das  Temperament  beider  schuld.  Daß  die  Frau  das  Maß  des 
Gewöhnlichen  überragt  hat,  beweist  die  Liebe,  die  Pettenkofen  durch  mehr  als 
zwanzig  Jahre  für  sie  gefühlt  hat.  Als  ausgemacht  aber  kann  gelten,  daß  sie  ein 
„robusteres  Gewissen"  und  eine  kräftigere  Natur  besessen  hat  als  er.  — 

Das  dritte  Moment,  das  den  Eintritt  der  neuen  Periode  von  Pettenkofens  Leben 
bestimmt,  ist  sein  Aufenthalt  in  Italien,  der  sich  nun  nach  dem  „venti  settembre" 
als  künstlerisch  fruchtbar  zu  erweisen  anfängt.  Nicht  sogleich.  Wenigstens  ist 
Pettenkofen  nicht  sogleich  imstande,  italienische  Motive  zu  verarbeiten.  Aber  er 
vermag  in  Venedig  zu  malen,  vorderhand  bloß  Bilder,  zu  denen  er  sich  die  Studien 
aus  Szolnok  mitgebracht  hat.  Erst  von  seinem  Aufenthalt  in  Neapel  im  Winter 
1873  an  beginnen  die  italienischen  Vorwürfe  unter  seinen  Werken  eine  Rolle  zu 
spielen,  die  ihnen  bis  zu  seinem  Tode  unbestritten  bleibt.  Von  jenem  Aufenthalt 
am  parthenop eischen  Golf  an  ist  Szolnok  nicht  mehr  der  ausschließliche,  kaum 
mehr  der  bevorzugteste  Ort,  von  dem  her  sich  Pettenkofen  Anregungen  für  seine 
Bilder  holt. 

Es  ist  für  Pettenkofens  und  Müllers  Freundschaftsverhältnis  charakteristisch,  daß 
Pettenkofen  zu  jenem  Neapolitaner  Aufenthalt,  der  in  seiner  künstlerischen  Ent- 
wickelung  Epoche  machen  sollte,  durch  Müller  veranlaßt,  fast  könnte  man  sagen: 
gezwungen  wurde. 

Müller  plante,  angeregt  durch  seinen  Freund  Jettel,  den  die  Lektüre  von  Grego- 
rovius  mit  einer  schwärmerischen  Sehnsucht  nach  Sizilien  erfüllt  hatte,  *)  für  den 
Winter  1872  auf  1873  mit  Jettel  zusammen  eine  Reise  nach  Neapel  und  Sizilien 
und  suchte  von  Wien  aus  Pettenkofen,  der  damals  in  München  weilte,  zu  bewegen 
mitzufahren.  In  einem  Briefe  vom  Allerseelentage  des  Jahres  1872  aus  München 
erbittet  sich  Pettenkofen  Bedenkzeit,  in  einem  vom  12.  November  lehnt  er  ab. 

Der  erste  Brief  ist  für  Pettenkofens  Gemütsverfassung  und  Gesundheitszustand 
während  jener  Zeit  —  er  hatte  eben  mit  der  Geliebten  für  immer  gebrochen  —  zu 
bezeichnend,  als  daß  er  nicht  zum  größten  Teil  hier  wiedergegeben  zu  werden  ver- 
diente. Es  heißt  darin:  „Lieber  Figaro!  Teurer  Freund!  Ich  trage  seit  fünf  Tagen 
Ihren  lieben  Brief  im  Sack  herum,  ohne  ihn  erwidern  zu  können,  so  sehr  hat  mich 
dieser  mit  Wünschen  und  Zweifeln  in  Bewegung  gesetzt.  Nichts  in  der  Welt  hätte 
mich  auch  in  diesem  Augenblick  mit  lebhafteren  Gefühlen  erfüllen  können.  Ich  er- 
kenne in  Ihrem  herzlichen  Antrag  einen  mir  vom  Glück  gebotenen  Moment,  meine 
Gesundheit,  mein  Gemüt  und  meine  geringen  Fähigkeit[en]  zu  verbessern,  die  alle 
zusammen  der  Verbesserung  gar  sehr  bedürfen  und  wozu  Sie  mir  den  freund- 
lichen und  vielversprechenden  Anlaß  bieten.  Aber  ich  bin  durch  meinen  fortwährend 
leidenden  Gesundheitszustand,  der  mich  seit  mehr  als  einem  Jahre  an  allen  ern- 
steren Anstrengungen  hindert,  zum  Grübler  und  Zweifler  geworden,  und  ich  ge- 
stehe offen  und  mit  nicht  geringem  Schmerz,  daß  mir  in  diesem  Zustande,  welchen 
ich  selbst  als  einen  gemütsversunkenen  erkenne,  eine  solche  Reise  wie  eine  sehr 
große  Unternehmung  vorkommt,  zu  welcher  mich  zu  entschließen  ich  in  diesem 
Augenblick   nicht   die   nötige    Energie    habe.    Aber    die   lebhafte  Vorstellung  einer 


174 


TAFEL  XXXVI 

HOF  EINER  UNGARISCHEN  BAUERNWIRTSCHAFT;  DARIN  EINE  BÄUERIN, 
DIE  HÜHNER  FÜTTERT.  ÖLBILD.    (1874?)   WIEN,   WILHELM  KUFFNER. 


Ungarische  Ochsengespanne.  Ölbild.   1874. 


Wien,  Kunsthistorisches  Hofmuseum. 


solchen  Reise  mit  Ihnen,  den  ich  als  Mensch[en]  [?]  wie  als  Künstler  gleich  hoch 
schätze  und  liebe,  hat  eine  so  mächtige  und  bewegende  Kraft  für  mich,  daß  ich 
ohne  heftigen  inneren  Kampf  nicht  darauf  verzichten  könnte." 

Müller  folgt  seinem  Dämon  und  ist  schon  ungefähr  Mitte  Dezember  1872  mit 
Jettel  in  Sizilien.  Goethe  nennt  Sizilien  den  Schlüssel  zu  Italien.  Für  Müller  ward 
es  der  Schlüssel  zu  Afrika,  denn  schon  den  nächsten  Winter  1873-74  verbringt  er 
in  Ägypten. 

Unter  dem  19.  Dezember  schreibt  Müller  aus  Palermo  an  Pettenkofen  in  Mün- 
chen, anknüpfend  an  den  Eindruck,  den  ihm  und  Jettel  das  malerische  Durcheinander 
in  Neapel  gemacht  hat:  „Ein  über  das  andere  Mal  schrein  wir  wie  auf  Kommando: 
Ach!  wenn  der  Pettenkofen  jetzt  hier  wäre!" 

Ungefähr  einen  Monat  später  entschließt  sich  Pettenkofen  tatsächlich,  die  Reise 
nach  Neapel  anzutreten.  Er  fährt  am  18.  Jänner  1873  von  München  weg,  hält  sich 
ein  paar  Tage  in  Venedig,  ein  paar  in  Rom  auf  und  ist  am  3.  Februar  in  Neapel. 
Sein  Begleiter  ist  der  heutzutage  in  Salzburg  lebende  Maler  Theodor  Ethofer,  den 
Pettenkofen  „Etti"  nannte  und  mit  dem  er  sehr  gut  war.  Pettenkofen  erwähnt  Et- 
hofer zum  ersten  Mal  in  dem  oben  ausführlich  zitierten  Brief  an  Müller  aus  Mün- 
chen, und  zwar  so,  daß  daraus  zu  schließen  ist,  er  habe  bereits  vergangenen 
Sommer  (1872)  in  Venedig  näher  mit  ihm  verkehrt. 

In  einem  nicht  mehr  erhaltenen  Telegramm,  das  Pettenkofen  noch  am  Tage 
seiner  Ankunft  Müller  nach  Palermo  gesandt  haben  muß,  scheint  er  dem  Freunde 
seine  Unzufriedenheit  mit  Neapel  ausgedrückt  zu  haben.  Müller  antwortet  am  fol- 
genden Tage,  er  sei  sprachlos  darüber,  daß  Pettenkofen  Neapel  nicht  gefalle.  Von 
Venedig  sei  er  so  begeistert  und  Neapel  gefalle   ihm  nicht!    Auf  das  hin  traue  er 


175 


sich  nicht  mehr,  Pettenkofen  nach  Palermo  zu  rufen  (was  er  vorher  unter  Hinweis 
darauf,  daß  Pettenkofen  die  kleine  Seefahrt  von  Neapel  aus  nicht  scheuen  solle, 
zweimal  getan  hatte).  „Ein  sehr  warmer  Freund  Ihrer  Persönlichkeit  und  Ihrer 
Leistungen,  Obrist  Berres  sagte  mir  am  Tage  vor  meiner  Abreise  von  Wien :  Ach, 
wenn  der  Gustel  doch  nur  einmal  nach  Neapel  gehen  würde!  Was  für  eine  Masse 
Dinge  wäre  nicht  dort  für  seinen  Pinsel!" 

Daß  es  nun  Pettenkofen  in  Neapel  schlechthin  nicht  gefallen  hat,  ist  selbstver- 
ständlich nicht  richtig.  Die  am  ersten  Tage  abgeschickte  Depesche  hatte  da,  wie 
das  schon  geht,  in  ihrer  Knappheit  und  Voreiligkeit  zu  viel  gesagt.  In  einem  der 
ausführlichsten  und  interessantesten  Briefe,  die  sich  von  Pettenkofen  erhalten  haben, 
ist  alles  Für  und  Wider,  das  er  Neapel  und  seiner  Umgebung  gegenüber  auf  dem 
Herzen  hatte,  anschaulich  vorgebracht.  Der  Brief,  der  einen  Monat  nach  jenem 
Telegramm,  am  5.  März  1873,  an  Eugen  Jettel  geschrieben  ist,  sei  hier  nach  dem 
Abdruck,  den  er  am  5.  Jänner  1893  im  Kunstblatt  der  „Neuen  Freien  Presse"  ge- 
funden hat,  vollinhaltlich  wiedergegeben: 

„Lieber,  werter  Freund!  Gestern,  spät  Abends,  habe  ich  zu  meiner  freudigen 
Überraschung  Ihren  lieben  Brief  erhalten.  Bei  der  außerordentlichen  Sehnsucht, 
welche  ich  jeden  Tag  mehr  nach  einem  Zusammenkommen  mit  Ihnen  und  Freund 
Müller  empfinde,  ist  auch  schon  jede  schriftliche  Berührung  ein  freudiges  Ereignis 
für  mich.  Bei  meinem  so  großen  Verlangen  nach  einer  endlichen  persönlichen  Ver- 
einigung wäre  ich  kaum  entschuldbar  zu  finden,  wenn  ich  Sie  und  Müller  durch 
übertriebene  Schilderungen,  namentlich  von  Torre  del  Greco,  zu  einem  raschen 
Hierherkommen  anlockte.  Wenn  auch  mein  im  Grunde  herzliches  Verlangen  nach 
Ihrer  beider  Gesellschaft  hier,  durch  die  Ihnen  beiden  eigenen  vortrefflichen  Eigen- 
schaften, nicht  ganz  frei  von  (dem  Künstler  erlaubtem  und  gebotenem)  Egoismus 
ist,  so  bin  ich  doch  zu  ehrlich,  meine  Wünsche  durch  den  Kunstgriff  zu  erreichen, 
daß  ich  Ihnen  nur  die  Schönheiten  und  Reize  des  fraglichen  Terrains,  nicht  aber 
die  Mühen,  Plagen  und  Schwierigkeiten  schildere,  welche  es  —  zum  wenigsten 
mir  —  unmöglich  machen,  da  in  Öl  zu  malen,  geschweige  eingehendere,  größere 
Arbeiten  im  Freien  zu  unternehmen.  Seit  ich  hier  bin,  welches  ich  vom  ersten 
Sonnenschein  an  rechne,  bin  ich  betäubt,  seit  ich  versucht,  zu  arbeiten,  wirbelt  mir 

der  Kopf.   Es  fehlt  mir  alle  Ruhe,    alle  Sammlung  und  aller  Mut. Für  mich 

ist  hier  das  Straßenleben  und  von  diesem  die  Marktplätze  das  Verlockendste  und 
durch  die  Aufmerksamkeit,  welche  ich  diesen  Gegenständen  mit  Vorliebe  zuwende, 
das  Bilderreichste.  Die  Effekte  dieser  Bilder  sind  durch  die  Menge  und  Mannig- 
faltigkeit des  Durcheinandergeworfenen  der  Gegenstände  und  Farben  für  mich 
wahrhaft  bezaubernd  und  durch  die  Gierigkeit,  mit  der  ich  alles  dieses  sehe,  allein 

schon  verwirrend. Aber  nun  kommen  noch  all  die  Dinge,  welche  aus  diesem 

Chaos  heraus  durch  die  betreffenden  Sinne  an  meine  leider  nicht  mehr  sehr  starken 
Nerven  geleitet  werden.  Es  wäre  schwer,  ja  unmöglich,  Ihnen  einen  Begriif  von 
dem  bestialischen  Getümmel,  dem  Höllenlärm,  welcher  der  Wirkung  der  Dampf- 
pfeife gleichkommt,  zu  geben,  wenn  Sie  auf  Ihren  Spaziergängen  in  Neapel  nicht 
die  Orte  berührt  haben,  welche  für  mich  die  ergiebigsten  und  erfolgreichsten  sein 
würden,    wenn    ich   dort   mehr   als   nur  in  stenographischer  Eile  zu  skizzieren  im 


176 


TAFEL  XXXVII 

ALTE  VENEZIANERIN  MIT  VOGELKÄFIGEN.  ÖLBILD.  (1874.)  WIEN,  FRANZ 

XAVER  MAYER. 


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TAFEL  XXXVIII 

ALTE  VENEZIANERIN,  SICH  SCHNEUZEND.  ÖLBILD.  1874.  WIEN,  EUGEN 

MILLER  V.  AICHHOLZ. 


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TAFEL  XXXIX 
BLUMENSTÜCK.   ÖLBILD.  1874.  WIEN,  EUGEN  MILLER  V.  AICHHOLZ. 


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Ungarisches  Bauernfuhrwerk.   Ölstudie. 


Wien,  K.  k.  Österreichische  Staatsgalerie. 


Stande  wäre.  Aber  auch  dieses  ist  mir  bei  meiner  immer  wachsenden  Empfind- 
lichkeit kaum  möglich  durch  das  viehische  Umdrängen  des  tumult-  und  spektakel- 
süchtigen Gesindels,  sobald  man  nur  den  Blick  an  etwas  heftet  und  einen  Blei- 
stift in  der  Hand  zeigt. Es  ist  mir  außerordentlich  schmerzlich,  diesen  Bil- 
dern, welche  mich,  ich  kann  sagen,  zauberhaft  anzogen,  im  Bewußtsein  meiner 
künstlerischen  und  physischen  Schwäche  zu  entsagen.  Ich  fühlte  mich  dadurch  um- 
somehr  angetrieben,  in  der  Nähe  von  Neapel  einen  ruhigen  und  für  mich  mög- 
lichen Ort  zu  finden. Von   allem,    was  ich  bis  jetzt  gesehen,   ist  Torre  del 

Greco  nach  meiner  Wahl  am  bilderreichsten  sowohl  in  seinen  Straßen,  seinen  Schiffs- 
bauplätzen am  Meere,  als  auch  in  seinen  Bauernhöfen,  die  letzteren  (zwar  in 
kleinem  Räume)  mit  landschaftlicher  Umgebung  und  Hintergrund;  diese  Bauern- 
höfe müssen  Ihnen,  wenn  sie  einmal  nebst  dem  reichen  Pflanzenwuchs,  welcher 
sie  jetzt  ziert,    den  Schmuck  des  Sommers,    das   Laub    der   Rebendächer  und  des 

Feigenbaumes  haben,  so  manches  herrliche  Bild  geben. Torre  del  Greco  ist 

eine  ansehnliche,  an  den  Berg  aufsteigende  Stadt,  auf  Lava  (an  den  Ufern  von 
prächtiger  Farbe  und  auch  Form)  erbaut  und  sehr  stark  bevölkert.  Aber,  obgleich 
hier  eine  Menge  reicher  Leute  wohnt,  gibt  es  doch  nur  die  dreckigsten  und  elend- 
sten Spelunken  von  Wirtshäusern,  in  denen  eine  Existenz  nicht  möglich  ist.  Man 
könnte  hier  sicherlich  wohnen,  vielleicht  sogar  gut  wohnen,  leben  aber  könnte  ich 
hier  nicht,  da  ich  rücksichtlich  meiner  nicht  starken  Gesundheit  auf  Fleischnahrung 
und  trinkbares  Wasser,  welches  beides  hier  nicht  zu  finden  ist,  angewiesen  bin. 
Aber  dies  wäre  bei  der  geringen  Entfernung  (20  bis  25  Minuten  Eisenbahn)  von 
Neapel  kein  Grund,  daß  ich  mich  dort  nicht  schon  in  verschiedene  Arbeiten  ein- 
gelassen, wenn  ich  die  Beunruhigungen  bei  der  Arbeit  zu  ertragen  im  Stande  wäre, 


177 


23 


welchen  der  Maler  an  diesen  Orten  durch  die  Bestialität  des  lärmenden,  hailo- 
henden, skandalsüchtigen  Gesindels  ausgesetzt  ist,  welches  sogleich  einen  engen 
Kreis  um  ihn  schließt,  sobald  er  nur  Miene  macht,  sich  vor  einem  Gegenstande 
festzusetzen ;  dann  folgt  noch  regelmäßig  die  tumultuarische  Begleitung  dieser  Bande, 
wie  dies  bei  den  die  Bevölkerung  eines  Städtchens  zur  Vorstellung  ladenden  Aus- 
trommlern einer  Seiltänzertruppe  der  Fall  zu  sein  pflegt. Bei  einiger  Sprach- 
kenntnis, welche  ich  gar  nicht,  Ethofer  nicht  genügend  in  der  Mundart  besitzt,  bei 
etwas  weniger  empfindlichen  Nerven  wie  die  meinigen  wäre  es  wol  leicht  möglich, 
diese   für   mich   wirklichen  Hindernisse   nach   und   nach   zum  Teile   zu    entfernen, 

zum  Teile   zu   gewöhnen. Ich  möchte  wol  wissen,    wie   andere   es  machen, 

solche  Beschwernisse  zu  umgehen  oder  zu  ignorieren! Wol  denkbar  aber  ist 

es  mir,  daß  sie  von  vielen  anderen  von  [wo]  immerher  empfunden  wurden,  was 
ich  daraus  zu  schließen  geneigt  bin,  daß  man  bei  dem  hierzulande  unsäglichen 
Reichtum  von  Bildern  so  erzjämmerlich  wenig  wahrhaft  gute  Bilder  von  daher 
zu  sehen  bekommt,    und  das  beste,    O.  Achenbach,  ist,  wenn  man  die  Natur  hier 

mit  strengem  Auge  gesehen,  doch  nur  dekorativer  Art. Ich  habe  Ihnen  mit 

diesem  nur  die  Schwierigkeiten  gegeben,  welche  ich  selbst  finde,  ohne  mich  in 
Vermutungen  einzulassen,  ob  dieselben  auch  Bezug  auf  Sie  und  Müller  haben 
würden.  Jedenfalls  sind  der  Landschaftsmalerei  in  dieser  Art  große  Erleichterungen 

zugestanden. Ich  denke  Sie  mir  in  Palermo  in  der  göttlichen,  ländlichen  Ruhe, 

welche  ich  so  unsäglich  für  mich  wünsche,  um  auch  nur  zum  allergeringsten,  be- 
scheidensten Teile    den   Anforderungen    gerecht    werden    zu   können,    welche  ich, 

von  augenblicklicher  Täuschung  hingerissen,    hier    an  mich  selbst  stelle. Ich 

möchte  Sie  und  Müller  um  keinen  Preis  bewegen,  auf  Illusionen  hin  Ihre  Abreise 
von  Palermo  zu  beschleunigen.  Aus  den  Illustrationen  Freund  Müllers  (leider  fehlt 
mir  ein  weiter  eingehender  Vergleich),  für  welche  ich  ihm  heute  noch  den  Dank 
schuldig  bin,  weiß  ich  wol  mit  Bestimmtheit  (nach  individueller  Ansicht)  zu  sagen, 
daß  Sie  in  Torre  del  Greco  gleich  diesen  für  Sie  vollkommen  geschaffene  Gegen- 
stände, wenn  auch  von  anderem  Charakter,  finden  würden,  aber  ich  möchte  nicht 
um  den  Preis  unseres  von  mir  ersehnten  Zusammenkommens  die  Verantwortung 
übernehmen,  daß  Sie  auch  die  Bequemlichkeiten,  welche  Sie  sicherlich  in  Palermo 
haben  werden,  hier  finden  würden,  mit  welchen  eingehendes  Schaffen  und  Vollen- 
den vor  der  Natur  allein  denkbar  ist.  Mit  wirklichem  Schmerz  spreche  ich  diese 
Gedanken  aus,  denn  dadurch  wird  die  Aussicht  auf  unsere  Vereinigung  gewiß 
nicht  nähergerückt,    von  der  ich  eine  große  und  wohltätige  Wirkung  für  mich  zu 

vermuten   mich   nicht   entschlagen   kann. Sie   beide  würden  mich  mit  dem 

Ihnen  eigentümlichen  Wert  ermutigend  anregen,  und  Müller  würde  mir  mit  seiner 
beweglichen,  frischen  Tätigkeit  und  seinem  unverdrossenen  praktischen  Vorgehen 
über  manche  kleinliche  Bedenken  und  Ungeschicklichkeiten  hinweghelfen;  ein 
persönlicher  Austausch  würde  wohltätig  ermunternd  sein.  Ich  würde  dann  viel- 
leicht nicht  denken,  daß  es  möglich  sein  könnte,  daß  ich  vielleicht  schon  in  wenigen 
Tagen,  gleich  Tannhäuser,  diesen  Reizen  (diesen  Ueberreizen  könnte  ich  wol  sagen) 
ohne  die  Potenz  der  Befriedigung  (vielleicht  auch  Tannhäusers  Fall)  den  Rücken 
kehre  —  um  von  einem  Katzenjammer  in  den  andern  zu  verfallen. Bei  der 

178 


etwas  getrübten  Stimmung,  wel- 
cher ich  mich  mit  jedem  Tage 
weniger  entschlagen  kann,  würden 
mich  einige  Stellen  Ihres  lieben 
Briefes  noch  trauriger  gestimmt 
haben,  hätten  die  Randverzierun- 
gen des  den  Nagel  immer  auf 
den  Kopf  treffenden  , Figaro'  nicht 
einen  völligen  Umschlag  bewirkt. 
Möge  er  diesen  meinen  herzlichen 
Dank  mitnehmen  für  den  frohen 
Lacher,  welchen  er  unbewußt  her- 
vorgerufen. —  Einer  freundlichen 
Erwiderung  entgegensehend,  grüße 
ich  Sie  wie  Figaro.  Mit  ganzem 
Herzen  Ihr  Pettenkofen." 

Die  Stadtteile  Neapels,  wo  sich 
noch  bis  auf  den  heutigen  Tag  das 
ursprüngliche  Volksleben  mit  all 
seiner  malerischen  Buntheit  und 
Bewegtheit,  mit  seinem  Lärm  und 
Schmutz  und  der  ihm  eigentüm- 
lichen Drastik  erhalten  hat,  schwin- 
den immer  mehr  und  mehr  dahin. 
Sie  werden  von  den  Einheimi- 
schen mit  einem  Ton,  in  dem  sich 
Stolz  und  Wehmut  mischen,  „Na- 
boli  vecchia"  genannt.  Wer  je- 
mals dort  auch  nur  mit  dem  photo- 
graphischen Apparat  eine  Moment- 
aufnahme zu  machen  versucht  hat, 
wird  zugeben,  daß  Pettenkofens 
Schilderung  nicht  allzu  übertrieben 
und  hypochondrisch  ist.  Petten- 
kofen und  Ethofer  aber  hatten  mit 
noch  ganz  anderen  Unannehmlich- 
keiten zu  kämpfen,  als  in  dem  Brief  an  Jettel  aufgezählt  sind.  Abends  besuchten 
sie  beide  einen  Aktkurs  an  der  Accademia  delle  belle  arti.  Einmal  war  es  im  Saal 
besonders  ruhig.  Plötzlich  unterbrach  ein  fürchterlicher  Knall  die  Stille,  es  knatterte 
und  zischte  und  Rauch  stieg  auf,  als  ob  die  Hölle  los  wäre.  Die  beiden  Freunde, 
die  in  der  letzten  Reihe  saßen,  flohen  entsetzt,  ihre  Zeichenbretter  in  Stich  lassend, 
zur  Tür.  Ein  ungeheueres  Gelächter  folgte  ihnen.  Die  Schüler,  natürlich  lauter 
junge,  tolle  Kerle  und  miteinander  im  Einverständnis,  hatten  ein  geräuschvolles 
Feuerwerk   abgebrannt.    Das   war   selbstverständlich   für   Pettenkofens   Nerven   zu 


Junge  Venezianerin,  im  Gebetbuch  lesend.    Ölbild.    1874. 
Wien,  Eugen  Miller  v.   Aichholz. 


179 


viel,  und  mit  dem  Aktzeichnen  war  es  aus.  Ein  anderes  Mißgeschick  traf  ihn 
beim  Aquarellmalen  in  Torre  del  Greco.  Er  bemerkte  nämlich,  daß  die  blauen 
Schatten  auf  seinen  Blättern  ausbleichten,  und  zwar  auch  dann,  wenn  er  sie  nach- 
malte. Als  Ursache  dieser  ärgerlichen  Erscheinung  wurde  ihm  später  mitgeteilt, 
daß  er  wahrscheinlich  beim  Malen  schwefelhaltiges  Wasser  benützt  hätte.  0 

Immerhin  verblieb  Pettenkofen  bis  Ende  Mai  am  Golf  von  Neapel,  und  die 
künstlerische  Ausbeute,  die  er  von  dort  mitnahm,  war  reich  genug.  Freilich  ist  er 
nie  mehr  wieder  hingefahren.  Zu  Müller  und  Jettel  nach  Palermo  reisten  Petten- 
kofen und  Ethofer  nicht,  weil  diese  auf  eine  dringliche  Anfrage,  ob  dort  wirklich 
künstlerisch  mehr  zu  holen  sei  als  in  Neapel,  telegraphisch  antworteten:  „Neapel 
ist  allerdings  malerischer."  Damals  suchten  Pettenkofen  und  Ethofer  auch  den 
neapolitanischen  Maler  Domenico  Morelli  auf,  um  von  ihm  zu  erfahren,  wo  es 
malerische  Punkte  gebe.^) 

Am  29.  Mai  1873  fuhr  Pettenkofen  nach  Rom.  Dort  verweilte  er  wieder  nur  ein 
paar  Tage,  während  deren  er  mit  Fortuny,  Villegas  und  Ramon  Tusquez  zu- 
sammentraf. Von  da  gieng's  über  Perugia  und  Florenz  nach  Venedig,  wo  er  einen 
knappen  Monat  bis  zum  3.  Juli  blieb. 

Venedig  nun  ist  derjenige  Ort  Italiens,  wo  sich  Pettenkofen  vom  Beginn  der 
siebziger  Jahre  an  am  längsten  und  häufigsten  aufhält.  Im  Winter  1870  ist  er  dort, 
im  Herbst  1871,  in  den  Sommern  1872  und  1873,  dann  vom  Oktober  1873  bis  in 
den  Juli  1874  hinein  und  in  den  Sommern  1875,  1876  und  1877,  die  Jahre  1878 
und  1879  freilich  kommt  er  nicht  hin. 

Dann  verweilt  er,  abgesehen  von  kürzeren  Aufenthalten  wie  dem  eben  erwähnten, 
ein  paar  Mal  längere  Zeit  in  Rom.  Schon  den  Winter  1873  auf  1874  möchte  er 
am  liebsten  dort  verbringen,  ohne  Angabe  der  Gründe  aber  schreibt  er  sowohl 
Kratzer  (am  3.  November  1873)  als  auch  Mayer  (am  6.  November  1873),  daß 
dorthin  zu  gehen  für  ihn  unmöglich  sei.  Wußte  er  vielleicht  jene  Frau  dort,  von 
der  er  sich  vor  einem  Jahre  für  immer  geschieden  hatte  und  der  er  nicht  begegnen 
wollte?  1875  endlich  bringt  er  die  Zeit  vom  19.  Jänner  bis  zum  14.  April  in  Rom 
zu  und  noch  am  27.  November  desselben  Jahres  kommt  er  wieder  hin,  bleibt  bis 
zum  22.  Dezember  dort  und  hält  sich  dann,  obwohl  er  sich  in  einem  Brief  vom 
26.  Dezember  aus  Florenz  an  Franz  Xaver  Mayer  über  die  Teuerkeit  der  römischen 
Ateliers  beklagt,  vom  8.  März  1876  bis  zum  5.  Juni  1877  abermals  dort  auf. 
Während  sich  aber  unter  Pettenkofens  Arbeiten  vom  Jahre  1873  an  mit  Sicherheit 
Motive  aus  Venedig  nachweisen  lassen,  hat  er  wedef  aus  Rom,  noch  aus  dessen 
Umgebung  Vorwürfe  für  seine  Bilder  geschöpft.  Aber  er  vermochte  dort  zu  ar- 
beiten. Was  ihm  sonst  die  ewige  Stadt  geboten  haben  wird,  ist  überflüssig  auch 
nur  mit  einer  Silbe  zu  streifen.  Im  Hinblick  auf  die  malerische  Ausbeute  verhält 
es  sich  mit  Florenz,  wo  er  im  Winter  1875-76  am  längsten  (vom  22.  Dezember 
bis  zum  8.  März)  verweilte,  ähnlich  wie  mit  Rom.  Dagegen  findet  er  in  Assisi, 
wo  er  sich  1876  vom  7.  Juni  bis  zum  9.  Juli  aufhält,  Themen,  die  ihn  malerisch 
interessieren.  Gleicherweise  fruchtbar  oder  mindestens  anregend  scheint  sich  ein 
Aufenthalt  in  Belluno  und  in  dessen  Umgebung  während  des  Sommers  1875  er- 
wiesen zu  haben.  Bevor  er  in  diesem  Jahre  dorthin  gegangen  ist,  schreibt  er  Kratzer  am 


180 


16.  Juni  aus  Ve- 
nedig, und  eine 
Stelle  dieses  Brie- 
fes, die  ebenso 
sein  Verhältnis  zu 
Venedig  wie  zu 
den  tirolischen  und 
Venezianer  Alpen 
beleuchtet,  sei  hier 
wiedergegeben. Zu- 
erst beklagt  er  sich 
über  die  Hitze  in 
Venedig,  die  ihm 
körperlich  sehr 
schlecht  bekomme 
und  ihn  zur  Ab- 
reise zwinge;  die- 
se falle  ihm  sehr 
schwer,  weil  er 
keinen  Ort  kenne, 
der  ihm  zur  Erho- 
lung und  Arbeit  zu- 
gleich passend  wä- 
re. Dann  heißt  es 
weiter:  „Ohne  Ar- 
beit halte  ich  es 
nirgends  vierund- 
zwanzig Stunden 
aus ;  die  Ruhe,  wel- 
che ich  so  sehr 
brauche  und  wel- 
che ich  in  unseren 
Gebirgsländern  fin- 
den würde,  würde 
mich  in  kürzester 
Zeit  —  ermorden, 
denn  ich  würde  da 
gewiß  nicht  malen 

können,  da  ich  mich  nicht  begnügen  kann,  Bauernhütten  oder  dergleichen  darzu- 
stellen. Es  ist  mein  besonderes  Verlangen,  in  den  paar  Monaten,  welche  ich  noch 
meine  Studien  fortsetze,  der  italienischen  Rasse  nahe  zu  sein,  und  so  werde  ich 
in  den  nächsten  Tagen  von  hier  ins  venezianische  Gebirg  gehen." 

Was  Pettenkofen    sonst  während   der   siebziger  Jahre   von   Italien   gesehen  hat, 
teilt  das  im  Anhang  abgedruckte  Itinerar  mit.  — 


9 


Stubeninneres  mit  Hündchen.  Ölbild.   1875. 


"^ 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


181 


Pettenkofen  hat  am  Golf  von  Neapel,  durch  die  Ungunst  der  Verhältnisse  dazu 
gezwungen,  nur  Aquarelle  gemalt.  Es  sind  große,  äußerst  flotte  Arbeiten,  die  be- 
sonders im  Licht  und  in  der  Farbigkeit  ihresgleichen  suchen.  Das  Aquarell,  das  in 
den  sechziger  Jahren  etwas  hinter  die  Ölmalerei  hatte  zurücktreten  müssen,  begann 
damit  aufs  neue  in  Pettenkofens  Schaffen  eine  wichtige  und  glänzende  Rolle  zu 
spielen.  Was  diese  Neapolitaner  Aquarelle  aus  dem  Winter  des  Jahres  1873  von 
denen  der  fünfziger  Jahre  unterscheidet,  ist  vor  allem  die  größte  Naturwahrheit, 
der  völlige  Mangel  irgend  welcher,  auch  der  schwächsten  Manier.  Aber  auch  der 
Pinselzug  hat  auf  ihnen  eine  Kühnheit  und  Sicherheit  erlangt,  wie  sie  bisher  noch 
nicht  zu  sehen  war.  Es  sind  reine  Wasserfarbenmalereien,  das  höchste  Licht  ist 
das  W^eiß  des  Papiers,  mit  dem  die  trotz  Ausbleichen  und  Übermalen  noch  immer 
wirkungsvollen  bläulichen  Schatten  lebhaft  kontrastieren.  Die  Themen  dieser  Aqua- 
relle sind  ungefähr  folgende:  Hof-  und  Gassenwinkel,  belebt  durch  bunte  Wäsche- 
stücke, die  zum  Trocknen  aufgehängt  sind,  durch  Grünzeug,  durch  rotgebrannte 
Tongefäße,  durch  einen  angeschirrten  Maulesel  oder  ein  arbeitendes  Weib; 
Bäuerinnen  vor  ihrem  Haus  mit  Netzflicken,  in  ihrem  Garten  mit  Gemüse  oder 
Blumen,  in  ihrer  Stube  mit  Vogelkäfigen  beschäftigt;  an  den  Strand  gezogene 
dunkle  Fischerboote,  von  vorne,  von  der  Seite,  mit  herabgelassenen  und  mit  ein- 
gezogenen Segeln,  sich  vom  hellblauen  Meer  abhebend  oder  in  der  Farbe  gut  zum 
düstern  Wolkenhimmel  stimmend;  ein  Fischer  an  seine  Barke  gelehnt;  braune 
Muli  allein  oder  mit  ihrem  Treiber,  leer  oder  beladen ;  ein  Hund,  an  ein  Bäumchen 
gekettet,  dessen  dürres  Geäst  auf  eine  grell  von  der  Sonne  beschienene  Wand 
einen  wirren  Schatten  wirft;  eine  Küche  mit  einem  offenen  Herd,  einem  kleinen 
Mädchen  und  zwei  Katzen;  die  Stube  ejnes  Bauernhauses  mit  einer  braun  und 
schwarz  geräucherten  einmal  absetzenden  Holztreppe,  mit  Kupfergeschirr  an  der 
Wand  und  einer  Frau,  die  auf  einem  Sessel  sitzt  und  näht. 

Die  meisten  dieser  Aquarelle  befinden  sich  im  Besitz  Ludwig  Lobmeyrs,  dessen 
Name  von  Pettenkofen  zum  ersten  Mal  am  17.  Juli  1873  genannt  wird.  An  diesem 
Tage  verkauft  er  ihm  14  Aquarellstudien.  Es  ist  anzunehmen,  daß  alle  14  Stück 
Motive  vom  Golf  von  Neapel  zu  Gegenständen  hatten. 

Hier  sind  abgebildet:  „Die  Netzflickerin",  „Die  Fischerbarken  am  Strand  von 
Portici",  „Die  Bäuerin  aus  Torre  del  Greco,  die  im  Garten  mit  Blumentöpfen  be- 
schäftigt ist"  und  der  „Innenraum  mit  der  Stiege  und  der  nähenden  Bäuerin". 
Alle  vier  Blätter  gehören  Ludwig  Lobmeyr. 

Ein  Ölbild,  gleichfalls  bei  Ludwig  Lobmeyr,  das  den  Hof  eines  italienischen 
Bauernhauses  darstellt  (an  dem  vom  vollsten  Sonnenlicht  getroffenen  Pfeiler  eines 
dunkeln  Schuppens  sitzt  eine  Bäuerin,  ober  dem  Dach  des  Schuppens  ist  Wäsche 
aufgehängt)  geht  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  gleichfalls  auf  den  Neapolitaner 
Aufenthalt  im  Winter  des  Jahres  1873  zurück.  Es  erinnert  stark  an  die  aus  den 
fünfziger  Jahren  stammenden  Bilder  in  der  Art  des  Decamps,  doch  ist  es  viel 
lockerer  und  weicher  gemalt. 

Unter  den  Neapler  Aquarellen  im  Besitz  Ludwig  Lobmeyrs  stellt  eines  eine 
alte  Bäuerin  dar,  die  ein  rotes  Tuch  auf  dem  Kopf  hat  und  sich  mit  einem  Vogel- 
käfig auf  dem  Tisch  vor  ihr   zu   schaffen   macht.    Aus   dieser   Naturstudie   ist   das 


182 


Vor  der  Schmiede.  Ölbild. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr. 


im  Jahre  1874  zu  Venedig  gemalte  Ölbild  im  Besitz  Franz  Xaver  Mayers  hervor- 
gegangen. Das  Hauptmotiv  der  mit  dem  Vogelbauer  beschäftigten  Alten  ist  ge- 
blieben, ihr  rotes  Kopftuch  ist  der  lebhafteste  Farbfleck  des  ganzen  Gemäldes.  Doch 


183 


ist  nicht  nur  der  liebevoll  behandelte  Hausrat,  sondern  auch,  man  möchte  sagen: 
die  malerische  Haltung  des  Bildes  venezianisch  geworden.  Das  Licht  ist  gedämpft, 
alles  ist  von  einem  leicht  verschleiernden  Helldunkel  umflossen,  der  Gesamtton  ist 
ungemein  warm,  die  Malweise  weich  und  locker. 

Andere  Ölbilder,  nicht  nur  in  Venedig  gemalt,  sondern  auch  venezianische  Mo- 
tive darstellend,  sind:  das  Kniestück  eines  stehenden  Mädchens,  das  im  Gebet- 
buch liest,  ein  im  Kirchenstuhl  knieendes  und  betendes  Mädchen,  eine  sitzende 
Alte,  die  liest,  und  eine  (es  ist  dasselbe  Modell),  die  sich  schneuzt. 

Auch  diese  kleinen  Bilder  sind  ungemein  warm  im  Ton  und  sehr  locker  und 
flüssig  gemalt.  Besonders  die  beiden  „Betenden  Mädchen"  sind  viel  einfarbiger  als 
die  „Alte  mit  dem  Vogelkäfig",  ein  goldiges  Braun  ist  auf  allen  diesen  Bildern  die 
bestimmende  Farbe.  Die  „Sich  schneuzende  Alte"  fällt  durch  ihre  Drastik  auf.  Vor- 
würfe wie  dieser  oder  die  „Lausende  Zigeunerin"  vom  Ende  der  fünfziger  Jahre 
zeigen  Pettenkofen  als  einen  Nachfolger  der  Niederländer  des  XVII.  Jahrhunderts. 
Alle  diese  Bilder  sind  vom  Jahre  1874  datiert,  die  beiden  „Betenden  Mädchen"  vom 
Mai  dieses  Jahres.  Ebenfalls  in  diesem  Monat  ist  ein  Bildchen  mit  einem  seltenen 
Vorwurf  entstanden:  auf  einem  Kommodeneck  steht  ein  großer  weißer  blau- 
geblümter Blumentopf,  der  mit  weißen  Pfingstrosen  gefüllt  ist ;  vorne  unten  flattern  zwei 
Schmetterlinge.  Die  Struktur  der  Blumenkörper  kommt  nur,  und  zwar  meisterhaft, 
durch  die  Art,  wie  das  pastose  Weiß  aufgetragen  ist,  zum  Ausdruck. 

Das  „Stehende  betende  Mädchen",  die  „Sich  schneuzende  Alte"  und  das  Blumenstück 
gehören  Eugen  Miller  v.  Aichholz,  den  Pettenkofen  in  seinen  Tagebüchern  am 
15.  November  1874  zum  ersten  Mal  nennt.  Pettenkofen  hat  an  diesem  Tage  Herrn 
von  Miller  für  15.250  Gulden  18  Bilder  verkauft,  darunter  auch  die  genannten. 

Daß  Pettenkofen  mit  den  Hauptkäufern  seiner  Werke  —  wie  mit  Gsell  und 
Mayer  sen.  so  von  nun  an  mit  Lobmeyr  und  Miller  von  Aichholz  — ,  bis  der  Tod 
dazwischen  tritt,  in  freundschaftlichem  Verhältnis  gestanden  ist,  legt  gewiß  für 
ihn  als  Menschen  das  denkbar  günstigste  Zeugnis  ab. 

In  Florenz  wurde  1876  das  Grisaille-Brustbild  eines  Knaben  gemalt. 

In  Assisi  interessierten  Pettenkofen  zwei  Motive:  ein  Garten,  den  er  mit  einem 
Mönch  staffierte  und  noch  in  der  Mitte  der  achtziger  Jahre  auf  dem  Ölbild  ver- 
wertete, das  in  den  Besitz  Franz  Xaver  Mayers  übergegangen  ist,0  und  eine 
Küche.  Das  letztere  Motiv  ist  als  ein  aus  der  Stadt  des  heiligen  Franz  herrührendes 
durch  das  Ölbild,  das  eine  in  einer  Küche  vor  dem  Kamin  sitzende  und  spinnende 
Bäuerin  darstellt,  und  die  Bezeichnung:  „Assisi  1876"^)  trägt,  gesichert. 

Bei  der  Feststellung  der  Motive  dagegen,  die  Pettenkofen  während  der  siebziger 
Jahre  aus  den  venezianischen  Bergen  geholt  hat,  ist  man  auf  das  Raten  angewiesen. 
Vielleicht  ist  das  entzückende  Bildchen  im  Besitz  des  Fürsten  Liechtenstein,  das 
die  reich  mit  Blumengeschirr  ausgestattete  Dachterrasse  eines  italienischen  Bauern- 
hauses darstellt,  dort  entstanden.  Aus  den  siebziger  Jahren  stammt  es  jedenfalls. 
Diesem  Bilde  steht  gegenständlich  und  technisch  ein  vom  Jahre  1876  datiertes  im 
Besitz  Franz  Xaver  Mayers  nahe.  Es  stellt  eine  Brüstung  dar,  auf  der  aller- 
hand Gefäße:  Kübel,  Kisten,  Gartengeschirre  mit  südlichen  Pflanzen  und  Blumen 
stehen,  um  die  Schmetterlinge  spielen.  Ist  am  Ende  gleich  dem  vorigen  dieses  Bild 


184 


TAFEL  XL 

ZWEI    UNGARISCHE    BAUERNKINDER    BEI    SONNENBLUMEN.    ÖLBILD. 
(1876.)  WIEN,  K.  K.  ÖSTERREICHISCHE  STAATSGALERIE. 


in  Assisi  und  nicht  in  den  Bergen  des  Veneto  entstanden?  Vielleicht  gibt  aber  die 
Ölskizze,  die  in  einem  Garten  ein  Mädchen  bei  Vogelkäfigen  darstellt,  1877  von 
Pettenkofen  Karl  v.  Kratzer  gewidmet  worden  ist  und  sich  heute  in  der  Öster- 
reichischen Staatsgalerie  befindet,  eine  Anregung  aus  einem  Orte  im  veneziani- 
schen Gebirg  wieder. 

Den  italienischen  Bildern  stehen  noch  immer,  wenigstens  so  zahlreich  wie  diese, 
die  ungarischen  gegenüber.  Die  in  die  erste  Hälfte  der  siebziger  Jahre  datierbaren 
ungarischen  Bilder  sind  vorwiegend  sehr  kleinen  Formates.  Hierher  gehören  zum 
Beispiel  die  beiden  „Ungarischen  Märkte",  die  denselben  Hintergrund  haben,  deren 
Figurales  aber  verschieden  ist,  nur  Gänse  finden  sich  beide  Male  im  Mittelgrund. 
Das  eine  Bildchen  gehört  Ministerialrat  Johann  Földi  in  Budapest,  das  andere  dem 
Kunsthistorischen  Hofmuseum  in  Wien.  Der  verhältnismäßig  große  und  in  der 
Regel  ziemlich  leer  belassene  Vordergrund  —  er  erinnert  unwillkürlich  an  photo- 
graphische Aufnahmen,  die  Pettenkofen,  nebenbei  bemerkt,  um  jene  Zeit  bereits 
dann  und  wann  für  seine  Bilder  benützt  hat')  —  der  so  beschaffene  Vordergrund 
namentlich  des  Bildchens  beim  Ministerialrat  Földi  wird  von  nun  an  für  die  Quer- 
stücke dieser  Art  charakteristisch.  Auch  die  beiden  Märkte,  der  eine  bei  grauem 
Wetter,  der  andere  bei  Regen,  jener  im  Besitz  der  Österreichischen  Staatsgalerie, 
dieser  das  Eigentum  Ludwig  Lobmeyrs,  gehören  hierher.  Sie  sind  mit  Sicherheit 
in  den  Anfang  der  siebziger  Jahre  zu  datieren.  Drei  Bildchen,  sämtlich  aus  dem 
Jahre  1874,  schließen  sich  abermals  zu  einer  Gruppe  zusammen.  Das  eine  mit  sehr 
großem  Vordergrund  stellt  zwei  ungarische  Markt-Plachenwagen  mit  Ochsen- 
gespannen dar,  das  andere  einen  ungarischen  Markt  mit  Verkäufern,  die  auf  dem 
Boden  sitzen  und  sich  gegen  die  Sonne  mit  Schirmen  schützen,  das  dritte  endlich 
den  Piachenkarren  eines  ungarischen  Bauern,  der  aus  einer  an  der  Deichsel 
befestigten  Futterraufe  seine  drei  ausgesträngten  Esel  fressen  läßt.  Charakteristisch 
ist  für  diese  drei  Bildchen  nicht  so  sehr  der  goldbraune  Ton,  den  wir  bereits  auf 
den  venezianischen  Bildern  des  Jahres  1874  kennen  gelernt  haben,  als  vielmehr 
die  gänzlich  aufgelöste,  auf  ein  Zusammengehen  der  groben  Pinselstriche  bei  Be- 
trachtung aus  der  Ferne  berechnete  fleckige  Malweise,  die  man,  wenn  man  wollte, 
impressionistisch  nennen  könnte.  Alle  drei  Bilder  wurden  im  Jahre  ihres  Ent- 
stehens zusammen  mit  den  bereits  angeführten  venezianischen  vom  Künstler 
an  Eugen  Miller  v.  Aichholz  verkauft,  das  „Eselsgespann"  befindet  sich  noch  in 
dessen  Besitz,  der  „Markt  mit  Schirmen  bei  Sonnenschein"  und  die  beiden  „Ochsen- 
züge" gehören  dem  Kunsthistorischen  Hofmuseum. 

Das  Bildchen  mit  der  ungarischen  Bäuerin,  die  inmitten  der  Strohschober  ihrer 
Wirtschaft  die  Hühner  füttert,  gehört  infolge  seines  warmen  Gelbbraun  und  seiner 
flotten  Tupftechnik  gleichfalls  hierher.  Es  befindet  sich  heute  im  Besitz  Wilhelm 
Kuffners  in  Wien  und  ist  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  identisch  mit  dem  von 
Pettenkofen  selbst  als  „Bauernhof  (Hühner)"  bezeichneten  Bilde,  das  er  am 
15.  November  1874  Eugen  Miller  v.  Aichholz  verkauft  hat. 

Am  24.  Juni  1874  schreibt  Pettenkofen  von  Venedig  aus  an  Franz  Xaver  Mayer 
in  Wien  und  schickt  ihm  zugleich  ein  Kistchen  mit  drei  kleinen  Bildern  zur  freund- 
lichen Aufbewahrung.    Von  den  Bildern  heißt  es  im  Brief:  es  sind  „Kleinigkeiten, 


185  ,, 


Arbeiten,  die  ich  hier  gemacht  habe,  um  die  Übung  im  Kleinmalen  zu  erhalten 
oder  neue  Erfahrungen  darin  festzuhalten."  Es  ist  zweifellos,  daß  es  sich  hier  um 
Arbeiten  von  der  Art  der  eben  besprochenen,  wenn  nicht  gar  um  drei  von  ihnen 
selbst  handelt. 

Ein  Bild  größeren,  ja  für  Pettenkofen  geradezu  großen  Formates  wird  vielleicht 
hier  am  besten  einzureihen  sein.  Es  hat  gleichfalls  ein  ungarisches  Motiv,  ein 
von  vorne  gesehenes  Bauerngespann  auf  der  Puszta,  zum  Vorwurf,  die  fleckige, 
fast  wilde  Malweise  ist,  vergröbert,  ungefähr  die  der  beiden  Bildchen  mit  den 
Eseln  und  den  Ochsen.  Nur  ist  die  Stimmung  gerade  das  Gegenteil  von  der  auf 
diesen  zwei  Bildern  festgehaltenen:  die  hier  mit  schweren,  dunkeln,  vorwiegend 
kalten  Farben  zum  Ausdruck  gebrachte  Stimmung  ist  eine,  wie  sie  bei  schlechtem, 
dem  Herbst  vorauseilenden  Wetter  nach  einem  Regen  an  Spätsommertagen  auf 
der  Puszta  zu  beobachten  sein  mag.  Das  Bild,  das  ein  falsches  Monogramm  hat, 
befindet  sich  in  der  Österreichischen  Staatsgalerie.  Wenn  nicht  in  diesem  Zu- 
sammenhang, wäre  es  nur  schwer  im  Oeuvre  Pettenkofens  unterzubringen. 

Anderer  Art  ist  ein  Bild,  das  Pettenkofen  1874  Ludwig  Lobmeyr  verkauft  hat 
und  das  dieser  noch  besitzt.  Es  hat  folgenden  Gegenstand:  Vor  den  zwei  Türen 
eines  niederen  ungarischen  Bauernhauses  stehen  zwei  dürre  Bäume,  an  deren  ab- 
gekappte Äste  verschiedenfarbige  Lappen  und  Kleidungsstücke  gehängt  und  braun 
und  grün  und  grau  und  gelb  glasierte  Tongefäße  gesteckt  sind;  zwischen  den  Türen 
auf  der  Erde  sitzen  zwei  Kinder,  vorne  auf  dem  Boden  liegen  ein  paar  Kürbisse, 
hinter  denen  eine  hölzerne  Mulde  und  ein  irdener  Krug  stehen.  Die  außergewöhn- 
liche Buntfarbigkeit  des  Vorwurfes  ist  auch  hier  durch  das  warme  Goldbraun  des 
Daches,  der  Türen  und  des  Bodens  zusammengehalten.  Das  Bild  ist  aber,  wenn 
auch  keineswegs  glatt,  so  doch  viel  verschmolzener  gemalt  als  die  bisher  bespro- 
chenen mit  ungarischen  Themen. 

Ein  anderes  Bild  —  „Sonnenblumen  mit  Staffage"  nennt  es  Pettenkofen  selbst  — 
hat  er  am  18.  Jänner  1877  an  Dr.  Max  Josef  Schüler  in  Graz  verkauft,  der  als  Be- 
kannter und  Käufer  bereits  in  den  sechziger  Jahren  aufgetreten  ist.  Das  Bild,  das 
nach  dem  Datum  des  Verkaufes  im  Jahre  1876,  in  dem  sich  Pettenkofen,  nebenbei 
bemerkt,  am  längsten  in  Szolnok  aufgehalten  hat,  gemalt  sein  wird,  gehört  heute 
der  Österreichischen  Staatsgalerie  in  Wien.  Die  „Staffage"  besteht  in  zwei  unga- 
rischen Bauernkindern,  von  denen  das  größere,  ein  Mädchen,  das  kleine,  das  in 
einer  hölzernen  Mulde  liegt,  in  den  Schlaf  zu  wiegen  sucht.  Das  Bild,  ein  Hoch- 
stück und  gleichfalls  nicht  groß,  gibt  die  Sommersonnigkeit  unübertrefflich  wieder. 
Es  ist  ganz  außerordentlich  frei  und  locker  gemalt. 

Werden  die  „16  Bildchen",  die  Pettenkofen  im  Februar  und  März  1877  für 
8700  fl.  Herrn  Theodor  Eggers  verkauft,  als  Wiederaufnahme  und  Fortsetzung  der 
oben  besprochenen  Kleinmalereien  anzusehen  sein,  so  kann  der  kleine  „Szolnoker 
Markt  bei  Regen",  der  am  26.  Juni  1880  in  den  Besitz  Franz  Xaver  Mayers  über- 
gegangen ist,  als  die  Krone  von  Pettenkofens  Kleinmalereien  der  siebziger  Jahre 
gelten.  Man  weiß  nicht,  was  man  mehr  daran  bewundern  soll:  den  schweren  blei- 
farbenen Regenhimmel,  das  gedämpft  bunte  Marktgewühl,  den  das  zerstreute  Licht 
des  Regentages  spiegelnden  Kot  der  Straße  oder  den  meisterhaft  verkürzten  Graben, 


186 


der,  von  vielen  Brettern  über- 
brückt, links  jener  entlang  läuft. 
In  seinem  Tagebuch  nennt  Pet- 
tenkofen  selbst  das  Werk :  „  Straße 
in  Ungarn  bei  Regenwetter  (klei- 
nes Bildchen)".  Da  Franz  Xaver 
Mayer  1879  kein  und  1880  nur 
dieses  eine  Bild  von  Pettenkofen 
erworben  hat,  so  muß  es  mit 
demjenigen  identisch  sein,  von 
welchem  Pettenkofen  in  seinem 
Münchner  Brief  vom  14.  März 
1879  an  Franz  Xaver  Mayer  auf 
folgende  Weise  spricht:  „Meine 
Hauptabsicht  ...  für  dieses  Jahr 
war,  mich  durch  ein  meinen  Fä- 
higkeiten entsprechendes  Werk 
in  eine  meine  künstlerischen  und 
bürgerlichen  Ansprüche  för- 
dernde Erinnerung  zu  bringen." 
„Es  drückt  mich  seit  langem 
aufs  quälendste,  daß  ich  ...  es 
nicht  zur  Vollendung  des  Bild- 
chens gebracht  habe,  welches 
ich  wünschte  Ihnen  als  Beweis 
meiner  verbesserten  Auffas- 
sungsweise und  meiner  innigen 
und  herzlichsten  Verehrung  zu 
schicken."  Diese  Äußerungen 
beweisen  nicht  nur,  daß  sich 
Pettenkofen  mit  dem  Bildchen 
besondere  Mühe  gegeben,  son- 
dern auch,  daß  er  etwas  davon 
gehalten  hat. 

Neben  Ungarn  und  Italien  beginnt  von  den  siebziger  Jahren  an  auch  Südtirol 
Pettenkofen  Stoffe  für  seine  Bilder  zu  liefern.  Im  Frühling  1872  und  im  Spät- 
sommer 1873  hielt  sich  Pettenkofen  länger  in  Riva  auf,  das  ihn  immer  wieder  zur 
Arbeit  anregte.  Wenn  er  von  hier  aus  am  22.  Mai  1872  Franz  Xaver  Mayer 
schreibt,  daß  er  trachte,  möglichst  viel  an  „Aquarellen,  Zeichnungen  und  Studien 
zusammenzubringen,  um  damit  einen  Verkauf  vielleicht  im  Anschluß  an  einen  an- 
deren größeren  Verkauf  in  einem  machen  zu  können,"  und  daß  er  .„diese  Tätigkeit 
so  lange  wie  möglich  fortsetzen"  wolle,  so  geht  aus  dieser  Äußerung  hervor,  daß 
er  damals  in  Riva  von  der  genannten  leichteren  Ware  viel  produziert  hat.  Aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  besteht  ein  großer,  wenn  nicht  der  größte  Teil  der  kleineren 


Italienische  Dachterrasse.  Ölbild. 
Wien,  Fürst  Johannes  von  und  zu  Liechtenstein. 


187 


14' 


Arbeiten  Pettenkofens,  die  Ludwig  Lobmeyr  besitzt,  aus  solchen  1872  in  Riva 
entstandenen  Blättern. 

Im  August  1875  hielt  sich  Pettenkofen  ein  paar  Tage  in  Toblach  auf,  in  seinem 
Tagebuch  steht  neben  dem  Datum  des  16.  August  verzeichnet  „altes  Haus  (Schloß 
eines  Herrn  Klebelsberg,  jetzt  [Conte]  Fedrigotti  in  Innsbruck,  alte  Zimmer  mit 
bäuerischen  Neuerungen)".  Aus  diesem  im  Jahre  1500  erbauten  Herrenhaus  hat 
sich  Pettenkofen  unter  anderem  das  Motiv  für  das  Bildchen  „Zimmer ecke  mit 
Hündchen"  bei  Ludwig  Lobmeyr  geholt. 

Das  etwa  gleich  große  Bild  „Vor  der  Schmiede",  ebenfalls  bei  Lobmeyr,  ist, 
seiner  Technik  nach  zu  urteilen,  höchst  wahrscheinlich  ungefähr  zur  gleichen  Zeit 
wie  die  „Zimmerecke"  entstanden.  Ihm  kommt  darum  eine  gewisse  Bedeutung  zu, 
weil  seine  Staffage,  der  Reiter  und  der  Schmied,  das  Kostüm  des  XVII.  Jahr- 
hunderts zeigt  und  von  dem  Bilde  daher  behauptet  werden  kann,  daß  es  die  Reihe 
der  Kostümbilder  aus  Pettenkofens  letzter  Periode,  wenn  schon  nicht  eröffne,  so 
doch  vorbereite. 

Im  Anschluß  an  dieses  Bild  sei  von  einem  Zug  in  Pettenkofens  künstlerischem 
Wesen  die  Rede,  der  sicherlich  niemals  darin  gefehlt  hat,  vom  Beginn  dieses  Jahr- 
zehntes an  aber  immer  deutlicher  hervortritt,  am  besten  als  retrospektiv  zu  be- 
zeichnen sein  wird  und  zu  einer  Zeit,  da  in  der  deutschen  Literatur  Scheffel  und 
Hamerling  und  Dahn  und  Ebers  den  Ton  angegeben  haben,  weiter  nicht  befremden 
kann.  Die  bereits  erwähnten  Restaurierungen  alter  Bilder,  die  Pettenkofen  um  das 
Jahr  1870  herum  ausgeführt  hat,  sind  natürlich  nicht  so  sehr  ein  Ausfluß  als  viel- 
mehr eine  Weckung  und  Nahrung  jenes  Hanges.  Bald  aber  äußert  sich  dieser 
auch  in  Ankäufen  von  Gipsabgüssen  (1875  in  Florenz)  und  „antiken"  Stoffen  und 
Kostümen  (1875  in  Rom,  Florenz  und  Bologna).  In  Kisten  verpackt,  werden  diese 
Gegenstände  bald  in  München  bei  Lenbach,  bald  in  Wien  bei  Franz  Xaver  Mayer 
deponiert.  Die  Adressen  von  Trödlern  finden  sich  im  Tagebuch  notiert.  Alte  Stiche 
werden  erworben,  so  1879  in  München  solche  von  Rugendas.  Von  nun  an  be- 
gegnen unter  den  täglichen  Notizen  immer  häufiger  alte  Kunstwerke  und  Künstler- 
namen: 1872  in  Würzburg  Tiepolo,  1875  in  Amsterdam  Bartholomäus  van  der 
Helst  und  Bakhuizen,  in  Haarlem  Frans  Hals  und  1877  in  Vicenza  Palladio  und 
Tiepolo. 

Sieht  man  von  der  einen  eben  erwähnten  Ausnahme  ab,  so  sollten  sich  aber 
alle  diese  Absichten  und  Vorbereitungen  erst  im  nächsten  Jahrzehnt  zu  Werken 
verdichten. 

Von  ähnlicher  inhaltlicher  Bedeutung  wie  das  Bild  „Vor  der  Schmiede"  ist  eines, 
das  Pettenkofen  1877  gemalt  hat.  Es  stellt  ein  kleines,  städtisches  Mädchen  dar, 
das  ein  Hündlein  an  der  Leine  führt,  dem  gegenüber  sich  ein  Straßenköter  unge- 
bührlich benimmt.  Zu  dem  Bilde  gibt  es  überdies  eine  Reihe  von  Vorarbeiten.  Es 
ist  darum  wichtig,  weil  es  wieder  ein  ausgesprochenes  Genrebild  ist,  —  in  den  acht- 
ziger Jahren  hat  dann  Pettenkofen,  wie  noch  gezeigt  werden  soll,  gleichsam  eine 
Übung  seiner  Jugendzeit  neu  belebend,  eine  ganze  Menge  von  Genrebildern  — 
freilich  nicht  ausgeführt,  aber  doch  geplant.  Das  Bild  ist  auch  durch  seine  Technik 
merkwürdig:  es  ist  eine  Gouachemalerei.  Dieses  Verfahren,  das  Pettenkofen  sicherlich 

188 


in  Paris  kennen  gelernt  hat,  fin- 
det sich  bereits  bei  jenem  Ra- 
gazzo  angewendet,  den  Petten- 
kofen  das  Jahr  vorher  in  Florenz 
gemalt  hat.  — 

Dies  wäre,  an  der  Hand  von 
Beispielen   angestellt,    ein   Ver- 
such, das  künstlerische  Ergebnis 
der    siebziger    Jahre    zu    über- 
blicken. Zusammenfassend  wird 
man  vielleicht   folgendes  sagen 
dürfen:   Pettenkofen  lernt  wäh- 
rend dieses  Jahrzehntes  neue  Ge- 
genden kennen,  die  seinem  Pin- 
sel   Motive     liefern,     die    seine 
künstlerischen  Neigungen  anzie- 
hen und  befriedigen.  Neapel  und 
Venedig  sind  die  Hauptorte  die- 
ses Neulandes.  Aber  auch  sonst 
bereichert  er  seine  Stoffgebiete 
durch      Wiederaufnahme       des 
Genre-  und  Kostümbildes.  Was 
die      Auffassung      betrifft,      so 
schreitet    er    von    der    nahsich- 
tigen    zur     fernsichtigen     fort; 
bei  der  Darstellung  eines  Mark- 
tes   gibt   er    z.   B.    nicht    mehr 
wie     früher     eine    jede     Figur 
sorgfältig   wieder,    sondern   be- 
müht  sich,    das    aus    einer   ge- 
wissen Distanz  gesehene  Markt- 
gewühl als  Ganzes,  in  dem  sich 
Einzelheiten    nicht    mehr    deut- 
lich unterscheiden   lassen,   fest- 
zuhalten.  Hand   in   Hand   geht   mit   dieser   geänderten   Auffassung   die   unter   den 
technischen  Errungenschaften    der  Periode   an   erster   Stelle   zu   nennende   fleckige 
Malweise,    die  Pettenkofen   besonders   im  Jahre    1874   gepflegt   zu   haben   scheint. 
Zeitweise  wird  ein  goldigbrauner  Ton  bevorzugt.  Doch  kann  von  einer  einseitigen 
Tonmalerei  während  des  Jahrzehntes  nicht  die  Rede  sein.  Gegen  dessen  Mitte   zu 
fällt  der  Höhepunkt  von  Pettenkofens  Kleinmalerei.    Das  Aquarell  spielt  eigentlich 
nur  im  Winter  1873  zu  Neapel,  wo  die  Umstände  zu  seiner  Anwendung  genötigt 
haben,    eine    größere    Rolle.    In    einem    Münchner    Brief  vom    14.  März   1879    an 
Franz    Xaver    Mayer    konstatiert   Pettenkofen    selbst,    daß    er    im    Aquarell    lange 
nichts    gemacht   habe.    In   der   zweiten   Hälfte   der   siebziger  Jahre   erweitert   sich 


Mädchen  im  Garten  bei  einem  Vogelkäfig.   Ölbild.    1877. 
Wien,  K.  k.  Osterreichische  Staatsgalerie. 


189 


der  Kreis  der  von  Pettenkofen  ausgeübten  technischen  Verfahren  um  die  Gouache- 
malerei. 

Jedenfalls  aber  ist  die  Produktion  der  siebziger  Jahre,  als  Ganzes  genommen, 
nicht  sehr  reich.  Es  ist,  als  ob  Perioden  von  ein  paar  ungemein  fruchtbaren 
Wochen  Perioden  von  mehreren,  ja  vielen  durchaus  unergiebigen  Monaten  gegen- 
überstünden. 

Schuld  an  diesem  unverkennbaren  Rückgang  von  Pettenkofens  Schaffenskraft  ist 
natürlich  seine  Krankheit.  Ihretwegen  war  er  im  Juni  und  Juli  1870  in  Marienbad, 
dann,  wie  schon  erwähnt,  im  August  in  Brestenberg;  im  Jänner  1872  unterzog  er 
sich  in  Auteuil  einer  Kaltwasserbehandlung,  deren  Erfolg  er  Franz  Xaver  Mayer  in 
einem  Brief  vom  22.  Mai  1872  aus  Riva  als  „sehr  zweifelhaft"  hinstellt  und  noch 
im  Sommer  desselben  Jahres  gebraucht  er,  bereits  zum  zweiten  Mal,  eine  Kur  in 
Ems.  Mit  der  im  Juli  und  August  1873  gebrauchten  Karlsbader  Kur  ist  er,  wie  aus 
einem  an  Karl  v.  Kratzer  gerichteten  Brief  vom  22.  August  d.  J.  hervorgeht,  zu- 
frieden. Im  Sommer  1873  badet  er  in  Ostende,  kaum  zwei  Wochen. 

Hier  darf  wohl  eine  Erwähnung  des  ausführlichen  Verzeichnisses  gewisser  von 
Pettenkofen  selbst  gewöhnlich  „Anfälle"  genannter  Krankheitszustände  eingeschaltet 
werden.  Diese  Liste,  die  sich  im  Besitz  der  Damen  Müller  befindet,  endet  mit 
dem  12.  Mai  1887.  Der  Umstand,  daß  sie  mit  dem  Jahre  1872,  zufälligerweise 
gleichfalls  mit  dem  12.  Mai,  anhebt,  ist  ein  weiterer  Beleg  dafür,  daß  Pettenkofens 
Gesundheit  vom  Beginn  der  siebziger  Jahre  an  erschüttert  war. 

Am  28.  Dezember  1877  schreibt  Pettenkofen  aus  Paris  an  Franz  Xaver  Mayer: 
„Ich  beklage  und  verdamme  die  der  großen  Rücksicht  der  Selbsterhaltung  gegen- 
über nur  kleinlichen  Rücksichten  und  Bedenken,  welche  mich  abgehalten  haben, 
auch  dieses  Jahr  den  eigenen  ernsten  Ermahnungen  und  denen  des  ärztlichen 
Freundes"  (gemeint  ist  wahrscheinlich  Dr.  Gruby  in  Paris)  „entgegen  meine  Ge- 
sundheit mit  allem,  was  daran  hängt,  durch  einen  Winteraufenthalt  in  Cairo  zu 
verbessern.  Mein  Gesundheitszustand  im  ganzen  wie  im  einzelnen  gibt  mir  vollen 
Anlaß,  diese  Unterlassung  aufs  tiefste  zu  bereuen.  Und  doch  hat  der  Winter  kaum 
erst  begonnen.  —  Eine  so  entschiedene  Auskunft  über  diese  meine  wichtigste  per- 
sönliche Angelegenheit,  von  welcher  alle  anderen  so  nachteilig  beeinflußt  werden, 
gebe  ich  nur  Ihnen,  so  ungern  ich 's  auch  tue,  aber  ich  glaube,  dies  mir  schuldig 
zu  sein  gegenüber  der  Meinung,  welche  Sie,  verehrter  Freund,  möglicherweise  von 
mir  haben  könnten,  als  wäre  meine  nachlässige  Betreibung  fruchtbringender  Pro- 
duktion nur  die  Folge  launenhafter  Verdrießlichkeit  über  kleine  Schwierigkeiten  und 
Unbequemlichkeiten,  die  jeder  zu  bestehen  hat  und  welche  von  jedem,  der  nur  mit 
gutem  Willen  gerüstet  ist,  leicht  übersehen  oder  doch  leicht  überwunden  werden 
kann.  Ich  aber  weiß,  verehrter  Freund,  daß,  wenn  ich  noch  etwas  der  Rede 
Wertes  zu  erreichen  imstande  bin,  dies  nur  im  ringenden  Kampf  mit  meiner  miß- 
lichen Gesundheit  geschehen  kann.  Niemand  braucht  das  zu  wissen,  aber  ich  sage 
es  Ihnen  im  Vertrauen."  Ferner  schreibt  Pettenkofen  in  einem  Brief  vom  23.  Juli 
1878  ebenfalls  aus  Paris  und  an  Franz  Xaver  Mayer:  Zur  Abreise  von  hier  „noch 
vor  Erreichung  von  Resultaten  meiner  bisherigen  Arbeiten"  zwingt  mich  die  „außer- 
ordentliche Verschlimmerung  meines  langwierigen  Leberleidens,   zu  welchem  sich 


190 


in  letzterer  Zeit  besorgliche 
Krankheitserscheinungen  ge- 
sellt haben  und  welche  es  mir 
unmöglich  machen,  den  auf- 
reibenden Kampf,  welchen  ich 
durch  so  lange  Zeit  gegen  die 
Beschwerden  dieses  Übels  füh- 
re, fortzusetzen.  Ich  bin  end- 
lich genötigt  —  was  ich  wohl 
vor  allem  anderen  hätte  tun 
müssen  —  wenn  nicht  Heilung, 
doch  Besserung  meines  Übels 
zu  suchen,  so  lange  noch  die 
Möglichkeit  dazu  da  ist."  Pet- 
tenkofen  spricht  dann  weiter 
von  einer  abermaligen  Kur  in 
Karlsbad,  zu  der  er  sich  werde 
entschließen  müssen.  Doch  hat 
er  sich  in  den  siebziger  Jahren 
keiner  mehr  unterzogen. 

Diese  beiden  Briefstellen  sind 
darum  wichtig,  weil  sie  den 
lähmenden  Einfluß  von  Petten- 
kofens  körperlichem  Übelbefin- 
den auf  sein  künstlerisches 
Schaffen  expressis  verbis  fest- 
stellen und  weil  sich  in  ihnen 
zum  ersten  Mal  eine  bestimmte 
Krankheit  genannt  findet.  Was 
für  tiefe  Gemütsdepressionen 
seine  gestörte  Gesundheit  bei 
ihm  hervorzurufen  imstande 
war,  beweist  folgender  Satz  in 
einem  Brief,  gleichfalls  an  Franz 
Xaver  Mayer  aus  München  und 
vom  14.  März  1879:  „Furcht 
vor  der  Pest,  von  welcher  Sie 
als  von  einem  uns  drohenden 
Unglück  erwähnen,  empfinde  ich  bei  meinem  Gesundheitszustand,  der  mich  ohne 
allen  Zweifel  der  Sorge  um  mein  höheres  Alter  enthebt,  im  geringsten  nicht." 

Der  typische  Neurastheniker  entlarvt  sich  in  den  Klagen  über  das  Wetter,  von  denen, 
gleichwie  von  den  Beschwerden  über  das  Atelier,  wie  schon  gesagt,  vom  Beginn  der 
siebziger  Jahre  an  fast  kein  Brief  mehr  frei  ist:  bald  ist  die  Hitze,  bald  die  Kälte 
unerträglich.  Unter  einem  fürchtet  er  sich  vor  dem  Wiener  Winter  und  beschwert 


Motiv  aus  Venedig.  Ölstudie  (Siccativ-Experiment).  1881. 
Wien,  K.  k.  Österreichische  Staatsgalerie. 


191 


sich  über  den  Scirocco  in  Venedig,  dann  wieder  findet  er  den  Florentiner  Winter 
zu  kalt.  Unter  dem  Winter  leidet  er  überhaupt  am  meisten.  In  einem  Brief  an 
Leopold  Karl  Müller  vom  3.  September  1877  schreibt  er,  nachdem  er  abgelehnt 
hat,  mit  nach  Ägypten  zu  fahren:  „.  •  •  und  so  werde  ich  fünf  endlose  Monate  lang 
der  arme  Dulder  eines  unbarmherzigen  Winters  sein  —  einer  stupiden  Einrichtung 
der  Natur,  der  sich  jeder  Lausbub  der  technischen  Hochschule  in  Stixneusiedel 
zu  schämen  hätte." 

Im  Winter  1873  scheint  sich  Pettenkofens  übler  Gesundheitszustand  irgendwie 
herumgesprochen  zu  haben,  und  am  19.  Dezember  brachte  „Die  Presse"  folgende 
Notiz:  „Der  in  Rom  weilende  österreichische  Maler  Pettenkofen  ist,  wie  man  der 
,Morgen-Post'  meldet,  so  schwer  erkrankt,  daß  sein  Zustand  große  Befürchtungen 
erregt."')  Pettenkofen  hat  sich  über  diese  „müßige  und  charakterlose",  über  diese 
„bübische  Zeitungsnachricht",  wie  aus  seinen  Briefen  vom  23.  Dezember  1873  an 
Franz  Xaver  Mayer  und  vom  4.  Jänner  1874  an  Karl  v.  Kratzer  hervorgeht,  sehr 
aufgeregt  und  geärgert.  Ein  Dementi  der  Meldung  aber,  von  dem  Pettenkofen  in 
dem  eben  genannten  Schreiben  an  Kratzer  spricht,  scheint,  in  der  „Presse"  und  in 
der  „Morgen-Post"  wenigstens,  nicht  erfolgt  zu  sein.  — 

Abgesehen  von  den  bereits  erwähnten  Reisen  nach  Szolnok,  nach  Paris,  nach 
Italien  und  in  Italien  und  nach  den  Badeorten  ist  Pettenkofen  auch  sonst  noch 
während  der  siebziger  Jahre  durch  seine  ahasverische  Unrast  genug  umhergetrieben 
worden.  Besonders  sei  eine  in  die  erste  Hälfte  des  September  1875  fallende  Reise 
nach  den  Niederlanden  erwähnt.  Im  Tagebuch  finden  sich  zwar  unter  dem  8.  dieses 
Monates  die  Eintragungen  „zwischen  Delft  und  Rotterdam  .  .  .  malerische  Land- 
schaften mit  Windmühlen,  ferne  Stadt,  mannigfaltige  Vordergründe,  ...  an  den 
Kanälen  viel  Malerisches"  —  aber  was  Pettenkofen  schon  vor  dreizehn  Jahren  von 
Holland  gesagt  hatte,  daß  es  kein  Land  sei,  das  ihn  künstlerisch  zu  inspirieren 
vermöchte,  hatte  seither  seine  Geltung  nicht  verloren;  er  scheint  auch  1875  dort 
weder  gemalt  noch  gezeichnet  zu  haben. 

Eine  andere  beträchtlich  größere  Reise  ward  von  Pettenkofen  wiederholt  aufs 
ernstlichste  geplant,  schließlich  aber  doch  niemals  ausgeführt:  die  Fahrt  nach 
Ägypten  zusammen  mit  seinem  Freunde  Müller,  der  ihn  vom  Jahre  1875  an  immer 
wieder,  das  letzte  Mal  noch  1886,  aufs  dringendste  auffordert  mitzukommen.  Ein 
großer  Teil  des  Briefwechsels  zwischen  Pettenkofen  und  Müller  dreht  sich  um 
diese  nie  zustandegekommene  Tour.  Das  erste  Mal  ist  von  ihr  die  Rede  in  Petten- 
kofens vom  25.  Oktober  1875  datiertem  Pariser  Brief;  er  schreibt  Müller  da,  daß 
er  zur  angegebenen  Zeit  nicht  nach  Ägypten  reisen  könne;  außerdem  habe  ihm 
sein  Vetter  Mayer  gesagt,  er  müsse  dort  für  den  Tag  zwei  bis  drei  Pfund  rechnen, 
was  ihm  zu  viel  sei.  (Nebenher  bemerkt,  duzen  einander  um  diese  Zeit  die  beiden 
Freunde  schon;  brieflich  spricht  Pettenkofen  Müller  zum  ersten  Mal  in  dem  vom 
27.  April  1875  datierten  Brief  aus  Venedig  mit  Du  an.)  1875  war  Müller  mit  Huber, 
den  Pettenkofen  bereits  in  dem  eben  erwähnten  Schreiben  grüßen  läßt,  noch  im 
August  in  Ägypten.  Im  Spätherbst  wollte  er  abermals  hinfahren,  da  sollte  Petten- 
kofen mitkommen;  Lenbach  und  Makart  würden  auch  von  der  Partie  sein.  So 
berichtet  er  in  einem  Brief  vom  16.  August  aus  Cairo.  In  einem  Grazer  Brief  vom 


192 


TAFEL  XLI 

UNGARISCHER  MARKT  BEI  REGEN.  ÖLBILD.  (1880.)  WIEN,  FRANZ  XAVER 

MAYER. 


28.  Oktober  1875  schreibt  Müller  Pettenkofen,  daß  er  mit  Sparsamkeit  in  fünf 
Monaten  in  Ägypten  nicht  mehr  als  2000  fl.  brauchen  werde;  er,  Müller,  verstehe 
schlecht,  mit  dem  Gelde  umzugehen,  von  Pettenkofen  aber  sei  er  überzeugt,  daß 
er  weniger  brauchen  werde;  Pettenkofen  werde  z.  B.,  da  er  weniger  trinke,  in 
zwei  Tagen  mit  einer  großen  Flasche  "Wein  auskommen.  Am  19.  November  1875 
vermerkt  Pettenkofen  in  Triest  resigniert  in  sein  Tagebuch:  „Abfahrt  der  Gesell- 
schaft nach  Alexandrien."  Die  „Gesellschaft"  bestand  aus  Müller,  Makart,  Lenbach, 
Huber,  dem  Architekten  Gnauth  und  dem  Fürsten  KhevenhüUer.  Sie  fuhr  damals 
dem  fidelsten  Winter  am  Nil  entgegen.  Müller  soll  den  Moment  des  Abschieds,  da 
die  Reisegefährten  in  See  stechen  und  Pettenkofen  ihnen  vom  Ufer  her  betrübten 
Sinnes  nachwinkt,  in  einer  irgendwo  publizierten  lustigen  Zeichnung  festgehalten 
haben.  In  einem  Florentiner  Brief  vom  28.  Dezember  1875  an  Franz  Xaver  Mayer 
drückt  Pettenkofen  seine  Reue  darüber  aus,  daß  er  nicht  mit  nach  Cairo  gefahren  ■ 
sei,  und  schiebt  alle  Schuld  daran,  daß  er  es  nicht  getan  habe,  auf  seinen  „Wider- 
willen vor  einer  langen  Seereise".  Im  Jahre  1877  wiederholt  sich  dasselbe  Spiel. 
Am  3.  September  schreibt  Pettenkofen  Müller  totunglücklich  aus  Paris,  daß  er 
wieder  nicht  mit  nach  Ägypten  kommen  könne.  Am  19.  desselben  Monats  hatte 
er  aber  scheinbar  seine  Meinung  geändert,  wenigstens  schreibt  er  Müller:  „Das 
Vorgefühl  des  Winters,  welcher  jetzt  schon  seinen  Anfang  hier  nehmen  zu  wollen 
scheint,  hat  mich  bereits  erfaßt,  macht  mich  feig,  dem  Weitern  entgegenzusehen, 
und  gibt  mir  den  Mut,  an  eine  Überfahrt  zu  denken,  der  sich  unter  der  weiteren 
Einwirkung  winterlicher  Gefühle  bis  zur  Tat  steigern  dürfte.  Da  ich  mir  meine 
Reise  und  meinen  Aufenthalt  drüben  nur  in  Deiner  , schützenden'  Gesellschaft 
denken  kann,  ist  es  mir  zur  völligen  Ausbildung  meines  Entschlusses  unerläßlich 
nötig:  a)  zu  glauben,  daß  Du  Dich  für  meine  Mitreise  wirklich  interessierst,  2)  daß 
ich  dann  Dein  Reiseprogramm  genau  kenne.  Eine  Abreise  vor  Mitte  Oktober 
wäre  mir  zu  bald,  eine  weitere  Reise  von  Cairo  aus,  wenn  Du  eine  solche 
wirklich  in  Aussicht  hast,  würde  ich  nicht  unternehmen,  allein  in  Cairo  [zu]  sitzen, 
denke  ich  mir  —  augenblicklich  —  scheußlich."  Die  Antwort  Müllers  hat  sich  nicht 
erhalten.  Sicher  aber  traf  nicht  ihn  die  Schuld,  daß  Pettenkofen  nicht  mitgereist 
ist.  Wie  sehr  es  diesen  im  Dezember  desselben  Jahres  1877  abermals  gereut  hat, 
nicht  mit  an  den  Nil  gefahren  zu  sein,  ist  bereits  oben  mitgeteilt  worden.  Noch 
am  28.  Februar  1881  schreibt  Müller  aus  Gherga^)  in  Ägypten  an  Pettenkofen  in 
Venedig:  Ich  habe  „Dinge  gesehen,  Dinge,  die  aller  Beschreibung  spotten  —  auch 
aller  Malerei.  Ich  war  in  den  Tropen  —  habe  ganz  Oberägypten  gesehen  und  einen 
Teil  Nubiens.  Ich  versichere  Dich,  es  ist  wenig,  wenn  ich  sage,  daß  ich  jeden 
Tag  mindestens  einmal  an  Dich  dachte,  wenn  ich  die  oberägyptischen  Dörfer 
und  Städte  durchzog.  Es  ist  eine  zum  Himmel  schreiende  Sünde,  daß  Du  nicht 
hierher  kommst.  Oberägypten  ist  Deine  Domäne,  ist  für  Dich  erfunden  worden. 
Niemand  könnte  Oberägypten  so  gut  packen,  als  Du  es  könntest.  Und  wie  ge- 
sund Du  hier  werden  würdest!  Welch  einen  herrlichen  Winter  habe  ich  durch- 
lebt." Und  noch  1886  schreibt  Müller  Pettenkofen  am  10.  Jänner  aus  Cairo:  „Es 
ist  jammerschade,  daß  Du  nicht  auch  da  bist  und  mitschanzest.  Du  würdest  hier 
viel  malen  und  auch  Deiner  Gesundheit  nützen."  — 


193 


»5 


Wichtiger,  als  Pettenkofen  auf  seinen  tatsächlich  ausgeführten  und  auf  seinen 
bloß  geplanten  Reisen  zu  begleiten,  ist  es  wohl,  die  Orte,  die  Gegenden  nam- 
haft zu  machen,  von  denen  bisher  noch  nicht  gehandelt  worden  ist  und  wo  er 
sich  während  der  siebziger  Jahre  häufiger  und  länger  aufgehalten  hat. 

Da  ist  an  erster  Stelle  München  zu  nennen.  Während  des  Jahrzehnts  ist  Petten- 
kofen nur  das  einzige  Jahr  1876  gar  nicht  dorthin  gekommen.  Sonst  verweilt  er  in 
jedem  Jahre  bald  länger,  bald  kürzer  in  München.  Sein  ausgedehntester  Aufenthalt 
daselbst  erstreckt  sich  von  Mitte  September  1878  bis  Mitte  Juni  1879,  ferner  ver- 
weilt er,  nachdem  er  am  24.  Juli  zum  Ehrenmitglied  der  königlich  bayerischen 
Akademie  der  bildenden  Künste  in  München  ernannt  worden  war,  vom  1.  Sep- 
tember bis  in  den  Jänner  des  folgenden  Jahres  hinein  in  München,  und  1877  bleibt 
er  von  der  Mitte  August  bis  zur  Mitte  September  dort. 

Was  Pettenkofen  an  München  anzog,  war  die  „Vereinigung  von  Land  und 
Malerstadt",  wie  er  sich  einmal  in  einem  Brief  vom  14.  März  1879  an  Franz 
Xaver  Mayer  ausdrückt.  Im  selben  Schreiben  betont  er  aber  auch,  was  ihm 
München  verleidet  hat:  „Wenn  schon  das  Klima  packend  auf  meinen  empfindlichen 
Organismus  wirkt,  so  wirkt  der  gänzliche  Mangel  an  genügender  geistiger  und  ge- 
mütlicher Anregung  im  empfindlichsten  Grad  herabstimmend  auf  mein  Gemüt.  Es 
herrscht  hier  leider  —  eine  Schattenseite  dieser  sonst  freundlichen  Stadt  —  aus- 
schließlich nur  die  Zerstreuung  und  Vergnügung  des  Kneipenlebens,  zu  welcher 
ich  selbst  in  tiefster  Not  nach  Zerstreuung  aus  Abneigung  wie  aus  Gesundheits- 
rücksichten nicht  greifen  kann  und  dadurch  zu  dem  unter  den  gegebenen  Um- 
ständen schlimmen  In-mich-Versenken  geführt  werde." 

Fleißig  suchte  Pettenkofen  die  österreichischen  Alpen  auf,  besonders  Tirol  und 
meistens  während  des  Sommers.  In  Südtirol  verweilte  er  am  liebsten.  Von  seinen 
Aufenthalten  in  Riva  war  schon  die  Rede.  1871  und  1878  kam  er  auch  ins  Salz- 
kammergut. Nur  in  den  Jahren  1874,  -76  und  -77  sahen  ihn  die  Alpen  nicht. 
Häufig  kam  er  nach  Graz,  wo  er  freilich  nur  in  den  Sommern  1871  und  -79  länger 
als  ein  paar  Tage  verweilte.  Wahrscheinlich  besuchte  er  dort  seinen  Freund,  den 
Dr.  Max  Josef  Schüler. 

Das  Jahrzehnt  von  1870  auf  1880  ist  die  Zeit,  in  der  Pettenkofen  während  seines 
ganzen  Lebens  am  wenigsten  in  Wien  war.  In  den  Jahren  1872  und  1878  kam 
er  gar  nicht  hin.  Im  Weltausstellungsjahr  1873  hielt  er  sich  knappe  drei  Wochen 
in  seiner  Vaterstadt  auf,  im  Jahre  1875  gar  nur  zehn  Tage. 

In  Pettenkofens  Briefen  finden  sich  ein  paar  Stellen,  die  sein  Verhältnis  zu  Wien 
ins  "rechte  Licht  rücken. 

Am  18.  Mai  1874  schreibt  er  Kratzer,  der  ihm  vorher  von  dem  zu  einer  Zeit, 
da  der  berüchtigte  „Krach"  des  Vorjahres  in  Wien  natürlich  noch  nicht  verschmerzt 
sein  konnte,  recht  wohl  begreiflichen  ungünstigen  Verlauf  einer  Auktion  (der  Ale- 
xander Posonyis  am  27.  April?)  Mitteilung  gemacht  haben  muß,  aus  Venedig: 
„Die  Nachricht,  welche  Sie  mir  geben,  daß  zwei  Bilder  auf  der  Auktion  ohne  An- 
bot blieben,  kann  meinen  Entschluß,  mein  Geschäft  zur  Zeit  selbst  und  in  Paris 
zu  betreiben,  gewiß  nicht  wankend  machen.  In  Wien  mag  es  wohl  sehr  schlecht 
stehen,  aber  Wien  ist  zum  Glück  nicht  die  Welt,  und  ich  habe  Existenz  und  Ge- 


194 


TAFEL  XLII 

DAS  DUELL  IN  DER  AU.  PASTELLBILD.  (1882.)  PARIS,  CHARLES  SEDEL- 

MEYER. 


-^3:i3Si.äSgKSS 


SBEH-ri^'R.--; 


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Das  Duell  in  der   Au.  Ölskizze. 


Budapest,  Baron  Johann  Harkäny. 


sundheit  und  Leben  eingesetzt,  durch  eisernes  Studium  das  nachzuholen  und  zu 
erreichen,  was  mir  immer  als  ein  Mangel  in  meinem  Können  hinderlich  gewesen, 
und  ich  glaube  zum  mindesten  ein[en]  Teil  erreicht  zu  haben  und  dadurch  außer 
der  Berührung  der  gegenwärtig  schlechten  Zeit  zu  stehen.  Ich  habe  mir  Wien 
bereits  abgewöhnt  und  werde  hoffentlich  nie  mehr  anderer  Gesinnung  werden  • 
und  dort  leben."  Hierauf  folgt  der  schon  weiter  oben  mitgeteilte  Satz,  daß  er 
kommenden  Herbst  für  immer  nach  Paris  gehen  werde. 

Diesem  Zug  nach  der  Fremde,  der  sich,  wie  wir  wissen,  als  trügerisch  erweisen 
sollte,  steht  die  um  diese  Zeit  immer  stärker  werdende  Sehnsucht  nach  einem 
eigenen  Heim  gegenüber,  die  unwillkürlich  trotz  aller  wirklichen  und  aller  er- 
künstelten Abneigung  doch  immer  wieder  zugleich  auch  auf  die  alte  Vaterstadt 
gerichtet  ist.  Schon  in  einem  venezianischen  Brief  vom  28.  April  1875  an  Karl 
von  Kratzer  regt  sie  sich.  Dort  heißt  es  nach  Klagen  über  die  Unbilden  des 
Winters  und  die  ewige  Ateliemot:  „Ich  sehne  mich  unsäglich  nach  einem  ruhigen 
heimlichen  Wohnort  und  nach  einer  gleichmäßigen  behäbigen  Tätigkeit."  Viel 
stärker  aber  kommt  dieses  Heimweh  in  einem  um  weniges  später,  am  5.  Mai, 
gleichfalls  aus  Venedig  an  Franz  Xaver  Mayer  geschriebenen  Brief  zum  Ausdruck: 
„Das  Bedürfnis  nach  einem  sichern  heimatlichen  W^ohnort  ist  nach  und  nach  be- 
reits übermächtig  in  mir  geworden  und  ich  fühle  recht  sehr  das  Bangen  eines 
,Nirgendszuhauseseins'.  Wien  ist  meine  natürliche  Heimat,  wo  ich  meinen  mensch- 


195 


25* 


liehen  Gefühlen  nach  hingehöre,  aber  mit  der  Malerei,  welche  mein  ganzes 
Wesen  allein  vollkommen  beschäftigt,  ist  es  ein  anderes.  Ich  wüßte  aus  dem,  was 
sich  da  bietet,  nichts  zu  machen,  ich  wüßte  da  nichts  zu  machen,  das  ich  mir 
nicht  von  anderswo  erst  wieder  holen  müßte,  und  was  dann  immer  wieder  ein 
Mittelbares,  Unvollkommenes  geben  könnte;  was  meinem  Sinne  wie  meinen  Fähig- 
keiten nicht  entspricht.  Es  überkommt  mich  eine  tiefe  Entmutigung  da  [in  Wien] 
schaffen  zu  müssen,  um  eine  natürliche  Heimat  zu  gewinnen.  Zu  dem  kommen 
augenblicklich  da  noch  die  gegenwärtigen  moralischen  und  pekuniären  Verhältnisse, 
deren  deprimierendem  Einfluß  man  sich  in  nächster  Nähe  um  so  weniger  ent- 
ziehen kann.  Ich  habe  somit  durchaus  nicht  das  beruhigende  Bewußtsein,  eine 
Heimat  zu  haben,  welche  den  Bedürfnissen  meines  Berufes  wie  denen  meiner 
Gefühle  entspricht.  Und  so  fehlt  es  mir  an  der  Beruhigtheit  und  an  der  Befriedi- 
gung, welche  ich  meinem  ganzen  Wesen  nach  so  notwendig  brauche,  um  mit  Er- 
folg meine  gesammelten  Erfahrungen  und  Kenntnisse,  so  weit  diese  im  Bereich 
meines  Talentes  liegen,  nutzbar  zu  machen."  1878  aber  hat  jene  Sehnsucht  bereits 
einen  Entschluß  gezeitigt,  dem  er  am  15.  November  dieses  Jahres  in  einem  Brief 
aus  München  an  Franz  Xaver  Mayer  folgende  Worte  leiht:  „Mein  unendliches, 
praktisches  wie  gemütliches,  Bedürfnis  nach  einem  heimatlichen  Wohnsitz  wird 
immer  drängender,  und  ich  bin  somit  zu  dem  entschiedenen  Entschlüsse  gelangt, 
mein  bisheriges  Wanderleben,  als  einer  geregelten  und  somit  erfolgreichen  Pro- 
duktivität entschieden  hinderlich,  aufzugeben  und,  sobald  nur  die  größte  Strenge 
des  Winters  vorüber  ist,  nach  Wien  zu  kommen,  um  mir  da  das  ,Heim'  zu  schaffen, 
das  ich  meinem  Wesen  nach  in  der  Fremde  nicht  finde,  und  welches  ich  zur 
Verwertung  meiner  Studien  und  Erfahrungen  in  meinem  Fache  brauche.  Der  Ge- 
danke an  eine  solche  Tätigkeit,  nach  welcher  ich  mich  seit  Jahren  sehne,  mag 
mir  über  den  Gedanken  hinaushelfen,  daß  mir  die  alte  Heimat  sonst  wenig  Frohes 
und  Verlockendes  zu  bieten  hat,  als  die  Befriedigung  der  treuen  natürlich[en]  An- 
hänglichkeit, welche  ich  für  sie  empfinde."  Im  März  1879  freilich  erscheint  die 
Festigkeit  der  Absicht,  nach  Wien  zu  übersiedeln,  schon  wieder  erschüttert. 
Wenigstens  fügen  sich  in  einem  Brief  vom  14.  dieses  Monats  aus  München  an 
Franz  Xaver  Mayer  den  bereits  mitgeteilten  lebhaften  Klagen  über  München  fol- 
gende Worte  an:  „Instinktmäßig  denke  ich  an  Wien,  fürchte  aber  dort  die  größte 
Nahrung  für  meine  Nervosität." 

Daß  Pettenkofen  am  Ende  der  siebziger  Jahre  den  Entschluß  gefaßt  hat, 
sein  Wanderleben  aufzugeben  und  sich  in  seiner  Vaterstadt  dauernd  nieder- 
zulassen, geht  wohl  nicht  nur  auf  Krankheit  und  Alter  zurück,  sondern  hängt 
auch  sicherlich  damit  zusammen,  daß  er  sich  in  diesem  Jahrzehnt  be- 
sonders lange  von  der  Heimat  ferngehalten  hat  —  fernhalten  hat  müssen  — , 
denn  es  gibt  gerade  zu  dieser  Zeit  Umstände  und  Ereignisse,  die  besonders 
darnach  angetan  waren,  ihm  den  Aufenthalt  in  Wien  zu  verleiden:  der  Tod 
Gsells,  des  langjährigen  Mäzens  und  Freundes;  der  Bruch  mit  der  Geliebten, 
die  ja  in  Wien  wohnte;  1873  die  Weltausstellung  und  der  finanzielle  Zusammen- 
bruch, dessen  üble  Folgen  noch  lange  zu  verspüren  waren;  der  Festzugsrummel 
des  Jahres  1879. 


196 


Kavaliere,  ihre  Gegner  zum  Duell  erwartend.  Kohlenzeichnung. 


Budapest,  Ministerialrat  Johann  Földi. 


Mochte  er  aber  auch  dessen,  was  in  der  Heimat  vorgieng,  nur  mit  Widerwillen 
und  Bitterkeit  gedenken,  so  ließ  es  ihn  doch  weder  äußerlich  unberührt,  noch  in- 
nerlich gleichgültig. 

1873  auf  der  Weltausstellung  waren  von  Pettenkofen  nicht  weniger  als  22  Ar- 
beiten, Ölbilder  und  Aquarelle,  ausgestellt,")  ohne  sein  Zutun,  vermutlich  gegen 
seinen  Willen  und  anfangs  wohl  auch  ohne  sein  Wissen.  Seine  Wiener  Freunde, 
ihnen  voran  Franz  Xaver  Mayer,  scheinen  die  Ausstellung  mit  seinen  Bildern  be- 
schickt zu  haben.  Wegen  dieser  —  ungewollten  —  „Mitwirkung  zu  den  Erfolgen  der 
internationalen  Wiener  Weltausstellung  des  Jahres  1873",  wie  es  im  Diplom  heißt, 
erhielt  er  aber  am  30.  Oktober  1873  den  Orden  der  Eisernen  Krone  III.  Klasse.  Am 
8.  November  dankt  er  Franz  Xaver  Mayer  aus  Venedig  für  dessen  freund- 
lichen Glückwunsch  zur  Auszeichnung,  die  ihm,  wie  dieser  wohl  richtig  urteilen 
werde,  „mehr  Bedrückung  als  Freude"  zu  machen  imstande  sei.  Im  Dezember  1874 
wird  er  in  den  Ritterstand  erhoben. 

Mit  seinem  Widerwillen  gegen  Ausstellungen  war  es  Pettenkofen,  nebenbei  be- 
merkt, wirklich  ernst.  Denn  am  8.  Mai  1878  beantwortet  er  Franz  Xaver;  Mayers 
Anfrage,  ob  von  ihm  Arbeiten  auf  der  Pariser  Weltausstellung  dieses  Jahres  zu 
sehen  wären,  auf  folgende  Weise:  „Ausgestellt  habe  ich  nicht!  Das^Vorstehende 
[Klagen  über  Arbeitsunfähigkeit  wegen  Krankheit]  gibt  hierüber  den  richtigen  Auf- 


197 


Schluß.  Ich  beklage  zwar  den  Anlaß,  der  mich  verhindert  hat,  nicht  aber,  nicht 
ausgestellt  zu  haben.  Nun  kann  ich  wohl  sagen,  daß  ich  ein  .jungfräulicher' 
Künstler  bin,  denn  ich  habe  niemals  selbst  ausgestellt."  Und  am  15.  Jänner  1879 
schreibt  er  Franz  Xaver  Mayer:  „Was  die  von  Lobmeyr  angeregte  Ausstellung 
Ihrer  ganzen  Sammlung  betrifft,  so  muß  ich  außer  dem  von  Ihnen  angeführten 
Grund  dagegen  (während  des  traurigen  Winters  Ihre  Wohnung  nicht  ihres  heiteren 
Schmuckes  zu  berauben)  noch  den  Grund  dagegen  anführen,  daß  das  Interesse  des 
kunstliebenden  Publikums  in  Wien  dermalen  ein  sehr  frostiges  ist  und  Sie  sich  einer 
frostigen  Aufnahme  aussetzen  könnten.  Darum  rate  ich  Ihnen,  nicht  auszustellen."'") 

Daß  Pettenkofen  an  Vorgängen,  die  Wien,  die  Österreich  betrafen,  Anteil  ge- 
nommen hat,  braucht  natürlich  nicht  erst  bewiesen  zu  werden.  Immerhin  seien 
zwei  einschlägige  Stellen  aus  seinen  Briefen  angeführt:  Als  sich  im  Sommer  1876 
Serbien  und  Montenegro  gegen  die  Türkei  erhoben  und  Österreich  die  Okkupation 
von  Bosnien  und  der  Herzegowina  ins  Auge  faßte,  schrieb  Pettenkofen  am  17.  Juli 
1876  von  Venedig  aus  an  Franz  Xaver  Mayer:  „Nachdem  ich  während  der  ganzen 
Zeit  meines  von  jedem  Verkehr  abgeschlossenen  Aufenthaltes  [in  Assisi]  beinahe 
in  gänzlicher  Unwissenheit  über  alle  die  Vorgänge  gewesen,  welche  augenblicklich 
das  gespannteste  Interesse  der  ganzen  Welt  in  Tätigkeit  erhalten,")  bin  ich  durch 
österreichische  und  ausländische  Zeitungen  in  diejenige  Aufregung  versetzt,  welche 
jeder  patriotische  Österreicher,  wie  ich  glaube,  ,jetzt'  empfinden  muß.  Hieran  reihen 
sich  meine  peinlich  besorgten  Gedanken  an  unsere  entmutigenden  gesellschaftlichen 
Zustände."  Und  im  Hinblick  auf  den  Festzug  schreibt  er  unter  dem  14.  März  1879 
an  dieselbe  Adresse:  „Ich  freue  mich  über  die  große  lebhafte  Tätigkeit,  welche 
Wien  aufregt,  um  eine  Festlichkeit  zu  begehen,  welche  ebenso  sehr  Zeugnis  gibt 
von  seinem'^)  Patriotismus,  wie  von  seiner")  Leichtlebigkeit  und  dem  guten  Ge- 
schmack, sich  zu  amüsieren." 

Mit  besonderem  Interesse  verfolgte  Pettenkofen  an  sich  weniger  bedeutende 
Wiener  Ereignisse,  die  uns  wieder  auf  das  Gebiet  der  Kunst  hinüberleiten:  die 
Kunstauktionen,  auf  denen  Werke  seiner  Hand  feilgeboten  wurden.  Diese  Ver- 
steigerungen setzten  ja  die  Preise  fest,  die  er  ungefähr  für  seine  Bilder  verlangen 
durfte,  und  bestimmten  damit  zugleich  die  Höhe  seiner  Einkünfte.  Von  der  größten 
dieser  Auktionen,  der  von  Gsells  Nachlaß,  war  schon  ausführlich  die  Rede.  Daß 
ihn  die  Mitteilung  Kratzers,  es  wären  auf  einer  Auktion  im  Frühjahr  1874  zwei 
seiner  Bilder  unverkauft  geblieben,  unangenehm  berührt  hat,  wurde  gleichfalls  schon 
erwähnt.  Am  15.  November  1878  schreibt  er  Mayer  aus  München:  In  wenigen 
Tagen  soll  die  Oelzeltsche  Bildersammlung  versteigert  werden,  „und  ich  bin  sehr 
begierig,  ob  da  zum  augenblicklichen  Kurs  günstig  oder  ungünstig  (hausse  oder 
baisse)  entschieden  wird."  Die  Auktion,  die  am  18.  November  unter  der  Leitung 
Kaesers  stattfand,  brachte,  nebenbei  bemerkt,  hohe  Preise.  Die  vier  Bilder  Petten- 
kofens,  die  sich  in  der  Oelzeltschen  Sammlung  befanden,  wurden  um  2510,  2760, 
2980  und  8500  fl.  verkauft.  Die  letzte  Summe  wurde  für  den  „Großen  Szolnoker 
Markt"  gezahlt. 

Eine  wie  große  Rolle  Pettenkofen  während  der  siebziger  Jahre  auf  dem  Wiener 
Kunstmarkt  gespielt   hat,   mag   daraus   ersehen  werden,    daß   in   diesem  Jahrzehnt 

198 


TAFEL  XLIII 

DER  APOTHEKER.   AQUARELL.   (1885.)  WIEN,  EUGEN  MILLER  V.  AICH- 

HOLZ. 


vi 


M 


Der  Schuster.  Ölbild.  (1885.) 


Budapest,  Ministerialrat  Johann  Földi. 


auf  mehr  als  fünfzig  Auktionen,  die  in  Wien  von  Holle,  Kaeser,  Löscher,  Löscher 
und  Plach,  Miethke,  Miethke  und  Wawra,  Plach,  A.  Posonyi,  Ruf  und  Flach, 
Schwarz,  Sedelmeyer  aus  Paris  und  Wawra  veranstaltet  wurden,  Bilder  von  ihm 
vorkamen.  Das  im  Anhang  mitgeteilte  Verzeichnis  der  Auktionen  gibt  nähere  Auf- 
schlüsse darüber.  —  Auch  Deutschland  beteiligte  sich  seit  den  siebziger  Jahren 
auf  dem  Wege  öffentlicher  Feilbietung  am  Kauf  und  Verkauf  von  Werken  Petten- 


199 


kofens.  1874  versteigert  Lepke  in  Berlin,  1878  und  1879  Heberle  in  Köln  Bilder 
von  ihm. 

Die  größte  Bedeutung  aber  für  Pettenkofen  hatten  selbstverständlich  die  Pariser 
Auktionen,  weil  sie  die  Preise  des  Weltmarktes  diktierten.  Mehr  als  ein  Dutzend 
Versteigerungen,  auf  denen  während  der  siebziger  Jahre  zu  Paris  Bilder  Petten- 
kofens  vorkamen,  hat  sich  ausfindig  machen  lassen.  Unter  ihnen  verdient  eine 
darum  besondere  Beachtung,  weil  sie  von  einem  Wiener  Freunde  Pettenkofens 
veranstaltet  worden  ist.  Es  ist  die  Auktion  Eugen  Millers  von  Aichholz  am 
15.  April  1876  im  H6tel  Drouot.  Sämtliche  18  Bilder,  die  Miller  am  15.  November 
1874  von  Pettenkofen  um  15.250  Gulden  erstanden  hatte,  wurden  da  neben  anderen 
modernen  Gemälden  feilgeboten.  Der  Pessimismus,  mit  dem  Pettenkofen  in  einem 
Brief  vom  5.  März  1876  aus  Florenz  an  Franz  Xaver  Mayer  wegen  der  ungün- 
stigen Zeitumstände  und  darum,  weil  sich  unter  den  zum  Verkauf  gebrachten 
Werken  keine  von  namhaften  französischen  Meistern  befänden,  dieser  Versteige- 
rung entgegensah,  erwies  sich  als  vollkommen  gerechtfertigt:  es  blieben  fast  alle 
seine  Bilder  unverkauft. 

Daß  der  1871  verstorbene  Friedrich  Gsell  als  Abnehmer  von  Bildern  Petten- 
kofens noch  während  der  siebziger  Jahre  in  Eugen  Miller  von  Aichholz  und  Ludwig 
Lobmeyr  Nachfolger  gefunden  hat,  ist  schon  früher  mitgeteilt  worden.  Diesen 
beiden  Käufern  großen  Stiles  hat  sich  1877  als  dritter  der  Hamburger  Theodor 
Eggers  angeschlossen,  der  sich  in  Wien  oder  genauer  gesagt:  in  Leesdorf  bei 
Baden  niedergelassen  hatte.  Im  Februar  1877  hat  ihm  Pettenkofen  „16  Bildchen" 
für  8700  Gulden  verkauft.  Nicht  weniger  als  25  Bilder  Pettenkofens  aus  dem  Be- 
sitz von  Eggers  wurden  1888,  also  noch  bei  Lebzeiten  des  Künstlers,  durch  Miethke 
in  Wien  versteigert.  —  Aber  auch  noch  mit  dem  Hause  Friedrich  Gsells  blieb 
Pettenkofen  weiter  in  Verbindung.  Einerseits  durch  den  ihm  befreundeten  Fried- 
rich Ehrmann,  der  an  hervorragender  Stelle  in  Gsells  Geschäft  tätig  gewesen  war 
und  später,  zu  Beginn  der  achtziger  Jahre,  für  Pettenkofen  Bilder  verkaufte;  ander- 
seits durch  Gsells  überlebende  Schwester,  Fräulein  Julie  Gsell,  die  nach  dem 
Tode  ihres  Bruders  Wien  verließ  und  nach  Bischweiler  im  Elsaß  übersiedelte. 
Dort  pflegte  sie  Pettenkofen  auf  der  Fahrt  nach  oder  von  Paris  aufzusuchen  und 
noch  bis  in  den  Juni  1888  stand  er  mit  ihr  in  Korrespondenz.  Bis  zum  Jahre  1883, 
in  dem  er  das  letzte  Mal  nach  Paris  reiste,  überbrachte  er  Fräulein  Gsell  persön- 
lich, später,  zuletzt  noch  im  Jahre  vor  seinem  Tode,  schickte  er  ihr  von  Zeit  zu 
Zeit  ein  Bild  „als  Zeichen  seiner  Freundschaft  und  Verehrung"  —  zugleich  aber 
auch  als  Ratenzahlung  einer  alten  Schuld,  deren  Guthaben  von  Friedrich  Gsell  auf 
seine  Schwester  Julie  übergegangen  und  bei  Pettenkofens  Tod  noch  nicht  völlig 
erloschen  war.  Durch  die  geschilderte  Art  der  Schuldabtragung  gelangte  Fräulein 
Gsell  allmählich  in  den  Besitz  von  einem  halben  Dutzend  von  Bildern  Petten- 
kofens, die  nach  ihrem  Tode  ihre  Nichte  Madame  Valade  erbte. 

Unter  den  Künstlern,  mit  denen  Pettenkofen  während  der  siebziger  Jahre  ver- 
kehrte, stand  ihm  Leopold  Karl  Müller  am  nächsten.  Als  schönes  Freundschafts- 
denkmal hat  sich  Pettenkofens  Brief  an  Müller  vom  18.  November  1876  erhalten. 
Pettenkofen  beginnt  ihn  mit  einer  Mitteilung,  daß  Eitelberger,  der  damals  in  Sachen 


200 


TAFEL  XLIV 

BLICK  AUF  DIE  DÄCHER  DER  CALLE  DEI  FUSERI  IN  VENEDIG.  GOUACHE- 
BILD. 1885.  WIEN,  EUGEN  MILLER  V.  AICHHOLZ. 


der  österreichischen  Kunstpflege  vielleicht  das  gewichtigste  Wort  zu  sprechen  hatte, 
ihm  gegenüber  den  lebhaften  W^unsch  ausgesprochen  habe,  Müller  als  Professor  an 
die  Wiener  Akademie  zu  bekommen,  und  daß  er,  Pettenkofen,  sich  Eitelberger  als 
Vermittler  bei  Müller  angetragen  habe.  „In  diesem  Eingang,"  heißt  es  dann  weiter, 
„ist  alles  enthalten,  um  was  es  sich  handelt,  und  ich  habe  daher  im  Interesse 
Deiner,  welches  ich  in  meiner  Freundschaft  für  Dich  sehr  wohl  empfinde,  nur  die 
Bemerkung  hinzuzufügen.  Du  möchtest  diese  Sache  einer  ernstlichen  und  vorurteils- 
freien Erwägung  unterziehen.  So,  wie  ich  Eitelberger  für  Dich  gestimmt  verlassen 
habe,  dürftest  Du  —  unter  uns  gesagt  —  so  manche  Bedingung  zugunsten  Deiner 
persönlichen  Freiheit  als  auch  anderer  Vorteile  stellen  können,  ohne  dadurch  den 
Wert,  Dich  gewonnen  zu  haben,  zu  schwächen.  Du  wirst  hoffentlich  zufolge  dieses 
ein  Wort  an  Eitelberger  schreiben,  und  wäre  [es]  auch  nur  ablehnend  und  in  Form 
des  Dankes  für  seine  große  Sympathie  und  [das]  Vertrauen,  welches  er  im  Inter- 
esse der  Akademie  in  Dich  setzt.  Ich  kenne  und  veranschlage  den  Wert  der  per- 
sönlichen Freiheit  zu  hoch,  um  noch  etwas  hinzuzufügen,  was  berechnet  wäre. 
Dich  zu  einer  solchen  Annahme  zu  bestimmen,  obgleich  ich  der  Akademie  einen 
solchen  Gewinn  wünschte.  Ich  denke.  Du  wirst  die  Sache  wohl  überlegen,  [den] 
Vergleich  nämlich  eines  verdienstvollen  Wirkungskreises  und  beruhigter  Existenz 
mit  den  Reizen  der  durch  Umstände  oft  eingeschränkten  persönlichen  Freiheit." 
Der  männliche  Ernst,  die  knappe  Sachlichkeit  und  die  freundschaftliche  Wärme, 
womit  Pettenkofen  hier  dem  Freunde  ein  Ziel  beleuchtet,  das  ihm  selbst  in  jungen 
Jahren  trotz  aller  Abneigung  gegen  den  akademischen  Unterricht  als  erstrebens- 
wert erschienen  war,  haben  etwas  Rührendes  an  sich.  Im  Jahre  darauf  hat  Müller 
dieser  Berufung  Folge  geleistet. 

Die  Wärme  des  Freundschaftsverhältnisses,  das  Pettenkofen  mit  Müller  verband, 
scheint  auch  auf  die  Beziehungen  ausgestrahlt  zu  haben,  die  Pettenkofen  zu  Künst- 
lern hatte,  mit  denen  auch  Müller  gut  war.  Sehr  nahe  ist  ihm  der  um  23  Jahre 
jüngere  Eugen  Jettel  gestanden.  Das  beweisen  schon  seine  strenge,  aber  eindring- 
liche Charakteristik  Jetteis,  die  bereits  weiter  oben  mitgeteilt  wurde,  das  gleichfalls 
schon  erwähnte  ausführliche  Schreiben  an  ihn  vom  Jahre  1873  aus  Neapel  und  der 
im  September  1875  in  Gesellschaft  Jetteis  unternommene  Ausflug  von  Trouville 
nach  Villerville.  Aber  auch  zwei  Briefe  an  Franz  Xaver  Mayer  legen  davon  Zeugnis 
ab,  daß  Pettenkofen  Jettel  sehr  hoch  schätzte.  In  dem  einen,  schon  mehrfach  an- 
gezogenen vom  8.  Mai  aus  Paris  findet  sich  im  Anschluß  an  die  Auskunft,  daß  die 
Weltausstellung  zwar  eröffnet,  aber  noch  nicht  fertig  sei,  die  bereits  wörtlich  mit- 
geteilte Stelle,  in  der  nebeneinander  die  Namen  Makarts  und  Jetteis  vorkommen. 
Das  Lob  Jetteis,  der  außerordentliche  Fortschritte  gemacht  habe  und  dessen  Land- 
schaften den  besten  der  ganzen  Ausstellung  zuzuzählen  seien,  wirkt  hier  neben  der 
eiskalten  Objektivität,  mit  der  der  Erfolg  Makarts  konstatiert  ist,  besonders  warm. 
In  einem  Brief  vom  31.  Juli  desselben  Jahres,  abermals  aus  Paris,  beschreibt  Petten- 
kofen mit  liebevoller  Ausführlichkeit  vier  Bilder  Jetteis,  die  er  überdies  noch  durch 
Federskizzen  erläutert.  Sie  gehören  Sedelmeyer,  dem  gegenüber  Jettel  durch  einen 
Vertrag  verhalten  ist,  alle  seine  Bilder  nur  ihm  zu  verkaufen.  Sedelmeyer  erbietet 
sich,   zwei   dieser   vier   Bilder   nach   Wien   zur  Ansicht   zu   schicken.    Pettenkofen 


201 


s6 


schließt  seine  Mitteilungen  über  Jetteis  Bilder  mit  den  Worten:  „Ich  glaube,  daß 
es  für  Jettel  wünschenswert  wäre,  sich  in  Wien  wieder  in  günstige  Erinnerung  zu 
bringen,  um  daß  seine  Bilder  auf  vaterländischem  Boden  die  Wertschätzung  ge- 
nießen, welche  sie  in  Wirklichkeit  verdienen.  Er  wurde  bei  der  Medaillenverteilung 
in  den  Ausstellungen  hier  übergangen,  doch  teilt  er  hierin  nur  das  Los  so  vieler 
anderer,  welche  vor  so  vielen  mit  Auszeichnung[en]  Beteiligten  eine  Anerkennung 
verdient  haben." 

Mit  Rudolf  Huber,  der,  wie  bereits  erwähnt,  1875  mit  Müller  in  Ägypten  war, 
tauscht  Pettenkofen  in  diesem  Jahre  durch  Müllers  Vermittlung  Grüße  aus. 

Auch  Franz  Lenbach  war  ja  mit  Müller  befreundet.  Daß  auch  er  jener  Künstler- 
gesellschaft angehört  hat,  die  Pettenkofen  am  19.  November  1875  von  der  Trie- 
stiner  Rhede  aus  schweren  Herzens  nach  Alexandrien  abdampfen  sah,  wurde  schon 
gesagt.  Pettenkofen  muß  mit  Lenbach  in  München  bereits  während  der  siebziger 
Jahre  intim  verkehrt  haben.  Mit  Lenbach  und  Knaus  war  er  im  Frühjahr  1876 
auch  in  Rom  beisammen. 

Im  folgenden  seien  unter  den  übrigen  Künstlern,  mit  denen  Pettenkofen  während 
der  siebziger  Jahre  mehr  oder  weniger  vertrauten  Umgang  gepflogen  hat,  zuerst 
die  österreichischen  aufgezählt:  Mit  Eduard  Kaiser  war  Pettenkofen  noch  von  seiner 
vormärzlichen  Wiener  Periode  her  befreundet.  Er  traf  ihn  im  Juni  1876  in  Assisi, 
wahrscheinlich  mit  Aufnahmen  für  die  Arundel  Society  beschäftigt.  Mit  Ethofer 
war  er  nicht  nur,  wie  schon  erwähnt,  im  Sommer  1872  in  Venedig  und  im  Winter 
1872  auf  1873  in  Neapel,  sondern  auch  1875  in  Riva  und  1876  in  Rom  beisammen. 
In  Rom  verkehrte  er  auch  mit  dem  Bildhauer  Josef  Kopf  und  dem  Maler  Heinrich 
Ludwig,  dem  gelehrten  Herausgeber  von  Lionardos  Trattato  della  pittura.  Ludwigs 
Bekanntschaft  wird  namentlich  für  Pettenkofens  kunsttheoretische  Interessen  von 
Bedeutung  gewesen  sein.  Mit  Franz  Rüben,  dem  Sohn  des  Akademiedirektors,  Ludwig 
Passini,  Giovanni  Simonetti  und  Eugen  Blaas  verkehrte  er  schon  vor  dem  Herbst 
1875  in  Venedig;  Eugen  Felix,  mit  dem  zusammen  er  im  Juli  des  Weltausstellungs- 
jahres 1873  in  Wien  die  Gastfreundschaft  Kratzers  genoß,  traf  er  im  Herbst  des- 
selben Jahres  in  Venedig  wieder.  Julius  Blaas,  den  Bruder  Eugens,  läßt  er  im 
Sommer  1879  durch  Kratzer  in  Wien  grüßen.  Über  den  Tod  Kurzbauers  gibt  er 
am  15.  Jänner  1879  Franz  Xaver  Mayer  von  München  aus  die  melancholische 
Auskunft:  „Ich  soll  Ihnen  über  das  Befinden  Kurzbauers  berichten.  Heute  drei 
Uhr  hat  man  ihn  zur  ewigen  Ruhe  in  die  Erde  gelegt.  An  einem  Krebsübel  im 
Gesicht  seit  langem  martervoll  leidend,  war  der  Tod  wohl  das  kleinste  Übel  für 
ihn."  Im  selben  Brief  teilt  er  mit,  daß  William  Unger,  der  übrigens  schon  sechs 
Jahre  vorher  für  die  damals  neu  gegründete  Wiener  „Gesellschaft  für  vervielfälti- 
gende Kunst"  ein  auf  dem  Herd  hockendes  Zigeunermädel  Pettenkofens  radiert  hatte, 
neuerdings  eines  seiner  Bilder,  und  zwar  eines  von  denen,  die  Mayer  gehörten,  zu 
radieren  beabsichtige  und  er  für  seinen  Teil  ihm  die  Erlaubnis  hiezu  gegeben  habe. 

Von  ausländischen  Künstlern,  mit  denen  Pettenkofen  in  den  siebziger  Jahren  ver- 
kehrte, sind  die  drei  Spanier  Fortuny,  Villegas  und  Ramon  Tusquez,  mit  denen  er 
im  Frühling  1873  in  Rom  beisammen  war,  und  auch  Lenbach  und  Knaus  schon 
genannt  worden.     Im    selben  Jahre    1876,    in   dem   er  mit   den  beiden  letzteren  in 


202 


Bücherstilleben.  Aquarell. 


Wien,  Eugen  Miller  v.   Aichholz. 


Rom  zusammentraf,  machte  er  dort  auch  die  Bekanntschaft  Alma  Tademas,  von 
dem  er  das  Atelier  übernahm.  1873  lernte  Pettenkofen  in  Wien,  und  zwar  in  dem 
heute  nicht  mehr  existierenden  Hotel  „Zur  Stadt  Frankfurt"  in  der  Spiegelgasse, 
durch  Lenbach  Arnold  Boecklin  kennen.  In  Venedig  soll  Pettenkofen  die  Bekannt- 
schaft Whistlers  gemacht  haben.")  Dies  könnte  nur  im  Herbste  1880  gewesen  sein, 
denn  Whistler  war  nur  ein  einziges  Mal  in  seinem  Leben  in  Venedig,  und  zwar 
in  den  Jahren  1879  und  1880  vierzehn  Monate  hindurch  und  Pettenkofen  war  1879 
gar  nicht  dort  und  1880  erst  vom  18.  September  an.  In  Cecil  van  Haanen,  Eugen 
Blaas,  Franz  Ruhen  und  Martin  Rico  hätten  Whistler  und  Pettenkofen  gemein- 
same Bekannte  gehabt.  Whistler  gieng  es  in  Venedig  finanziell  sehr  schlecht.  Er 
zeichnete  dort  nachmals  berühmt  gewordene  Pastelle.") 

Unter  den  übrigen  Freunden  und  Bekannten  Pettenkofens  aus  den  siebziger 
Jahren  sind  außer  den  bereits  genannten  und  den  alten  wie  Franz  Xaver  Mayer 
und  Kratzer,  deren  steter  Verkehr  mit  ihm  bereits  durch  seine  an  sie  gerichteten 
Briefe  gewährleistet  ist,  etwa  noch  Direktor  August  Rath,  der  Schwager  Ludwig 
Lobmeyrs,  und  der  Frankfurter  Architekt  und  Sammler  Alexander  Günther  her- 
vorzuheben. — 

Von  den  wichtigsten  Ereignissen,  die  während  der  siebziger  Jahre  unmittelbar 
oder  mittelbar  Wien  betroffen  haben,  wurden  diejenigen  bereits  aufgezählt,  die 
Pettenkofen  irgendwie  in  Mitleidenschaft  gezogen  oder  über  die  sich  von  ihm 
irgendwelche  Äußerungen  erhalten  haben:  die  Weltausstellung,  der  Bankerott,  die 


203 


a6» 


Nötigung  Österreichs,  Bosnien  und  die  Herzegowina  zu  besetzen,  der  Festzug.  Der 
neue  Ausgleich  mit  Ungarn  im  Jahre  1877,  der  den  Dualismus  schuf,  und  zwei 
Jahre  nachher  das  Bündnis  mit  Deutschland,  von  so  grundlegender  Bedeutung 
dieses  wie  jener  für  das  Schicksal  der  Monarchie  auch  sind,  seien  hier  ebenso 
wie  die  Donauregulierung  und  Hochquellenwasserleitung,  die  beide  wieder  für  die 
Stadt  Wien  Ereignisse  von  der  größten  Tragweite  sind  und  Pettenkofen,  der  einer- 
seits sehr  viel  auf  gesundes  Trinkwasser  hielt  und  anderseits  selbst  eine  Donau- 
überschwemmung gemalt  hatte,  gewiß  nicht  unberührt  gelassen  haben  werden,  mit 
Stillschweigen  übergangen.  Am  meisten  wird  Pettenkofen  schon  als  alten  Wiener 
und  Künstler  die  rasch  fortschreitende  architektonische  Ausgestaltung  der  Stadt 
interessiert  haben.  Während  der  siebziger  Jahre  wurde  in  Wien  an  folgenden  wich- 
tigeren Monumentalbauten  gebaut:  an  der  Akademie  der  bildenden  Künste,  den 
beiden  Hofmuseen,  dem  Justizpalast,  dem  Parlamentsgebäude,  dem  Rathaus,  dem 
Burgtheater,  der  Universität,  der  Votivkirche,  der  Börse,  dem  Kunstgewerbemuseum 
und  der  Kunstgewerbeschule.  Davon  wurden  in  dem  Jahrzehnt  vollendet:  1871  das 
Kunstgewerbemuseum,  1877  die  Börse,  die  Kunstgewerbeschule  und  die  Akademie 
der  bildenden  Künste,  die  selbstverständlich  der  Bau  war,  den  Pettenkofen  mit 
dem  größten  Anteil  verfolgt  haben  wird,  und  1879  die  Votivkirche.  Zugleich  mit 
der  Architektur,  die  damals  in  Wien  durch  Hansen,  Ferstel,  Schmidt  und  Semper 
aufs  glänzendste  vertreten  war,  wurden  auch  der  Plastik  neue  Aufgaben  gestellt. 
Das  1872  enthüllte  Schubert-Denkmal  von  Kundmann  sei  darum  angeführt,  weil 
es  das  erste  Monument  ist,  das  in  Wien  einem  Künstler,  einem  Bürgerlichen  ge- 
setzt wurde.  In  den  siebziger  Jahren  kam  auch  Zumbusch  nach  Wien,  aus  dessen 
Hand  die  meisten  großen  Denkmäler  hervorgehen  sollten,  mit  denen  Wien  in  der 
nächsten  Periode  geschmückt  wurde.  Den  begabtesten  und  eigenartigsten  Plastiker 
aber  besaß  das  Wien  jener  Zeit  in  Viktor  Tilgner.  Der  Stempel  jedoch  wurde 
dem  Kunstleben  Wiens  während  der  siebziger  Jahre  durch  Hans  Makart  aufge- 
drückt, der  wieder  mit  dem  Festzug  zu  Ehren  der  Silbernen  Hochzeit  des  Kaiser- 
paares im  Jahre  1879  seinen  höchsten  Triumph  feierte.  Makart  verdunkelte  alle 
anderen  Maler,  auch  den  edeln  Feuerbach,  der  damals  krank  und  verbittert  Pro- 
fessor an  der  Akademie  war.  Die  vielen  malerischen  Talente,  die  es  damals  außer- 
dem noch  in  Wien  gab,  gelangten  eigentlich  alle  erst  nach  Makarts  baldigem  Tode 
zur  vollen  Entfaltung.  Dies  gilt  vielleicht  nicht  von  dem  beträchtlich  älteren  Canon 
und  sicher  nicht  von  dem  allerdings  in  Wien  so  gut  wie  fremden  Pettenkofen  und 
dem  gleich  ihm  aus  dem  Vormärz  herüberragenden  Rudolf  Alt,  der  still  und  un- 
wandelbar seines  Weges  gieng,  vom  Schicksal  auserkoren,  rüstig  schaffend  auch 
noch  das  nächste  Jahrhundert  zu  erleben. 


204 


SECHSTES  KAPITEL 

WIEN  1S80-1889 

in  eigenes  Heim  in  seiner  Vaterstadt,  das  er  sich,  wie  wir  ge- 
hört haben,  so  sehnlichst  wünschte,  hat  Pettenkofen  auch  wäh- 
rend der  letzten  neun  Jahre  seines  Lebens  nicht  gefunden. 
„Hätte  ich  auch  nur  das  bescheidenste  Heim  in  Wien,  würde 
ich  trotz  manchen  andern  Bedenkens  unverweilt  dahingehen, 
denn  mehr  und  mehr  fühle  ich  das  Bedürfnis  des  ,Zu- 
hauseseins'  an  dem  Orte,  den  ich  nach  meinen  herzlichen  Ge- 
fühlen —  leider  aber  im  Widerstreit  zu  meinen  Erfahrun- 
gen —  als  meine  wahre  Heimat  erkennen  muß",  schreibt  er  am  14.  Dezember  1883 
von  Venedig  aus  an  Franz  Xaver  Mayer.  Drei  Jahre  später  erklingt,  wieder  im 
Wintermonat  und  wieder  aus  Venedig,  das  alte  Lied,  dessen  erste  Strophe,  die 
Klage  über  den  W^inter,  uns  auch  nicht  mehr  neu  anmutet,  abermals:  „Ich  habe 
seit  Wochen  nur  der  Wärme  genossen,  welche  ich  selbst  besitze  und  welche  mir 
das  Bett  und  der  niemals  abzulegende  Winterrock  gibt.  Die  Öfen  sind  stinkig, 
aber  sie  wärmen  nicht.  Der  Plagen  für  mich  sind  viele,  aber  meine  Furcht  vor 
Wien  mit  seinem  unbarmherzigen  Klima,  und  weil  ich  nicht  das  kleinste,  be- 
scheidenste ,Heim'  besitze,  was  ich  als  Winterquartier  betrachten  könnte,  ist  noch 
größer."  So  heißt  es  in  einem  Brief  an  Franz  Xaver  Mayer  vom  4.  Dezember  1886. 
Ja  sogar  noch  am  8.  Oktober  1888  in  einem  Brief  wieder  an  Mayer  und  aus  Bozen 
wird  dieselbe  Weise,  diesmal  mit  leicht  scherzhaftem  Unterton,  nochmals  —  zum 
letzten  Mal  —  aufgenommen.  „Hätte  ich  auch  nur  das  bescheidenste  ,Heim'  in 
Wien,  würde  ich  keinen  Augenblick  zögern,  sogleich  dahin  zu  kommen.  —  Wie 
schwer  es  sein  würde,  mir  ein  solches  in  der  Bälde,  wie  ich's  brauche,  verschaffen 
zu  können,  entmutigt  mich,  den  Versuch  zu  wagen  und  auf  unbestimmte  Hoff- 
nungen hin  noch  vor  Anbruch  des  vollen  Winters  dahin  zurückzukommen.  — 
Wenn  Sie,  mein  hochverehrter  Freund,  etwas  in  dieser  Sache  tun  könnten,  würden 
Sie  dies  schon  längst  ohne  meine  besondere  Aufforderung  getan  haben,  darum 
will  ich  auch  keinerlei  Bitte  um  Ihre  Intervention  an  Sie  richten;  vielleicht  aber 
entschließen  Sie  sich,  mir  die  Hausmeisterstelle  Ihres  Hauses  in  Mistelbach  zu 
verleihen;  freilich  wäre  das  nicht  gerade  in  Wien,  da  Sie  aber  öfter  dahinkommen, 
so   hätte   ich   da   wohl   öfter   die   Befriedigung,   Sie   wiederzusehen,    als  wenn   ich 


205 


mich  irgendwo  anders  befände,  und  dies  würde  meinem  Herzen  überaus  wohl  tun." 
Aber  noch  im  selben  Jahre  1888  hält  der  Sehnsucht  nach  dem  Heim  in  der  Vater- 
stadt ein  so  starker  Widerwille  gegen  Wien  die  Wage,  daß  Pettenkofen,  wie  wir 
bereits  wissen,  am  20.  Juni  Fräulein  Julie  Gsell  schreiben  kann,  er  hoffe  von  Zeit 
zu  Zeit  seine  Reise  oder  auch  seine  Umsiedlung  nach  Paris  bewerkstelligen  zu 
können. 

Allein  trotz  alledem  ruhte  das  Schwergewicht  von  Pettenkofens  Leben  in  dessen 
letztem  nicht  mehr  vollständigen  Jahrzehnt  nirgends  anders  als  in  Wien.  Ein  Heim 
fesselte  ihn  allerdings  nicht  an  seine  Vaterstadt;  wenn  er  sich  in  ihr  aufhielt, 
mußte  er  in  einem  Hotel  wohnen  (seit  dem  Verlust  der  ihm  so  teuern  Währinger 
W^ohnung  im  Jahre  1870  scheint  er  in  Wien  immer  im  Hotel  „Elisabeth"  in  der 
Weihburggasse  Quartier  genommen  zu  haben).  0  Dafür  aber  bot  ihm  das  Atelier 
an  der  Akademie,  das  ihm  das  Unterrichtsministerium  im  Jahre  1880,  in  welchem 
er  auch  den  Titel  „k.  k.  Professor"  erhielt, ^  auf  drei  Jahre  vermietete,')  manche 
Bequemlichkeit,  vor  allem  aber  die  Möglichkeit  ungestörter  Arbeit.  Zwar  spottet 
er  noch  1881  über  seine  neue  Werkstatt,  wenn  er  am  12.  Februar  von  Venedig 
aus  an  Franz  Xaver  Mayer  schreibt:  „Mein  Atelier  in  Wien,  in  so  schlechtem 
Zustand  es  auch  immer  sein  mag,  macht  mir  nur  den  einen  Kummer,  daß  ich 
es  bezahlen  muß",  er  behält  es  aber  doch  bis  an  sein  Lebensende  und  hat  es 
gewiß  im  Laufe  der  Zeit  und  bei  zunehmender  Krankheit  immer  höher  schätzen 
gelernt.  — 

Der  Bezug  des  Ateliers  an  der  Akademie  kann  als  der  äußere  Markstein  für 
den  Beginn  der  letzten  Periode  von  Pettenkofens  Leben  gelten.  Eine  deutlichere 
Cäsur  wird  jedoch  durch  die  Veränderung  des  Charakters  seiner  während  der 
achtziger  Jahre  geschaffenen  Werke  gebildet.  Mit  seinen  Arbeiten  sei  daher  be- 
gonnen. 

Das  ungarische  Genre  wird  noch  nicht  aufgegeben.  Es  läßt  sich  im  Gegenteil 
nachweisen,  daß  Pettenkofen  noch  im  Juni  1888  persönlich  ein  Bildchen  „Markt 
in  einem  ungarischen  Dorfe"  dem  Obersten  von  Lachnit  verkauft.  0  Nun  war  es 
durchaus  nicht  Pettenkofens  Art,  einem  Freunde,  den  er,  wie  es  hier  der  Fall  war, 
besonders  hochschätzte,  ein  altes  Bild  tale  quäle  zu  überlassen.  Er  malte  entweder 
ein  Bild  nach  einer  alten  Studie  oder  malte  ein  vor  Zeiten  angefangenes  Bild  zu 
Ende,  jedenfalls  aber  arbeitete  er  daran,  bevor  er  es  aus  der  Hand  gab.  Er  war 
aber  im  Herbst  1881  das  letzte  Mal  in  Szolnok.  Schon  im  Frühling  dieses  Jahres 
hatte  er  Franz  Xaver  Mayer  mit  merkwürdiger  Voraussicht  aus  Venedig  geschrieben: 
„Wenn  es  meine  Gesundheit  zuläßt,  möchte  ich  mich  gern  noch  einmal  der  Plage, 
nach  Ungarn  zu  reisen,  unterziehen.  Ich  habe  in  Wien,  wie  Sie  wissen,  noch 
mehrere  Arbeiten  von  dort  stehen,  welche  ich  nur  mit  Aushilfe  der  dortigen  Natur 
vollenden  kann." 

Daraus,  daß  Pettenkofen  1881  das  letzte  Mal  in  Szolnok  gewesen  ist,  aber  noch 
bis  frühestens  Mitte  1888  Bilder  mit  ungarischen  Vorwürfen  gemalt  hat,  läßt  sich 
der  Schluß  ziehen,  daß  alle  die  vielen  Arbeiten  dieser  Art,  die  er  während  der 
achtziger  Jahre  verkaufte,  entweder  mehr  oder  weniger  flüchtige  Naturstudien  von 
jenem  letzten  Szolnoker  Aufenthalt  her,    unfertig   belassen    oder   zu  Ende    gemalt, 

206 


waren  oder  daß  diese  Bilder 
zwar  neu  gearbeitet  waren, 
aber  auf  Grund  solcher 
oder  noch  älterer  Studien. 
Was  die  Betrachtung  des 
Verlaufes  von  Pettenkofens 
künstlerischer  Tätigkeit  so 
anziehend  gestaltet,  ist  das 
Moment  der  Entwicklung, 
das  durchwegs  vorhanden 
ist.  Er  ist  als  Künstler  nie- 
mals still  gestanden,  son- 
dern hat  sich  in  rastloser 
Arbeit  immer  weiter  ge- 
bildet. Natürlich  hat  auch 
er  dann  und  wann  einmal 
einen  falschen  Weg  ein- 
geschlagen und  selbstver- 
ständlich gibt  es  auch  bei 
ihm  Zeiten  der  Müdigkeit 
und  Unlust,  die  auf  die 
Produktion  abfärben,  alles 
in  allem  aber  darf  von  ihm 
—  wohl  das  höchste  Lob, 
das  einem  Schaffenden  ge- 
zollt werden  kann  —  gesagt 
werden,  daß  er  bis  an  sein 
Lebensende  fortschreitet. 

So  kommt  es,  daß  sich 
auch  noch  unter  Petten- 
kofens ungarischen  Bildern 
der  achtziger  Jahre  Leistungen  finden,  die  seinen  besten  zugezählt  werden  können. 
Die  vor  der  Natur  alla  prima  ebenso  rasch  wie  unfehlbar  sicher  hingetupften  Farben- 
eindrücke sagen  dem  durch  die  Schule  des  Impressionismus  gegangenen  modernen 
Betrachter  ganz  besonders  zu.  Doch  darf  nicht  außer  Acht  gelassen  werden,  daß 
namentlich  Bildchen,  wie  sie  z.  B.  Baron  Dr.  Adolf  Kohner  in  Budapest  in  dem 
„Ungarischen  Markt"  und  den  „Szolnoker  Mietwagen"  besitzt  und  wie  sie  in  großer 
Zahl  durch  die  Nachlaß-Auktion  in  den  Handel  gekommen  sind,  von  Pettenkofen, 
wenn  er  sich  auch  ihres  künstlerischen  Wertes  unzweifelhaft  bewußt  war,  trotzdem 
gewiß  nicht  als  fertige  Bilder  angesehen  wurden.  Mit  seiner  Signatur  (als  die  er 
bei  solchen  Gelegenheiten  in  der  späten  Zeit  bloß  die  kleinen  Initialen  „a.  p."  zu 
verwenden  pflegte)  hat  er  sie  nur  zu  Verkaufszwecken  versehen.  Den  Typus  eines 
vollendeten  ungarischen  Bildes  vom  Beginn  der  achtziger  Jahre  stellen  die  „Unga- 
rischen Marktweiber"  dar,  die  aus  dem  Besitz  des  Obersten  von  Lachnit  in  den  des 


Im   Archiv.  Unvollendetes  Ölbild. 
Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


207 


Ministerialrates  Johann  Földi  in  Budapest  übergegangen  sind.  Das  hier  farbig  wieder- 
gegebene aus  dem  Nachlaß  stammende  Bild  desselben  Gegenstandes  bei  Oskar 
Bondy  in  Wien  ist  eine  nicht  zu  Ende  geführte  Variante  des  vorher  genannten 
Werkchens.  Die  skizzenhaften  kleinen  Bilder  dieser  Art,  deren  Vorfahren  noch  aus 
der  ersten  Hälfte  der  achtziger  Jahre  bereits  angeführt  wurden,  unterscheiden  sich 
von  diesen  durch  eine  erhöhte  Farbigkeit.  Derartige  Bildchen  sind  es,  die  Petten- 
kofen  im  Laufe  der  achtziger  Jahre  öfter,  jedesmal  in  größerer  Anzahl,  an  seinen 
Freund  Friedrich  Ehrmann  mit  einem  vorher  ausbedungenen  Gewinstanteil  bei 
weiterer  Abgabe  verkaufte,  so  z.  B.  laut  Eintragungen  ins  Tagebuch  am  21.  Mai 
1880  nicht  weniger  als  27  Stück,  am  6.  März  1882  12  Stück.  Als  Repräsentant 
der  vielen  im  Nachlaß  vorhandenen  Bilder,  die,  so  entzückend  sie  auch  häufig 
wirken,  dennoch  nicht  mehr  als  Anfänge,  Untermalungen  sind,  mag  die  in  Farben 
reproduzierte  ungarische  Marktszene  aus  dem  Besitz  des  Hauptmannes  Franz 
Artaria  gelten.  Ihr  ist  in  der  Gegenüberstellung  von  hellem  Giftgrün,  warmem 
Lichtbraun  und  rosigem  Weiß  ein  ganz  besonderer  koloristischer  Reiz  eigen. 

Das  ungarische  Marktgewühl,  als  Ganzes  oder  im  Einzelnen  genommen  auch 
das  Thema  der  bisher  besprochenen  Bildchen,  —  „kleine  Brettchen"  nennt  sie 
Pettenkofen  gelegentlich  selbst  —  wurde  von  ihm  aber  auch  noch  während  der 
achtziger  Jahre  in  größerem  Format  dargestellt.  Als  Beispiel  dafür  möge  der 
„Szolnoker  Markt"  im  Besitz  der  Damen  Müller  dienen.  Er  ist  nicht  ganz  vollendet 
und  nimmt  im  wesentlichen  die  Auffassungs-  und  Darstellungsweise  des  „Szolnoker 
Marktes"  vom  Jahre  1869  bei  Franz  Xaver  Mayer  auf.  Die  Farben  sind  weniger 
bunt  als  die  der  kleinen  Bilder,  satter  und  dunkler  und  in  ihrer  Wirkung  mehr 
zusammengehalten.  Das  Ganze  wirkt  aber  lebendiger  als  das  um  zwölf,  vierzehn 
Jahre  ältere  Bild.  Ein  eigentümlicher  prickelnder  Reiz  ist  vorhanden;  Pettenkofen, 
der  sich  nie  schämte,  Schüler  zu  sein,  hat  vielleicht  von  Fortuny  und  Favretto 
gelernt. 

Auf  anderen  Bahnen  zeigt  ihn  das  große  Bild,  das  gleichfalls  aus  dem  Nachlaß 
herkommt,  jetzt  der  Österreichischen  Staatsgalerie  gehört  und  ein  fast  ganz  nacktes, 
halbwüchsiges  Zigeunermädchen  darstellt,  das  mit  angezogenen  Beinen  auf  einem 
Herd  sitzt  und  eine  Pfeife  raucht.  Das  Thema  selbst  ist  alt;  wie  wir  wissen,  hat 
es  Pettenkofen  noch  in  den  fünfziger  Jahren  darzustellen  begonnen.  Das  Neue  dieser 
Fassung  liegt  vor  allem  in  der  ungewöhnlichen  Größe  des  Formates.  Es  ist,  als 
ob  sich  Pettenkofen  mit  den  großen  Figurenbildern,  die  sein  Freund  Müller  um 
jene  Zeit  aus  Ägypten  mitbrachte,  in  einen  W^ettstreit  hätte  einlassen  wollen.  Das 
große  Format,  das  sich  ihm  zeitlebens  als  ungünstig  erwies,  ließ  ihn  auch  diesmal 
im  Stich.  Das  Bild  wirkt  trotz  des  vorzüglichen  Aktes  nicht  sehr  angenehm ;  es  hat 
etwas  Frostiges  und  Glattes  an  sich,  das  ältere  und  kleinere  Bild  mit  dem  gleichen 
Vorwurf,  das  k.  u.  k.  Truchseß  Dobner  von  Dobenau  besitzt,  gleich  dem  in  Rede 
stehenden  nicht  ganz  vollendet,  ist  viel  lebendiger. 

Hatte  Pettenkofen  schon  im  Jahre  1881  das  letzte  Mal  aus  der  für  ihn  so  reich- 
haltigen Fundgrube  Szolnok  geschöpft,  so  versah  ihn  bis  wenige  Monate  vor  seinem 
Tode  Venedig,  der  andere  Ort,  der  für  ihn  gleichfalls  wie  kaum  ein  dritter  voll 
künstlerischer  Anregungen   war,    mit    immer    neuen    Motiven.    Dem    so    gehaßten 

208 


TAFEL  XLV  .  -  ; 

GARTEN  IN  GRÜNAU.  GOUACHEBILD.  (1886.)  WIEN,  EUGEN  MILLER  V.  | 

AICHHOLZ. 


I 


Kücheninneres.  Aquarell. 


Wien,  Kunsthistorisches  Hofmuseum. 


Winter  und  der  leidigen  Ateliernot  zum  Trotz  muß  Pettenkofen  in  einem  Brief  vom 
14.  Dezernber  1883  an  Franz  Xaver  Mayer  Venedig  und  den  Venezianern  ihr 
Recht  lassen. 


209 


87 


Er  schreibt  im  Anschluß  an  die  Mitteilung,  daß  es  ihm  erst  nach  drei  Wochen 
gelungen  sei,  eine  sehr  schlechte  Werkstatt  zu  finden:  „Doch  das  Ungesunde, 
welches  sich  durch  Feuchtigkeit  und  Unheizbarkeit  an  solche  Orte  hängt,  abge- 
rechnet, läßt  mich  alles  andere  unberührt,  denn  der  venezianische  Typus  ist  hoch 
malerisch  und  mit  fieberhafter  Ungeduld  erwarte  ich  die  Austrocknung  des  Ofens, 
welcher  nach  hiesiger  Art  aus  Ziegeln  gemauert  wird  und  welchen  ich  machen  zu 
lassen  genötigt  war." 

Aber  vorerst  sei  noch  nicht  von  Pettenkofens  figuralen  venezianischen  Bildern 
die  Rede.  Es  zieht  ihn  schon  auch  die  Architektur  der  Lagunenstadt  an,  aber, 
seinem  ganzen,  bei  allem  Selbstbewußtsein  doch  im  Grunde  bescheidenen  und  fast 
scheuen  Wesen  entsprechend,  nicht  etwa,  mag  er  auch  noch  so  malerisch  verfallen 
und  verwittert  sein,  der  Monumentalbau  irgend  eines  großen  alten  Meisters,  son- 
dern zum  Beispiel  ein  Hof,  umgeben  von  den  hohen  Mauern  der  vielstöckigen 
venezianischen  Zinshäuser,  ein  Hof,  in  dem  Wäsche  zum  Trocknen  aufgehängt  ist, 
in  dem  ein  paar  Bäumchen  wachsen  und  eine  Menge  Blumentöpfe  steht,  auf  die 
und  deren  bunten  Pflanzeninhalt  von  hoch  oben  herab  die  Sonne  scheint.  Ein 
anderes  Mal  malt  er  von  der  Terrasse  seines  Hotels  aus  den  Blick  hinunter  in  ein 
enges  venezianisches  Gäßchen,  die  Calle  dei  Fuseri.  Wer  die  Dächer  Venedigs 
und  deren  vielgestaltige  Schornsteine  kennt,  weiß  auch,  was  in  diesem  Fall  dem 
Künstler  den  Pinsel  in  die  Hand  gedrückt  hat.  Eine  Notiz,  die  sich  aus  Petten- 
kofens Nachlaß  noch  erhalten  hat,  bezieht  sich  auf  den  Vorwurf  des  eben  genannten 
Bildes.  Sie  lautet:  „Als  mich  einmal  ein  .  .  .  G.  besuchte  (in  Venedig,  Hotel 
V[ictoria])  und  ich  ihm  die  malerische  Aussicht  auf  die  Dächer  der  Calle  [dei] 
Fuseri,  welche  ich  von  meinem  Fenster  aus  übersah,  zeigte,  machte  er  mich  auf-, 
merksam,  daß  Goethe  auf  derselben  Stelle,  auf  der  sich  seinerzeit  das  Albergo 
Königin  Elisabeth  befand,  [gewohnt  habe.]" 

Die  „Calle  dei  Fuseri"  gehört  Eugen  Miller  von  Aichholz  und  ist  ein  vom 
Jahre  1885  datiertes  Aquarell,  das  sich  besonders  durch  die  Wiedergabe  von  Licht 
und  Luft  auszeichnet,  der  „Venezianische  Hof"  dagegen  ist  ein  Ölbild  im  Besitz 
der  Stadt  Reichenberg,  das  gleichfalls  der  Mitte  der  achtziger  Jahre  angehören 
dürfte. 

Als  drittes  Beispiel  von  Pettenkofens  venezianischer  Architekturmalerei  der  acht- 
ziger Jahre  sei  das  aus  dem  Nachlaß  stammende  kleine  Ölbild "  im  Besitz  der  Öster- 
reichischen Staatsgalerie  angeführt,  das  anscheinend  ebenfalls  von  einem  Fenster 
aus  gemalt  ist  und  den  Blick  auf  einen  kleinen  venezianischen  Platz  an  einem 
Kanal  darstellt.  An  sich  reizend  durch  seine  flotte  Unmittelbarkeit,  ist  das  Bildchen 
durch  die  mit  Bleistift  in  den  noch  nassen  Firnis  eingeschriebene  Notiz  „Siccatif- 
Experiment  24/4  81"  bemerkenswert.  Ein  zweites  ähnliches  Siccativ-Experiment, 
vom  24.  Jänner  1881  datiert,  stellt  Schiff'e  im  Hafen  Venedigs  dar  und  ist  aus  dem 
Nachlaß  in  den  Besitz  des  Kommerzialrates  Franz  Xaver  Mayer  übergegangen. 
Diese  Trockenmittel- Versuche  beweisen  die  Sorgfalt,  die  Pettenkofen  als  alter  Mann 
bei  der  technischen  Herstellung  seiner  Arbeiten  walten  ließ.  Er  hatte  eben,  wie 
schon  oben  erwähnt,  die  zerstörende  Wirkung  schlechter  Trockenmittel  an  eigenen 
älteren  Bildern  kennen  zu  lernen  Gelegenheit  gefunden. 


210 


TAFEL  XLVI 

KÜCHE  IN  RIVA.    AQUARELL.    (1886.)    WIEN,   EUGEN   MILLER  V.  AICH- 

HOLZ. 


Klostergarten.  Motiv  aus  Assisi.  Ölbild.  (1885.) 


Wien,  Franz  Xaver  Mayer. 


211 


27* 


Eine  der  letzten  Arbeiten,  die  Pettenkofen  überhaupt  ausgeführt  hat,  ist  aber- 
mals ein  Motiv  aus  Venedig,  das  Ölbild  „Venezianische  Küche",  das  er  am 
26.  Februar  1888  beendigt  und  schon  am  6.  März  um  5000  Gulden  dem  Kunst- 
händler Neumann  verkauft. 

Südliche  Küchen  haben  Pettenkofen  öfter  zur  malerischen  Wiedergabe  verlockt. 
Der  vom  warmen  Braun  stufenweise  ins  Schwarz  verräucherte  Innenraum,  erhellt 
von  dem  durch  ein  kleines  Fenster  hereinfallenden  Sonnenlicht  und  belebt  durch 
eine  Figur,  die  irgend  ein  farbiges  Kleidungsstück  an  sich  hat,  das  war  das  Thema, 
in  das  sich  Pettenkofen  zu  vertiefen  nicht  müde  ward.  Schon  im  Jahre  1876  brachte 
er  aus  Assisi  Küchenstudien  mit,  die  meisten  fertigte  er  wohl  in  Riva  an,  wo  er 
sich  auch  im  Herbst  1886  wieder  längere  Zeit  aufhielt.  Das  Aquarell  im  Besitz 
Eugen  Millers  von  Aichholz  ist  durch  die  Eintragungen  in  Pettenkofens  Tagebuch 
vom  17.  und  23.  November  und  vom  9.  Dezember  1887  als  „Küche  in  Riva" 
sichergestellt.  Dieses  Motiv  hat  er  mehrmals  behandelt,  ebenso  finden  sich  zahl- 
reiche Zeichenstudien  darnach  vor.  Eine  Abwandlung  des  Themas  ist  ein  anderes 
Aquarell,  heutzutage  im  Besitz  des  Kunsthistorischen  Hofmuseums.  Jenes  ist  ein 
Querbild,  auf  dem  der  offene  Herd  ganz,  die  Lichtquelle  gar  nicht  sichtbar  ist; 
beim  Kessel  macht  sich  hier  eine  Frauensperson  zu  schaffen,  der  ein  auf  dem 
merkwürdigen  Tisch  neben  dem  Herd  sitzendes  kleines  Mädchen  zusieht.  Das  Bild 
im  Hofmuseum  hat  Hochformat,  der  Herd  ist  vom  linken  Bildrand  überschnitten, 
dafür  ist  rechts  aber  auch  das  lichtspendende  Fenster  zu  sehen;  auf  dem  Herd 
sitzt  ein  kleines  Mädchen,  eine  Schüssel  auf  dem  Schoß.  Das  Bild  bei  Herrn 
von  Miller  ist  ungleich  frischer  und  erweckt  deutlich  den  Eindruck,  daß  es  an  Ort 
und  Stelle  geschaffen  ist.  Das  Aquarell  des  Museums  ist  im  Vergleich  damit 
trockener,  es  stört  das  allzu  viele  etwas  tote  Braun,  man  möchte  fast  glauben, 
daß  dieses  Bild  nach  Studien  daheim  im  Atelier  fertiggestellt  wurde. 

Den  Kücheninterieurs  aus  Assisi,  Venedig  und  Riva  ist,  wie  hier  eingeschaltet 
werde,  auch  eines  aus  Toblach  anzufügen,  das  Pettenkofen  1882  Franz  Xaver 
Mayer  verkauft  und  das,  da  er  vor  1882  das  letztemal  1875  in  Toblach  war,  in 
seiner  Konzeption  noch  in  dieses  Jahr  zurückgehen  muß. 

In  Assisi  war  Pettenkofen  nur  einmal  in  seinem  Leben,  im  Sommer  1876. 
Aber  Motive  aus  diesem  Ort  hat  er  zu  wiederholten  Malen  noch  in  den  achtziger 
Jahren  verwertet.  So  verkauft  er  am  3.  März  1880  Friedrich  Ehrmann  drei 
Studien  aus  Assisi:  „Kind  am  Fenster",  „Zimmer  mit  Gabletten-Bett"  und  „Weib, 
Hände  waschend".  Am  3.  Juni  desselben  Jahres  tritt  er  Franz  Xaver  Mayer  das 
kleine  Ölbild  „Garten  aus  Assisi"  ab,  das  durch  ein  Mädchen  zwischen  Blumen- 
geschirr und  bei  Vogelkäfigen  staffiert  ist.  Auffallender  ist  aber  noch  das  ziem- 
lich große  und  ausführliche  Ölbild  bei  Franz  Xaver  Mayer,  das  Pettenkofen  diesem 
erst  zu  Beginn  des  Jahres  1886  übergibt  und  an  dem  er  einem  Briefe  zufolge 
noch  am  heiligen  Abend  des  Jahres  vorher  arbeitet.  Es  sei  hier  nur  daran  er- 
innert, daß  das  Bild,  von  dem  weiter  oben  schon  die  Rede  war,  einen  Garten, 
in  dem  ein  Mönch  beschäftigt  ist,  darstellt  und  als  eine  wohlgelungene  Leistung 
betrachtet  werden  darf. 

Neben  Ungarn  und  Italien,  zu  welchem  eben  vorher  anläßlich  der  Besprechung 


212 


TAFEL  XLVII 

DER  HUFSCHMIED.   GOUACHEBILD.    (1886.)    WIEN,   EUGEN   MILLER  V. 

AICHHOLZ. 


T>:  la'iiAT 


V  HHJJiM  Maoua  yism 


T'CT'TJT. 


TAFEL  XLVIII 


STRASZENKAMPF    IN    EINEM   VENEZIANISCHEN   GÄSSCHEN.    UNVOLL- 
ENDETES ÖLBILD.(1887.)WIEN,  K.K. ÖSTERREICHISCHE  STAATSGALERIE. 


r^TI: 


I 


¥ 


I 


I 


Venezianischer  Hof.  Ölbild. 


Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt. 


213 


der  Kücheninterieurs  im  Widerstreit  mit  der  Landkarte  Riva  gerechnet  wurde,  ist 
das  erträgnisreichste  Gebiet  für  Pettenkofens  künstlerische  Tätigkeit  während  der 
achtziger  Jahre  Tirol,  wo  er  sich  in  den  Sommern  und  Herbsten  der  Jahre  1882, 
1884,  1886,  1887  und  1888  längere  Zeit  aufhält.  Bozen,  Riva,  Toblach  und  Ster- 
zing  sind  die  Orte,  wo  er  am  meisten  für  Stift  und  Pinsel  findet. 

Eine  Spezialität,  die  Pettenkofen  im  letzten  Jahrzehnt  seines  Lebens  fast  aus- 
schließlich auf  Grund  tirolischer  Motive  ausgebildet  hat  und  die  er  in  Öl-  und 
Aquarellfarben,  mit  der  Kreide  und  dem  Bleistift  pflegt,  sind  die  verschiedenen 
Handwerker,  die  er  in  ihren  Werkstätten,  umgeben  von  ihrem  Gerät  und  den  Er- 
zeugnissen ihres  Fleißes,  darstellt.  So  hat  er  den  Schmied  —  diesen  besonders 
gern  und  zwar  als  Huf-,  als  Sensen-  und  als  Nagelschmied  — ,  den  Schuster,  den 
Töpfer,  den  Tischler  und  den  Schleifer  geschildert.  Darf  man  den  Handwerkern 
auch  die  geistigen  Arbeiter  zuzählen,  so  sind  hier  noch  der  Apotheker,  der  Amts- 
schreiber und  der  Archivar  zu  nennen. 

Zwei  dieser  Bilder  verdienen  eine  besondere  Hervorhebung:  der  „Hufschmied" 
und  der  „Schuster".  Das  erstere  ist  ein  Aquarell  im  Besitz  Eugen  Millers  von  Aich- 
holz.  Dieser  erzählt,  von  Pettenkofen  über  die  Entstehung  des  Bildes  folgendes 
gehört  zu  haben:  Auf  dem  Stilfser  Joch,  auf  dem  Wege  nach  Trafoi  und  Mals^) 
mußten  die  Pferde  von  Pettenkofens  Wagen  beschlagen  werden.  Dies  veranlaßte 
ihn,  die  Schmiede  zu  betreten.  Künstlerisch  zog  ihn  darin  besonders  der  mannig- 
faltige Widerschein  des  draußen  frisch  gefallenen  Schnees  an.  Er  machte  sich  eine 
flüchtige  Studie,  die  er  durch  Notizen  vervollständigte,  und  malte  darnach  später 
das  Aquarell.  Auf  dieses  bezieht  sich  unzweifelhaft  auch  die  aus  des  Künstlers 
Nachlaß  erhaltene  Aufzeichnung :  „Schmiede,  Aquarell.  Eilig  in  der  Ausführung, 
flüchtige  Technik,  vollendet  in  der  Ton-  und  Farben  Wirkung. "  Den  zweiten  Teil 
dieses  Urteiles  wird  sich  auch  heute  noch  der  Betrachter  des  Bildes  gerne 
zu  eigen  machen.  Da  der  Zettel,  auf  dem  jene  Notiz  steht,  mit  der  Jahreszahl  1886 
versehen  ist,  so  darf  das  Aquarell,  das  Pettenkofen  am  4.  Februar  1888  um 
300  Gulden  Herrn  von  Miller  verkauft  hat,  als  im  Jahre  1886  entstanden  ange- 
sehen werden. 

Anders  verhält  es  sich  mit  dem  zweiten  Bilde,  dem  „Schuster".  Das  Motiv  ist, 
schon  nach  der  Wandvertäfelung  zu  urteilen,  dem  „alten  Hause"  in  Toblach  ent- 
nommen. Da  Pettenkofen  das  „kleine  Bildchen"  bereits  am  21.  Mai  1885  an  den 
Obersten  von  Lachnit,  aus  dessen  Besitz  es  in  den  des  Ministerialrates  Johann 
Földi  in  Budapest  übergegangen  ist,  verkauft  und  er  in  den  achtziger  Jahren  erst 
im  August  1887  nach  Toblach  kommt,  so  muß  es  noch  nach  Studien  von  seinem 
ersten  Toblacher  Aufenthalt  im  Jahre  1875  gemalt  sein.  Bezeugt  ist,  daß  er  wäh- 
rend der  achtziger  Jahre  in  seinem  Atelier  an  der  Wiener  Akademie  daran  arbeitete. 
Dieses  soll  damals  stets  voller  Schuhe  gewesen  sein,  nach  denen  sich  eine  vor- 
treffliche Bleistiftstudie  aus  dem  Nachlaß  im  Besitz  des  Grafen  Lanckoronski  von 
Brzezie  in  Wien  befindet.  Aber  das  Bild  selbst  hat  trotz  des  Rufes,  dessen  es  sich 
in  Liebhaberkreisen  erfreut  und  trotz  oder  vielleicht  wegen  seiner  gediegenen  Aus- 
führung etwas,  das  nicht  anders  denn  als  Mangel  an  Frische,  an  Unmittelbarkeit 
zu  bezeichnen  ist   und   das  leider   mehr   als   einer  Arbeit   aus  Pettenkofens  letzter 


214 


TAFEL  IL 

DES  KÜNSTLERS  ATELIER.  GOUACHEBILD.  WIEN,  MARIE  UND  BERTA 

MÜLLER. 


Szolnoker  Mietwagen.  Ölskizze. 


Budapest,  Baron  Dr.  Adolf  Kohner. 


Zeit  anhaftet.  Das  Gegenteil  von  dem,  was  der  Künstler  selbst  in  seiner  allzu 
harten  Selbstkritik  an  dem  vorher  besprochenen  Aquarell  „Tiroler  Hufschmied"  als 
„eilig  in  der  Ausführung  und  flüchtige  Technik"  rügt,  ist  der  Fehler  dieses  kleinen 
Ölbildes,  bei  dessen  Betrachtung  einem  unwillkürlich  die  Worte  einfallen,  die  Petten- 
kofen  auf  einem  vom  Jahre  1885  datierten  Zettel  niedergeschrieben  hat:  „Seit 
15  Jahren  bin  ich  krank  und  erhalte  mich  nur  künstlich,  aber  Treibhauspflanzen 
tragen  keine  genießbaren  Früchte." 

Nicht  alle  Stücke  dieser  Bildergruppe  sind  über  ein  vorbereitendes  Stadium 
hinausgediehen.  Der  „Archivar",  ein  Ölbild  der  Liebiegschen  Sammlung  in  Reichen- 
berg, ist  z.  B.  vom  Künstler  in  unfertigem  Zustand  stehen  gelassen  worden.  Das 
Motiv  stammt  ebenfalls  aus  Tirol,  und  einer  dortigen  Klosterbibliothek  werden 
wohl  auch  die  alten  Folianten  angehören,  nach  denen  Pettenkofen  das  ausgezeich- 
nete Bücherstilleben  bei  Eugen  Miller  von  Aichholz  aquarelliert  hat. 

Naturalistische  Arbeiten  Pettenkofens,  deren  Motive  weder  auf  Ungarn,  noch  auf 
Italien,  noch  auf  Tirol  zurückgehen,  gehören  während  der  achtziger  Jahre  zu  den 
größten  Seltenheiten.  Dennoch  gibt  es  solche,  und  ein  paar  davon  seien  beispiels- 
halber angeführt. 

Eine,  ein  Aquarell  im  Besitz  Eugen  Millers  von  Aichholz  stellt  eine  Partie  des 
Gartens  von  dessen  Besitzung  in  Grünau  bei  Gmunden  dar.  Zu  diesem  Bilde 
wurde  der  Künstler  wohl  durch  die  im  durchsonnten  Grün  zum  Trocknen  aufge- 
hängte weiße  Wäsche  und  durch  das  mannigfaltige  Spiel  von  Licht  und  Schatten 
im  Gezweig  der  Bäume,  auf  den  Leintüchern,  auf  dem  Rasen  mit  Wäschekorb 
und  Sessel  und  in  der  stark  verkürzten  Kegelstatt  verleitet.  Dem  Itinerar  zufolge 
muß  das  Aquarell  im  August  1886  gemalt  sein. 

Derselben  oder  einer  noch  späteren  Zeit  gehört  ein  anderes  Aquarell  an,  das 
sogar  ein  Wiener  Motiv  behandelt:  des  Künstlers  Atelier  an  der  Akademie.  Man 
wird  schwerlich  fehlgehen,  wenn  man  als  Ursache  dieser  außerordentlichen  Arbeit 
nicht  bloß  die  Freude  an  den    schönen,    starken  Farbenkontrasten   von  Gelb    und 


215 


Rot  und  Weiß  und  Schwarz  im  Vordergrund,  für  die  der  dunkle  Hintergrund  mit 
seiner  gedämpften  Buntheit  wieder  die  wirksamste  Folie  abgibt,  sondern  auch  die 
Freude  am  allmählich  zusammengetragenen  Besitz,  am  Surrogat  für  das  so  sehr 
ersehnte  „eigene  Heim"  annimmt.  Natürlich  ist  dieses  Bild,  das  den  Damen  Müller 
gehört,  auch  durch  seinen  Vorwurf,  durch  die  Gegenstände  interessant,  die  es  uns 
kennen  lehrt.  Diese  Dinge,  die  den  Künstler  während  der  letzten  Zeit  bei  seiner 
Arbeit  in  Wien  umgeben  haben,  werden  übrigens  alle  noch  pietätvoll  von  den 
Schwestern  Leopold  Müllers,  Pettenkofens  Erbinnen,  aufbewahrt. 

Unter  den  auf  dem  Aquarell  angedeuteten  Bildern  an  der  Wand  sei  das  rechts 
von  der  Tür  hervorgehoben.  Es  ist  eine  flotte  große  Ölstudie,  die  aus  dem  Nach- 
laß in  den  Besitz  Eugen  Millers  von  Aichholz  übergegangen  ist,  und  stellt  Len- 
bachs  Garten  in  München  dar.  Das  Bild  mit  seinen  schlanken,  herbstlich  verfärbten 
Laubbäumen  verdient  hier  wegen  seines  Motivs,  das  gleichfalls  weder  Tirol  noch 
Italien  noch  Ungarn  angehört,  Erwähnung.  Pettenkofen  hat  es  vermutlich  im 
Herbst  1883  in  München  gemalt.  — 

Aber  alle  die  bisher  behandelten  Bilder,  so  sehr  sich  auch,  wie  noch  gezeigt 
werden  soll,  die  angeführten  Aquarelle  zum  Beispiel  von  allen  früheren  unter- 
scheiden, sind  nicht  diejenigen  Arbeiten  Pettenkofens,  welche  als  charakteristisch 
für  seine  letzte  Periode  angesehen  werden  müssen. 

Diese  Arbeiten  nun  sind  durch  innere  und  durch  äußere  Merkmale,  häufig  durch 
diese  wie  jene  zugleich,  gekennzeichnet.  Es  treten  nämlich  einerseits  neue  Vor- 
würfe, anderseits  neue  Verfahren  auf,  und  oft  ist  ein  neues  Thema  mit  Hilfe  einer 
neuen  Technik  dargestellt.  Die  Neuerungen  im  Gegenständlichen  lassen  sich  durch 
drei  Worte  erläutern :  Pettenkofen  malt  Kostümbilder  und  malt  Genrebilder,  und 
zwar  solche,  die  anekdotisch  zugespitzt  sind,  die  eine  Pointe  haben,  die  ein  bißchen 
ins  Literarische  hinüberspielen,  in  das,  was  die  Kritik  der  nächsten  Generation 
den  Bildern  eines  Knaus  und  Vautier  und  Defregger  so  sehr  verübelt  hat ;  Petten- 
kofen betätigt  sich  schließlich  als  Illustrator.  Die  neuen  technischen  Verfahren  aber, 
die  er  anwendet,  sind  vor  allem  die  Gouache-  und  die  Pastellmalerei;  ferner  spielt 
jetzt  die  Zeichnung  bei  ihm  eine  vorherrschende  Rolle,  und  zwar  im  größeren 
Format  besonders  die  Kreide-,  weniger  die  Kohlenzeichnung,  im  kleineren  Format 
die  Pinsel-  und  Federzeichnung  mit  Tusche  und  Sepia  und  Deckweiß. 

Natürlich  lassen  sich  die  Ansätze  sowohl  zu  den  technischen,  als  auch  zu  den 
gegenständlichen  Neuerungen  schon  in  etwas  frühere  Zeit  zurückverfolgen.  Es  sei 
z.  B.  an  das  Gouachebild  des  „Florentiner  Knaben"  und  an  das  Kostümbild  „Vor 
der  Schmiede",  beide  aus  der  Mitte  der  siebziger  Jahre,  erinnert.  Noch  viel  merk- 
würdiger aber  ist  die  Wiederaufnahme  von  künstlerischen  Gepflogenheiten  der 
Jugendzeit:  Pettenkofen  pflegt  das  Genrebild  und  die  Illustration  wieder. 

Die  erste  bedeutende  und  genau  datierbare  Arbeit  der  neuen  Art  ist  das  große 
Bild  „Während  des  Duells",  auch  genannt  „Die  Pferde  der  Duellanten"  oder  „Das 
Duell  in  der  Au".  Diese  drei  verschiedenen  Titel  ersetzen  schon  beinahe  eine  Be- 
schreibung :  In  einem  herbstlichen  Laubgehölz  erwarten  Stallknechte  mit  den  Pferden 
ihrer  Herren  den  Ausgang  eines  Zweikampfes.  Das  Kostüm  ist  etwa  das  der  Prinz- 
Eugen-Zeit,  also  das  der  Wende  des  XVII.  Jahrhunderts  auf  das  XVIII.  Die  Bäume 


216 


sind  jene  schlanken  Laubbäume,  hoch- 
aufgeschossene junge  Buchen,  wie  sie 
Pettenkofen  besonders  geliebt  hat.  Schon 
auf  der  aus  dem  Jahre  1857  stammenden 
„Zigeunerhütte  im  Walde"  bei  Lobmeyr 
kommen  sie  vor. 

Pettenkofen  spricht  in  einem  Brief,  den 
er  an  Franz  Xaver  Mayer  am  3.  Juni 
1883  von  Venedig  aus  schreibt,  selbst 
von  diesem  Bilde  und  seiner  Technik: 
„Pastellmalerei  ist  eben  in  Paris  wieder 
Mode  geworden;  und  so  habe  ich  voriges 
Jahr,  angeregt  durch  manches,  das  ich 
dort  sah,  einen  Versuch  gemacht,  ,das 
Duell',  dessen  Sie  erwähnen,  gleichzeitig 
mit  meinem  Bild  in  Pastell  zu  malen. 
Aber  die  mir  unbekannte  und  ungeübte 
Technik  machte  mir  solche  Schwierig- 
keiten, daß  ich  diese  Arbeit,  obgleich 
schon  ziemlich  fortgeschritten,  stehen  ge- 
lassen hätte,  hätte  mich  Herr  Sedelmeyer 
(als  Käufer)  durch  sein  ganz  unverdientes 
Lob  nicht  zur  Vollendung  getrieben.  Aber 
es  ist  eine  schwache  Arbeit  geblieben,  und  es  ist  mir  recht  unlieb,  daß  dieser 
Versuch  in  einer  Ausstellung  hängen  soll." 

Die  Unzufriedenheit  des  Künstlers  mit  seiner  Arbeit  wird  von  Herrn  Sedelmeyer 
bestätigt.  Er  erzählt,  daß  er  Pettenkofen,  der  damals  bei  ihm  wohnte,  abends  das 
beim  Fenster  hinausbürsten  sah,  was  er  tagsüber  gearbeitet  hatte.  Die  Ausstellung, 
auf  Grund  deren  Mayer  in  dem  Brief,  den  Pettenkofen  beantwortet,  von  dem  Bilde 
gesprochen  haben  muß,  kann  nur  diejenige  sein,  die  Sedelmeyer  erst  im  nächsten 
Jahre  1884  unter  dem  Titel  „Kollektion  von  Gemälden  österreichischer  und  ungari- 
scher in  Paris  lebender  Künstler,  ausgestellt  im  Künstlerhaus"  in  Wien  veranstaltet 
hat  und  von  der  Mayer  im  vorhinein  gehört  haben  muß.  Die  Ausstellung  umfaßte 
unter  anderem  Arbeiten  von  Brozik,  Eduard  Charlemont,  Jettel,  Hynais,  Munkäcsy, 
Payer,  Ribarz  und  Thoren.  Von  Pettenkofen  enthält  sie  den  „Verwundetentransport" 
vom  Jahre  1853  und  das  „Duell",  das  im  Katalog  ausdrücklich  als  im  Jahre  1883 
und  in  Paris  gemalt  bezeichnet  ist. 

Pettenkofen  hat  das  Bild  am  25.  Juli  1883  Sedelmeyer  verkauft,  der  es  1887  in 
Amerika  veräußerte  und  1909  wieder  zurückerwarb. 

Der  Widerspruch  in  den  von  Pettenkofen  und  von  Sedelmeyer  angegebenen 
Daten  erklärt  sich  einfach  dadurch,  daß  jener  das  Bild  immer  wieder  vorgenommen 
hat.  Es  gibt  auch  heute  noch  verschiedene  Fassungen  davon,  die  zwar  sämtlich 
weniger  ausgeführt  sind  als  das  Exemplar  im  Besitze  Sedelmeyers,  darum  aber 
noch  nicht  alle  vorbereitende  Studien  dazu  sein  müssen.    So  weiß  Rudolf  Konopa 


Ungarischer  Markt.   Ölskizze. 
Budapest,  Baron  Dr.  Adolf  Kohner. 


217 


von  Rudolf  Huber,  daß  sich  Pettenkofen  noch  in  Wien  mit  dem  „Duell  in  der  Au" 
beschäftigt  hat.  Das  wäre  aber  vor  dem  Winter  1884  nicht  möglich,  da  Petten- 
kofen nach  dem  Herbst  1882,  in  dem  er  seinem  eigenen  Zeugnis  zufolge  das 
erste  Mal  an  dem  Bilde  arbeitete,  nicht  früher  nach  Wien  kam  als  eben  im  Winter 
1884.  Pettenkofen  bat  seinen  Freund  Huber,  der  als  ehemaliger  Kavallerist  und 
als  Tiermaler  dazu  besonders  geeignet  war,  ihm  bei  einer  Expedition,  die  er  mit 
Pferden  und  Modellen  in  die  Auen  der  Donau  vorhatte,  behilflich  zu  sein.  Wirk- 
lich kam  das  ebenso  umständliche  wie  kostspielige  Unternehmen  zustande,  an  Ort 
und  Stelle  war  Pettenkofen  aber  von  der  Wirkung  des  Ganzen  so  enttäuscht,  daß 
er  keinen  Strich  zeichnete  und  sohin  alles  umsonst  war.  —  Solche  verschiedene 
Fassungen  des  Bildes  finden  sich  bei  Markgraf  Alfons  Pallavicini,  bei  k.  u.  k.  Truch- 
seß  Fritz  Dobner  von  Dobenau,  bei  Eugen  Miller  von  Aichholz  und  bei  den  Brüdern 
Gottfried  und  Hermann  Eißler  in  W^ien  und  bei  Baron  Johann  Harkäny  in  Buda- 
pest. Eugen  von  Miller  und  Baron  Harkäny  besitzen  große  Ölstudien,  die  Brüder 
Eißler  eine  große  leicht  getonte  Kohlenstudie;  das  Exemplar  bei  Truchseß  von 
Dobner  ist  eine  kleine  Ölskizze,  das  bei  Markgraf  Pallavicini,  im  Gegensatz  zu 
allen  übrigen  Fassungen  ein  Hochstück,  ist  gleichfalls  groß  und  ist  flüchtig  in 
Pastell  ausgeführt. 

Abgesehen  von  den  verschiedenen  technischen  Verfahren,  liegen  die  Unter- 
schiede vor  allem  in  der  Haltung  der  zusehenden  Diener  und  der  bald  mehr  von 
der  Seite,  bald  mehr  von  hinten  gesehenen  Pferde.  Die  Kohlenstudie  bei  den 
Brüdern  Eißler  wirkt  vielleicht  am  unmittelbarsten.  Natürlich  gibt  es  auch  eine 
Menge  von  Detailstudien  für  die  Pferde  und  die  Landschaft.  Ferner  hängen  die 
beiden  Reitbücher  von  Newcastle  und  von  Parrocel,  die  sich  Pettenkofen  im  No- 
vember 1882  und  im  Jänner  1883  in  Paris  kauft,  unstreitig  mit  seinen  Bemühungen 
um  das  eben  erörterte  Werk  zusammen. 

Im  Anschluß  an  dieses  Duellbild  wird  am  besten  ein  anderes  zu  besprechen 
sein,  das  aber  über  eine  große  Kohlenstudie  nicht  hinausgediehen  zu  sein  scheint. 
Diese  gehört  Ministerialrat  Johann  Földi  in  Budapest  und  stellt  Kavaliere  dar,  die 
ihre  Gegner  zum  Duell  erwarten.  Das  Kostüm  ist  diesmal  das  des  XVII.  Jahr- 
hunderts. Die  Idee  zu  einem  solchen  Bilde  hat  Pettenkofen  lange  beschäftigt.  Wir 
erinnern  uns  der  wahrscheinlich  noch  aus  der  ersten  Hälfte  der  fünfziger  Jahre 
stammenden  Ölstudie  eines  wartenden  Kavaliers,  der  sich  die  Handschuhe  an- 
zieht. Auch  noch  Ende  der  sechziger  Jahre  hat  sich  Pettenkofen  mit  diesem  Thema 
befaßt,  denn  in  einer  vom  26.  Dezember  1868  datierten  Liste,  die  „Bilder  und 
Studien  im  Versteck"  überschrieben  ist,  findet  es  sich  folgendermaßen  vermerkt: 
„Kavaliere,  ihre  Gegner  zum  Duell  erwartend  —  aus  den  betreffenden  Kostümen 
ein  Paket  zum  Absenden  machen."  Schließlich  ist  es  in  einer  in  die  achtziger 
Jahre  anzusetzenden  Notiz,  die  „Skizzen  und  angefangene  Bilder"  betitelt  ist,  etwas 
näher  beschrieben:  „5  Figuren  groß  —  3  Figuren  klein.  Herbst.  Früher  Morgen. 
Nebel.  Waldweg."  Die  flotte  Studie  bei  Herrn  Ministerialrat  Földi  dürfte  den 
achtziger  Jahren  zuzuweisen  sein.  — 

Das  in  Paris  entstandene  „Duell  in  der  Au",  wenigstens  in  seiner  am  meisten 
ausgeführten  Fassung,    gehört   als  Pastellmalerei   und  als  Kostümbild   zu   den   be- 

218 


sprochenen  Neuerungen  der  achtziger 
Jahre.  Gleichfalls  dazu  gehört  der  „Apo- 
theker" oder  „Provisor",  wie  das  Aquarell 
heißt,  das  Eigentum  Eugen  Millers  von 
Aichholz  ist.  Nach  dem  Modell,  das  er 
schließlich  für  das  Bild  benützte,  zeichnete 
und  malte  Pettenkofen,  wie  vom  Jahre 
1883  datierte  Studien  beweisen,  schon  im 
Winter  dieses  Jahres  in  Venedig.  Vor 
allem  auf  dieses  Modell  scheint  sich  die 
oben  mitgeteilte  gleichzeitige  Äußerung 
vom  „hochmalerischen  venezianischen 
Typus"  zu  beziehen.  Aber  Pettenkofen 
braucht  damals  nicht  schon  auch  die  Idee 
zum  Bilde  gehabt  zu  haben.  Erst  am 
2.  Mai  1884  notiert  er  sich  in  sein  Tage- 
buch: „Malerei  in  der  Apotheke  S.Stefano" 
und  erst  am  13.  Juli  des  nächsten  Jahres 
verkauft  er  das  Bild  an  Eugen  von  Miller. 

Auch  zu  diesem  Bilde  gibt  es  zahl- 
reiche Studien  und  verworfene  Fassungen 
in  Bleistift,  Kreide,  Kohle,  Sepia  und 
Aquarell;  der  Apotheker  ist  in  ganzer 
Figur  oder  als  Brustbild  aufgenommen, 
und  auch  das  Laboratorium  ist  für  sich 
allein  dargestellt.  Die  alte  Einrichtung 
der  Apotheke,  an  der  besonders  die  ori- 
ginellen    kupfernen    Retorten    auffallen, 

scheint  aus  der  Goldoni-Zeit  zu  stammen  und  wohl  das  Kostüm,  mit  dem  Petten- 
kofen sein  Modell  bekleidete,  bestimmt  zu  haben. 

Das  „Duell  in  der  Au",  wenigstens  in  dem  Exemplar  bei  Sedelmeyer,  ist  bereits 
eines  jener  Genrebilder,  die  für  den  modernen  Geschmack,  der  sich  freilich  seiner 
Wandelbarkeit  und  Hinfälligkeit  stets  bewußt  bleiben  sollte,  schon  beinahe  ein 
wenig  zu  viel  erzählen.  Die  Fassungen,  auf  denen  das  eigentliche  Duell  hinten 
nicht  mehr  sichtbar  ist  und  die  zusehenden  Reitknechte  weniger  erregten  Anteil 
nehmen,  sagen  dem  heutigen  Betrachter  noch  am  meisten  zu. 

Von  dieser  letzteren,  nur  ganz  schwach  ans  Theater  gemahnenden  diskreten 
Art  ist  das  Aquarell  „Der  Apotheker".  W^as  darauf  die  Figur  tut  —  der  Mann 
gießt  aus  einer  Phiole  ein  paar  Tropfen  in  einen  Tiegel  —  ist  so  ungezwungen 
und  unaufdringlich,  daß  dem  Bilde  gegenüber  der  Vorwurf  der  Pose  nicht  nur  un- 
ausgesprochen, sondern  auch  ungedacht  bleiben  muß.  Das  Ganze  ist  eigentlich 
nichts  anderes  als  ein  Zustandsbild,  freilich  mit  der  Tracht  und  dem  Innenraum 
einer  vergangenen  Zeit.  Sich  an  diesem  letzteren  Umstand  allein  aber  zu  stoßen, 
wäre  gewiß  durchaus  verfehlt,    da   es   sich  der  Künstler  nie  wird  nehmen  lassen, 


Ungarische  Marktweiber.  Ölbild.   1888. 
Budapest,  Ministerialrat  Johann  Földi. 


219 


28* 


auch  einmal  ein  Stück  Vergangenheit  darzustellen.  Er  muß  es  nur  völlig  im  Geist 
seiner  Kunst  anpacken  und  nach  Zolas  berühmtem  Wort  durch  sein  Temperament 
sehen.  Pettenkofen  bleibt  auf  Bildern  wie  dem  „Apotheker"  durchaus  malerisch 
und  höchst  persönlich,  und  die  große  Mühe,  die  in  der  ganzen  Arbeit  unzweifel- 
haft steckt,  ist  durchaus  nicht  zu  merken,  so  frisch  und  flott  ist  alles  gemalt.  Das 
aber  sind  die  drei  Klippen,  an  denen  zum  Beispiel  ein  so  bedeutender  Künstler  wie 
Meissonier  gescheitert  ist.  Er  malte  Dinge,  die  besser  zu  erzählen  gewesen  wären, 
war  von  einer  solchen  Sachlichkeit,  daß  man  über  sie  seiner  Persönlichkeit  vergaß, 
und  seine  überpeinliche  Ausführung  ließ  die  aufgewendete  Mühe  unverhüllt.  — 

Ist  nach  alledem  der  „Apotheker"  kein  Genrebild  im  heute  verpönten  Sinne  und 
gehört  er  daher,  was  seinen  Gegenstand  anbelangt,  nur  als  Kostümbild  zu  den 
oben  charakterisierten  Neuerungen,  so  unterscheidet  sich  dafür  seine  Technik,  wenn 
auch  noch  nicht  dem  Prinzip,  so  doch  dem  Grade  nach,  von  der  von  Petten- 
kofens  früheren  Aquarellen.  Sie  ist  noch  breiter,  noch  kühner  geworden  und  ist 
noch  viel  mehr  für  die  Fernsicht  berechnet  als  etwa  die  der  neapolitanischen 
Aquarelle  aus  dem  Jahre  1873. 

Dagegen  zeigt  die  Technik  der  schon  besprochenen  Aquarelle  „Hufschmiede", 
„Garten  in  Grünau"  und  „Des  Künstlers  Atelier"  einen  prinzipiellen  Unterschied 
gegenüber  der  Technik  aller  früheren  Aquarelle  Pettenkofens.  Auf  diesen  dreien 
kommt  nämlich,  sowohl  rein,  als  auch  mit  anderen  Farben  gemischt,  Deckweiß 
vor,  während  auf  den  früheren  das  Weiß  immer  ausgespart,  dann  und  wann  ein- 
mal, z.B.  am  Beginn  der  fünfziger  Jahre,  auch  ausgekratzt  ist.  Da  die  „Schmiede" 
und  der  „Garten"  in  das  Jahr  1886  datiert  werden  können,  so  wird  dieses  Jahr 
ungefähr  die  Zeit  bezeichnen,  in  der  sich  Pettenkofen  mit  jener  technischen  Neue- 
rung praktisch  befaßte.  Daß  er  schon  früher  Gouachefarben  verwendet  hat,  wissen 
wir:  mit  ihnen  ist  die  Studie  eines  Florentiner  Knaben  vom  Jahre  1875  und  das 
„Mädchen  mit  den  zwei  Hunden"  vom  Jahre  1877  gemalt. 

W^ährend  der  achtziger  Jahre  wandte  Pettenkofen  überhaupt  der  Aquarelltechnik, 
die  er  eigentlich  seit  dem  Jahre  1873  vernachlässigt  hatte,  eine  erhöhte  Aufmerk- 
samkeit zu.  Am  12.  Februar  1883  trägt  er  zu  Paris  in  sein  Tagebuch  ein,  daß  er 
bei  Sedelmeyer  Aquarelle  von  Mauve  gesehen  habe.  Diesen  Belgier  hat  er,  wie 
Herr  Sedelmeyer  mitteilt,  sehr  bewundert,  —  besonders  um  der  „valeurs"  willen. 
Es  ist  nicht  ausgeschlossen,  daß  ihn  dessen  flächige  Technik  angeregt  hat,  selber 
breiter  und  kühner  zu  werden.  —  Von  theoretischer  Beschäftigung  mit  der  Aquarell- 
technik zeugt  eine  Notiz,  die  ungefähr  aus  dem  Jahre  1888  stammen  dürfte.  Sie 
lautet :  „Es  bleibt  der  noch  so  jungen  Maltechnik  —  dem  Aquarellmaler  —  manches 
zu  lernen,  zu  vervollkommnen  übrig,  und  das  hat  mich  in  der  letzten  Zeit  ange- 
regt, mich  derselben  mehr  anzuschließen,  in  derselben  der  Natur  ähnlicher  [zu] 
werden,  als  dies  bis  jetzt  das  Bestreben  war,  —  vielleicht  weil  man  die  Mittel  nur 
da  für  ausreichend  hielt,  wo  es  sich  nur  um  den  momentanen  Ausdruck  einer 
Naturerscheinung  handelte.  In  Vergleichung  mit  der  Natur  gibt  es  da  noch  vieles 
zu  lernen.  — " 

Wie  der  „Apotheker"  zu  Venedig  und  auf  Grund  venezianischer  Eindrücke  ist 
das  „Rencontre"  oder  der  „Zweikampf  in   einem   venezianischen  Gäßlein"    konzi- 


220 


f 


TAFEL  L 

UNGARISCHE  MARKTWEIBER.  UNVOLLENDETES  ÖLBILD.  WIEN,  OSKAR 

BONDY. 


TAFEL  LI 

UNGARISCHER  MARKT.  UNVOLLEITOETES  ÖLBILD.  WIEN,  HAUPTMANN 

FRANZ  ARTARIA. 


Winkel  mit  allerlei  Gerät.   (Motiv  aus  Riva.)   1886. 


Wien,  Eugen  Miller  v.   Aichholz. 


piert  worden.  Die  Notiz,  die  Pettenkofen  am  30.  April  1884  zu  Venedig  in  sein 
Tagebuch  schreibt  und  die  knapp  genug  „Alte  Gasse  in  Venedig"  lautet,  bezieht 
sich  anscheinend  darauf,    daß   ihm  damals   die  Idee   zu  dem  Bilde  gekommen  ist. 


221 


Gearbeitet  hat  er  viel  später  daran,  erst  im  Juni  1887,  wo  sich  im  Tagebuch  ein 
paar  Mal  die  Eintragung  findet:  „6  Uhr  früh.  Kleine  Gasse."  Auch  eine  Stelle  im 
Venezianer  Brief  vom  17.  März  an  Franz  Xaver  Mayer  hat  unzweifelhaft  die 
Malerei  am  „Rencontre"  im  Sinne.  Sie  lautet:  „Wohl  habe  ich  Freund  Müller 
gesagt,  daß  ich  Ende  Februar  in  Wien  sein  werde,  denn  ich  hatte  mich  damals, 
so  wie  es  meine  schwanke  Gesundheit  forderte,  in  zeitbeanspruchende  Arbeiten 
noch  nicht  eingelassen  und  an  das  mehr  vom  Momente  abhängende  Zeichnen  ge- 
halten, welches  für  mich  einen  doppelten  Wert  hat.  Weil  aber  um  diese  Zeit  das 
Wetter  so  lieblich  und  mild  wurde  und  der  günstige  Einfluß  auf  meine  Gesund- 
heit mich  ermutigte,  glaubte  ich  wieder,  den  Moment  benützen  zu  müssen  und 
zur  Palette  zu  greifen.  Aber  wenn  auch  in  allem  andern  der  Anfang  schwer  ist, 
so  ist  er  doch  in  der  Malerei  —  im  ,Bilderanfangen'  sehr  leicht  und  nur  das  Be- 
enden wird  oft  durch  die  Umstände  sehr  erschwert."  In  diesem  Falle  war  das 
Zuendeführen  so  schwer,  daß  es  in  weniger  als  einem  Jahre  von  des  Künstlers 
Tod  überholt  wurde.  Das  Bild  kam  nicht  mehr  fertig  aus  Pettenkofens  Hand  und 
wurde  erst  auf  der  Auktion  seines  Nachlasses  verkauft.  In  jener  Calle  arbeitend, 
soll  sich  Pettenkofen  die  Erkältung  zugezogen  haben,  der  er  später  erlegen  ist. 

Cecil  van  Haanen  erzählt  über  die  Entstehung  des  Bildes  folgendes:  Als  er  im 
Winter  1883  auf  -84  bei  zwei  Schwestern  namens  Raffaelli  mit  Pettenkofen  zu- 
sammen ein  Atelier  hatte,")  malte  er,  van  Haanen,  ein  Bild,  das  den  Blick  in  ein 
enges  venezianisches  Gäßchen  darstellt,  aus  dem  heraus  ein  altes  Weib  auf  eine 
jüngere  Frauensperson  schimpft,  während  vorne  eine  dritte,  einen  Kleiderklopfer 
in  der  Hand,  so  als  ob  sie  bereit  wäre,  damit  der  Gescholtenen  zu  Hilfe  zu  eilen, 
halben  Leibes  aus  einer  Tür  nach  den  hinten  Streitenden  späht.  Die  Photographie 
des  Bildes,  die  dem  Autor  1905  von  Herrn  van  Haanen  gezeigt  worden  ist,  weist 
eine  so  unverkennbare  und  so  unleugbare  Übereinstimmung  mit  dem  in  Rede 
stehenden  Gemälde  Pettenkofens  auf,  daß  Herrn  van  Haanens  Mitteilung,  Petten- 
kofen sei  durch  jene  streitenden  Weiber  zu  seinem  „Straßenkampf"  angeregt  worden 
und  habe  zu  dessen  Schauplatz  dieselbe  Calle  benützt,  unbedingt  Glauben  zu 
schenken  ist.  Wenn  es  erlaubt  ist.  Kleines  mit  Großem  zu  vergleichen,  so  hat 
Pettenkofen  den  von  Cecil  van  Haanen  heiter  gesehenen  Vorgang  ins  Ernste  über- 
tragen, ähnlich  wie  z.  B.  Richard  Wagner  durch  das  „übermütige"  Stück,  zu  dem 
sein  Freund  Karl  Ritter  die  Tristansage  verarbeiten  wollte,  zu  feiner  Tragödie  an- 
geregt worden  ist. ')  Abgesehen  von  allen  anderen  Unterschieden  hat  Pettenkofen 
den  Kampf  selbst,  einer  Gepflogenheit  entsprechend,  die  wir  schon  seit  der  ersten 
Hälfte  der  siebziger  Jahre  an  ihm  beobachten  und  die  ihn  einen  großen  leeren 
Vordergrund  bevorzugen  läßt,  weit  nach  hinten  verlegt  und  das  Kostüm  des 
XVIII.  Jahrhunderts  gewählt.  Lehrreich  für  Pettenkofens  Arbeitsweise  jener  späten 
Zeit  ist  eine  große  Photographie  bei  Franz  Xaver  Mayer,  die  den  Straßenkampf 
in  jener  Calle,  aufgeführt  von  kostümierten  Modellen  oder  Theater  Statisten,  zeigt. 
Auch  zu  diesem  Bilde,  das  Pettenkofen,  wie  gesagt,  nicht  mehr  beenden  sollte,  gibt 
es  eine  ganze  Menge  von  Studien  aller  Art.  Es  ist  die  letzte  Fassung  des  Duell- 
themas, das  Pettenkofen,  rechnet  man  die  humoristische  Lithographie  „Die  Be- 
denklichkeit" mit,  44  Jahre  hindurch,  läßt  man  sie  weg  und  beginnt  man  die  Reihe 


222 


--^ 


>t- 


Der  Jöchelsturm  in  Sterzing.  Leicht  lavierte  Kreidezeichnung. 


Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 


223 


seiner  Darstellungen  eines  Zweikampfes  mit  dem  Ölbild  „Der  Sieger"  vom  Jahre 
1853  in  Amsterdam,  länger  als  ein  Menschenleben  künstlerisch  beschäftigt  hat. 

Ist  schon  dieses  Bild  Pettenkofens  nicht  mehr  ganz  zu  Ende  geführt  gewesen, 
so  wird  vollends  der  Schluß  dieser  Pettenkofens  Gemälden  gewidmeten  Betrach- 
tungen in  der  Aufzählung  einer  Reihe  von  bloßen  Entwürfen  bestehen  müssen. 
Darf  es  einerseits  als  ausgemacht  gelten,  daß  einige  dieser  Kompositionsskizzen 
sowohl  der  ihnen  zugrunde  liegenden  Idee,  als  auch  der  Ausführung  nach,  die  sie 
schließlich  gefunden  haben,  in  frühere  Zeit  zurückreichen,  so  muß  anderseits  wieder 
betont  werden,  daß  sie  alle  für  den  Künstler,  der  so  streng  gegen  sich  und  so 
rasch  bereit  war,  eine  Arbeit,  die  ihn  nicht  mehr  befriedigte,  zu  zerstören,  noch 
am  Ende  seines  Lebens  eine  gewisse  Bedeutung  gehabt  haben  müssen,  sonst 
hätte  er,  der  seinen  Nachlaß  aufs  sorgfältigste  gesichtet  und  für  den  Verkauf  vor- 
bereitet hat,  sie  zweifellos  vernichtet;  schließlich  läßt  sich  für  einige  dieser  Ent- 
würfe mit  Bestimmtheit  feststellen,  daß  Pettenkofen  während  der  achtziger  Jahre 
an  ihnen  gearbeitet  hat. 

Es  seien  zuerst  die  Kostümbilder  angeführt.  Unter  diesen  ist  das  „Rokoko-Rendez- 
vous" besonders  interessant,  nicht  nur  weil  es  das  letzte  Stelldichein  ist,  das  Petten- 
kofen gemalt  hat,  sondern  vor  allem  darum,  weil  es  fast  ganz  nach  demselben 
Schema  komponiert  ist  wie  das  „Rencontre  in  einem  venezianischen  Gäßchen". 
Auch  auf  dem  „Rendezvous"  läuft  gerade  ins  Bild  hinein  der  Weg,  den  rechts  eine 
hohe  Gartenmauer  und  links  dicht  gepflanztes  und  streng  beschnittenes  Busch- 
werk begrenzt.  Befinden  sich  dort  die  Kämpfenden  im  Hintergrund,  so  ist  hier 
die  Dame,  die  sich  auf  den  verschiedenen  Fassungen  einmal  entfernt,  das  andere 
Mal  nähert,  tief  nach  hinten  gestellt.  Der  Figur  des  Mannes,  der,  den  Degen  in 
der  Hand,  aus  einer  Tür  links  nach  hinten  späht,  entspricht  der  Liebhaber,  der, 
die  Hand  an  der  Klinke  des  geöffneten  Gartenpförtchens,  vorgebeugt,  der  Ge- 
liebten hinten  nach-  oder  entgegensieht.  Das  große  Stück  Boden  zwischen  dem 
unteren  Bildrand  und  einerseits  der  Kämpfergruppe,  anderseits  der  Dame  hinten 
ist  durch  ein  Schoßhündchen  hier,  durch  weggeworfene  Mäntel  dort  belebt.  Das 
Kolorit  des  „Rendezvous"  scheint,  dem  freudigen  Vorgang  entsprechend,  heller 
und  bunter  als  das  des  „Rencontre"  geplant  gewesen  zu  sein.  Auf  der  dem  Autor 
allein  im  Original  bekannten  Ölstudie  aus  dem  Nachlaß  (heute  im  Besitz  des 
Grafen  Karl  Lanckoronski  von  Brzezie  in  Wien)  trägt  z.  B.  der  Kavalier  einen 
zinnoberroten  Frack. 

Von  all  den  hier  zu  besprechenden  Entwürfen  scheint  dieser  noch  am  meisten 
bildmäßige  Gestalt  angenommen  zu  haben.  Wenigstens  gibt  es  eine  in  Pastell  aus- 
geführte Fassung,  die  mit  dem  Monogramm  des  Künstlers  versehen  und  vom  Jahre 
1883  datiert  ist.  Auch  dieses  Thema  ist  von  Pettenkofen  in  zahlreichen  mehr  oder 
weniger  skizzenhaften  Arbeiten  abgewandelt  worden.  Unter  den  erhaltenen  Detail- 
studien dazu  sind  die  mit  schwarzer  Kreide  und  Rötel  flott  hingeworfenen  Figuren- 
zeichnungen hervorzuheben.  Am  30.  Dezember  1882  schreibt  Pettenkofen  zu  Paris 
in  sein  Tagebuch :  „Die  Zeichnungen  des  Liotard  im  Lou vre,  1738,  mit  Rotstift  und 
schwarz."  Es  ist  zweifellos,  daß  ihn  diese  Technik  des  alten  Meisters  dazu  angeregt 
hat,  jenes  Thema  aus  dessen  Zeit  auch  mit  dessen  Zeichenmaterial  zu  skizzieren. 


224 


TAFEL  LH 

GASSE  IN  RIVA.  KREIDEZEICHNUNG.    1886.   WIEN,   EUGEN   MILLER  V. 

AICHHOLZ. 


Werkstattinneres.  Sepiastudie. 


Wien,  Ludwig  Lobmeyr, 


Schließlich  sei  anläßlich  des  „Rendezvous"  noch  erwähnt,  daß  sich  dazu  auch 
eine  bloß  in  den  Umrissen  gehaltene  Pinselzeichnung  auf  Pauspapier  erhalten 
hat,  auf  der  die  wichtigsten  perspektivischen  Konstruktionslinien  eingetragen  sind. 
Perspektivische  Konstruktionen  sind  auch  für  den  „Straßenkampf"  und  die  „Vene- 
zianische Küche",  auf  deren  offenem  Herd,  eine  Milchschüssel  im  Schoß,  ein  kleines 
Mädchen  sitzt,  nachzuweisen.  Auch  sie  tun  aufs  überzeugendste  dar,  mit  welcher 
Sorgfalt  und  Gewissenhaftigkeit  Pettenkofen  noch  am  Schlüsse  seines  Lebens  seine 
Bilder  vorbereitet  hat. 

Andere  Entwürfe  zu  Kostümbildern  sind: 

„Der  Besiegte".  Dieses  Bild  war  gewissermaßen  als  das  Gegenstück  zu  dem  im 
Museum  Fodor  in  Amsterdam  gedacht.  Die  Skizze  zeigt  den  Unterlegenen,  der  die 
Hand  an  die  Wunde  preßt,  im  Vordergrund  niedergestürzt;  vor  ihm  auf  dem 
Boden  liegt  sein  Degen.  Hinten  entfernen  sich  der  Täter  und  sein  Begleiter  durch 
ein  Türchen  in  der  Stadtmauer.  Dieser  Entwurf,  der  seiner  Idee  nach  wahrschein- 
lich noch  dem  Beginn  der  fünfziger  Jahre  angehört,  hat  Pettenkofen  zweifellos 
noch  während  der  achtziger  Jahre  beschäftigt,  denn  die  Notiz:  „Nach  dem  Ren- 
contre.  Stadtmauer"  in  dem  schon  zitierten  aus  jener  letzten  Zeit  stammenden  kleinen 


225 


39 


Verzeichnis,  das  „Skizzen  und  angefangene  Bilder"  überschrieben  ist,  kann  auf  keinen 
anderen  Entwurf  gedeutet  werden.  —  Der  „Verwundete  in  der  Apotheke".  (So 
nennt  Pettenkofen  in  der  eben  angeführten  Liste  selbst  das  Bild  und  notiert  sich 
dazu  als  die  Zeit,  in  die  er  sich  die  Szene  verlegt  denkt,  das  XVI.  Jahrhundert.) 
Dem  Blessierten,  der,  den  Oberkörper  entblößt  und  nach  vorne  geneigt,  auf  einem 
Stuhl  sitzt,  wird  anscheinend  gerade  eine  Kugel  herausgeschnitten.  —  Altes  Weib, 
in  einer  Truhe  kramend.  Sie  kniet  und  ist  von  hinten  gesehen.  Das  Licht  fällt 
von  rechts  oben  ein.  Dieser  Entwurf  hat  in  dem  Ölbild  bei  Herrn  Professor  Anton 
von  Frisch  in  Wien,  das  1886  in  Venedig  gemalt  worden  ist,  einen  vorläufigen  Ab- 
schluß gefunden.  Pettenkofen  wollte  die  Alte  ursprünglich  in  Geschmeide  wühlen 
lassen,  auf  dem  das  höchste  Licht  ruhen  sollte.  Doch  ersparte  er  sich  schließlich 
diesen  Effekt.  Das  Bild  sollte  „in  der  Art  der  alten  Niederländer"  gemalt  werden. ') 
—  „Hehler  und  Dieb.  Dunkle  Spelunke."  So  in  jener  Liste.  Unter  den  Entwürfen 
selbst  findet  sich  nur  einer,  der  möglicherweise  auf  diesen  Titel  zu  beziehen  wäre 
und  der  zwei  Männer  in  der  Tracht  des  XVII.  Jahrhunderts  mit  Sachen  (Säcken, 
die  das  gestohlene  Gut  bergen  ?)  beschäftigt  zeigt ;  rechts  von  ihnen  steht  ein  dritter 
(der  Hehler?)  und  sieht  ihnen  zu.  —  „Der  Pardon.  Einzelner  Reiter,  Hintergrund 
Stadt.  XVIII.  Jahrhundert."  So  lautet  der  Passus  im  Verzeichnis.  Eine  Skizze  aus 
dem  Nachlaß  läßt  sich  kaum  damit  in  Verbindung  bringen. 

Andere  Entwürfe  gehören  insoferne  zusammen,  als  auf  ihnen  nackte  oder  halb- 
nackte Kinder  (meist  sind  es  Zigeunerjungen)  die  Hauptrolle  spielen.  Einmal  trinkt 
ein  Zigeunerbube,  der  auf  dem  Rücken  liegt  und  den  Kopf  zwischen  die  Hinter- 
beine einer  Ziege  gesteckt  hat,  aus  deren  Euter,  während  sein  Kamerad  rittlings 
auf  ihr  oben  sitzt.  Diese  Skizze  erinnert  mit  der  Urweltlichkeit  ihres  Themas  an 
verwandte  Kunstwerke  des  Altertums.  Ein  anderes  Mal  hat  ein  Zigeunerjunge  auf 
ein  Stäbchen,  das  er  in  der  Hand  hält,  eine  noch  lebende  Schlange  aufgespießt 
und  reizt  sie  mit  der  anderen  Hand.  Dann  wieder  läuft  einer,  mit  drei  einander 
bei  den  Händen  fassenden  Spielgefährten  als  dem  feurigsten  Gespann  durch  eine 
Schnur  verbunden,  über  die  Pußta.  Ludwig  Knaus  soll  diese  Skizze,  wie  Herr 
Eugen  Miller  von  Aichholz  erzählt,  in  Pettenkofens  Atelier  gesehen  und  darnach 
zu  dessen  größtem  Ärger  ein  süßliches  Bild  „Zigeunerfuhrwerk"  gemalt  haben. 
Dessen  Entstehungsjahr  1884")  gibt  nach  dieser  Mitteilung  einen  terminus  ante 
quem  für  Pettenkofens  Skizze  ab.  Endlich  ist  ein  Zigeunerjunge  in  einer  Schlucht 
(versetzte  man  die  Szene  nach  Szolnok,  so  könnte  man  nur  an  die  dort  hoch  und 
steil  abfallenden  Ufer  der  Theiß  denken)  abgestürzt,  ein  anderer  klettert  hurtig 
den  Abhang  herab,  jenem  zu  helfen. 

Fast  alle  diese  Entwürfe  sind  große,  ziemlich  furiose  Gouacheskizzen  in  Schwarz 
und  Weiß. 

Die  reichste  Komposition  aber,  mit  der  sich  Pettenkofen  während  der  achtziger 
Jahre  beschäftigt  hat,  ist  das  „Verbotene  Bad".  So  betitelt  er  in  dem  öfter  ge- 
nannten Verzeichnis  selbst  das  Bild.  Er  fügt  da  noch  folgende  erläuternde  Worte 
hinzu:  „Fluß.  Höheres  Ufer  an  einer  Mühle.  Steg  über  den  Fluß."  Zu  diesem  Bild, 
das  über  eine  große  Gouacheskizze  in  Clairobscur  bei  Herrn  von  Miller  nicht  hinaus- 
gediehen ist,  haben  sich  zahlreiche  höchst  flüchtige,  zum  Teil  geradezu  rätselhafte 


226 


Bleistiftentwürfe  erhalten.  Auf  Grund  von 
ihnen  allen  läßt  sich  der  Vorwurf  des 
Bildes  ungefähr  folgendermaßen  be- 
schreiben. Eine  Schar  von  Knaben  badet 
an  einer  Stelle  des  Flusses,  wo  das 
Baden  verboten  ist.  Vielleicht,  weil  das 
Wasser  hier  zu  tief  ist  oder  die  Gefahr 
besteht,  daß  ein  Badender  unter  das 
Mühlrad  gerät.  Als  sich  die  muntere  Ge- 
sellschaft eben  am  sorglosesten  ihrem 
nassen  Vergnügen  hingibt,  kommt  über 
den  nahen  Steg  der  zu  dieser  Zeit  durch- 
aus nicht  erwartete  gefürchtete  Herr 
Pfarrer.  Derjenige,  welcher  ihn  zuerst 
erblickt,  ruft  es  erschreckt  den  anderen 
zu,  und  nun  trachtet  alles  über  Hals  und 
Kopf  ans  Ufer  zu  gelangen.  Man  schwimmt, 
watet  und  läuft,  stößt  und  wird  gestoßen, 
plantscht  und  purzelt,  greift  nach  den 
Kleidern,  versucht  in  sie  hineinzu- 
schlüpfen. 

Natürlich  ist  der  Vorgang  hier  poin- 
tierter dargestellt,  als  er  auf  Pettenkofens 

Bild  zu  sehen  gewesen  wäre.  Den  Pfarrer  hätte  er  sicher  ganz  in  den  Hintergrund 
geschoben,  schließlich  vielleicht  gar  nicht  gezeigt.  Sein  Thema  wäre  eine  Menge 
aufs  mannigfaltigste  bewegter  Knabenkörper  gewesen,  malerisch  zusammengehalten 
durch  das  Spiel  des  Sommersonnenlichtes  auf  dem  Wasser  und  den  nassen  Lei- 
bern. Ins  Jugendlichere  und  Heitere  übertragen  wäre  das  Bild  etwas  dem  Karton 
Michelangelos  „Das  Treffen  bei  Cascina"  Verwandtes  gewesen.  Nur  hätte  Petten- 
kofen  sicherlich  die  Aufgabe  malerisch  und  nicht,  wie  es  der  große  Florentiner 
getan  hat,  zeichnerisch  zu  lösen  versucht.  Dieses  für  Pettenkofen  im  Grunde  ge- 
nommen recht  befremdliche  Sujet  ist  unzweifelhaft  eine  Frucht  der  Aktstudien,  die 
er  zeitlebens  aufs  eifrigste  betrieben  hat. 

Die  Reihe  der  Entwürfe  sei  mit  zweien  beschlossen,  deren  einer  offenbar  auf 
Neapel  zurückgeht  und  daher  wenigstens  dem  Gedanken  nach  1873  entstanden 
sein  wird,  während  vermutlich  zu  dem  anderen  ein  in  Südtirol  geschautes  Motiv 
die  Anregung  gegeben  hat.  Dieser  wird  von  Pettenkofen  selbst  in  der  Liste  der 
„Skizzen  und  angefangenen  Bilder"  folgendermaßen  beschrieben:  „Junge  Mädchen 
hinter  einer  Gartenplanke.  Langformat,  die  Köpfe  8  cm  groß."  Der  auf  braun- 
gelbem Grund  mit  dunkelbraunem  und  weißem  Pinsel  ganz  flüchtig  hingemalten 
großen  Skizze  ist  zu  entnehmen,  daß  das  kleinere  Mädchen  dem  größeren,  das 
einen  Sonnenschirm  hat,  in  dem  Garten,  aus  dem  hohe  Malven  aufragen,  etwas 
zeigt.  —  Die  andere  Bildidee  läßt  sich  nach  den  drei  Fassungen,  in  denen  sie  vor- 
liegt,   als    folgende   Szene    verstehen:    Ein    Mädchen    diktiert    einem   öffentlichen 


Marktweib.  Federstudie. 
Wien,  K.  k.  Österreichische  Staatsgalerie. 


227 


»9* 


Schreiber,  der  sein  Tischchen  an  der  Säule  irgend  eines  Palazzo  aufgestellt  hat, 
einen  Brief  in  die  Feder,  — 

War  bisher  von  Bildern  die  Rede,  deren  Komposition  vom  Künstler  nicht  zu 
Ende  gedacht  wurde,  geschweige  denn,  daß  ihre  Ausführung  abgeschlossen  wäre, 
so  sollen  nun  Zeichnungen  betrachtet  werden,  die  er  selbst  in  diesem  wie  in  jenem 
Sinne  für  vollendet  gehalten  hat. 

Pettenkofen  hat  während  der  achtziger  Jahre  mehr  denn  je  gezeichnet  und,  was 
er  da  gemacht  hat,  übertrifft  an  künstlerischer  Bedeutung  weitaus  alle  seine 
früheren  Zeichnungen. 

Am  27.  Jänner  1886  verkauft  Pettenkofen  nicht  weniger  als  133  Zeichnungen 
an  Ludwig  Lobmeyr.  Sie  dürften  der  großen  Mehrzahl  nach  in  den  Sommern  der 
Jahre  1884  und  -85  in  Tirol  entstanden  sein.  Manches  geht  aber  auch  auf  irgend 
eine  kleine  Stadt  der  Terra  ferma,  vieles  auf  Venedig  zurück.  Das  Figurale  tritt  auf 
diesen  Blättern  zurück,  Innenräume,  Landschaften,  Veduten  aus  Dörfern  und  Städt- 
chen überwiegen.  Die  Technik  ist  ungemein  mannigfaltig,  ersichtlich  durch  ein 
ausgebreitetes  und  eindringliches  Studium  der  Handzeichnungen  der  alten  Meister 
angeregt.  Eine  bloß  mit  dem  Sepiapinsel  meisterhaft  hingeworfene  Zeichnung  wie 
die  „Werkstatt"  bei  Ludwig  Lobmeyr  oder  die  aus  dem  Nachlaß  stammende  mit 
rascher  sicherer  Kraft  geschaffene  Federzeichnung  eines  die  Hände  in  die  Hüften 
stemmenden  dicken  Höckerweibes  in  der  Österreichischen  Staatsgalerie  verraten 
die  innigste  Vertrautheit  mit  Rembrandts  Zeichenstil. 

Von  Zeichnungen  dieser  Art  aber,  die  nicht  Selbstzweck,  sondern  Mittel  zum 
Zwecke,  Studien  zu  Bildern  sind,  unterscheiden  sich  prinzipiell  diejenigen  großen 
Kreidezeichnungen,  die  Pettenkofen  1886  größtenteils  in  Riva,  aber  auch  in  Bozen, 
Sterzing  und  Venedig  geschaffen  hat.  Aus  Pettenkofens  Nachlaß  hat  sich  ein  Ver- 
zeichnis erhalten,  das  den  Titel  „Kreidezeichnungen"  führt  und  nicht  weniger  als 
92  Nummern  umfaßt.  Trotz  des  Titels  findet  sich  hie  und  da  eine  andere  Technik 
vermerkt,  z.  B.  Bleistift  oder  Kohle  oder  Tusche,  die  überwiegende  Mehrzahl  aber 
ist  mit  schwarzer  Kreide  gezeichnet.  Dieser,  im  Anhang  mitgeteilten  Liste  kommt 
darum  ein  besonderer  Wert  zu,  weil  Pettenkofen  ihre  Nummern  mit  Rötel  auf  die 
einzelnen  Blätter  geschrieben  hat  und  sich  viele  von  ihnen  auf  diese  Weise  lokali- 
sieren und  mit  weiterer  Hilfe  des  Itinerars  auch  genauer  datieren  lassen.  Die 
meisten  und  besten  dieser  Zeichnungen  besitzt  Herr  Eugen  Miller  von  Aichholz. 
Pettenkofen  wollte  ursprünglich  eine  Auswahl  der  besten  der  Albertina  verkaufen. 
Bedauerlicherweise  soll  aber  die  Summe,  die  er  dafür  begehrte,  dem  Institut  zu 
hoch  gewesen  sein.")  Am  9.  Dezember  1887  verkaufte  er  61  Stück  dieser  Zeich- 
nungen um  6000  Gulden  Herrn  Eugen  Miller  von  Aichholz.  Dieser  erzählt,  daß 
ihm  der  Künstler  die  Blätter  besonders  ans  Herz  gelegt  habe,  als  das  Beste,  was 
er  geschaffen  hätte.  Tatsächlich  sind  alle  diese  Zeichnungen  von  einer  bewunderns- 
werten Freiheit  der  Darstellung.  Was  an  ihnen  am  meisten  imponiert,  ist  die  sou- 
veräne Beherrschung  der  künstlerischen  Ausdrucksmittel.  Von  ihrer  Großzügigkeit 
geben  die  drei  hier  erheblich  verkleinert  reproduzierten  Blätter  (Das  Gäßchen  mit 
dem  Ochsenwagen  in  Riva,  der  Winkel  mit  allerlei  Gerät  ebendort,  der  Jöchels- 
turm  in  Sterzing,  alle  drei  Zeichnungen  im  Besitz  des  Herrn  von  Miller)  nur  eine 


228 


Gil    Blas'   Onkel,    der    Canonicus    Gil    Perez,    lehrt    ihn    lesen. 
Sepiaskizze.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 


schwache  Vorstellung.  Die  Themen 
sind  z.  B.  eine  Schmiede  in  Bozen; 
Gassen,  ein  Platz,  eine  Küche,  ein 
Bauernhof,  Bauerngerätschaften  in  Riva ; 
Dorfhäuser,  ein  altes  Herrenhaus  in 
Sterzing;  eine  Klempner  Werkstatt,  Auf- 
nahmen von  der  Straße,  aus  dem  Kaffee- 
haus, aus  einer  Bibliothek  in  Venedig; 
Innenräume  aus  Tiroler  Bauernhäusern ; 
verschiedene  Ansichten  aus  einem  nicht 
näher  bezeichneten  Kapuzin  er  kloster; 
eine  Gartenecke;  ein  nähendes  Mäd- 
chen, ein  Bauernschuster  in  Riva;  Köpfe 
und  Halbfiguren  einer  alten  Veneziane- 
rin, eines  alten  Venezianers,  venezia- 
nischer Kinder.  — 

Pettenkofens  merkwürdigste  Zeich- 
nungen aus  den  achtziger  Jahren  aber, 
vielleicht  überhaupt  die  merkwürdigsten  Arbeiten,  die  er  während  dieser  Zeit  ge- 
schaffen hat,  sind  seine  Entwürfe  zu  Illustrationen  für  Lesages  berühmte  „Ge- 
schichte des  Gil  Blas  von  Santillana". 

Über  die  Entstehungszeit  dieser  Blätter  sei  gleich  hier  bemerkt,  daß  Herr  Maler 
Theodor  Ethofer  ausdrücklich  mitteilt,  daß  Pettenkofen  bereits  1873  an  den  Abenden 
in  Neapel  an  ihnen  gearbeitet  habe.  Sämtliche  auf  diese  Illustrationen  bezüglichen 
Notizen,  die  sich  aus  dem  Nachlaß  erhalten  haben,  gehören  jedoch  den  achtziger 
Jahren  an.  Die  Skizzen  stellen  daher  eine  Arbeit  dar,  die  in  ihren  Anfängen  be- 
reits auf  das  Weltausstellungsjahr  zurückgeht,  mit  der  sich  Pettenkofen  aber  — 
vielleicht  nach  jahrelanger  Unterbrechung  —  erst  in  den  achtziger  Jahren  intensiv 
beschäftigt  hat. 

Die  beträchtliche  Anzahl  der  Blätter  macht  eine  sich  über  mehrere  Jahre  er- 
streckende Arbeitsfrist  von  vorneherein  wahrscheinlich.  Noch  auf  der  Nachlaß- 
auktion bei  Miethke  waren  in  zwei  Mappen  147  Zeichnungen  vorhanden.  Sie  ver- 
blieben vorerst  Miethke,  von  dem  sie  später  Herr  Eugen  Miller  von  Aichholz 
kaufte.  Dieser  aber  besitzt  sie  leider  nicht  mehr  ganz  vollzählig.  Zu  den  im  Katalog 
der  Nachlaßauktion  verzeichneten  147  Stück  kommen  noch  etliche  andere  hinzu, 
die  freilich  so  flüchtig  sind,  daß  sie  sich  nur  kaum  mehr  entziffern  lassen.  Sie  finden 
sich  verstreut  unter  den  noch  bei  den  Damen  Müller  erhaltenen  Resten  von 
Pettenkofens  künstlerischem  Nachlaß. 

Die  von  Pettenkofen  unter  dem  Schlagwort  „Gil  Blas"  zusammengelegten  Blätter 
sind  zwar  zum  weitaus  größten  Teil  Illustrationsentwürfe  im  eigentlichen  Sinne, 
etliche  aber  sind  Naturstudien,  die  ursprünglich  nicht  im  Hinblick  auf  Lesages 
Roman  geschaffen  sind.  So  finden  sich  unter  jenen  Zeichnungen  auch  Landschafts- 
studien, Veduten  aus  alten  italienischen  Städtchen,  rasch  festgehaltene  Innenräume 
und  Gerätschaften  aus  dem  XVII.  Jahrhundert   oder   einer   noch   früheren  Epoche, 


229 


alles  Arbeiten,    die    von    dem  Künstler    erst   nachträglich   als   vielleicht   für  jenen 
Illustrationszweck  verwendbar  erkannt  wurden. 

Wie  der  Grad  der  Ausführung  der  einzelnen  Zeichnungen  verschieden  ist,  so 
abwechslungsreich  ist  auch  ihre  Technik.  AUerflüchtigste,  kaum  mehr  zu  ent- 
rätselnde Notizen  liegen  neben  Zeichnungen,  die  trotz  aller  Frische  und  Unbe- 
kümmertheit dennoch  alle  Absichten  des  Künstlers  bereits  vollständig  erkennen 
lassen.  Bleistift,  Feder  und  Pinsel  wechseln  entweder  ab  oder  treten  vereinigt  auf. 
Sepia  und  Tusche  sind  häufig  mit  Weiß  gehöht. 

Eine  Szene,  eine  Figur,  die  bestimmte  Geste  einer  solchen,  möchte  man  sagen, 
findet  sich  oft  und  oft  wiederholt.  Aber  nicht  bloß  daraus  läßt  sich  schließen, 
daß  in  den  erhaltenen  Zeichnungen  nichts  Endgültiges  vorliegt.  Es  ist  viel- 
mehr selbst  keine  der  am  meisten  ausgeführten  von  ihnen  so  weit  gediehen,  daß 
sie  —  in  Pettenkofens  Sinne  wenigstens  —  reproduktionsreif  wäre.  Das  ist  jammer- 
schade, weil  die  Skizzen  schon  so,  wie  sie  auf  uns  gekommen  sind,  wirklich  etwas 
Ausgezeichnetes  darstellen.  Man  möchte  glauben,  daß  die  fertigen  Illustrationen 
etwas  geworden  wären,  was  den  Vergleich  mit  den  entsprechenden  Arbeiten 
Menzels  nicht  hätte  zu  scheuen  brauchen.  Muß  man  einerseits  an  den  Zeichnungen 
bewundern,  wie  vorzüglich  trotz  der  durchgängigen  Flüchtigkeit,  die  ja  niemals 
ein  Detail  näher  ausführt,  dennoch  der  Charakter  des  XVII.  Jahrhunderts  getroffen 
ist,  so  ist  man  anderseits  davon  überrascht,  daß  Pettenkofen,  den  man  seit  dem 
Beginn  der  fünfziger  Jahre  als  Naturalisten  strenger  Observanz  kennt,  der  nichts 
darstellt,  was  er  nicht  selbst  gesehen  hat,  daß  Pettenkofen  „inwendig  so  voller 
Figur"  ist.  Das  alte  Wort  von  der  Rückkehr  zur  ersten  Liebe  bewahrheitet  sich 
auch  in  diesem  Fall:  Pettenkofen  nimmt  am  Ende  seines  Lebens  das  wieder  auf, 
was  er  in  seiner  ersten  künstlerischen  Periode  im  Vormärz,  vornehmlich  als  Litho- 
graph, so  eifrig  und  erfolgreich  gepflegt  hat:  er  fängt  wieder  zu  erfinden,  zu  er- 
zählen an,  er  wendet  sich  wieder  der  Illustration,  der  Schwarz -Weiß -Kunst  zu. 

Wie  sich  Pettenkofen  die  Vervielfältigung  seiner  Zeichnungen  gedacht  hat, 
dafür  findet  sich  freilich  im  Nachlaß  keinerlei  Anhaltspunkt.  Doch  kann  kein 
Zweifel  darüber  bestehen,  daß  er  den  Holzschnitt  im  Auge  gehabt  hat,  der  ja  in 
den  siebziger  und  achtziger  Jahren  sowohl  als  „Facsimile-"  als  auch  als  „Ton- 
holzschnitt" —  wenn  man  sich  schon  diese  nicht  sehr  klare  Unterscheidung  zu 
eigen  macht  —  eine  nicht  mehr  zu  übertreffende  Höhe  der  Vollendung  erreicht 
hatte.  Vielleicht  dachte  Pettenkofen  daran,  das  zu  tun,  wozu  sich  1876-77  sogar 
Menzel  bei  seinen  ausgezeichneten  Illustrationen  zu  Heinrich  von  Kleists  „Zer- 
brochenem Krug"  bereit  gefunden  hatte,  nämlich  nicht  auf  Holz  zu  zeichnen,  sondern 
seine  Zeichnungen  auf  photographischem  Wege  auf  die  Holzstöcke  übertragen  und 
dann  schneiden  zu  lassen. 

Wie  er  sich  das  Werk  als  Ganzes  ungefähr  vorgestellt  hat,  das  erfährt  man 
aus  einer  ebenso  wichtigen  wie  interessanten  Notiz,  die  sich  glücklicherweise  aus 
dem  Nachlaß  erhalten  hat.  Sie  lautet:  „G[il]  Blas.'O  Porträt  Lesage.  Pr6face.  Recht- 
fertigung. I.  Band.  [Das  soll  wohl  heißen:  ein  Band.]  Orvieto  (oben).  fSo  steht 
deutlich  auf  dem  Zettel.  Das  ist  aber  offenbar  nichts  anderes  als  eine  Verschreibung 
für  Oviedo,  jenen  Ort,    an    den    die  Eltern    des  Gil  Blas  von  Santillana   aus  über- 

230 


Weißgehöhte  Sepiaskizze  zum  „Gil  Blas". 


Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 


siedelten.  Pettenkofen  wollte  augenscheinlich  den  eigentlichen  Text  des  Buches  mit 
einer  Ansicht  Oviedos  als  oberer  Randleiste  eröffnen.]  Die  Eltern.  G.  Blas  fängt 
seine  Geschichte  an.  Initialen.  (Karte  von  Spanien.  Spanischer  Geschichtsauszug  in 
der  Zeit  des  Gil  Blas-Ronian[es].  Historische  Porträte.  Städteansichten  in  alter 
Zeit.)  Sprache  französisch?  (Breitfolio,  klein.)  Die  Illustrationen  zum  G.  Blas  sollen 
den  Bilderreichtum  des  Le  Sageschen  Romans  nur  benutzen,  um  ein  selbständiges 
Kulturbild  während  der  Dauer  der  Erzählung  dar[zu]stellen,  und  das  Verständnis 
der  Bilder  soll  nicht  von  der  Kenntnis  des  Textes  allein  abhängen.  Jedes  Bild  soll 
ein  Zeitbild  für  sich  allein  geben  und  als  solches  verstanden  werden  können." 

Trotz  ihrer  Dürftigkeit  gibt  diese  Notiz  immerhin  einigen  beachtenswerten  Auf- 
schluß. Vor  allem  über  die  ernste,  gediegene  Art,  wie  sich  Pettenkofen  die  künst- 
lerische Behandlung  gedacht  hat.  Aus  dem  Worte  „Oviedo"  allein  wäre  bereits 
der  Schluß  zu  ziehen,  daß  er  die  Absicht  hatte,  die  Gegenden,  in  denen  der  Roman 
spielt,  persönlich  aufzusuchen  und  dort  an  Ort  und  Stelle  zu  zeichnen.  Tatsächlich 
wird  sein  Plan  einer  Reise  nach  Spanien,  die  er  einmal  in  Gesellschaft  des  Redak- 
teurs Dr.  Wilhelm  Lauser  unternehmen  wollte,  auch  sonst  bestätigt,  z.  B.  durch 
die  Schwestern  Müller,  Charles  Sedelmeyer  und  eine  aus  dem  Nachlaß  erhaltene 
Aufzeichnung,  die  besagt,  daß  er  sich  einmal  auch  einen  Kreditbrief  an  den  Credit 
Lyonnais,  Agence  de  Madrid,  hat  anweisen  lassen.  Von  wann  diese  Eintragung 
stammt,  läßt  sich  nicht  mehr  feststellen.  Die  Reise  wird  wohl  hauptsächlich  infolge 
von  Pettenkofens  Kränklichkeit  unterblieben  sein. 


231 


Auf  welche  Weise  er  zu  dieser  Illustrationsarbeit  die  bildende  Kunst  des 
XVII.  Jahrhunderts  heranziehen  wollte,  lehrt  der  allerdings  ganz  flüchtige  Entwurf 
des  Titelblattes.  Darauf  findet  sich  der  Hinweis  auf  eine  Zeichnung  des  gebürtigen 
Straßburgers  und  nachmaligen  Wiener  Hofmalers  Wilhelm  Baur  (1600-1640)  in 
der  Albertina.  Aus  dem  Vergleich  von  Baurs  Sepiazeichnung  mit  Pettenkofens 
Bleistiftskizze  geht  deutlich  hervor,  daß  jene  die  Anregung  zu  dieser  gegeben  hat. 
Nur  gedachte  Pettenkofen,  die  beiden  oberhalb  des  Medaillons,  das  bei  ihm  den 
Titel  enthalten  sollte,  sitzenden  männlichen  Figuren,  die  Baur  nur  zu  einem  deko- 
rativen Zweck  verwendet,  in  die  Gestalten  der  Wahrheit  und  der  Satire  umzu- 
wandeln. Dagegen  wollte  er  anscheinend  die  Gruppe  des  Zeichners  und  der  ihm 
zusehenden  Personen  unten,  natürlich  entsprechend  verändert,  sogar  bis  auf  den 
am  Boden  liegenden  Hut  von  dem  alten  Meister  übernehmen. 

Was  Pettenkofen  zuerst  am  „Gil  Blas"  angezogen  hat,  ist  sicherlich  das,  was 
alle  Leser  an  diesem  Roman  fesselt:  die  mannigfaltige  Fülle  des  Inhalts,  die  ebenso 
geistreiche  wie  anmutige  Form  der  Darstellung,  der  überlegene  Humor  und  die 
tiefe  Menschenkenntnis  des  Autors.  Der  Künstler  Pettenkofen  wird  an  dem  Buch 
die  bunt  und  lebhaft  bewegte,  schier  unerschöpflich  reiche  äußere  Handlung  und 
das  Milieu  des  XVII.  Jahrhunderts,  das  ihm  als  die  Zeit  der  großen  niederländischen 
und  spanischen  Maler  besonders  ans  Herz  gewachsen  war,  geschätzt,  der  Mensch 
endlich,  der  von  einem  Arzt  zum  andern  lief  und  unaufhörlich  an  sich  selbst  und 
andern  herumdokterte,  wird  sein  herzlichstes  Behagen  an  der  köstlichen  Ver- 
spottung des  Ärztestandes  gefunden  haben,  dem  bekanntlich  gar  viele  Pfeile  von 
Lesages  Satire  gelten. 

Am  31.  Oktober  1888  deponiert  Pettenkofen  im  Hotel  „Schwarzer  Greif"  zu 
Bozen  außer  einer  römischen  Geschichte  des  Tacitus  und  einem  Reisehandbuch 
für  Nordfrankreich  und  die  Niederlande  auch  ein  Exemplar  des  „Gil  Blas".  Seine 
oben  mitgeteilte  schriftliche  Aufzeichnung  über  den  „Gil  Blas"  gehört,  da  sie  sich 
in  dem  vom  6.  November  bis  zum  10.  Dezember  1888  reichenden  Notizbuch  findet, 
dem  Spätherbst  dieses  Jahres  an.  Am  16.  November  1888  notiert  er  sich  in  Venedig 
eine  von  Philippoteaux  und  Pellicer  illustrierte  italienische  Ausgabe  des  „Gil  Blas"; 
sie  ist  1885  in  Mailand  gedruckt  und  hat  sich  neben  einer  hundert  Jahre  vorher 
in  Berlin  erschienenen  deutschen,  die  mit  Kupfern  Chodowieckis  geschmückt  ist, 
aus  dem  Nachlaß  im  Besitz  der  Damen  Müller  erhalten.  Daten  über  Philipp  IV. 
und  Lesage  müssen,  da  sie  in  dem  die  Tage  vom  6.  November  1888  bis  zum 
6.  März  1889  umfassenden  Notizbuch  vorkommen,  gar  erst  während  dieser  Zeit  ver- 
merkt worden  sein.  Daraus  geht  deutlich  genug  hervor,  daß  die  Illustrationen  zum 
„Gil  Blas"  Pettenkofen  bis  in  die  allerletzte  Zeit  seines  Lebens  beschäftigt  haben.  — 

Da  die  Entwürfe  der  Illustrationen  zum  „Gil  Blas"  die  letzte  Arbeit  Petten- 
kofens sind,  die  im  Verlauf  dieser  Darstellung  betrachtet  wird,  so  bietet  sich  zu 
einem  Versuch,  seine  gesamte  künstlerische  Tätigkeit  nochmals  und  im  Zusammen- 
hang rasch  zu  überblicken  und  ihm  eine  Stelle  in  der  bildenden  Kunst  seiner  Zeit 
anzuweisen,  wohl  hier  die  beste  Gelegenheit, 

Was   er   als   Lithograph   geleistet   hat,   kann   hier   füglich   außer   Acht   gelassen 


232 


werden,  hat  es  doch  bereits  im 
ersten  Kapitel  eine  eingehende 
Würdigung  gefunden.  Hier  sei 
nur  als  Auszug  des  Ergebnisses 
der  dort  angestellten  Betrach- 
tungen wiederholt,  daß  Petten- 
kofen  unter  den  Wiener  Litho- 
graphen der  ersten  Hälfte  des 
XIX.  Jahrhunderts,  denen  im 
Range  nur  die  gleichzeitigen 
Franzosen  vorangehen,  ein  erster 
Platz  gebührt.  Auf  einen  solchen 
hat  er  auch  als  Wiener  Genre- 
maler des  Vormärz  wohlbegrün- 
deten Anspruch.  Seine  Spezialität 
als  solcher  sind  Szenen  aus  dem 
zeitgenössischen  Soldaten-  und 
Kriegsleben.  Als  Porträtist  be- 
tätigt er  sich  eigentlich  nur 
während  jener  frühen  Periode, 
es  ragen  aber  seine  Leistungen 
über  das  allgemeine,  freilich  auf- 
fallend hohe  Niveau  dessen,  was 
damals  in  Wien  auf  diesem  Ge- 
biete geleistet  wurde,  nicht  allzu 
sehr  hervor,  und  als  Porträtmaler 
wird  er  von  manchem  seiner 
Wiener  Zeitgenossen,  es  seien 
nur  Waldmüller,  Amerling,  Kriehuber,  Daffinger  genannt,  übertroffen.  Der  Landschaft 
schenkt  er  dazumal  noch  geringe  Beachtung.  Die  rechtzeitige  Bekanntschaft  mit 
Werken  der  großen  französischen  Meister  seiner  Zeit  bewahrt  ihn  davor,  in  Manier 
zu  versinken,  eine  Gefahr,  welche  auf  gewissen  Ölbildern  und  besonders  Aqua- 
rellen vom  allerersten  Anfang  der  fünfziger  Jahre  deutlich  genug  zu  erkennen  ist. 
Zugleich  führt  ihn  sein  Stern  in  das  Herz  Ungarns  und  lehrt  ihn  in  der  Puszta 
und  deren  Bewohnern  eine  Fundgrube  von  Motiven  kennen,  die  er,  sowohl  was 
das  Gegenständliche,  als  auch  was  dessen  künstlerische  Auffassung  und  Dar- 
stellung betrifft,  von  nun  an  bis  zu  seinem  Lebensende  zu  erschöpfen  trachtet. 
Durch  seine  Szolnoker  Bilder  macht  er  sich  und  Ungarn  berühmt.  Von  der  gemalten 
Anekdote  geht  er  zum  Zustandsbild  über,  Menschen  und  Tiere  hält  er  nunmehr 
in  der  Ruhe  fest,  der  Landschaft  fällt  von  jetzt  an  auf  seinen  Bildern  eine  immer 
größere  Rolle  zu.  Besonderes  Interesse  wendet  er  dem  Szolnoker  Marktgetriebe, 
den  dürftig  aussehenden  und  doch  so  zähen  ungarischen  Steppenpferden  und  den 
Zigeunern  zu.  Infolge  der  ununterbrochenen  Fühlung,  in  der  er  mit  den  gleich- 
zeitigen führenden  Pariser  Meistern  steht,  gelingt  es  ihm,  sich  in  Stil  und  Technik 


Der  Mohr  Domingo  überrascht  Gil  Blas  beim  Fluchtversuch.  Weißgehöhte 
Tuscheskizze.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 


233 


30 


stets  auf  der  Höhe  der  Zeit  zu  erhalten.  Schulte  er  sich  aber  an  den  Franzosen 
—  zuerst  etwa  an  Meissonier,  Decamps  und  einigen  Meistern  von  Barbizon, 
später  wohl  auch  an  den  Pleinairisten  und  Impressionisten  — ,  so  ahmt  er  sie  doch 
niemals  sklavisch  nach.  So  vielseitig  und  so  verwandlungsfähig  er  nämlich  auch 
ist,  so  weiß  er  sich  doch  immer  seine  Persönlichkeit  zu  bewahren.  Wie  mit  dem 
Spanier  Fortuny  und  dem  Italiener  Favretto,  so  wird  er  auch  mit  manchem  fran- 
zösischen Künstler  in  verwandtem  Streben  zusammengetroffen  sein.  Ist  er  einerseits 
der  Entwicklung  gefolgt,  so  war  er  anderseits  zweifellos  auch  eine  der  Kräfte,  die  sie 
bewirkt  haben  —  wenn  auch  keine  jener  elementaren,  die  Bahn  brechen  und  die  andern 
mit  sich  fortreißen.  Immer  ein  tüchtiger  Zeichner,  war  er  doch  vom  Anfang  an 
vornehmlich  eine  koloristische  Begabung.  Von  etwas  harter  und  kühler  Buntheit 
geht  er  in  seinen  Bildern  zu  warmer  Tonigkeit  über,  und  schließlich  verleiht  ihnen 
eine  flott  und  sicher  hingesetzte  Fleckigkeit  vibrierendes  Leben.  Bevorzugt  er  zu- 
erst die  kühnen  Formen  windbewegter  Wolken  und  starke  Gegensätze  von  Licht 
und  Schatten,  so  liebt  er  später  die  flimmernde,  staub-  und  dunstdurchsetzte  Atmo- 
sphäre sonniger  Sommertage,  die  den  Dingen  Distanz  gibt  und  ihre  Farben  und 
Umrisse  verschwimmen  läßt.  Anfänglich  sind  ihm  bei  seinen  Marktdarstellungen 
die  einzelnen  Figuren  und  Sachen  das  Wichtigste  und  er  malt  jede  Kleinigkeit  so 
treu  als  möglich,  schließlich  aber  gibt  er  das  aus  einiger  Entfernung  gesehene 
Marktgewühl  als  unruhiges  Ganzes  wieder,  dessen  Einzelheiten  in  Form  und  Farbe 
der  Blick  nicht  festzuhalten  vermag.  Was  im  Detail  verloren  geht,  z.  B.  die  Dar- 
stellung eines  Gesichtsausdruckes  (man  erinnere  sich  etwa  der  ausgezeichnet 
gemalten  schmerzverzerrten  Antlitze  auf  dem  „Verwundetentransport"),  wird  an 
Überzeugungskraft  der  Gesamterscheinung  gewonnen.  Der  Stil  der  Fernsichtigkeit 
überwindet  den  der  Nahsichtigkeit,  und  mit  einer  neuen  Auffassung  geht  eine  neue 
Technik  Hand  in  Hand.  In  Pettenkofens  Technik  gibt  es  große  Abwechslung.  Zu 
Zeiten  herrscht  das  Ölbild,  dann  wieder  das  Aquarell,  schließlich  die  Zeichnung 
vor.  Gouache  und  Pastell  werden  gepflegt,  die  Zeichnung  erfährt  in  Anlehnung  an 
die  alten  Meister  alle  erdenklichen  Wandlungen.  Pettenkofen  verschmäht  es  nicht, 
sich  eines  so  wichtigen  Hilfsmittels  zu  bedienen,  wie  es  für  den  bildenden  Künstler 
die  Photographie  ist.  Gleich  Meissonier  und  Menzel,  nur  natürlich  in  viel  beschei- 
denerem Maße,  arbeitet  auch  er  mit  alten  Kostümen,  sowohl  echten  als  auch  vom 
Theaterschneider  angefertigten,  und  studiert  auch  er  aufs  sorgfältigste  die  einschlä- 
gigen Werke  der  alten  Meister.  Während  des  letzten  Drittels  seines  Lebens  liefern 
ihm  außer  Ungarn  noch  Neapel  und  Venedig  und  die  österreichischen  Alpenländer, 
denen  er  auch  schon  früher  dann  und  wann  einmal  einen  Vorwurf  entlehnt  hat, 
Motive.  Was  Pettenkofen  während  der  achtziger  Jahre  geschaffen  hat,  braucht  hier, 
als  in  diesem  Kapitel  bereits  ausführlich  behandelt,  natürlich  nicht  mehr  erwähnt 
zu  werden:  die  Kostüm-  und  Genrebilder,  die  größtenteils  auf  Tirol  zurückgehenden 
Kreidezeichnungen,  die  Handwerker-  und  Architekturdarstellungen,  die  Entwürfe 
zu  Illustrationen  des  „Gil  Blas".  — 

Da  Pettenkofen  bis  an  sein  Lebensende  keine  Mühe  scheut,  sich  in  seiner  Kunst 
zu  vervollkommnen,  überhaupt  rastlos  tätig  und  außerdem  der  strengste  Kritiker 
seiner  selbst  ist,  so  gibt  er   kaum  jemals   ein  Werk   aus  der  Hand,  das  ihn  nicht 

234 


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Gil  Blas  sieht  zum  erstenmal  Laura,  die  Zofe  der  Schauspielerin  Arsenia.  Weißgehöhte  Tuscheskizze. 

Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 

auf  der  Höhe  seines  Könnens  zeigte,  und  nur  selten  wagt  er  sich  an  Aufgaben, 
denen  er  nicht  gewachsen  ist.  Seinen  Arbeiten  ist  vielmehr  bis  zuletzt  ein  stetiger 
Fortschritt  anzumerken.  Er  ist  nicht  taub  für  die  Rufe  seiner  Zeit,  aber  er  verkauft 
sich  nie  an  die  jeweils  herrschende  Mode  oder  Gewinstes  halber.  Wie  als  Mensch 
ist  er  auch  als  Künstler  vornehm  und  lauter.  Mit  dem  Besten  aus  der  Kunst  der 
Vergangenheit  und  der  Gegenwart  vertraut,  mit  auserlesenem  Geschmack  und  einer 
scharfen  Urteilskraft  begabt,  bildet  er  sich  selbst  den  Maßstab,  nach  dem  er  sich 
und  andere  bewertet.  Wohl  lernt  er  vom  Ausland,  aber  er  verleugnet  doch  niemals 
sein  Österreichertum.  Sein  Stil  ist  international,  aber  die  meisten  Vorwürfe  seiner 
Bilder  sind  der  Heimat  entnommen,  ist  doch  Ungarn  die  Hälfte  der  Donau- 
monarchie. Er  ist  kein  Bahnbrecher  und  kein  Schulhaupt,  aber  eine  ausgereifte, 
volle  und  ganze  Persönlichkeit  von  starker  Eigenart,  auf  die  stolz  zu  sein  die 
österreichische  Kunst  alle  Ursache  hat.  — 

Man  hat  Rudolf  Alt  den  österreichischen  Menzel  genannt.  Das  ist  nicht  nur 
ziemlich  geschmacklos,  sondern  auch  nur  zum  geringsten  Teile  richtig.  Eher  könnte 
man  Menzel  und  Pettenkofen  in  Parallele  stellen.  Schon  Richard  Muther  hat  den 
Wiener  Künstler  unmittelbar  nach  dem  Berliner  behandelt.  Natürlich  überragt  Menzel 
auch  Pettenkofen.  Menzel  ist  die  gewaltigere  Arbeitskraft,  ihm  setzt  das  große 
Format  keine  Schranken,  er  ist  der  weitaus  sicherere  Zeichner.  Aber  die  beiden 
Künstler  machen  eine  ähnliche  Entwicklung  durch.  Von  der  Illustration,  von  der 
Lithographie  gehen  sie  aus.  In  der  Malerei  schreiten  ihr  Stil  und  ihre  Technik  stetig 


235 


30* 


fort.  Keiner  von  beiden  überlebt  sich  selbst.  In  jedem  von  ihnen  paart  sich  natu- 
ralistisches Bestreben  mit  historisierendem.  Jeder  hat  sein  Lieblingsgebiet,  das  er 
nach  allen  Richtungen  hin  ausschöpft:  Menzel  die  Fridericianische  Epoche,  Petten- 
kofen  die  Puszta  und  ihre  Bewohner.  Beide  haben  ihre  eigenen  Gedanken  und 
verfügen  über  eine  mehr  als  gewöhnliche  Bildung.  Im  Kolorit  und  im  Geschmack 
ist  Pettenkofen  Menzel  überlegen. 

Mit  Meissonier,  einer  verwandten  Erscheinung  der  gleichzeitigen  französischen 
Malerei,  wurde  Pettenkofen  bereits  früher  flüchtig  verglichen. 

Pettenkofen  war  sich  übrigens  selbst  dieser  Beziehungen  zu  Meissonier  und 
Menzel,  die  er  beide  sehr  hoch  schätzte,  wohl  bewußt.  — 

Plastischer  aber  als  durch  solche  Gegenüberstellungen  wird  das  Bild,  das  wir 
uns  von  einer  künstlerischen  Persönlichkeit  machen,  durch  die  Aufdeckung  des 
Gemeinsamen  und  des  Gegensätzlichen  in  ihrem  Verhältnis  zur  zeitgenössischen 
Kunst  der  Heimat. 

Daher  sei  hier  die  Wiener  Malerei,  wie  sie  zu  Pettenkofens  Lebzeiten  beschaffen 
war,  wie  sie  auf  ihn  einwirkte  und  wie  er  sich  zu  ihr  stellte,  nochmals  rasch  über- 
blickt, ist  sie  doch  während  seines  ersten  Lebensabschnittes  der  Boden,  dem  seine 
Kunst  entwächst,  das  Milieu,  das  ihn  fördernd  und  hemmend  umgibt,  während 
des  zweiten  aber  der  Hintergrund,  von  dem  sie  sich  abhebt,  ohne  den  sie  nicht 
richtig  eingeschätzt  werden  kann. 

Auf  dem  Gebiete  der  Musik  hat  Wien  seit  den  Tagen  Mozarts  und  Haydns  bis 
in  die  jüngste  Vergangenheit  herauf  eine  führende  Rolle  gespielt.  Im  Hinblick  auf 
die  bildende  Kunst  aber  kann  Wien  niemals  eine  solche  Bedeutung  zugemessen 
werden,  auch  dann  nicht,  wenn  man  die  glänzenden  Perioden  der  Wiener  Archi- 
tektur in  der  ersten  Hälfte  des  XVIII.  und  in  der  zweiten  des  XIX.  Jahrhunderts 
mit  nichten  aus  dem  Auge  verliert. 

Was  besonders  die  Malerei  anbelangt,  so  kann  von  einer  Wiener  Malerei 
eigentlich  erst  vom  XIX.  Jahrhundert  an  gesprochen  werden.  Denn  die  vielen 
tüchtigen  und  ausgezeichneten  Maler  des  XVIII.  Jahrhunderts,  die  in  Wien  gewirkt 
haben,  sind  entweder  zu  sehr  von  Italien  abhängig,  als  daß  man  ihre  Malerei 
wienerisch  nennen  könnte,  oder  sie  sind  überhaupt  Italiener,  wie  Pozzo  und 
Guglielmi.  Die  alte  Kaiserstadt  hat  eben  zu  allen  Zeiten  fremde  Talente  angelockt, 
und  es  sei  hier  daran  erinnert,  daß  auch  Füger  und  Krafft  Ausländer  sind. 

Im  XIX.  Jahrhundert  aber  gibt  es  tatsächlich  eine  Wiener  Malerei,  und  schreitet 
sie  auch  nicht  der  Entwicklung  voraus  —  das  zu  tun,  ist  seit  den  Tagen  Louis 
Davids  die  Sendung  der  Pariser  Malerei  — ,  so  ist  sie  doch  so  selbständig  und 
eigenartig,  daß  sie,  so  wie  sie  ist,  an  keinem  andern  Orte  der  Welt  gedacht 
werden  kann  als  in  Wien. 

Ganz  grob  gesprochen,  läßt  sich  der  Werdegang  der  Wiener  Malerei  des 
XIX.  Jahrhunderts  in  zwei  ungefähr  gleich  lange  Perioden  einteilen,  die  mit  den 
Worten  Genre  und  Makart  zu  kennzeichnen  wären.  Die  beiden  Entwicklungsphasen 
werden  um  die  Mitte  des  Jahrhunderts  herum  durch  zwei  so  verschiedene  Ereig- 
nisse wie  die  Revolution  im  Jahre  1848  und  den  Abbruch  der  Basteien  im  Jahre 
1857  voneinander  getrennt.  Die  zweite  Periode  endigt  erst  nach  dem  Tode  Petten- 


236 


/' 


Gil  Blas  als  Arzt  trifft  am  Krankenbett  von  des  GewUrzkrämers  Sohne  mit  dem  Doktor  Cuchillo  zusammen. 
Feder-  und  Pinselskizze.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 

kofens,  aber  vor  dem  Ausgang  des  Jahrhunderts,  nämlich  mit  der  Gründung  der 
„Sezession"  im  Jahre  1897. 

Die  Benennungen  Genre  und  Makart  sind  natürlich  viel  zu  enge  und  heben  nur 
das  AUerwichtigste  hervor.  In  der  ersten  Hälfte  des  Jahrhunderts  wird  das  Genre, 
mit  dem  die  Landschaft  und  das  Porträt  aufs  innigste  verschwistert  sind,  von  dem 
Klassizismus,  der  Romantik,  dem  Nazarenertum  und  der  Historie  begleitet.  Aber 
keine  von  diesen  Richtungen  hat  in  Wien  eigentlich  tiefer  Wurzel  geschlagen, 
und  wahrhaft  volkstümlich  ist  nur  die  Genremalerei  geworden,  die  überhaupt  die 
populärste  Wiener  Kunst  des  XIX.  Jahrhunderts  ist. 

Fanden  die  Freskomaler  des  XVIII.  Jahrhunderts  in  der  Kirche,  unter  dem  Adel 
und  am  Kaiserhof  ihre  Auftraggeber  und  die  Maler  der  Makartzeit  im  Staate  und 
in  der  Plutokratie,  so  war  der  Abnehmer  der  Genremalerei  der  ersten  Hälfte 
des  vergangenen  Jahrhunderts  der  bürgerliche  Mittelstand.  Hatte  sich  die  Genre- 
malerei im  Vorwurf  wie  im  Format  den  niederländischen  Sittenmalern  des  XVII. 
Jahrhunderts,  die  gleichfalls  das  Leben  und  Treiben  von  Bürger  und  Bauer  dar- 
stellten, angeschlossen,  so  wählte  sich  die  großflächige  Malerei  der  Makartzeit 
Rubens,  Veronese  und  Tiepolo  zu  ihren  Vorbildern.  — 

Seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts,  da  es,  wie  zu  zeigen  versucht  worden  ist,  mit 
dem  Genre  zu  Ende  geht,   findet  Pettenkofen   nur   schwer  einen  Anschluß  an  die 


237 


Wiener  Malerei.  Gleich  Waldmüller,  nur  länger,  muß  er  abseits  stehen.  Wo,  um 
nur  die  drei  wichtigsten  Repräsentanten  aufzuzählen,  Führich,  Rahl  und  Makart 
den  Ton  angeben,  da  ist  für  Pettenkofen  kein  Raum.  So  verschieden  nämlich  diese 
drei  Künstler  untereinander  sind,  so  haben  sie  doch  etwas  gemeinsam  —  nennen 
wir  es  mit  einem  der  abgegriffensten  Schlagwörter:  Idealismus.  Allen  dreien  ist 
es  im  letzten  Grunde  um  etwas  ganz  anderes  zu  tun  als  um  die  möglichst  getreue 
Wiedergabe  eines  Naturvorbildes,  Jeder  von  ihnen  will  auf  seine  Art  über  die 
Natur  hinaus,  Pettenkofens  wörtlich  einbekanntes  Ziel  aber  ist,  der  Natur  so  nahe 
als  möglich  zu  kommen.  Und  noch  etwas  verbindet  jene  drei  untereinander  und 
trennt  sie  zugleich  von  Pettenkofen:  das  große  Format,  dessen  sie  sich  zwar  nicht 
durchwegs,  aber  häufig  bei  ihren  Arbeiten  bedienen.  Führich  und  Rahl  verstanden 
al  fresco  zu  malen,  Makart,  ein  anderer  Ghirlandaio,  wünschte  einmal  sehnlichst, 
die  Ausmalung  der  Stephanskirche  übertragen  zu  bekommen.  Pettenkofen  aber  war 
zeitlebens  ein  Kleinmeister  —  „Perlen  sticken"  nannte  er  selbst,  vielleicht  mit  leiser 
Ironie,  sein  Malen.  Dieses  große  Format,  die  Lust  und  die  Fähigkeit,  große  Wand- 
flächen mit  Bildern  zu  schmücken,  ist  aber  mehr  als  bloß  ein  äußeres  Moment. 
Es  ist  die  augenfälligste  Kundgebung  des  dekorativen  Hanges  der  Wiener  Malerei, 
der  sich  schon  einmal  im  bautenreichen  Zeitalter  des  Barock  zu  höchster  Blüte 
entfaltet  hatte,  der  während  der  bürgerlichen  Periode  der  ersten  Hälfte  des  XIX.  Jahr- 
hunderts scheinbar  verloren  gegangen  und  unterdrückt  worden  war,  der  aber,  als 
sich  in  den  sechziger  Jahren  die  vielen  Prachtbauten  an  der  Ringstraße  zu  erheben 
begannen,  zu  neuem  Triumph  erwachte  und  in  Hans  Makart  einen  alles  mit  sich 
fortreißenden  Vertreter  fand.  1884  bis  1889,  diese  kurzen  fünf  Jahre  von  Makarts 
bis  zu  seinem  eigenen  Tode,  darf  Pettenkofen  vielleicht  als  der  Gipfel  der  Wiener 
Malerei  angesehen  werden.  Während  dieses  Quinquenniums  wurde  auch  durch  ihn 
und  seinen  Freund  Leopold  Karl  Müller,  der  dasselbe  künstlerische  Credo  wie  er 
betete  und  der  in  gewissem  Sinne  auch  sein  Schüler  genannt  werden  kann,  in  der 
Wiener  Malerei  dem  koloristischen  Naturalismus  —  wenn  man  der  beiden  Bestreben 
vielleicht  so  taufen  darf  —  zum  Siege  verholfen.  Blieb  diese  Herrschaft  aber  auch 
gewiß  nicht  ohne  nutzbringenden  Einfluß,  so  war  sie  doch  —  was  hier  vorgreifend 
und  abschließend  bemerkt  werde  —  nur  von  kurzer  Dauer.  Denn  das  stärkste 
Talent,  das  die  Wiener  Malerei  der  nächsten  Folgezeit  aufzuweisen  hatte  und  das 
sich  noch  während  der  achtziger  Jahre,  also  noch  zu  Lebzeiten  Pettenkofens,  die 
Sporen  verdiente,  sollte  sich  auf  die  Seite  der  dekorativen  Richtung  schlagen: 
Gustav  Klimt.  — 

Hat  schon  das  eben  Gesagte  ein  Streiflicht  auf  die  Wiener  Kunstverhältnisse 
während  des  letzten  Jahrzehnts  von  Pettenkofens  Leben  geworfen,  so  sollen  sie 
nun  durch  ein  paar  Worte  etwas  näher  beleuchtet  werden.  Dies  möge  mit  Hilfe 
einer  Auslese  der  allerwichtigsten  Namen  geschehen.  Mit  Makart  ist  Canon,  der 
ihm  schon  nach  einem  Jahre  im  Tode  nachgefolgt  ist,  durch  ein  mehrfach  ver- 
wandtes Streben  verbunden.  Im  selben  Jahre  wie  Pettenkofen  stirbt  der  hochbegabte, 
vielseitige  Romako,  der,  solang  er  lebte,  in  seiner  Vaterstadt  durchaus  unver- 
standen geblieben  ist.  Unter  den  Porträtmalern  erfreut  sich  Angeli  eines  über  die 
Grenzen   Österreichs  hinausreichenden   Rufes.   Der   bedeutendste  Landschafter  ist 


238 


der  feinsinnige  Emil  Jakob  Schindler.  Wie  die  Maler  die  Glanzzeit  des  alten 
Venedig  und  Antwerpen  heraufbeschwören  wollen  und  die  Architekten  im  Stile 
des  alten  Griechenland,  der  französischen  und  deutschen  Gotik  und  der  italie- 
nischen Renaissance  bauen,  so  beruht  auch  der  mächtige  Aufschwung,  den  das 
Wiener  Kunstgewerbe  dank  der  neugegründeten  staatlichen  Schule  erfahren  hat, 
zum  größten  Teil  auf  der  Nachahmung  alter  Vorbilder  und  läßt  auf  diese  Weise 
Werke  entstehen,  die  sich  zwar  durch  ihre  solide  Technik  auszeichnen,  dem 
heutigen  Geschmack  aber  schier  unerträglich  geworden  sind.  Durch  die  Berufung 
William  Ungers  und  Wilhelm  Hechts  nach  Wien  erleben  die  Radierung  und  der 
Holzschnitt   als   vervielfältigende   Künste    eine   hohe   Blüte.   In   der    Plastik   ragen 


r' 


Gil  Blas'  Herr,  der  Stutzer  Don  Mathias  de  Silva,  und  dessen  Freund  Don  Antonio 

Centelles  spielen  mit  dem  Wucherer  Descomulgado  Ball.  Bleistiftskizze. 

Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 

Zumbusch  und  Tilgner  hervor.  Dieser,  der  Österreicher,  mit  dem  Pettenkofen  be- 
kannt war,  zeichnete  sich  vor  allem  durch  seine  Porträtbüsten  aus,  jener,  der 
Mann  aus  dem  Reiche,  schuf  ein  Menschenalter  hindurch  Wiens  größte  Denk- 
mäler. Die  Enthüllung  von  Zumbusch'  Maria -Theresien- Denkmal  hat  Pettenkofen 
noch  erlebt.  Während  der  achtziger  Jahre  wurden  die  meisten  der  großen  öffent- 
lichen Ringstraßenbauten  ihrer  Bestimmung  übergeben:  der  Justizpalast,  das  Rat- 
haus, die  Universität  und  das  Parlament;  die  beiden  Hofmuseen  wurden  wenig- 
stens im  Bau  vollendet,  der  heute  noch  nicht  zu  Ende  geführte  Flügel  der  Hof- 
burg wurde  zu  bauen  begonnen.  Um  von  der  Architektur,  der  „steingewordenen 
Musik",  auf  die  Musik  selbst  überzugehen,  so  ist  zu  sagen,  daß  die  Wiener  Musik 
der  achtziger  Jahre  vor  allem  durch  Brahms  und  Johann  Strauß  den  jüngeren  ver- 
körpert wurde.  Der  junge  Hugo  Wolf  rezensierte  einstweilen  mehr,  als  er  kompo- 
nierte, und  der  greise  Brückner  konnte  kein  Gehör  finden.  In  der  Literatur  zählten, 
um  von  Hamerling  und  Rosegger,  die  beide  außerhalb  Wiens  schufen,  zu  schweigen. 


239 


Marie  v.  Ebner-Eschenbach  und  Pettenkofens  Vetter  Ferdinand  v.  Saar  erst  einen 
kleinen  Leserkreis.  Das  Burgtheater  hatte  sein  bescheidenes,  enges,  altes  Haus, 
in  dem  doch  so  Großes  geleistet  worden  war,  mit  dem  neuen  Prunkbau  vertauscht. 
In  seiner  Direktion  war  Dingelstedt  durch  Wilbrandt  abgelöst  worden.  Die  Schau- 
spielkunst bedeutete  mehr  als  die  Dichtkunst.  In  der  Oper  griff,  wie  anderswo 
auch,  die  Kunst  Richard  Wagners  durch,  eine  Wiener  Besonderheit  war  der  gegen 
ihn  organisierte  Widerstand.  Die  Offenbachsche  Operette,  deren  Herrschaft  auch 
in  Wien  lange  unwidersprochen  geblieben  war,  hatte  der  Wiener  Operette  weichen 
müssen,  die  dank  der  Werke  von  Strauß  und  Supp6  und  Millöcker  die  Welt  zu 
erobern  begann.  Dem  Volksstück,  das  so  lange  um  Raimund  getrauert  hatte,  war  in 
Anzengruber,  der  sich  endlich  durchgerungen  hatte,  ein  starker  Helfer  erwachsen.  — 

Von  den  Werken,  die  Pettenkofen  in  den  achtziger  Jahren  geschaffen  hat,  war 
bereits  die  Rede,  mit  wenigen  Strichen  wurde  auch  schon  das  zu  skizzieren  ver- 
sucht, was  sich  während  jener  Zeit  auf  dem  Gebiet  der  Wiener  Kunst  abgespielt 
hat,  —  es  bleibt  nur  mehr  die  Schilderung  von  Pettenkofens  Privatleben  in  den 
letzten  neun  Jahren  seines  Daseins  übrig. 

Er  begann  das  Jahrzehnt  in  Venedig,  an  dem  er  so  viel  auszusetzen  hatte  und 
das  ihm  doch  so  teuer  war.  1880-81,  1883-84  und  1886-87  lebte  er  vom  Herbst 
bis  in  den  Sommer  dort.  1882  verbrachte  er  den  ganzen  September  und  den  größten 
Teil  des  Oktober,  1885  die  zweite  Hälfte  des  September  und  wieder  den  größten 
Teil  des  Oktober,  1888,  das  letzte  Mal,  nur  neun  bis  zehn  Tage  des  November  in 
der  Stadt  des  heiligen  Markus.  Die  Künstler,  mit  denen  er  dort  verkehrte,  sind  die- 
selben wie  während  der  siebziger  Jahre.  Natürlich  wird  der  eine  oder  andere,  wie 
z.  B.  der  Ungar  Skutezky,  den  Bekanntenkreis  erweitert  haben. 

Interessant  ist  die  knappe  Notiz,  die  Pettenkofen  am  15.  Juni  1887  zu  Venedig 
in  sein  Tagebuch  schreibt:  „Leiche  des  Favretto."  Ob  er  diesen  Künstler  persön- 
lich gekannt  hat,  ist  ungewiß,  bezeugt  aber  ist,  daß  er  ihn  von  allen  italienischen 
Malern  der  Zeit  am  höchsten  geschätzt  hat.  „Der  Favretto  ist  der  einzige  unter 
ihnen,  der  was  kann",  soll  er  gesagt  haben. *^)  Favretto  hatte  sowohl  unter  dem 
Einfluß  Fortunys,  als  auch  infolge  des  Verlustes  von  einem  Auge  in  seinen  letzten 
Lebensjahren  eine  äußerst  geschmackvolle,  ebenso  flotte  wie  delikate  buntfleckige 
Malweise  angenommen,  die  auf  seinen  Spätwerken  das  Licht  und  die  Luft  förm- 
lich zittern  und  flirren  läßt.'O  Wie  wir  gesehen  haben,  strebt  die  malerische  Ent- 
wicklung Pettenkofens,  vielleicht  gleichfalls  angeregt  durch  das  Schaffen  seines 
Freundes  Fortuny,  einem  ähnlichen  Ziele  zu.  Nur  gieng  er  beispielsweise  niemals 
so  weit  wie  Favretto.  Dieser  war  der  dritte  Künstler,  der  Pettenkofen  nahe  stand 
und  noch  in  den  dreißiger  Jahren  starb.  Der  erste  war  Johann  Gualbert  Raffalt, 
der  zweite  Mariano  Fortuny. 

In  das  Ende  des  Juli  und  den  Anfang  des  August  des  Jahres  1885  fällt  eine 
ganz  kurze  Reise  nach  Holland,  auf  der  Pettenkofen  nur  den  Haag,  Scheveningen 
und  Amsterdam  berührt.  Am  1.  August  suchte  er  in  Amsterdam  Maris  und  Mesdag 
auf.  Die  unter  demselben  Datum  in  sein  Tagebuch  eingetragenen  Worte:  „Aquarelle 
von  Mauve  bei  Goupil"  sind  wohl  nur  so  zu  deuten,  daß  der  Kunsthändler  Goupil 


240 


in  Paris  Aquarelle  von  Mauve  besitze,  die  er,  Pettenkofen,  sich,  wenn  er  das 
nächste  Mal  nach  Paris  komme,  was  er  damals  vielleicht  für  sehr  nahe  Zeit  plante, 
zu  besichtigen  vornahm.  Aquarelle  von  Mauve  und  Bilder  von  Maris  hatten  auf 
ihn,  wie  wir  uns  erinnern,  schon  im  Februar  1883,  als  er  sie  bei  Sedelmeyer  in 
Paris  sah,  einen  großen  Eindruck  gemacht. 

1883  hält  er  sich  vom  halben  Oktober  bis  zum  halben  November,  1884  vom 
halben  September  bis  gegen  Ende  November,  1888  eine  Woche  im  Oktober  in 
München  auf.  1883  und  1884  muß  er  dort  viel  mit  Lenbach  verkehrt  haben.  1884 
hat  ihn  dieser  gemalt.  Pettenkofen  soll  Lenbach  gleichfalls  zu  porträtieren  versucht 
haben,  wahrscheinlich  hat  er  aber  seine  Arbeit,  unzufrieden  damit,  zerstört,  jeden- 
falls ist  nichts  von  ihrem  Verbleib  bekannt.  In  einem  jener  beiden  Jahre  wird  es 
auch  gewesen  sein,  daß  er  irgendwie  auf  Lenbachs  Porträt  Papst  Leos  XIII.  Ein- 
fluß genommen  hat.  Sein  Nachlaß  hat  nämlich  eine  große  Photographie  jenes 
Bildnisses  aufbewahrt,  auf  der  anscheinend  von  Pettenkofens  Hand  geschrieben 
steht:  „Probe!  Pettenkofen  und  Lenbach  fec."  Entweder  hat  er,  der  berühmte 
Bilderdoktor,  Lenbach  einen  von  diesem  befolgten  Ratschlag,  z.  B.  hinsichtlich 
des  Arrangements  gegeben  oder  er  hat  Scherzes  halber  irgendwelche  Kleinigkeit 
des  Bildes  gemalt.  Am  14.  Oktober  1888  trägt  er  zu  München  in  sein  Tagebuch 
die  Namen  Hauser,  Piglhein  und  Seitz  ein.  Hauser,  den  namhaften  Restaurator, 
mag  er  in  Sachen  der  Technik  der  alten  Meister  zu  befragen  gehabt  haben,  Pigl- 
hein interessierte  ihn  wohl  wegen  seines  Panoramas  der  Kreuzigung,  das  damals 
viel  von  sich  reden  machte,  und  Seitz,  weil  auch  dieser  seine  Stoffe  aus  der  Ver- 
gangenheit wählte,  was  ja  Pettenkofen  in  den  achtziger  Jahren,  in  denen  wir  ihn 
mit  dem  „Gil  Blas"  beschäftigt  wissen,  gleichfalls  tat. 

1882  in  Kissingen  traf  er  mit  den  Malern  Gentz  und  Meyerheim  zusammen. 

Soviel,  da  von  seiner  letzten  Reise  nach  Paris  bereits  die  Rede  gewesen  ist, 
über  seine  Aufenthalte  an  ausländischen  Kunststätten  und  seinen  Verkehr  mit 
Künstlern  des  Auslandes  in  den  achtziger  Jahren. 

Innerhalb  der  Monarchie  hielt  er  sich,  abgesehen  von  seinem  gleichfalls  schon 
besprochenen  letzten  Aufenthalt  in  Szolnok,  während  der  achtziger  Jahre,  wie  eben- 
falls anläßlich  seiner  Werke  bereits  erwähnt  wurde,  viel  in  den  Alpenländern,  be- 
sonders in  Tirol  auf.  Österreichische  Künstler,  deren  Bekanntschaft  er  auf  Grund 
seiner  Tagebücher  und  Briefe  zu  jener  Zeit  machte  oder  erneuerte,  sind  Robert 
Ruß,  mit  dem,  Leopold  Karl  Müller  und  dessen  Schwestern  Marie  und  Bertha 
zusammen  er  im  September  1887  in  Tirol  reiste,  Trenkwald,  dem  er  am  26.  Juni 
1888  vier  Bände  über  Columbus  borgt,  und  Viktor  Tilgner,  mit  dem  er  noch  am 
16.  Jänner  1889  beisammen  ist. 

Zu  seinen  anderen  Freunden  und  Bekannten,  die  übrigens  zu  einem  großen  Teil 
bereits  als  Käufer  seiner  Bilder  angeführt  wurden,  traten  in  den  achtziger  Jahren 
nur  ganz  wenige  nennenswerte  Personen  hinzu.  Unter  ihnen  ist  der  Fürst  Porzia, 
der  Besitzer  jenes  berühmten  Renaissanceschlosses  in  Spittal  in  Kärnten,  wo  ihn 
Pettenkofen  in  den  Sommern  der  Jahre  1880,  1887  und  1888  aufsucht,  hervorzu- 
heben. Oberst  Lachnit  wurde  bereits  als  Käufer  genannt. 

Größer   als    der   Zuwachs   von   Pettenkofens   Freundes-   und   Bekanntenkreis  ist 


241  3, 


während  der  in  Rede  stehenden  Zeit  dessen  Einbuße.  Am  22.  Dezember  1882 
stirbt  die  Baronin  Nakö,  das  Jahr  darauf  Eitelberger,  1884  Plach,  mit  dem  Petten- 
kofen  zwar  seit  langem  schon  durch  nichts  anderes  als  durch  eine  Schuld,  die  er  — 
wenigstens  seiner  strengen  Auffassung  gemäß  —  bis  über  seinen  Tod  hinaus  an 
diesen  hatte,  verknüpft  war,  der  aber  immerhin  in  seinem  Leben  eine  bedeutende 
Rolle  gespielt  hatte. 

Traurige  und  erfreuliche  Erlebnisse  seiner  Freunde  geben  ihm,  wie  die  erhaltenen 
Briefe  beweisen,  Anlaß  zu  herzlichen  Kundgebungen.  Eines  dieser  betrüblichen 
Ereignisse,  das  aber  die  gesamte  österreichische  Kunst  aufs  schmerzlichste  betraf, 
ist  die  Augenerkrankung  Leopold  Karl  Müllers,  dem  eine  Operation  nur  allzu  kurze 
und  trügerische  Heilung  brachte.  Diese  Operation  sollte  zuerst  schon  im  Winter 
1886-87  vorgenommen  werden.  Unter  dem  4.  Dezember  1886  schreibt  Pettenkofen 
aus  Venedig  an  Franz  Xaver  Mayer:  „W^as  Sie  mir  von  L.  Müller  sagen  und  was 
er  mir  vor  einiger  Zeit  selbst  mitteilte,  macht  mir  um  ihn  Sorge  und  Kummer, 
doch  will  ich  hoffen,  daß  er  seine  volle  Sehfähigkeit  wiedererlangt  und  der  öster- 
reichischen Kunst  ihr  bester  Maler  noch  lange  erhalten  bleibe."  Und  am  27.  des- 
selben Monats  schreibt  er  gleichfalls  aus  Venedig  an  Müller  selbst:  „Mein  lieber 
Leo!  Wenn  ich  auch  meine  Scheu  vor  brieflicher  Mitteilung  nicht  zu  bekämpfen 
imstande  bin  (es  fehlt  mir  am  frohen  und  merkwürdigen  Stoff,  der  briefliche  Mit- 
teilung so  leicht  fließen  macht),  so  öffnet  sich  Dir  zu  dieser  Zeit  doch  mein  Herz 
in  eingewurzelter  Freundschaft,  um  Dir  nach  gutem  alten  Brauch  herzliche  Wünsche 

zum  neuen  Jahr  zu  schicken. Ich  freue  mich  mit  Rührung  des  Moments,  wo 

Dein  Auge  Dir  und  der  selten  gewordenen  wahren  Kunst  wieder  Freude  und 
Nutzen  machen  wird."  Am  4.  Mai  1887  schreibt  er  abermals  aus  Venedig,  aber 
an  Fräulein  Marie  Müller  und  zwar  auf  ihre  Anzeige  von  der  nunmehr  knapp  bevor- 
stehenden Operation  hin:  „Ich  beeile  mich,  Ihnen  herzlich  Dank  zu  sagen  für  die 
Ankündigung  eines  Ereignisses,  welchem  ich  ebensosehr  mit  Ungeduld  als  mit 
bewegtem  Herzen  entgegensehe.  Obgleich  mir  schon  in  Wien,  wie  hier,  von  Fach- 
kundigen versichert  wurde,  daß  der  Erfolg  der  Operation  ein  zweifellos  guter  sein 
wird,  werde  ich  doch  erst  wieder  vollkommen  beruhigt  sein,  wenn  das  Resultat 
als  vollkommen  günstig  festgestellt  sein  wird;   und  so  erwarte  ich,   das  Endgiltige 

von  Ihnen  zu  erfahren. Dabei  vergesse   ich  weder    auf  Sie,    Fräulein  Marie, 

noch  auf  Ihre  guten  Schwestern,  welche  in  dieser  kritischen  Zeit  manche  Herz- 
bewegung zu  bekämpfen  haben  mochten, Leopolds  vortreffliches  Naturell  ist 

ihm  jetzt  eine  gewaltige  physische  und  moralische  Hilfe,  diese  harte  Probe  zu 
bestehen,  und  so  wollen  wir  mit  froher  Zuversicht  der  endgiltigen  Entscheidung 
entgegensehen."  Am  6.  Juli  schreibt  er  noch  immer  aus  Venedig  und  auf  die 
Kunde  von  der  —  scheinbar  wenigstens  —  glücklich  vorübergegangenen  Operation 
hin  an  Fräulein  Marie  Müller:  „Daß  Sie  meine  Gefühle  für  Sie  und  Leopold  nicht 
nach  meinem  Stillschweigen  beurteilen,  glaube  ich  sicher  sein  zu  dürfen,  und  so 
darf  ich  mir  denn  auch  jede  erklärende  Entschuldigung  ersparen.  Schon  vor  Ihrem 
Brief  war  ich  von  der  glücklichen  Operation  unterrichtet,  und  obgleich  ich  nur 
Gutes  erwartete  und  hoffte,  fiel  mir  bei  Erhalt  Ihrer  bestätigenden  Nachricht  eine 
drückende  Last  von  der  Brust,  und  nun  genieße   ich  die  Freude   mit  Ihnen   allen 


242 


Pinselskizzen  zum  „Gil  Blas". 


Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 


243 


31* 


von  ganzem  Herzen."  Im  Oktober  hatte  die  Operation  Müllers  ein  Nachspiel,  das 
Schlimmes  für  die  Zukunft  ahnen  ließ.  Pettenkofen  schreibt  darüber  am  29.  Oktober 
an  Franz  Xaver  Mayer:  „Müller  hat  sich  in  der  vorgestrigen  Nacht  sein  operiertes 
Auge  in  etwas  beschädigt  und  wird  mehrere  Zeit  die  größte  Ruhe  unter  augen- 
ärztlicher Pflege  beobachten  müssen;  er  wird  also  Montag  abends  nicht  bei  Ihnen 
sein  können.  Seine  Schwestern  sind  begreiflicherweise  nach  so  vielen  erlebten  Auf- 
regungen des  Gemütes  über  diesen  Zwischenfall  trotz  der  Tröstungen  Dr.  Fuchs' 
in  einer  großen  Gemütserregung  und  auch  auf  mich  hat  derselbe  bei  meiner  sonstigen 
Überempfindlichkeit  einen  peinlichen  Eindruck  gemacht.  Jedenfalls  würde,  wenn 
der  Abend  Montags  bei  Ihnen  stattfindet,  durch  diesen  Fall  der  heiterste  und 
froheste  Ihrer  Gäste  fehlen." 

Alle  diese  schriftlich  niedergelegten  Äußerungen  legen  ebenso  sehr  Zeugnis  ab 
für  die  warme  und  zartfühlende  freundschaftliche  Teilnahme  Pettenkofens  an  dem 
Menschen,  als  auch  für  seine  Hochschätzung  des  Künstlers  Müller.  — 

Mehr  aber  als  mit  anderen  war  Pettenkofen  in  dieser  Schlußzeit  seines  Lebens 
mit  sich  selbst  beschäftigt,  denn  seine  Krankheit  machte,  scheint  es,  rasche  Fort- 
schritte, die  ihm,  dem  scharfen  und  geübten  Selbstbeobachter,  auch  abgesehen  von 
den  stetig  wachsenden  Beschwerden  und  Schmerzen,  nicht  verborgen  bleiben  konnten. 

In  den  achtziger  Jahren  häufen  sich  die  Kuren,  mit  denen  Pettenkofen  sein 
Leiden  zu  bekämpfen  sucht.  Im  Sommer  1880  gebraucht  er  zu  Ebensee  in  Ober- 
österreich eine  Kaltwasserkur,  im  Sommer  1882  weilt  er,  natürlich  gleichfalls  zum 
Kurgebrauch,  in  Kissingen,  und  in  den  Sommern  der  Jahre  1883,  1885,  1886  und 
1888  unterzieht  er  sich  in  Karlsbad  der  Kur.  Im  Jahre  1886  gebraucht  er,  noch 
bevor  er  nach  Karlsbad  geht,  über  einen  Monat  eine  ihm  anscheinend  recht  wenig 
bekömmliche  Kur  in  Jena. 

Überall,  wo  immer  er  sich  aufhält,  befragt  er  einen  Arzt.  Es  seien  nur  die  nam- 
hafteren Ärzte  Wiens  genannt,  die  er  entweder  bloß  konsultierte  oder  von  denen 
er  sich  kürzere  oder  längere  Zeit  behandeln  ließ:  Schrötter,  Bamberger,  Nothnagl, 
Oser,  Breuer,  Skofitz,  Pollitzer,  Urbantschitsch,  Frisch.  Mit  Professor  Schrötter  und 
mit  Dr.  Frisch,  der  Professor  der  Anatomie  an  der  Akademie  der  bildenden  Künste 
und  in  der  letzten  Zeit  sein  behandelnder  Arzt  war,  stand  er  in  freundschaftlichem 
Verhältnis.  Mit  Professor  Schrötter,  dessen  kurz  angebundenes  Wesen  ihm  impo- 
nierte, duzte  er  sich  sogar.  Er  verkehrte  auch  mit  der  diesem  verschwägerten 
Familie  Wagner,  die  er  ein  paarmal  in  St.  Justina  bei  Bozen  besuchte. 

Naturgemäß  mehren  sich  sowohl  im  Tagebuch  als  auch  in  den  Briefen  die 
Bemerkungen  über  den  Krankheitszustand.  Aber  während  sie  dort  bis  knapp  vor 
dem  Ende  bloß  registrierender  Art  bleiben,  schwellen  sie  hier  gelegentlich  zu  be- 
weglichen Klagen  an.  Unter  dem  23.  Februar  1888  findet  sich  z.  B.  im  Tagebuch 
eine  Zusammenstellung  der  Anfälle,  die  er  seit  dem  1.  Oktober  des  vergangenen 
Jahres  gehabt  hat.  In  dem  bereits  angezogenen  Pariser  Brief  vom  6.  Jänner  1883 
an  Franz  Xaver  Mayer  spricht  er  von  seinem  Leber-  und  Milzleiden,  das  den 
Winter  über  stark  im  Vordergrund  stehe.  Den  tiefsten  Eindruck  machen  natürlich 
jene  Stellen  seiner  Briefe,  in  denen  er  seine  Schaffenskraft  zu  seinem  Übeln  Gesund- 
heitszustand in  Beziehung  setzt.  So  schreibt  er  z.  B.  in  dem  Brief  vom  3.  Juni  1883  aus 


244 


Venedig  an  Franz  Xaver  Mayer:  „Ja!  mein  verehrter  Freund,  zu  was  Sie  mich  in  Ihrem 
Brief  anzuregen  suchen:  viele  Sujets  zu  sammeln,  das  habe  ich  bereits  getan, 
darunter  nicht  Unbedeutendes,  und  es  wird  mir  voll  ums  Herz,  wenn  ich  bedenke, 
daß  mir  die  Kraft  ausgehen  wird,  bevor  ich  einen  Teil  werde  vollenden  können. 
Wenn  nur  die  Phantasie  frisch  und  bereitwillig  ist,  fehlt  es  nicht  am  Trieb  zum 
Schaffen  und  nicht  an  Illusionen,  welche  nur  zu  leicht  vergessen  machen,  daß  die 


Don  Raphael  unterhält  die  Korsaren  mit  seinem  Saitenspiel.  Bleistiftskizze 
zum  „Gil  Blas".  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 

Arbeitskraft,  welche  die  Ausführung  fordert,  —  eines  Tages  fehlen  könnte."  Am 
26.  Mai  1884  spricht  er  in  einem  Brief  abermals  aus  Venedig  und  abermals  an 
Franz  Xaver  Mayer  von  dem  „immerwährenden  Kampf  geistigen  WoUens  mit 
körperlicher  Unfähigkeit " . 

Da  sich  Pettenkofen  über  die  Gefährlichkeit  seines  Zustandes  erstaunlich  klar 
und  er  zeitlebens  ein  Mann  peinlichster  Gewissenhaftigkeit  und  Ordnung  gewesen 
ist,  so  denkt  er  bei  Zeiten  an  die  Besorgung  seiner  irdischen  Geschäfte.  Zuerst 
ordnet  er,  womit  er  bereits  im  Herbst  des  Jahres  1887  begonnen  zu  haben  scheint, 
seinen  künstlerischen  Nachlaß.  Er  sichtet,  vernichtet  wohl  auch,  legt  Verzeichnisse 
an,  läßt  schätzen  und  schließt  noch  den  einen  und  den   andern   größeren  Verkauf 


245 


ab.  Ja  er  stellt  sogar  eigenhändig  die  Zeichnungen,  von  denen  mehrere  auf  ein 
Passepartout  kommen  müssen,  zusammen,  wählt  selbst  den  dickeren  braunen  und 
den  dünneren  blauen  Karton  mit  dem  roten  Rand  dazu  aus  und  bestimmt  selbst 
die  beiden  Stempel,  mit  denen  die  Arbeiten  seines  Nachlasses  als  solche  bezeichnet 
worden  sind.  Auf  die  Ölbilder  und  die  Passepartouts  der  Aquarelle  und  Hand- 
zeichnungen wurde  als  Stempel  ein  Facsimile  seiner  Unterschrift  „Pettenkofen", 
auf  die  Aquarelle  und  Handzeichnungen  ein  Stempel  mit  Druckbuchstaben  „Nach- 
laß Pettenkofen"  gedrückt. 

Dann  bereinigt  er  bis  auf  drei  noch  aus  alter  Zeit  herstammende  Schuldposten, 
um  die  wir  bereits  wissen,  von  denen  aber  nochmals  die  Rede  sein  wird,  seine 
materiellen  Verbindlichkeiten  und  errichtet  schließlich  sein  Testament. 

Zu  diesem  Schritt  wurde  er  durch  das  schlechte  Verhältnis,  in  dem  er  zu  seinem 
Bruder  Ferdinand  stand  und  das  für  ihn  im  Februar  des  Jahres  1888  den  Gipfel 
der  Unerträglichkeit  erreicht  zu  haben  scheint,  veranlaßt.  Was  immer  auch  dieser 
Bruder  für  ein  Mensch  gewesen  sein  mag,  sicher  ist,  daß  er  Pettenkofen  sein 
ganzes  Leben  lang  fremd  geblieben  ist  und  dieser,  wie  er  sich  selbst  ausdrückt, 
nichts  mit  ihm  gemeinsam  hatte  als  die  Eltern.  Ebenso  sicher  ist  ferner,  daß 
Pettenkofen  den  größeren  Teil  seines  Lebens  hindurch  für  diesen  Bruder  Geldopfer 
gebracht  hat.  Wegen  der  Heirat,  die  Ferdinand  Pettenkofer  —  so  schreibt  sich  der 
Bruder  —  eingegangen  war  und  die  ihn  vollends  mit  dem  Künstler  entzweit  hatte, 
wollte  dieser  ihm  in  seinem  Testament  wohl  eine  lebenslängliche  Rente  aussetzen, 
ihn  aber  durchaus  nicht  zum  Universalerben  machen  und  vor  allem  dessen  Frau 
und  Kinder  von  der  Erbfolge  ausschließen.  In  diesem  Sinne  errichtete  er  auch 
sein  Testament,  dessen  Entwurf  er  am  3.  April  1888  bei  dem  Advokaten  Dr.  Josef 
Stöger  deponierte.  Am  selben  Abend  gieng  er  der  Eintragung  im  Tagebuch  zufolge, 
wohl  weniger  weil  er  sich  erleichtert  fühlte,  als  vielmehr  weil  ihm  nach  jenem 
aufregenden  Entschluß  Zerstreuung  und  Ablenkung  vonnöten  war,  ins  Carltheater. 
Am  9.  April  endlich  hinterlegte  er  bei  Stöger  die  endgiltige  Fassung  des  Testa- 
mentes, das  auch  von  diesem  Tage  datiert  ist  und  das  am  22.  März  1889,  einen 
Tag  nach  Pettenkofens  Tod,  kundgemacht  wurde. 

Das  Testament  beginnt  mit  folgendem  Satze:  „Da  es  zumeist  auf  Zeitumstände, 
Launen  der  Mode  oder  auch  auf  andere  Umstände  ankommt,  ob  der  künstlerische 
Nachlaß  eines  Malers  Geld  einträgt,  und  dann,  ob  mehr  oder  weniger,  so  weiß  ich 
heute  nicht,  —  da  ich  nur  wenig  Barvermögen  und  auch  nur  wenige  künstlerische 
Arbeiten  hinterlasse,  wie  viel  ich  zu  vererben  haben  werde." 

Sein  Bruder  Ferdinand,  der  ihn  übrigens  nur  ganz  kurze  Zeit  überleben  sollte, 
erhielt  eine  lebenslängliche  Jahresrente  von  1200  fl.,  die  für  den  Fall,  daß  eines 
der  hinterlassenen  Lose  einen  entsprechenden  Treffer  machte,  bis  auf  das  Doppelte 
vermehrt  werden  sollte. 

In  welchem  Betrag  das  Guthaben,  das  von  Friedrich  Gsell  auf  dessen  Schwester 
Julie  in  Bischweiler  übergegangen  war,  noch  zu  Recht  bestünde,  sollte  von  Fräulein 
Gsell  selbst  bestimmt  werden,  und  desgleichen  wurde  Franz  Xaver  Mayer  ge- 
beten, die  Summe,  die  ihm  Pettenkofen  noch  schuldete,  aus  dessen  Nachlaß  ein- 
zufordern. 


246. 


Bezeichnend  für  Pettenkofen  und  das  Verhältnis,  in  dem  der  Kunsthändler  Plach 
zu  ihm  gestanden  war,  ist  der  den  dritten  Schuldposten  betreffende  Passus  des 
Testamentes.  Er  lautet:  „Anbei  findet  sich  eine  Schuldverschreibung,  von  mir  aus- 
gestellt über  ein  Guthaben  des  bereits  verstorbenen  Kunsthändlers  Georg  Plach, 
welche  mir  durch  dessen  Witwe,  gegenwärtig  Baronin  Schwarz,  Heugasse  8,  nach 
dessen  Tode  auf  sein  Verlangen  zugestellt  wurde.  Dennoch  betrachte  ich  diese 
Schuldverschreibung  —  jedoch  ohne  Zurechnung   von    aufgelaufenen   Interessen  — 


f. 


■■>*^ 


"^S^t^.- 


i.m  .-^ 


Der  Haushofmeister  Rodriguez  stellt  Gil  Blas  seinem  Herrn,  Don  Mathias  de  Silva,  vor.  Bleistiftskizze. 

Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 

als  in  voller  Giltigkeit,  und  der  darauf  haftende  Betrag  ist  meinen  Schulden  zuzu- 
rechnen." 

Als  Universalerben  setzte  er  die  vier  Fräulein  Müller  ein,  die  Schwestern  seines 
Freundes  Leopold.  Hätten  diese  die  Erbeinsetzung  abgelehnt,  so  wäre  die  Karoline 
Riedische  Kinderspitalstiftung  in  Wien  an  ihre  Stelle  getreten. 

Zum  Testamentsvollstrecker  ernannte  er  seinen  „hochverehrten  Freund"  Franz 
Xaver  Mayer  sen. 

Von  dem  Tag,  an  dem  Pettenkofen  sein  Testament  niederschrieb,  bis  zu  jenem, 
an  dem  ihn  der  Tod  ereilte,  sollte  kein  volles  Jahr  mehr  verstreichen. 

Noch  am  2.  März  1889  scheint  sich  Pettenkofen  verhältnismäßig  wohl  gefühlt 
zu  haben.  Er  war  da  mit  Müller  und  Lichtenfels  zusammen  und  besuchte  abends, 
was  er,  der  Pferdekenner  und  -liebhaber,  sehr  gern  getan  haben  muß,  den  Zirkus 
Renz.  Mit  dem  nächsten  Tag  aber   setzen   im  Tagebuch  die  ausführlichen   Krank- 


247 


heitsschilderungen  ein,  und  vom  4.  ab  konsultiert  er  Dr.  Breuer.  Am  7.  befragt 
er  auch  Professor  Schrötter.  Aber  noch  am  8.  hat  er  mit  dem  Kostümmeister  des 
Operntheaters  Burghart  zu  tun.  Dienstag  den  12.  schreibt  er  in  sein  Tagebuch: 
„Heute  früh  am  schlimmsten,  vollkommen  gebrochen,  die  Kräfte  tief  herunten. 
Fieber  dauert  gleichmäßig  fort.  Heute  früh  91  Puls.  Einen  Teil  der  Nacht  habe 
ich  sitzend  im  Bett  zugebracht,  der  Husten  ein  krampfhaftes  Würgen,  kein  Aus- 
wurf, aber  Blut  mit  Schleirh  und  Speichel  vermischt.  Atmen  sehr  erschwert.  Magen- 
zustand wie  gestern  .  .  .  Beim  Ausgehen,  Stiegensteigen  außerordentliche  Atemnot, 
krampfhafter  Husten,  Abgeschlagenheit  in  den  Beinen,  Kräfte  sehr  herunten.  Großer 
Widerwille  zu  essen,  Bedürfnis  zu  trinken  und  Kaltes  zu  trinken.  Wasser?"  Aber 
an  diesem  Tag  macht  er  noch  drei  Besuche:  bei  Dr.  Breuer,  seinem  Bruder  und 
Dr.  Frisch.  Unter  Donnerstag  dem  14.  heißt  es  weiter  im  Tagebuch:  „Diese  Nacht 
die  schlimmste  von  allen,  voll  unsäglicher  Leiden,  die  Luftwege  alle  verstopft, 
unausgesetzt  tief  krampfhaftes,  erschöpfendes  Husten  mit  Rasseln  und  Pfeifen  in 
den  Luftwegen.  Mein  Kopf  wie  zerbrochen,  —  habe  den  größten  Teil  der  Nacht 
sitzend  verbracht.  Die  Nervenschmerzen  durchbohrend.  Hatte  diese  Nacht  einen 
Prießnitzumschlag.  Puls  73,  Blut  37'8.  Entkräftung  außerordentlich.  Früh  und  mittag 
.  .  .  Essen  und  Medizinnehmen  unmöglich.  Milch."  Diesen  Tag  unternahm  er  zu 
Professor  Oser  seinen  letzten  Ausgang.  Freitag  den  15.  legte  er  sich.  An  diesem 
Tage  heißt  es  unter  anderm  im  Tagebuch:  „Meine  gewöhnliche  Reinlichkeits- 
Frühabwaschung  stellte  mir  den  Hochgenuß  vor,  den  mir  der  Sprung  in  einen 
kalten  klaren  See  bereiten  müßte."  Samstag  den  16.  wurde  er  auf  Betreiben  Müllers 
aus  dem  Hotel  Elisabeth,  wo  er  wie  gewöhnlich  wohnte,  ins  Sanatorium  Low 
transportiert.  Er  träg^  an  diesem  Tage  folgendes  ein:  „Äußerste  Entkräftigung  und 
Atemnot  .  .  .  Beide  Füße  seit  vorgestern  angeschwollen."  Sonntag  den  17.  heißt 
es:  „Die  Nacht  vergieng  unter  großer  Atemnot  und  Nervenschwäche.  Heute  der 
Schwächezustand  am  höchsten.  Prof.  Oser.  Fortwährende  Atemnot,  zunehmende 
Schwäche.  Die  Nacht  große  Not,  Erschöpfung  —  Verzweiflung!"  Montag 
den  18.:  „Wie  vorher.  Abends  Oser.  Nacht  Not  und  Erschöpfung.  Schlaflos." 
Dienstag  den  19.:  „Früh  7  Uhr.  Große  Erstickungsnot,  Kräfteverfall!  Ich  kann 
nicht  mehr!" 

Mit  diesen  ergreifenden  Worten  schließen  die  Eintragungen,  die  den  Künstler 
ganz  so  wie  einen  kaltblütigen  Naturforscher,  etwa  einen  Arzt,  bis  knapp  vor  dem 
Tod  als  unerbittlichen  Beobachter  sogar  des  eigenen  Verfalles  zeigen.  Jedenfalls 
geht  aus  diesen  Notizen  auch  hervor,  daß  das,  was  Pettenkofen  in  seiner  letzten 
Lebenszeit  einmal  nachdenklich  und  sehnsuchtsvoll  in  sein  Tagebuch  schreibt: 
„Euthanasie,  das  sanfte  Sterben"  ihm  selbst  nicht  beschieden  war. 

Donnerstag  den  21.  März  um  halb  9  Uhr  früh  wurde  er  erlöst.  Wie  Hogarth, 
dessen  Geburts-  und  Todesdatum  er  sich  gelegentlich  aufschreibt,  erreichte  er  ein 
Alter  von  nicht  ganz  67  Jahren.  Er  starb  in  den  Armen  von  Dr.  Frisch.  Zu  einer 
schleichenden  Entzündung  des  Muskelfleisches  war  eine  Rippenfellentzündung  ver- 
derblich hinzugetreten.  Den  Grund  zu  dieser  soll  eine  Erkältung  gelegt  haben,  die 
er  sich  noch  in  Venedig,  als  er  im  Gäßchen  seines  „Straßenkampfes"  malte,  geholt 
hatte.  Schließlich  machte  seinem  Leben  ein  Herzschlag  ein  Ende. 


248 


Auf  dem  Totenbett  wurde  Pettenkofen  von  Josef  Engelhart,  dem  wienerischesten 
unter  den  Wiener  Malern  der  nächsten  Zeit  und  einem  großen  Verehrer  des  Dahin- 
geschiedenen bis  auf  den  heutigen  Tag,  gezeichnet,  und  diese  Zeichnung  wurde 
dann  mittels  Heliogravüre  vervielfältigt. 

Wie  so  oft  enthält  auch  in  diesem  Fall  der  Partezettel  manches,  was  die  bitterste 
Ironie  des  Verstorbenen  geweckt  hätte;  so  gibt,  wie  nun  schon  einmal  die  übliche 
Phrasierung  lautet,  „schmerzerfüllt  Nachricht  von  dem  ihn  tief  betrübenden  Ableben 
seines  innigstgeliebten  Bruders"  —  Ferdinand  Pettenkofen,    also  just   der   Mensch, 

Dreifaltigkeit      auf 


der  August  Petten- 
kofen innerlich  am 
fernsten  stand;  fer- 
ner tituliert  die  To- 
desanzeige Petten- 
kofen wohl  „k.  k. 
Professor "  und 
„  Ritter  der  eisernen 
Krone  III.  Klasse 
und  des  Franz 
Josef- Ordens  etc. 
etc.,"  deutet  aber 
mit  keiner  Silbe  an, 
daß  er  —  Maler 
war,  und  schließ- 
lich spricht  sie  gar 
von  seinem  —  „  kur- 
zen Leiden!" 

Das  Leichenbe- 
gängnis fand  am 
23.  März  statt.  Der 
Leichnam  wurde 
in  der  Pfarrkirche 
zur    allerheiligsten 


>T;^^"^-"'^*^'' 


,.;•? 


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Bleistiftskizze  zum  „Gil  Blas". 
Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz. 


der  Alserstraße  ein- 
gesegnet und  in 
einem  eigenen  Grab 
auf  dem  Zentral- 
friedhof bestattet. 
Nach  dem  Tode 
Leopold  Karl  Mül- 
lers, der  so  bald, 
schon  am  4.  Au- 
gust 1892,  dem 
Freunde  nachfol- 
gen sollte,  wurden 
die  Leichen  beider 
in  einem  von  der 
GemeindeWien  ge- 
widmeten Ehren - 
grab  beigesetzt.  Es 
ist  mit  einem  Mar- 
mordenkmal von 
der  Hand  Viktor 
Tilgners  geziert : 
an  einem  Obelisken 
sitzt  ein  trauernder 


Mann,  die  Rechte  über  ein  Medaillon  gelegt,  das  die  Profilbildnisse  der  beiden 
Künstler  zeigt.  Tilgner  hat  dieses  Monument  auf  Grund  einer  (hier  abgebildeten) 
flüchtigen  Bleistiftzeichnung  Pettenkofens,  die  sich  in  dessen  Nachlaß  fand,  ausge- 
führt. Die  Zeichnung  ist  aber  keineswegs,  wie  gemeint  wurde,  ein  Entwurf  Petten- 
kofens für  ein  Grabdenkmal.  Derlei  stünde  unter  Pettenkofens  Arbeiten  ganz  ver- 
einzelt da.  Gegen  diese  Annahme  spricht  schon  der  Profilkopf  auf  dem  Medaillon, 
der  trotz  seiner  Flüchtigkeit  dennoch  das  XVIII.  Jahrhundert  erkennen  läßt.  Die 
Zeichnung  ist  vielmehr  eine  rasche  Notiz,  die  sich  Pettenkofen  wie  so  oft  nach 
einem  Kunstwerk  machte,  das  ihm  besonders  gefiel.  Wo  dieses  Grabmal  nun  zu 
suchen  wäre,  weiß  der  Autor  leider  nicht  zu  sagen.  Vielleicht  in  den  Denkmal- 
wäldern de^  P^re  Lachaise  oder  Montmartre. 

Die  Gemeinde  Wien  ehrte  übrigens  Pettenkofen  nicht  bloß  durch  die  Verleihung 


249 


3» 


des  Ehrengrabes,  sondern  auch  durch  die  Taufe  einer  Gasse  im  dritten  Bezirk  auf 
seinen  Namen. 

Noch  im  Herbst  von  Pettenkofens  Todesjahr  fand  eine  ausschließlich  ihm  gewid- 
mete Ausstellung  im  Wiener  Künstlerhaus  statt,  und  im  Jänner  des  folgenden 
Jahres  wurde  ebenda  durch  Miethke  sein  künstlerischer  Nachlaß,  der  nicht  weniger 
als  561  Nummern  umfaßte  und  über  83.000  fl.  einbrachte,  versteigert.  Durch  jene 
Ausstellung  und  durch  diese  Auktion  lernten  die  Wiener  erst  kennen,  was  sie  an 
Pettenkofen  verloren  hatten. 


250 


SIEBENTES  K^VPITEL 

DER  pq^NSTLER 
UND  DER  MENSCH 


as  in  diesem  Kapitel  vorgebracht  wird,    soll  ein  Versuch  sein, 
mit   Hilfe    des   verschiedenartigsten  Materials,    das  sich  in   das 
Gewebe  der  chronologischen  Darstellung  nur  schwer  hätte  ein- 
flechten lassen,  nochmals  und  zwar  geschlossener  und  von  allem 
außerhalb  der  Persönlichkeit  Liegenden  unabhängiger,    als  dies 
bisher   geschehen  konnte,    ein  Bild   von  Pettenkofens  äußerem 
und  innerem  Menschen  zu  entwerfen. 
Mit  dem   äußeren  Menschen,    der  zugleich  Matrize  und  Abguß  des  inneren  ist, 
sei  begonnen.     Er   wird   uns   vor   allem    durch   eine   Reihe    von   Bildnissen    nahe 
gebracht. 

Das  älteste  Porträt,  das  von  Pettenkofen  vorhanden  ist,  stellt  ihn  als  zehn-  bis 
zwölfjährigen  Jungen  dar.  Der  dilettantischen  Aquarellminiatur,  die  von  der  Hand 
von  Pettenkofens  Vetter  Theodor  Mayer  stammt,  ist  aber  nicht  sehr  zu  trauen,  da 
sie  die  Augen  hellbraun  statt  hellgrau  zeigt.  0 

Das  nächste  Bildnis  führt  Pettenkofen  als  Kadetten  bei  den  Bayern-Dragonern 
vor,  den  Helm  auf  dem  Haupt  und  hoch  zu  Roß.  Das  Original,  eine  Feder- 
zeichnung, ist  eine  gemeinschaftliche  Arbeit  von  Karl  Göbel  und  Pettenkofen  selbst, 
ist  1841  entstanden  und  stellt  daher  Pettenkofen  als  neunzehnjährigen  Jüngling  dar. 
Göbel  hat  die  Hauptfigur,  eben  den  jugendlichen  Pettenkofen,  und  dieser  die  paar 
übrigen  nur  leicht  angedeuteten  Reitergestalten,  die  den  Hintergrund  füllen,  ge- 
zeichnet. Das  Blatt  ist  heute  leider  verschollen.  ^)  Eine  Kopie  darnach  war  am 
16.  April  1889  im  „Illustrierten  Wiener  Extrablatt"  reproduziert.  Da  die  Zeichnung 
dem  Autor  nur  aus  diesem  abgeleiteten  Zeitungscliche  bekannt  ist,  läßt  sich  aus 
diesem  Porträt  auf  Pettenkofens  Aussehen  als  Jüngling  kein  irgendwie  ergebnis- 
reicher Schluß  ziehen.  ') 

Eine  bessere  Vorstellung  von  Pettenkofens  Äußerem  vermittelt  das  schon  er- 
wähnte, in  zwei  eigenhändigen  Exemplaren  erhaltene  kleine  Aquarell  Pettenkofens, 
das  ihn  selbst  und  seinen  Freund,  den  Maler  Franz  Brudermann,  wiedergibt. 
Freilich  wird  auch  auf  die  Bildnistreue  dieser  Arbeit  nicht  allzufest  gebaut  werden 
dürfen.    Es  fallen   der   kleine  Kopf  und,    trotz  des  Gegensatzes   zu  dem   kleineren 


251 


3»* 


Brudermann  mit  dem  Hängebauch,  die  für  den  kaum  Dreißigjährigen  eigentlich  wenig 
schlanke  Gestalt  auf.  Das  Haar  ist  kastanienbraun,  die  bequeme  Haltung  verrät 
gleichwohl  Schnellkraft.  Schon  ist  das  Kinn  ausrasiert,  eine  Barttracht,  die  Petten- 
kofen  bis  an  sein  Lebensende  beibehält.  Auch  der  Vatermörder,  das  mit  der  Hand 
geknotete  weiche  Halstuch  und  die  Virginier-Zigarre  sind  charakteristisch  und 
haben  im  wesentlichen  Pettenkofen  durchs  Leben  begleitet.  Desgleichen  scheint  er 
zur  schönen  Zeit  und  auf  dem  Land  den  weichen  breitkrempigen  Hut  (hier  ist  es 
ein  Strohhut,  auf  einer  aquarellierten  Zeichnung,  die  sein  Logement  darstellt  und 
aus  dem  Besitz  der  Geliebten  stammt,  ist  es  ein  grauer  Filzhut)  bevorzugt  zu 
haben. 

Eine  vom  7.  Februar  1852  datierte  und  „Pepi  Berres"  ')  signierte  Bleistiftzeich- 
nung im  Besitz  der  Damen  Müller,  die  die  Brustbilder  von  Pettenkofen  und 
Brudermann  darstellt,  ist  zu  schwach,  um  irgendwelche  wichtigere  Anhaltspunkte 
zu  liefern. 

Nicht  viel  später  als  die  eben  besprochenen  Porträte,  aber  doch  wohl  bereits 
nach  dem  ersten  Pariser  Aufenthalt,  dürfte  Pettenkofens  gleichfalls  schon  einmal 
genannte  flotte  Aquarellskizze  anzusetzen  sein,  die  ihn  und  die  Geliebte  darstellt. 
Von  einer  Porträtähnlichkeit,  mindestens  der  Gesichter,  kann  hier  infolge  der 
Flüchtigkeit  der  Ausführung  nicht  gesprochen  werden.  Dafür  scheint  die  Haltung 
vorzüglich  wiedergegeben  zu  sein  und  auch  die  Tracht  ist  von  Interesse.  Wie  auf 
dem  Aquarell,  das  Pettenkofen  zusammen  mit  Brudermann  darstellt,  hat  er  auch 
hier  die  Hand  in  der  Rocktasche.  Hier  sieht  er  zum  ersten  Mal  groß  und  schlank 
aus.  Ungemein  persönlich  mutet,  wenngleich  hier  durch  die  um  Haupteslänge 
kleinere  Begleiterin  motiviert,  der  leicht  vor-  und  herabgeneigte  Kopf  an.  Der  Hut 
ist.  ein  sogenannter  Stößer,  d.i.  ein  Zylinder  mit  flacher,  gerader  Krempe.  Dieser 
Stößer  gilt  in  Wien  bis  auf  den  heutigen  Tag,  da  er  freilich  kaum  mehr  auf  der 
Straße  und  nur  selten  noch  auf  der  Bühne  zu  sehen  ist,  als  ganz  besonders 
wienerisch.  Der  Burgtheaterdirektor  Burckhard  und  der  Schauspieler  Martinelli 
haben  ihn  getragen,  jetzt  trägt  ihn  wohl  nur  mehr  der  Klavierfabrikant  Bösendorfer. 
Pettenkofen  scheint  sich  zeitlebens  nicht  von  ihm  getrennt  zu  haben. 

Noch  den  fünfziger  Jahren  gehören  die  vielen  Selbstbildnisse  in  dem  oben  er- 
wähnten Album  von  Pettenkofens  Geliebter  an,  das  aus  illustrierten  phantastischen 
Episteln  zusammengestellt  ist.  Freilich  ist  hier  alles  leicht  karikiert,  trotzdem 
werden  namentlich  gewisse  Bewegungen  der  schlanken,  elastischen  Gestalt  zweifel- 
los treu  festgehalten  sein.  Auf  einer  mit  der  Feder  gezeichneten  Schlußvignette  des 
Fragmentes  eines  Briefes  an  die  Geliebte,  der  höchstwahrscheinlich  auch  noch  den 
fünfziger  Jahren  angehört  und  sich  dermalen  im  Besitz  des  Autors  befindet,  sind 
zum  ersten  Mal  die  sogenannten  Sechser  zu  erkennen,  d.  h.  die  von  hinten  nach 
vorne  im  Bogen  aufwärts  übers  Ohr  gekämmten  Haare.  Auch  das  ist  eine  typische 
altösterreichische  Mode,  Schmerling  trug  sich  z.  B.  so. 

Die  nächsten  Bildnisse  sind  bereits  Photographien.  Sie  stammen  jedenfalls  schon 
aus  den  sechziger  Jahren  und  veranschaulichen  demnach  Pettenkofen  als  reifen 
Mann,  zu  Beginn  oder  in  der  Mitte  der  Vierzig.  Von  Aufnahmen  in  Visiteformat 
geben  ihn  zwei  mit  ganz  geringen  Verschiedenheiten  in  ganzer  Figur  wieder,  eine 

252 


Pettenkofen  und  Brudermann  in  Kloster- 
neuburg.  Aquarell. 
Wien,  Dr.  Albert  Figdor. 


dritte')  ist  ebenso  wie  eine  Aufnahme  in  Kabinett- 
format ein  Bruststück,  Auch  dieser  Fall  beweist  wieder 
die  grundlegende  Bedeutung  der  Photographie.  Denn 
so  interessant  und  zum  Teil  künstlerisch  wertvoll  die 
bisher  besprochenen  Porträte  auch  sind,  so  gewinnt 
derjenige,  welcher  Pettenkofen  nicht  gekannt  hat,  doch 
erst  angesichts  dieser  Photographien  den  Eindruck, 
nunmehr  mit  Pettenkofens  Äußerem  einigermaßen  ver- 
traut zu  sein.  Auf  den  Visitebildern  fällt  der  ernste, 
beinahe  finstere  Ausdruck  auf.  Das  Auge  beobachtet 
mit  ruhiger  Schärfe.  Die  Stirn  ist  hoch.  Das  auf  dem 
Scheitel  schon  etwas  gelichtete  Haar  ist  in  der  Mitte 
abgeteilt,  das  Kinn  zeigt  ein  Grübchen.  Die  Haltung 
ist  vornehm-nachlässig,  der  Kopf  trotz  der  zwar  nicht 
sieht-,  aber  fühlbaren  Stütze  des  Photographen,  die 
ihn  etwas  steif  aufrecht  hält,  abermals  leicht  vor- 
geneigt. Die  Linke  hält  einen  Stößer.  Anderes,  teils 
weniger,  teils  mehr,  sieht  man  auf  dem  Brustbild  in  Kabinettformat.'')  Der  Blick 
ist  leerer,  doch  läßt  sich  hier  zum  ersten  Mal,  sieht  man  von  dem  Kinderbildnis 
ab,  die  helle  Farbe  der  Iris  erkennen.  Die  Stirn  erscheint  etwas  niedriger  und 
weniger  steil.  Die  proportionierte  Nase  ist  deutlich  als  gerade  zu  erkennen.  Viel- 
sagend ist  der  Mund  mit  der  sinnlich  vollen,  beinahe  ein  bißchen  derb  aufge- 
worfenen Unterlippe. 

Nun  vergehen  etwa  anderthalb  Jahrzehnte,  bis  sich  Pettenkofen  wieder  porträ- 
tieren läßt.  Am  8.  Mai  1878  schreibt  er  aus  Paris  an  Franz  Xaver  Mayer:  „Es 
ist  sehr  freundlich,  daß  Sie  mich  an  meine  Photographie  erinnern;  ich  werde  sie 
machen  lassen,  sobald  ich  mich  wieder  etwas  frischer  fühle.  Es  ist  des  besseren 
Eindruckes  wegen."  Zu  dieser  Photographie  scheint  es  aber  nicht  gekommen  zu 
sein.  Dagegen  wurde  Pettenkofen  einem  schriftlichen  Zeugnis  zufolge  das  Jahr 
darauf  von  Lenbach  porträtiert.  Der  schon  erwähnte  Alexander  Günther  schreibt 
nämlich  über  das  in  seinem  Besitz  befindliche  Bild  am  24.  Jänner  1890  aus  München 
an  Leopold  Karl  Müller:  „Mein  Porträt  ist  1879  gemalt,  es  ist  das  einzige,  welches 
ein  vollständiges  Bild  Pettenkofens  und  zwar  von  seiner  sympathischen  Seite  gibt 
und,  wenn  es  photographiert  wird,  werde  ich  sehr  gerne  Ihnen  und  Ihren  Fräulein 
Schwestern  Exemplare  der  Photographie  zustellen."  Es  ist  das  hier  abgebildete 
Pastellporträt  von  der  Hand  Lenbachs,  von  dem  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag 
zwei  Photographien  im  Besitz  der  Damen  Müller')  erhalten  haben.  Auf  diesem 
Bild  nun,  das  Lenbach  sehr  genau,  aber  weniger  eindrucksvoll  in  Öl  wiederholt 
hat,  *)  sieht  Pettenkofen  nicht  nur  gealtert,  sondern  auch  kränklich  aus.  Das  Gesicht 
ist  zugleich  hagerer  und  schwammiger  geworden.  Das  Haar  läßt  den  Scheitel  be- 
reits bloß,  ist  angegraut  und  nicht  mehr  so  sorgfältig  gepflegt  wie  früher,  fast  ein 
bißchen  verwildert.  Nach  Lenbachs  Art  ist  —  auf  dem  Pastell  mehr  als  auf  dem 
Ölbild  —  der  Blick  der  hellen  Augen  besonders  herausgearbeitet.  Stärker  noch  als 
auf  der  Kabinettphotographie  ist  der  beinahe  trotzige,  mindestens  von  stolzer  Selb- 


253 


ständigkeit  zeugende  Zug  um  den  Mund.  Schön  ist  die  Stirn,  deutlich  die  steile 
Doppelfalte  über  der  Nasenwurzel.  Außer  dem  schon  Hervorgehobenen  fallen  die 
rechte  Braue,  die  sich  anders,  nicht  im  selben  flachen  Bogen,  wölbt  als  die  linke, 
die  etwas  schweren  oberen  Lider  und  der  große  fleischige  Lappen  des  hier  zum 
ersten  Mal  ganz  sichtbaren  Ohres  auf. 

Wie  Pettenkofen  am  3.  Juni  1883  aus  Venedig  an  Franz  Xaver  Mayer  schreibt, 
hat  er  das  Jahr  vorher  in  Paris  zur  selben  Zeit,  als  er  am  „Duell  in  der  Au" 
arbeitete,  auch  sich  selbst  in  Pastell  zu  porträtieren  versucht.  Er  scheint  aber  mit 
diesemi  Selbstbildnis  ebensowenig  zufrieden  gewesen  zu  sein  wie  mit  dem  un- 
gefähr gleichzeitigen  Pastellporträt  von  Sedelmeyers  Frau,  das  er  mit  einem  Esel 
signierte.  Während  aber  das  Bildnis  der  Frau  Sedelmeyer  noch  erhalten  ist, 
existiert  das  Selbstporträt  nicht  mehr.  Er  hat  es  sicherlich  mit  eigener  Hand  ver- 
nichtet. 

Lenbach  hat  aber  Pettenkofen  noch  ein  drittes  Mal  gemalt,  im  Jahre  1883,  ^)  als 
Einundsechzigj ährigen  also.  Das  Bild,  das  Franz  Xaver  Mayer  gehört,  ist  besonders 
durch  die  Radierung,  die  William  Unger  darnach  hergestellt "),  und  durch  die  kleine 
Heliogravüre  darnach,  die  den  Katalog  der  Nachlaßauktion  eingeleitet  hat,  bekannt 
geworden.  Lenbach  hat  es  —  wie  übrigens  die  beiden  älteren  Porträte  auch  — 
mit  seinem  vollen  Namen  signiert  und  dadurch  bekundet,  daß  er  es  für  keine 
schlechte  Leistung  seiner  Hand  hielt.  Angesichts  eines  derartigen  Werkes  von 
Lenbach  muß  man  sich  glücklich  preisen,  daß  Pettenkofens  Züge  durch  einen 
solchen  Meister  der  Nachwelt  überliefert  worden  sind.  Doch  schränkt  sich  diese 
Freude  unwillkürlich  ein,  ist  man  in  der  Lage,  die  photographische  Momentauf- 
nahme, die  sich  Lenbach  als  Hilfsmittel  für  das  Porträt  selbst  gemacht  hat ").  niit 
diesem  zu  vergleichen.  Vor  allem  zeigt  die  Photographie  insoferne  mehr,  als  auf 
ihr  noch  der  ganze  rechte  Arm  mit  der  den  Pinsel  haltenden  ausdrucksvollen 
mageren  Hand  und  hinten  auch  noch  die  von  der  Linken  gehaltene  Palette 
sichtbar  sind.  Es  ist  ein  Augenblick  festgehalten,  in  dem  sich  der  mit 
seiner  Arbeit  beschäftigte  Künstler,  den  Pinsel  absetzend,  mit  Haupt  und 
Augen  von  dem  Bild  vor  sich  auf  der  Staffelei  wegwendet  und  auf  jemanden 
blickt,  der  ihn  anspricht.  Die  uns  bereits  vertraute  vorgeneigte  Haltung  des 
Kopfes,  nunmehr  schon  durch  die  leichte  Alterskrümmung  des  Rückgrates 
verstärkt,  fällt  als  besonders  charakteristisch  auf.  Das  Bild  zeigt  Pettenkofen 
viel  aufrechter.  Ein  Vergleich  der  beiden  Antlitze  aber  entscheidet  vollends  zu 
Gunsten  der  Photographie.  Auf  dem  Bilde  ist  alles  runder,  weicher,  mehr  ausge- 
glichen und  darum  farbloser.  Der  Blick  ist  sanfter,  die  Stirn  ist  mehr  gewölbt, 
der  Nasenrücken  ist  nicht  so  scharf,  die  Unterlippe  drängt  sich  weniger  vor,  das 
Haar  ist  ein  bißchen  mehr  geordnet,  aber  auch  der  Körper  ist  voller,  sogar  die 
Spitzen  des  Vatermörders  sind  stumpfer.  Nur  die  etwas  auffällige  Bildung  des 
Ohres  und  die  Kerbe  im  Kinn  treten  beinahe  auf  dem  Gemälde  stärker  hervor  als 
auf  der  Photographie.  Diese  Photographie  ist  vielleicht  das  einzige  Porträt  Petten- 
kofens, das  eine  entfernte  Ähnlichkeit  mit  dem  erhaltenen  Bilde  seines  Vaters  zeigt. 
Manche  wollen  auch  auf  der  Lenbachschen  Photographie  Pettenkofens  Typus  un- 
garisch, ja  geradezu  zigeunermäßig  finden. 


.254 


Pettenkofen.  Photographie. 


Das  Porträt  Lenbachs  ist  das  letzte,  das  von  Petten- 
kofen bei  seinen  Lebzeiten  gemacht  wurde. 

Das  nächste,  die  schon  erwähnte  in  Heliogravüre 
vervielfältigte  Zeichnung  Josef  Engelharts,  ^■)  stellt 
Pettenkofen  bereits  auf  dem  Totenbett  dar,  und  gar 
erst  ein  paar  Jahre  nach  seinem  Hinscheiden  schuf 
Viktor  Tilgner  das  wenig  ansprechende,  die  greisen- 
haften Züge  fast  bis  zur  Grimasse  geschärft  wieder- 
gebende Profilbildnis  Pettenkofens  an  dessen  und 
Leopold  Müllers  Grabstein.")  — 

Die  Zartheit  von  Pettenkofens  Gestalt  wird  durch 
sein  Körpergewicht  verbürgt,  das  er  von  Zeit  zu  Zeit 
gewissenhaft  verzeichnet.  So  findet  sich  z.  B.  auf 
einem  Zettel  die  Notiz:  „1857,  19.  März.  Gewogen 
124  Pfd.  .  .  .",  und  im  Tagebuch  heißt  es  beispiels- 
weise am  30.  November  1869 :  „Gewogen  124  Pfund, 
vor  Tisch,  leichte  Kleidung"  oder  am  2.  August  1873: 
„Gewogen  125  Pfund  Vj,  leichter  Anzug"  oder  am 
1.  September  1884:  „Gewogen  ohne  Rock  und  Hut, 
Herbsthosen  66  kg  700  g."  Noch  in  späteren  Jahren  war  er  so  gelenkig,  daß  er 
ein  Bein  über  den  Nacken  schlagen  und  in  lustiger  Gesellschaft  beim  Champagner 
vorzüglich  demonstrieren  konnte,  wie  man  in  Paris  Cancan  tanze  —  ein  Tanz,  der 
ihm  übrigens  nach  seinem  eigenen  Geständnis  in  den  phantastischen  Briefen  an 
die  Geliebte  vom  Jahre  1852  schon  als  jungem  Menschen  und  zwar  nicht  bloß  vom 
Zusehen  her  bekannt  gewesen  sein  muß. 

Sehr  scharf  waren  bis  in  sein  Alter  seine  Sinne.  Wohl  kam  es  vor,  daß  er  als 
Sechzigjähriger  beweglich  über  die  Abnahme  seiner  Sehschärfe  klagte,  sein  Freund 
„Leo"  vermochte  ihn  aber  leicht  von  der  Grundlosigkeit  oder  Übertriebenheit 
solchen  „Lamentos"  zu  überzeugen.  Wenn  Pettenkofen  längst  die  Beschwerde  über 
seine  Augen  vergessen  hatte,  warf  Müller,  etwa  auf  eine  ferne  Kirchenuhr  zeigend, 
herausfordernd  hin:  „Du  behauptest  immer.  Du  hättest  so  gute  Augen,  wie  viel 
Uhr  es  aber  jetzt  dort  am  Turm  ist,  siehst  Du  doch  nicht."  Pettenkofen,  die  Falle 
nicht  ahnend  und  auf  sein  scharfes  Gesicht  stolz,  sagte  dann:  „Oho,  das  seh'  ich 
schon  noch"  und  las  zum  großen  Gaudium  Müllers  die  Zeit  richtig  ab. 

Pettenkofen  war  ein  starker  Esser,  genierte  sich  aber  wegen  seines  Appetites. 
Das  soll  der  Grund  gewesen  sein,  warum  er  z.  B.  Sedelmeyers  Einladung,  an 
dessen  Tisch  zu  speisen,  ablehnte.  Sein  guter  Magen  blieb  ihm  bis  an  sein  Ende 
treu,  und  klagte  er  gleich  auch  über  ihn,  so  berichtigte  er  sich  doch  auch  in  diesem 
Falle  und  abermals  vor  Müller  als  halbgeärgertem,  halb  belustigtem  Zeugen  durch  ein 
mehr  als  ausgiebiges  „Einverleibungsfest",  das  dem  gesündesten  Magen  zur  Ehre 
gereicht  hätte,  nach  nicht  zu  langer  Zeit  und  aufs  gründlichste  selbst. 

War  nun  schon  einmal  von  der  einen  der  beiden  Hauptkräfte,  durch  die  Natur 
das  Getriebe  der  Welt  zusammenhält,  von  dem  Hunger,  die  Rede,  so  soll  auch 
die  andere,  die  Liebe,  nicht  unerwähnt  bleiben.  Daß  diesem  Triebe  in  Pettenkofens 


255 


Leben  keine  unbedeutende  Rolle  zugefallen  ist,  verrät  der  sinnliche  Mund,  der  uns 
schon  von  den  Porträten  her  bekannt  ist.  Dem  einigermaßen  weltkundigen  Be- 
trachter von  Pettenkofens  Leben  könnte  es  ferner  auch  ohne  die  diesbezüglichen 
Hinweise  der  mündlichen  Überlieferung  unmöglich  verborgen  bleiben,  daß  ihn  das 
andere  Geschlecht  sehr  viel  Geld  gekostet  hat.  Richtig  ist,  daß  andere  Personen 
aus  Pettenkofens  Arbeiten  sehr  viel  besser  Kapital  zu  schlagen  gewußt  haben  als 
er  selbst  und  daß  er  für  seinen  Bruder  hat  sorgen  müssen,  trotzdem  blieben  bei 
seinem  Fleiße  und  den  keineswegs  unbeträchtlichen  Summen,  die  ihm  immerhin 
für  seine  Bilder  bezahlt  wurden,  seine  ihn  durchs  ganze  Leben  begleitenden 
Schulden  schlechterdings  unerklärlich,  setzte  man  nicht  in  sein  Ausgabenkonto  jenen 
von  ihm  im  Tagebuch  allerdings  diskret  verschwiegenen,  ohne  Zweifel  aber  recht 
erheblichen  Posten  ein.  Eine  verständlichere  Sprache  als  Vermutungen  und  Andeu- 
tungen aber  führen  gewisse  freie  Zeichnungen,  die  sich  von  Pettenkofens  Hand 
erhalten  haben.  Daß  diese  Blätter  höchst  wahrscheinlich  gegen  seinen  Willen  auf 
die  Nachwelt  gekommen  sind,  ist  eine  Sache  für  sich,  die  aber  den  Historiker  na- 
türlich nicht  dazu  veranlassen  kann,  diese  Erzeugnisse  übermütiger  und  üppiger 
Stunden  ganz  mit  Stillschweigen  zu  übergehen.  Die  Zeichnungen  erzählen  mit 
vollendeter  Künstlerschaft  und  gutem  Humor  von  „Meister  Istes"  Triumphen  und 
„Grillen". 

Der  Frau  Leopoldine  Mayer  hat  Pettenkofen  einmal  auf  die  Frage,  warum  er  nicht 
geheiratet  habe,  geantwortet,  weil  er  eine  Frau  nicht  hätte  erhalten  können.  Das 
war  nur  insoferne  die  Wahrheit,  als  Pettenkofen,  ohne  ein  Knauser  zu  sein,  als 
älterer  Mann  tatsächlich  die  bei  seiner  Kränklichkeit  ja  nicht  so  unbegründete  Angst 
hatte,  er  werde  mit  seinem  Gelde  nicht  auskommen.  Wenn  Müller  in  einem 
Fiaker  fuhr,  so  nannte  er  ihn  einen  Verschwender,  und  als  ihm  während  seiner 
letzten  Krankheit  Müller  zuredete,  doch  in  ein  Sanatorium  zugehen,  sagte  er:  „So 
was  kann  ich  mir  nicht  leisten,  da  bin  ich  zu  arm."  Müller  mußte  ihn  schließlich 
eigenmächtig  ins  Sanatorium  Low  schaffen  lassen.  —  Für  Pettenkofens  Jungge- 
sellentum  war  natürlich  jenes  Verhältnis,  das  in  die  Blütezeit  seines  Lebens  fällt, 
ein  triftigerer  Grund  als  die  Unzulänglichkeit  seiner  Mittel.  — 

Das  Aussehen  eines  Menschen  wird  durch  die  Art,  wie  er  sich  kleidet,  kaum 
weniger  bestimmt,  als  durch  seine  Leiblichkeit.  Zu  dem,  was  schon  früher  anläß- 
lich der  Bildnisse  Pettenkofens  von  seiner  Tracht  gesagt  worden  ist,  seien  folgende 
paar  Bemerkungen  nachgetragen:  Pettenkofen  hielt  zeitlebens  etwas  auf  sein 
Äußeres  und  trug  sich,  wenn  schon  nicht  elegant,  so  doch  gewählt  und  sorgfältig. 
Jedenfalls  machte  er  einen  sehr  distinguierten,  keineswegs  einen  vernachlässigten 
Eindruck.  Am  Schlüsse  seines  Lebens  haftete  ihm  vielleicht  ein  bißchen  etwas  Alt- 
modisches an.  Er  sah  wie  ein  „Offizier  in  Zivil",  wie  ein  „Kavalier"  aus,  eine 
aristokratische  Dame  nannte  ihn  den  „Diplomaten"  oder  den  „Lord".  Als  junger 
Mensch  mag  er  wohl  etwas  eitel  gewesen  sein.  Müller  neckte  ihn  später  gern  mit 
der  Behauptung,  er  habe  ihn  in  jungen  Jahren  oft  zum  Friseur  gehen  sehen,  sich 
dort  die  Haare  brennen  zu  lassen. 

Seine  vom  Wiener  Dialekt  fast  völlig  freie  Redeweise  war  gemessen  und  poin- 
tiert. Doch  kam,  im  Disput  mit  einem  Freunde  etwa,  gar  leicht  sein  Temperament 


256 


f 


zum  Durchbruch,  und  dann  sprach  er 
immer  schneller  und  lauter  und  gestiku- 
lierte dabei  aufs  lebhafteste.  Tilgner  äußerte 
sich  einmal  sehr  amüsiert  über  eine  solche 
Szene,  die  Pettenkofen  und  Müller  in 
seinem  Atelier  aufgeführt  hatten.  Einer 
suchte  den  andern  an  Heftigkeit  der  Ge- 
berde und  des  Wortes  zu  überbieten,  es 
war,  als  ob  zwei  Vollblutitaliener  mitein- 
ander stritten,  und  Tilgner  erkundigte  sich 
nachher  bei  Fräulein  Marie  Müller,  ob 
diese  Art  der  Konversation  Müller  von 
Pettenkofen  oder  Pettenkofen  von  Müller 
angenommen  habe. 

Pettenkofens  Schrift  ist  sein  Leben  lang 
angenehm  und  leicht  leserlich.  Ist  sie 
noch  zu  Beginn  der  fünfziger  Jahre  klein 
und  eng  und  dünn,  so  dehnt  sie  sich  im 
Lauf  der  Jahre  mehr  auseinander  und 
wird  stärker  und  größer.  Sie  ist  auch 
sehr  flüssig,  was  allein  schon  dafür 
spräche,  daß  die  Feder  zu  führen  nichts 
Ungewöhntes  für  ihn  war.  Ein  paar  da- 
tierte   Schriftproben    sind   im   Anhang   mitgeteilt. 

Pettenkofens  Handschrift  möge  zu  seiner  Bildung  hinüberleiten.  Sie  war  selbst- 
verständlich nichts  weniger  als  systematisch.  Bevor  er  als  fünfzehnjähriger  Junge 
an  der  Akademie,  in  deren  Elementarschule  er  schon  mit  zwölf  Jahren  gekommen 
war,  die  historische  Zeichenklasse  Kupelwiesers  besuchte,  hatte  er  im  besten  Falle 
eine  Hauptschule  oder  die  vier  Grammatikaiklassen  eines  Gymnasiums  absol- 
viert. ")  Frühzeitig  hieß  es  verdienen,  die  Militärjahre  kamen  dazwischen,  und  der 
außergewöhnliche  Fleiß,  den  er  in  seinem  Beruf  entfaltete,  ließ  ihm  gerade  in 
jenem  Alter,  in  dem  der  Mensch  den  Grund  zu  seinem  Wissen  zu  legen  pflegt, 
keinerlei  Muße,  seine  allgemeine  Bildung  zu  vervollkommnen.  Etwas,  das  man  bei 
ihm,  der  so  viel  gereist  ist  und  so  viel  im  Ausland  gelebt  hat,  vielleicht  zuerst 
erwarten  möchte,  die  Kenntnis  fremder  Sprachen,  eignete  ihm  nur  auf  sehr  un- 
vollkommene Weise.  Unter  seinen  Aufzeichnungen  fallen  die  vielen  Fremdwörter 
und  Zitate  aus  anderen  Sprachen  mit  beigefügten  Verdeutschungen  auf.  Wie  er 
kein  Sprachentalent  besaß,  so  ermangelte  er  auch  der  damit  so  häufig  verbundenen 
musikalischen  Begabung,  ja  er  scheint  sogar  jedes  Interesses  für  die  Musik  bar 
gewesen  zu  sein,  was  immerhin  merkwürdig  ist,  da  doch  sein  Vater  nicht  nur  ein 
großer  Musikfreund,  sondern  auch  selbst  ungewöhnlich  musikalisch  war.  Dagegen 
aber  scheint  er,  was  bei  einem  bildenden  Künstler  bekanntlich  nicht  so  häufig  der 
Fall  ist,  von  Jugend  auf  Sinn  für  Literatur  gehabt  zu  haben  und  immer  ein  fleißiger 
Leser  gewesen  zu  sein.  Dafür  sprechen  zahlreiche  Lesefrüchte,  Titel  von  noch  zu 


Pettenkofen.  Photographie. 


257 


33 


lesenden  oder  bereits  gelesenen  Werken,  die  er  sich  notiert  hat,  und  vor  allem  die 
schöne  Bibliothek,  die  er  hinterlassen  hat. 

Auf  Grund  dieses  Materials  sei  im  folgenden  versucht,  ein  Bild  von  Pettenkofens 
Lektüre  zu  entwerfen.  Da  sich  nicht  nur  aus  den  Leuten,  mit  denen  jemand  um- 
geht, sondern  auch  aus  den  Büchern,  die  er  liest,  erkennen  läßt,  wer  er  sei,  wird 
schon  dieser  Überblick  einen  wertvollen  Beitrag  zur  Kenntnis  von  Pettenkofens 
innerem  Menschen  liefern. 

Unter  den  Büchern  aus  Pettenkofens  Besitz  fallen  zwei  Kategorien  besonders 
auf:  die  antiken  Klassiker  und  die  Reisebeschreibungen.  Der  letzteren  Zusammen- 
hang mit  des  Künstlers  oft  besprochenem  Wandertrieb  liegt  auf  der  Hand.  Doch 
fällt  auf,  daß  die  Schilderungen  von  Entdeckungsreisen  und  exotischen  Ländern 
einen  so  breiten  Raum  einnehmen.  So  sind  zum  Beispiel  vorhanden :  Stucks  „Ver- 
zeichnis von  altern  und  neuern  Land-  und  Reisebeschreibungen",  die  „Sammlung 
der  besten  Reisebeschreibungen",  „(Forsters)  Magazin  von  merkwürdigen  neuen 
Reisebeschreibungen",  die  „Geschichte  der  geographischen  Entdeckungsreisen" 
(aus  der  „Allgemeinen  deutschen  Taschenbibliothek"),  Robertsons  „Reise  in  die 
mittäglichen  Länder,  oder  nach  Australien",  „Naturgemähide  der  neu  entdeckten 
Polar-  und  Tropenländer",  Bechtingers  Buch  „Ein  Jahr  auf  den  Sandwich-Inseln", 
Irvings  „Reisen  der  Gefährten  des  Columbus",  Bemal  Diaz  del  Castillos  „Ent- 
deckung und  Eroberung  von  Mexiko",  De  la  Casas'  „Verheerung  Westindiens", 
Les  Ynca  Garcilasso  de  la  Vegas  „Geschichte  der  Eroberung  von  Florida",  des 
Jesuitenpaters  Wolfgang  Bayer  „Reise  nach  Peru",  Francisco  de  Xerez'  „Geschichte 
der  Entdeckung  und  Eroberung  Peru's".  Die  letztgenannten  Werke  verraten  ein 
besonderes  Interesse  an  den  von  den  Spaniern  entdeckten  und  eroberten  Gebieten 
der  neuen  Welt.  Die  ganz  außergewöhnliche  Stärke  dieses  Interesses  wird  noch 
überdies  durch  die  Menge  der  auf  verschiedene  Zettel  geschriebenen  Titel  von 
einschlägigen  Büchern  bezeugt,  die  in  der  Anmerkung'')  zusammengestellt  sind. 
Daß  Pettenkofen  diese  Werke,  wenn  auch  vielleicht  nicht  alle,  wirklich  gelesen 
hat,  geht  daraus  hervor,  daß  sich  auf  den  Zetteln  das  eine  oder  andere  notiert 
findet,  das  er  sich  später  sogar  selbst  gekauft  hat.  Das  Bestreben,  über  die  um- 
fängliche Literatur  der  Reisebeschreibungen  möglichst  gut  orientiert  zu  sein,  er- 
hellt ferner  aus  folgenden  verschiedentlich  notierten  Büchertiteln:  Acosta,  Der  Je- 
suiten Reisebuch;  Bekmann,  Literatur  der  älteren  Reisebeschreibungen,  2  Bände, 
Göttingen  1807;  Kapitän  Bligk,  Reisehandbuch;  Dufau  und  Guadet,  Vollstän- 
diges Handwörterbuch  der  wichtigsten  geographischen  Entdeckungen  bis  1542, 
Halle  1792;  William  Rocher,  Kolonien,  Leipzig  1856,  2.  Auflage.  Etliche  Zitate 
zeigen  Pettenkofen  außerdem  mit  den  Schriften  Alexander  v.  Humboldts  wohl 
vertraut. 

Pettenkofens  Guidensammlung  kommt  an  sich  nur  eine  geringe  Bedeutung  zu, 
doch  ist  manches  dieser  Büchlein  schon  allein  durch  sein  Datum  interessant:  Ein 
Führer  durch  Linz  und  vom  Salzkammergut  ist  vom  Jahre  1851,  einer  durch  Havre 
vomi  Jahre  1853,  einer  durch  Prag  und  einer  durch  Berlin  und  Potsdam  vom  Jahre 
1858,  einer  durch  Verona  vom  Jahre  1859  datiert.  Da  man  sich  in  der  Regel  das 
zuletzt  erschienene  Reisehandbuch  kauft,  so  erlaubt  die  Jahreszahl  1867  auf  einem 


258 


französischen  Führer  durch  Spanien 
und  Portugal  den  Schluß,  daß  Petten- 
kofen  schon  in  diesem  Jahre  oder 
doch  in  einem  der  allernächsten  die 
oft  geplante  aber  niemals  unter- 
nommene Reise  nach  der  iberischen 
Halbinsel  ins  Auge  faßte.  Für  diesen 
Reiseplan  sprechen  in  seiner  kleinen 
Kartensammlung  auch  die  drei  Karten 
von  Spanien  und  Portugal.  Sein  Inter- 
esse an  Spanien,  das  ja  auch  das  Vater- 
land seines  Freundes  Fortuny  und 
des  von  ihm  so  hoch  verehrten  Velas- 
quez  ist,  kommt  überdies  in  der  ihm 
gehörenden  „Geschichte  Spaniens" 
von  Belmont  und  in  folgenden  zwei 
von  ihm  notierten  Büchertiteln  zum 
Ausdruck:  Graf  Schack  (Pettenkofen 
schreibt  „Jaques!")  „Die  Poesie  und 
Kunst  der  Araber  in  Spanien  und 
Sizilien"  und  Mendoza  „Geschichte 
der  Empörung  der  Mauren  in  Gra- 
nada". An  einen  anderen  oft  erwo- 
genen und  gleichfalls  nicht  zur  Aus- 
führung gelangten  Reiseplan  erinnern 
die  Titel  zweier  Bücher  von  Buchta 

über  das  moderne  Ägypten:    „Der  Sudan  und  der  Mahdi"   und  „Der  Sudan  unter 
ägyptischer  Herrschaft " . 

Ist  die  reiche  Reiseliteratur  die  eine  Besonderheit  von  Pettenkofens  Bibliothek, 
so  ist  die  Sammlung  von  Übersetzungen  antiker  Klassiker  unzweifelhaft  die  zweite 
Merkwürdigkeit,  die  sie  aufzuweisen  hat.  Seine  Bücherei  enthielt,  fast  durchwegs 
in  Langenscheidtschen  Übersetzungen,  folgende  alte  Autoren :  Aeschylos,  Aristoteles 
(„Naturgeschichte  der  Tiere"),  Bion,  Caesar,  Cicero,  Homer  (eine  Ausgabe  mit 
Umrißstichen  nach  Genelli),  Horaz,  Longos  („Daphnis  und  Chloe"  und  zwar  in 
zwei  deutschen  Übersetzungen  und  in  einer  französischen;  diese  sich  im  Besitz 
von  nicht  weniger  als  drei  Übersetzungen  ausdrückende  Vorliebe  ist  immerhin  auf- 
fällig; sollte  sich  Pettenkofen  am  Ende  gar  mit  dem  Gedanken  getragen  haben, 
die  berühmte  Hirtengeschichte  zu  illustrieren?),  Lukian,  Marc  Aurel,  Martial, 
Moschos,  Nepos,  Plato  (nur  den  „Phaedon"),  Plinius  den  jüngeren,  Plutarch,  Sallust, 
Seneca,  Strabo,  Tacitus,  Theokrit,  Thukydides  und  Vitruv.  Juvenal  und  Ovid  finden 
sich  notiert.  Die  Aufzeichnung  von  Friedländers  „Römischer  Sittengeschichte"  und 
der  Besitz  der  „Geschichte  des  Altertums"  von  Pütz  und  zweier  Karten  zur  alten 
Geschichte  und  eines  dazu  gehörenden  Namensverzeichnisses  legen  weiteres  Zeugnis 
ab  für  Pettenkofens  gründliches  Interesse  am  Altertum. 


Pettenkofen.  Pastellbild  von  Franz  Lenbach. 


259 


33* 


Durchaus  des  Lateinischen  unkundig  kann  er  nicht  gewesen  sein,  sonst  fände 
sich  in  seiner  Bibliothek  wohl  kaum  ein  lateinisches  Lexikon  vor.  Weil  schon  von 
einem  Behelfe  zur  Erlernung  oder  Anwendung  einer  fremden  Sprache  die  Rede 
ist,  so  sei  gleich  auch  erwähnt,  daß  Pettenkofen  nicht  weniger  als  drei  englische 
Sprachbücher  sein  eigen  nannte,  woraus  zur  Genüge  hervorgeht,  wie  ernstlich  er 
eine  Reise  nach  England  geplant  hat. 

Die  übrige  Weltliteratur  war  besonders  durch  folgende  Werke  vertreten:  die 
deutsche  Dichtkunst  durch  Wieland  (Gesamtausgabe),  Lichtenberg  (Ausgewählte 
Werke),  Herder  („Legenden"),  Goethe  (Gesamtausgabe  und  „Faust"),  die  englische 
durch  Shakespeare  (Gesamtausgabe  und  „Timon  von  Athen")  und  Byron  (Gesamt- 
ausgabe), die  italienische  durch  Dante,  Boccaccio  und  Ariost  und  die  spanische 
durch  Cervantes  („Don  Quijote").  Von  Lesage,  Pettenkofens  Lieblingsdichter,  enthält 
seine  Bibliothek  außer  den  schon  erwähnten  Ausgaben  des  „Gil  Blas"  noch  den 
„Guzman  von  Alfarache"  und  den  „Baccalaureus  von  Salamanca";  die  „Geschichte 
des  Estebanel  Gonzales"  ist  notiert.  Merkwürdigerweise  weder  von  Pettenkofen 
aufgezeichnet  noch  unter  seinen  Büchern  findet  sich  der  „Hinkende  Teufel". 

Bereitet  die  Einzelausgabe  des  „Timon  von  Athen"  auf  die  Züge  von  Menschen- 
verachtung vor,  die  sich  bei  Pettenkofen  gegen  Schluß  seines  Lebens  zu  feststellen 
lassen,  so  verrät  sich  sein  Hang  zur  Satire,  abgesehen  von  Cervantes,  Lichtenberg 
und  Wieland,  durch  Butlers  „Hudibras",  eine  französische  Ausgabe  des  „Till  Eulen- 
spiegel" und  —  die  Goethesche  Bearbeitung  nicht  mitgezählt  —  zwei  verschiedene 
Ausgaben  des  Tierepos  von  Reineke  Fuchs. 

Ferner  ist  eine  Vorliebe  für  Biographien,  besonders  für  Autobiographien,  unver- 
kennbar. Es  finden  sich  nämlich  unter  Pettenkofens  Büchern  die  Tiecksche  Aus- 
gabe des  „Escudero  Marcos  Obregon",  ferner  Quevedo  Villegas'  „Geschichte  und 
Leben  Don  Paul's"  und  notiert  sind  die  Beschreibungen,  die  Hans  von  Schweinichen 
und  Schärtlin  von  Burtenbach  von  ihren  Leben  hinterlassen  haben.  Wie  schon  in 
vielen  der  früher  genannten  Werke,  so  kommt  besonders  in  diesen  Biographien, 
einem  Buch  wie  dem  „Meier  Helmbrecht",  das  gleichfalls  zu  Pettenkofens  Bibliothek 
gehört,  und  den  Romanen  des  Lesage,  —  literarischen  Arbeiten,  in  denen  allen 
eine  bestimmte  Zeit  entweder  durch  jemanden,  der  in  ihr  gelebt  hat,  oder  durch 
jemanden,  der  sich  auf  Grund  eingehender  Studien  mit  ihr  besonders  vertraut  ge- 
macht hat,  anschaulich  geschildert  wird,  —  jener  ausgeprägte  Wirklichkeitssinn  zum 
Ausdruck,  der  für  den  produktiven  und  den  rezeptiven  Pettenkofen  in  gleicher 
Weise  charakteristisch  ist. 

Die  Belletristik  der  eigenen  Zeit  spiegelt  sich  besonders  in  folgenden  Werken 
wieder:  in  des  älteren  Dumas  „Drei  Musketieren"  und  einer  ihrer  Fortsetzungen, 
in  ein  paar  Romanen  Paul  de  Kocks,  in  Turgenjews  „Gedichten  in  Prosa",  in  Heines 
„Buch  der  Lieder",  „Romanzero"  und  „Neuen  Gedichten"  und  in  den  Gedichten  Frei- 
ligraths.  In  Freiligraths  Versen  mag  Pettenkofen  das  Exotische,  in  den  Romanen  von 
Dumas  pöre  das  Milieu  des  von  ihm  so  geliebten  XVII.  Jahrhunderts,  bei  Heine  und 
Paul  de  Kock  das  pikante,  bei  Heine  überdies  das  satirische  Moment  angezogen  haben. 

Dieser  leichteren  Ware  sei  Pettenkofens  allerdings  kärglicher  Besitz  an  philo- 
sophischen Werken   gegenübergestellt.    Von   Kant  sind  die  „Naturgeschichte    und 


260 


Theorie  des  Himmels",  die  „Kritik 
der  praktischen  Vernunft"  und  die 
„Macht  des  Gemüts"  vorhanden. 
Hegel  ist  vollständig  da,  hingegen 
fehlt  interessanter  Weise  Schopen- 
hauer. Renans  „Leben  Jesu"  leitet 
zur  Kirchengeschichte  über,  die  gleich 
der  Geschichte  der  Päpste  durch  ein 
altes  Werk  vertreten  ist.  Zwei  alte 
Bibeln  dürfen  wohl  hier  eingefügt 
werden. 

Königs  „Philosophie  der  schönen 
Künste"  (Nürnberg  1784)  stellt  die 
Brücke  zu  den  Büchern  über  die  bil- 
dende Kunst  her.  Zuerst  seien  die 
theoretischen  Werke  angeführt:  Böck- 
lerns  „Radier -Büchlein"  (Nürnberg 
1669),  Dauws  „Kunst-Erfahrner,  cu- 
rieuser,  galanter,  doch  aber  zugleich 
erbaulicher  Schilder  und  Mahler" 
(Kopenhagen  1721),Lairesses  „Großes 
Mahler-Buch"  in  drei  Bänden  (Nürn- 
berg 1784),  Schäffers  Ausgabe  des 
Handbuches  der  Malerei  vom  Berge 
Athos,  Ilgs  Ausgabe  der  Tractate 
des  Heraclius,  des  Cennini  und  des 
Biondo,  Ludwigs  (den,  wie  wir  wissen,  Pettenkofen  persönlich  gekannt  hat)  Aus- 
gabe von  Lionardo  da  Vincis  Trattato  della  Pittura,  Schönbrunners  (des  Direktors 
der  Albertina,  deren  fleißiger  Besucher  Pettenkofen  war)  „Verschiedene  Malarten". 
Notiert  findet  sich  eine  ganze  Menge  alter,  natürlich  fast  nur  italienischer  Künstler- 
geschichten, die  in  der  Anmerkung'")  aufgezählt  werden  mögen.  Von  kunsthistorischen 
Werken  im  engeren  Sinne  des  Wortes  sind  nur  folgende  vorhanden:  Springers 
„Handbuch  der  Kunstgeschichte"  (die  mit  einem  Vorwort  Friedrich  Theodor  Vischers 
versehene  Ausgabe  vom  Jahre  1855),  Guhls  „Künstlerbriefe"  und  „Vorträge  und 
Reden  kunsthistorischen  Inhalts"  und  als  einzige  Künstlermonographie:  Stirlings 
„Velasquez".  Pettenkofens  Interesse  an  aktuellen  Fragen,  die  den  Stand  der  bil- 
denden Kunst  seiner  Heimat  betreffen,  offenbart  sich  im  Besitz  von  Waldmüllers 
Broschüre  „Belebung  der  vaterländischen  bildenden  Künste"  (Wien  1857)  und  der 
Schriften  von  Waldmüllers  Gegner  und  Pettenkofens  Freunde  Eitelberger:  „Wie 
steht  die  Kunst  in  Österreich?"  (ein  Separatum  aus  der  Donauzeitung,  worin  Eitel- 
berger vor  der  Londoner  internationalen  Ausstellung  im  Jahre  1862  die  bildende 
Kunst  Österreichs  zu  überblicken  versucht),  „Das  Wiener  Genrebild  vor  dem  Jahre 
1848",  „Die  Plastik  Wien's  in  diesem  Jahrhundert"  (beide  Aufsätze  vom  Jahre  1877) 
und  „Die  Kunstbewegung  in  Österreich"  (vom  Jahre  1878).  Diese  drei  Broschüren 


Pettenkofen.  Photographie  von  Franz  Lenbach. 


261 


sind  mit  handschriftlichen  Widmungen  des  Autors  versehen.  Für  den  Maler  nötige 
Hilfswissenschaften  sind  durch  folgende  Werke  vertreten :  drei  Lehrbücher  der  Per- 
spektive, als  Unterstützung  von  deren  Studium  zwei  Lehrbücher  der  Geometrie 
und  eines  der  darstellenden  Geometrie,  Baumeister-Rueffs  „Anleitung  zur  Kenntnis 
des  Äußern  des  Pferdes"  (Stuttgart  1857)  und  drei  andere  hippologische  Werke  des 
XVIII.  Jahrhunderts,  alles  Bücher,  die  für  den  Pferdemaler  besonders  wichtig  waren. 
Unter  den  hierher  gehörigen  Notizen  ist  das  schon  im  Verlauf  der  Darstellung  er- 
wähnte Reitbuch  Newcastles  und  das  Fechtbuch  Peschkans  (1666)  zu  erwähnen: 
jenes  brauchte  Pettenkofen  zum  „Duell  in  der  Au",  dieses  zum  „Straßenkampf  in 
einem  venezianischen  Gäßchen".  Lacroix'  großes  kulturgeschichtliches  Abbildungs- 
werk und  Drugulins  „Historischer  Bilderatlas"  finden  sich  verzeichnet.  Hauslabs 
Büchlein  „Über  die  charakteristischen  Kennzeichen  der  geschichtlichen  Entwickelungs- 
Abschnitte  der  Kriegertracht  vom  Beginn  des  XVI.  bis  zu  jenem  des  XIX.  Jahr- 
hunderts" gehört  der  Bibliothek  des  Künstlers  an.  Eine  besondere  Stellung  unter 
den  in  Pettenkofens  Besitz  befindlichen  Werken,  die  sich  auf  die  bildende  Kunst 
beziehen,  nimmt  das  wohl  am  besten  hier  einzuschaltende  Werk  Eduard  Langes 
ein:  „Heerschau  der  Soldaten  Friedrichs  des  Großen"  (1856),  das  sich  Pettenkofen 
natürlich  wegen  der  Holzschnitte  Menzels  angeschafft  hat.  Von  den  paar  Japonica 
in  Pettenkofens  Besitz  war  schon  die  Rede. 

Von  diesem  für  den  Künstler  so  bezeichnenden  Bestand  von  Pettenkofens 
Bibliothek  sei  zum  Schluß  auf  einen  anderen  übergegangen,  der  im  Gegensatz  dazu 
bloß  für  den  Menschen  charakteristisch  ist:  es  ist  die  gar  nicht  so  unbeträchtliche 
medizinische  Literatur,  die  Pettenkofen  sein  eigen  genannt  hat.  Darunter  finden 
sich  Hirscheis  „Homoeopathischer  Arzeneischatz",  Matteis  „Elektro-Homoeopathie" 
und  „Neues  (homöopathisches)  Vademecum",  Riklis  „Bett-  und  Partial-Dampf- 
bäder-Hausordnung",  „Allgemeine  Kur-Regeln  der  Naturheilkunde"  und  „Lehrbuch 
der  Naturheilkunde  (I.  Teil:  Fieberkrankheiten,  mit  besonderer  Berücksichtigung 
der  Blattern)",  Liebauts  „Regenerationskur",  das  „Nervensystem  des  Menschen" 
von  Moebius  und  der  „Tisch  für  Magenkranke"  von  Wiel.  Sind  des  Mercatus 
„Consultationes  morborum"  vom  Jahre  1614  als  Curiosum  zu  betrachten,  so  läßt 
eine  1887,  also  zwei  Jahre  vor  Pettenkofens  Tod,  zu  Mannheim  erschienene  Schrift 
von  Schneider,  „Die  Feuerbestattung",  vermuten,  daß  Pettenkofen  daran  gedacht 
hat,  seinen  Leichnam  verbrennen  zu  lassen. 

Auf  ein  ganz  anderes,  aber  wieder  höchst  persönliches  Gebiet  führt  ein  „Trente 
et  quarante-Roulette"  betiteltes  Büchlein,  das  1868  in  Bad  Ems  erschienen  ist,  wo 
Pettenkofen  einer  Eintragung  in  sein  Tagebuch  gemäß  am  29.  August  1872 
121  Thaler  verloren  hat. 

Merkwürdig  ist  schließlich,  um  dies  auch  noch  zu  besprechen,  der  Mangel  an  Dicht- 
werken der  Heimat.  Pettenkofen  besitzt  eigentlich  nur  den  „Innocenz"  seines  Vetters 
Ferdinand  v.  Saar,  die  Novelle,  mit  der  dieser  zuerst  die  Aufmerksamkeit  der  Kenner 
auf  sich  gezogen  hat.  Hier  wird  erwähnt  werden  dürfen,  daß  Saar  bei  der  Gestalt 
des  Malers  in  seiner  Novelle  „Ninon"  laut  eigenen  Geständnisses  an  Pettenkofen 
dachte.")  Hat  Pettenkofen  aber  auch  so  gut  wie  nichts  von  österreichischer  Lite- 
ratur sein  eigen  genannt,  so  scheint  sie  ihm  doch  durchaus  nicht  fremd  geblieben 


263 


TAFEL  LIII 

FRANZ  LENBACH,    PORTRÄT   PETTENKOFENS.    ÖLBILD.   (1883.)  WIEN, 

FRANZ  XAVER  MAYER. 


zu  sein.  In  dem  Fragment  eines  Briefes  an  die  Geliebte,  das  wahrscheinlich  noch 
den  fünfziger  Jahren  angehört  und  sich  heute  im  Besitz  des  Autors  befindet,  zitiert 
Pettenkofen  nämlich  vier  Verse  aus  Zangas  hinreißender  Schlachtschilderung  in 
Grillparzers  „Traum  ein  Leben".  Daß  Pettenkofen  es  auch  versucht  hat,  der  Dicht- 
kunst Ungarns,  des  Landes,  mit  dem  sein  Name  für  alle  Zeiten  verknüpft  bleiben 
wird,  näher  zu  kommen,  beweisen  die  beiden  Übersetzungen  Kertbenys  in  seiner 
Bibliothek:    das    „Album  hundert  ungrischer  Dichter"   und  die  Dichtungen  Petöfis. 

Die  vielen  alten  Bücher,  die  Pettenkofen  gehören,  zeigen,  daß  er  bei  seinen 
Aufenthalten  in  Italien  und  Paris  den  Buchhändlern  der  Straße  eine  liebevolle  Auf- 
merksamkeit geschenkt  haben  muß.  Das  eine  oder  das  andere  alte  Buch,  das  sich 
in  seiner  Bibliothek  findet,  hat  er  natürlich  nicht  des  Inhaltes  wegen  gekauft,  sondern 
weil  ihm  der  Einband,  die  typographische  Ausstattung  gefallen  hat. 

Auf  wie  liebenswürdige  W^eise  Pettenkofen  Freunden  seine  Bücher  zur  Ver- 
fügung gestellt  hat,  ist  aus  einem  an  Leopold  Karl  Müller  gerichteten  Zettel  zu 
ersehen.  Er  ist  (wegen  Müllers  Augen?)  groß  mit  Bleistift  geschrieben,  undatiert 
und  lautet:  „Mein  lieber  Leo!  Über  den  Tag,  der  gar  kein  Tag  ist  und  auch  nicht 
werden  wird,  magst  du  dich  trösten  und  in  deinem  Bette  beruhigt  ,Nebelfeiem*. 
Die  beifolgenden'*)  Bücher:  Geschichte  Perus,  1  Bd.,  Peter  Schlemihl,  Columbus 
v[on]  W.  Irving,  4  Bde.,  Velasquez,  1  Bd.,  Künstlerbriefe  [von]  Guhl,  2  Bde.,  Ab- 
deriten  v[on]  Wieland,  Marcus  Aurelius,  Selbstbetrachtungen  werden  Dich  im  Ver- 
hältnis deiner  eigenen  Laune  interessieren  und  zerstreuen.  Hoffentlich  auf 
baldiges  Wiedersehen.  Mit  herzlichem  Gruß  und  Wünschen  dein  Pettenkofen."  — 

Dieser  Versuch,  von  Pettenkofens  Lektüre  eine  Vorstellung  zu  gewinnen,  ist 
notwendigerweise  lückenhaft.  Trotzdem  aber  macht  er  nicht  nur  mit  vielen  seiner 
geistigen  Interessen  vertraut,  sondern  deutet  auch  bereits  den  einen  oder  anderen 
Zug  seines  Charakters  an.  Die  im  folgenden  mitgeteilten  und  paraphrasierten  Auf- 
zeichnungen von  Pettenkofens  Hand  aber,  die  teils  eigene,  teils  fremde  Gedanken 
fixieren  und  sich  verstreut  auf  einzelnen  Zetteln  aus  seinem  Nachlaß  erhalten 
haben,  werden  weiter  in  seine  Gedankenwelt  einführen  und  Urteile,  die  er  sich 
über  seine  Zeit,  über  sich  selbst  und  andere  bildete,  Anschauungen,  die  er  von  den 
Menschen  im  allgemeinen,  von  der  Welt,  von  dem  Leben  hatte,  kennen  lehren 
und  mittelbar  und  unmittelbar  auch  seinen  Charakter  deutlicher  hervortreten  lassen. 

Unter  den  mannigfaltigen  Interessen  Pettenkofens,  auf  die  sich  nur  mehr  aus 
Lesefrüchten  schließen  läßt,  mag  dasjenige,  welches  er  an  der  Astronomie  findet, 
zuerst  erwähnt  werden.  Ist  es  doch  dadurch  merkwürdig,  daß  die  Astronomie  eine 
Wissenschaft  ist,  zu  der  von  Pettenkofens  Beruf  scheinbar  keinerlei  Brücken 
führen.  Dieses  Interesse  bekundet  sich  in  Notizen  über  die  Verhältnisse  auf  dem 
Monde  (auf  Grund  eines  Artikels  in  der  „Gartenlaube"),  über  die  Entfernung  der 
Erde  von  der  Sonne,  vom  Monde,  über  die  Beschaffenheit  der  Erdoberfläche,  über 
die  Polarität.  Aufzeichnungen  gelten  dem  Quadranten  und  der  Magnetnadel,  be- 
sonders aber  interessiert  sich  Pettenkofen  für  ein  Astrolabium,  wie  aus  ein  paar 
darauf  bezüglichen  Notizen  hervorgeht.  Einmal  schreibt  er  sich  das  Wort  Keplers 
auf,  nach  dem  Astronomie  und  Physik  so  genau  miteinander  verknüpft  seien,  daß 
keine    ohne  die  andere   vervollkommnet  werden   könne.    Am   bemerkenswertesten 


263 


aber  ist  vielleicht  eine  Aufzeichnung  über  den  Bielaschen  Kometen,  die  eine  nicht 
ganz  genaue  und  nicht  ganz  vollständige  Abschrift  folgender  zwei  Stellen  aus 
Humboldts  „Kosmos"  ist:  „Bielas  Comet  hat  eine  Umlaufszeit  von  6V4  Jahren.... 
Er  hat  das  erste  sichere  Beispiel  eines  unsere  Erdbahn  schneidenden  Cometen 
dargeboten.  Die  Bahn  des  Biela'schen  Cometen  ist  daher  eine  Bahn,  die  Gefahr 
bringen  kann,  wenn  man  jedes  außerordentliche,  in  historischen  Zeiten  noch  nicht 
erlebte  und  in  seinen  Folgen  nicht  mit  Gewißheit  zu  bestimmende  Naturphänomen 
gefahrbringend  nennen  soll."  (I,  113,  114.)  „Da  die  Beruhigungsgründe,  welche  der 
Wahrscheinlichkeits-Rechnung  entnommen  werden,  allein  auf  die  denkende  Betrach- 
tung, auf  den  Verstand,  nicht  auf  die  dumpfe  Stimmung  der  Gemüther  und  auf  die 
Einbildungskraft  wirken,  so  hat  man  der  neueren  Wissenschaft  nicht  ganz  mit 
Unrecht  vorgeworfen,  daß  sie  Besorgnisse  zu  zerstören  bemüht  ist,  die  sie  selbst 
erregt  hat.  Es  liegt  tief  in  der  trüben  Natur  der  Menschen,  in  einer  ernsterfüllten 
Ansicht  der  Dinge,  daß  das  Unerwartete,  Außerordentliche  nur  Furcht,  nicht  Freude 
oder  Hoffnung  erregt."  (I,  119.) 

Daß  sich  der  vom  Wetter  so  sehr  abhängige  Pettenkofen  für  die  Ursachen  des 
Klimas  interessiert,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  Auf  Grund  eines  Artikels  im  Aus- 
land (Nr.  6,  Februar  1884)  merkt  er  sich  an:   „ also  nicht  die  Verteilung  von 

Wasser  und  Land  ist  es  direkt,  welches  den  namhaftesten  Einfluß  auf  die  klimati- 
schen Verhältnisse  ausübt,  sondern  es  sind  vor  allem  die  Meeresströmungen, 
welche  die  unregelmäßige  Wärmeverteilung  auf  der  Erdoberfläche  schaffen." 

Auch  mit  optischen  Erscheinungen  befaßt  er  sich.  Eine  Notiz  handelt  von  der 
„feuchten  Luft,  die  dem  direkten  Sonnenstrahl  den  Durchgang  zur  Erde  ge- 
stattet, .  .  .".  Eine  andere  stellt  die  eigene  Beobachtung  eines  schon  von  Benvenuto 
Cellini  in  seiner  Autobiographie  beschriebenen  Phänomens  fest;  sie  hat  folgenden 
Wortlaut:  „Schatten  auf  dem  betauten  Grasboden,  um  den  Kopf  herum  heller 
Schein  von  glänzendem  Tau  (Benv.  Cellini).  [Dazu  eine  flüchtige  Skizze.]  25.  August 
V29  Uhr  Früh  der  Schatten  8 — 9  Schritte  lang;  reiner  Himmel  um  die  weißstrahlende 
Sonne.  Etwas  dunstig."  — 

Mit  der  eigenen  und  mit  fremder  Menschlichkeit  beschäftigen  sich  die  im  folgenden 
mitgeteilten  und  kommentierten  Notizen. 

Das  Bruchstück  des  Entwurfes  eines  Briefes  (vielleicht  an  die  Geliebte)  ist 
sowohl  durch  das  Unabhängigkeitsbedürfnis,  das  sich  darin  äußert,  als  auch  durch 
die  Bedeutung,  die  es  der  Selbsterkenntnis  beimißt,  interessant;  es  lautet: 

„Die  täglichen  Lebensfragen  lassen  mir  nicht  Zeit,  eine  [!]  Rechenschaft  über  ein 
Gefühl  zu  geben."  „.  .  .  auch  wollen  wir  uns  den  Kopf  nicht  heiß  machen,  um 
Nachricht  von  uns  zu  geben,  aus  zwei  Gründen:  1.  bekümmert  dies  niemanden; 
2.  wenn  dies  auch  wäre  —  wir  halten  uns  nicht  gebunden,  uns  mit  dem,  was 
andere  kümmert,  abzugeben,  sondern  uns  um  uns  selbst  zu  kümmern;  und  selbst 
das  nehmen  wir  uns,  die  Freiheit  zu  vernachlässigen,  wenn  es  uns  behagt.  — 
Wenige  Menschen  sind  nämlich  imstande,  eine  erträgliche  Auskunft  von  sich  selber 
zu  geben,  wie  sehr  sie  sich  auch  anstrengen." 

Wie  treffend  sich  Pettenkofen  selbst  zu  beurteilen  vermag,  geht  aus  Aphorismen 
wie  den  im  folgenden  angeführten  hervor : 

264 


„Ich  habe  nur  zu  sehr  die  unpraktische  Eingebung,  das  Studium  als  Zweck  und 
[bin]  nur  zu  wenig  [fähig,  es]  als  Mittel  für  den  Zweck  [zu]  treiben." 

Pettenkofen  zählte  eben  nicht  zu  jenen  praktischen  Naturen,  deren  einziges  Ziel, 
um  dessentwillen  allein  sie  alles  und  jedes  unternehmen,  der  Erfolg  ist.  Die  Art, 
wie  er  z.  B.  von  der  Natur  für  seine  Bilder  zu  lernen  pflegte,  charakterisiert  er 
folgendermaßen : 

„Es  ist  zweierlei:  Naturstudien  zu  machen  oder  Naturstudium  zu  treiben  —  [das 
letztere  ist]  eine  Spekulation  im  Großen  zur  Erkenntnis  des  Geistes  in  der  Natur." 

„Ich  bin  mein  Lebelang  [!]  ein  Arbeitstier  gewesen,  aber  kein  weiser  Arbeiter 
und  immer  ein  schlechter  Geschäftsmann." 

Mag  der  erste  Teil  dieses  Ausspruches  vielleicht  auch  etwas  übers  Ziel  schießen,  so 
ist  der  zweite,  wie  wir  ja  schon  wiederholt  gesehen  haben,  zweifellos  richtig. 
Während  sich  Pettenkofen  für  seinen  unermüdlichen  Fleiß  mit  verhältnismäßig  ge- 
ringem Entgelt  bescheiden  mußte,  wurden  an  seiner  Arbeit  Zwischenhändler  aller 
Art  reich.  Im  Hinblick  auf  eine  derartige  Erwägung  und  wohl  auch  auf  das,  was 
er  zeitlebens  für  den  ihm  innerlich  so  fremden  Bruder  tun  mußte,  schrieb  er  sich 
neben  der  Skizze  einer  brennenden  Kerze  die  bekannte  Devise  auf:  „Aliis 
inserviendo  consumor". 

Dieselbe  Vornehmheit  der  Gesinnung  aber,  kraft  deren  er  seine  Kunst  nicht  zur 
„tüchtigen  Kuh"  erniedrigen  konnte  und  stets  jeder  Reklame  für  seine  Person, 
selbst  der  für  den  Künstler  fast  unumgänglich  notwendigen  der  Ausstellung,  abhold 
war,  ließ  ihn  voll  selbstbewußten  Stolzes  die  Worte  aufschreiben: 

„Ich  halte  es  mit  dem  ,Mehr  sein  als  scheinen'  [„Plus  etre  que  paraitre"  notiert 
er  sich  ein  anderes  Mal],  ich  will  etwas  sein  um  meinetwillen ;  etwas  scheinen  der 
anderen  wegen  —  Beweis  niedriger  Denkungsart".  — 

Als  Beispiele  seiner  Menschenkenntnis,  seiner  Fähigkeit,  sich  den  Charakter  eines 
andern  klar  zu  machen,  mögen  folgende  wohl  nur  bruchstückweise  erhaltene  Auf- 
zeichnungen dienen : 

„.  .  .  zuvorkommend  bis  zum  Übermaß.  Der  einzige  Zug,  der  diese  trefflichen 
Eigenschaften  in  gewissem  Grad  entstellt,  ist  der  Mangel  an  Festigkeit  und  eine 
Art  von  krankhafter  Unbeständigkeit." 

„Lenbach  besitzt  Intelligenz  und  praktischen  Verstand  genug,  um  seine  Mitwelt 
genau  so  zu  behandeln,  wie  sie  es  verdient." 

„  ,r.'  —  Er  hat  wohl  Verstand,  aber  keinen  Geist,  woraus  erfolgt,  daß  es  ihm 
an  Phantasie,  an  Erkenntnis  des  Schönen  und  all  dem  fehlt,  welches  des  Menschen 
Geist  mit  feinen  Fäden  wie  mit  einem  Netze  umfängt.  Seine  Person  wie  sein  Be- 
nehmen entbehrt  jeder  Elastizität  und  gefälliger  Form,  welches  denn  auch  voll- 
kommen seinem  Geistesleben  entspricht." 

„Mein  Freund  G r  hat  gute  Eigenschaften  des  Geistes,  einen  vortrefflichen 

Verstand,  ausgezeichnetes  Gedächtnis  und  dadurch  eine  Menge  von  Wissen.  Da 
er  aber  keinerlei  Berufstrieb  besitzt,  vergeudet  er  diese  Eigenschaften  zumeist 
auf  den  Tand  kritischer  Beobachtung  und  satirischer  Kritik  von  Personen,  die 
unter  seine  Freunde  und  Bekannten  gehören,  also  unter  seiner  beständigen  kriti- 
schen Aufsicht   stehen.    Man   bewundert,    ihm   zuhörend,    die  Schärfe   seines   kriti- 


265 


34 


sehen  Geistes,  ohne  sich  für  die  vorgetragene  Sache  selbst  interessieren  zu  können." 

Dafür,  daß  die  Ursachen  einer  derartigen  Charakteristik  nicht  etwa  in  persön- 
licher Empfindlichkeit  zu  suchen  sind,  bürgen  folgende  Zeilen : 

„Wenn  man  mir  die  Wahrheit  sagt,  ist  mir  dies,  und  wäre  es  auch  nicht 
schmeichelhaft,  für  mich  doch  sehr  lieb,  denn  ich  unterrichte  mich  dadurch  über 
mich  selbst  und  die  Menschen  und  werde  auch  aufmerksam,  mein  Benehmen  für 
diese  besser  einzurichten." 

Wer  aber  nicht  bloß  über  sich  selbst  so  klar  und  unbefangen  denkt,  sondern 
auch  andere  dermaßen  zu  durchschauen  vermag,  der  kommt  leicht  in  die  Lage, 
irgend  eine  gefeierte  Größe  weniger  günstiger  zu  beurteilen,  als  dies  etwa  die 
Menge  der  Fernstehenden  tut: 

„Vom  Meere  aus  bemerkt  man  die  bedeutende  Höhe,  je  näher  man  aber  seinem 
Fuße  kommt,  desto  mehr  verschwindet  sie.  Die  beiliegende  von  Humboldt  ent- 
worfene Ansicht  bestätigt  dies,  so  daß  es  dem  Ch[imborasso?]  so  geht  wie  den 
berühmten  Männern,  die  auch  desto  kleiner  werden,  je  näher  man  ihnen  steht." 

Daß  aber  eine  solche  Bemerkung  nicht  vereinzelt  vorkommt,  sondern  ihr  etliche 
andere,  womöglich  von  noch  misanthropischerer  Denkungsart  zeugende  zur  Seite 
stehen,  kann  nicht  Wunder  nehmen.  Es  sind  bittere  Wahrheiten,  die  der  Mensch- 
heit im  allgemeinen  und  gewissen  Menschenklassen  im  besonderen  gelten : 

„Die  Magen-  und  Geschlechtsfunktion  stellen  [!]  den  Menschen  gleich  dem  Tiere; 
daß  er  auf  der  obersten  Stufe  derselben  [!]  steht,  ist  die  einzige  Meinung,  die  er  von 
seiner  Vollkommenheit  haben  darf." 

„Aber  wir  andern  Leute  müssen  uns  von  den  reichen  Leuten  alles  gefallen  lassen, 
selbst  das,  was  uns  angenehm  ist." 

„[Weder]  Rechenschaft  geben,  noch  Rechenschaft  fordern,  darin  besteht  die  öster- 
reichische, respektive  Wiener  Gemütlichkeit." 

Nimmt  dieser  Satz  Pettenkofens  engere  Landsleute  aufs  Korn,  so  sind  es  die 
ihm  am  nächsten  Stehenden,  denen  er  mit  den  folgenden  Zeilen  unbarmherzig  ins 
Gesicht  leuchtet.  Sie  lesen  sich  umso  schmerzlicher,  als  sie  am  11.  März  1889, 
also  knapp  vor  seinem  Tode  niedergeschrieben  sind.  Wie  einsam  muß  er  sich 
nach  diesen  Worten  an  der  Schwelle  des  Grabes  gefühlt  haben! 

„  , Freunde'  sind  nur  diejenigen,  welche  einen  brauchen;  nächstens  brauchen 
könnten  oder  doch  gelegentlich  brauchen  dürften.  —  An  Freunde,  von  denen  man 
bereits  abgebraucht  wurde,  erinnert  man  sich  immer  wieder,  wegen  ihrer  gehabten 
besonderen  freundschaftlichen  Güte.  Natürlich  darf  man  Liebenswürdigkeiten  artiger 
Leute  nicht  mit  Freundschaft  [verwechseln.]" 

Wie  aber  Pettenkofens  Menschenhaß  im  Kerne  beschaffen  gewesen  ist,  verrät 
die  folgende  im  Gegensatz  zu  den  drei  vorhergehenden  wieder  an  eine  allgemeinere 
Adresse  gerichtete  Aufzeichnung: 

„Ich  liebe  die  Menschen,  aber  ihr  Umgang  ist  mir  nur  in  den  seltensten  Fällen 
auf  die  Dauer  erträglich." 

Besonders  viele  Sätze  gelten  der  Gegenwart,  mit  der  sich  Pettenkofen  durchaus 
nicht  befreunden  kann,  die  er  auf  Kosten  der  ihn  so  viel  besser  und  schöner 
dünkenden  Vergangenheit  immer  tiefer  und  tiefer  zu  stellen  geneigt  ist: 


266 


„Ich  schätze  die  Alten  so  außerordentlich,  weil  ich  unsere  Zeit  so  sehr  gering 
schätze." 

„Für  mich  leben  nur  die  längst  gestorbenen  Meister  der  Kunst."  (Diese  Worte 
sind  1885  geschrieben.) 

„Es  tut  mir  leid,  daß  so  viele  Talente  an  der  gegenwärtigen  Zeit  zugrunde 
gehen.  —  Diese  Zeit,  welche  jeder  Tiefe  des  Geistes  und  der  Seele  entbehrt  — 
die  Zeit  der  , Moden-Monomanen',  in  welcher  das  Geschick  der  Kunst  in  der  Hand 
unverständiger  und  verschwenderischer  Parvenüs  liegt.  Heute  gilt  nur  mehr  das 
Überraschende;  daher  die  Exzentrizität  in  der  Malerei  wie  im  Roman," 

Zum  Kreise  dieser  Klagen  gehört  auch  die  folgende,  leider  unvollständige  Notiz, 
die  überdies  davon  Zeugnis  ablegt,  daß  Pettenkofen  nicht  nur  in  der  Malerei,  son- 
dern auch  in  der  Literatur  auf  die  Form  etwas  gehalten  hat: 

„Das  Deutsch,  welches  unsere  großen  Schriftsteller  schreiben,  sollte  geschützt 
werden  vor  den  frechen  pygmäenhaften  Kerlchen  unserer  Zeit,  welche  sich  durch 
die  dumme  aller  Konsequenz  entbehrende  Zustutzung  ..." 

Auch  folgender  Satz,  dessen  Tadel  offenbar  gleichfalls  auf  die  Gegenwart  gemünzt 
ist,  gehört  hierher: 

„Der  Mangel  des  Verständnisses  und  Geschmacklosigkeit  zeigt  [!]  sich  am  deut- 
lichsten in  der  Bewunderung  des  Unbedeutenden  und  in  der  Gleichgiltigkeit  für 
das  Bewundernswerte." 

Daß  Pettenkofen  aber  in  der  Vergangenheit  nicht  nur  Ersatz  für  die  Jämmerlich- 
keiten der  Gegenwart  gefunden,  sondern  aus  ihr  auch  Trost  für  ein  mögliches 
Leben  nach  dem  Tode  geschöpft  hat,  geht  aus  einer  höchst  merkwürdigen  Nieder- 
schrift hervor,  die  übrigens  unverkennbare  Ähnlichkeit  mit  einer  berühmten  Stelle 
in  Piatos  „Apologie  des  Sokrates"  zeigt.  Pettenkofens  Aufzeichnung,  die  wahr- 
scheinlich durch  jene  Worte  des  Sokrates  angeregt  worden  ist,  lautet: 

„Die  großen  Weltbeherrscher  und  Kriegsmänner,  kühnen  und  entschlossenen 
Entdecker  und  Eroberer;  die  großen  Geister  in  den  Wissenschaften  und  Künsten; 
die  großen  Meister  griechischer  Gelehrsamkeit  und  Kunst;  der  göttliche  Raphael, 
der  größte  Maler  Tizian  und  all  die  schönen  Geister  seiner  Zeit;  und  so  die 
edelsten  Herzen  wie  Christus.  Alle  sind  sie  dahingegangen,  kein  einziger  ist  zu- 
rückgeblieben, und  es  kann  für  mich  armen  Sterblichen  nur  eine  Freude  und  Ehre 
sein,  dahin  zu  kommen,  wo  sie  alle  sind." 

Eine  aristokratische  Denkweise  drückt  sich  in  der  Behauptung  aus:  „Der 
Rang  eines  Volkes  gründet  sich  auf  die  Zahl  (Häufigkeit)  seiner  Talente  —  alles 
andere  ist  —  Vieh!" 

Das  wohl  bei  Pettenkofen  wie  auch  bei  anderen  seinesgleichen  so  häufig  vergeb- 
liche Bemühen,  den  angeborenen  Adel  der  Gesinnung  mit  den  Erfordernissen  des 
praktischen  Lebens  in  Einklang  zu  setzen,  schimmert  durch  folgende  Maxime  durch: 

„Ich  werde  Liebenswürdigkeit  nie  vergessen,  auch  nicht  über  darauf  folgendes 
Unliebsames,  nur  werde  ich  mein  eigenes  Benehmen  nach  dem  mir  zuletzt  er- 
wiesenen einrichten." 

Eine  Stelle  aus  dem  jüngeren  Plinius  —  es  ist  der  Schluß  des  17.  Briefes  im 
VIII.  Buche,  des  Briefes  an  Macrinus,  worin  sich  Plinius  besorgt  bei  dem  Freunde 

267  34» 


erkundigt,  ob  er  durch  die  verheerenden  Überschwemmungen  des  Tiber  und  des 
Anio  keinen  Schaden  an  Leib  und  Gut  erlitten  habe  — ,  diese  Stelle  kann  Petten- 
kofen  wohl  nur  darum  exzerpiert  haben,  weil  sie  seiner  Meinung  nach  die  ärgste 
Qual  der  Gemütsverfassung,  in  der  er  sich  befand,  als  er  die  Notiz  niederschrieb, 
aufs  treffendste  charakterisiert  haben  wird:  „Denn  der  Unterschied  ist  nur  gering, 
ob  man  ein  Unglück  erleidet  oder  erst  erwartet,  außer  daß  der  Schmerz  sein  Maß 
hat,  die  Furcht  es  aber  nicht  hat.  Den  Schmerz  empfindet  man  nur  insoweit,  als 
man  das  Geschehene  kennt,  Furcht  aber  für  alles,  was  etwa  noch  geschehen 
könnte."  Er  hatte  dabei  wohl  zunächst  eine  Verschlimmerung  seines  Krankheits- 
zustandes im  Sinne. 

Daß  Pettenkofen  —  zu  Zeiten  wenigstens  —  sein  ganzes  Leben  keineswegs 
durch  eine  rosenfarbene  Brille  gesehen  hat,  bezeugt  ein  Satz  wie  der  folgende,  — 
der  freilich  zugleich  auch  wieder  beweist,  daß  Pettenkofen  nicht  der  Mann  gewesen 
ist,  sich  von  einem  widrigen  Schicksal  unterkriegen  zu  lassen: 

„Man  muß  Glück  kennen  gelernt  haben,  um  vom  Unglück  niedergeschmettert 
werden  zu  können." 

Auf  etwas  unklare  und  weitschweifige  Weise  kommen  in  der  hier  zum  Schluß 
wiederzugebenden  Aufzeichnung  Gedanken  zum  Ausdruck,  deren  wesentlichster 
Inhalt  uns  bereits  bekannt  ist :  Zufällig  sind  die  Verhältnisse,  in  die  uns  die  Geburt 
versetzt,  und  es  gibt  höhere  Pflichten  für  uns  als  diejenigen,  welche  uns  jene  Ver- 
hältnisse auferlegen.  Die  Notiz  lautet: 

„Es  ist  eine  schwache  Ansicht  von  moralischer  Verpflichtung,  sie  bloß  auf  das 
Zufällige  der  Geburt  und  des  Geburtsortes  beschränken  zu  wollen.  Ein  solcher 
späterer  Stand  der  Dinge  kann  zur  Folge  haben,  daß  sich  alle  unsere  Pflichten 
ändern,  und  es  ist  nötig,  dieselben  zu  erfüllen,  wie  sie  sind,  nicht  wie  sie  bisher 
gewesen  und  wie  sie  später  sich  ergeben  können.  Die,  welche  von  dem  bloßen 
Geburtsort  so  großen  Lärm  machen,  haben  gewöhnlich  keinen  klaren  Begriff  von 
ihren  V  höheren  Pflichten.  Über  unseren  Geburtsort  können  wir  nicht  verfügen, 
während  wir  an  die  Erfüllung  solcher  Pflichten,  welche  wir  freiwillig  übernommen 
haben,  streng  gebunden  sind." 

Wäre  es  falsch,  Pettenkofen  darum,  weil  er  einmal  beim  Rouge-et-Noir  121  Thaler 
verloren  hat,  für  einen  Hazardspieler  zu  halten,  so  gienge  man  offenbar  nicht 
weniger  fehl,  wollte  man  sich  einzig  und  allein  auf  Grund  der  zuletzt  mitgeteilten 
Aufzeichnungen  ein  Bild  seiner  Lebensauffassung  machen.  Es  wäre  zweifellos  all- 
zu einseitig  schwarz  gefärbt.  Man  darf  eben  nicht  vergessen,  daß  diese  pessimisti- 
schen Notizen  sicherlich  aus  der  letzten  Zeit  von  Pettenkofens  Leben  herrühren, 
in  der  ihm  wirkliche  und  noch  mehr  eingebildete  Krankheit  nicht  nur  in  der 
Gegenwart,  sondern  auch  in  der  Vergangenheit  alles  Schöne  und  Angenehme  hinter 
das  Widerwärtige  und  Häßliche  zurückdrängte. 

Ein  Leichtfuß  wird  Pettenkofen  nie  gewesen  sein,  in  jüngeren  Jahren  aber  war 
er  sicherlich  ein  lebensfroher  Gesell,  konnte  er  doch  noch  als  älterer  Mann  in 
einem  Kreise,  in  dem  er  sich  wohl  fühlte,  ausgelassen  lustig  sein,  ohne  dabei  aber 
jemals  die  Grenzen  der  Wohlerzogenheit  zu  überschreiten.  Daß  sein  Menschenhaß 
nicht    ganz  waschecht  war,   beweist  außer  bereits  Gesagtem   auch  sein  Verhältnis 

268 


zu  den  Kindern,  die  er  sehr  gern  hatte,  und  mit  denen  er  vorzüglich  umzugehen 
wußte.  In  der  von  ihm  hinterlassenen  Photographiensammlung  findet  sich  eine 
ganze  Menge  von  Bildern  der  kleinen  Leute.  Die  Damen  Marie  und  Berta  Müller 
waren  in  Bozen  Zeuginnen  davon,  wie  Pettenkofen  ein  zerlumptes  Bettelbüblein 
zum  Krämer  hineinnahm,  ihm  da  reichlich  Zucker  und  Kaffee  kaufte  und  ihm  nach- 
her einschärfte,  diese  Gaben  ja  recht  schön  der  Mutter  nach  Haus  zu  bringen. 
Ein  anderes  Mal  hob  er  wieder,  wie  gleichfalls  die  beiden  Fräulein  erzählen,  ein 
kleines  Mädchen,  das  auf  der  Gasse  niedergefallen  war  und  jämmerlich  weinte, 
auif,  ließ  es  mit  den  Quasten  seines  Schirmes  spielen  und  redete  ihm  so  lieb  und 
tröstlich  zu,  daß  es  bald  wieder  seinen  Schmerz  vergaß.  Daß  er  für  den  Fall,  daß 
die  Schwestern  seines  Freundes  Müller  die  Erbschaft  nach  ihm  nicht  angetreten 
hätten,  sein  Vermögen  einem  Kinderspital  hat  vermachen  wollen,  gehört  gleich- 
falls hierher. 

Das  Geschichtchen  vom  Tiroler  Betteljungen  beweist,  daß  Pettenkofen  ein  gutes 
Herz  hatte  und,  seinem  vornehm  zurückhaltenden  Wesen  entsprechend,  mag  er, 
ohne  davon  viel  Aufhebens  zu  machen  oder  davon  überhaupt  nur  zu  reden,  gar 
manche  Wohltat  erwiesen  haben. 

Das  aus  dem  Nachlaß  in  den  Besitz  der  Damen  Müller  übergegangene  Konzept 
von  Pettenkofens  Antwort  auf  einen  Bettelbrief  ist  ein  nicht  uninteressantes  Ge- 
misch von  Gutmütigkeit,  Wahrheitsliebe  und  Genauigkeitssinn,  gewürzt  mit  einem 
Körnlein  Sarkasmus.  Es  lautet:  „Euer  Wolgeboren!  Wenn  Sie  einerseits  durch 
Lebhaftigkeit  der  Schilderung  mein  Mitgefühl  in  besonderer  Weise  erregten,  muß 
ich  anderseits  den  mir  irrtümlich  beigelegten  verwandtschaftlichen  Grad  eines 
Vetters  (Cousin[s])  berichtigen.  —  Die  Ehe  des  Feldk[riegs-]  Sekretär[s]  Ferd.  v. 
Nespern,  [eines]  Bruder[s]  meiner  Mutter  war  kinderlos;  er  starb  im  Frühjahr  oder 
Sommer  1843;  ich  sah  nachmals  die  kinderlose  Witwe  noch  im  Jahre  1844  oder 
[-]  45.  —  Da  den  Menschen  in  Notlagen  auch  eine  kleine  Gabe  willkommen  ist, 
lege  ich  hier  5  fl.  bei. Ich  bezeige  Euer  Wolgeboren  für  Ihre  menschen- 
freundliche Bestrebung  meine  Hochachtung. August  von  Pettenkofen."^**)  — 

Hat  auch  die  Krankheit,  die  wirkliche  und  die  eingebildete,  die  Pettenkofen  un- 
gefähr die  letzten  zwei  Jahrzehnte  seines  Lebens  hindurch  so  viel  zu  schaffen 
machte,  die  allseits  bezeugte  Vornehmheit  seines  Charakters  nicht  zu  erschüttern 
vermocht,  so  wird  sie  doch,  wie  wir  bereits  zu  vermuten  Gelegenheit  hatten,  im 
Verein  mit  mancher  gerade  an  nahestehenden  Menschen  gemachten  schlimmen 
Erfahrung  sicherlich  seinem  Wesen  den  einen  oder  andern  herben  Zug  aufgeprägt 
haben. 

Aber  nicht  in  dieser  Hinsicht  soll  hier  nochmals  von  Pettenkofens  Krankheit  die 
Rede  sein.  Lediglich  auf  seine  Hypochondrie  soll  ein  Blick  geworfen  werden.  Zu 
ihr  wird  man  bereits  die  krankhaft  übertriebene  Selbstbeobachtung  rechnen  dürfen, 
die  sich  unter  anderem  in  dem  schon  erwähnten  25  Jahre  hindurch  mit  peinlicher 
Genauigkeit  geführten  Verzeichnis  seiner  Anfälle  kundgibt.  Sowohl  mit  dieser  Selbst- 
beobachtung als  auch  mit  der  trotz  allem  Dilettieren  im  medizinischen  Studium  vor- 
handenen Angst,  etwas  zu  versäumen  oder  von  einem  Arzte  unrecht  behandelt  zu 
werden,  hängt  es  zusammen,  daß  Pettenkofen  von  einem  Doktor  zum  andern  läuft, 


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eine  Heilmethode  nach  der  andern  probiert.  Ein  Berg  von  Rezepten,  der  sich  im 
Nachlaß  vorgefunden  hat,  legt  davon  tragikomisches  Zeugnis  ab.  Hand  in  Hand 
damit,  daß  sich  Pettenkofen  von  so  vielen  Ärzten  behandeln  ließ,  gehen  sowohl 
die  Skepsis  gegenüber  dem  ärztlichen  Wissen  und  Vermögen,  als  auch  die  Lust, 
sich  selbst  und  andere  kurieren  zu  wollen.  Die  überlegene,  lehrhafte  Art,  wie  er 
in  Briefen  über  den  Gesundheitszustand  anderer  Diagnosen  anstellt  und  ihnen 
Verhaltungsmaßregeln  erteilt,  ist  ergötzlich  genug.  So  angesehen,  wohnt  z.  B. 
folgender  Briefstelle  neben  der  wärmsten  Teilnahme  auch  ein  bißchen  unfreiwillige 

Komik  inne:  „Was  die  noch  andauernde  Nervosität  Frl.  L s  [der  Tochter 

des  Adressaten]  betrifft,  ist  dies  wohl  ernst  zu  beklagen,  da  man  mit  solchen  Ver- 
stimmungen niemals  recht  froh  sein  kann.  Aber  bei  ihrer  Jugend  und  sonstigen 
vortrefflichen  Gesundheitsanlage  muß  dieser  Zustand,  der  zwar  peinlich,  in  keiner 
Weise  aber  gefährlich  ist,  ja  baldigst  den  regenerierenden  Selbstbestrebungen  der 
Natur  und  dem  Einfluß  von  Jugend,  Gesundheit  der  Hauptlebensorgane  weichen; 
und  vieles  zur  Erreichung  ihrer  vollen  Gesundheit  wird  ja  die  Pflege  beitragen, 
welche  hauptsächlich  auf  Abhärtung  durch  Heilgymnastik,  Bewegung  in  freier  Luft, 
passende  Beschäftigung  und  Zerstreuung  gerichtet  ist."  Noch  kategorischer  muten 
Diagnose  und  Therapie  in  einem  Schreiben  vom  9.  März  1881  an,  das  aus  Venedig 
an  Franz  Xaver  Mayer  gerichtet  ist:  „Sie  klagen  über  ein  Leiden,  und  das  kommt, 
ohne  daß  Sie  und  Ihr  Arzt  es  wissen,  von  der  mit  Gas  geschwängerten  und  über- 
hitzten Luft  in  Ihrem  Bureau  während  des  Winters.  Sie  müssen  jeden  Morgen 
einen  Spaziergang  machen  und  jeden  Abend  ohne  Unterschied  des  Wetters  einen 
tüchtigen  Marsch," 

Einen  geradezu  pathologischen  Eindruck  macht  die  allerdings  auch  wieder  ein 
wenig  zum  Lachen  reizende  Angst,  die  Pettenkofen  vor  den  verschiedensten 
Dingen  hegt.  So  fürchtet  er  sich  z,  B,  angesichts  von  Rissen  im  Mauerwerk  davor, 
daß  der  venezianische  Palazzo,  in  dem  er  sein  Atelier  hat,  heut  oder  morgen  den 
Einsturz  drohe.  Er  setzt  es  mit  vieler  Mühe  durch,  daß  eine  Kommission  erscheint, 
die  die  vermeintlichen  Zeichen  naher  Einsturzgefahr  in  Augenschein  nimmt  und 
ihn  schließlich  dahin  beruhigt,  —  daß  er  in  dem  Gebäude  noch  hundert  Jahre  un- 
gefährdet malen  könne,  ^") 

Krankhaft  ist  auch  die  Angst,  die  er  vor  den  Hunden  und  den  Gefahren,  die 
ihre  Krankheiten  den  Menschen  drohen,  gehabt  zu  haben  scheint.  Einmal  notiert 
er  sich  das  schreckliche  Faktum,  daß  sich  die  Eier  des  Bandwurmes  des 
Hundes  (Taenia),  vom  Menschen  eingeatmet,  in  diesem  zu  Echinokokken  ent- 
wickeln, das  andere  Mal  versteigt  er  sich  gar,  ausgehend  von  der  Hundswut,  zu 
einem  in  seiner  Leidenschaftlichkeit  abermals  etwas  lächerlichen  Ausfall  gegen  die 
Hundefreunde  und  deren  offizielle  Beschützer,  Diese  sonderbare  Notiz  hat  folgen- 
den Wortlaut:  „Hundswut,  Wie  lange  werden  wir  uns  noch  die  gefährliche, 
schweinische,  lästige  und  stupide,  sinn-  und  geschmacklose  Liebhaberei  der  Hunde- 
freunde gefallen  lassen?  —  da  sich  die  mit  der  Sicherheit  der  Bevölkerung  be- 
traute Behörde,  sei  es,  daß  eine  große  Zahl  derselben  selbst  Hunde  hält  oder  der 
Liebhaberei  so  vieler  angesehener  Hundebesitzer  sich  nicht  nahe  zu  treten  getraut 
(epidemische  Hundebefreundung).    [Wann]  werden   wir  endlich  selbst  darangehen, 

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uns  diese  Last,  welche  uns  diese  Freunde  unserer  Hundeliebhaber  allenthalben 
geworden  sind,  vom  Halse  zu  schaffen?  —  Die  Mittel  dazu  werden  uns  gleich- 
gültig sein,  wir  werden  den  Hund  oder  auch  seinen  Herrn  angreifen." 

Auch  vor  Schlangenbissen  scheint  ihm  auf  etwas  unnatürliche  Weise  gebangt  zu 
haben.  Wenigstens  schreibt  er  sich  einmal  etwas  über  Ammoniakinjektionen  auf, 
mit  denen  Schlangenbisse  geheilt  werden  können. 

Von  anderer  als  Pettenkofens  Hand,  wahrscheinlich  von  der  eines  befreundeten 
Mediziners,  findet  sich  auf  einem  Zettel  des  Nachlasses  der  Milzbrand-Karbunkel 
beschrieben.  Er  selbst  merkt  sich  im  Februar  1884  einen  die  Malaria  in  Italien  be- 
handelnden Artikel  der  Zeitschrift  „Das  Ausland"  an.  Wie  ihm  diese  beiden  Krank- 
heiten offenbar  Angst  eingeflößt  haben,  so  muß  dies  auch  die  zweischneidige  Natur 
des  Cocains  getan  haben,  dessen  Bekanntschaft  zu  machen  allerdings  auch  der 
normale  Mensch  leicht  in  die  Lage  kommt;  es  finden  sich  nämlich  auf  den  schon 
erwähnten  Blättchen  des  Nachlasses  zwei  Notizen  über  die  Cocapflanze  und  ihre 
offizin eilen  Wirkungen. 

Ist  hier  aber  nun  schon  einmal  von  Pettenkofens  Eigenheiten  die  Rede, 
so  sollen  den  krankhaften  gleich  noch  andere,  harmlosere  angereiht  werden. 

In  Pettenkofen,  der  einerseits,  wie  wir  wissen,  zeitlebens  Schulden  hatte  und 
dadurch  niemals  völlig  frei  war,  war  anderseits  das  Bedürfnis,  unabhängig  zu  sein, 
so  stark,  daß  es  ihn,  dessen  Manieren  doch  die  denkbar  besten  waren,  wie  fol- 
gende Mitteilung  des  Herrn  Ethofer  beweist,  gelegentlich  beinahe  unartig  werden 
ließ.  Im  Jahre  1886  waren  Ethofer  und  Cecil  van  Haanen  die  Gäste  des  Fürsten 
Porzia  auf  dessen  prachtvollem  Renaissanceschloß  in  Spittal  a.  d.  Drau.  Auch 
Pettenkofen  wurde  erwartet  und,  da  der  Fürst  ausdrücklich  wünschte,  daß  auch 
er  im  Schlosse  wohne,  gebrauchten  Haanen  und  Ethofer  die  List,  ihm,  dessen 
Abneigung  gegen  derlei  Zwang  sie  kannten,  gleich  bei  seiner  Ankunft  auf  dem 
Bahnhof  zu  sagen,  daß  alle  Gasthäuser  besetzt  seien  und  er  daher,  ob  er  nun 
wolle  oder  nicht,  im  Schlosse  logieren  müsse.  Pettenkofen  ließ  sich  überreden  und 
brachte  wirklich  eine  Nacht  im  Schlosse  zu.  Beim  ersten  Spaziergang  aber  erkun- 
digte er  sich  im  nächstbesten  Hotel,  ob  schon  Platz  sei,  erfuhr  dabei,  wie  er 
hinters  Licht  geführt  worden  war,  wurde  äußerst  zornig  und  übersiedelte  sofort 
vom  Schlosse  ins  Hotel. 

Pettenkofens  Reiselust  und  Vielgereistheit  sind  wiederholt  hervorgehoben  worden 
und  sind  für  ihn  unzweifelhaft  sehr  charakteristisch,  aber  sein  Wandertrieb  macht 
nicht  immer  einen  ganz  ursprünglichen  Eindruck,  sondern  sieht  oft  genug  wie  Un- 
rast aus,  namentlich  von  der  Zeit  an,  da  ihm  die  Sehnsucht  nach  Seßhaftigkeit, 
nach  einem  eigenen  Heim  die  Wage  zu  halten  anfängt.  Daß  Pettenkofens  Drang 
zu  reisen  so  häufig  nicht  zur  Tat  geworden  ist,  daran  trägt  freilich  vom  Beginn 
der  siebziger  Jahre  an  seine  Kränklichkeit  die  größte  Schuld.  Aber  nicht  bloß  aus 
Gesundheitsrücksichten  ist  Pettenkofen  nicht  der  Typus  eines  echten  und  rechten 
W^andervogels,  —  es  widerstreben  ihm  nämlich  zu  viele  Dinge  in  der  Fremde:  ihre 
Sprache  beherrscht  er  nicht,  Besonderheiten  ihres  Klimas  verträgt  er  nicht,  die  Kost, 
die  Gewohnheiten  der  Einheimischen  stoßen  ihn  ab,  die  See  ist  für  ihn  keine  Brücke 
zu  anderen  Ländern,  sondern  ein  unüberwindliches  Hindernis,  dahin  zu  gelangen. 


271 


Den  bereits  im  Verlauf  der  Darstellung  erwähnten,  nicht  zur  Ausführung  ge- 
langten Reiseplänen  dürfen  parenthetisch  hier  wohl  noch  ein  paar  andere,  die  sich 
nur  auf  Zetteln  des  Nachlasses  notiert  finden  und  sich  nicht  näher  datieren  lassen, 
angefügt  werden.  Der  weitestgehende  dieser  Pläne  scheint  der  einer  Reise  nach 
Konstantinopel  zu  sein  und  zwar  von  Paris  aus  und  mit  dem  Orientexpreßzug.  — 
Im  zweiten  Kapitel  wurde  es  auffällig  gefunden,  daß  sich  Pettenkofen  so  wenig 
von  der  französischen  Provinz  ansah.  !Pin  Zettel  beweist,  daß  er  zu  Zeiten  wenig- 
stens die  Absicht  hatte,  Frankreich  nach  mehreren  Richtungen  hin  zu  bereisen. 
Auf  der  einen  Seite  dieses  Blattes  ist  in  Schlagwörtern  eine  Reise  in  die  Provence 
angegeben :  „Von  Marseille  nach  Arles  /  Arles  (Arfene,  Aliscamps  und  die  ganze 
Stadt)  /  Abbaye  de  Montmajour  und  die  Stadt  Les  Beaux  /  von  Arles  nach  Aigues- 
mortes  /  von  Aiguesmortes  nach  Nimes  /  von  Nimes  nach  dem  Pont  du  Gard, 
St.  Gilles  /  nach  Avignon  (Palais  des  papes)  /  Avignon  gegenüber  Villeneuve-les- 
Avignon  /  Tarascon  und  Beaucaire  /  Carcassonne  (la  cite  de  Carcassonne)  /  Bouches- 
du-Rhone  /  Gard  |  Vaucluse  /  Languedoc."  Diese  Gegenden  dürften  Pettenkofen 
wohl  fast  ebenso  sehr  durch  ihre  antiken  Denkmäler  wie  durch  ihre  Landschaft 
angelockt  haben.  Ins  Herz  und  in  den  nördlicheren  Teil  Frankreichs  sollten  die 
folgendermaßen  auf  der  Rückseite  des  Zettels  verzeichneten  Reisen  führen:  „Tou- 
raine  /  Orleans  /  von  Orleans  nach  Blois  /  von  Blois  nach  Amboise  und  Chenon- 
ceaux  /  zwei  Schlösser :  Chambord  und  Chaumont  /  die  Stadt  Loches.  Von  Paris  / 
Dijon  /  Auxerre  /  Meaux." 

Andere  Pläne  gelten  viel  kleineren  Reisen  und  Tagesausflügen.  So  wollte 
Pettenkofen  einmal,  wohl  von  Venedig  aus,  über  Padua,  Monselice  und  Este  nach 
Montagnana  und  von  da  eventuell  über  Mantua  nach  Mailand.  Ein  anderes  Mal 
beabsichtigte  er,  wohl  gleichfalls  von  Venedig  aus,  mit  der  Bahn  über  Bassano 
nach  Marostica  und  von  da  im  Wagen  nach  Thiene  zu  fahren,  von  wo  es  dann 
wieder  mit  der  Bahn  nach  Vicenza  gehen  sollte.  Da  sich  die  in  der  betreffenden 
Notiz  enthaltenen  Worte  „Schloß  und  Graben  und  Mauer"  wohl  nur  auf  Thiene 
beziehen  können,  so  muß  man  annehmen,  daß  sich  Pettenkofen  nicht  so  sehr  für 
die  Fresken  des  Veronese  im  Schlosse,  als  vielmehr  für  dieses  selbst  interessiert 
hat.  Einen  ähnlichen  Zweck  hätte  er  dann  auch  mit  der  Fahrt  nach  Montagnana 
verknüpft,  einem  Städtchen,  das  durch  seine  vorzüglich  erhaltenen  mittelalterlichen 
Befestigungen  mit  zinnengekrönten  Mauern  und  Türmen  berühmt  ist.  Und  wenn 
er  weiters  von  Florenz  aus  über  Empoli  nach  San  Gimignano  und  von  da  nach 
Siena  zu  fahren  plante,  so  lockte  ihn  zweifellos  abermals  das  wohlerhaltene  Bild 
ferner  Vergangenheit,  das  die  „Stadt  der  schönen  Türme"  bietet.  Motive  für  Bilder 
aber  dürfte  er  an  allen  diesen  Orten  kaum  gesucht  haben,  eher  für  seine  Illustra- 
tionen zum  „Gil  Blas".  — 

Nach  dieser  Abschweifung,  die  von  einigen  bisher  noch  nicht  mitgeteilten  Reise- 
plänen Pettenkofens  gehandelt  hat,  sei  aber  wieder  zu  seinen  Eigenheiten  und 
Schrullen  zurückgekehrt.  Die  nunmehr  zu  besprechenden  leiten  schon  vom  Men- 
schen zum  Künstler  über. 

Anderen  über  ihre  künstlerischen  Leistungen  seine  Meinung  zu  sagen,  war 
Pettenkofen  höchst  peinlich  und  fiel  ihm  sehr  schwer.    Mußte  er  es  dennoch  tun. 


272 


so  gebrauchte  er  dabei  die  sonderbarsten  Umschweife,  hielt  mit  seiner  wirklichen 
Ansicht  hinter  dem  Berg  oder  sagte  geradezu  etwas  anderes  als  das,  was  er  sich 
dachte.  Zeigten  ihm  z.  B.  die  Fräulein  Marie  und  Berta  Müller  Arbeiten,  so  fieng 
er  etwa  an:  „Meine  Damen,  Sie  haben  wahrhaft  Tizianisches  Talent,  aber  .  .  .", 
dann  äußerte  er  behutsam  ein  oder  das  andere  Bedenken  und  schließlich  ließ  er 
keinen  Stein  auf  dem  andern.  Kam  zu  ihm  ein  junger  Mensch  auf  die  Akademie 
und  bat  ihn  um  sein  Urteil  über  mitgebrachte,  nichts  weniger  als  vielversprechende 
Studien  und  Entwürfe,  so  rief  er  seinen  Freund  Müller  zuhilfe,  dessen  Gewandt- 
heit größer  war,  jemandem  schonungsvoll  beizubringen,  daß  er  die  Malerei  lieber 
stehen  lassen  und  etwas  anderes  anfangen  solle.  Den  Worten  Müllers  stimmte  er 
dann  aufs  lebhafteste  bei. 

Herr  Maler  Dome  Skutezky  erzählt^')  folgendes  hierhergehörige  Erlebnis,  das 
er  zu  Beginn  der  achtziger  Jahre  mit  Pettenkofen  in  Venedig  hatte.  Pettenkofen 
wurde  ihm,  bevor  er  ihn  persönlich  kennen  lernte,  von  allen  Seiten  als  ein  unnah- 
barer Sonderling  geschildert.  Skutezky  kannte  Pettenkofen  seit  Jahren  vom  Sehen 
her  in  Venedig,  schob  es  aber,  obwohl  er  eine  Empfehlung  an  ihn  hatte,  immer 
wieder  hinaus,  sich  ihm  vorzustellen.  Da  sollte  ein  Zufall  beider  Bekanntschaft 
vermitteln.  Skutezky  stand  vor  einer  größeren  Reise,  wollte  sein  Atelier  aufgeben 
und  weitervermieten  und  hängte  deshalb  an  die  Haustür  den  in  Venedig  wohlbe- 
kannten unbeschriebenen  weißen  Zettel,  der  anzeigt,  daß  im  Hause  etwas  zu  ver- 
mieten sei.  Eines  Tages  läutet  es,  Skutezky  hört  Tritte  die  Stiege  heraufkommen, 
geht  auf  den  Gang  hinaus  und  vor  ihm  steht  —  Pettenkofen.  Er  begrüßt  ihn  nicht 
ohne  Herzklopfen.  Pettenkofen  aber  will,  als  er  das  Atelier  besetzt  sieht,  sofort 
wieder  umkehren.  Skutezky  erklärt  ihm,  daß  es  tatsächlich  zu  mieten,  daß  das 
Licht  gut  sei  und  dergleichen  mehr  und  bringt  ihn  so  endlich  hinein.  Nach  vielem 
Bitten  und  Zureden  setzt  sich  Pettenkofen,  spricht  geschäftlich  über  das  Atelier 
und  will  gleich  wieder  gehen.  Um  ihn  zu  halten  und  mitteilsamer  zu  machen, 
sagt  ihm  Skutezky  schließlich,  daß  er  ihm  seit  vier  Jahren  den  Gruß  eines  Freundes 
zu  überbringen  habe.  Auf  das  hin  taut  Pettenkofen  endlich  auf,  und  es  entwickelt 
sich  ein  Gespräch.  Auf  Skutezkys  Staffelei  stand  ein  fertiges,  von  London  aus  be- 
stelltes Bild,  eines  jener  süßlichen  novellistischen  Genrebilder,  wie  sie  im  Handel 
begehrt  sind.  Skutezky  mußte  Pettenkofen  ausdrücklich  darum  bitten,  daß  er  es 
ansah.  Dann  sagte  er:  „Ah,  das  wird  ja  ein  nettes,  liebes  Bild,  das  werden  Sie 
leicht  verkaufen."  Skutezky  war  betroffen:  „So  habe  ich's  nicht  gemeint,  verehrter 
Meister.  —  Das  Bild  ist  übrigens  bereits  verkauft."  „Um  so  besser,  ja,  ja,  der- 
gleichen verkauft  man  immer."  Skutezky  aber  wollte  durchaus  Pettenkofens  wirk- 
liche Meinung  über  das  Bild  erfahren  und  ließ  nicht  ab,  ihn  zu  bitten,  sie  ihm 
mitzuteilen.  Da  sagte  er  endlich:  „Sie  wissen  ja  selbst  am  besten,  wo  Sie  der 
Schuh  drückt.  Das  Bild  ist  nicht  im  Freien,  ist  nicht  an  Ort  und  Stelle  gemalt." 
Mit  diesen  Worten  griff  er  nach  Pinsel  und  Palette  und  malte  ohneweiters  ein 
paar  kraftvolle  Striche  in  das  fertige  glatte  Bild.  Skutezky  verstand  ihn  wohl,  — 
aber  er  hatte  hernach  ein  paar  Tage  zu  tun,  um  die  vorzüglichen  Übermalungen 
aus  dem  Bilde  zu  entfernen.  Mit  ihnen  hätte  es  der  Engländer  gewiß  nicht  über- 
nommen.   —   Einige    Jahre    später  —  es    mochte    1884    gewesen    sein    —    malte 


273 


35 


Skutezky  im  Hofe  des  Dogenpalastes  ein  kleines  Bild.  Pettenkofen  kam  zufällig  des 
Weges  und  geriet  über  die  Malerei  in  eine  derartige  Begeisterung,  daß  sich 
Skutezky  fast  schämte.  „Wer  hätte  das  damals  gedacht,  als  ich  das  schlechte, 
dumme  Bild  bei  Ihnen  in  der  Calle  delle  Acque  sah.  Nein,  dieser  Marmor,  —  wenn 
es  Ihnen  nur  gelänge,  die  Figuren  auf  die  gleiche  Höhe  zu  bringen."  Skutezky 
fügt  bescheiden  hinzu:  „Leider  gelang  es  mir  nicht,  denn  den  Marmor  malen 
viele  Künstler  gut,  Figuren  aber  nur  wenige."  Man  ersieht  aus  dem  Verhalten 
Pettenkofens  gegenüber  diesem  zweiten  Bilde,  daß  er,  wie  auch  schon  Skutezky 
bemerkt,  und  was  wir  auch  sonst  noch  bestätigt  finden  werden,  leicht  zu  Enthu- 
siasmus geneigt  war. 

Pettenkofens  schärfere  Seite  wird  durch  ein  Geschichtchen  beleuchtet,  das  ihn 
gleichfalls  als  Beurteiler  der  Leistung  eines  Kollegen  zeigt  und  Herrn  Maler 
Ethofer  zum  Gewährsmann  hat.  Einer  Einladung  folgend,  besuchte  Pettenkofen 
einmal  in  Rom  in  Begleitung  Ethofers  das  Atelier  des  Malers  T.  Die  beiden 
Freunde  bekamen  da  ein  Kolossalgemälde  zu  sehen,  das  darstellte,  wie  Tilly,  auf 
einem  blauen  Schimmel  sitzend,  in  einer  Kapelle  den  Segen  empfieng.  Pettenkofen 
lobte  alles  auf  überschwängliche  Weise.  Ethofer  wollte  seinen  Ohren  nicht  trauen 
und  fragte  Pettenkofen,  als  sie  beide  wieder  draußen  waren,  ob  denn  das,  was  er 
gesagt  habe,  sein  Ernst  sei.  „Lieber  Etti,"  antwortete  Pettenkofen,  „wenn  ich  dem 
Manne  etwas  ausstelle,  so  hält  er  mich  für  einen  Esel.  Das  will  ich  doch  nicht." 
Das  Bild  soll  nämlich  entsetzlich  gewesen  sein. 

Pettenkofen  ließ  nie  oder  nur  höchst  ungern  das,  woran  er  arbeitete,  was  er 
vorbereitete,  sehen.  Selbst  seinen  nächsten  Freunden  konnte  er  die  Bitte,  sein 
Atelier  besichtigen  zu  dürfen,  abschlagen.  Einmal  wollte  Leopold  Müller  seine 
Schwester  Marie  und  eine  Cousine  in  Pettenkofens  Atelier  an  der  Akademie  führen. 
Der  sonst  so  artige  Pettenkofen  versperrte  sich  aber  und  ließ  Müller,  der  nicht 
nachgab,  und  die  beiden  Damen  eine  halbe  Stunde  auf  dem  Gang  warten.  Als 
er  dann  schließlich  doch  aufgeschlossen  hatte,  fand  sein  Besuch  im  Atelier  fast 
nichts  zu  sehen.  Die  Bilder  waren  entweder  versteckt  oder  mit  der  bemalten 
Seite  gegen  die  Wand  gelehnt.  —  Wie  Maler  Ethofer  erzählt,  bat  Pettenkofen 
einmal  von  zwei  Koburger  Zwillingsbrüdern,  die  Müller  hießen  und  mit  denen  er 
in  Rom  verkehrte,  den  einen,  der  Bildhauer  war,  er  möge  ihm  als  Behelf  für  ein 
Bild,  das  er  gerade  in  Arbeit  hatte  und  das  einen  mit  einem  gestohlenen  Hammel 
auf  dem  Rücken  einen  Abhang  herablaufenden  Zigeuner  darstellen  sollte,  ein 
Figürchen  modellieren.  Der  Bildhauer  willfahrte  der  Bitte,  verlangte  dafür  aber 
von  Pettenkofen  als  Gegenleistung,  daß  er  ihm  sein  Atelier  und  seine  Arbeiten 
zeige.  Pettenkofen  hatte  das  nämlich,  obgleich  er  selbst  das  Atelier  der  beiden 
Brüder  aufs  genaueste  kannte,  vorher  durchaus  nicht  tun  wollen.  —  Einen  ähn- 
lichen Vorfall  berichtet  Franz  Rüben:  Pettenkofen  hörte  in  Venedig  von  einem 
Bild,  das  Passini  malte;  es  stellte  dessen  Tochter  dar,  wie  sie  im  Garten  Rosen 
brach  oder  Äpfel  pflückte.  Pettenkofen  gieng  zu  Passini  hin,  um  das  Bild  kennen 
zu  lernen.  Passini  aber,  darüber  ärgerlich,  daß  Pettenkofen,  der  selbst  niemals 
etwas  herzeigte,  bei  den  andern  alles  sehen  wollte,  verwehrte  die  Besichtigung 
seines  Bildes  mit  den  Worten:   „Wie  du  mir,  so  ich  dir." 


274 


Von  Pettenkofens  Verschlossenheit  war  schon  oft  die  Rede.  Diese  Eigenschaft 
seines  Charakters  ließ  ihn  z.  B.  selbst  seinen  besten  Freunden  gegenüber  all  das 
verschweigen,  was  lediglich  seine  Person  angieng.  So  teilen  beispielsweise  die 
Damen  Müller  und  Frau  Leopoldine  Mayer  übereinstimmend  mit,  daß  Pettenkofen 
von  seinen  Angehörigen  nicht  oder  nur  sehr  selten  und  wenig  sprach.  Die  Damen 
Müller  erfuhren  z.  B.  erst  nach  seinem  Tode,  daß  er  überhaupt  einen  Bruder 
hätte.  Aber  diese  Zurückhaltung  allein  macht  noch  nicht  sein  oben  geschildertes 
Benehmen  gegen  Kollegen  begreiflich.  Dafür  scheint  Maler  Ethofer  die  richtige 
Erklärung  zu  geben,  wenn  er  sagt:  „So  verehrungswürdig  Pettenkofen  als  Mensch 
war,  ein  ebenso  großer  Egoist  war  er  als  Künstler;  er  nützte  alles  und  alle  für 
seine  Zwecke  aus."  Fällt  einem  hiebei  unwillkürlich  die  Stelle  in  dem  oben  voll- 
inhaltlich mitgeteilten  Neapolitaner  Briefe  Pettenkofens  an  Jettel  ein,  wo  er  von 
seinem  „dem  Künstler  erlaubten  und  gebotenen  Egoismus"  spricht,  so  muß  man 
sich  anderseits  hier  auch  des  bereits  erwähnten  Falles  erinnern,  in  welchem  Petten- 
kofen ein  von  ihm  gefundenes  Motiv  von  einem  Bekannten  einfach  weggenommen 
wurde. 

Am  drastischesten  aber  offenbart  sich  dieser  künstlerische  Egoismus  Pettenkofens 
vielleicht  in  folgender  Anekdote:  Hofrat  v.  Schrötter  fand  Pettenkofen  einmal 
ganz  außer  sich.  „Denk'  dir,  was  mir  der  Müller  angetan  hat!  Ich  selbst  plag'  mich 
jahrelang,  um  auf  das  Geheimnis  der  braunen  Untermalung  zu  kommen.  Endlich 
gelingt's  mir.  Ich  bin  so  unvorsichtig  und  sag's  dem  Müller.  Der  aber  hat  nichts 
eiliger  zu  tun,  als  es  allen  seinen  Schülern  zu  verraten.  Heute  weiß  es  schon  die 
ganze  Akademie."  Schrötter,  der  zu  Pettenkofens  größtem  Erstaunen  Müllers  Vor- 
gehen nicht  so  entsetzlich  finden  konnte,  stellte  folgende  Frage  an  ihn:  „Bist  du 
am  Ende  auch  der  Meinung,  daß  ich,  wäre  ich  so  glücklich  gewesen,  ein  Heil- 
mittel für  die  Lungenschwindsucht  zu  entdecken,  nur  allein  damit  kurieren,  es 
niemand  anderm  mitteilen  dürfte?"  „Natürlich!"  lautete  Pettenkofens  im  Ton  der 
vollsten  Überzeugung  gerufene  Antwort.  ^^) 

An  seine  Modelle  stellte  Pettenkofen  die  denkbar  höchsten  Anforderungen. 
Mittelbar  erfuhr  der  Autor  von  einem  Herrn,  der  zufällig  in  Szolnok  Zeuge  der 
von  ihm  berichteten  Szene  war,  daß  Pettenkofen,  der  für  ein  Bild  —  es  war  viel- 
leicht der  eben  vorhin  erwähnte  „Hammeldieb"  —  einen  eine  Böschung  herab- 
laufenden Zigeuner  brauchte,  sein  Modell  rücksichtslos  immer  wieder  herunter- 
rennen ließ.  Wie  er  selbst  bei  der  Arbeit  keine  Ermüdung  kannte,  so  setzte  er 
eben  auch  bei  seinen  Helfern  das  Aufgebot  all  ihrer  Kräfte  als  selbstverständlich 
voraus. 

Gegen  Lob,  besonders  wenn  es  zu  dick  aufgetragen  wurde  oder  doch  übertrieben 
herauskam,  war  Pettenkofen  sehr  empfindlich.  Es  verstimmte  ihn  aber  auch,  wenn 
sich  jemand,  auf  dessen  Urteil  er  etwas  gab,  angesichts  einer  neuen  Arbeit  allzu 
wortkarg  verhielt.  Wenn  z.  B.  Franz  Xaver  Mayer  also  tat,  so  ließ  Pettenkofen 
nicht  ab,  mit  Fragen  in  ihn  zu  dringen,  was  ihm  denn  an  dem  Bilde  mißfalle. 
Nannte  dann  Herr  Mayer  etwa  eine  Stelle,  mit  der  er  aus  diesem  oder  jenem 
Grunde  nicht  ganz  einverstanden  wäre,  so  stimmte  Pettenkofen  dieser  Meinung 
ohneweiters  zu :   ja,   das  habe   er  sich   auch  schon  gedacht.    Und  dann  konnte  es 

275  35* 


geschehen,  daß  Herr  Mayer,  wenn  er  sich  nach  einiger  Zeit  bei  Pettenkofen  wieder 
nach  dem  Bilde  erkundigte,  die  Auskunft  erhielt:  das  existiert  nicht  mehr.  Mit 
der  Vernichtung  von  Arbeiten,  an  denen  ihm  irgend  etwas  nicht  zusagte,  war  er 
überhaupt  schnell  bei  der  Hand.  Von  verschiedenen  glaubwürdigen  Seiten  wird 
berichtet,  daß  er  dieses  oder  jenes  Werk  zerrissen,  zerbrochen,  zerschnitten,  zer- 
hackt, verbrannt  habe.  Die  Herren  Balthasar  Krzisch  und  Maler  Rudolf  Konopa 
besitzen  heute  noch  solche  von  Pettenkofen  halb  zerstörte  und  dann  nicht  weiter 
beachtete  Arbeiten,  die  nachträglich  von  anderer  Hand  wieder  zusammengesetzt 
worden  sind. 

Pettenkofens  hier  bereits  oft  und  oft  gerühmter  Fleiß  kommt  nicht  nur  in  den 
zahlreichen  Arbeiten,  die  er  geschaffen,  sondern  auch  in  den  Übungen  zum  Aus- 
druck, die  er  noch  als  reifer  Meister,  ja  sogar  noch  als  alter  Mann  angestellt  hat, 
um  in  seiner  Kunst  auf  der  Höhe  zu  bleiben.  Die  größte  Mühe  verwandte  er  auf 
die  Zeichnung.  Das  Zeichnen,  sagte  er  den  Fräulein  Marie  und  Berta  Müller,  ist 
die  Hauptsache,  das  Malen  kommt  von  selbst.  Er  tadelte  es  an  ihnen,  daß  sie 
nicht  immer  und  überall  ein  Skizzenbuch  bei  sich  hätten,  um  alles  zu  zeichnen, 
was  sich  ihnen  darböte.  Und  was  er  andern  riet,  befolgte  er  auch  selbst.  Maler 
Dome  Skutezky  erzählt,  daß  er  Pettenkofen  einmal  in  Venedig  im  Restaurant 
„Cittä  di  Firenze"  traf,  wie  er  zwischen  zwei  Gängen  des  Mittagsmahles  seinen  ihm 
gegenüber  an  der  Wand  hängenden  Hut  auf  ein  Briefkuvert  zeichnete.  Er  sagte: 
„Sie  können  sich  nicht  vorstellen,  wie  schwer  es  ist,  so  einen  runden  steifen  Hut 
richtig  zu  zeichnen,  ihn  so  wiederzugeben,  daß  es  der  und  kein  anderer  Hut  ist. 
Schauen  Sie  nur  her,  diese  Linie  da  bringe  ich  nicht  zusammen.  Ja,  wenn  ich  jung 
wäre  wie  Sie,  dann  würde  ich  zeichnen  lernen,  —  wie  wollte  ich  da  überhaupt 
lernen,  lernen."^')  Zu  Sedelmeyer  sagte  Pettenkofen,  ein  Maler  müsse  so  zeichnen 
können  wie  ein  Virtuos  spielen;  zeichnen  müsse  die  Hand  von  selber  können. 
Cecil  van  Haanen  bezeugt,  daß  Pettenkofen  in  Venedig  nicht  nur  mit  Pinsel  und 
Feder  nach  Photographien  von  Bildern  des  Velasquez,  sondern  daß  er  auch  nach 
Gipsen  gezeichnet  hat  und  zwar  so,  daß  z.  B.  in  einer  Viertelstunde  ein  Arm 
fertig  sein  mußte.  Franz  Rüben  teilt  mit,  daß  Pettenkofen  in  Venedig  nach  Gips- 
abgüssen von  ägyptischen  Reliefs  —  es  können  nur  die  aus  dem  Grabe  des  Ti 
sein,  von  denen  noch  die  Rede  sein  wird  —  gezeichnet  hat.  Maler  Andreas 
Wildhack  erinnert  sich,  daß  Pettenkofen  1860  oder  1861  ein  Semester  hindurch 
an  der  Wiener  Akademie  den  Aktkurs,  den  abwechselnd  eine  Woche  Wurzinger, 
die  andere  Karl  Mayer  leitete,  besucht  hat.  Pettenkofen  war  damals  bereits  ein 
anerkannter,  namhafter  Meister  und  erregte  daher  unter  den  jungen  Leuten  kein 
geringes  Aufsehen.  Daß  Pettenkofen  zusammen  mit  Ethofer  am  Aktkurs  an  der 
Akademie  zu  Neapel  teilnahm,  wurde  bereits  oben  mitgeteilt,  daß  er  es  auch  in 
Venedig  tat,  bezeugen  van  Haanen  und  Sedelmeyer.  Ein  Geschichtchen,  das  aber- 
mals Herr  Maler  Skutezky  mitteilt,  ^0  illustriert  sowohl  Pettenkofens  Ansicht  über 
das  Zeichnen,  als  auch  das  Verhältnis,  in  dem  er  zu  Ludwig  Passini  stand,  der 
ihm  als  Maler  wohl  etwas  zu  glatt  und  süßlich  gewesen  sein  wird.  Passini  zeigte 
Pettenkofen  einmal  ein  Aquarell,  das  er  soeben  für  den  Fürsten  Liechtenstein 
fertig  gestellt  hatte.    Pettenkofen  blieb    stumm.    Auf  das  Drängen  Passinis,    doch 


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seine  Meinung  zu  äußern,  sagte  er  nichts  als:  „Ja,  das  Zeichnen  ist  halt  schwer." 
Mit  diesen  Worten  tat  er  Passini,  der  gerade  auf  sein  Zeichnen  besonders  stolz 
war,  sehr  weh.  Passini  erwiderte  gekränkt  und  gereizt:  „Man  macht  eben,  was 
man  kann."  Pettenkofen  wiederholte :  „Ja,  ja.  Zeichnen  ist  schwer"  und  gieng.  Auf  dem 
Heimweg  kaufte  er  bei  einem  Gipsgießer  einige  Abgüsse  von  Teilen  der  Niobiden- 
gruppe  und  schickte  sie  Passini.  —  In  diesem  Zusammenhang  sei  auch  erwähnt, 
daß  nach  Sedelmeyer  Pettenkofen  an  den  französischen  Impressionisten  vor  allem 
die  schwache  Zeichnung  rügte. 

So  viel  von  der  hohen  Bedeutung,  die  Pettenkofen  dem  Zeichnen  beigemessen 
hat.  Über  das  Malen  im  engeren  Sinne  des  Wortes  haben  sich  von  ihm  zwei  Auf- 
zeichnungen erhalten.  Die  eine  ist  vom  Jahre  1886  datiert  und  lautet:  „Die  Farben 
der  Palette  werden  nach  und  nach  gefunden,  durch  Beobachtung  der  Natur."  Die 
zweite  Notiz  dürfte  so  ziemlich  derselben  Zeit  wie  die  erste  angehören  und  spinnt 
den  in  dieser  angedeuteten  Gedanken  etwas  weiter  aus:  „Über  meine  Methode 
in  der  Malerei.  Die  Farben  meiner  Palette  wurden  mir  nach  und  nach  gegeben 
durch  das  Bedürfnis  da[r]nach  in  Vergleichung  der  Natur;  die  Harmonie  dieser 
Palette  kam  zu  einer  bestimmten  Vollendung  und  Selbständigkeit  durch  Bedürfnis 
darnach,  welches  Arbeit  hervorgerufen.  Der  ganz  umgekehrte  Fall  wird  es  sein, 
wenn  man  diese  Palette  einem  in  die  Hand  gibt,  um  daraus  das  Bedürfnis  nach 
Harmonie  erst  zu  finden."  Dieser  nicht  sehr  glücklich  formulierte  Ausspruch  betont 
zwei  Momente,  ein  objektives  und  ein  subjektives.  Das  objektive  ist  eine  möglichst 
treue  Nachahmung  der  in  der  Natur  gesehenen  Farben  mithilfe  der  in  den  Tuben 
bereits  vorhandenen  und  der  auf  der  Palette  durch  Mischung  dieser  erst  zu  er- 
zeugenden; das  subjektive  ist  die  sich  im  Laufe  der  Jahre  bei  der  Arbeit  allmählich 
herausbildende  Bevorzugung  gewisser  Farbenharmonien  in  der  Natur  sowohl  als 
auch  auf  den  Bildern.  Anders  ausgedrückt,  könnte  diese  Malvorschrift  auch  lauten: 
Naturalistisches  Kolorit,  gewählt  und  geläutert  durch  persönlichen  Geschmack. 
Tatsächlich  wäre  „Natur Wahrheit  und  Geschmack"  vielleicht  die  knappste  Formel, 
auf  die  die  Eigenart  von  Pettenkofens  Farbengebung  —  vielleicht  seiner  ganzen 
Malerei  —  gebracht  werden  könnte. 

Als  charakteristisch  für  Pettenkofens  Verhältnis  zu  den  Farben  mögen  hier  noch 
folgende  drei  Mitteilungen  Platz  finden:  Die  Damen  Marie  und  Berta  Müller  er- 
zählen, daß  sich  Pettenkofen,  als  sie  an  der  Wiener  Akademie  im  Atelier  ihres 
Bruders  malten,  jedesmal,  wenn  er  guten  Morgen  wünschte,  von  ihnen  durch  den 
Türspalt  ihre  Paletten  zeigen  ließ  und  nach  einem  Blick  auf  diese  ihnen  voraus- 
sagte, ob  es  den  Tag  gut  gehen  werde  oder  nicht.  —  Fräulein  Anna  Wagner  be- 
richtet, daß  sich  Pettenkofen  geärgert  habe,  als  sie  ihm  auf  die  Frage,  was  ihre 
Lieblingsfarbe  sei,  antwortete:  Purpur.  Er  habe  der  Lavendelfarbe  vor  allen 
andern  den  Vorzug  gegeben.  Zu  dieser  Anekdote  sei  bemerkt,  daß  die  Makart- 
Verehrung  der  Dame  oft  einen  Streitpunkt  zwischen  ihr  und  Pettenkofen  abgegeben 
hat.  —  Die  Herren  Ethofer  und  Sedelmeyer  teilen  übereinstimmend  mit,  daß 
Pettenkofen  das  größte  Gewicht  auf  die  „Valeurs"  legte. 

Wie  jeder  ordentliche  und  tüchtige  Handwerker  —  ein  Handwerker  steckt  be- 
kanntlich in   jedem  Künstler  —  hielt  auch  Pettenkofen    viel   auf   gute  Materialien 

377 


und  gutes  Werkzeug.  Daß  er  sich  Farben,  Pinsel  und  Leinwand  durch  Kratzer  in 
Paris  kaufen  und  von  dort  nach  Wien  schicken  ließ,  wurde  schon  gesagt.  Auch 
Sedelmeyer  hatte  gelegentlich  derlei  für  ihn  zu  besorgen.  In  dem  diesem  Buche 
beigegebenen  „Verzeichnis  der  Werke"  ist  in  all  den  Fällen,  wo  es  sich  hat  fest- 
stellen lassen,  die  Herkunft  der  Malgründe  angegeben.  Eine  ganz  besondere  Sorg- 
falt verwendete  Pettenkofen  auf  die  Auswahl  der  Rahmen  für  seine  Bilder.  Er 
stimmte  nicht  nur  den  Rahmen  zum  Bilde,  sondern  insoferne  auch  das  Bild  zum 
Rahmen,  als  er  es  erst  darin  fertig  malte.  Zu  dem  „Ungarischen  Markt"  im  Besitz 
der  Damen  Müller  hat  er  sich  z.  B.  den  Rahmen  eigens  aus  Paris  kommen  lassen. 
Die  Vergoldung  mußte  echt  sein,  und  in  der  späteren  Zeit  hob  er  oft  den  Rahmen 
eines  kleinen  Bildes  durch  einen  sorgfältig  ausgewählten  Peluchegrund. 

Aus  Pettenkofens  Nachlaß  haben  sich  verschiedene  Rezepte  zu  Malmitteln  und 
Grundierungen,  eine  Anweisung,  Lein-  oder  Nußöl  zu  reinigen,  und  dergleichen 
erhalten.  Auch  die  von  ihm  unseres  Wissens  niemals  ausgeübten  Techniken  der 
Fresko-  und  der  Temperamalerei  interessierten  ihn.  Seine  datierten  Siccativexperi- 
mente  wurden  bereits  angeführt.  Fräulein  Marie  Müller  berichtet,  daß  er  auf 
Brettchen  verschiedene  Farbmischungen  aufzustreichen  und  dazu  das  Datum  zu 
schreiben  pflegte,  um  auf  diese  Weise  die  Dauerhaftigkeit  der  Mischungen  kennen 
zu  lernen.  Auch  hat  sich  aus  seinem  Nachlaß  in  Glasflaschen  und  Papiersäcken 
eine  ganze  Menge  von  Rohfarben  erhalten,  wie  er  sie  aufbewahrte,  um  sie  dann 
eigenhändig  für  den  Gebrauch  zuzubereiten.  Frau  Leopoldine  Mayer  erzählt,  daß 
er  ihr  oft  untermalte  Bilder  brachte  und  sie  bat,  diese  in  ihren  Glasschränken  auf- 
zubewahren, aber  ja  niemandem  zu  zeigen.  Nach  langer  Zeit,  manchmal  erst  nach 
Jahren,  nahm  er  die  Bilder  dann  wieder  zu  sich  und  malte  sie  zu  Ende.  Er  tat 
dies,  um  ihre  Solidität  zu  erhöhen. 

Diese  letztere  Mitteilung  leitet  bereits  zu  Pettenkofens  Arbeitsweise  hinüber.  Von 
ihr,  und  zwar  in  einem  weiteren  Sinne  als  dem  bloß  technischen,  soll  nun  ge- 
handelt werden. 

Ähnlich  wie  Pettenkofen  ein  bereits  angefangenes  Bild  stehen  ließ  und  erst 
nach  einer  langen  Pause  wieder  hervorsuchte,  um  es  zu  vollenden,  konnte  er  auch 
ein  Thema  Jahre  hindurch  immer  wieder  von  neuem  anpacken.  Das  beste  Beispiel 
hiefür  ist  der  „Verwundetentransport",  ein  Vorwurf,  den  er  bekanntlich  1849  zum 
ersten,  1869  zum  letzten  Mal  behandelt  hat.  Aber  nicht  immer  wurde  wie  in 
diesem  Falle  die  Wiederaufnahme  eines  alten  Themas  zu  einem  neuen  Bilde. 
Recht  häufig  unterscheidet  sich  die  zweite  Fassung  eines  Bildes  von  Pettenkofen 
nur  recht  wenig  von  der  ursprünglichen,  so  daß  jene  bei  oberflächlicherer  Be- 
trachtung ganz  leicht  für  eine  eigenhändige  Kopie  dieser  angesehen  werden  könnte. 
Hier  darf  wohl  auch  nochmals  der  Vorliebe  Pettenkofens  für  gewisse  Sujets  wie 
das  „Duell"  und  das  „Rendezvous"  gedacht  und  schließlich  die  merkwürdige  Tat- 
sache verzeichnet  werden,  daß  Pettenkofen,  der  geschworene  Feind  des  Winters, 
niemals  ein  Schneebild  gemalt  hat.  — 

Pettenkofen  hat  nicht  nur  von  der  Natur,  sondern  auch  von  der  Kunst,  und 
zwar  der  gegenwärtigen  und  der  vergangenen  gelernt. 

Seinen  bereits  weiter  oben  mitgeteilten  Aussprüchen  über  seine  Art,    die  Natur 


278 


zu  studieren,  sei  hier  eine  Bemerkung  angereiht,  zu  der  ihn  anscheinend  die  Lek- 
türe von  Humboldts  „Reisen"  veranlaßt  hat.  Sie  lautet:  „ —  was  im  Angesicht  der 
geschilderten  Gegenstände  niedergeschrieben  ist,  hat  ein  Gepräge  von  Wahrheit 
(ich  möchte  sagen :  von  Individualität),  das  auch  den  unbedeutendsten  Dingen  einen 

gewissen  Reiz  gibt.    —  Je    gewaltiger   und   großartiger   die  Natur ,    desto 

strenger  muß  man  bei  Naturschilderungen  an  der  Einfachheit  festhalten,  die  das 
vornehmste,  oft  das  einzige  Verdienst  eines  ersten  Entwurfes  ist." 

Zur  Vermittlung  bedient  sich  Pettenkofen  beim  Arbeiten  nach  der  Natur  späte- 
stens vom  Jahre  1869  an,  wie  wir  wissen,  auch  der  Photographie.  Außer  durch 
die  in  diesem  Jahre  beim  Szolnoker  Photographen  Chryastel  bestellten  Aufnahmen 
für  zwei  ungarische  Bilder  und  die  Photographie  zum  „Straßenkampf  in  einem 
venezianischen  Gäßlein"  wird  diese  Benützung  des  photographischen  Apparates 
auch  noch  durch  etliche  Abzüge,  die  sich  aus  dem  Nachlaß  erhalten  haben, 
belegt :  Einer  von  diesen  stellt  ein  auf  dem  Boden  kauerndes  nacktes  halbwüchsiges 
Zigeunermädel,  ein  anderer  einen  an  eine  Mauer  gelehnten  Franziskanermönch 
dar;  das  sind  zwei  Themen,  die  von  Pettenkofen  tatsächlich  in  Bildern  behandelt 
worden  sind.  Andere  Naturaufnahmen  geben  italienische  und  ägyptische  Typen 
(die  Blätter  mit  diesen  sind  Pettenkofen  wohl  durch  Müller  verschafft  worden), 
Fisch-  und  Geflügelstilleben,  Brombeerranken  und  eine  Malvengruppe  (eine  solche 
wollte  Pettenkofen  auf  dem  Bilde  mit  den  beiden  über  eine  Gartenplanke  spähenden 
Mädchen  verwenden),  Akte,  Tiere,  Architektur  und  Landschaften  wieder.  Eine 
besondere  Erwähnung  verdient  die  Stereoskopaufnahme  von  Soldatenleichen,  die 
auf  einem  Schlachtfeld  zu  einem  Haufen  zusammengeworfen  sind.  Damit  hängt 
ein  Zettel  zusammen,  auf  dem  ein  Pariser  Photograph  Lewis  notiert  ist,  bei  dem 
„Stereoskopen-Bilder  von  Schlachtfeldern  [in]  Italien"  erhältlich  sind.  Es  ist  nur 
selbstverständlich,  daß  Pettenkofen,  der  so  viele  Tote  und  Verwundete  des  öster- 
reichisch-ungarischen Feldzuges  während  der  Jahre  1848-49  nach  der  Natur  oder 
nach  Erinnerungsbildern  gezeichnet  und  gemalt,  der,  wie  wir  uns  entsinnen,  die 
größere  Darstellung  eines  Schlachtfeldes  geplant  hatte,  an  einem  solchen  Hilfs- 
mittel, das  der  technische  Fortschritt  der  Zeit  dem  Maler  an  die  Hand  gab,  das 
höchste  Interesse  nahm. 

Ein  anderer  Behelf  beim  Malen  waren  für  Pettenkofen  Kostümstücke,  die  er  zu 
Zeiten  eifrig  sammelte.  Die  früheste  Erwähnung  von  Kostümen  in  seinem  Besitz 
findet  sich  auf  dem  schon  zitierten  Zettel,  der  vom  26.  Dezember  1868  datiert  und 
„Bilder  und  Studien  im  Versteck"  überschrieben  ist.  Da  ist  notiert,  daß  für  das 
zu  vollendende  Bild  „Rauchendes  Zigeunermädel"  „auf  die  Reise  mitzunehmen 
[seien:]  Hemd,  Kittel,  roter  Gürtel,  weißes  Leintuch,  Pfeife  etc.,"  für  das  Bild 
„Kavaliere,  ihre  Gegner  zum  Duell  erwartend"  „aus  den  betreffenden  Kostümen 
ein  Paket  zum  Absenden  zu  machen"  sei  und  für  das  Bild  „Der  Vogelsteller", 
ein  ungarisches  Motiv,  „die  betreffenden  Wäschestücke  [gleichfalls]  ins  Paket"  zu 
geben  seien.  Besonders  viel  mit  Kostümen  hat  Pettenkofen  im  Jahre  1875  zu  tun. 
Am  12.  Februar  kauft  er  sich  in  Rom,  wahrscheinlich  auf  dem  berühmten  Trödel- 
markt vor  der  Cancelleria,  ein  Meßkleid  aus  violettem  Samt,  gelben  Damast,  weiße 
Seide  mit  Blumen,  solche  mit  Silber,    orangefarbene  Seide,  mit  Gold  gestickt,  und 

279 


roten  Samt.  Am  8.  März  ersteht  er,  ebenfalls  in  Rom,  violette  Seide,  einen  Mantel, 
ein  Mieder  und  ein  grünes  Meßgewand.  Am  15.  April  erwirbt  er  in  Florenz  grüne 
Seide  mit  Silber  sticker  ei  und  eine  gelbe  Pferdedecke,  am  19.  einen  Sattel  mit 
grünem  Samt,  Schuhe  aus  dem  XVII.  Jahrhundert,  1  m  roten  Flanell  und  16  m  weiße 
„Gallone"  (d.  i.  eine  Borte),  am  23.  roten  Samt  und  rote  und  grüne  Gallonen  und 
am  25.  in  Bologna  ein  Paar  Handschuhe,  ein  Paar  kleinere,  ein  Paar  größere 
weiße  Schuhe,  ein  kleines  Stück  schwarzen  Samt  und  gelben  Samt  mit  violetten 
Zutaten.  (Nach  etlichen  dieser  Erwerbungen,  mit  dem  Sattel  als  Hauptstück,  hat 
Pettenkofen  ein  Stilleben  aquarelliert.)  Am  7.  Mai  wurden  ihm  nach  Venedig  aus 
Rom  ein  „rotes  Seminar kleid"  (die  Robe  eines  „Gambero"  ?)  und  ein  Ziegenfell 
nachgeschickt.  Am  8.  April  1879  bezahlt  er  einem  Schneider  in  München  die  An- 
fertigung eines  Kostümmantels,  am  19.  Mai  aber  verkauft  er  ebenda  für  500  Fr. 
„antike  Stoffe"  an  Lenbach.  Am  12.  September  1887  kauft  er  in  Bozen  beim  Anti- 
quitätenhändler Übersbacher  einen  alten  Sattel,  am  1.  Oktober  begleicht  er,  wieder 
in  Bozen,  bei  seinem  Freunde,  dem  Architekten  Alexander  Günther,  die  Rechnung 
für  eine  rote  Pferdedecke,  die  dieser  für  ihn  aus  Florenz  mitgebracht  hat.  Am  28.  Fe- 
bruar 1889  verhandelt  er  mit  den  Costumiers  der  Wiener  Hofoper  Burghart  und 
Hohenleitner  und  noch  am  8.  März,  also  wenige  Tage  vor  seinem  Tode,  zahlt 
er  Burghart  für  einen  Rock  und  eine  Weste  aus  Zwilch  22  fl.  aus.  Diese  zwei 
Kostümstücke,  von  Pettenkofen  noch  für  seinen  „Venezianischen  Straßenkampf" 
bestellt,  gehören  heute  den  Schwestern  Müller,  den  Bozener  Sattel  und  andere 
Kostümstücke  aus  Pettenkofens  Nachlaß  aber  haben  sie  der  Kostümsammlung  der 
Wiener  Akademie  der  bildenden  Künste  zum  Geschenk  gemacht.^') 

Aber  auch  auf  theoretischem  Wege  bemühte  sich  Pettenkofen  der  Natur  näher- 
zukommen. Als  reifer  Mann  wendete  er  nicht  nur  perspektivische  Hilfskonstruk- 
tionen (für  das  „Rokoko-Rendezvous"  und  die  „Venezianische  Küche")  an,  sondern 
studierte  er  auch,  wie  viele  noch  erhaltene  Zeichnungen  bezeugen,  fleißig  die  Ana- 
tomie des  Menschen  und  des  Pferdes. 

Was  aber  die  Kunst  anlangt,  so  gieng  Pettenkofen  nicht  nur  bei  der,  wie  wir 
schon  wissen,  von  ihm  immer  besser  gekannten  und  immer  höher  verehrten  alten, 
sondern  auch  bei  der  seiner  Zeit  in  die  Schule.  Er  verstand  es  eben,  immer  und 
überall  zu  lernen.  So  haben  sich  aus  seinem  Nachlaß  ganze  Stöße  ausgeschnittener 
Holzschnitte  aus  den  Zeitschriften  „Neue  illustrierte  Zeitung",  „Le  monde  illustre", 
„The  illustrated  London  News",  „Harpner's  New  Monthly  Magazine"  und  „Punch" 
erhalten.  Pettenkofen  sammelte  diese  Blätter,  wie  er  gelegentlich  zu  den  Schwestern 
Müller  bemerkte,  der  Anregungen  wegen,  die  von  derlei  Sachen  ausgiengen  und 
weiterwirkten.  Es  ist  —  wenn  das  hier  eingeschaltet  werden  darf  —  interessant 
zu  sehen,  wie  noch  vor  kurzem  der  heute  fast  schon  ausgestorbene  Hirnholz- 
schnitt diese  wichtige  Mittlerrolle  von  Langholzschnitt  und  Kupferstich  in  den  An- 
fangszeiten der  graphischen  Künste  gespielt  hat.  Heute  sind,  abgesehen  von  der 
Photographie  selbst,  die  ja  auch  schon  Pettenkofen  ausgiebig  benützt  hat,  und  der 
seither  neu  hinzugekommenen  Kinematographie,  die  photomechanischen  Repro- 
duktionsverfahren, vor  allem  die  beiden  Arten  der  wohlfeilen  Zinkätzung  an  die 
Stelle    des  Hirnholzschnittes   getreten.  —  Pettenkofen,    der,    wie    uns  bekannt  ist. 


380 


selbst  nicht  ausstellte,  war  aber  ein  fleißiger  Besucher  von  Gemäldeausstellungen. 
Nach  den  erhaltenen  Resten  zu  urteilen,  müssen  seine  Notiz-  und  Skizzenbücher 
voll  gezeichneter  und  geschriebener  Anmerkungen  gewesen  sein,  zu  denen  ihn  die 
Bilder  der  Zeitgenossen  veranlaßten.  In  Photographien  hat  Pettenkofen  begreif- 
licherweise nur  die  Bilder  jener  gleichzeitigen  Maler  besessen,  mit  denen  er  be- 
freundet war.  Diese  wurden  fast  alle  schon  vorher  im  Laufe  der  Darstellung  erwähnt. 

Kaum  weniger  als  die  Kunst  der  Gegenwart  hat  Pettenkofen  die  der  Vergangenheit 
studiert.  Äußerst  interessant  ist,  daß  er  hiebei  bereits  hinter  das  klassische  Alter- 
tum zurückgieng.  Wir  haben  schon  gehört,  daß  er  in  Venedig  nach  Gipsabgüssen 
ägyptische  Reliefs  gezeichnet  hat.  Es  müssen  dies  die  zwanzig  Abgüsse  nach 
Flachreliefs  sein,  die  um  das  Jahr  3000  v.  Chr.  in  die  Felswände  des  von  Mariette 
entdeckten  Grabes  des  Ti  zu  Sakkara  in  Ägypten  eingemeißelt  worden  sind. 
Pettenkofen  hat  sie,  vielleicht  durch  Leopold  Karl  Müller  für  die  ägyptische  Kunst 
interessiert,  am  19.  April  1875  bei  Casaglia  in  Florenz  erworben.  1882  hat  er  sie 
dem  Gipsmuseum  der  Wiener  Akademie  zum  Geschenk  gemacht.  Sie  sind  mit 
den  Inventarnummern  1345 — 1364  versehen,  befinden  sich  aber  nicht  mehr  alle  im 
Museum  der  Akademie,  sondern  sind  1902  zum  Teile  (nämlich  die  Nummern 
1345,  1348,  1354,  1356  und  1364)  an  das  Gipsmuseum  der  Universität  abgegeben 
worden.  Sie  stellen  dar:  den  Fischfang,  die  Vogeljagd,  Männer  mit  Eseln,  Ochsen- 
treiber, ein  in  einer  Schlinge  gefangenes  Kalb,  Schafe,  einen  Hund,  einen  Affen, 
Gazellen,  Ibisse,  Geflügel  im  Schilfe,  die  Todtenklage,  die  Todtenbarke  und  das 
Opfer  vor  Osiris.  Es  sind  ausgezeichnete  Arbeiten,  in  den  bloßen  Umrissen  von  der 
höchsten  Lebendigkeit.  In  Bezug  auf  sie  versteht  man  die  von  Franz  Ruhen  über- 
lieferte Äußerung  Pettenkofens,  daß  ihn  jetzt  nur  mehr  die  Primitiven  interessieren. 

Mit  besonderem  Eifer  aber  hat  Pettenkofen  die  Kunst  des  klassischen  Altertums 
studiert  und  von  ihr  zu  lernen  getrachtet.  Er  hat  nicht  nur  nach  antiken  Originalen 
(nach  einem  Dionysos-Torso  im  Louvre,  nach  einem  etruskischen  Spiegel  usw.), 
sondern,  wie  wir  wissen,  auch  nach  deren  Gipsabgüssen  gezeichnet,  und  außerdem 
haben  sich  in  seinem  Nachlaß  zahlreiche  Photographien  sowohl  nach  antiker  Plastik, 
als  auch  nach  antiker  Architektur  erhalten.  Die  Bronzestatuette  des  sogenannten 
Narciß  im  Neapler  Museum  hat  Pettenkofen  beispielsweise  in  nicht  weniger  als  vier 
verschiedenen  Aufnahmen  besessen.  Sehr  merkwürdig  ist  eine  schriftliche  Aufzeich- 
nung Pettenkofens,  die  sich  mit  antiker  Malerei  befaßt.  Es  ist  ein  Exzerpt  aus  einer 
deutschen  Übersetzung  von  Sir  William  Gells  „Pompeiana",  das  folgendermaßen 
lautet:  „Es  ist  auffallend,  daß  in  manchen  Fällen,  wo  sich  nämlich  ein  Gemälde  gut 
erhalten  hat  und  aus  einer  gewissen  Entfernung  dem  Auge  sichtbar  wird,  ein  Stil 
in  Anwendung  gebracht  ist,  [der,]  wiewohl  darauf  berechnet,  die  Wand  zu  verzieren, 
doch  bei  einer  größeren  Annäherung  keineswegs  verständlich  erscheint.  [In  einem 
Zimmer]  .  .  .  befindet  sich  ein  Gemälde,  welches,  aus  einer  gewissen  Entfernung 
gesehen,  eine  Stadt,  ein  Zelt  und  etwas  einer  Hochzeitsfeierlichkeit  Ähnliches  dar- 
stellt, allein  es  verwandelt  sich,  wenn  man  sich  ihm  nähert,  in  eine  Zusammen- 
häufung von  dem  Anschein  nach  nichts  bedeutenden  Flecken,  so  daß  es  der  Ge- 
schicklichkeit eines  Künstlers  spottete,  der  bemüht  war,  es  in  Entfernung  von  3  bis 
4  Fuß   zu  kopieren."^'')    Pettenkofen  war    im  Februar  1873    in  Pompeji.    Damals, 

281  36 


wahrscheinlich  einige  Zeit  nachher,  muß  er  sich  auch  die  eben  mitgeteilte  Stelle 
ausgeschrieben  haben,  die,  an  ein  Wandbild  des  „Hauses  des  tragischen  Dichters" 
zu  Pompeji  anknüpfend,  vom  impressionistischen  Stil  gewisser  antiker  Malereien 
handelt.  Nun  ist  es  sehr  interessant  und  wohl  mehr  als  ein  bloßer  Zufall,  daß, 
wie  wir  uns  erinnern,  Pettenkofen  1874  in  Venedig,  wenn  man  so  sagen  darf,  im- 
pressionistisch zu  malen  beginnt:  auch  die  Pinselstriche  auf  kleinen  Bildern  dieses 
Jahres,  wie  z.  B.  dem  „Eselsgespann"  bei  Eugen  Miller  v.  Aichholz  oder  den 
„Ungarischen  Ochsen  wagen"  im  Wiener  Hofmuseum,  werden  erst,  aus  einiger 
Entfernung  betrachtet,  verständlich.  Nun  wird  ja  Pettenkofen  durch  die  ihm  be- 
kannten impressionistischen  antiken  Malereien  allein  gewiß  noch  nicht  zu  seinem 
fernsichtigen  Stil  der  siebziger  Jahre  angeregt  worden  sein,  er  kannte  aber  damals 
bereits  die  impressionistischen  Bestrebungen  Manets  und  seines  Kreises,  hatte  sich 
selbst  in  seiner  Malweise  diesen  bis  zu  einem  gewissen  Grade  genähert,  und  im 
Zusammenhang  damit  mag  die  von  ihm  so  hoch  gehaltene  Autorität  des  klassischen 
Altertums  auf  ihn  schon  einen  mehr  oder  weniger  bestimmenden  Einfluß  ausgeübt 
haben. 

Im  Zusammenhang  mit  diesem  Interesse  an  der  Kunst  und  dem  bereits  früher 
geschilderten  an  der  Literatur  des  Altertums  betrachtet,  erscheinen  auch  Petten- 
kofens  freundschaftliche  Beziehungen  zu  Malern  antiker  Stoffe  wie  Geröme,  Hamon 
und  Alma  Tadema  in  einem  neuen  Lichte. 

Der  Kunst  des  Mittelalters  ist  Pettenkofen  anscheinend  ferner  gestanden,  da- 
gegen scheint  er  für  die  des  Quattrocento  bereits  etwas  übrig  gehabt  zu  haben. 
Wenigstens  hat  er  nach  Botticellis  „Grablegung"  in  München  gezeichnet  und 
haben  sich  aus  seinem  Nachlaß  Photographien  nach  Jan  van  Eyck,  Memling,  Man- 
tegna  und  Verrocchio  erhalten.  Ein  besonders  eindringliches  Studium  hat  er,  wahr- 
scheinlich während  der  achtziger  Jahre,  als  innerhalb  seiner  eigenen  Tätigkeit  das 
Zeichnen  mehr  Raum  zu  beanspruchen  anfieng,  auf  die  Handzeichnungen  der 
Meister  hauptsächlich  des  XVI.  Jahrhunderts  verwendet:  Lionardo,  Michelangelo, 
Raffael,  Andrea  del  Sarto,  Annibale  Carracci  und  von  deutschen  Malern  Holbein 
d.  j.  finden  sich  in  seiner  Sammlung  vertreten.  Ferner  haben  sich  aus  seinem 
Nachlaß  Photographien  nach  Bildern  folgender  Meister  des  XVI.  Jahrhunderts  er- 
halten: Andrea  del  Sarto,  Perugino,  Palma  Vecchio  (2  Stück),  Tizian  (6),  Paris 
Bordone  (2),  Moreto,  Morone,  Correggio  und  Holbein  d.  j.  (5).  Sehr  viel  hat  er 
nach  allen  möglichen  Flächenkunstwerken  des  XVII.  Jahrhunderts  gezeichnet  und 
zwar  im  Hinblick  auf  seine  Illustrationen  zum  „Gil  Blas".  Außerdem  ist  dies  die 
Zeit  der  von  ihm  besonders  hochgestellten  Maler  Velasquez,  nach  dem  er  nicht 
weniger  als  16  Photographien  besaß.  Van  Dyck  und  Frans  Hals.  Er  nannte  aber 
auch  Photographien  nach  Rembrandt  und  Rubens  sein  eigen.  Nach  einer  Mitteilung 
von  Fräulein  Anna  Wagner  erklärte  er  das  Bild  „Der  Maler  in  seinem  Atelier" 
von  Vermeer  in  der  Galerie  des  Grafen  Czernin  für  das  beste  Bild  in  Wien.  Vier 
Radierungen  Tiepolos  und  sieben  Photographien  nach  Bildern  Goyas  zeigen,  was 
Pettenkofen    an  späteren  Epochen  der  Kunstentwicklung  besonders  geschätzt  hat. 

Es  ist  nur  begreiflich,  daß  diese  ebenso  ausgebreitete  wie  eindringliche  Beschäfti- 
gung mit  der  Kunst  vergangener  Zeiten  bei  Pettenkofen  auch  ein  gewisses  kunst- 


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theoretisches  Interesse  gezeitigt  hat.  Speziell  in  kunstgeschichtlicher  Hinsicht  äußert 
es  sich,  abgesehen  von  dem,  was  darüber  bereits  gesagt  worden  ist,  in  folgendem: 
Er  hat  sich  Notizen  über  die  Wasserzeichen  auf  Handzeichnungen  Lionardos, 
Michelangelos  und  Holbeins  d.  j.  gemacht.  Er  hat  sich  des  Plinius  Lebensbeschrei- 
bungen der  Künstler  des  Altertums  ausgeschrieben.  Er  hat  sich  in  deutscher  Über- 
setzung die  berühmte  Stelle  aus  dem  Vitruv  notiert,  die  von  den  Proportionen  des 
Menschen  handelt.  (Als  Photographie  war,  nebenbei  bemerkt,  auch  die  Zeichnung 
Lionardos  dazu,  die  sich  in  der  Akademie  von  Venedig  befindet,  in  seiner  Samm- 
lung vorhanden.)  Er  hat  sich,  wie  wir  wissen,  die  Werke  der  namhaftesten  Kunst- 
schriftsteller des  XVI.  und  XVII.  Jahrhunderts  verzeichnet.  Er  hat  endlich,  und 
das  ist  das  Interessanteste,  den  Vorsatz  gefaßt,  selbst  über  die  Malerei  seiner  Zeit 
zu  schreiben,  was  durch  folgende  Aufzeichnung  zu  belegen  ist:  „Kritik  der 
Malerei  meiner  Zeit.  Wenn  ich  bedenke,  wie  viele  nützliche  und  wissenswerte 
Nachrichten  über  die  Maler  uns  aus  allen  Zeiten  dadurch  verloren  gegangen  sind, 
daß  hierin  wohlunterrichtete  Männer  entweder  nicht  schreiben  konnten  oder 
wollten,  fühle  ich  mich  zu  dem  Versuch  ermutigt,  eine  Darstellung  der  Malerei 
und    der    auf  sie  Einfluß    übenden  Zustände  während  der  Zeit  meines  Lebens  zu 

geben. Indem   ich   mich   an   die   Überzeugung   halte,    daß   der   Wert   dieser 

Blätter  in  der  klaren  Anschauung  und  Wahrheit  liegt,  wird  es  mir  leicht,  meine 
Bedenken  zu  beschwichtigen,  daß  ich  der  Interesse  erregenden  Schreibart  ja  un- 
kundig sei  und  [es]  sogar  unterlasse,  meine  Unternehmung  in  schön  gesetzter  Rede 

in  üblicher  Weise  zu  entschuldigen. Wer  über  die  Kunst  seiner  Zeit  schreibt, 

schreibt  ja  nur  für  wenige  Menschen,  aber  sicherlich  für  alle  Zeiten,  denn  er  reiht 
damit  nur  ein  Glied  an  die  große  Kette  der  Tradition,  die  so  lange  fortlaufen 
wird,  wie  die  intellektuellen  Bestrebungen  der  Menschen.  Wenn  ich  der  Künstler 
und  Kunstfreunde,  der  Kunsthändler  und  aller  derjenigen  Erwähnung  tue,  welche 
zum  Apparat  der  Malerei  meiner  Zeit  gehören,  geschieht  dies  nur  so  weit,  als  es 
zur  Vervollständigung  der  Darstellung  notwendig  ist."  Natürlich  ist  diese  unper- 
sönliche und  inhaltsarme  Einleitungsformel  nur  ein  dürftiger  Ersatz  für  die  geplante, 
aber  wie  so  manche  andere  Arbeit  Pettenkofens  nicht  zustande  gekommene  Schrift, 
die  sicherlich  äußerst  lehrreich  geworden  wäre. 

Daß  sich  Pettenkofen  auch  mit  der  Ästhetik  beschäftigt  hat,  kann  nach  der  Dar- 
legung seiner  übrigen,  wie  wir  gesehen  haben,  höchst  mannigfaltigen  kunsttheo- 
retischen Interessen  nicht  Wunder  nehmen.  Seine  Beschäftigung  mit  der  Äs- 
thetik ist  mit  zwei  Notizen  zu  belegen.  Die  eine  lautet:  „Nach  meiner  Auffassung 
ist  Ästhetik  das  veredelte  Denken,  Empfinden,  Sehen  und  Schaffen.  Das  dürfte 
nach  meinem  Begriff  die  , Ästhetik'  des  Künstlers  umwerfen."  Die  andere  Auf- 
zeichnung hält  einen  Satz  fest,  der  „die  Welt  der  Anschauung  im  weitesten  Sinn 
des  Wortes"  als  das  der  Ästhetik  eigentümliche  Gebiet  hinstellt.  Dieser  Ausspruch 
ist  dem  Aufsatz  „Über  einige  Prinzipienfehler  der  modernen  Ästhetik  von  Dr.  Max 
Schasler"  in  der  Halleschen  „Zeitschrift  für  Philosophie"  entnommen. 

Aufschlußreicher  als  diese  etwas  blutleeren  allgemeinen  Sätze  sind  ein  paar  viel 
persönlicher  gefärbte  Aussprüche  Pettenkofens,  in  denen  eine  Art  praktischer  Äs- 
thetik zum  Ausdruck  kommt.  Zu  Fräulein  Anna  Wagner  sagte  er:  „Ich  war  immer 

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ein  Dichter"  und  „Das  Höchste  in  der  Kunst  ist  die  Anmut."  Was  er  natürlich 
mit  diesen  beiden  Sätzen,  namentlich  mit  dem  ersteren  gemeint  hat,  ist  umso 
schwerer  festzustellen,  als  die  Überlieferung  völlig  zusammenhanglos  ist,  denken 
läßt  sich  dabei  natürlich  allerhand.  Verständlicher  sind  zwei  von  Professor  Robert 
Ruß  mitgeteilte  Äußerungen:  „Jedes  Bild  muß  etwas  Zuckendes  haben"  und  „Der 
Fleiß  ist  beim  Malen  die  Hauptsache,  aber  es  muß  dabei  ein  Moment  kommen, 
in  dem  der  Künstler  den  Fleiß  totschlägt." 

Für  eine  richtige  Beurteilung  von  Pettenkofens  Verhältnis  zur  Akademie  ist  es 
nötig,  seinem  schon  zitierten  Ausspruch :  „Der  akademische  Unterricht  ist  der  Ruin 
aller  Kunst"  nicht  nur  seinen  Jugendwunsch,  Professor  an  der  Akademie  zu  werden, 
und  seine  durch  Professor  Ruß  verbürgte  Äußerung,  es  habe  eine  Zeit  gegeben, 
in  der  er  gerne  Rektor  der  Akademie  geworden  wäre,  sondern  vor  allem  die  eben 
mitgeteilten  Tatsachen  entgegenzuhalten,  daß  er  als  alter  Mann  eifrig  nach  der 
Antike,  nach  dem  Gips  gezeichnet,  daß  er  mit  dem  gleichen  Fleiß  Anatomie, 
Perspektive,  Kostümkunde  und  Kunstgeschichte  getrieben  hat,  —  alles  Gegenstände 
des  akademischen  Unterrichtes,  den  er  einmal  so  sehr  verpönt  hatte! 

Urteile  Pettenkofens  über  zeitgenössische  Künstler  sind  leider  nur  in  geringer 
Anzahl  auf  uns  gekommen.  Die  bereits  mitgeteilten  seien  hier  noch  um  ein  paar 
Beispiele  vermehrt,  die  immerhin  auf  Pettenkofens  Beziehungen  zur  Kunst  seiner 
Zeit  charakteristische  Schlaglichter  werfen. 

Sehr  große  Stücke  hielt  er  von  Menzel.  Ihm  gilt  sogar  eine  der  auf  die  schon 
so  oft  angeführten  Zettel  des  Nachlasses  geschriebenen  Notizen:  „Im  Besten  und 
Guten,  was  Menzel  macht,  liegt  immer  noch  Anregung;  und  es  ist  vieles  von  ihm 
zu  lernen,  sei  es  durch  Nachahmung  oder  —  Vermeidung."  Auf  demselben  Zettel 
stehen  noch  die  Worte:  „Vergleichung  seiner  Malerei  mit  Auffassung  und  Zeich- 
nung." Wie  interessant  wäre  es,  wenn  diese  Worte  für  uns  nicht  bloß  ein  Titel 
geblieben  wären!  —  Pettenkofen  schätzte  aber  auch  Meissonier  sehr  hoch.  Franz 
Rüben  war  einmal  Zeuge,  wie  Lenbach  zu  oder  vor  Pettenkofen  äußerte,  bei 
Meissonier  sei  alles  Garderobe.  Da  soll  Pettenkofen  Meissonier  aufs  nachdrück- 
lichste und  lebhafteste  verteidigt  haben.  —  Unter  den  Malern  der  Heimat  stellte 
Pettenkofen,  wie  wir  schon  wissen,  seinen  Freund  Müller  am  höchsten.  Als  Müller 
einmal  vor  Pettenkofen  als  Früchte  seines  letzten  Aufenthaltes  in  Cairo  lebens- 
große Brustbilder,  Halbfiguren  und  Kniestücke  ägyptischer  Modelle  auspackte,  da 
soll  Pettenkofen  angesichts  dieser  Arbeiten  —  so  berichten  die  Schwestern 
Müllers  —  ganz  hingerissen  gewesen  sein  und  mit  Tränen  in  den  Augen  ausge- 
rufen haben:  „Leo,  vor  dir  muß  man  sich  ja  niederknieen."  —  Auf  Makart  war 
er,  wie  wir  schon  gehört  haben,  nicht  gut  zu  sprechen,  wenn  er  dessen  Genie 
auch  anerkannte.  Wie  Professor  Ruß  berichtet,  nannte  er  Makarts  Malerei  ge- 
legentlich „Tapeziererkunst",  und  nach  einer  Mitteilung  von  Fräulein  Anna  Wagner 
war  ihm  Wilhelm  Lausers  Nekrolog,^')  der  in  der  Behauptung  gipfelt,  Makart  sei, 
was  die  Freunde  längst  geahnt  hätten  und  nunmehr  die  Psychiatrie  bestätigt  habe, 
schon  seit  Jahren  nicht  mehr  ganz  zurechnungsfähig  gewesen,  aus  der  Seele  ge- 
schrieben. —  Mehr  Zeugnisse  seines  kaustischen  Witzes  als  seiner  tatsächlichen 
Meinung   über   die   beiden  Künstler   sind   folgende  Aussprüche  Pettenkofens:    Vor 

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Canons  Deckengemälde  „Der  Kreislauf  des  Lebens"  im  Naturhistorischen  Hof- 
museum soll  er  bloß  gesagt  haben:  „Ich  habe  selten  eine  so  große  Leinwand  ge- 
sehen",^") und  gefragt,  wie  er  ein  Bild  von  Schönn  finde,  sagte  er:  „Es  steht  ja 
drauf"  —  (nämlich:  schön,  —  ein  Wort,  das,  nebenbei  bemerkt,  im  Munde  Petten- 
kofens  einem  vernichtenden  Urteil  gleichkam)^'). 

War  bisher  davon  die  Rede,  wie  Pettenkofen  zur  Kunst  und  zu  den  Künstlern 
seiner  Zeit  stand,  was  er  der  Kunst  der  Vergangenheit  verdankte  und  wie  er  seine 
Künstlerschaft  auffaßte  und  ausübte,  so  soll  zum  Schluß  auch  noch  darüber  ge- 
sprochen werden,  wie  er  sie  verwertet  hat  —  ist  doch  dieses  Umsetzen  der 
eigenen  künstlerischen  Leistungen  in  das,  was  man  zum  Leben  braucht,  und  was 
einem  das  Leben  verbessert  und  verschönt,  für  den  Menschen  und  für  den  Künstler 
gleich  charakteristisch. 

Mit  Pettenkofens  ganzem  vornehmen  und  zurückhaltenden  Wesen  stehen  sein 
Widerwille  gegen  jede  Art  von  Reklame  und  sein  Unvermögen,  sich  irgendwie 
selbst  in  Szene  zu  setzen,  in  vollem  Einklang.  Wie  wir  wissen,  hielt  er  sich 
während  seines  ganzen  Lebens  von  Ausstellungen  fern,  eine  so  unüberwindliche 
Scheu  hatte  er  sogar  vor  dieser  anständigsten  Form,  sich  selbst  auf  den  Markt 
zu  bringen  und  da  einem  kauflustigen  Publikum  anzubieten.  Nun  mußte  er  aber 
doch  von  seiner  Hände  Arbeit  leben,  und  da  ist  es  merkwürdig  und  für  ihn  be- 
zeichnend genug,  wie  er  sich  in  den  verschiedenen  Zeiten  seines  Lebens  anstellte, 
seine  Werke  an  den  Mann  zu  bringen.  Als  Lithograph  erhielt  er  Aufträge  von 
Verlegern.  Als  Maler  arbeitete  er  die  längste  Zeit  fast  ausschließlich  für  Plach, 
der  es  so  einzurichten  verstand,  daß  Pettenkofen  immer  —  wie  wir  wissen:  bis 
zum  Tode  —  in  seiner  Schuld  stand  und  diese  Schuld  „abzumalen"  hatte.  Gsell 
war  ein  Jahrzehnt  hindurch  ein  Abnehmer,  auf  den  Pettenkofen  zählen  konnte. 
Vom  Tode  Gsells  an  verkauft  er  seine  Arbeiten  fast  nur  mehr  an  Freunde  und 
Bekannte,  häufig  wurde  mit  diesen  vereinbart,  daß  ihm  im  Falle  des  Weiterver- 
kaufes ein  bestimmter  Gewinstanteil  zufallen  sollte.  Mit  Kunsthändlern  hatte  er 
in  der  letzten  Periode  so  gut  wie  nichts  mehr  zu  tun,  —  mit  Sedelmeyer  war  er 
befreundet,  es  ist  eigentlich  der  einzige  Heinrich  Neumann  in  München,  mit  dem 
er  sich  in  ein  Geschäft  eingelassen  hat.  Daß  er  bei  dieser  Art,  seine  Werke  zu 
verwerten,  nicht  sehr  gut  hat  fahren  können,  liegt  auf  der  Hand.  Er  hätte  noch 
weniger  verdient,  hätten  seine  Bilder  nicht,  ganz  unabhängig  von  ihm,  auf  Auk- 
tionen hohe  Preise  erzielt,  die  immerhin  auch  seine  Käufer,  ob  sie  nun  wollten 
oder  nicht,  ein  bißchen  berücksichtigen  mußten. 

Im  „Verzeichnis  der  Werke"  sind  deren  Preise,  so  weit  sie  sich  haben  er- 
mitteln lassen,  angegeben.  Im  folgenden  seien  ein  paar  Stichproben  dieser  von 
Pettenkofens  Bildern  auf  dem  Kunstmarkt  erzielten  Summen  mitgeteilt.  Zuerst  sei 
einer  der  seltenen  Fälle  vorgebracht,  in  denen  sich  verfolgen  läßt,  wie  sich  der 
Preis  von  dem  Tag  an,  da  der  Künstler  das  Bild  aus  der  Hand  gab,  bis  in  die 
Gegenwart  herauf  gewandelt  hat. 

Am  1.  Juni  1864  verkauft  Pettenkofen  um  ungefähr  700  fl.  (mit  zwei  anderen 
Gemälden  zusammen  um  2000  fl.)  das  Bild  „Der  Kuß".  Am  31.  Juli  desselben 
Jahres  verkauft  er  ein  anderes  Bild  des  nämlichen  Gegenstandes,  wieder  an  Gsell 


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und  um  den  gleichen  Preis  von  700  fl.  Am  selben  Tag  verkauft  er  Gsell  außer- 
dem noch  eine  Studie  zum  „Kuß"  für  den  Preis  von  150  fl.  Auf  der  Auktion  von 
Gsells  Nachlaß  am  14.  März  1872  kommt  nur  ein  als  Studie  bezeichneter  „Kuß" 
vor,  der  um  3350  fl.  von  einem  gewissen  Horny  erstanden  wird.  Die  beiden  Bilder 
hatte  Gsell  schon  früher  abgegeben,  eines  davon  war  am  18.  Dezember  1868  vom 
Wiener  Kunsthändler  P.  Käser  um  1725  fl.  an  die  Galerie  des  Belvedere  ver- 
kauft worden.  Es  ist  das  in  diesem  Buche  reproduzierte  Exemplar  des  Kunst- 
historischen Hofmuseums.  Am  4.  Dezember  1871  hatte  derselbe  Käser  das  zweite 
Bild  um  1852  fl.  von  der  Wiener  Firma  Miethke  &  Wawra  erworben.  Er  scheint 
es  an  A.  Dreyfus  in  Paris  verkauft  zu  haben.  Auf  der  von  G.  Petit  geleiteten 
Vente  Dreyfus  am  29.  Mai  1889,  also  etliche  Wochen  nach  Pettenkofens  Tod, 
wurde  nämlich  ein  Exemplar  des  „Kusses"  um  12.000  frcs.  versteigert,  anscheinend 
an  P.  C.  Hanford  aus  Chicago.  Dieser  verkaufte  es  1902  in  New  York  um 
625  Pfund  (=  7500  fl.)  an  Knoedler  &  Co.  G.  Petit  scheint  sich  nachher  aber  auch 
in  den  Besitz  der  Studie  gesetzt  zu  haben,  die  Pettenkofen  1864  um  150  fl.  an 
Gsell  verkauft  und  Horny  1872  um  3350  fl.  auf  der  Auktion  Gsell  erstanden  hatte. 
Denn  er  verkauft  einen  „Kuß"  am  15.  November  1906  um  244  Pfund,  das  sind 
2928  fl. 

Im  allgemeinen  läßt  sich  über  die  Preise  von  Pettenkofens  Bildern  folgendes 
sagen:  Er  selbst  erhält  lange  Zeit  sehr  niedrige  Preise,  sicher  war  dies  noch 
während  der  fünfziger  Jahre  der  Fall,  einer  Zeit,  aus  der  aber  gerade  eine  Reihe 
von  Bildern  stammt,  die  später  am  teuersten  bezahlt  werden  sollten:  z.  B.  das 
„Russische  Bivouac",  der  „Verwundetentransport",  die  „Ungarischen  Freiwilligen". 
In  Pettenkofens  ältestem  Bilderverzeichnis,  das  die  Jahre  1857  bis  1862  umfaßt, 
kommen  nur  zwei  Bilder  vor,  für  deren  jedes  er  über  1000  fl.  bekommt:  das  Ölbild 
„Puszta  mit  Zelten  und  Zigeunergruppe",  das  er  am  29.  Mai  1858  einem  nichtge- 
nannten Käufer  um  1300  fl.  verkauft,  und  das  Ölgemälde  „Der  Kaiser  bei  der  Donau- 
überschwemmung", für  das  er  am  7.  Mai  1862  von  Herrn  Wimmer,  dem  Besteller 
des  Bildes,  1400  fl.  gezahlt  erhält.  Alle  andern  Zahlen  sind  nur  dreistellig.  Vom 
Beginn  der  sechziger  Jahre  an  tritt  Gsell  als  Mäcen  auf,  der  —  anfangs  wenig- 
stens —  freilich  auch  noch  sehr  billig  kauft.  Immerhin  soll  Gsell,  wie  Herr  Sedelmeyer 
mitteilt,  in  Wien  der  erste  gewesen  sein,  der  für  ein  Bild  von  Pettenkofen  einen 
höheren  Preis  bezahlt  hat,  freilich  nicht  an  den  Künstler  selbst,  sondern  an  Plach. 
Gsell  soll  nämlich  für  einen  „Ungarischen  Markt"  (den  sogenannten  „Großen  un- 
garischen Markt",  Nr.  310  des  Kataloges  der  Versteigerung  von  Gsells  Nachlaß?) 
1000  fl.  gegeben  haben.  Das  wurde  damals  noch  als  etwas  so  Außergewöhnliches 
empfunden,  daß  ein  gewisser  Baron  Schloißnigg  in  Gegenwart  Gsells  ausrief: 
„Welcher  Esel  hat  denn  das  bezahlt?"  Trotz  dieser  wenig  schmeichelhaften  Titu- 
latur bekannte  sich  Gsell,  stolz  auf  seine  Kunstkennerschaft  und  sein  Mäcenaten- 
tum,  als  Käufer.  Vor  allem  durch  die  Auktion  von  Gsells  Nachlaß  stiegen  die 
Preise  auch  für  Pettenkofen  selbst.  1874,  also  zwei  Jahre  nach  dieser  Versteige- 
rung, erhielt  er  für  so  kleine  Bilder  wie  die  „Sich  schneuzende  alte  Venezianerin" 
und  die  „Lesende  alte  Venezianerin"  von  Eugen  Miller  v.  Aichholz  2000  und 
2500  fl.  Der  höchste  Preis  aber,  den  er  selbst  für  ein  Bild  einnahm,  waren  5000  fl.. 


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die  ihm  der  Münchner  Kunsthändler  Heinrich  Neumann  für  die  „Venezianische  Küche" 
bezahlte,  —  und  das  war  erst  am  26.  Februar  1888,  also  ein  Jahr  vor  seinem  Tode! 
Noch  bei  seinen  Lebzeiten  aber  hatten  Bilder  von  ihm  ganz  andere  Summen  ein- 
gebracht, z.  B.  auf  der  Auktion  Gsell  der  „Große  ungarische  Markt"  18.000  fl.,  im 
selben  Jahre  1872  die  „Ungarischen  Freiwilligen"  16.350  fl.,  1883  der  „Verwundeten- 
transport" vom  Jahre  1853  11.150  fl.,  1887  das  Pastell  „Pferde  der  Duellanten" 
30.000  frcs.  Außerdem  läßt  sich  noch  sagen,  daß  die  Preise  bis  auf  den  heutigen 
Tag  fest  bleiben,  ja  sogar  steigen.  So  wurde  der  oben  genannte  „Verwundeten- 
transport" 1904  um  16.000  fl.  verkauft,  das  „Russische  Lager",  das  1871  1110  fl. 
eingetragen  hatte,  gieng  1906  auf  18.500  K  und  für  den  „Flußübergang",  für  den 
1884  13.000  frcs.  gegeben  worden  waren,  wurden  1912  30.000  K  gezahlt. 

Sind  aber  auch  die  Preise,  die  die  Werke  eines  Künstlers  erzielen,  vielleicht  der 
deutlichste  Ausdruck  der  Wertschätzung,  die  er  findet,  so  sind  sie  doch  weder  das 
einzige,  noch  auch  das  sicherste  Kennzeichen  der  Wirkung,  die  er  auf  Zeitgenossen 
und  Nachwelt  ausübt.  Die  Ehrungen,  die  er  nicht  so  sehr  von  Staaten,  als  viel- 
mehr von  Künstlervereinigungen  erfährt,  für  sich  allein  genommen  natürlich  auch 
noch  kein  untrügliches  Beweismittel,  sagen  da  schon  etwas  mehr.  Und  hier  sei 
daran  erinnert,  daß  Pettenkofen  das  erste  Mal  schon  sehr  früh  und  zwar  im  Aus- 
land, auf  eine  solche  Weise  ausgezeichnet  wurde,  nämlich  1857  durch  die  „Konink- 
lyke  Akademie  van  Beeidende  Künsten  te  Amsterdam",  die  ihn  zu  ihrem  Mitglied 
ernannte.  Von  allen  übrigen  bereits  angeführten  derartigen  Ehrungen  sei  hier  nur 
nochmals  die  letzte,  die  ihm  bei  Lebzeiten  widerfahren  ist,  der  Professortitel,  er- 
wähnt, den  ihm  1880  die  Wiener  Akademie  verliehen  hat. 

Überdies  äußert  sich  die  von  einem  Künstler  ausgehende  Wirkung  auch  noch 
in  den  Urteilen,  die  die  sogenannten  Kunstverständigen  über  ihn  fällen.  Bei 
Pettenkofen  ist  da  zu  sagen,  daß  bereits  im  Jahre  1861  ein  so  berufener  Kritiker 
wie  Eitelberger  ihn  unter  den  ersten  Malern  Österreichs  anführt.^") 

Ganz  anders,  vor  allem  nicht  reflektiert,  sondern  unmittelbar  ist  der  Einfluß, 
den  ein  Künstler  auf  seinesgleichen  ausübt.  Schulbildend  hat  Pettenkofen  nun  wohl 
nicht  gewirkt,  doch  darf  der  Same,  den  von  ihm  die  ungarische  Malerei  empfangen 
und  der,  wie  bereits  geschildert  wurde,  so  eigenartige  und  reiche  Frucht  gezeitigt 
hat,  nicht  unterschätzt  werden.  Einen  Schüler  im  eigentlichen  Sinne  des  Wortes 
hat  Pettenkofen  niemals  gehabt.  Denn  nicht  einmal  der  jüngere  Raffalt  kann  als 
solcher  gelten.  Pettenkofen  war  aber  noch  sehr  jung,  als  er  andere  bereits  beein- 
flußte, ,  als  andere  bereits  ihm  nahezukommen  trachteten.  Es  sei  nur  an  Zampis 
erinnert.  Ausgiebig  und  nachhaltig  gelernt  haben  viele  von  Pettenkofen.  Außer 
Johann  Gualbert  Raffalt  sind  da  wohl  Müller  und  Jettel  an  erster  Stelle  zu  nennen. 
Aber  auch  auf  manchen  anderen,  der  ihm  ferner  stand,  der  vielleicht  nicht  einmal 
mit  ihm  persönlich  bekannt  war,  hat  Pettenkofen  eingewirkt.  Sedelmeyer  weiß  zu 
berichten,  daß  sein  Schwiegersohn  Brozik,  der  Historienmaler,  den  man  doch  sonst 
gewiß  nicht  mit  Pettenkofen  in  künstlerischen  Zusammenhang  bringen  würde,  unter 
dessen  Einfluß  farbiger  wurde.  Hevesi  spricht  von  einer  Epoche  Rudolf  Alts,  in 
der  diesen  Pettenkofens  Sonnigkeit  in  Bann  geschlagen  haben  soll.  Deutlich  zeigen 
sich   z.  B.    die   Wiener  Maler  Schrödl   und   Rumpier   von   Pettenkofen   beeinflußt. 


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Franz  Rumpier,  als  Künstler  und  als  Lehrer  gleich  ausgezeichnet,  darf  wohl  als 
der  berufenste  Verwalter  von  Pettenkofens  künstlerischem  Erbe  angesprochen 
werden.  Durch  ihn  aber  haben  wieder  seine  zahlreichen  Schüler  —  er  ist  seit  dem 
Jahre  1885  Professor  an  der  Wiener  Akademie  der  bildenden  Künste  —  in  Petten- 
kofens Geiste  die  Natur  sehen  gelernt.  So  wirkt,  was  Pettenkofen  geschaffen  hat, 
wenigstens  bei  vielen  Wiener  Landschafts-  und  Genremalern  noch  in  der  Gegenwart 
lebendig  nach. 

Von  den  Anregungen  Pettenkofens  aber,  die  auf  fruchtbares  Erdreich  gefallen 
sind  und  Früchte  getragen  haben,  sind  die  ausgesprochenen  Nachahmungen  zu 
unterscheiden,  die  ihm  wenig  Freude  bereitet  haben  werden.  Solche  haben  sich 
von  Benza,  Kratzer  und  Pettenkofens  Bruder  Ferdinand  erhalten.  Sie  ragen  alle 
künstlerisch  wenig  hervor,  die  meisten  sind  geradezu  schlecht.  Die  Bilder  von 
Pettenkofens  Bruder  scheinen  zu  unliebsamen  Verwechslungen  geführt  zu  haben. 
Diejenigen,  welche  der  Autor  zu  Gesicht  bekommen  hat,  sind,  gewiß  infolge  eines 
von  August  Pettenkofen  ausgeübten  Zwanges,  mit  „Fernand"  oder  einem  ähnlichen 
Pseudonym  signiert.") 

Diese  Arbeiten  sind  schon  bedenklich  den  Fälschungen  verwandt,  in  denen 
schließlich  gleichfalls  die  Beliebtheit  und  die  Bedeutung  eines  Künstlers  zum  Aus- 
druck kommt.  Pettenkofen  wird  seit  den  siebziger  Jahren  und  bis  auf  den  heutigen 
Tag  gefälscht.  Er  ist  zweifelsohne  einer  der  am  häufigsten  gefälschten  Wiener 
Maler.  Es  werden  z.  B.  nicht  nur  Klecksereien  Kratzers,  denen  allerdings  bisweilen 
Untermalungen  Pettenkofens  zugrunde  Hegen,  für  Werke  Pettenkofens  ausgegeben, 
sondern  es  tauchen  auch  Bilder  im  Handel  auf,  die  eigens  zu  dem  Zwecke  ge- 
macht sind,  echte  vorzutäuschen,  und  nicht  selten  von  sehr  geschickten  Händen 
herrühren.  Der  bereits  mitgeteilte  Umstand,  daß  sich  Pettenkofen  häufig  selbst 
wiederholt  hat,  erleichtert  natürlich  dem  Fälscher  sein  Tun,  sollte  aber  auch  den 
Sammler  zu  doppelter  Vorsicht  mahnen.  Für  Pettenkofens  Popularität  charakteri- 
stisch ist  eine  Gruppe  besonders  tiefstehender  Fälschungen,  Ölbilder,  wie  sie  in 
einer  minderen  Rahmenhandlung  zu  kaufen  sind  und  die  mit  Pettenkofen  nichts 
als  das  ungarische  Sujet  und  die  großgeschriebene  Signatur  gemeinsam  haben.  — 

Was  einen  Menschen  am  deutlichsten  und  am  dauerhaftesten  überlebt,  sind  seine 
Taten.  Die  Taten  eines  Malers  aber  sind  seine  Bilder.  Der  Geschichtschreiber, 
der  es  übernommen  hat,  das  Schaffen  und  die  Bedeutung  eines  Malers  darzustellen, 
hat  daher  vor  allem  dessen  Werke  zu  sammeln,  zu  studieren  und  kritisch  zu  sichten, 
denn  erst  auf  dieser  Grundlage  kann  er  den  Werdegang  des  Künstlers  rekonstruieren 
und  ihm  einen  Platz  in  der  Entwicklungsreihe  seiner  Zeit  anweisen.  Je  weiter  aber 
der  Ruhm  des  Künstlers  leuchtet  und  je  zahlreichere  Werke  er  hinterlassen  hat, 
desto  mehr  werden  sie  in  alle  Welt  verstreut  sein,  und  desto  schwieriger  wird 
sich  für  den  Historiker  die  eben  umrissene  Aufgabe  gestalten. 

Noch  schwieriger  aber  wird  es  ohne  Zweifel  sein,  denselben  Künstler  dem  Leser 
auch  als  Menschen,  losgelöst  von  seinen  Werken,  nahezubringen.  Denn  im  ersten 
Falle  steht  dem  Autor,  sollte  er  auch  schriftstellerisch  versagen,  das  gar  nicht  hoch 
genug  zu  veranschlagende  Hilfsmittel  der  Abbildung  zu  Gebote,  die,  läßt  auch  ihre 


288 


Originaltreue  mehr  oder  weniger  zu  wünschen  übrig,  dennoch  sogar  demjenigen, 
welcher  etwa  keine  einzige  Arbeit  des  Künstlers  kennen  sollte,  dessen  Lebenswerk 
auf  eine  Weise  vor  Augen  führt,  wie  es  das  Wort  allein  nie  und  nimmer  zu  tun 
imstgmde  wäre.  Von  so  starker  Sinnfälligkeit  ist  diese  Wirkung  der  bildlichen 
Wiedergabe,  daß  hinter  sie  die  eigentliche  wissenschaftliche  Leistung  des  Verfassers, 
wie  sie  oben  zu  kennzeichnen .  versucht  wurde,  beinahe  zurücktritt. 

Ein  Behelf  von  ähnlichem  Werte,  wie  für  die  Schilderung  des  Künstlers  die 
Reproduktion,  ist,  sieht  man  von  den  selteneren  Formen  der  Autobiographie  und 
des  Tagebuches  ab,  für  die  Schilderung  des  Menschen  der  Brief.  Es  sei  beispiels- 
weise nur  an  den  großen  Anteil  erinnert,  den  an  der  Kenntnis  von  Schwinds  und 
Feuerbachs  Menschentum  der  beiden  Briefe  beanspruchen  dürfen. 

Wenn  aber  wie  im  Falle  Pettenkofens  verhältnismäßig  nur  wenige  Briefe  er- 
halten sind  und  sich  diese  wenigen  gerade  nicht  durch  die  Fülle  ihres  Inhalts  aus- 
zeichnen, so  muß  selbstverständlich  Notizen  des  Künstlers  selbst  und  anderer  Per- 
sonen Mitteilungen  über  ihn,  wie  sie  in  diesem  Kapitel  als  Grundlage  und  Ausgangs- 
punkt für  die  Charakteristik  des  Menschen  benützt  worden  sind,  eine  erhöhte  Be- 
deutung zuerkannt  werden.  Doch  ist  natürlich  nicht  zu  vergessen,  daß  das  solcher- 
maßen zustandegekommene  musivische  Bild  schlechterdings  nicht  vollständig  sein 
kann  und  wahrscheinlich  in  hauptsächlichen  Partien  zu  skizzenhaft  und  in  belang- 
loseren wieder  zu  sehr  ausgeführt  erscheinen  wird.  Der  Autor  des  vorliegenden 
Buches  hielte  sein  Ziel  annäherungsweise  für  erreicht,  dürfte  er  sich  der  Gewißheit 
freuen,  daß  sich  in  seiner  Darstellung  Pettenkofens  Persönlichkeit  neben  seinen 
Bildern  nicht  zum  bloßen  Schemen  verflüchtigt. 


289 


37 


ANMERKUNGEN. 


ERSTES  KAPITEL:  WIEN  1822—1852. 

1)  Schimmer,  Häuserchronik.  Wien  1849.  S.  67. 

2)  Totenrotel  im  Wiener  Rathaus. 

ä)  Handschriftliches  Tagebuch  Perths  im  Besitze  des  Herrn  Hof-  und  Gerichtsadvokaten  Max 
Freiherm  v.  Mayr  in  Wien. 

Mathias  Franz  Perth  war,  wie  Alois  Trost  gütigst  mitteilt,  Beamter  im  k.  k.  Obersthof-  und 
Landjägermeisteramt,  wurde  am  1.  Februar  1788  geboren  und  starb  am  17.  Februar  1856. 

Das  Journal  Perths  ist  es,  aus  dem  Julius  Leisching  in  seinem  hübsch  illustrierten  Büchlein 
»Aus  dem  Tagebuche  eines  alten  Wieners«  (2.  Aufl.,  Wien  1907)  einen  Auszug  veröffentlicht  hat, 
der  zwar  von  der  schriftstellerischen  Gewandtheit  des  Herausgebers,  keinesfalls  aber  von  histo- 
rischem Sinne  zeugt. 

Der  musikalischen  Soireen  bei  Pettenkofens  Vater  hat  auch  bereits  Richard  Heuberger  in  seiner 
Monographie  über  Franz  Schubert  gedacht  (Bd.  XIV  der  von  Heinrich  Reimann  herausgegebenen 
»Berühmten  Musiker«,  Berlin  1902,  S.  32,  Anm.  60  und  61  auf  S.  102). 

Perth  führt  solche  musikalische  Abendunterhaltungen  bei  Anton  Pettenkoffer  an:  am  18.  Mai 
1819  (Bd.  XXXII,  S.  111,  112),  am  2.,  16.  und  30.  Dezember  1819  (Bd.  XXXII,  S.  265,  270  und  274), 
am  13.  und  27.  Jänner  1820  (Bd.  XXXII,  S.  291  und  302),  am  17.  Februar  1820  (Bd.  XXXII,  S.  317), 
am  2.,  16.  und  29.  März  1820  (Bd.  XXXIII,  S.  8,  18  und  28),  am  12.  April  1820  (Bd.  XXXIII,  S.  37), 
am  19.  Oktober  1820  (Bd.  XXXIII,  S.  210),  am  2.,  16.  und  30.  November  1820  (Bd.  XXXIII,  S.  230, 
244  und  254),  am  14.  und  28.  Dezember  1820  (Bd.  XXXIII,  S.  266  und  273),  am  11.  und  25.  Jänner 
1821  (Bd.  XXXIII,  S.  291  und  307),  am  8.  und  22.  Februar  1821  (Bd.  XXXIV,  S.  7  und  21),  am 
8.  und  22.  März  1821  (Bd.  XXXIV,  S.  41  und  59).  — 

Seit  der  hier  in  Betracht  kommende  Teil  des  Textes  gedruckt  ist,  haben  dem  Verfasser  zwei 
Nichten  Pettenkofens,  die  Fräulein  Klotilde  und  Emilie  Mayer  (vgl.  über  sie  und  ihre  verwandt- 
schaftlichen Beziehungen  zu  dem  Künstler  die  Anmerkung  1  zum  VII.  Kapitel)  folgende  freundliche 
Mitteilungen  gemacht,  die  die  betreffenden  Stellen  des  Textes  ergänzen  und  berichtigen:  Petten- 
kofens Vater  war  ungemein  musikalisch.  Er  spielte  mehrere  Instrumente  und  besaß  auch  eine  kost- 
bare Sammlung  von  Instrumenten.  Seine  musikalische  Begabung  vererbte  sich  (was  hier  wohl 
eingeschaltet  werden  darf)  auf  seinen  Sohn  Ferdinand,  bei  dem  sie  auf  merkwürdige  Weise  zutage 
trat.  Er  lernte  nämlich  noch  als  alter  Mann  Klavier  spielen  und  brachte  es  darin  zu  hoher  Vollendung. 
Er  ließ  sich  aber  höchst  selten  vor  jemandem  hören  und  spielte  gewöhnlich  so,  daß  der  Klang  durch 
Tücher,  die  er  über  die  Saiten  gebreitet  hatte,  gedämpft  war.  —  Pettenkofens  Vater  veranstaltete 
jene  musikalischen  Soireen,  von  denen  Perth  erzählt,  nicht  als  Unternehmer,  der  damit  Geld  ver- 
dienen wollte,  sondern  als  generöser  Amateur  und  Gastgeber. 

Der  alte  Pettenkofen  soll,  wie  ebenfalls  die  Schwestern  Mayer  gütigst  mitteilen,  adelig  gewesen 
sein,  aber  seinen  Adelsbrief  verloren  haben.  Das  soll  der  Grund  gewesen  sein,  warum  sich  später 
der  Maler  als  Besitzer  des  Ordens  der  eisernen  Krone  um  die  Erhebung  in  den  Adelsstand  be- 
worben hat. 

*)  Mitteilung  der  Spitalsflickerin  Leopoldine  v.  Nespern,  die  Ende  1906  oder  Anfang  1907  im 
größten  Elend  in  Wien  starb.  Sie  war  eine  Tochter  der  Frau  von  Pettenkofens  Onkel  mütterlicherseits 


290 


Ferdinand  Edelm  v.  Nespern,  der  am  13.  November  1841  aus  dem  Leben  schied.  Seine  Witwe 
Amalie,  eine  geborene  Mayerhofer,  genas  1849  in  Floridsdorf  jener  Tochter,  die  sie  1869  oder 
1870  in  Klosterneuburg  adoptierte  (Aufzeichnungen  Pettenkofens  im  Notizbuch  7). 

Von  dieser  seiner  Tante  Amalie  soll  Pettenkofen  ein  Porträt  gemalt  und  auch  signiert  haben. 
Auch  die  Schwester  dieser  Tante  soll  er  porträtiert  haben. 

Ob  das  »Gut  in  Ungarn«  nicht  auf  einer  Verwechslung  mit  der  gleich  zu  erwähnenden  Be- 
sitzung in  Kärnten  beruht,  muß  dahingestellt  bleiben. 

Die  Aussagen  der  Leopoldine  v.  Nespern  wurden  dem  Verfasser  gütigst  durch  Fräulein  Elsa 
Pistl  vermittelt.  — 

Des  alten  Pettenkofen  Glück  im  Spiele  und  seine  Leidenschaft,  über  seine  Verhältnisse  hinaus 
ein  großes  Haus  zu  führen,  werden  durch  die  Damen  Klotilde  und  Emilie  Mayer  bestätigt.  Eine 
Zigeunerin  soll  ihm  einmal  prophezeit  haben,  daß  er  drei  Haupttreffer  machen  werde,  und  wirklich 
machte  er  drei  Treffer,  den  dritten  aber,  der  nur  6000  fl.  betrug,  ließ  er  als  Haupttreffer  nicht  gelten. 
Das  Geld  soll  er  nicht  nur  mit  Reisen,  sondern  hauptsächlich  mit  seinen  Gastereien  durchgebracht 
haben. 

6)  Das  anonyme  Pastellgemälde,  ein  lebensgroßes  Brustbild,  befindet  sich  dermalen  im  Besitze 
der  Kindergarten-Vorsteherin  Frau  Raphaele  Feichtinger.  Nach  der  Angabe  ihrer  Tochter, 
Frl.  Eugenie,  ward  es  von  ihr  für  eine  Schuld  von  ihrer  Großtante,  der  Mutter  Ferdinand 
V.  Saars,  der  Schwägerin  des  Dargestellten  und  Tante  Pettenkofens,  übernommen.  1897  war 
(was  dem  Autor  leider  erst,  nachdem  die  betreffende  Partie  des  Textes  schon  gedruckt 
war,  durch  Frl.  Feichtinger  bekannt  wurde)  das  Bild  als  Nr.  183  auf  der  Schubert-Ausstellung 
der  Stadt  Wien  ausgestellt.  Das  im  Katalog  mitgeteilte  Todesdatum  Anton  Pettenkoffers  (nicht: 
V.  Pettenkofers)  9.  August  1828  ist  unrichtig;  auf  Grund  der  Todeseintragung  im  Archiv  der  Stadt 
Wien  starb  er  erst  am  14.  Mai  1834.  Dagegen  ist  vermutlich  die  ganze  im  Katalog  mitgeteilte 
Geburtsangabe  richtig,  weil  nach  der  »Sperrs-Relation«  im  k.  k.  landesgerichtlichen  Archiv,  wo 
das  Lebensalter  des  Verstorbenen  mit  46  Jahren  angegeben  ist,  das  Geburtsjahr  stimmt.  Diese 
Geburtsangabe  sei  daher  hier  nachgetragen:  Szöny,  2.  Mai  1788.  Szöny  ist  wohl  gleich  0-Szöny, 
das  ist  ein  Ort  ganz  in  der  Nähe  und  südöstlich  von  Komorn.  Daß  Pettenkofens,  des  Malers  so 
vieler  ungarischer  Bilder,  Vater  ein  gebürtiger  Ungar  war,  ist  natürlich  von  einer  gewissen  Be- 
deutung. —  Das  Bild  ist  jetzt  reproduziert  in  dem  Buche  von  Otto  Erich  Deutsch:  Franz  Schubert. 
Die  Dokumente  seines  Lebens  und  Schaffens.  III.  Bd.  Sein  Leben  in  Bildern.  2.  Aufl.  München  und 
Leipzig.  1913.  S.  327. 

Die  Fräulein  Klotilde  und  Emilie  Mayer  besitzen  auch  noch  eine  Silhouette  des  alten  Petten- 
kofen und  zwar  aus  dem  Nachlaß  des  Hauptmannes  Ferdinand. 

«)  In  der  »Sperrs-Relation«  von  1834  wird  diese  Tochter  Henriette  genannt  und  ihr  Alter  mit 
15  Jahren  angegeben.  In  der  Todeseintragung  vom  Jahre  1837  heißt  sie  Antonie  und  ist  16  Jahre  alt. 

Als  die  Stelle  des  Textes,  auf  die  sich  diese  zwei  Zeilen  der  Anmerkung  beziehen,  längst  ge- 
druckt war,  erfuhr  der  Autor  von  den  beiden  Fräulein  Klotilde  und  Emilie  Mayer,  daß  eine  Schwester 
Pettenkofens  namens  Henriette  noch  bis  zum  Jahre  1841  gelebt  hat.  Auf  Grund  dieser  Tatsache 
sind  die  Angaben  über  Pettenkofens  Geschwister  folgendermaßen  richtigzustellen:  Pettenkofens 
Eltern  hatten  sieben,  nicht  sechs  Kinder.  Von  diesen  überlebten  den  Vater  der  Maler  August,  der 
Hauptmann  Ferdinand  und  die  zwei  Mädchen  Henriette  und  Antonie.  Antonie  starb  1837  sechzehn-, 
Henriette  1841  zweiundzwanzigj  ährig. 

Henriette  schied  in  Ober-St.  Veit  bei  Wien  aus  dem  Leben  und  zwar  am  selben  Tage  wie  ihre 
Mutter.  Dieses  merkwürdige  Zusammentreffen  führte  erfreulicherweise  auch  auf  das  längst,  aber 
immer  vergeblich  gesuchte  Totesdatum  von  Pettenkofens  Mutter.  Die  auf  die  beiden  Frauen  bezüg- 
lichen Eintragungen  in  den  Sterberegistern  der  Pfarrkirche  zum  hl.  Veit  (Tom.  E,  fol.  153)  lauten : 

»Am  20.  Mai  1841  gestorben  St.  Veit  No  90:  Frau  Anna  Pettenkoffer,  geb.  v.  Nespern,  Gutsbesitzers- 
witwe, gebürtig  von  Wien,  katholisch,  48  Jahre  alt,  an  Zehrfieber  gestorben,  beerdigt  am  22.  Mai.« 

»Am  20.  Mai  1841  gestorben  St.  Veit  No  90:  Henriette  Pettenkoffer,  Tochter  der  verwitweten 
Frau  Anna  Pettenkoffer,  Gutsbesitzerswitwe,  katholisch,  22  Jahre  alt,  am  Zehrfieber,  beerdigt  am 
22.  Mai.«  — 

Es  sei  hier  nachgetragen,  daß  Pettenkofens  Eintritt  beim  Militär  unzweifelhaft  mit  dem  Tode 
der  Mutter  zusammenhängt:  am  20.  Mai  stirbt  sie,  schon  am  16.  Juni  wird  er  assentiert. 

')  Quellen:  Hinterlassenschaftsakten  nach  Anton  Pettenkofen  im  k.  k.  landesgerichtlichen  Archiv 
und  Todeseintragungen  im  städtischen  Archiv  zu  Wien. 

291  37* 


8)  Der  Taufschein,  der  sich  im  Besitze  des  Herrn  Kommerzialrates  Franz  Xaver  Mayer  in  Wien 
befindet,  gibt  nur  den  Tag  der  Taufe  an.  Daß  dieser  aber  identisch  mit  dem  der  Geburt  ist,  geht 
aus  dem  am  18.  Dezember  1874  präsentierten  Gesuch  Pettenkofens  hervor,  in  dem  er  auf  Grund 
des  ihm  am  27.  Oktober  1873  verliehenen  Ordens  der  eisernen  Krone  II.  Klasse  um  die  Erhe- 
bung in  den  Ritterstand  einkommt  (Adels-Archiv  des  k.  k.  Ministeriums  des  Äußern  und  Regi- 
stratur des  k.  k.  Handelsministeriums). 

■')  Zum  Teil  auf  Grund  eines  Briefes,  den  Ferdinand  v.  Saar  am  23.  Februar  1905  aus  Blansko 
in  Mähren  an  den  Autor  gerichtet  hat. 

10)  Akademie-Protokolle  38  (für  die  Jahre  1834  bis  1843),  S.  19;  4I1/2  (für  die  Jahre  1839 bis  1846), 
S.  29;  59>/2  (für  das  Schuljahr  1849  bis  1850),  S.  28. 

i>)  Hofrat  Prof.  Dr.  A.  Fournier  in  der  »Neuen  Freien  Presse«,  25.  Februar  1910. 

12)  Nach  Leopoldine  v.  Nespern. 

13)  Eybl  als  Lehrer  Pettenkofens  ist,  abgesehen  von  der  weiter  unten  zu  besprechenden  Litho- 
graphie, durch  Friedrich  Ehrmann,  Cecil  van  Haanen  und  Leopoldine  v.  Nespern  beglaubigt. 

")  Freundliche  Mitteilung  Herrn  Ehrmanns. 

1")  Gleichfalls  auf  Grund  einer  gütigen  Mitteilung  Herrn  Ehrmanns. 

18)  Haupt-Grundbuchsblatt  in  der  Fachrechnungs-Abteilung  des  k.  u.  k.  Kriegsministeriums. 

")  Grundbuchsblatt  und  liebenswürdige  Auskünfte  der  Herren  Hauptmann  Sommeregger  und 
Major  Pallua-Gall  im  k.  u.  k.  Kriegsarchiv. 

18)  Das  Pendant  zu  diesem  Blatt,  die  »K.  k.  österreichische  Armee,  Nr.  1«  ist  eine  Originallitho- 
graphie Josef  Eduard  Weixlgärtners.  — 

Es  sei  hier  die  Gelegenheit  ergriffen,  die  von  W^urzbach  [Biographisches  Lexikon,  Bd.  LIV 
(1886),  S.  210 f.]  begangenen  und  von  Josef  Meder  [Die  vervielfältigende  Kunst  der  Gegenwart, 
Bd.  IV  (Wien,  1903) :  Die  Lithographie,  S.  66]  wiederholten  Irrtümer  wenigstens  im  gröbsten  richtig 
zu  stellen:  Der  Aquarellist  und  Stillebenmaler  Josef  Eduard  Weixlgärtner  ist  mit  dem  Lithographen 
identisch.  Er  wurde  1816  in  Ofen  geboren  und  starb  1873  in  Wien.  Ein  Sohn  desselben,  Johann 
W^eixlgärtner  (1846  in  Wien  geboren  und  1892  ebenda  gestorben),  war  hauptsächlich  als  Zeichner 
für  den  Holzschnitt  und  als  Illustrator  tätig.  Ein  zweiter  Sohn  des  Lithographen,  Richard 
Weixlgärtner  (1849  in  Wien  geboren  und  1912  ebenda  gestorben),  malte  Aquarelle  mit  Sujets  aus 
Wien  und  Dalmatien  und  war  Redakteur  des  »W^iener  Neuigkeits -Weltblatts«,  für  das  er  auch 
nach  eigenen  photographischen  Aufnahmen  Architekturen  und  Landschaften  zeichnete.  Der  Bruder 
Josef  Eduards,  Vinzenz,  1829  in  Ofen  geboren,  lebt  noch  heute  in  Budapest,  wo  er  als  Zeichen- 
lehrer und  als  Apostel  der  Pflanzenkost  bekannt  ist. 

")  Die  Inschrift  auf  Karl  Schindlers  Grabstein  zu  Laab  am  W^alde  in  Niederösterreich  gibt  als 
Geburts-  und  Todesdatum  an:  23.  Oktober  1821  und  22.  August  1842.  (Freundliche  Mitteilung 
Alois  Trosts.) 

20)  Protokoll  7  und  38. 

21)  Akademie-Protokoll  38. 

22)  Leipzig  1903,  S.  86  ff'. 

23)  Cf.  des  Autors  Aufsatz :  Fünf  unbekannte  Lithographien  Pettenkofens  zu  Dullers  »Erzherzog 
Carl  von  Oesterreich«  in  den  Mitteilungen  der  Gesellschaft  für  vervielfältigende  Kunst,  Wien  1912, 
S.  5  ff.,  und  den  Nachtrag  hierzu,  ebenda,  S.  37  f. 

21)  W^ohl  aber  gibt  es  einen  Johann  Nepomuk  Mayer,  von  dem  im  »Verzeichnis  der  Litho- 
graphien« (Nr.  77:  »Einzug  des  Frühlings«,  Anm.)  die  Rede  ist. 

25)  Akademie-Protokoll  38.  —  Im  Protokoll  7  heißt  es:  »Borsos  Joseph,  gebürtig  in  Wesprin, 
19  Jahr,  katholischer  Religion,  wohnt  auf  der  alten  Wieden,  Schleiffmühlgasse  Nr.  774.  Der  Vater 
ist  Zeitungsschreiber.«  Sein  Eintritt  ist  hier  unter  dem  3.  November  1840  verzeichnet. 

28)  Ferdinand  Pettenkofen  wurde  1836  assentiert,  machte  vor  dem  ungarischen  Feldzug  auch  die 
Belagerung  von  Wien  mit  und  gieng  1854  als  Hauptmann  (erster  Klasse)  des  22.  Jägerbataillons  in 
Pension.  Haupt-Grundbuchsblatt  in  der  Fachrechnungs-Abteilung  des  k.  u.  k.  Kriegsministeriums. 

27)  Josef  Meder,  Die  Lithographie  in  Österreich,  S.  4,  Bd.  IV  der  Vervielfältigenden  Kunst 
der  Gegenwart,  Wien  1887  bis  1903. 

28)  Cf.  Hugo  Frh.  v.  Komers-Lindenbach,  Geschichte  des  k.  k.  Ulanenregimentes  Alexander  II., 
Kaiser  von  Rußland,  Nr.  11  (vormals  7.  Chevauxlegers-Regiment)  von  seiner  Errichtung  1814  bis 
Ende  1877,  Wien  1878,  S.  146fT. 

29)  Cf.  Komers-Lindenbach,  1.  c,  S.  140f. 

292 


30)  »L'intr6pide  Lefevre.  .  .  .  le  19  juin  1800  ä  Hallhauzen,  lors  du  passage  du  Lech,  N.  Lef6vre, 
Soldat  a  3me  Bataillon  de  Sapeurs,  ne  dans  le  Dept.  de  la  haute-marne,  s'elanca  le  premier  sur 
une  peutre  la  seule  qui  restat  d'un  pont  coupe  par  l'ennemi,  franchit  un  affreux  pr^cipice  creuse 
par  le  torrent  et  marcha  sous  un  feu  terrible  de  mousqueterie,  contra  une  batterie  des  Canons 
qu'il  enleva  ä  l'aide  de  quelques  camarades,  enhardis  par  son  exemple.« 

'1)  »Le  Retour  du  Prisonnier. 

France  adoree! 
Douce  contr6e. 
Je  t'embrasse,  6  terre  ch^rie! 
Enfin,  j'ai  cesse  de  souffrir; 
Oui  desormais  je  puls  mourir, 
Salut  ä  ma  Patrie! 

(De  Berenger.)« 

82)  Von  C.  G.  Börner,  Leipzig,  9.  November  1885. 

33)  A.  Einsle,  Wien,  25.  Jänner  1897,  Nr.  2380. 

3«)  Die  Entstehung  des  Bildes  »The  Surprise«  in  der  Wallace  CoUection  zu  London  (Nr.  621 
des  Kataloges  vom  Jahre  1901)  ist  ohne  Kenntnis  von  Pettenkofens  »Horchern«  undenkbar.  Das 
Bild  ist  signiert  und  datiert:  A.  P.  1846.  Von  Pettenkofen,  wie  Herr  Kunsthändler  Friedrich 
Schwarz,  der  den  Autor  auf  das  Bild  gütigst  aufmerksam  gemacht  hat,  meint,  ist  es  bestimmt  nicht. 
Ein  bißchen  erinnert  es,  auf  Grund  der  Photographie  geurteilt,  an  den  frühen,  wilden  Stil  des 
jüngeren  Raffalt.  Dann  wäre  die  natürlich  nicht  von  Raffalt  selbst  beigefügte  Signatur,  was  wohl 
auch  das  wahrscheinlichste  ist,  eine  Fälschung  auf  Pettenkofen.  Dagegen,  daß  das  Bild  von  dem 
Franzosen  Adrien-Auguste-Isidore  Pils  gemalt  ist,  dem  es  der  Katalog  der  Wallace  CoUection 
zuschreibt,  sprechen  allein  schon  die  österreichischen  Uniformen.  (Die  vor  der  Tür  Wartenden 
sind  zum  Unterschiede  von  Pettenkofens  Original  Dragoner.) 

3'')  Die  Bemühungen  des  Ministeriums  und  des  Autors,  von  Herrn  Vanderbilt  die  Erlaubnis  zu 
erlangen,  daß  das  Bild  für  das  vorliegende  Werk  photographiert  werde,  waren  vergeblich.  Die 
Radierung  von  Greux  ist  als  Tafel  Alfred  de  Lostalots  Aufsatz  über  Pettenkofen  in  der  »Gazette 
des  Beaux-Arts«  (1877)  beigegeben,  für  die  Kenntnis  der  alten  Photographie  ist  der  Verfasser 
Herrn  Charles  Sedelmeyer  in  Paris  zu  Dank  verpflichtet. 

3«)  Im  Feuilleton  des  »Moniteur  universel«  vom  23.  Februar  1860,  auf  das  schon  \Vurzbach  im 
Artikel  über  Pettenkofen  [Biographisches  Lexikon,  Bd.  XXII  (1870),  S.  135]  hinweist.  Das  Feuilleton 
führt  den  Titel:  »Tableaux  de  l'ecole  moderne.  Exposition:  Au  profit  de  la  caisse  de  secours  des 
artistes  peintres,  sculpteurs,  architectes  et  dessinateurs.«  Vgl.  auch  die  Feuilletons  im  »Moniteur« 
vom  6.,  9.  und  20.  Februar. 

3')  Das  andere  Bild  Pettenkofens,  das  Gautier  dann  noch  erwähnt  und  von  dem  er  bedauert, 
es  nicht  mehr  gesehen  zu  haben,  »Die  Zigeunerin,  die  mit  ihren  Kindern  über  die  Puszta  wandert«, 
ist  vom  Jahre  1858  datiert  und  befindet  sich  im  Besitze  des  Herrn  Kommerzialrates  Franz  Xaver 
Mayer  in  \Vien. 

3s)  Freundliche  Mitteilung  Friedrich  Ehrmanns. 

3")  Freundliche  Mitteilung  Charles  Sedelmeyers. 

<")  Rudolf  Eitelberger  v.  Edelberg,  Gesammelte  kunsthistorische  Schriften,  I.  Band:  Kunst 
und  Künstler  Wiens  der  neueren  Zeit,  Wien  1879:  Die  Kunst-Entwicklung  des  heutigen  Wien, 
S.  1  ff.  Das  Wiener  Genrebild  vor  dem  Jahre  1848,  S.  37  ff.  Peter  Krafft,  S.  61  ff.  J.  Danhauser 
und  Ferdinand  Waldmüller,  S.  73  ff.    Friedrich  Gauermann,  S.  92  ff. 

*i)  Ferdinand  Georg  Waldmüller,  Das  Bedürfnis  eines  zweckmäßigen  Unterrichtes  in  der  Malerei 
und  plastischen  Kunst.  Angedeutet  nach  eigenen  Erfahrungen.  ^Vien  1847.  Wieder  abgedruckt  bei 
Artur  Rössler:  Georg  Ferdinand  Waldmüller.  Sein  Leben,  sein  W^erk  und  seine  Schriften.  Wien 
1908.  —  Rudolf  Eitelberger,  Die  Reform  des  Kunstunterrichtes  und  Professor  Waldmüllers  Lehr- 
methode, Wien  1848. 

ZWEITES  KAPITEL:  SZOLNOK  1851—1881. 

1)  Fürst  Bismarcks  Briefe  an  seine  Braut  und  Gattin.  Herausgegeben  vom  Fürsten  Herbert 
Bismarck.  Stuttgart  1900.  S.  346 ff. 


293 


*)  Er  ist  am  8.  Dezember  1827  in  Szolnok  geboren.  Für  seine  gütigen  Mitteilungen  sei  hier  dem 
Herrn  Professor  der  wärmste  Dank  abgestattet. 

3)  Herr  Dr.  Takäcs  Zoltän,  Kustos  am  Museum  der  schönen  Künste  in  Budapest.  Er,  der  liebe 
Freund,  sei  nicht  nur  für  seine  dem  Autor  in  Szolnok  geleistete  Hilfe,  sondern  auch  für  all  seine  nimmer- 
müde Bereitwilligkeit,  mit  der  er  ihm  Jahre  hindurch  die  wertvollsten  Auskünfte  namentlich  über 
den  Verbleib  von  Bildern  Pettenkofens  in  Ungarn  erteilt  hat,  aufs  herzlichste  bedankt.  Besten  Dank 
schuldet  der  Verfasser  auch  dem  Herrn  Obemotär  der  Stadt  Szolnok  Dr.  Gruber  Jozsef  und  dem  Herrn 
Maler  Fenyes  Adolf  einerseits  für  wichtige  Führer-  und  Dolmetscherdienste,  anderseits  für  in- 
teressante Mitteilungen  über  die  Verhältnisse  in  Szolnok. 

*)  Über  die  Unterschiede  zwischen  dem  alten  und  dem  neuen  Szolnok  vgl.  den  Aufsatz 
»Pettenkofen  Szolnokon«  von  Rözsaffy  Dezsö  in  Müveszet  IV.  ev.  (1905),  6.  sz.,  S.  386ff. 

s)  Das  Denkmal  ist  ein  W^erk  von  Eduard  Telcs. 

«)  Szolnoker  Schreiben  vom  7.  Oktober  1874  an  Karl  v.  Kratzer. 

')  Pariser  Brief  vom  8.  Mai  1878  an  Franz  Xaver  Mayer. 

8)  Die  Schilderung  des  »Szolnoker  Müller«  auf  Grund  freundlicher  Mitteilungen  der  Herren  Pro- 
fessor Ujhäzy  Ferencz  und  Maler  Deäk-Ebner  Lajos.  Auch  diesem  sei  hier  der  aufrichtigste  Dank 
ausgesprochen. 

")    Das  Haus  ist  abgebildet  bei  Rözsaffy  Dezsö,  1.  c,  S.  399. 

10)  Ein  Schreiben  Pettenkofens  an  den  »Szolnoker  Müller«,  worin  er  Chryastel  Weisungen  für 
photographische  Aufnahmen  erteilt,  ist  weiter  unten,  in  der  Anmerkung  6  zum  V.  Kapitel,  abge- 
druckt. 

1')  Freundliche  Mitteilung  des  Herrn  Malers  Deäk-Ebner  Lajos. 

12)  Szolnok  a  müveszetben.  Emleklapok  a  Szolnoki  müvesztelep  tizesztendös  jubileumära.  Szer- 
kesztette  Dr.  Läzär  Bela.  Kiadja  a  Szolnoki  müveszegyesület.  1913  mäjus  haväban.  (Szolnok  in  der 
Kunst.  Gedenkblätter  zum  zehnjährigen  Jubiläum  der  Szolnoker  Künstlerkolonie.  Redigiert  von 
Dr.  Bela  Läzär.  Herausgegeben  vom  Szolnoker  Künstlerverein.  Mai  1913.)  Dr.  Rözsaffy  Dezsö, 
Idegen  müveszek  Szolnokon  (Fremde  Künstler  in  Szolnok),  S.  7 ff. 

")  Szolnok  a  müveszetben Dr.  Läzär  Bela,  Magyar  müveszek  Szolnokon  (Ungarische  Künstler 

in  Szolnok),  S.  19 ff.  und  A  Szolnoki  müvesztelep  törtenete  (Die  Geschichte  der  Szolnoker  Künstler- 
kolonie), S.  27 ff. 

Über  die  Jubiläumsausstellung  in  Szolnok  selbst  vgl.  den  Aufsatz  von  Dr.  Zoltän  v.  Takäcs  im 
Pester  Lloyd  vom  25.  Mai  1913. 

")  Richard  Wagner  an  Mathilde  Wesendonck,  Tagebuchblätter  und  Briefe,  1853—1871.  III.  Auf- 
lage. Berlin  1904.  Brief  aus  Wien  vom  13.  September  1861,  S.  282. 

15)  Über  Gräfin  Bertha  Näkö  vgl.  die  Einleitung  des  von  Dr.  Nyäry  Sändor  verfaßten  Kataloges 
der  Ausstellung  ihrer  Gemälde,  die  im  Frühjahr  1906  im  Budapester  Kunstgewerbemuseum  zu 
wohltätigen  Zwecken  stattfand:  GröfNäkö  Kälmänne  Festmenyeinek  kiällitäsa.  Ungefähr  den  gleichen 
Inhalt  wie  diese  Einleitung  hat  das  Feuilleton  desselben  Autors,  das  in  der  Neuen  Freien  Presse 
vom  2.  Mai  1906  veröffentlicht  war:  Eine  aristokratische  Malerin  (Gräfin  Bertha  Näkö).  Vgl.  ferner: 
Briefe  eines  Unbekannten  (Alexander  von  Villers).  Aus  dessen  Nachlaß  neu  herausgegeben  von 
Karl  Graf  Lanckoronski  und  Wilhelm  Weigand.  2  Bde.  Leipzig  1910.  Passim. 


DRITTES  KAPITEL:  PARIS  1852—1883. 

1)  Mündliche  Mitteilung  von  Heinrich  Porges'  Bruder  Herrn  Adolf  Porges  im  Juni  1905  in  Paris. 

2)  Der  älteste  erhaltene  Brief  Pettenkofens  an  Kratzer,  der  sich  damals  in  Paris  befand,  ist  vom 
30.  Jänner  1856  datiert.  —  Kratzer  hinterließ  eine  hübsche  Kunstsammlung,  in  der  sich  außer 
etlichen  Bildern  Pettenkofens  auch  zwei  Bleistatuetten  des  Merkur  und  der  Venus  von  Raphael 
Donner  befanden,  die  jetzt  dem  Kunsthistorischen  Hofmuseum  angehören.  Die  Nachlaß-Auktion 
fand  am  12.  Jänner  1904  bei  Karl  Wawra  in  Wien  statt. 

s)  Sie  wird  Herrn  k.  u.  k.  Generalmajor  Josef  Berres  Edelm  v.  Perez,  der  mit  Pettenkofen  be- 
freundet war,  verdankt. 

*)  Auskunft  des  k.  k.  Ministeriums  für  Kultus  und  Unterricht  auf  eine  diesbezügliche  Anfrage 
des  Autors,  Z.  2126  ddo.  23.  August  1911. 


294 


">)  Ventes  k  l'Hotel  Drouot:  Tableaux  des  CoUections  Sedelmeyer  et  San-Donato:  Pettenkofen. 
Gazette  des  Beaux-Arts,  Paris  1877,  410  ff. 
«)  Vergl.  S.  293,  Anm.  34  zu  Kapitel  I. 
^)  Briefliche  Mitteilung  Charles  Sedelmeyers. 

8)  Lostalot,  1.  c,  412. 

9)  Spemanns  »Museum«,  VII,  S.  91,  Text  zu  Taf.  151. 

1»)  Auf  einer  Auktion  des  Dorotheums  am  18.  März  1912.  Im  Auktionskatalog  ist  die  Studie  auf 
Tafel  18  in  Autotypie  abgebildet. 

")  Paris  1895.  —  De  Nittis  starb  am  21.  August  1884,  38  Jahre  alt. 

>2)  Valerian  v.  Loga,   Goyas  Zeichnungen,  in  den  »Graphischen  Künsten«,  Wien  1908,  XXXI,  2. 

")  So  schreibt  Pettenkofen  in  seinem  Tagebuch.  Er  meint  damit  wohl  die  durch  Bismarck  in 
den  Zeitungen  verbreitete  Abweisung  des  französischen  Botschafters  Benedetti  durch  König 
Wilhelm  I.  am  13.  Juli.  Die  Kriegserklärung  Frankreichs  an  Deutschland  erfolgte  erst  am  19.  Juli. 

")  Wiener  Fremdenblatt,  1864,  Nr.  309:  »W^ien  ist  nahe  daran,  einen  seiner  bedeutendsten  Künstler 
für  immer  zu  verlieren.  Der  ausgezeichnete  Maler  Pettenkofen  gedenkt  nämlich  nächstens  nach 
Rom  zu  reisen  und  im  Frühjahre  wieder  auf  kurze  Zeit  unsere  Residenz  zu  besuchen,  um  sodann 
wahrscheinlich  seinen  definitiven  Aufenthalt  in  Paris  zu  nehmen.«  (Auf  diese  Notiz  wurde  der  Autor 
durch  seinen  Freund  Alois  Trost  gütigst  aufmerksam  gemacht.) 


VIERTES  KAPITEL:  DIE  FÜNFZIGER  UND  DIE  SECHZIGER  JAHRE. 

1)  Das  Bild  scheint  aus  begreiflichen  Gründen  nicht  ausgeführt  worden  zu  sein.  Jedenfalls 
ist  es  an  Ort  und  Stelle  nicht  vorhanden.  Eine  eingeleitete  archivalische  Nachforschung  ist  er- 
gebnislos verlaufen.  Zwei  Marienbilder  aus  viel  früherer  Zeit  haben  mit  dieser  Stiftung  natürlich 
nichts  zu  schaffen. 

2)  Richard  Wagner,  Mein  Leben.  München  1911.  S.  683. 

3)  Pettenkofen-Ausstellung  im  Wiener  Künstlerhaus.  1889.  Nr.  35. 

^)  Vgl.  Theodor  v.  Frimmels  Einleitung  zum  Katalog  von  Pettenkofens  künstlerischem  Nachlaß 
(W^ien  1890),  S.  IX  f.  und  Carl  v.  Lützows  Aufsatz  »August  v.  Pettenkofen«  in  den  »Graphischen 
Künsten«,  Wien,  XVIII.  Jg.  (1895),  S.  43. 

5)  Vgl.  die  Kataloge  der  Auktionen  von  P.  Kaeser  (Wien,  3.  Dezember  1869,  Nr.  63)  und 
A.  Posonyi  (Wien,  27.  April  1874,  Nr.  70). 

6)  Biographisches  Lexikon,  Bd.  XXX  (1875),  S.  327  ff. 
')  Freundliche  Mitteilung  Charles  Sedelmeyers. 

*)  Brief  an  Franz  Xaver  Mayer  vom  28.  Mai. 

')  I.  Halbband:  Einleitung  und  Geschichte  der  kaiserlichen  Gemäldegalerie.  Leipzig  1899, 
S.  42  ff. 

10)  Die  Versteigerung  seines  künstlerischen  Nachlasses  fand  am  28.  Dezember  1869  durch  Plach 
statt. 

11)  Er  ist  es,  dessen  freundliche  Mitteilungen  der  Schilderung  Plachs  zugrunde  liegen. 

12)  Sein  künstlerischer  Nachlaß  ward  anfangs  1909  durch  Wawra  in  Wien  versteigert.  August 
SchäfFers  Vorwort  zum  Auktionskatalog  enthält  eine  knappe  Selbstbiographie  Dr.  Schülers. 

J')  Vgl.  darüber  das  von  Rözsaffy  Dezsö  in  seinem  schon  zitierten  Aufsatz  »Pettenkofen  Szol- 
nokon«  in  der  Zeitschrift  »Müveszet«  (1905)  auf  S.  390  f.  Gesagte. 

")  Für  die  auf  dem  schwer  zugänglichen  Katalog  der  Ausstellung  fußenden  Mitteilungen  über 
sie  ist  der  Autor  Mr.  Arthur  E.  Popham  an  der  Kupferstichsammlung  des  Britischen  Museums  zu 
Dank  verpflichtet. 

15)  Das  vom  15.  Februar  1863  datierte  Verleihungsdekret  im  Besitze  der  Schwestern  Müller. 

1")  Die  Ernennungsurkunde  ist  vom  15.  Dezember  1863  datiert  und  befindet  sich  im  Besitze  der 
Damen  Müller. 

1')  Die  Ernennung  fand  in  der  Ratssitzung  vom  14.  April,  die  Bestätigung  durch  den  Kaiser  am 
1.  Mai  statt,  und  die  Urkunde,  die  sich  gleichfalls  im  Besitze  der  Schwestern  Müller  befindet,  ist 
vom  9.  Mai  1866  datiert. 

18)  Nr.  72  der  Auktion  G.  Posonyis  am  10.  Februar  1893  in  Wien. 


295 


1')  Der  vom  Autor,  der  das  Bild  nur  an  seinem  Platze  im  Budapester  Museum  hoch  über 
einer  Tür  gesehen  hat,  nicht  bemerkte  links  unten  eingeritzte  Name  Borsos,  auf  den  Herr 
Dr.  Läzär  Bela  brieflich  aufmerksam  gemacht  hat,  kann  natürlich  nicht  befremden.  Auf  der  Porträt- 
studie Amerlings,  die  er  nach  dem  Düsseldorfer  Kollegen  Bendemann  gemalt  hat  und  die  sich  jetzt 
im  Kunsthistorischen  Hofmuseum  zu  Wien  befindet,  ist  z.  B.  gleichfalls  der  Name  des  Darge- 
stellten mit  dem  Ende  des  Pinselstieles  in  die  feuchte  Farbe  eingeschrieben.  Als  Arbeit  Pettenkofens 
ist  das  Porträt  überdies,  wie  im  Katalog  nachgelesen  werden  möge,  von  inneren  Gründen  ganz 
abgesehen,  auch  äußerlich  aufs  beste  beglaubigt. 

2»)  (auf  S.  144)  C.  V.  Vincenti,  Wiener  Kunst-Renaissance,  Studien  und  Charakteristiken.  Wien 
1876.  S.  328. 

20)  (auf  S.  161)  FreundUche  Mitteilung  von  Prof.  Robert  Ruß. 

21)  Beschreibendes  und  kritisches  Verzeichnis  der  Werke  der  hervorragendsten  holländischen 
Maler  des  XVII.  Jahrhunderts,  Eßlingen  a.  N.,  Paris.  Band  IV  (1911),  Nr.  497  bis  Nr.  1042. 

22)  1.  c,  IV  (1911),  419. 

23)  1.  c,  IV  (1911),  779g. 

2<)  1.  c.  I  (1907),  223:  »Drei  Kavaliere  zu  Pferd,  dabei  ein  Windhund.    Leinwand.  70  :  90  cm.« 
25)  Vgl.  neuestens  über  das  Bild  Theodor  v.  Frimmel:   Geschichte  der  Wiener  Gemäldesamm- 
lungen.   Abschlußbände    mit  übersichtlichen  Zusammenstellungen.    Lexikon  der  Wiener  Gemälde- 
sammlungen. Buchstabe  A  bis  F.  Wien  1915.  S.  361  f.,  Nr.  28. 
2«)  Hofstede  de  Groot,  1.  c,  III  (1910),  407  und  416c. 

27)  1.  c,  III  (1910),  605. 

28)  1.  c,  III  (1910),  571. 

29)  1.  c,  III  (1910),  482  a. 

FÜNFTES  KAPITEL:  DIE  SIEBZIGER  JAHRE. 

1)  Freundliche  Mitteilung  Franz  Rubens  (Venedig,  1905).  Rüben  machte  übrigens  einmal  Jettel 
persönlich  mit  Gregorovius  bekannt.  Jettel  soll  da  aber  von  seinem  Ideal  sehr  enttäuscht  worden  sein. 

2)  Diese  Mitteilungen  werden  der  Freundlichkeit  des  Herrn  Maler  und  Commendatore  Theodor 
Ethofer  in  Salzburg  verdankt. 

3)  Gleichfalls  gütige  Mitteilung  des  Herrn  Commendatore  Ethofer. 

*)  Daß  dieses  Bild  ein  Motiv  aus  Assisi  darstellt,  wird  durch  Herrn  Maler  Max  Suppantschitsch 
freundlichst  bestätigt,  der  auch  mitteilt,  daß  der  Garten  in  Assisi  ein  Privat-  und  kein  Kloster- 
garten ist. 

■')  Das  Bild  befand  sich  1889  als  Eigentum  der  Frau  Gräfin  Marie  Sizzo-Noris  auf  der  Petten- 
kofen-Ausstellung  im  Wiener  Künstlerhaus.  Eine  Radierung  darnach  von  Th.  Alphons  ist  Lützows 
Aufsatz  über  Pettenkofen  in  der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  (Neue  Folge,  Bd.  I  [1890],  S.  85  ff.) 
als  Tafel  beigegeben. 

«)  Die  Bibliothek  der  k.  k.  Akademie  der  bildenden  Künste  in  Wien  bewahrt  außer  einem  Blatt, 
auf  dem  sich  vorne  und  hinten  flüchtige  Federskizzen  und  ausführliche  schriftliche  Erläuterungen 
befinden,  auch  ein  Schreiben  Pettenkofens  an  den  sogenannten  »Szolnoker  Müller«  (Mappe  4|67, 
Inv.-Nr.  21.364  und  21.365)  auf.  Zeichnungen  und  Brief  sind  durch  die  genauen  Anweisungen,  die 
Pettenkofen  darin  dem  Photographen  Chryastel  in  Szolnok  für  Aufnahmen  erteilt,  die  er  zu  zwei 
Bildern  braucht,  interessant. 

Der  Brief  lautet: 

»In  Eile.  Sonntag,  den  12.  April  1868. 

Geehrter  Freund! 

Indem  ich  Sie  bitte,  mein  Verlangen  zu  erfahren,  wie  es  Ihnen  geht  und  was  Sie  machen,  zu 
befriedigen,  bitte  ich  Sie  zugleich,  mir  die  Gefälligkeit  zu  erzeigen,  M.  Chryastel  zu  fragen,  ob  er 
mir  die  schon  vor  längerer  Zeit  bestellten  Photographien  machen  will.  Ich  brauche  diese  dringend, 
da  es  mir  an  ähnlichen  Studien  fehlt,  um  mit  meinen  Arbeiten  noch  vor  meiner  Reise  fertig  zu 
werden.  W^enn  M.  Chryastel  diese  nicht  machen  will,  so  bitte  ich  Sie,  werter  Freund,  mir  dies 
mit  umgehender  Post  anzuzeigen,  daß  ich  nicht  vergebens  darauf  warte  und  meine  Arbeiten  ver- 
zögere. Wenn  aber  M.  Chryastel  sie  machen  will,  dann  bitte  ich  Sie,  mir  die  Freundschaft  zu 
erzeigen  und  ihm  ein  wenig  mit  Ihrer  Kenntnis  und  Umsicht  an  die  Hand  zu  gehen,  namentlich 


296 


bei  Auswahl  der  Pferde,  und  ich  bitte  Sie,  die  Briefe  zu  lesen,  welche  ich  M.  Ch.  für  diese  Be- 
stellung geschrieben  habe  und  in  welchen  ich  alles  genau  und  deutlich  angegeben  und  durch 
Zeichnungen  erläutert  habe.  Und  in  diesem  Falle  bitte  ich  Sie,  bei  den  drei  Pferden  auf  einem 
Blatte  darauf  Bedacht  zu  nehmen,  daß  die  Sonne  die  Pferde  von  rückwärts  (die  Sonne  etwas  mehr 
links)  beleuchtet  und  die  Rücken  der  Pferde  starkes  Glanzlicht  haben.  Auch  bitte  ich,  das  Pferd 
links  etwas  mehr  von  hinten  sehen  zu  lassen  und  die  Maschine  so  hoch  zu  stellen,  daß  man  ziem- 
lich auf  den  Rücken  der  Pferde  sehen  kann.  Im  übrigen  bitte  ich,  sich  an  den  betreffenden  Brief, 
welchen  ich  M.  Chr.  geschrieben,  ganz  zu  halten,  namentlich  daß  die  Pferde  klein  sind,  große 
Bäuche  und  Köpfe  haben  und  im  ganzen  rechte  Bauernschindmähren  sind.  Doch  Sie  wissen  das 
alles,  verehrter  Freund,  besser  zu  finden  wie  ich  und  ich  verlasse  mich  ganz  auf  Ihre  freundschaft- 
liche Gefälligkeit. 

Ich  gebe  Ihnen  nochmals  die  drei  Pferde  [flüchtige  Federskizze,  die  das  Gesagte  veranschau- 
licht], da  mir  an  der  Stellung  und  besonders  an  der  Beleuchtung  sehr  gelegen  ist.  Nun  bitte  ich 
Sie,  verehrter  Freund,  mir  umgehend  zu  schreiben  und  mir  wissen  zu  lassen,  wie  es  Ihnen  und 
Ihren  werten  Verwandten  geht,  welchen  ich  meine  Empfehlung  auszurichten  bitte.  Zu  jedem  Gegen- 
dienst bereit,  grüße  ich  Sie  von  ganzem  Herzen. 

Ihr  aufrichtiger  Freund  Pettenkofen.« 

Auf  der  Vorderseite  des  oben  erwähnten  Blattes  ist  ein  auf  der  Pußta  nach  links  fahrendes 
Ochsenfuhrwerk  gezeichnet.  Daneben  steht :  »Das  Licht  von  hier  aus  [die  Lichtquelle  ist  links  oben 
angegeben],  aber  keine  Sonne.  Unter  den  Ochsen  und  [dem]  Wagen  muß  der  Lichtreflex  auf  dem 
nassen  Weg  sehr  stark  sein.  Auf  dem  Wagen  vorne  soll  eine  Figur  stehen  und  gegen  die  Mitte 
des  'Wagens  zu  gebückt  sein.  Hinten  auf  dem  Wagen  eine  oder  zwei  Figuren  sitzen[d].« 

Auf  der  Rückseite  des  Blattes  sind  größer  die  Ochsen  allein  gezeichnet.  Der  rechte  Blattrand 
halbiert  die  Vorderräder  des  Wagens.  Die  schriftliche  Anweisung  lautet:  »Beide  Photographien 
sollen  so  groß  sein,  als  sie  die  Maschine  gibt;  die  Ochsen  sollen  so  groß  sein,  daß  nur  das  vordere 
Rad  noch  auf  dem  Bilde  Platz  hat.  Bei  den  rückwärtigen  [sei.  Ochsen  der  Zeichnung  auf  der 
anderen  Seite]  ist  das  Terrain  die  Hauptsache,  so  daß  der  Wagen  im  Bilde  nur  mittelgroß 
erscheint.  —  Das  Licht  von  hier  aus  [abermals  links  oben],  d.  h.  die  Sonne  soll  links  von  den 
Ochsen  stehen,  aber  durch  den  grauen  Himmel  verdeckt  sein,  so  daß  keine  Sonnenbeleuchtung 
sichtbar  wird.« 

')  Die  Notiz  findet  sich  in  der  »Morgen-Post«  vom  selben  Tage,  lautet  gleich  und  ist  in  diesem 
Blatte  ein  vom  18.  Dezember  datiertes  Telegramm  aus  Rom.  Am  18.  Dezember  1873  befand  sich 
Pettenkofen  gar  nicht  in  Rom,  sondern  in  Venedig.  Interessant  ist  die  Schreibung  des  Namens  in 
jener  Depesche:  »Pettenkoffer«. 

8)  =  Gergia,  östlich  von  Fayum  am  Nil? 

»)  Weltausstellung  1873  in  Wien.  Offizieller  Kunstkatalog.  3.  Auflage.  Wien  1873.  S.  173,  Nr.  512 
bis  532,  S.  176,  Nr.  729. 

'»)  Diese  Abneigung  Pettenkofens  gegen  eine  Ausstellung  seiner  Bilder  in  Wien  wurde  von  den 
Herren  Lobmeyr  und  Mayer  dankenswerterweise  und  insoferne  respektiert,  als  sie  beide  ihre 
Sammlungen  erst  nach  des  Künstlers  Tode  ausstellten:  Lobmeyr  vom  1.  Juni  1889  an  im  Wiener 
Künstlerhaus,  Mayer  vom  2.  Juli  1893  an  ebenda. 

11)  Im  Manuskript  »erhält«. 

1*)  Im  Manuskript  »ihrem«  und  »ihrer«.  Die  beiden  Possessiva  sind  aber  selbstverständlich  auf 
Wien  zu  beziehen. 

13)  Durch  Herrn  Friedrich  Pollak  freundlichst  vermittelte  Nachricht  Professor  August  Wolffs  in 
Venedig. 

1*)  Vgl.  E.  R.  and  J.  Pennell,  The  Life  of  James  Mc  Neill  Whistler.  London  1908.  Zwei  Bände. 
II,  261,  267  und  269. 

SECHSTES  KAPITEL:  WIEN  1880—1889. 

1)  Vgl.  die  Eintragung  im  Tagebuch  unter  dem  3.  November  1879.  — 

Am  15.  Jänner  1914  wurde  im  Vestibül  des  Hotels  »Kaiserin  EUsabeth«  zu  Ehren  von  Grieg, 
Liszt,  Menzel,  Pettenkofen  und  Wagner,  die  alle  dort  gewohnt  haben,  eine  Gedenktafel  enthüllt. 

2)  Das  Dekret  ist  vom  19,  Jänner  1880  datiert. 

297  *       "" 


VERZEICHNIS  DER  TAFELN, 


I.  Josef  Borsos.  Aquarellstudie.  1847.  Wien,  Dr.  August  Heymann    ,     .     .  Nach  Seite    24 

II.  Der  Unterricht.  Ölbild,  1847.  Wien,  C.  A.  Wels »  »  24 

III.  Österreichische   Infanterie,   in   einem  Dorf  kampierend.   Unvollendetes 

Aquarell.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz »  »  44 

IV.  Österreichische  Artillerie,  in  ein  Dorf  einrückend.  Unvollendetes  Aqua- 
rell. Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz »  »  44 

V.  Der  Sturm  auf  Ofen.  Lithographie.  1849 »  »  48 

VI.  Ungarischer  Landsturm.  Lithographie.  1850 »  »  48 

VII.  Der  brave  Tambur.  Aquarell.  1850.  W^ien,  Dr.  August  Heymann  ...  »  »  48 

VIII.  Ignaz  Imrddy  Edler  v.  Omorovicze.  Ölbild.  1850.  Wien,  Dr.  Albert  Figdor  »  »  56 

IX.  Reisewagen  auf  der  Fahrt  von  W^ien  nach  Klosterneuburg.   Aquarell. 

1851.  Wien,  Theodor  Bergmann »  »  56 

X.  Österreichische  Infanterie,   eine    Furt   passierend.  Ölbild.   1851.    Wien, 

K.  k.  österreichische  Staatsgalerie »  »  60 

XI.  Russisches  Bivuak.  Ölbild.  1852.  Wien,  Kunsthistorisches  Hofmuseum  »  »  60 
XII.  Der  Verwundetentransport.  Ölbild.  1853.  Wien,  Rudolf  Reichert  ...  »  »  64 

XIII.  Nach  dem  Duell.  Ölbild.  1853.  Amsterdam,  Museum  Fodor »  »  64 

XIV.  Niederösterreichisches  Bauernhaus  mit  gemüsewaschender  Bäuerin.  Öl- 
bild. 1854.  Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt  »  »  80 

XV.  Klosterneuburger  Bauernhaus  mit  Bäuerin  und  Kind.  Ölbild.  1854.  Wien, 

Baron  Louis  Rothschild »  »  80 

XVI.  Zigeunerlager  auf  der  Pußta.   Aquarell.    1855.  Wien,  Kunsthistorisches 

Hofmuseum »  »  82 

XVII.  Zigeuner  zu  Pferd.  Aquarellstudie.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz  .     .  »  »  82 
XVIII.  Zwei   Zigeunerkinder   bei    einem  Kessel.    Aquarellstudie.    1855.    Wien, 

Ludwig  Lobmeyr »  »  86 

XIX.  Das  Stelldichein.  Ölbild.  1855.  Wien,  Baron  Alphons  Rothschild    ...»  »86 
XX.  Zigeunerzelte   auf   der  Pußta,    vorne   badende  Zigeuner.    Ölbild.   1856? 

Reichenberg,  Heinrich  Frh.  v.  Liebiegsche  Sammlung  der  Stadt  ...»  »88 

XXI.  Ungarisches  Bauernfuhrwerk.  Ölbild.  1857.  Wien,  Baron  Louis  Rothschild  »  »  96 

XXII.  Zigeunerhütte  im  Walde.  Ölbild.  1857.  Wien,  Ludwig  Lobmeyr    ...»  »104 

XXIII.  Ungarischer  Bauernhof  mit  Bäumen  und  Strohschobern.  Ölbild.  Wien, 

Ludwig  Lobmeyr »  »  104 

XXIV.  Pferde  vorm  Strohschober.  Ölbild.  1858.  Wien,  Franz  Xaver  Mayer     .  »  »  106 
XXV.  Wandernde  Zigeunerfamilie.   Ölbild.    1858.  Wien,  Franz  Xaver  Mayer  »  »  110 

XXVI.  Zigeunermädchen  auf  der  Pußta.  Aquarell.    1859.   Wien,  Eugen  Miller 

V.  Aichholz »  »  112 

XXVII.  Der  Kuß.  Ölbild.  1864.  Wien,  Kunsthistorisches  Hofmuseum     ....  »  »  140 
XXVIII.  Zigeunermädchen,  auf  einem  Herd  hockend  und  rauchend.  Unvollendetes 

Ölbild.  Wien,  Fritz  Dobner  v.  Dobenau »  »  140 

XXIX.  Szolnoker  Markt.  Ölbild.  1870.  Wien,  Franz  Xaver  Mayer »  »160 

XXX.  Fischerbarken    am   Strande   von   Portici.    Aquarellstudie.    1873.   Wien, 

Ludwig  Lobmeyr »  »  168 

630 


»)  Dieses  Brustbild  in  Visiteformat  ist  mittels  Zeichnung  stark  vergrößert  und  so  als  Titelbild 
im  »Wiener  Illustrierten  Extrablatt«  vom  27.  November  1889  reproduziert  worden. 

Die  im  Text  wiedergegebene,  Pettenkofen  in  ganzer  Figur  darstellende  Photographie  in  Visite- 
format zeigt  im  Original  am  linken  Rand  und  von  oben  bis  unten  eine  schwarze  Fehlstelle  des 
Negativs,  die  auf  dem  Klischee  retuschiert  werden  mußte.  Diese  Aufnahme  ist  aber  schärfer  als 
die  zweite,  auf  der  Pettenkofen  fast  unverändert  ebenfalls  in  ganzer  Figur  zu  sehen  ist. 

«)  Nach  dieser  Photographie,  die  Pettenkofen  für  die  Geliebte  in  Paris  hat  aufnehmen  lassen, 
ist  der  Holzschnitt  in  Lützows  Aufsatz  über  den  Künstler  in  der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst, 
N.  F.,  I  (1890),  S.  85,  und  nach  diesem  Holzschnitt  wieder  das  Klischee  bei  Muther  (II,  530) 
gemacht.  Das  Exemplar  der  Photographie,  das  dem  Klischee  im  Text  zur  Vorlage  gedient  hat, 
wird   der  Freundlichkeit  des  Fräuleins  Anna  Wagner  verdankt. 

')  Nach  einer  dieser  beiden  Photographien  wurde  das  Klischee  des  Textes  angefertigt.  Wo 
sich  heute  das  Original  befindet,  ist  dem  Verfasser  unbekannt. 

8)  Dieses  Ölporträt  war  1905  als  Nr.  40  des  Kataloges,  wo  es  auch  abgebildet  ist,  auf  der  Lenbach- 
Ausstellung  in  München  ausgestellt.  Das  im  Katalog  angegebene  Datum  1883  beruht  offenbar  auf 
einer  Verwechslung  mit  dem  weiter  unten  zu  besprechenden  Pettenkofen-Porträt  Lenbachs.  Die 
1905  ausgestellte  Skizze  wurde  damals  —  leider  vergeblich  —  vom  Autor  dem  Unterrichts- 
ministerium zum  Ankauf  für  die  Moderne  Galerie  empfohlen.  Seither  wurde  sie  von  der  Galerie 
der  Stadt  Reichenberg  erworben. 

9)  Die  Familie  Mayer  gibt  als  Entstehungszeit  des  Bildes  das  Jahr  1884  an.  Pettenkofen  hielt 
sich  sowohl  1883  als  auch  1884  längere  Zeit  in  München  auf.  Da  aber  das  Jahr  1883,  wie  wir  oben 
gesehen  haben,  im  Katalog  der  Lenbach-Ausstellung  als  Entstehungszeit  für  ein  Pettenkofen- 
Bildnis  genannt  wird,  freilich  für  eines,  auf  das  es  sich  unmöglich  beziehen  kann,  da  diese  Angabe 
allem  Anschein  nach  auf  Aufzeichnungen  Lenbachs  zurückgeht  und  das  von  der  Familie  Mayer 
angegebene  Datum  1884,  wie  in  anderen  Fällen  auch,  vermutlich  das  der  Erwerbung  des  Bildes 
ist,  so  dürfte  es  angebracht  sein,  sich  für  das  Jahr  1883  zu  entscheiden. 

1°)  Als  Beilage  für  Lützows  Aufsatz  über  Pettenkofen  in  den  »Graphischen  Künsten«,  Jg.  XVIII 
(1895),  Taf.  vor  S.  25. 

Die  als  Tafel  dem  vorliegenden  Buch  beigegebene  Heliogravüre  ist  selbstverständlich  nach  dem 
Original  bei  Herrn  Kommerzialrat  Franz  Xaver  Mayer  hergestellt  worden.  Fräulein  Marie  Müller 
hat  dieses  Bild  zweimal  (einmal  im  Auftrage  der  Stadt  Wien)  originalgroß,  ein  drittes  Mal  klein,  als 
Miniaturbildnis,  wiederholt.  Auch  Fräulein  Berta  Müller  hat  das  Porträt  originalgroß  kopiert.  Daher 
finden  sich  zwei  originalgroße  Kopien  bei  den  Damen  Müller,  eine  im  W^iener  Städtischen  Museum. 

1')  Das  durch  Flecke,  die  glücklicherweise  dem  Gesicht  ausweichen,  entstellte  Negativ  einer 
Vergrößerung  darnach  wird  von  den  Damen  Müller  aufbewahrt,  die  auch,  ebenso  wie  Herr 
Professor  Robert  Ruß  einen  alten  Abzug  davon  besitzen.  Auf  der  Photographie,  die  dem  ver- 
kleinerten Klischee  des  Textes  zugrunde  liegt,    wurden  die  Flecke  retuschiert. 

Auf  Grund  dieser  Photographie  und  eigener  Erinnerungen  hat  Fräulein  Marie  Müller  im  Todes- 
jahr Pettenkofens  sein  Porträt  sowohl  gezeichnet  als  auch  in  Öl  gemalt.  Die  Zeichnung  ist,  in 
Holz  geschnitten,  dem  oben  zitierten  Aufsatz  Lützows  in  der  Zeitschrift  für  bildende  Kunst  (S.  125) 
beigegeben.  Das  Ölbild  zeigt  im  Gegensatz  zu  dem  Holzschnitt  wie  die  Photographie  auch  die 
beiden  Hände  mit  Pinsel  und  Palette. 

12)  Diese  Bleistiftzeichnung  war  die  Nr.  146  der  am  24.  April  1894  von  H.  O.  Miethke  in  Wien 
veranstalteten  Auktion  Heinrich  Rechtnitz.    Sie  gehört  heute  Herrn  Dr.  August  Heymann. 

'ä)  Eine  Zeichnung  von  F.  Umlauft  im  Besitze  Kommerzialrat  Franz  Xaver  Mayers,  die  einen 
zerlumpten  Mann  darstellt  und  eine  Karikatur  Pettenkofens  sein  soll,  und  eine  zweite  Zeichnung 
bei  Dr.  August  Heymann,  die  von  Borsos  herrühren  und  gleichfalls  ein  Porträt  Pettenkofens  sein 
soll,  haben  beide  keinerlei  Anspruch  auf  Authentizität. 

^0  Vgl.  Carl  V.  Lützow,  August  v.  Pettenkofen,  S.  26  der  »Graphischen  Künste«,  Wien, 
XVIII.  Jg.  (1895). 

1 ')  Bericht,  Gründlicher,  des  in  America  zwischen  dem  Rio  Orinoco  und  Rio  de  las  Amazonas 
sich  erstreckenden  Strich  Landes,  welches  die  ostindische  Compagnie  dem  Grafen  Friedrich 
Casimir  zu  Hanau  überlassen  hat.  Frankfurt  1669.  —  Cudena,  Pedro:  Beschreibung  des  portugie- 
sischen Amerika.  Übersetzt  von  Leiste.  Braunschweig  1750.  —  Gage,  Neue  merkwürdige  Reise- 
beschreibung nach  New  Spania  etc.  Leipzig  1693.  —  Gille,  Jesuitenpater:  Storia  dell'  Orinoco. 
Rom,    XVIII.  Jhdt.    —    Gottfried,   Newe    Welt    und    americanische   Historien.    Frankfurt   1651.  — 


299  38» 


Harnisch,  W. :  Gesammelte  Reisen:  Des  amerikanischen  Geheimschreibers  W.  B.  Stevensons 
Reisen  in  Peru  und  auf  der  Westküste  des  Staates  Columbia.  (Um  1823.)  —  Harnisch,  W. :  Ge- 
sammelte Reisen:  Alex.  Caldclenghs  Reisen  in  Südamerika.  Leipzig  1830.  —  Hemmersam,  Guine- 
ische und  westindianische  Reisebeschreibung.  Nürnberg  1663.  —  Hennepin:  Beschreibung  der  new 
entdeckten  Landschaft  Louisiana.  Nürnberg  1689.  —  Hennepin,  Neue  Entdeckungen  vieler  sehr  großen 
Landschaften  in  Amerika  zwischen  New  Mexico  und  dem  Eismeer.  Übersetzt  von  Langen.  Bremen 
1690.  —  Irving,  Wash.:  Transatlantische  Skizzen.  Leipzig  1855. —  Koppe:  3  Berichte  Don  F.  Cortez' 
an  Karl  V.  Berlin  1834.  —  Las  Casas,  Amerika.  —  Mendez,  Reise  des  Fernand.  In  der  »Bibliothek 
großer  Reisen  und  Entdeckungen«.  Jena  1868.  —  Murr,  Reisen  einiger  Missionäre  der  Gesellschaft 
Jesu  in  Amerika.  Nürnberg  1785.  —  Orviedo:  Geschichte  Amerikas.  Madrid  1853.  —  Prescott  Will. : 
Geschichte  der  Regierung  Ferdinands  und  Isabellas  der  Katholischen.  2  Bde.  Leipzig  1842.  —  Rio, 
Kapitän  Antonio  del,  und  Dr.  P.  F.  Cabrera:  Beschreibung  einer  alten  Stadt  (Mexico).  Berlin  1832. 

—  Rocheford:  Historische  Beschreibung  der  antillischen  Inseln.  Frankfurt  1688.  —  Sepp,  A.,  und 
A.  Böhm:  Der  Societät  Jesu  Priester  Reisebeschreibung,  wie  dieselben  aus  Hispanien  in  Para 
Quaniam  kommen  etc.  Nürnberg  1697.  —  Solis,  La  Conquista  de  Mejico.  —  Solls,  Antonio  de: 
Geschichte  Neu-Spaniens.  — S(pringer),  I.  C.  E.:  Physikalische  Untersuchung,  ob  auch  patagonische 
Reisen  möglich  und  die  Erzählungen  davon  wahr  sind.  Leipzig  1769.  —  (Vespucci,  Am.):  Aller- 
älteste Nachricht  von  der  Neuen  Welt,  welche  dieser  Erfinder  derselben  ehemals  erteilt. 
Berlin  1722. 

1^)  Accolti,  Petrus,  Florenz  1625.  —  Amman,  Jost,  Frankfurt  1578.  —  Armenini,  Joh.  Bapt. :  Die 
wahren  Regeln  der  Malerei  in  drei  Büchern,  welche  von  richtiger  Manier  zu  zeichnen  und  zu 
malen  handeln.  Ravenna  1587.  —  Baglione,  Joh.,  Rom  1642.  —  Bocchi,  Franc,  Über  Donatello. 
Florenz  1584.  —  Bocchi,  Franc,  Die  Raritäten  der  Stadt  Florenz.  Florenz  1591.  —  Bisagno,  Franc, 
Venedig  1642.  —  Borghini,  Raff.,  Florenz  1584.  —  Bosse,  Abrah.,  Paris  1649.  —  Condivi  de  la 
Ripa  [Transone],  Ascan.,  Das  Leben  des  Michelangelo.  Rom  1553.  —  Doni,  Venedig  1549.  —  Dürer, 
Albrecht,  Kunstbücher.  ^  Gauricus,  Pomponius,  Amsterdam  1609.  —  Junius,  Franc,  Amsterdam 
1637.  —  Lamo,  Alexander,  Cremona  1584.  —  Lomazzo,  Joh.  Paul,  ein  Mailänder  Maler,  Mailand  1584. 

—  Lomazzo,  Joh.  Paul,  Idee  des  Baues  von  der  Malerei.  Mailand  1590.  —  Lomazzo,  Joh.  Paul, 
Von  der  Gestalt  des  Menschen,  welche  die  griechischen  und  lateinischen  Antiken  erfordern. 
Mailand  1591.  —  [Morello,  Benedetto,]  Die  Leichenbestattung  Augustini  Caraccii.  Bologna  1603.  — 
Passovinus,  Ant.,  Venedig  1603.  —  Ridolfi,  Carlo,  Venedig  1648.  —  Sandrart,  Deutsche  Akademie.  — 
Varchi,  Bened.,  Florenz  1549.  —  Vasari.  —  Zucharo,  Friedr.,  Pavia  1604.  —  Zucharo,  Friedr., 
Torino  1607.  —  [Der  sogen.  Anonymus  des  Tizianello,]  Das  Leben  des  berühmten  Tizian. 
Venedig  1622. 

")  »Der  , Maler'  ist,  wie  Sie  richtig  erraten,  Pettenkofen,  wenn  auch  da  just  nicht  alles  wörtlich 
zu  nehmen  ist.«  (Fürstin  Marie  zu  Hohenlohe  und  Ferdinand  v.  Saar.  Ein  Briefwechsel.  Heraus- 
gegeben von  Anton  Bettelheim.  Wien  1910.  S.  234.  Brief  Saars  vom  9.  November  1896.)  (Gütige 
Mitteilung  Alois  Trosts.) 

18)  Auf  dem  Original  stehen  zwischen  diesem  und  dem  nächsten  W^orte  ungetilgt  die  beiden 
Worte  »die  beifolgen«. 

19)  Dieser  Brief  kann  nur  an  die  Spitalsflickerin  Leopoldine  v.  Nespern  gerichtet  gewesen  sein. 
Vgl.  über  sie  Anm.  4  zu  Kap.  I. 

20)  Freundliche  Mitteilung  von  Herrn  Direktor  Szana  Tamäs. 
")  Brief  an  den  Autor  vom  11.  Juni  1908. 

22)  Freundliche  Mitteilung  des  Herrn  Prof.  Alfred  v.  Schrötter  in  Graz. 

23)  In  dem  schon  zitierten  Schreiben  an  den  Verfasser  vom  11.  Juni  1908. 
2«)  Gleichfalls  in  dem  Briefe  vom  11.  Juni  1908. 

26)  Diese  Widmung  findet  sich  auch  erwähnt  in  dem  Buche:  Theodor  Lott,  Bericht  über  die 
Studienjahre  1876 1 77  bis  1891/92,  erstattet  aus  Anlaß  der  Feier  des  zweihundertjährigen  Bestandes 
der  Akademie,  Wien  1892,  S.  52. 

*')  Die  1834  in  Leipzig  erschienene  deutsche  Übersetzung,  die  Pettenkofen  vorgelegen  ist,  war 
dem  Autor  unzugänglich.  Mit  Hilfe  des  englischen  Originals  aber  ließ  sich  Pettenkofens  nicht 
ohneweiters  verständliche  Notiz  ergänzen.  Die  betreffende  Stelle  der  englischen  Ausgabe  (Sir 
William  Gell,  Pompeiana.  2  Bde.  London  1832.  Bd.  I,  S.  164f.)  befindet  sich  im  achten,  das  Haus 
des  tragischen  Dichters  behandelnden  Kapitel  und  lautet: 


300 


»It  is  Singular  that,  in  many  cases,  though  a  picture  be  not  ill  preserved,  and  may  be  seen 
from  the  raost  convenient  distance,  a  style  of  painting  has  been  adopted,  which,  though  calculated 
to  decorate  the  wall,   is  by  no  means  intelligible  on  a  nearer  approach. 

In  a  Chamber,  near  the  entrance  of  the  chalcidicum,  by  the  statue  of  Eumachia,  is  a  picture 
in  which,  from  a  certain  distance,  a  town,  a  tent,  and  something  like  a  marriage  ceremony,  might 
be  perceived;  but  which  vanished  into  an  assemblage  of  apparently  unmeaning  blots,  so  as  to 
entirely  elude  the  skill  of  an  artist  who  was  endeavouring  to  copy  it  at  the  distance  of  three  or 
four  feet.« 

")  In  der  »Allgemeinen  Kunstchronik«,  11.  Oktober  1884;  vgl.  aber  auch  die  Nummern  vom 
18.  Oktober  und  vom  20.  Dezember  dieses  Jahres. 

28)  In  einem  anonymen  Feuilleton  des  »Neuen  Wiener  Tagblattes«  vom  26.  März  1889,  über- 
schrieben »Aus  dem  Leben  Pettenkofen's.   Persönliche  Erinnerungen.« 

2»)  Freundliche  Mitteilung  Maler  Rudolf  Konopas. 

">)  In  der  hier  (S.  261)  bereits  genannten  Abhandlung:  »Wie  steht  die  Kunst  in  Österreich?« 

")  Vgl.  auch:  Paul  Eudel,  Fälscherkünste,  neu  herausgegeben  und  ergänzt  von  Arthur  Rößler, 
Leipzig  1909,  S.  101  f. 


301 


XXXI.  Bäuerin  aus  Torre  del  Greco,  mit  Blumentöpfen  beschäftigt.  Aquarell. 

1873.  Wien,  Ludwig  Lobmeyr Nach  Seite  168 

XXXII.  Neapolitanische    Netzflickerin.     Aquarellstudie.    1873.    Wien,    Ludwig 

Lobmeyr »  »168 

XXXIII.  Inneres    eines    neapolitanischen    Bauernhauses    mit     Holzstiege     und 

nähender  Frau.  Aquarell.  1873.  Wien,  Ludwig  Lobmeyr »  »      168 

XXXIV.  Neapolitanisches  Bauernhaus  mit  Bäuerin.  Ölbild.  1873?  Wien,  Ludwig 

Lobmeyr .■     •     •        »         »      168 

XXXV.  Hof  eines  ungarischen  Bauernhauses  mit  zwei  Kindern  am  Boden  und 
bunten  Gewandstücken  auf  zwei  dürren  Bäumen.  Ölbild.  1874?  Wien, 

Ludwig  Lobmeyr »  »      170 

XXXVI.  Hof  einer  ungarischen  Bauernwirtschaft;  darin  eine  Bäuerin,  die  Hühner 

füttert.  Ölbild.  1874?  Wien,  Wilhelm  KufFner »  »174 

XXXVII.  Alte  Venezianerin  mit  Vogelkäfigen.  Ölbild.  1874.  Wien,  FranzXaverMayer        »  »      176 

XXXVIII.  Alte  Venezianerin,  sich  schneuzend.  Ölbild.  1874.  Wien,  Eugen  Miller 

V.  Aichholz »  »176 

XXXIX.  Blumenstück.  Ölbild.  1874.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz »  »176 

XL.  Zwei  ungarische  Bauernkinder  bei  Sonnenblumen.   Ölbild.  1876.  Wien, 

K.  k.  österreichische  Staatsgalerie »  »      184 

XLI.  Ungarischer  Markt  bei  Regen.  Ölbild.  1880.  Wien,  Franz  Xaver  Mayer        »  »      192 

XLII.  Das  Duell  in  der  Au.  Pastellbild.  1882.  Paris,  Charles  Sedelmeyer    .     .        »  »      194 

XLIII.  Der  Apotheker.  Aquarell.  1885.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz  ...        »  »      198 

XLIV.  Blick  auf  die  Dächer   der  Calle   dei  Fuseri  in  Venedig.    Gouachebild, 

1885.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz »  »      200 

XLV.  Garten  in  Grünau.  Gouachebild.  1886.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz        »  »      208 

XLVI.  Küche  in  Riva.  Aquarell.  1886.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz    ...»  »      210 

XLVII.  Der  Hufschmied.  Gouachebild.  1886.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz  .        »  »      212 

XLVIII.  Kampf  in  einem  venezianischen  Gäßchen.   Unvollendetes   Ölbild.  1887. 

Wien,  K.  k.  österreichische  Staatsgalerie »  »      212 

IL.  Des  Künstlers  Atelier.  Gouachebild.  Wien,  Marie  und  Berta  Müller     .        »  »      214 

L.  Ungarische  Marktweiber.  Unvollendetes  Ölbild.  Wien,  Oskar  Bondy    .        »  »      220 

LI.  Ungarischer  Markt.  Unvollendetes  Ölbild.  Wien,  Hauptmann  Franz  Artaria        »  »      220 

LH.  Gasse  in  Riva.  Kreidezeichnung.  1886.  Wien,  Eugen  Miller  v.  Aichholz        »  »      224 

LIII.  Franz  Lenbach,  Porträt  Pettenkofens.  Ölbild.  1883.  Wien,  Franz  Xaver 

Mayer »  »      262 


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